1883 / 257 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Nov 1883 18:00:01 GMT) scan diff

VBELOEURRA,

betreffend Verlängerung des Verbots der Ein- fuhr und Durchfuhr von Schafen.

Einziger Paragraph. Mit Genehmigung des Herrn Ministers für Landwirth- schaft, Domänen und Forsten wird das unterm 13. März d. 5. erlassene, und unterm 31. August d. J. bis zum 1. No- vember laufenden Jahres ausgedehnte Verbot der Einfuhr und Durchfuhr von Schafen aus dem Königreich der Nieder- lande, dem Königreih Belgien und dem Großherzogthum Luxemburg hiermit bis auf Weiteres verlängert. Aachen, den 29. Oktober 1883. Der Regierungs-Präfident. J : von der Mar.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 1. November. Se. Majestät derKaiser und König empfingen heute Vormittag den Oberst-Lieutenant und Flügel-Adjutanten von Brauchitsch, nahmen die Meldungen des Generals der Jnfanterie z. D. von Voigts-Rheß und des General-Lieutenants von Radécke, Commandeurs der 4. Division, sowie hierauf die Monats- rapporte entgegen und hörten die Vorträge des Kriegs- Ministers und des General-Lieutenants von Albedyll.

Nachmittags empfingen Se. Majestät den Prinzen Hugo zu Schönburg nebst Sohn und den Botschafter Fürsten von Hohenlohe-Schillingsfürst.

Aus Camenz in Schlefien geht uns heute folgendes Telegramm zu:

Am 31. Oktober, Abends 61/5 Uhr, beim Verlassen der Stadt Frankenstein nach beendetem Reformationstags-Gottesdienst, hatten Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Albrecht das Mißgeschick, im Dorfe Zadel in undurchdringlihem Nebel den Weg zu verfehlen und mit dem Wagen umzuwerfen. Die Frau Prinzessin erlitt einen, Gott sei Dank, leihten Knochenbruch oberhalb des reten

Knöchels. Nacht ohne Fieber. Graf Schulenburg, Hofmarschall. Unter dem Vorsiz des Staats-Ministers von

Boetticher wurde am 31. Oktober d. J. eine Plenarsitzung des Bundesraths abgehalten. Von der Vorlage, betreffend den Stand der Arbeiten der zur Vorbereitung einer Reform der Zuckerbesteuerung cingeseßzten Enquete-Kommission, nahm die Versammlung Kenntniß. Dex Vorsißende machte Mit- theilung von der erfolgten Verpflichtung eines neuernannten Mit- gliedes der Königlich preußischen Hauptverwaltung der Staats- schulden. Dem Entwurf von Ausfsührungsbestimmungen zur deutshen Gewerbeordnung ertheilte die Versammlung gemäß den Anträgen der Ausschüsse ihre Zustimmung; zugleih er- tlärte die Versammlung mehrere, auf die Ausführung des À 44 der Gewerbeordnung bezüglihe Eingaben durch diese

eshlußfassung für erledigt. Der Ertwurf der Aus- führungsbestimmungen zu der Uebereinkunft mit Frank-

reih wegen des Schußes an Werken der Literatur und Kunst wurde zur nohmaligen Vorberathung an die Auëschüsse zurückgewiesen. Eine Eingakte, betreffend

die Gestattung des Ankaufs von Menschenhaaren im Umbher- ziehen, wurde zurückgewiesen. Nachdem die Versammlung von zwei Eingaben, betreffend die Klagen über Schäden der Ge- werbefreiheit in Stadt und Land, sowie beireffend die Vaga- bondage und die Mittel zu ihrer Abhülfe, Kenntniß genommen hatte, faßte dieselbe shlieflich Beshluß über die geschäftliche Behandlung einer auf Verseßung in eine höhere Servisklasse gerichteten Eingabe,

Auf Grund des 8§. 28 des Regulativs über Ausbil- dung, Prüfung und Arsstellung für die unteren Stellen des For tdienstes in Verbindung mit dem Militärdienst im «Fäger: Corps vom 15. Februar 1879 werden tei den Re- gierungen zu Gumbinnen, Danzig, Stralsund, Breslau, Oppeln, Magdeburg und bei der Hofkammer zu Berlin neue Notirungen forstversorgungsberechtigter Jäger der Klasse A1 bis auf Weiteres dergestalt aus- geshlossen, daß bei den genannten Behörden nur die Meldungen solher im laufenden Jahre den Forst- versorgungsschein erhaltenden Jäger angenommen werden dürfen, welhe im Bezirk derjenigen der vorgenannten Be- hörden, bei welcher sie sich melden, zur Zeit des Empfanges des Forstversorgungéscheins im Königlichen Forstdienste bereits länger als zwei Jahre beschäftigt sind. Die Zahl der An- wärter ist gegenwärtig am geringsten in den Regierungsbezirken ane Cassel, Aachen, Marienwerder , Frankfurt und iegniß.

Nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 15, Oktober d. J., hat der Veräußerer, welcher, um si von seiner persönlichen Ver- bindlihkeit für die Hypothekenshulden zu liberiren, der Bestimmung des §8. 41, Abs. 2 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 gemäß, den Hypothekengläubigern \chriftlich durch die Post die Schuldübernahme Seitens des Erwerbers bekannt giebt, genügende Sicherheitsmaßregeln zu ergreifen, daß das Schreiben auch wirklich in den Besiß des Adressaten gelange. Erfolgt die Bekanntgabe durch einen eingeschriebenen oder nur dur einen gewöhnlihen Brief, so genügt zwar dieselbe formell den gescßlihen Anforderungen, aber der Absender des Briefes hat, falls Adressat leugnet, den Brief empfangen zu haben, diesen Empfang nachzuweisen,

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlih \{wedis{- vorwegishen Hofe, von Pfuel, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Stocktholm fungirt der Legations-Séekretär Dr. von Kleist als interimistisher Geschäftsträger.

Der General - Lieutenant von Radedcke, bisher Commandeur der 25. Kavallerie - Brigade (Großherzoglich Hessischen) ist, aus Veranlassung seiner Beförderung sowie Er- nennung zum Commandeur der 4. Division, zur Abstattung persönliher Meldungen hier eingetroffen.

Der Kommandant von Hannover, General-Lieutenant von Barby, hat Berlin nach kurzem Aufenthalt wieder

Breslau, 31. Oktober. (W. T. B.) Fürstbishof Dr. erzog ist von seiner Reise nach Rom heute Nachmittag wieder hierher zurüdckgekehrt.

