1883 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Nov 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Der S@{lußbericht über die gestrige Sihung Id Baues der Abgeordneten befindet sih in der Ersten age.

Nach Mittheilungen aus Oesterreih sind folgende Submissionen ausgeshrieben worden :

1) von der Direktion der a. p. Kaiser Ferdinands- Nordbahn sür den 14. Dezember d. J. bis 12 Uhr Mittags, 2 Submissionen auf Lieferung von hartem und weichem Bau- und Zeugholz, sowie eines größeren Postens Stahlschienen und appretirter Wehsel-, Haupt- und Spißblock- \chienen. Die näheren Bedingungen sind im Büreau des Material-:Jnspektors am Nordbahnhofe in Wien einzusehen ;

2) von der K. K. priv. Lemberg-Czernowiß-Jassy Eisenbahngesellschaft sür den 20. Dezember d. {F., bis 11 Uhr Vormittags, eine Submission auf Lieferung von ca. 2620 t Stahlschienen.

Die Lieferungsbedingnisse können bei der Material- verwaltung in Wien eingesehen werden.

-- NaH Mittheilungen aus dem Auslande sind folgende Submissionen ausgeshrieben worden:

1) von der K. K. priv. Lemberg-Czernowiß-Jassy Eisenbahn-Gesellschaft zu Wien für den 12. Dezem- ber d. J. bis Vormittags 11 Uhr eine Submission auf Lieferung von 100 000 Metercentner Steinkohle, 5800 Meter- centner Schmiedekohle und 1000 Metercentner Koks ;

2) von derselben Eisenbahn für den 17. Dezember d. J. bis Vormittags 11 Uhr eine Submission auf Lieferung von fertigen Dienstkleidern für das Jahr 1884;

3) von der Königlich italienishen Schiffsbau-Direktion des I. Seedepartements zu S pezia für den 27. Dezember bis Mittags 12 Uhr eine Submission auf Lieferung von 800 bis 1000 cbm Teak-Moulmeinholz im Taxwerth von 295 000 Lire. Die zu hinterlegende Kaution beträgt 29 500 Lire ;

4) von der Artillerie:Direktion der Gießerei zu Genua für den 14. Dezember d. J. bis Nachmittags 3 Uhr eine Submission auf Lieferung von 34 000 kg kupferner, gekehlter Stäbe im Taxwerth von 88 400 Lire. Die Kaution beträgt 8900 Lire, die Lieferungsfrist 120 Tage.

Die näheren Bedingungen zu 3 und 4 liegen bei den genannten Behörden zu Spezia und Genua aus; die Be- dingungen zu 1 und 2 liegen in unserem Expeditionsbureau zur Einsicht aus.

Der von einem Angeklagten als Vertheidiger ge- wählte Rechtsanwalt i}, nah einem Urtheil des Reichs- erihts, III, Strafsenats, vom 11. Oktober d. J., still- chweigend (auch wenn die Vollmacht die Substitutionsklausel nicht enthält) befugt zur Substitution eines anderen Rechts- anwalts, wenn nicht besondere Momente dafür sprechen, daß dem Mandanten an der Geschäftsführung durch den von ihm gewählten Vertheidiger in eigener Person gelegen sei.

Der General-Quartiermeister, General-Lieutenant Graf von Waldersee, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat \ich auf einige Tage in dienstlichen Angelegenheiten nah Kiel begeben.

Der Archiv-Assistent Dr. phil, Heinrih Finke in Schles- wig ist aus dem Staatsarchivdienst ausgeschieden.

