1883 / 272 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Nov 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Jn Ausführung der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 21. August d. J. hat der Chef der Admiralität bestimmt, daß die Matrosen-Artillerie-Abtheilung der Ostseestation die Be- nennung „I. Matrosen-Artillerie-Abtheilung“ und diejenige der Nordseestation „Il. Matrosen-Artillerie- Abtheilung“ zu führen hat.

Als Aerzte haben si niedergelassen die Herren: Dr. Gettkant und Hirs in Königsberg in Pr., Behrendt in Coadjuthen, Dr. Kröner als Direktor der Provinzial-Jrren- anstalt zu Neustadt Westpr. und Hönicke in Walschleben.

Vayern. München, 17. November. (Allg. Ztg.) Bei Beginn der heutigen 13. Plenarsißung der Kammer der Abgeordneten wurde der neu eintretende Abg. Frhr. von Lindenfels beeidigt. Der Minister des Jnnern, Frhr. von Feilißs, verlas eine Allerhöchste Entschließung vom 12. d, M,, our welche die am 29. d. M. zu Ende gehende verfafsungs- mäßige Dauer des Landtages bis zum 31. Januar 1834 veriängert wird. Der Abg. Luthardt erstattete Namens des Finanzauss{husses mündlihen Bericht über den Etat des Königlichen Staats - Ministeriums der Finanzen für je ein Fahr der nächsten Finanzperiode. Eine allgemeine Debatte fand niht statt, und die Spezial- debatte beschränkte sih, mit Ausnahme des Postulats hinsicht- lih des Dispositionsfonds, auf einzelne erläuternde Bemerkun- gen des Referenten. Was den Ministerial - Dispositions- fonds zu Unterstüßungen anlangt, so hatte die Majorität des Ausschusses beantragt, das Postulat ab- zulehnen, wobei vorbehalten wurde, beim allgemeinen Etat für Unterstüßungen einen entsprehenden Betrag für alle Ministerien einzustellen. Der Abg. Walter welcher den An- trag im Ausschuß eingebracht hatte, motivirte denselben heute und verbreitete sich hierbei über die Verhandlungen, welche in der Kammer bei den leßten Landtagen in Betreff des Dispo- sitionsfonds stattgefunden, und über die Beschlüsse, welcze in dieser Sache gefaßt worden; Redner wiederholte die Erklärung, daß die Nechte bereit sei, in den allgemeinen Etat sür Unter- stüßungen 2c. entsprehend erhöhte Beträge einzustellen. Der Finanz-Minister von Riedel rechtfertigte die Wiedereinstellung des Postulats in das Budget und hatte nihts dagegen einzu- wenden, wenn die Worte „Ministerial - Dispositionsfonds“ durch „Fonds für Unterstüßungen“ erseßt werden, ersuchte aber die Kammer, das Postulat in dieser Form zu geneh- migen. Der Abg. Crämer erklärte, daß er und seine poli- tischen Freunde (von der Linken) heute noch auf demselben Standpunkte ständen, welchen sie bisher hinsihtlih des Dis- positionsfonds eingenommen haben; sie würden auch heute wieder für das Postulat stimmen. Der Abg. Kröber (bisher äußerste Rechte) erklärte, daß er, entgegen seinem früheren Votum, jeßt für das Postulat stimme, weil dur die Ablehnung viele arme Leute {wer benachtheiligt würden, und weil er, Redner, zu der Exklärung des Finanz-Ministers, daß bei der Vertheilung der Mittel aus diesen Fonds keinerlei politishe Gründe obwalten würden, wvollstes Vertrauen habe. Bei der Abstimmung, die durch Namensausfruf erfolgte, wurde das Postulat (das 9170 M beträgt) mit 80 gegen 63 Stimmen abgelehnt. Außer diesem wurden an dem gesammten Etat des Staats- Ministeriums der Finanzen nur 2080 # abgestrichen und derselbe mit 3121 289 f in das Budget eingestellt. Dei Geschäftsberiht der Königlichen Bank in Nürnberg in den A 1881 und 1882, dann den Voranschlag der von der

öniglihen Vank abzuliefernden Aerarialrente in der nächsten Finanzperiode erledigte die Kammer nah den Anträgen des Ausschusses, denen zufolge diese Rente auf 400 000 pro

Jahr festgeseßt wurde. t T T S Edo

Elsaß-Lothringen. Mez, 18. November. (W. T. B.) Der Kriegs - Ministcr, General Bronsart von Schellen- dorf, begiebt sich heute Mittag nah Diedenhofen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 16. November. (Presse.) Der oppositionelle Abgeordnete Desider Szilagyi interpellirte in der gestrigen Sißung des Finanzausschusses des ungarischen Abgeordnetenhauses anläßlih der Be- rathung über das Erforderniß der innern Verwaltung Kroatiens den Minister-Präsidenten Tisza über die Be- seßung des Banuspostens und des Portefeuilles eines Ministers für Kroatien sowie über die Eventualität einer Revision des ungarisch:kroatischen Ausgleichsgeseßes, wobei Jnterpellant von der wohlwollenden Absicht ausging, aus der Antwort des Ministers den Schluß zu ziehen, daß die Regierung bezüglich Kroatiens noch immer keine praktisch durchführbare Politik habe. Nach dem „Naplo“ äußerte sich Tisza dahin, daß die definitive Vergebung des Minister-:Portefeuilles gleihzeitig mit der Ernennung des Banus erfolgen werde, da Minister und Banus unzweifelhaft dieselbe Richtung befolgen müßten. Er sei bemüht, den Banusposlen so bald als mögli zu be- seßen, do wünsche er dies derartig zu bewerkstelligen, daß die Banusfrage nit so bald wieder aufs Tapet komme. Eine Geseßtesrevision beabsichtige die Regierung nicht, da sie nichts von einer solchen erwarte ; sie werde jedoh nicht dagegen sein, wenn sie in geseßlicher Weise beantragt werde.

Pest, 17. November. (W. T. B.) Jn einer heute statt- gehabten Konferenz der Mitglieder der liberalen Partei wurde über den Geseßentwurf, betreffend die Ehen zwischen Christen und Juden, berathen und derselbe als Grundlage für die Spezialdebatte angenommen.