Hannover, 30. Oktober. (Neue Hannoversche Ztg.) Jn der heutigen (2.) Sißung des 17. hannoverishen rovinzial-Landtages stand unächst ein Schreiben des Ober-Präfidenten, Bestimmungen über Auseinandersezungen der in den Kreisen zu vereinigenden Wegeverbände be- treffend, auf der Tagesordnung. Nach längerer Debatte stellte der Abg. von Rössing folgenden Antrag: Der Provinzial-Landtag wolle besließen: den Art. T Nr. 1 des Selepentwnmrss über die Einführung der Provinzial-Ordnung vom 29. Juni 1875 in der Provinz Hannover einer nochmaligen Erwägung zu unterziehen und zur Prüfung der Frage, ob die 88. 9 bis 15 und der S. 22 der Provinzial-Ordnung in einer den biesigen Verhältnissen mehr entsprehenden Weise abgeändert werden möchten, zunächst eine Kommission von neun Mitgliedern niederzuseßzen. Dieser Antrag soll morgen zur Berathung gelangen. An die Rehnungskommission gingen dieUebersichten über die Einnahmen und Ausgaben des provinzialständishen Verbandes, die Rehnungen der ständischen Hauptkasse und der Wittwenkasse, sowie die revidirten ständishen Jahresrehnungen. Die Berathung des Finanzetats pro 1884 leitete der Schazrath Müller ein, Der Finanzabshluß des Jahres 1883 jei ein durchaus befriedigender; der Uebershuß betrage 96 851 #, wovon über 20000 M extraordinär verwandt seien. Auch der jeßt vorliegende Finanzetat dürfte befriedigen, denn auch dieser {ließe mit einem Uebershuß. Jn den Ein- nahmen betrage das feststehende Ordinarium 4131 559 M, der Zuschuß zu den Kosten der Zwangserziehung verwahrloster Kinder 56 000 #, an Zinsin 216731 # Es seien Fonds von über 4 Millionen Mark erspart. Die Aufkünste von den Chausseen seien zu 125 000 # angesett ; die Durchschnitts- summe der leßten drei Jahre betrage 137 000 In der Spezialdiskussion der Ausgaben wurden ohne erheblihe Debatte der Etat des Provinzialmuseums zu Han- nover, ferner der Etat der Hildesheimer Heilanstalt, endlich der Etat der Jrrenanstalten zu Göttingen und zu Osnabrü unverändert nach der Vorlage genehmigt. Nächste Sißung Mittwoch 12 Uhr.

Bayern. München, 30. Oktober. (Allg. Ztg.) Der König trifft heute zu einem 14tägigen Aufenthalt hier ein. Die „B. Parl. Corr.“ schreibt : Die Fraktion der Rechten der Abgeordnetenkammer hat heute Vormittag Klubsizung gehabt und sih über den Regierungsentwurf, betreffend die Errichtung einer staatlichen Hagelversicherungsanstalt, schlüsfig gemacht. Das Referat des Abg. Frhrn. von Soden hat, wie wir hören, im Allgemeinen die Zustimmung der Fraktion er- halten. Dasselbe enthält einige Modifikationen der Regierungs- vorlage, die aber in der Kammer zu keinen wesentlichen Differenzen führen dürsten. Die Vereinbarung des Gesetzes kann heute schon als gesichert betrachtet werden.

Mecklenburg-Schwerin. Schwerin, 31. Oktober. Einem den „Meckl. Anz.“ aus Bournemouth zugegangenen Telegramm zufolge E der Großherzog und die Gro ß- herzogin gestern Nachmittag von Bournemouth abgereist und gedenken am Donnerstag Mittag in Paris einzutreffen. Das Befinden des Großherzogs ift gut.

Sachseu-Meiningen-Hildburghausen. Meiningen, 30. Oftober. (Th. C.) Der Landtag, der zur Berathung des Etats für die Finanzperiode 1884/86 zusammengetreten ist, wurde heute durch den Präsidenten, Geheimen Regierungs-Rath Kircher, mit einer Ansprache eröffnet, in welcher derselbe einen Rückblick auf die 45jährige gesegnete Regententhätigkeit des verewigten Herzogs Bernhard gab, der seit dem leßten Zu- sammensein des Landtags dahin geschieden ist, und der hervor- ragenden Verdienste desselben um die gedeihlihe Entwickelung des Landes, namentlih auf dem Gebiet der organisatorishen Verwaltung und der Geseßaebung rühmend gedahte. Der Herzog hatte bekanntlih 1866 die Regierung niedergelegt.

Neuß j. L. Gera, 31. Oktober. (Th. C.) Der Land- tag des Fürstenthums Reuß j. L. ist heute eröffnet worden. Den Hauptgegenstand der Berathungen desselben bildet der Etat für die nächste Finanzperiode.

Frankreich. Paris, 31. Oktober. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer seßte heute die Berathung der Fnter- pellationGranets über Tongking fort. Clémenceau kritisirte in hestiger Weise die Handlungen des Kabinets, und sagte: Niemand verlange einen \{himpflichen Rückzug der Re- gierung, aber die Kammer habe präzise Erklärungen von der- selben zu verlangen. Es handle sih hier niht um eine Porte-

feuillefrage, sondern um die Frage des Vaterlandes, und Frankreich dürfe nicht kompromittirt werden. Der Minister-Präsident Ferry erwiderte: die Expe- dition nah Tongking sei nicht das persönliche Werk des Kabinets, sondern vielmehr eine Folge früherer

diplomatisher und militärischer Vorgänge. Man dürfe zwar die Stärke der französishen kontinentalen Streitkräfte nicht vermindern, andererseits aber auch nicht vergessen, daß Frank- reich die zweite Seemacht sei. Die Republik müsse wachen über die Erhaltung der Jntegrität ihrer Kolonialmacht und müsse das Terrain vorbereiten für die Thätigkeit der künftigen Ge- shlehter. Der Minister wies den Vorwurf zurück, daß das Kabinet unklug gehandelt habe. Die Regierung sei bei den Unter- handlungen mit China in der Mäßiaung bis zu den äußersten Grenzen gegangen. Ein Bruch zwischen Frankreih und China sei niht eingetreten. Soeben habe die Regierung eine Depesche von Tricou, vom 29. d. M., erhalten, in welcher derselbe anzeige, daß der Vize-König von China ihn zurück- zuhalten suche, sehr beunruhigt sei und den Marquis Tseng in vielen Stüccken desavouire. (Beifal.) Wenn die Ver- handlungen noch niht zum Ziele gelangt seien, so sei doch anzunehmen, daß die Chinesen si versöhnlicher zeigen würden, sobald Sontay und Bacninh von den französischen Truppen beseßt sein werden. Der Minister ist nicht der Ansicht, daß China den Krieg erklären werde, und bemerkte weiter, daß auch die französishe Regierung ihrerseits niht beabsich- tige, China den Krieg zu erklären. Die französischen Truppen würden sih in dem Delta dauernd festseßen, und Niemand werde sie von dort vertreiben können. Die Kolonialpolitik gebe zwar feine unmittelbaren Erfolge, man arbeite aber mit derselben für die Nachkommen. Das beste Mittel, um Gefahren zu vermeiden, sei zu zeigen, daß man dieselben niht fürhte. Die Kammer werde dies durch ihr Votum beweisen. (Lebhafter Beifall.)

verlassen.