Bayern. München, 29. November. (Allg, Ztg.) Die Abgeordnetenkammer sehte heute die Berathung des Etats des Staats-Ministeriums des Fnnern fort. Auf die Anregung des Abg. Herrmann, daß die Staatsregie- rung ein einheitlihes Backsteinmaß für ganz Bayern herbei- führen möge, erwiderte der Minister des Fnnern, daß in der allgemeinen Bauordnung von 1881 bereits für alle Re- gierungsbezirke für die Die der Mauern ein einheitliches Maß der Bacfsteine bestimmt sei. Zu dem Etat der Berg- behörden richtete der Abg. Hessert an die Staatsregierung die Anfrage: ob sie nicht zu einer Revision des Berggeseßes von 1869 dahin gewillt sei, daß den Grubenbesißern sür größere, den Bergbau fördernde Unternehmungen event. das Expropriations- reht bezüglih hierzu erforderliher Grunderwerbung (anstatt des bisherigen Rechtes der Grundbenußung) eingeräumt werde. Der Minister Frhr. von Feilißsh erklärte: es sei ein Bedürf- niß für eine solche Revision der Staatsregierung bisher nicht geäußert worden, auch sci das Expropriationsreht im Bergbau anderen Geseßgebungen fremd. Der Abg. Wolf sprach den Wunsch nach größerer Ausdehnung der geognvstischen Unter- \suhung des Königreiches aus. Zu dem Etat der Sicherheit hatte der Finanzausshuß die Vermehrung der Zahl der Gensd'’armerie um 10 über das Mehrpostulat der Regie- rung selbst (20) und hiernach die Erhöhung des Postulats für Löhnungen und Bezüge von 22514572 # auf 2262 996 beantragt. Die Abgg. Ackermann, Maus und Wagner be- zeichneten diese Vermehrung als nicht nothwendig, da sie dur die Sicherheitszustände niht bedingt sei. Der Abg. Lerzer bestritt dies entschieden. Der Staats-Minister Frhr. von Fei- lißsch befürwortete den Antrag des Finanzaus\husses und theilte hierbei mit, daß sih die Zahl der Antibettelvereine in Bayern von 127 im Jahre 1880 und 909 im Fahre 1881 auf 1603 im Jahre 1882 erhöht habe. Es sei hier- durch allerdings das Landstreicherthum in den leßten Jahren zurückgegangen. Troßdem reiche adcr der dermalige Bestand der Gensd'armerie niht aus. Die Abgg. Jegel und Frißsche verbreiteten sich über die wohlthätigen Erfolge der Antibettelvereine ihrer Gegenden und bezeichneten dieselben als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Landstreicherthums. Nach weiterer Debatte erklärte der Staats-Minister unter dem Beifall des Hauses: es sei der Wille der Staatsregierung, daß die Gensd'armerie bem Schuße und niht der Chicane diene und daß sie auf die Beobachtung dieser ihrer 7Fntention stets bedacht sei. Schließlich wurde die höhere Ziffer des Antrages des Finanzausshusses mit großer Mehrheit ange- nommen und der übrige Theil des Etats der Sicherheit gleichfalls nah den Vorschlägen des Ausschusses erledigt.

30. November. (W. T. W.) Die Abgeordneten- kammer erledigte heute den Etat des Ministeriums des Jn- nern mit geringen Modifikationen nah dem Antrage des Aus- \{chu}ses, nahm hierauf den Etat des Königlichen Hauses fast unverändert nach dem Vorschlage der Regierung an und ge- ne \cließlich den Etat des Ministeriums des Aeußeren ohne Debatte, unter Streichung des Dispositionsfonds.

_ Vaden. Karlsruhe, 28. November, (Schwäb. M.) Die Erste Kammer hält ihre nähste Sißung, deren Gegen- stand die Adresse an den Großherzog ist, am nächsten Sonnabend; Berichterstatter ist Geheim-Rath Schulze; für die Adresse der Zweiten Kammer der Abg. Kiefer. Die Vorlage über die neue Ordnung der Verwaltungsrehtspflege regelt in