Schweiz. Bern, 16. November. (N. Zürch. Ztg.) Der Bundesrath hat in der Frage der Nationalbahnschuld beschlossen, den Kantonen Zürich und Aargau zu Händen der Garantiegemeinden ein Anlehen im Maximalbetrage von 2 400 000 Fr. zu verabfolgen, verzinslih und rückzahlbar in Annuitäten zu 31/2 Proz. (21/2 Proz. Zins, 1 Proz. Amorti- sation), und zwar unter der Bedingung, daß die Jnteressenten bei ihren anläßlih der 1882er Verhandlungen gemachten ODfferten beharren und zur Vollzahlung der noch fehlende Rest von den s{huldnerishen Gemeinden aufgebraht werde, welche leßteren, im Fall sie sich über die Repartition nicht verstän- digen könnten, diesfalls den Entscheid des Bundesraths an- zuerkennen hätten.

Großbritannien und Jrland. London, 17. November (Allg. Corr.) Vorgestern überroihhten die Delegirten von Transvaal dem Lord Derby ihre schristlich aufgeseßten Forderungen. Die „Times“ sagt heute, daß an der Form, in welcher diese der Regierung unterbreitet worden, gar nichts auszuseßen sei, und man hoffen könne, daß eine befriedigende

Grundlage sür eine zukünftige Lösung ohne ernste Schwierig- keiten erreiht werden werde.

In Bezug auf die Räumung Egyptens Seitens der

britishen Offupationsarmee veröffentliht die „London Gazette“ die in dieser Angelegenheit zwischen Sir E. Baring und Earl Granville gepflogene Correspondenz. Sir E. Ba- ring erklärt, daß die britishe Garnison aus Kairo unbedenklich zurückgezogen werden könne, und sagt weiter: „Nach mit General Stephenson gepflogener Berathung bin ih der Anschauung, daß die jegt aus 6700 Mann bestehende Armee auf 3000 Mann und 6 Kanonen reduzirt werden kann.“ Sir Evelyn Wood fügt dem bei, daß diese Macht in Alexandrien konzentrirt werden solle, wo leiht Unterkunft für sie geschaffen werden könnte. Am 1. November erwiderte Lord Granville hierauf : „Die Regierung Jhrer Majestät billigt e, Vorschläge, und auf Befehl der Königin habe ich den Kriegs-Minister ersucht, die von Jhnen empfohlene Reduktion zur Durchführung zu bringen und weiter anzuordnen, daß die in Egypten zurückbleibenden 3000 Mann in Alexandrien konzentrirt werden. Die dadurch er- folgte Räumung Kairos überträgt die Verantwortung für die Erhaltung der Ordnung in Egypten auf die Negierung des Khedive, und diese kann bei der Erfüllung ihrer Pflichten auf die volle moralische Unterstüßung der Regierung Jhrer Majestät zählen. _ Der Herzog und die Herzogin von Connaught sind auf ihrer Reise nah Jndien am 15. d. in Aden ein- getroffen und haben dort bei allen Schihten der Bevölkerung einen enthusiastishen Empfang gefunden.

Frankreih. Paris, 17. November. (W. T. B.) Der Ministerrath hat heute Vormittag beschlossen, si sür den Gegenvorschlag Lelièvre's über die parlamentarischen cFn- compatibilitäten auszusprehen. Der Ministerrath wird einige Modifikationen verlangen, aber keine Kabinetsfrage daraus machen. Der Marine-Minister Peyron theilte die leßten Depeschen aus Tongking mit, welhe Courbets Krank- heit, das Bombardement von Kanton und andere alarmirende Gerüchte dementiren. Der Conseils-Präsident Ferry wird am Donnerstag der Kommission für die Tongking: Angelegenheiten weitere Mittheilungen machen.

Die angestellte Untersuchung hat ergeben, daß der Anarchist Curien, welcher den Minister-Präsidenten Ferry zu tödten beabsichtigte, niht geistesgestört, sondern ein Fa- natiker ist und fortgeseßt die Versammlungen der Anarchisten in Lille und Roubaix besucht hat.

Die Deputirtenkammer seßte die Berathung des Budgets auf Montag fest. Der Senat wählte den pro- oi ais Prediger Pressensé zum lebenslänglichen Senator.

Spanien. Madrid, 17. November. (W. T. B.) Das Geschwader, welhes Sr. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen entagegenfahren wird, besteht aus den Fre- gatten „Victoria“, „Numancia“, „Carme“ und „Lealtad“ und rem Aviso „Casidad“. Das Kommando ist dem Admiral Bulla übertragen worden. Das Geschwader liegt bei Carta- gena, der Ordre zum Auslaufen gewärtia, vor Anker.

Valencia, 18. November. (W. T. B.) Die hiesigen Behörden sind mit Vorbereitungen für den festlihen Empfang des Deutschen Kronprinzen beschäftigt. Der deutshe Gesandte in Madrid sowie der Oberst-Kämmerer und ein Flügeladjutant des Königs werden am nächsten Dienstag hier erwartet.

Jtalien. Rom, 18. November. (W. T. B.) Der „Diritto“ bringt dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen, dem Sohne des Kaisers Wilhelm, dem aufrichtigen und bewährten Freunde Ztaliens, den herzlihsten Willkommen dar. :

Ein Königliches Dekret ordnet die Einseßung einer Kommission an zur Prüfung der Frage, wie sich Jtalien beim Ablauf der Münzkonvention im Jahre 1885 zu verhalten habe. Die Kommission wird bestehen aus Seismit- Doda, Luzzati, Simonelli, Minghetti, Lapertico, Massedaglia, Grimaldi, Morama, Branca, Zeppa und den General-Direk- toren der Nationalbank und des Tresors.

Palermo, 19. November. (W. T. B.) Der Depu- tirte Crispi hielt gestern vor seinen Wählern eine Rede und führte darin aus: er habe bei der Rekonstituirung der ehe- maligen Linken mitgewirkt, und die Partei sei nun- mehr rekonstruirt, niht blos, um zu kämpfen, son- dern auh um ihr traditionelles Programm auszu- führen. Der Redner bemerkte weiter: man schreibe das Bündniß der gemäßigten Linken mit der Rechten der Nothwendigkeit zu, die republikanishe Partei zu bekämpfen, diese sei aber in Ftalien niht zu fürchten; der wahre O der italienishen Jnslitutionen fei die klerikale

artei, welhe sich, Dank der Politik der gegen- wärtigen Regierung, verstärkt habe. Die Gegner der Wiederherstellung der ehemaligen Linken behaupteten, daß man mit ihr die derzeitigen Allianzen gefährde, Redner glaube indeß, daß Jtalien ih für seine kontinentale Politik den centraleuropäishen Mächten und im Uebrigen England zur See anschließen solle.