Präsidenten ungenügend und bekämpfte dann weiter die Ko- lonialpolitik und überhaupt di: auswärtige Politik der Re- gierung. Jnsbesondere tadelte Clémenceau, daß die Truppen aus Algier genommen würden, und daß Frankreih seine Streitkräste überall zerstreue, während das übrige Europa dieselben konzentrire. Das Ministerium. verdiene bei seiner Ungeschicklihkeit niht das Vert-auen der Kammer. Der Kriegs - Minister General Cam- penon antwortete: Algier sei keineëwegs von Truppen entblößt. Die Regierung ordne jederzeit ire Kolonialpolitik der kontinentalen Politik unter. Nah einer kurzen Replik Clémenceau’s wurde sodann die Diskussion geschlossen. Die einfahe Tagesordnung wurde mit 339 gegen 94 Stimmen abgelehnt, die Tagesordnung mit dem Vertrauens- votum, welche besagt, daß die Kammer die von der Regie- rung zur Wahrung der Jnteressen und Ehre Frankreichs er- griffenen Maßregeln billige, und daß sie auf ihre Festigkeit- und Klugheit bei Ausführung der bestehenden Verträge ver- traue, mit 339 gegen 160 Stimmen angenommen.

__ “Italien. Rom, 31. Oktober. (W. T. B.) Die „Gazzelta ufficiale“ veröffentlicht ein Königliches Dekret, durh welches das Parlament auf den 26. November einberufen wird.

_ Bulgarien. Sofia, 31. Oktober. (W. T. B.) De” Minister Balabanoff hat über die ihm vom Kai” von Rußland ertheilte Audienz telegraphisch hio-" meldet : er sei vom Kaiser sehr freundlih empfange! und die Audienz habe eine halbe Stunde gedau Kaiser, welcher großes Jnteresse für Bulgarien an v gelegt habe, wünshe ein baldiges Arrangement in der litärfrage; es werde zu dem Ende in der Kürze ein ch tant des Kaisers in Sofia eintreffen.

Amerika. Washington, 31, Oktober. (W. T. B., General Sheridan ist hier eingetroffen, um a DJtelle des Generals Sherman den Posten als kommandiret .c General der amerikanishen Truppen zu übernehmen.

New-York, 31. Oktober. (W. T. B.) O'Donovan Rossa erklärt die Explosionen auf der unterirdi- schen Eisenbahn in London sowie die jüngst in Woo [l- w ich stattgehabte Explosion für ein Werk der Ave uud E es seien noch weitere ähnliche Attentate derjelben zu er- warten.

Zeitungss\timmen.

gu dem „Reichsboten“ lesen wir: Die „Volk2-Ztg.* {reibt über den Diätenfonds der Fortschritts- partei, dessen Wirksamkeit in ein gewisses Geheimniß gehüllt ist: „Die Statuten dieses {on lange vor den Reichstagêwahlen von

1881 begründeten Fonds sind seinerzeit veröffentliht worden. Danach hat jedes außerhalb Berlins und defsen Umgebung wohnende Fraktions- mitglied einen festen, von den idividuellen Vermögensverhäitnissen ebenso wie von dem politischen Verhalten durhaus unabhängigen An- spruch auf eine geringe Pauschalsumme pro Session 500 4 als Zuschuß zu den Auferthaltskosten in Berlin. Der Partei- oder M Ns stcht auf diesen getrennt verwalteten Fonds keinerlei influß zu. Der einzelne Abgeordnete kann die ihm überwiesene Summe zu den Aufenthaltskosten verwenden, dem Centralwahlfonds überweisen oder sonst für einen politischen Zweck bestimmen oder auch ganz ablehnen