sahlihe Zuständigkeit der Ver- waltungsgerihte, die allgemeinen Vorschristen des Ver- fahrens, sodann das spezielle Verfahren vor den Be- zirksräthen, die h ae m über Berufung und Beschwerde, das spezielle Verfahren vor dem Verwaltungs- erihtshof als erste Jnstanz, endlih die Vorschriften über ihtigkeitsbeschwerde, Wiederaufnahme des Verfahrens, ange TreEUng, Anträge auf Vorentsheidung. Der ntwurf hält an den Grundlagen des Geseßes vom J. 1863 fest und ordnet die Zuständigkeit nah einzelnen bestimmt benannten Kategorien von Streitsällen (also ohne die sogenannte clausula generalis), Die so lange ge- wünschte Erweiterung der Zuständigkeit erstreckt sich haupt- sählih nah drei Richtungen: nämlich auf die Beschreitung des Rechhtsweges: 1) gegen polzeilihe Verfügungen, welche bestimmte Rechte verlegen und 2) gegen Anordnungen, durch welche die Organe der Selbstverwaltung durch die Staats- behörden zu Leistungen angehalten werden; dazu kommt 3) die Möglichkeit, solhe Ansprühe vor den Verwaltungsgerihten zur Entscheidung zu bringen, bei welhen fkeinerlei vermögensrehtlihes FJnteresse, wohl aber eine öffentlih rechtligze Befugniß, wie z. B. bei Wahlen, auf dem Spiele steht. Das Verfahren beruht in Anlehnung an die Civilprozeßordnung auf dem Prinzip der Ummittelbarkeit und Viündlichkeit, jedoch mit den durch die Besonderheit des Rechtsgebiets gebotenen Einschränkungen, welche einen Ausschluß des sogenannten Jnformativgrundsaßzes nit gestatten.

29, November. (Schw. M.) Bei Beantwortung der Interpellation des Abg. Schneider von Mannheim, wegen des sogenannten Wahlerlasses, vertheidigte der Staats-Minister Turban den Erlaß als eine völlig parteilose Pflichterfüllung ; die Nennung des Großherzogs war geboten, weil nur er die Landespolitik bestimmte.

Samburg, 28. November. (H. Corr.) Jn der gestrigen Sizung der Bürgerschaft wurde die Berathung über den Bericht des Ausschusses zur Prüfung von Anträgen, betreffend Revision der Geseßgebung über die Hamburgische Staats- angehörigkeit und das Bürgerrecht, fortgeseßt. Die S8. 5—8 des vorgelegten Gescßes wurden ohne Debatte ge- nehmigt, darauf aber das Gesez im Ganzen in namentlicher Abstimmung mit 77 gegen 37 Stimmen abgelehnt.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 28. November. Das Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen veröffentlicht heute die Verordnung, betreffend die Einberufung des Landes- ausschusses für Tagen zum 10. Dezember d. L

48 Paragraphen die

29. November. (W. B) Die „Elsaß- Lothringishe Ztg.“ meldet: Auf das gestern von dem Commandeur des hier garnisonirenden Ulanen-

Regiments Nr. 15 an Se. Majestät den König von Spanien aus Anlaß des Geburtstages des Königs gerichtete Telegramm, welches lautete: „Ew. Majestät bringt Allerhöchstdero Ulanen-Regiment, den heutigen Tag festlih begehend, die allerunterthänigsten Glückwünsche dar“, ist noch gestern Abend 111/25 Uhr die folgende Antwort des Königs eingegangen: „Je vous remercie très-sincèrement de votre aimable félicitation. Alphonso,“

Oesterreich-Ungarn. Wien, 28. November. (Presse.) Das ungarische Abgeordnetenhaus beschäftigte ih gestern eingehend mit jenen Paragraphen des Gesetzen t- wurfs über die Ehen zwischen Christen und Juden, die von der Religion der Kinder, von der Scheidung, der Wiederverehelihung und den im Auslande ge- schlossenen Ehen handeln. Jm Allgemeinen machte ih das Streben geltend, das Entschließungsreht der Eltern bezüglich derx Religion der Kinder unter Wahrung der dem Staate eventuell zustehenden Einflußnahme unversehrt auf- recht zu erhalten und die Ehe thunlichst mit Garantien der Dauer auszustatten. Die Ausschußanträge wurden zum Theil unverändert oder mit geringen Modifikationen angenommen, zum Theil an den Ausschuß zurückgewiesen. Heute wird die Debatte fortgeseßt.