Türkei. Konstantinopel, 17. November. (W. T. B.) Der ehemalige Großvezier Safvet Pascha ist gestorben.

Griechenland. Athen, 17. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat die von der ministeriellen Partei aufgestellten Kandidaten mit einer Majorität von 40 Stimmen zu Vize-Präsidenten gewählt,

Serbien. Belgrad, 17. November. (W. T. B.) Der Pope Miloje, der Lehrer Proulovic und ein Bauer aus Bol- jevac wurden als Haupturheber des Aufstandes in dem Bezirk Boljevac standrechtlih zum Tode verurtheilt.

Afrika. Egypten. Kairo, 17. November. (W. T. B.) Der englischen Regierung ist von Seiten der egyp- tischen eine Note zugestellt worden, in welcher für Egypten das Recht in Anspruch genommen wird, bei jedem neuen, den status quo bezüglich des Suezkanals betreffenden Arrange- ment gehört zu werden. Man nimmt an, daß der englische 5 dd Baring sich der Auffassung Egyptens an-

ieße.

18. November. (W. T. B.) Der Khedive hat Sultan Pasha zum Präsidenten des legislativen Raths ernannt.

Zeitung;sstimmen.

Das „Posener Tageblatt“ schildert die Wirkun der Schußzollpolitik für die Eisenindustrie, deren Produktig sih seither um 86 Proz. gehoben habe, und hauptsählich in Folge gesteigerten Exports sei do in den ersten 10 Monaten dieses zzahres der Ausfuhrübershuß noch rund 1/2 Million Metercentner größer als im vorhergehenden; das Blatt sagt dann:

Wenn die Schußzölle weiter nits als diesen notorisen, fünf Jahre lang dauernden Aufschwung bewirkt hätten, so verdienten sie son alles Lob: denn sie haben damit die vorhandenen Arbeitskräfte in reichem Maße beshäftigt und zur Vermehrung des Wohlstandes beigetragen. Aber ihre Wirkung reiht weiter. Sie haben unsere Eisenindustrie fo _gekräftigt, daß sie s{hle{chtere Zeiten leichter ertragen kann, wie wenn sie \sich immer noch in dem früheren Stadium der Entkräftung befände. Endlich aber haben sie, und das ist die Hauptsache, die Möglichkeit geshafffen, daß unsere Industrie sich im Inlande zu behaupten und die Stwleuderkonkurrenz, welche von England uns droht, mit Erfolg abzuwehren im Stande sein wird. Hierin liegt die hohe Bedeutung des Schu zollsystems Dasselbe verhindert, daß in Zeiten, in welchen der Absatz auf dem Weltmarkte \tockt, das Ausland mit seinen Waaren hineinfluthet

und der heimischen Industrie die Wurzel ihrer Kraft ab- gräbt. Selbst wenn daher auch durd die augenblicklihen Konjunkturen eine neue Krise in der Eisenbranbe verursacht

werden sollte, so werden die Industriellen wie Arbeiter derselben mit Ruhe entgegensehen können. Sie wissen, daß wenigstens der vater; ländise Markt ihnen erhalten bleiben wird, und daß die Krisis da- her, so \chwer sie auch werden mag, sie niemals zur Vernichtung wird führen können. So wird gerade in den \{chlechteren Zeiten die nationale Schußtzpolitik von Neuem gerechtfertigt werden, im Gegen- saß zu dem Manchesterthum, welches mit dem „Hilf Dir selber® die Cisenindustrie {on längst vernihtet haben würde.

_ Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt :

__ Ueber den wirthsd-aftliben Rückgang Bremens dringt aufs Neue eine Stimme in die Oeffentlichkeit, der man eine besondere Beach- tung beizumessen wohl auch in Bremen selbst niht unterlassen kön- nen wird, wie wenig man es dort auch in gewissen Kreisen zu lieben \weint, die Mängel des herrshenden Systems und die dur dasselbe erzeugten Schäden vor Anderer Augen blosgelegt zu sehen. Unter dem Titel: „Bremen und seine Sonderstellung“ (Bre- men, J. Kühtmann) hat Dr. D. Lahusen,, derselbe Autor, dessen Broschüre über „die Korrektion der Unterweser und die bremische Handelskammer“ vor wenigen Monaten mit Recht eine fast sensationelle Beachtung fand, eine neue kleine Scrift veröffentlicht, in welcher er zunächst seinen Mitbürgern ein wahrheitsgetreues Bild von der wirthschaftlichen Lage ihrer Vaterstadt zu geben sich bemüht, Nah einer kurzen historischen Einleitung, die in ihrer Prägnanz ein genügend klares Bild der wirthschaftlihen Entwickelung in Deutsch- land, hauptsählich für den Handel giebt, kommt der Verfasser auf Bremen selbst zu \predben, das im gegebenen Momente, einmal {on im Anfaag der 50er Jahre (1853 bei Auflösung des Steuervercins), sodann aber insbesondere bei der Errichtung des Norddeutschen Bundes nach dem Kriege von 1866 seine eigensten Interessen wahrzu- nehmen nicht verstanden habe, indem es, ebenso wie in Hamburg, an- statt dem nationalen Zuge zur Einheitsgestaltung sich anzuschließen, darauf bestand, seine isolirte Stellung als Freihafen beizubehalten. Das einseitige si Steifen auf einen Verfassungsparagraphen, der ais eine provisorische Bestimmung nur zur Grleichterung des Ueber- ganges für die Hansestädte in die neu geschaffenen politischen Ver- bâltnisse gegeben war, mußte niht nur dem Reiche selber auf die Dauer unerträglich werden, \sondern es bedrohte zuleßt auch die eigene gedeihlihe Entwickelung von Bremen und Hamburg. Mebr noch als das Leßtere hätte gerade Bremen wegen seiner weniger günstigen Lage zur See und für die Schiffahrt Ursache gehabt, den Anscchluß an das deutsche Hinterland, als die natürliche Basis seines wirthschaftlichen Gedeihens, zu suchen; und doch bat es in unglaubliher Verblendung von Hamburg \ih den Ra1g ablaufen lassen und dadurch für sib einen Zustand geshafen, der als ein {wer drückender jeßt dort empfunden wird. Das Bild, das Dr. Lahusen in sciner Broschüre von diesen Unzuträglichkeiten und der bedrängten Lage Bremens giebt, ist ein außerordentli lebendiges und greifbares, freilich voll dunkler Schatten. An der Hand ftatistischer Belege