_ Die fortschrittlihen Abgeordneten erhalten do Gebalt und zwar nit etwa von ihren Wählern, sondern von unbekannten Leuten. Es müfsen das fehr reiche Leute sein, die einen so großen Fonds stiften können, der jedem nit in Berlin ansässigen Abgeordneten pro Ses- sion 500 M abwirft. Es müssen auch Lute sein, die ein großes politisbes Interesse haben, für das sie so große Opfer bringen. Also welbes sind diese Leute? Diese Frage hat allgemei- nes öôffentlibdes Interesse, denn eine parlamentarishe Fraktion besteht aus Abgeordneten, aus Vertretern des Volkes, und es kann dem Volke doch wahrlih nicht gleichgültig sein, wenn seine Abgeordneten bei ihrem Eintritt ins Parlament gewissermaßen in den Sold anderer Leute treten; insbesondere ist cs für unsere landwirthscaftlibe und gewerbliche Bevölkerung eine höchst bedenk- libe Sake, wenn ihre Abgeordneten im Parlament in den Sold von Eroßkapitalisten treten, Da erhebt sich doch die Frage: sind das no freie Volksvertreter und hat eine solche Fraktion, welche auf diese Weise in den Sold des Großkapitalismus getreten ist, überhaupt noch Anspruch darauf, eine freie Volksvertretung zu sein? „Weß Brot ih e}, deß Lied ih sing'!*“ Die „Volkéztg.“ schreibt, der Partei- und Fraktionéleitung stehe auf diesen Fond kein Einfluß zu. Um fo s{limmer ist es: es sind also andere Elemente, vielleibt folce, die ganz außerhalb der Fraktion stehen, welche den onds verwalten und die Abgeordneten für ihre parlamentarische hâtigfkeit bezahlen. Wenn die Fraktion selbst das thâte, so wäre das noch nit so s{limm. : Nach diefen Enthüllungen is es für unsere ländlide und ge- werblicbe Bevölkerung ganz unmögli, fernerhin noch einen fort- scrittliden Abgeordneten zu wählen, wenn diese Bevölkerung überhaupt noch einen Funken Verständniß für ihre Interessen hat. Es muß fi doch jeder sagen, daß die Großfkapitalisten, die so große Summen für die fortschrittlihen Abgeordneten geben, das nur unter der Bedingung thun, daß diese Abgeordneten auch die Inter- essen des Großkapitals im Parlament vertreten. Denn für nichts und wieder nichts geben diese Herren kein Geld, Ab- geordnete, welhe in soldem Soldverhältniß zu dem Großkapital stehen, sind keine freien selbständigen Volksvertreter mehr, sondern Söldner des Kapitalismus. Solche kann aber weder die landwirthschaftliche noch die gewerblihe Bevölkerung als ihre Ver- treter ansehen! Es fragt sih aber au, ob der Reichstag solche Abgeordnete, welche von außer dem parlamentarischen Leben stehenden Großkapitalisten für ihre parlamentarische Thätigkeit Gehalt annehmen, als vollgültige Volksvertreter und eine Fraktion, welche ein solches Söldnerverbältniß in ihrer Mitte einrihtet, als eine vollgültige und ebenbürtige Fraktion ansehen kann. . : Der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ wird aus Berlin geschrieben : Die Betriebsergebnisse deutscher Eisenbahnen sind in fortdauern- der Besserung begriffen. Nah der im Reichs-Eisenbahnamt aufge- stellten Uebersicht derselben für den Monat September d. J. war die Einnahme aus allen Verkehrêzweigen vom 1, Januar bis Ende Sev- tember d. I. beim Vergleich der provisorish ermittelten Ergebnisse des laufenden Jahres mit dem Definitivum des Vorjahres bei 45 Bahnen höher und bei 7 Bahnen geringer als in demselben Zeit- raum des Vorjahres. Dieses Verhältniß stellt si{ch noch günstiger, wenn man berücksichtigt, daß tie en 7 Bahnen mit Minder- einnahmen nur Bahnen von geringer Ausdehnung sind und zusammen nur 1309 km Länge besißen, während die 45 Bahnen mit Mehrein- nahmen dur{s\chnittlich weit bedeutender sind und zusammen 29 056 km Länge kesiten. i a __— Der „Berggei st“ bemerkt zu einer ihm von dem Königlichen Dber-Bergamt zu München zur Verfügung ge- stellten und in dem Blatte veröffentlihten Uebersicht über das Bergwerks-, Hütten- und Salinenwesen in Bayern im Jahre 1882 :

Clémenceau entgegnete: er finde die Antwort des Conseils-

Die Gesammtproduktion der Bergwerke (mit Aus\{luß der nit vorbehaltenen Mineralsubstanzen) der Salinen und Hütten hat im

mittel“

Vorjabre 787 762 t ¡um Geldwerthe von 27785637 Æ gçegen 779 132 t zum Geldwerthe von 26 285 943 A in 1881 betragen. Es ergiebt das aegen das Vorjabr eine Mehrproduktion von 8629,980 t E einer Mehrförderung von 1499694 Æ, hat also auch in Bayern, wie în den übrigen Montan- und Metalldiftrikten_ Deutsch- [lands, eine erbebliche Steigerung erfahren, die den Beweis liefert, Daß dort ebêenfalls die wirthschaftlihe Thätigkeit in fortschreiten- der Befsseving begriffen ift. Das in Deutschland eingesührte System der“ Sckugzölle wird si auch in Bayern als ein gutes Be- förderung8mittel der Groß- wie der Kleinindustrie erwiesen haben. In einem „die Besteuerung unentbehrlicher Lebens- behandelnden Artikel führt der „Düsseldorfer Anzeiger“ u. A. aus: : S

Di fortschrittlich-manchesterlibe Opposition verspribt \ich be- kanntlich ganz besonders große Erfolge von ihrem Kampfe gegen die „Besteuerung Ee - cotenE und in der That hat fie iermit {on einige Erfolge erzielt... : L Daß die Opposition selbft an die Berechtigung „des Sclag- worts: „keine Steuer auf unentbehrlie Lebenémittel glaubt, ist nit anzunehmen. Sie muß wissen, daß kein Staat der Welt auf die Besteuerung von Gegenständen des tägliden Verbraubs und Genufses verzicbten Tann und daß thatsählich au kein Staat darauf verzichtet. . Wie die „Nationalliberale Correspondenz mit Recht sagt, „ist es \blechterdings unmögli, diese Hunderte von Milionen (die durch diese Besteuerung erzielt werden und bei den natürlicen Be- dürfnissen eines Staates erzielt werden müssen) dur direkte Steuern oder irgend ein anderes Steuerobjekt aufzubringen, und ein halbwegs gewissenhafter und die niedrigsten Künste der Volksverführung ver- ¿Pmähender Politiker sollte diese Thatsache ¿anerkennen und die nun b nal ganz unvermeidlihe Nothwendigkeit nit mehr in Frage stellen,

eru er weitaus größte Theil der Reihsbedürfnisse dur indirekte geferbraucbsfteuern bestritten werden muß, die selbstverständlich auf Gegenstände des Massenkonsums gelegt werden müsen :

Daß die fortschrittlibe Opposition dies einsieht, darf fesistehen: ihre Wortführer haben bei den Berliner Gemeindewahlen oft genug erklärte, daß es Mane und thöricht ist, eine Forderung zu erheben, die nun einmal nach Lage der Sache gegenwärtig nit zu erfüllen ist. Troßdem werden sie nach wir vor versuchen, mit jenem Sclag- wort Geschäfte ¿zu machen und dem Volke vorzureden, daß nur die „Reaktion* unentbehrlihe Lebensmittel besteuere. _ Es wird daher nöthig sein, einmal zu untersuchen, wie es solche Staaten mit diesen Steuern halten, die bei Fortschrittäleuten nie in den Verdacht der „Reaktion“ kommen fönnen, Frankrei und England.