Jn Bezug auf die Beseßung des Banuspostens ging der „Agramer Zeitung“ gestern von ihrem Budapester Korre- \spondenten auf telegraphishem Wege die Nachricht zu, daß die Unterhandlungen, welhe der Minister-Präsident Tisza mit dem Naaber Obergespan, Grafen Khuen-Hedervary, betreffs der Uebernahme der Banuswürde gepflogen, einem günstigen Abschlusse zugeführt worden seien. Graf Khuen habe sih zur Annahme der Banuswürde bereit erklärt, und es dürste seine Ernennung auch in kürzester Zeit erfolgen.

Großbritannien und Jrland. London,29. November. (W. T. B.) Der deutsche Sozial ist Wolf, welcher kürzlich unter der Beschuldigung des Besißes zu ungeseßlihem Gebrauche bestimmter Exploösivstoffe vor dem Polizeigeriht in Bow- street stand, erschien heute wiedezum daselbst mit einem Franzesen, Namens Bon durand, dessen Bruder von Wolf beshuldigt wird, das Komplot gegen die deutsche Botschaft angestistet zu haben. Jn der Verhand- lung erklärte der Staatsprokurator: die beiden Ver- hasteten würden nicht beschuldigt, als Mandatare einer politishen Gesellschaft die Herbeiführung einer Explosion gegen die deutshe Botschaft beabsichtigt zu Police jondern vielmehr eines Complots zu dem Zweck, die Polizei von der angebli beabsichtigten Explosion in Kenntniß zu seßen und für ihre diesbezüglihen Mittheilungen dann eine Belohnung in Anspruch zu nehmen. Die Verhandlung wurde \{ließ- lih auf 8 Tage vertagt.

30. November. (W. T. B.) Der Prozeß gegen O'Donnel, den Mörder Careys, begann heute Vormittta vor dem Old-Bailey-Gerichtshofe unter großer Theil- nahme des Publikums. Der Angeklagte erklärte sich für nihtshuldig, während der öffentlihe Ankläger nahwies, daß es sih um einen Akt vorbedahten Meuchelmordes handle.

Frankreich. Paris, 29. November. (W. T. B.) Jn der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer interpel- lirte Clémenceau über die Tongkingangelegenheit und führte dabei aus: die öffentlihe Meinung sei ercegt durch das Gerücht, daß das chinesishe Memorandum aus dem Vor- marsch auf Bacninh einen casus belli mache. Der Jnterpel- lant verlangte darüber Seitens der Regierung bestimmte Aufklärungen. Der Conseils-Präsident Ferry ersuchte die Kammer, die Jnterpellation bis zu dem Augenblick, wo die Berathung der Kreditvorlage stattfinde, zurückzustellen; dann seienkauch alle Dokumente durch das Gelbbuch veröffentlicht

und die Kammer werde bei Kenntniß der Ursachen des Me- morandums zu einer eingehenden Prüfung schreiten können. Das Memorandum, anstatt ein Zeichen des Abbrucs zu sein, stelle vielmehr den Ausgangspunkft neuer Verhandlungen dar, die gegenwärtig noch fortgeseßt würden. Dic Antwort Chinas werde unverzüglich erwartet. Nach weiteren Erklärungen

Ribots und Clémenceau'’s über die Rolle der Tongking-Kredit- kommission beschloß die Kammer mit 308 gegen 195 Stimmen,

die Interpellation bis zur Berathung der Kreditvorlage zurück- zustellen. Jn der sodann fortgeseßten Berathung des Etats führte der Finanz-Minister Tirard aus, daß die finanzielle Lage befriedigend sei und mittels Klugheit und Mäßigung es leiht sein werde, die Prosperität der leßten Jahre wiederzugewinnen. (Beifall.) Baron Soubeyran bezeich- nete die Konversion als eine unzeitige Maßregel; der Staatsshay habe zwar 34 Millionen gewonnen, das Publikum jedoch 1500 Millionen verloren. Er vermöge nicht die Nothwendigkeit einzusehen, daß man auf der einen Seite 100 oder 60 Millionen zu Amortisationen verwende, während man auf der anderen Seite Anleihen mache. Soubeyran verlangte die Streihung des Extraordinariums und die Verringerung der Ausgaben; er fand auch, daß die Arbeiter zu viel Politik machen. Wilson beharrte bei der Nothwendigkeit, die außerordentlihen Arbeiten fortzuführen und hielt die Forderung der Kommission, die Amortisirung auf 60 Millionen zu beschränken, aufrecht, während der Minister auf einen Amortisationsbetrag von 100 Millionen besteht. Die Debatte wird morgen fortgeseßt.