\childert er das Zurückgehen __ des Bremischen Handels und der allgemeinen wirthschaftlihen Lage Bremens, die eine bedenklide Progression zeigt. Wenn Bremen heute

immer noch na außerhalb als eine vor allen anderen „reiche Stadt“ gilt, so ist das allerdings insofern zutreffend, als in der obersten Schicht seiner Bevölkerung immer noc eine stetig wachsende Kapital- ansammlung stattgefunden hat; im Allgemeinen aber hat, wie die Steuerlisten ausweisen, der Wohlstand Bremens abgenommen, Während nämlich in der höchsten (5.) Steuerklasse, bei einer nur geringen Zahl der Partizipanten, das versteuerte Jahreseinkommen von mehr als 12000 Æ in den Jahren von 1874—80 von 45,8 auf 51,1. Mill. Mark angewasen ist, zeigt in dem nämlichen Zeitraum die unterste (1) Steuerklasse mit einem Jahreseinkommen von 600—1500.M eine Abnahme des versteuerten Einkommens von 22,0 auf 16,8 Mill. Mark, dic 2. Klasse (1500 bis 3000 4) cine folche von 10,8 auf 9,1 Mill Mark, die 3. Klasse (3000 bis 6000 4) von 10,7 auf 8,8 Mill. Mark und die 4. Kl. (6000 bis 12 000 Æ) von 11,0 auf 7,8 Mill. Mark. Dr. Lahusen weist diese bedenklihe Verschiebung der Steuer- verhältnisse und der Steuerfähigkeit innerhalb des bremischen Staatcs noch durch andere Zahlengruppen nach, insbesondere solcher über die verringerte Konsumtionsfähigkeit der Bevölke- rung, die Abnahme der ECheschließungen und die steigende Armenlast, und erkennt in all Diesem mit Recht Lhat- sachen, in welchen sich \chwere soziale Mißstände dokumentiren. „Die Zahl der Steuerzahler“ schreibt er „minderte si; \teuerpflihtige Einkommen sanken unter di? Minimalgrenze hinab; andere Einkommen traten in niedere Klassen zurück; und nur hin- sihtlich der großen Einkommen einzelner Weniger zeigte si die Kraft einer normalen Entwickelung. Ein Staat aber kann ohne die Basis der Mittelklassen mit mittleren Einkommen keinen Bestand haben. Das Proletariat und der Reichthum bedürfen des Bindegliedes. Fehlt es, wird dem Staat auf die Dauer die Lebenskraft fehlen.“ Dies ist die Lage in Bremen. Weitere Schilderungen des Verfassers in seiner Broschüre beziehen si auf Handel und Schiffahrt, das eigentliche Lebenselement des bremishen Staates. Auch hier zeigen die stta- tistishen Vergleich2ziffern des Dr. Lahusen „im Allgemeinen einen trostlosen Niedergang“. Wir haben in den leßten Jahren selbst wie derholt auf Grund der amtlichen bremiscben Handelsstatistik den Rüd- gang der Handels- und Verkehrsverhältnisse der zweitgrößten deutshen Sechandelsstadt nachgewiesen und denselben als cine tief beflagenswerthe Erscheinung gegenüber dem allgemeinen wirthschaftlihen Aufschwunge in ganz Deutschland bezeihnet. Es kann dem Reiche und der Nation nic: gleichgültig sein, Bremen von der Stellung herabsinken zu sehen, die es vermöge seiner vielhundertjährigen Entwickelung Und seiner ganzen natürlihen Lage in unserem Wirthschaftsleben einzunehmen berufen ist. Dr. Lahusen erkennt die vornehmste Ursache dieses Niedergangs sehr richtig in der Jsolirung Bremens und motivirt dies eingehend und sachlich, indem er dringend mahnt, endlich die Schranken vor Bremens Mauern niederzureißen, damit der immer mehr verödenden Stadt eine neue glücklihere Zukunft aufgehen möge. Man wird wohl auch in Bremen selbst niht umhin können, gerade in diesen Theile der Lahusenschen Broschüre eine auf gründliches Studium des Handels und seiner Beziehungen zum Jn- und Auslande fi auf- bauende und in ihren Einzelheiten zutreffende Schilderung zu erkfen- nen, und es bleibt nur zu wünschen, daß der Bremische Kaufmannê- stand die darin enthaltenen Lehren auch beherzigen möge. : Weiter kommt Dr, Lahusen sodann auf die durch die Jfolirung Bremens geschaffene Nothlage der Industrie und des Kleingewerbes zu sprechen, und er führt diese in gleih eingehender Weise mit allen

ren Sbäden und Nadtheilen dem Leser vor die Augen, indem er ih die Wechselbeziehungen von Handel und Industrie in das rechte Licht stellt und darauf hinweist, wie Bremen dur seine Lage anz; dazu angethan wäre, unter anderen Verhältnissen ein weithin rrshender Handels- und Industrieplaß zu werden, während es jeßt beiden Richtungen verkümmert. Die _Märcen von den hohen Lohnsäßen und von dem zwingenden Bedürfniß des bremischen wishenhandels, der mit der Aus\clußstellung Bremens \tehe und dle, werden von dem Verfasser in \{lagender Weise widerlegt. Auch der hohen Konsumtionsabgaben ift in der Broschüre Erwähnung ge- ihan, die der Stadt Bremen neben den verschwindenden Lebenémittel- llen des Reiches eminent hohe Verbraucsfteuern auferlegen, und die die maßgebenden Kreise dort, unbescadet ihrer freibändlerischen Ueber- ¡eugungstreue, troß ihres harten Drucks auf die Bevölkerung emsig fonserviren. Dies ist in allgemeinen Umrissen, unter Verzicht auf das sehr reihe Detail, der Inhalt der Lahusenschen Broschüre. Und welch woblthuender Kontrast gegenüber den geifernden Ausführungen des Hrn. Barth in einer der E Nummern seiner „Nation“ über den zeitigen Stand der bremi]chen Zollanschlußfrage“ ! Dr. Barth spielt sich darin als den negotiornm gestor für die bremishen In- teressen auf. Denn daß ihn irgend Jemand in Bremen zum Anwalt hier bestellt haben sollte, ist billig zu bezweif-lzi; ungeeigneteren Hän- den wenigstens könnten die Gesbike Bremens nicht anvertraut wer- den. Hr. Barth aber vergißt in seinem blinden und zornigen Gifer über die ungünstige Lage der bremishen Angelegen- seiten ganz und gar hinzuzufügen, daß nur er selber und seine in Bremen um ihn geshaart gewesenen politischen Freunde all die Misère, über die fie jeßt klagen, zumeist auch vers{uldet haben. In Dr. Lohusens Broschüre dagegen leuchtet uns aus jeder Zeile der feinfühlige, sorgfältig prüfende Geist eines Mannes ent- gegen, in dessen Herzen zugleich aufrichtige Liebe für seine Vaterstadt und darüber hinaus die treue Anhänglichkeit an das große Gesammt- vaterland Raum haben. In diesem Sinne {ließt Dr. Lahusen feine hohsbäßenswerthe Schrift mit dem s{önen Worte Friedri Lists : „Im Hintergrunde aller meiner Plane liegt Deutschland !“