Wenn man die von Reichêwegen erhobenen Steuern nach der Bevölkerung8ziffer auf Preußen reduzirt, so zablt Preußen an indirekten Steuern (Steuern auf Leben€t- und Genußmittel) pro Kop? der Bevölkerung 10 4, Großbritannien dagegen 25,86 4 und Franf- reib 25,08 A6. . . Die direkten Staats- und Kommunalsteuern betragen dabingegen in Preußen 13,59 4, in England 30,25 H, in Frankreich

31,33 A _

Was das Verhältniß der direkten zu den indirekten Steuern an- betrifft, so bringt Preußen nach neueren Untersuhungen Eerst- feldts von seinen sämmtlichen Steuern 30,2 °/o auf direktem Wege auf, England bingegen nur 17,7 °%/9 und Frankrei 17 %o. Durch indirekte und Verkehrssteuern werden in Preußen aufgebracht 69,8 9%, in England dagegen 82,3 % und in Frankreih 83,0 "/o aller Sr. = ;

Es ergiebt sich hieraus, daß Frankrei und England weit mehr als Preußen (bezw. Deutscland) die indirekten Steuern, wozu vor- zugsweise diejenigen auf Lebenêmittel gebören, entwidckelt haben. Die- felben find dadur im Stande, weit größere Steuerlasten ohne allzu großen Druck für den Einzelnen zum Wohle der Gesammtheit auf ch zu nehmen. Wenn in Preußen über Höhe der Steuern geklagt wird, so kommt dies nur daher, daß die direkten Steuern zu stark ausgebildet \ind. Eine höhere Besteuerung der Lebensmittel allein kann den Druck der Steuern beseitigen.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 43. Inhalt: Nichtamtliwes: Die internationale elektrische Ausftellung in Wien. IL.) Ueber Lüftung der Viehställe. (S{luß.) Vermischtes : ie Enthüllung des Swinkel-Denkmals in Neuruppin. Neuhaus- Denkmal. Konstruktion und Berechnung der Hebewerkzeuge. Technische Hochschule in Berlin.

Statiftishe Nachrichteu.

Ueber die Fortschritte der Jugend- und Schulsparkassen theilt die von dem Verein für Jugenbsparkafsen in Deutscland heraus- gegebene Einladungss\crift zur ersten in Dresden am 4. Oktober a. c. abgehaltenen Generalversammlung (im Kommissionsverlage von G.

arneŒer Franfkfurt a, O.) Folgendes mit: Das „Journal des its vem 19. Mai a. c. brate folgende ministerielle Publikation über Gang und Stand der Sache in Frankrei: Es existirten im Januar 1877 8033 Schulsparkafsen in 176 040 Sparbüchern im Betrage von 2 984 352 Fr., 1879 10 440 Schulsparkassen in 224 200 Sparbüchern im Betrage von 8 602 621 Fr., 1881 14372 Swulspar- fassen in 302 841 Sparbüchern im Betrage von 6403 773 Fres., 1882 16494 Sgculsparkafsen in 349219 Sparbüchern im Betrage von 7984 811 Frces., 1883 19 433 Shulsparkassen in 395 869 Spar- büdbern im Betrage von 9064583 Fres., jeßt über ein Halbjahr spâter dürften über 20 000 Swulsparkassen in Frankreich anzunehmen sein in 400 000 Sparbüchern mit 9—10 Millionen Frcs. Einlagen. In Ungarn befanden sich in 1882 an 256 Orten, in 354 Schulen mit 565 ELhrern, 19273 sparende Schüler mit 114734 Gulden Einlage, gegen in 1881 14918 Schüler mit 71817 Gulden Einlage. In Belgien ist die Schulsparkasse obli- atorisch. Ia England und Wales pro 1880 1087 Shul- parkafsen, in S cbottland 62, in der Schweiz 49. In Italien wirkten dafür pro 1880 3240 Lehrer, betheiligten sich 40 956 Schüler. Auch in Dänemark, Rußland, Schweden, Norwegen, Spanien, Griechenland, Vereinigte Staaten in Nordamerika, Brasilien, bollân- dish Guyana, Jamaika und Australien is die Scwulsparkafse in Uebung und breitet \ich je länger je mehr aus. In Deutschland existirten 1882 50 Iugendsparkassen; in 8 Aussteuerkassen 7712 Spa- rer mit 861 238 Æ Einlage, per Bu 116 4; in 4 Konfirmanden- sparfafsen 265 Sparer mit 1651 # Einlage, per Buch 6 M; in 3 Fortbildungssculsparkassen 53 Sparer mit 580 Einlage 1066 Æ# pro Buch; in 17 Jugend- inkl. Kindersparkassen 5495 Sparer mit 43 138 Æ Einlage, 7,85 ( pro Buch, in 18 Sonntags- \hulsparkafsen 19 743 Sparer mit 175 6£0 (4 Einlagen, 16,35 M ro Bub; ferner in Schulsparkassen: in 842 Schulen, bei 1250 ehrern, 61 940 Sparer mit 640000 # Einlage, 10 33 - pro Buch ; die Zahl der als Siye solcher Kassen betheiligten Städte und Dörfer war 157 Städte und 548 Dörfer. O :

Von den deutshen Sculsparkassen, die_ sämmtliÞ pro- speriren und alljährlich eine größere Zahl Sparer und eine größere Summa der Einlagen aufweisen, find nah dem Bericht fol- gende erwäHhnen8werth; Schulsparkasse in Memel, in Wangerin

ommern), in Ratzeburg (S(leëwig-Holstein), in Hannover, in Ge in Teßterer Stadt cxistiren 4 Schulsparkafsen ; die 92. Ge- meindeshule unter Rektor Schmidt, die Sparkasse der Sonntags- \{chule des Evangelischen Vereinshauses; die Sparkasse des Evange- lisben Jünglings8vereins und de Stadtmissions - Sonntagsschule (Scwwedterstraße Nr. 35), von 225 Kindern besucht; über die leßtere wird berichtet: Seit circa sechs3 Wochen besteht die Einrichtung, daß Spareinlagen gemacht werden können, von denen bereits am 1. Suni 75 A zinsbar angelegt waren; an zwei Sonntagen im Juli haben 148 Kinder (97 Knaben und 51 Mädchen 58,55 H gespart, d. H. pro Kind und Sonntag 20 4. Es sind bis jet, 106 Sparkassenbücher zur Ausgabe gelangt, so daß etwa auf 2 Kinder eins verabfolgt ift; bekanntli sind die Meinungen über den Segen derartiger Einrichtungen in Sonntagéschulen getheilt, da jedoch diese