Spanien. Madrid, 29. November. (W. T. B.) Die Zeitungen veröffentlihen den Wortlaut des Glückwunsch- telegramms Sr. Majestät des Deutschen Kaisers an Se. Majestät den König Alfons. Jn dem Glück- wunschtelegramm heißt es:

„Als Andenken an den Aufenthalt Ew. Majestät in: Preußen habe Jh Meinen Sohn, den Kronprinzen, beauftragt, daß er Jhnen heute das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten von Brandenburg überreiche, jenes Helden, der die Grund- lagen der Wohlfahrt Meines Hauses und Meiner Familie gelegt hat. Jch erlaube Mir gleichzeitig, Meinen ganzen tiefgesühlten Dank für die Art und Weise auszudrücken, wie Ew. Majestät Meinen Sohn aufzunehmen geruht haben, der Mich bei Ew. Majestät vertritt, da Meine vorgerüdten Fahre Mir nicht erlauben, persönli den angenehmen Besuch zu er- widern, dessen Andenken sich immer unter Uns erhalten wird. Die Nachrichten, welhe Jh täglich von Madrid erhalte, be- weisen, bis zu welchem Grade Sie dem Kronprinzen Zhre- Sympathien zu widmen geruht haben, denen die Freundschaft gleihkommt, welhe Jh Jhnen für Meine Lebensdauer ge- widmet habe.“

Der „Jmparcial“ sagt: Kaiser Wilhelm drüde sih sehr herzlih und ohne die Formalitäten aus, an die man in ähn- lichen Fällen gewöhnt sei. Es sei nicht mwöglih, in wür- digerer und klarerer Weise seine Wünsche kundzugeben, als es durch den erhabenen Begründer der deutschen Einheit für das. Wohlergehen des Königs Alfons und der spanischen Nation geschehen sei, Leßtere sei sehr dankbar für den Beweis einer so besonderen Auszeichnung, die ihr dur den Kaiser Wilhelm zu Theil geworden.

29. November, Abends. (W. T. B.) Heute Mittag stattete Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz den spanishen Majestäten zu Allerhöhstihrem Hoch- zeitstage einen Gratulationsbesuch ab und überreichte Jhrer Majestät der Königin drei prachtvolle Vasen, Er- zeugnisse der Königlichen Porzelanmanufaktur zu Berlin.

An dem Diner, welches der deutsche Gesandte Graf Solms heute Abend zu Ehren des Königs und des Kronprinzen gab, nahmen Mitglieder des diplomatishen Corps, der Mi- nister-Präsident, die Minister des Auswärtigen, des Krieges und der Marine, die spanischen Generäle Novaliches, Campos, Echague, Blanco, Cheste, ferner die Generale von Blumenthal und von Loë und der Oberst-Lieutenant von Sommerfeld Theil. Jm Ganzen nahmen 24 Personen an dem Diner Theil; nah demselben fand ein Besuch des spanischen Theaters statt.

Vormittags hatte Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz abermals die Bilt ergalerie im Museum besucht und besonders eingehend die Werke der spanishen Schule besichtigt. Von da begab Sich der Kronprinz sodann in das Artillerie: und JIngenieurhaus und in- die Kirche und das Kloster Atocha, wo alle spanischen Königspaare getraut werden und wo sih das Grabmal des Generals Prim befindet.

__— 30. November, früh. (W. T. B.) Heute Mittag wird der Kronprinz eine Deputation der hiesigen deutschen Kolonie empfangen, welche eine Adresse überreiht. An der Spitze der Deputation stehen: der Vorsitzende des deutschen Hülfsvereins, Hermann Becker, der Vertreter der deutschen Abtheilung der metallurgishen Ausstellung und des Central- vereins sür Handelsgeographie, Karl Dames, und der deutsche Gesandtschaftsarzt, Dr. Kispert. Hierauf wird dcr Kconprinz der Enthüllung des Denkmals Jsabellas der Katholischen bei- wohnen. Abends findet Hofball statt.