Eisenbahn-Verordnungs-Blatt. Nr. 19. Inhalt: Allerhöchster Erlaß, betr. Bau- und Betriebsleitung der Strecke Hadamar— Westerburg durch die Königlihe Eisenbahn - Direktion (rechtsrheinische) zu Côln. Vom 8. Oktober 1883, Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten : vom 29. Oktober 1883, betr. Ver- hütung von Bahnfreveln; vom 31, Oktober 1883, betr. Einstellung von Nichtraucher-Coupés in die Personenzüge; vom 2. November 1883, betr. Auslegung der Bestimmungen des Freifahrt-Neglements vom 2. Mai 1883; vom 3. November 1883, betr. Vorsichtémaßregeln beim Transporte leerer Steinkohlentheerölwagen. Nachrichten.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 46. Inhalt : Amtliches: Personalnachrihten. Nichtamtliches: Ueber die Ermit- telung der Tragfähigkeit ciferner Brücken. Neubau der Technischen Hoshule in Berlin. (Fortsezung.) Die internationale elektriscbe Ausstellung in Wien. 111, Ueber die Vortheile der Zahnstangen- bahnen bei starken Steigungen. (Scluß.) Vermischtes: Durb- {lag des Arlbergtunnels. Die Bartholomäuskirhe am Königs- thor in Berlin. Architekten- und Ingenieur-Verein in Hannover. Wettstreit zwischen Flußschiffahrt und Eisenbahnen in Deutsch- land. Technische Hochschule in Hannover.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Fkürzlih ausgegebene 3. Heft 18, Jahrgangs 1883 der „Veschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg (Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg, herausgegeben vom Vorstande des Vereins; Magdeburg, Verlag der Schäfershen Buchhandlung A. Rüdiger) bringt eine umfangreiche Abhandlung von Fr. Hülße über die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg. In fesselnder Form scbildert der Verfasser zunähft die Zeit bis 1523, dann das Jahr 1524 (in welchem Luther, von den Gemeindevorstehern zu einer Unterredung eingeladen, nach Magdeburg kam und dort predigte), bis zur Einführung evangelischer Prediger, ferner die_Be- rufung Nicolaus von Amsdorfs, endlich den Streit der Stadt mit dem Erzbischof Kardinal Albrecht und seine Beilegung. Als Miscelle wird am Schluß des Heft3 cine Stelle aus einer Ur- kunde des Erzstifts Magdeburg, datirt vom 3. August 1646, mitge- theilt, welche si auf die in diesem Jahre erfolgte Auffindung der Heilquellen in Hornhausen bei Oschersleben bezieht. Nach dem abgedruckten Rechnungsabschluß für 1882 zählte der Verein 240 bei- tragende Mitglieder.

Gewerbe und Handel. .

Nürnberg, 17. November. (Ho pfenmarktberict von Leopold Held.) Gestern zeigte sich bei Beginn des Marktes rege Kauflust, die au anhielt, so daß gegen 1200 Ballen zu theilweise einige Mark höheren Preisen die Eigner wechselten. Heute war das Geschäft kein so belebtes, doch beträgt der Umsaß immerhin 400 Ballen. Die Preise sind die gestrigen. Gesucht werden vornehmlich billige gut- farbige Mittelsorten. Die Zufuhren waren leßter Tage von nur geringem Umfang. Die Tendenz ist ruhig, aber ziemlich fest. Die Notirungen lauten: Württemberger prima 180 bis 185 A, mittel 160—168 M, Hallertauer prima 180—185 M, mittel 160—168 M, Polen prima 180—185 M, mittel 165—174 M, Glsäfser prima 162—165 4, mittel 150—156 4, Gebirgshopfen 170—175 Æ, Marktwaare 155—166 4, Aischgründer 160—165 M,

, Luzern, 17. November. ] e einnahmen der Gotthardbahn betrugen im Oktober für den für den Güter-

Personenverkehr 448 000 Fr. (Septbr. 605 000), verkehr 562 000 Fr. (Septbr. 435 000), zusammen 1010000 Fr. (Septbr. 1040 000). Die Betriebsausgaben betrugen im Oktober 424 000 Fr. (Septbr. 428 000); demnah Uebershuß 586 000 Fr. (Septbr. 612 000). Der Betriebsübershuß im Oktober 1882 betrug 300 677 Fr. :

van, 17, November. (W. T. B.) Wollauktion (Schluß). Angeboten waren heute 2372 B. La Plata-Wollen, von denen 1060 B. verkauft wurden. Im Ganzen sind 22 507 B. zum Angebot gekommen, von denen 15 390 B, verkauft wurden; es ver- bleibt ein Vorrath von 7020 # Feine Wollen erzielten Juvlipreise, geringere bedangen 5 Frecs. weniger. : -

Gla tio, 17. November. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores O sid auf 587 090 Tons, gegen 617 300 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hoböfen 101 gegen 114 im vorigen Jahre.

. Washington, 17, November. (W. T. B.) Der Scaßh- \ekretär Folger kündigt die Amortisirung von 10 Millionen Dollars 3 prozent. Obligationen an. Die Verzinsung derselben hört vom 1, Februar 1884 an auf. 2

. gRairo, 17. November. (W. T. B.) (Telegramm des „RNeutcr- [hen Bureaus".) Das Banquier-Syndikat, repräsentirt durch die anglo-egyptishe Bank-Compagnie, hat der egyptischen leglerung angeboten, das erforderlihe Kapital zu beschaffen, wenn die Regierung beschließen sollte, selbs einen zweiten Suezkanal zu bauen, Man glaubt, in Folge dieses Anerbietens werde die Frage wegen des Monopols Lesseps aufs Neue von Seiten der Regierung in Erwägung gezogen werden.