Schule in einer der ärmsten Vorstadigemeinde liegt, und die Kinder allsonntäglib mit ihren Sparpfennigen ankommen, fo glaubte sid der Vorstand der Einrihtung von Schulsparkafsen nicht entziehen zu fönnen. Sicher ist, daß manter armen Familie die Spareinlagen eine Hülfe in Zeiten der Noth (z. B. bei Krankheiten des Ernrährers) sein werden; ferner eristiren Spar- fassen: in Moabit, in Gaffen (Provinz Brandenburg), in Baudach bei Gassen, in Rublsdorf bei Zerpenschleuse, in Hobenwalde bei Müllrose, in Militsch (S&lesien), in Glogau, in Fellbammer (L. Glatz); iz der Provinz Sacsen: Grafschaft Stolberg-Stolberg, in Delitsch, in Wegeleben, in Eilenburg, in Creisfeld bet Eisleben, in Müdenbera, in Frauenwald bei Schmiedefeld (Reg.-Bez. Erfurt), in Lüdenscheid (Westfalen), in Völklingen (Rbeinprovinz); im König- reih Sachsen: in Meißen, in Bermêgrün bei Schwarzenberg; im Herzogthum Meiningen: in der Stadt Meiningen, in Römbild, in Scwarzburg-Rudolftadt Volkstedt; in Braunschweig: Kirberg bei Seesen a. H., in Münbebos ; in Mecklenburg: in Wustrow, in Schönberg, und in Fürstenberg. i E L Die Ter Ly des Vereins für Jugendsparkafsen in Deutsch- land: in Glogau und Hohenwalde bei Müllrose vom 1. September 1882 bis 31. August 1883 betrug: Jahresbeiträge und außerordent- lihe Beiträge von Mitgliedern 210 4 50 5, Beiträge von Niht- mitgliedern 333 A 10 4, Erlös aus dem Schriftenverlag 183 79 4, Summa der Einnahme 727 Æ 39 A. Die Ausgabe be- trug: an Vorschuß vom Jahre 1881/82 zurück 311 M 56 , Druck- fosten 1072 Æ 10 4, sonstige Ausgaben (Porto, Fracbt, Depefcben, Abonnement auf Zeitschriften 2c., Inserate, Büreaubedürfnise, Reises diâten u. \. w. 411 4 94 „4, Summa der Ausgabe 1795 A 60 -, ab Einnahme 727 # 39 4, mithin Defizit 1068 # 21 s. Zum Swluß des Berichtes ribtet der Vorstand des Vereins noch an alle Mitglieder die dringende Bitte, mit den Beiträgen zum Verein nicht zu ermüden. Leider hat die im leßten Rundschreiben vom 3. Sep- tember d. F. freilih nur ganz kurz erwähnte Bitte bis jeßt, wie der Bericht mittheilt, nur ganz geringen Erfolg gehabt. Soll der Verein noch fortbestehen, so sind neue Mittel dringend nothwendig.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Die Bestimmungen der Städteordnung vom 30. Mai 1853 sind dur die Gesetzgebung der leßten Jahrzehnte vielfach abgeändert und ergänzt worden; insbesondere haben die Verwaltungs-Riform-Gefeße einen tief einsbneidenden Einfluß auf die städtische Gemeindeverfassung auêgeübt und materielle Aenderungen der bestehenden Städteordnung herbeigeführt. Es ist dadur dem Rechtszustande die einfae Ueber- \ihtlikeit genommen und die Handhabung der in Kraft befindlichen Vorschriften nit unwesentlih ers&wert. Eine von dem Ober-Bürger- mcister O. Oertel herausgegebene Bearbeitung dieses Materials ift bestimmt, dem praktisen Verwaltungsbeamten das Studium desselben zu erleihtern. Das Werk erscheint im Verlage von H. Krumbbaar, Liegnitz, unter dem Titel „Die Städteordnung vom 30. Mai 1853 und die Verwaltungs-Reform-Geseße für die preu- ßisde Monarwbie mit Ergänzungen und Erläuterungen“ ; der kürzlich ausgegebene erste Band desselben liegt uns gegenwärlig vor. Der Verfasscr hat sich die Aufgabe gestellt, die Abänderungen ersichtlich zu machen, welche die Städteordnung dur die Verwaltungs-Reform- Gesetze erlitten hat, lcttere selbft im Zusammenhange darzustellen, zu erläutern und das reichhaltige Material, welcbes die Gesetzes-

materialien, die ergangenen Ministerial - Verfügungen fowie die bisher bekannt gewordenen Entscheidungen des obersten

Verwaltung8geribishofes für das Verständniß der gedachten Gesetze bieten, dem praktisden Verwaltungsbeamten zugänglib zu machen. Der Verfasser hat ferner andere Geseße, welche für die Verbältniffe der Stadtgemeinden von Wichtigkeit sind, an den geeigneten Stellen zum Theil wörtlih cingefügt und, soweit nöthig, mit erläuternden Bemerkungen beglcitet. Aeltere Ausgaben und Kommentare der Städte-Ordnung sind hierbei entsprechend berüdsicbtigt worden. Der vorliegende erste Band umfaßt die Städte-Ordnung vom 39, Mai 1853, die Kreis-Ordnung vom 13. Dezember 1872/19. März 1881 und die Provinzial-Ordnung vom 29, Suni 1875/22, März 1881.- Die Bearbeitung der übrigen in Betracht komznenden Geseße soll in einem zweiten Bande nachfolgen, welcer voraussichtlich binnen kurzer Zeit in zwei Lieferungen ersceinen wird. A

La Question du Danube, par F. Heinrich Geffken. H. W. Müller, Berlin. Die Frage der Schifffahrt auf der Donau hat in den leßten Jahrzehnten wiederholt und in die- sem Jahre in erböhtem Grade die Aufmerksamkeit der europäischen Mächte beansprucht. Die darüber bisher stattgefundenen Verhand- lungen sowie der gegenwärtige Stand der Frage sind von dem vor- maligen Minister-Residenten und Professor des öffentlichen Rechts, Gefffen, in der vorliegenden Schrift unter eingehender Berücksichtigung der dabei in Betracht kommenden politishen und völkerrehtlihen Gesichtspunkte dargestellt und erläutert worden. Vorschläge zur Lösung der obwaltenden Differenzen hat der Verfaffer dieser Dar- stellung angescblossen. Zwei beigegebene Karten erleichtern das Ver- ständniß der Schrift, deren Prcis 2 M beträgt. .