__ Jtalien. Rom, 29. November. (W. T. B.) Gestern hielt die ministerielle Mehrheit der Kammer unter dem Vorsiß des Minister-Präsidenten Depretis eine Ver- sammlung ab, an welher 200 Deputirte mit Ein- {luß sämmtlicher Minister theilnahmen. Depretis redete unter großem Beifall und gab seiner Freude Ausdru, daß das Kabinet sich seine Freunde erhalten habe, Er empfehle den Mitgliedern, sich zahlreih an der heutigen Wahl von fünf Mitgliedern des Budget-Ausschusses und zwei Sekretären der Kammer zu betheiligen. Der Redner e sodann die hauptsächhlihsten Fragen auf, welche zur Verhandlung gelangen werden, und spra die Ueberzeugung aus, daß, wenn er die Frage an die Kammer richtete, ob das Land eine ruhige und gute Administration wünsche und ob es dem Auslande gegenüber an Ansehen gewonnen hätte, eine außerordentlich große Mehrheit der Vertreter diese Frage bejahen würde.

29. November. (W. T. B.) Bei der gestrigen in der Deputirtenkammer erfolgten Wahl zweier Sekretäre und eines Mitgliedes der Zolltariskommission siegten die ministeriellen Kandidaten Sangiuseppe, Ungaro und Zeppa mit 204, 181 und 193 Stimmen gegen die Kandidaten der Dissidenten, welche 124, 107 resp. 103 Stimmen erhielten.

An Stelle Balans ist Tosti zum Subarchivar der geheimen Archive des Vatikans ernannt worden.

NußGland und Polen. St.Petersburg, 30. November. (W. T. B.) General-Lieutenant Wannowski hat die Leitung des Kriegs-Ministeriums wieder übernommen.

Afrika. Egypten. Kairo, 29. November. (W. T. B.) Von den 600 Mann egyptisher Gensd'armerie, welche gestern nah Suakim abgesandt worden, sind 268 auf der Fahrt von Kairo nah Suez desertirt.

Zeitungsstimmen.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird unter dem 22. d. M. über die gegenwärtige Lage der rheinishen Jndustrie be- richtet :

Ô Während die Berichte aus den Rheingegenden über die Lage der Roheisenindustrie nit günstig lauten, wird über die dortigen Ma- \hinenfabriken und Eifsengießereien mitgetheilt, daß dieselben fast ohne Ausnahme flott bescäftigt sind. Das Gleiche gilt von den Kesselschmieden. Die Maswinenbau-Aktiengesells haft „Hum- boldt“ in Kalk hat gegenwärtig über tausend Arbeiter in Thätigkeit. Die dortige chemishe Industrie erfreut si im Allgemeinen fortdauernd einer günstigen Seschäftslage. Erweite- rungen und Neuanlagen in diesem Industriezweige sind auch im ver- flossenen Quartal wieder mehrfach c*istanden. Die Shwarzpulver- fabriken haben volle Beschäftigung, ebenso die Bleichfarbenfabriken. Die Tuchindustrie arbeitet nach wie vor unter günstigen Verhältnissen. Die bedeutenden Militärtuchlieferungen, welche in diesem Jahre in Auftrag gegeben sind, gewähren für die näcste Zeit ausreichende Be- s{äftigung. Troß des gegenwärtig sehr niedrigen Preises der deutschen Lumpen hat die Kunstwoll-Industrie fih nit günstiger gestaltet, was hauptsächlich der neuerlich aufgetretenen Konkurrenz aus dem König-

reich Szchsen zugeschrieben wird. Die günstige Lage der Îute-In-

dustrie im Kreise Bonn hat keine Aenderung erfahren. Eine bedeu- tende Betriebserweiterung ist in einer der Jutefabriken für die nächste Zeit in Aussicht genommen.