Verkehrs-Anstalten. der Bauv.) Wettstreit zwishen Fluß- und Eisenbahnen in Deutschland, Unter diesem Titel veröffentliht Ingenieur Baum im Juliheft der » Annales des Ponts et Chaussées cinige Mittheilungen, ren Inhalt für unsere Leser zwar nichts Neues bringt, aber doh mit Rüdcksiht auf die Stelle, an der sich jene Ver-

- (Centr.-Bl. shiffahrt

öffentlihung findet, furz wieter gegeben werden mag. „Auf zwei deutsben Flüfsen, Elbe und Rhein, bestehen seit einigen Jahren die Scbiffabrtsgesellshaften und Sciffseigner den Wettstreit gegen die Eisenbahnen und ringen ihnen mit Ecfolg einen nennenswerthen Theil des Güterverkehrs ab. Besonders hat die Elbsciffahrt in den letzten Jahren sid kräftig entfaltet ; der Verkehr nah und von Hamburg zeigt mehr und mehr das Bestreben, auf die Wasserstraße überzugehen.“ Der Verfaffer shreibt dies den billigen Fractsäßen, vor allem aber der Einrichtung eines regelmäßigen Betriebes der Schiffahrt mit Hülfe der Stlepp- und Kettendampfer zu. Er erwähnt jedo nicht, daß diese Einribtung ers möglich war, nahdem die Regulirungs- arbeiten bis zu einem gewissen, ein gleihmäßiges, ruhiges Fahrwasser sihernden Grade vorgeschritten waren. Nacbfolgende Tabelle weist na, daß seit sieben Jahren das Verhältniß der zu Wasser nah Hamburg gebrachten und von Hamburg ausgeführten Gütermafsen gegen die Bahnfrachtgüter stetig gewachsen ift:

Jährliche Ein- und Ausfuhr ' Verhältniß- Jahre auf den Eisenbahnen! auf der Elbe zahl 1871—1875 | 541 221 t | 320409 t | 14:0,602 1876—1880 1111845 t 624 609 t L E : 0,564 1879 1120300 t 705 290 t | T:0698 1880 1289 596 t 824 541 t 1: 0,640 1881 1276496 t 926 593 t 1:0725

In noch höherem Grade hat das Verhältniß der Frachtwerthe zugenommen, das im Jahre 1879 noch 1: 0,227 “img, 1880 dagegen 1 : 0,265 und 1881 bereits 1 : 0,334. Hieraus ergiebt sich, daß der Wasserstraße außer billigen Massengütern auch noch Güter von höherem Werthe zugefallen sind, hauptsäblih Getreide, Reis, Farb- hölzer, Oel, Chemikalien u. \. w. Die Zahl der Dampfschiffe, welche 1860 nur 10,3 % der ganzen Sciffszabl ausmaten, ift seitdem auf 28 % angewacsen. Die durchschnittlihe Beladung der Kähne, die im Zeitraum von 1861 bis 1865 nur 89,9 t betruz, 1870 {on 97,5 t, hat sich seitdem bis zu 126,3 t vergrößert. Aehnliche Er- \{einungen zeigen sich am Rhein. In Mannheim is vom Jahre 1875 bis zum Jahre 1881 das Verhältniß zwishen den auf Eisen- bahnen und auf Swiffen angelieferten und wegbeförderten Güter- mengen angewachsen von 1 : 0,645. auf 1 : 0,865. Besonders bemer- ken8werth ist, daß solbe Güter, wie Kaffee, Zucker, Mühlenfabrikate und Robleder, sich dem Wasserwege zugewandt haben. Während z. B. noch 1875 von dem in Mannheim umgesclagenen Kaffee 58,7 9/9 mit der Eisenbahn, 41,3% zu Schiff befördert wurden, sind 1881 nur e 28,9 9% mit der Eisenbahn, dagegen 71,1% zu Swiff befördert worden.

Bremen, 17. November. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main“ is am 16., Abends 11 Uhr, in Southampton und der Dampfer „Hohenstaufen“ von der- selben Gesellschaft heute in Baltimore eingetroffen.

Bremen, 19, November. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Elbe“ ift gestern früh 8 Uhr in New- York angekommen.

Hamburg, 18. November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Gelleri“ der Hamburg-Amerikanischen Padcketfahrt- Aktiengesellschaft hat, von New-York kommend, heute früh 6 Uhr Kap Lizard passirt.

Berlin, 19, November 1883,

Die heurige Hofjagd im Saupark bei Springe ist, vom s{hönsten Wetter begünstigt, am vergangenen Sonnabend von Sr. Majestät dem-Kaiser und Könige in Aller- höchsteigener Person abgehalten worden.

Das erste in den Hülsegründen, circa 1100 Fuß gerade über dem Jagdschloß in einer mit Fichten durhmishten Buchen- dickdung neu eingerichtete Jagen begann präzise 10 Uhr Vor- wittags; ihm folgte ein Jmbiß im FJagdzelte, und mit dem Schlage 2 Ühr Nachmittags ward mit dem zweiten Jagen im Hallerbruch die Jagd abgeblasen. Beide Jagen sind mit Rothwild s{chwach bèesezt und vornehmlih für die Suche der Findermeute auf Sauen abgestelt. So ergab denn au die um 4 Uhr vor dem Jagdschloß von dem Allerhöchsten Jagdherrn abgenommene Strecke nur 2 Hirshe und 8 Stü Wild, dagegen 225 Sauen, in Summa also 235 Stück Hochwild. :

Se. Majestät der Kaiser und König streckten Allerhöchst- selbst einen gut jagdbaren und einen geringen Hirsch, 6 Wild, 22 grobe und 4 geringe Sauen. : :

Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz Wilhelm von Preußen 1 Wild, 11 grobe und 13 geringe Sauen, Prinz Albrecht von Preußen 1 Wild, 11 grobe und 3 geringe Sauen , Prinz August von Württemberg 10, Fürst Lihnowsky 9 und Graf Otto zu Stolberg Wernigerode 10 Sauen. : z

Geführt ward die Jagd in Vertretung des Oberst-Jäger- meisters vom Hof-Jägermeister vom Dienst, Freiherrn von Heinze, sowie dem Ober: Forstmeister von dem Borne, Forst- meister Deckert und Ober}örster Hesse.