Der Buchhändler Herm. Bahr in Berlin, der eine Buch- handlung für Rechts- und Staatswissenschaften besißt und zugleich (Mohrenstraße Nr. 6) ein umfangreihes rechtê- und staats8wissenschaft- liches Antiguariat führt, hat aus dem leßteren die seltener vorkom: menden Werke und Zeitschriften aus den Gebieten der Recht s- wissenschaft, der Staatswissenschaft und Volkswirth- \chaftslehre ausgewählt und über diese vor Kurzem einen Katalog (Lagerkatalog Nr. 16) veröffentlicht. Derselbe reiht sich als Supple- ment den von der Firma früher publizirten Katalogen (über allgemein ju- ristise Zeitschriften 2c., Civilprozeß, Strafrecht, Staatsrecht und Kirchen- recht, Verwaltungs- und Volkswirthschaftslchre, Statistik) an und umfaßt im Ganzen 1916 Nrn, von denen 1441 auf die erste, juri- disde, 485 aber auf die zweite, die staatswissensbaftlice Abtbeilung, entfallen. Beide Aktheilungen enthalten eine Menge widtiger und werthvoller Schriften. Die aufgeführten juristishen Werke betreffen die Rechtswissenschaft, theils im Allgemeinen, theils die verschiedenen Zweige derselben und sind sehr verschiedenen Inhalts, beziehen sich theils auf das altrömishe Ret, theils auf das alte und neuere Recht Deutschlands und verschiedener deutsher Länder (Preußen, Brandenburg, Scblesien, Oldenturg, Mecklenburg, amburg, Bre- men u. \. w.), theils auf andere Länder Europas (Desterreicb, die Schweiz, England, Frankreich 2c.). Ebenso bringt auch die staatêwifsen- \haftlihe Abtheilung Schriften des verschiedensten Inhalts (über Staatswissenshaft und Volkswirthschaft im Allgemeinen, Besteuerung überhaupt, Branntweinsteuer, Stempelabgaben, Zollwesen, Zollverein, Gewerbeordnung, Post und Telegraphie, Staatsverwaltung, Ver- siderungêwcsen, Arbeiterstand u. \. w.), die bald ein einzelnes bcs stimmtes Land berücksichtigen, bald ohne eine solhe Rückstcht abgefaßt sind. Uebrigens enthält, wie hon erwähnt, der vorstehende Katalog nur eine Auswahl von Schriften aus dem juridisben Antiquariat der Buchhandlung von Bahr; ein Gefammt-Lagerkatalog ihres rechts- und staatêwissenschastlihen Antiquariats, 408 Seiten stark und aus 12914 Nummern bestehend, wird gegen Einsendung von 3 A. franko verabfolgt. : ; / e i

K. F. Köhlers Antiquarium in Leipzig hat Katalog Nr. 388 "f Rie: und Staatswissenschaften“ veröffentlicht, ter 620 Schriften unter folgenden Rubriken enthält: Allgemeine Striften sowie Römisbes Recht (im Ganzen 81 Nrn.); Deulsches Staats- und Privatrecht (eins{l. der Schweiz und der Osftseepro- vinzen), ihre Alterthümer 2c. und Volkswirthschaft (im Ganzen 148 Nrn.); die außerdeutshen Länder (England, Frankrei, Italien, Dänemark, Schweden, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Rußland, Nordamerika; im Ganzen 139 Nrn.); Staat und Kirche, katholishes und evangelishes Kirhenrecht (im Ganzen 98 Nrn.); Handel und Gewerbe sowie Handelsrecht (im Ganzen 56 Nrn.); Seerecht (14 Nrn.); Statistik (26 Nen.); Versicherungswesen (6 Nrn.); Nachtrag (22 Nrn.). Unter den verzeichneten Nrn. befinden si viele werthvolle Werke.

Gewerbe und Haudel. ;

Danzig, 31. Oktober. (W. T. S Wie die „Danz. Ztg.

meldet, ift über das Vermögen des Kausmanns I. M. Behrendt

zu Marienburg der Konkurs eröffnet worden. Die Passiva betragen

4 Mill. Mark. Behrendt if vershwunden, woahrscheinlich ausgewan- dert. Ein Danziger Haus ist um 200000 4 gescbädigt. Liverpool, 31. Oktober. (W. T. B.) Die Börse war er- regt dur die bereits gemeldeten Fallissements in der Baum- wollenbranche; der Markt war sehr gespannt. Gerüchte von weiteren Fallifsements beunrubigten. _ : New- York, 31. Oktober. (W. T. B.) Der Betrag der A b- nahme der Staatsschuld im Oktober d. J. wird auf 164 Millionen Dollars angeschlagen.

Verkehrs-Anftalten.

Der Aus\{uß des Centralvereins für Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt hat in seiner gestrigen, unter Vorsitz des Abg. Dr. Hammather im Reichétag8gebäude abgehaltenen Sißung einstimmig bes{lofsen, an die Königliche Staatsregierung die Bitte zu rihten, sie möge troß der Ablehnung ihrer auf den Bau eines Theils des Rhein-Weser-Elbe-Kanals geribteten Vorlage dur das Herrenhaus die Herstellung von Sciffahrtskanälen energisch weiter verfolgen. Der Vorstand wurde zugleich ermädtigt, diese Petition eingehend zu modifiziren; aub soll das îtenograpbische Protokoll der jener Beschlußfassung vorangegangenen Verhandlungen der Regierung unterbreitet werden.

Berlin, 1. November 1883.