Die „Mecklenburgische Zeitung“ enthält einen längeren, das Geseß, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, behandelnden Artikel, der aus der Feder des Reichstags-Abgeordneten Hrn. Otto Büsing stammt. Der Schluß dieses Artikels lautet wie folgt:

Für die Arbeiter, um die es sich in erster Linie handelt, kommt zu Gunsten der freien Hülfskassen in Betracht, daß diese Kassen aus ihrer freien Vereinigung hervorgehen und aus\cließlich von ihnen selbst, ohne jede Betheiligung der Arbeitgeber verwaltet werden. Im Gegensatze zu den Orts-Krankenkassen haben die freien Hülfskassen für die Arbeiter aber den Nachtheil, daß sie die Versicherungsbeiträge ganz, ohne Zuschüsse der Arbeitgeber zu leisten, den zur Deckung der Aus- gaben dec Kasse erforderlihen Aufwand also allein zu tragen haben. Dazu kommt als fernerer Nachtheil, daß die freien Hülfskassen that- \äcblich fast immer bestimmte Altersgrenzen für die Mitgliedschaft festseßen, so daß Arbeiter, die in einem niedrigeren oder hößeren als dem statutenmäßig fístgeseßten Lebensalter stehen, keine Aufnahme in die Kassen finden. Endlich is noch als un- günstiges Moment zu erwähnen, daß die freien Hülfs- fassen ihre Mitglieder häufig zur Uebernahme mancherlei lästiger und zeitraubender Dienste und Leistungen im Interesse der Kassen verpflichten. Ob diese Nachtheile der freien Hülfskassen gegen- über den von dem neuen Geseße geplanten Orts-Krankenkassen dur das wichtige Moment der eigenen, von aller fremden Einmischung freien Kassenverwaltung ausgewogen werden, müssen die Ar- beiter selbst entscheiden. Erst die Erfahrung kann lehren, ob unter der Herrschaft des neuen Gesehes der Schwer- punkt der Arbeiter - Krankenversiherung in den freien Hülfs- kassen oder in den Orts-Krankenkassen, in denen das Geseß die Träger der ganzen Versicherung sieht, liegen wird, Aber au wenn das erstere der Fall sein sollte, wird man das Resultat nur mit Freuden bégrüßen können. Die Neigung, sich aus freier Entschließung zu Krankenkassen zu vereinigen, war, wie die Erfahrung seit 1876 gezeigt hat, bieher bei den Arbeitern nur in geringem Maße vorhanden. Wenn dies in der Folge anders wird und in Zukunst freie Hülfskassen in größerer Anzahl entstehen, so gebührt das Verdienst hiefür dem neuen Gesetze, welches die Arbeiter vor die Alternative gestellt hat: entweder freie Hülfskassen oder die Krankenkassen des Gesetzes. Das Ziel, worauf es allein ankommt und welches dur die Geseß- gebung yon 1876 nicht errciht wurde: die allgemeine Krankenversiche- rung der Arbeiter, ist dann erreicht ; welcher Weg zu diesem Ziele ge- führt hat, ob freie Hülfskassen, o Orts-Krankenkassen, ist am leßten Ende gleichgültig.

Jn der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“

[esen wir: /

Dem fortschritilihen Gebrau entsprehend, benußt der Abg. Büchtemann jede sih darbietende Gelegenheit, um die vom Reichs- fonzler vertretenen wirths{haftliten Tendenzen durch Entstellungen der Aeußerungen des Reichskanzlers zu diskreditiren. Dem stenographischen Bericht zufolge hat der genannte Abgeordnete in der Sißung vom 27. d. Mts,, unter Berufung auf die Zunahme der Getreideeinfuhr aus dem Auslande, die Behauptung aufgestellt: i

„Es geht daraus klar hervor, daß die Meinung, mit welcker seiner Zeit der Herr Reichskanzler die Getreidezölle vertreten hat, daß die inländische Landwirthschaft in der Lage sei, für die inländische Konsumtion ausreichend zu produziren, unrichtig ist. Es ist daraus flar erfenntlich, däß, weil Deutschland als Käufer von nothwendigen Lebensmitteln auf den Markt tritt, niht das Ausland den Zoll auf Getreide trägt, sondern das Inland. Damit isl die Erhöhung des Getreidepreises durch die Zölle erwiesen.“