Eine Kugel aus der Büchse des Nebenshüßen, welche dem General-Lieutenant von Thile aus Hannover bei Schluß des zweiten Treibens durch das Dickfleish des Oberschenkels ging, wird hoffenlih keine bösen Folgen haben.

Am Mittwoch, den 21. d, M,, findet Königliche Parforce - Jagd statt. Rendezvous: Mittags 1 Uhr zu Jagdschloß Grunewald.

Im Kunstgewerbe-Museum wird gegen Ende des Monats November eine neue Sonderausstellung eröffnet werden, welche ein hervorragendes Interesse beansprucht. Dr. Riebe ck aus Halle hat während einer fast dreijährigen Forshungêweise in Afrika und haupt- sächlich Asien eine ethnographisbe Sammlung gebildet, welche alle Zweige der Gescbiklihkeit und Kunstfertigkeit der fremden Völker umfaßt, deren Heimstätten der Reisende besuchte. Der Aufenthalt desselben an den alten Kulturstätten in Jndien, Siam, China, Japan 2c. ist ebenso ergiebig gewesen wie seine Forshungsreisen in dem fast unbekannten Gebiete der Bergvölker der Chittagong im nördliwen Indien sowie der wenig bekannten Stämme der Shan (Birma), Ka-Khyen 2c. Dr. Riebeck hatte seine Sammlungen zunächst in Halle konzentrirt und dort eine Zeit lang ausgestellt; jeßt werden dieselben nach Berlin überführt. Die Hauptmasse dieser außerst werthvollen, nach vielen Tausenden von Objekten zählenden Sammlung ist von dem Besißer zum Geschenk für die öffentliben Museen zunächst von Berlin bestimmt. Jn erster Linie werden das ethnographisbe Mus- feum und das Kunstgewerbe-Museum diejenigen Gruppen und Stücke erhalten, welche zur Ergänzung des vorhandenen Bestandes geeignet sind. Unsere Stadt hat also alle Veranlassung, die bevorstehende. Auéstellung mit besonderem Danke zu begrüßen.

Der Berliner Bezirks8verein der Gustav-Adolf- Stiftung feierte gestern in der Dreifaltigkeitskirhe sein Jahresfefst. Schiff und Ewmporen füllte eine zahlreihe Gemeinde; vor dem Altar- play hatten die Vorstandsmitglieder und die sonst dem Verein be- sonders nahestehenden Herren Plaß genommen. Die Moteite „Lobe den Herrn“, vom Kirchenchor a ca ella vorgetragen, sowie Gemeinde- gesang leitete den Gottesdienst ein. Der Festpredigt legte sodann Prof. D. Kaftan das Wort aus Gal. 5, 1—4 zu Grunde und knüpfte daran die Mah- nung, gerade in dem Lutherjahre sich aufs Neue zu verbinden, um diefes Werk der rettendenHülfe zu fördern und zu unterstützen mit Gebet und Für-

bitte, mit Geld und mit That, mit Arbeit uad Handreihunag. Den Be- richt erstattete hierauf Prediger Lic. Weser, der einst selbst in der Diaspora gewirkt hat. Die Stiftung kann nach seinen Mittbeilun- gen im Allgemeinen mit hoher Befriedigung auf das letzte Geshäfts- jahr zurückblicken. Insgesammt sind 775 000 , 46 009 4 mehr als im Vorjahr, aufgebrabt worden; an Stiftungen gingen 124000 4 ein ; 23 Kirchen, 3 Pfarrhäuser, 13 Schulen konnten im Bau vollendet werden. Viel freilich, sebr viel ist noch zu thun: noch sind 143 Kirchen, 49 Pfarrhäuser und 48 Schulen zu bauen, no gilt es, 33 Millionen Mark Schulden zu deen, die diese armen, mit Steuern beschwerten Diaspora-Gemeinden selbst gar nicht aufbrincen können. Was speziell die Provinz Brandenburg betrifft, so existiren bier zur Zeit 72 Zweigvereine und 22 Frauenvereine, die zusammen 47 450 M auf- gebraht haben. Die Zahl der Zweigvereine hat ih er- freulib vermehrt, aub im Nordosten der Provinz, ‘in den beiden Kreisen, in welhe das Werk bis dahin noch nit übergegangen war, in Friedeberg und Arnéwalde baben nunmebr Zweigvereine ihre Wirksamkeit beaonnen. Jn Berlin selbst sind die Beiträge um 1500 M gegen das Vorjahr zurüaeblieben, do ift in diesem Jahre von hier aus dem Gustav-Adolpb-Verein eine namhafte Stiftung im Betrage von 30000 .(( zugeflossen. Mit einem Hin- weis auf die Verhandlungen der Provinzialversammlung in Franfk- furt a./O. und die Hauptversammlung in Lübeck endete der Bericht. Ober-Konsistorial-Rath Prof. D, Weiß {loß die Feier mit Gebet.

Die Bartholomäus-Gemeinde feierte gestern das 25 jährige Gedäctniß der Kirhenweihe dur einen festliben Gottesdienst. Die \chmucke Kirche, deren dringend nöthig gewordene Reparatur nunmehr beendet ist, war aus Anlaß des Tages reich gesbmückt, Vor tem Altarplatz hatten die Mitglieder der beiden Gemeinde-Kirchenbehörden, sowie die erschienenen Chrengäste Plat genommen. Die Festpredigt, der die Geschichte des Zachäus zu Grunde lag, hielt Pastor Vorberg, welcher feit 1871 in der Gemeinde wirkt. Wie wir der Festprediat entnehmen, find in den 25 Jahren 22000 Kinder getauft, 9000 Jünglinge und Mädchen konfirmirt, 7000 Ehepaare getraut und 90 000 Gläubigen ift das heilige Abendmahl gespendet worden. Das kfirhlide Leben innerhalb der Gemeinde, das dur das Civilstands- gesetz einen harten S{lag erhielt, beginnt wieder sch langsam zu beben, noch immer aber entbehren über die Hälfte der Ehepaare des Segens der Kirche. Nach der Predigt konnte Pastor Vorberg noch verkündigen, daß aus Anlaß des Tages von opferbereiten Gemeinde- mitgliedern eine Gedächtnißtafel mit den Namen der Gefallenen der Parochie, eine kostbare Altardecke und ein Lutherbild der Kirche zum Geschenk gemacht sind.