Die Aula der Kriegs-Akademie ist nunmehr fertiggestellt und gestern durch eine Sitzung der „Militärish2n Gesellshaft“ eingeweiht worden. Die Aula nimmt mit ihren Nebenräumen die westliche Hälfte des ganzen erften und des halben zweiten Stockwerks an der Dorotheenstraße cin, Räume, welbe für Lehrzwecke nicht wohl verwandt werden konnten wegen des lebhaften Geräusches auf der Straße. Die Aula hat eine Grundrißfläbe von ca. 20,4 zu 14,7 m gleich 300 qm, also 25 qm mehr als der bekannte große Saal im Architekten-Vereinshause, bei einer Höhe von ca. 11 m. Dieselbe ist der einzige Saal, welcher die sämmtlichen Offiziere der Anstalt fassen fann, und wird vornehmli zu fcierliben Akten in Anspru genommen werden. Auch die militärishe Gesellshaft und andere militärische Vereine werden diese Räume zu ihrem Heim wählen, während sie bis- ber auf den obengenannten Saal des Arcbitektenhauses angewiesen waren. Entsprechend dem ernsten, streng militärisben Charakter der Arstalt ist au die Aula einfach, zweckmäßig und würdevoll aus- gestattet. Von der Haupttreppe gelangt man dur einen dreifenstrigen Vorsaal, welher wie die Korridore aus Feuersicberbeitêrücksihten überwölbt bezw. mit Eisenwelltlech feuersiber abges&lofsen ift, in die Aula von der Ostseite her. An der Südseite befinden si außerdem ncch zwei Ausgänge, deren einer nad der Garde- robe resp. nach dem Korridor, der andere nach einem fklei- nen Nebenzimmer mit Toilette führt, welbes gleiczeitig als Arbeitszimmer des Direktors der Anftalt dient und ebenfalls wieder vom Korridor zugänglich ist. Außerdem ftößt dieses Zimmer an die Hintertreppe und fann somit bei Feuersgéfahr als direkter Nothautgang dienen. An der Nordseite liegen die fünf Fenster nab der Dorotheenstraße, an der Westseite die Erkerniscbe, welche an der Front der Dorotheenstraße fichtbar ist. Ueber dem Korridor, welcer sich an der Südseite der Aula hinzieht, liegt eine Galerie, die sib na letzterer in einer Höhe von 7 m über dem Fußboden bogenartig ¿ffnet und gleichzeitig dazu dient, der Dee der Aula mit ihren ein- fachen aber geschmackvollen allegorischen Malereien das nothwendige cht zu geben. Ueber dem Eingange an der Ostseite liegt die Muñsikloge. Die Wände sind durch eine niedrige Marmorbekleidung gegen Be- schädigung gesbüßt, im Uebrigen gepußt und mit Delwacsfarbe in einfachen aber harmonishen Tönen gestriben. Stuck ist fast nur an der Decke verwandt, und zwar nit der gewöhnliche, leicht brödelnde Stuck, sondern der solidere Stoffstuck mit Einlagen von dcrder Letnes wand, Das große mittlere Dekenfeld ist ganz frei ceblieben und nur mit eincm zarten grauen Fat1benton überzogen, um spâte- ren Generationen die Möglichkeit zu bieten, hier ein größeres Deckenbild einzutragen. Der Fußboden des Vorsaals besteht aus Terrazzoplatten, derjenige der Aula aus einfachen eicenen Parquetten auf Blendboden. Den Hauptschmuck der Aula bilden die aus der alten Kricgsakfademie übernommenen Oelbilder preußischer Herrscer und Angeböriger des Hobenzollcrnhaufes. Da ift zunächst das große Bild Sr. Majestät des Kaisers als Mittelpunkt an der langen Wand zwischen jenen der Könige Friedrih Wilhelm Il. und IV,, darunter die Bilder Friedrichs des Großen, des Kronprinzen und des Prinzen Friedrich

arl; weiter die Porträts des Großen Kurfürsten, Friedrih Wil- belms III. u. \. w. Diese Gemälde sind sammtlich von dem Portrâtmaler Ziegler wieder aufgefrisht, mit neuen Goldrahmen versehen und heben sih von den einfahen Wandfeldern wirkungévoll ab. Außer- dem sind noch zu erwähnen die an den beiden Shmalwänden auf- gestellten Gruppen aus Gips: „Erdkunde“, „Mathematik“, „Ge- \chihte* und „Kriegêwissenschaft", diese von den Bildhauern Gberlein und Hundrieser. Abends wird der Saal durch vier eiserne Gaéfronen erleubtet und durch Dampfluftheizung und direkte Dampfheizung erwärmt. Ueber jeder Gaskrone befindet sich eine, von einer durch- brohenen BZinkrosette verdeckte Ventilationsöffnung. Das Ganze macht einen würdevollen und gediegenen, aber einfachen Eindruck und ist mit den kaappsten Mitteln hergestellt.

Frankfurt a. M,, 1. November. (W. T. B.) Betreffs der im Erplosionsraum des Polizei-Präsidialgebäudes vor- gefundenen Bleikugeln ist nunmehr festgestellt, daß es keineswegs mit einem Sprengstoff gcfüllte Hohlkugeln, fondern Vollkugeln waren. Der Regierungë-Präfident von Wurmb besichtigte gestern das beschâ- digte Gebäude, mit dessen Renovirung begonnen worden ift. Worms, 31. Oktober. (W. T. B.) Bei der gestrigen feier- lihen Begrüßung der Festtheilnebmer hieß der Stadtpfarrer Müller die Gäste willkommen; Ober-Konsistorial-Rath Goldmann aus Darmstadt dankte Namens derselben. Professor Stade aus Gießen überbrachte die Grüße der dortigen Universität. Superinten- dent Sell aus Darmstadt brate dem Dichter des Festspiels, Hans errig, ein mit großem Beifall aufgenommenes Hoch. Professor E aus Bonn wies auf die Volksthümlichkeit und den nationalen Charafter des Festes hin. Heute früh ertönte Festgeläut und Choral- musik von der Dreifaltigkeitskirhe. Dem Festgottesdienst in der ge- drängt voklen Kirche wohnte der Großherzog von Hessen bei.

31, Oktober, Abends. (W T. B.) Heute Nachmittag 13 Uhr seßte sih der Festzug nah dem Luther-Denkmal

in Bewegung, bei welchem letzteren sich bereits vorher viele tausend Berfonen versammelt hatten. Professor Bender (Bonn) hielt vor der Lutherstatue die Festrede, in welher er den Reformator als ganzen Mann und als Mann des Volks scilderte. Die Feier {loß unter Glocktengeläut und dem Gesange des Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“. Alsdann fand im Beisein des Großherzogs die Uebergabe der vom Rittmeister Heyl gestifteten Lutherbiblioth ek statt. Der Großherzog gab dabei der Freude Ausdruck, daß er an dem heutigen für die protestantishe Welt bedeutsamen Tage diese Zusammenstellung dem Paulusmuseum einverleiben könne. p Später vereinigten sich die Festtheilnehmer zu einem glänzenden Banket in dem reibgeschmückten Kasinosaal. In den Straßen bewegte ih eine dicbtgedrängte Menschenmenge, unter der si auch viele Fremden befinden.

Leipzig, 31. Oktober. (W. T. B.) Nachdem bereits in Folge des bekannten Aufrufs zur Begründung etner allgemeinen deutschen Lutherstiftung 1134 Personen den Beitritt erklärt hatten, fand heute in der deutshen Buchhändlerbörse cine sehr zahlreihe Versamm- lung behufs Konstituirung einer allgemeinen deutschen Lutherstiftung statt. Ober - Bürgermeister Dr. Georgi aut Leip- zig begrüßte die Versammlung, worauf Pastor Pank aus Leipzig die Stiftung begründete und Geh. Kommerzien-Rath Delbrück über die

Statuten referirte. Professor Dr. Wach stellte den Antrag auf