Lieutenant Wißmann hat die Seereise nach Afrika nunmehr angetreten. Am 16. d. M, 11 Uhr 20 Min., in demselben Augen- bli, als er Hamburg mit seinen Gefährten verlaffen, hat er noch cin Telegramm hierher an Prof. Bastian entsendet, in dem er ein „Lebewohl Allen* zuruft. Vor seiner Abreise hat si Wißmann bereits verpflichtet, die Sammlungen auch dieser neuen auf drei Jahre berechneten Expedition auënabmslos dem Königlichen Museum zu überlassen. Die Ausbeute verspricht diesmal auch in ethnologischer Beziehung eine recht reiche zu werden. Dem Drängen der hiesigen Anthropologen folgend, hat Wißmann si bereit finden lassen, eine aroße Quantität Gips mitzunehmen, um möglichst von allen Völker- stämmen, die er berührt, Gip8abgüfse berstellen zu können.

Prag, 18. November. (W. T. B.) Heute Vormittag hat hier die feierlihe Uebergabe des neuen böhmischen National- Theaters von Seiten des Baucomités stattgefunden. Die Bühne des Theat?rs, auf welcher der Uebergabeakt erfolgte, war mit elek- trischem Lichte erleuhtet, Dr. Rieger übergab den Neubau Namens des Baukonsortiums und hielt dabei eine die fkünftle- rischen Interessen und Ziele des Theaters beleubtende Rede, die von den Versammelten mit einem dreimaligen „Slava Nazdar aufgenommen wurde. Der Vorsitzende des Baukonfortiums, Skram- lié, erklärte, das Theater werde bestrebt sein, die ete Kunst dem Volke zu erscließen, Der Direktor Schubert gab das Versprechen, daß die Künstler im Geiste der Männer wirken würden, die den Kunfttempel begründet und vollendet hätten. Mit einem dreimaligen Slavarufe \{loß die Feier. E : -

Die Fefstvorstelluzg im böhmischen National-Theater, welcher die Statthalter von Böhmen und Mähren und zahlreiche Feftgäfte, darunter auch polnische und ruthenishe Deputationén, in ihrer Nationaltracht beiwohnten, war überaus glänzend, Zur Aufführung gelangte Smetanas Oper „Libussa“, in derselben Beseßung wie vor 2 Jahren. Die Auéftattung war durchweg im slavifchen Stil gehalten. Der Komponist wurde wiederholt gerufen.

Victoria-Theater. Nachdem die glänzenden Einnahmen des ersten Monats den größten Theil der enormen Ausftattungskosten von „Ercelsior“ gedeckt haben, ist die Direktion des Victoria-Theaters in der glücklichen Lage, zu ihren früheren normalen Preisen zurück- kehren zu können, und wird von heute ab das Parquet auf 4 #4 herabgesetzt. Am gestrigen Sonntage war das große Haus wie- er total ausverfauft. :

j Z Am näch{sten Sonnabend, den 24. November, steht die Er- öffnung der Weihnacbts-Ausstellung des Kroll'schen Thea- ters und die erste Aufführung der Girndt-Jacobsonschen Novität „Die Puppenprinzessin“ bevor. Troß der Schwierigkeiten, die hinsichtlich einer originellen malerischen und plastischen Umwandlung des Etablisse- ments in jedem Jahree sih häufen, glaubt die Direktion doch aub diesmal etwas geschaffen zu haben, was dem alten s{önen Rufe der Krollshen Weihnachts-Ausstellungen entsprehen dürfte. Auch die Novität ersbeint in ganz neuer Ausstattung, musikalisch illustrirt vom Kapellmeister Lehnhardt. Hr. Engel jun. besorgt die Inscenirung Weihnachtsstücks, E E n Belle-Alliance-Theater brachte am Sonnabend drei cinaktige Stücke zur Aufführung, von denen die beiden erften für uns Novitäten waren. „Miß Colibri“, ein Lustspiel von Alexanter Budins;ky, welches vorgestern den Anfang machte, giebt Zeugniß von des Verfassers rect hübschem bühnentechnischen Geschick. Die Handlung spielt sich in Paris in dem Hause eines Akademikers ab, dessen Frau und Tochter das Buch eines jungen, äußerst naturalistishen Schriftitellers loben, ohne dasselbe zu kennen. Der junge, in dem Charakter seiner Geliebten getäushte Mann, welcher sein Machwerk jeßt selbst verabscheut, entdeckt noch zu rechter Zeit die Wahrheit und wird glücklih in dem Besiße eines unverdorbenen Mädchens, Trotz des ret gelungenen Spiels aller Darsteller, beson- ders des Frl. Meyer (Claire), des Hrn Kurz (VBouvallet) und der Fr.Carlsen (Adele) konnte das kleine Werk nur einen bedingten Erfolg erringen. Hr. Alexander (Revil) bedarf noch mehr von jener bestebenden Liebens- würdigkeit, welche zu der Rolle cines Liebhabers unentbehrlich ift.

Dem „Ehren - Pofal*“, der si als „Posse“ einführt und nah A. O. Klausmanns gleihnamigem Schwank von C. Schultes bearbeitet ist, war noch weniger Beifall be- schieden, als seinem Vorgänger. Die dem Stücke zu

Grunde liegende Idee eine Deputation bringt einen Ghrenpokal, holt ihn irrthümlih wieder ab, um ihn dann noch einmal wieder- zubringen ift selbst für eine Posse zu unbedeutend oder hätte doch scenish mit größerem Geschick durgeführt werden müssen. Den meisten und wohlverdienten Beifall errang das alte GSenrebild von Hugo Müller „Adelaide“. Hr. Lebrun konnte in der prächtigen Maske des Alt- meisters Beethoven sein ganzes Talent als Charakterdarsteller aufs Neue darthun; allerdings dürfte dies die am meisten durhdachte und wirkungsvollste Rolle dieses Künstlers sein. Frau Carlfen (Adelaide) zeigte sih dabei als eine sehr gewandte Partnerin in der Darstellung ernster Charaktere. Das muntere jugendliche Element fand in Frl. Schwarz (Clärchen, früher eine der besten Rollen der zu früh dahingegangenen Ernestine Wegner) eine liebens8würdige Vertreterin, welhe sowohl durch ihr reizendes Spiel als durch den warmen Vortrag der beiden Beethovenschen Lieder „Freudvoll und leidvoll* und der „Adelaide“ die Zuschauer erfreute,