Der Reichskanzler bat niemals behauptet, daß wir so viel Ge- treide bauten als wir brauchten, er hat nur seiner Zeit nachgewiesen, daß wir sehr viel mehr Getreide im Julande produzirten als zur mens{chlichen Nahrung der Deutschen erforderlich wäre. In seiner Rede über die Getreidezölle vom 21, Mai 1879 hat der Reichskanzler auf Grund von statistishen Daten dargethan, daß die deutsche Be- völkerung, wenn sie recht hungrig sei, 140 Millionen Centner Weizen und Roggen im Jahre essen könne; rechne man die Neugeborenen hinzu, so komme man auf einen Verbrauch von 146 bis 150 Mil- lionen Centner Weizen und Roggen. In der bezeichneten Rede heißt es dann weiter: A 5 N

„Wir bebauen, auf eine verhältnißmäßig geringe Ackerflähe von den 54 Millionen Hektaren, die das Deutsche Reih enthält, mit Winterkorn, Weizen und Roggen nur etwa 8 200000 ha. Davon befinden sich in Preußen 1 Million Hektare Weizen und 44 Millionen Hektare Roggen. In Süddeutschland ist das Verhältniß anders ; es find 1200000 ba, die mit Weizen bestellt werden, und 1 500 000, die mit Roggen bestellt werden. Die Weizen- und Roggenbestellung in Artupe liefert nun na den Tabellen des statistishen Bureaus einen jährlichen Ernteertrag, im Durchschnitt des ganzen Staates in Roggen und Weizen ziemlih genau von derselben Millionenzahl, wie das deutsche Volk bei 3} Ctr. Konsum pro Kopf verzehren kann, das heißt, von 146 Millionen.“ \ Z

Sodann wird nachgewiesen, daß die in Süddeutschland bebauten 2 700 009 ha zusammen mindestens 70 Milionen Centner Roggen und Weizen aufbringen, so daß das Gesammtprodukt der eigenen Ernte sih auf 220 Millionen Scheffel derjenigen Korngattungen be- läuft, welhe zur menschlichen Nahrung verwendet werden, Der Reichskanzler {ließt seine Ausführungen damit, daß zunächst die Verwendung der nah der obigen Rechnung den Nahrungsbedarf über- steigenden 100 Millionen Centner nachgewiesen werden müsse, ehe behauptet werden dürfe: „daß wir Hunger leiden würden, wenn heute die fremde Einfuhr ganz gestrihen würde.“ i :

Unser Bedürfniß, behufs industrieller oder landwirthsaftliher Verwerthung mehr als das zur Ernährung nothwendige Brotkorn zu baben, ist minder zwingend als das Bedürfniß der Länder des Schwarzen Meeres und Nordamerikas, den Ueberschuß, den sie an- bauen, in baares Geld umzuseßen. Das Absaßbedürfniß der Korn- länder, die das 10- und fache ihres Bedarfs an Getreide und weiter nihts hervorbringen, ist dringender als das Kaufbedürfniß einer Be-

völkerung, die selbft mehr Brotkorn, als fie zur Ernährung von Menschen und Vieh bedarf, produzirt. Deshalb muß der geldbedürf- tige Kornproduzent den Zoll bezahlen, niht aber der Deutsche, der «s ihm abfauft, wenn er will und wenn er Verwendunz dazu hat obne dur das Ernährungsbedürfniß dazu gezwungen zu fein. Auch bei einer wesentlihen Erhöhung der jeßigen Getreidezölle würde dieses Verhältniß dasselbe bleiben.

Statistische Nachriehten.

Na Mittheilung des Statistishen Amts dec Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 18. November bis inkl. 24. November cr. zur Anmeldung gekommen : e Ee Segen, 867 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene, 556

erbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Die Nationalgefahr,“ von Raoul Frary, preis- gekrönt von der Académie française mit dem Prix Monthyon. Aus dem Französischen von Scheller, Lieutenant im Königlich sächsischen 1. Husaren-Regiment Nr. 18. Hannover 1884. elwingsche Verlags- Buchhandlung (Th. Mierzinsky, Königl. Hofbucbhändler) Pr. 4 M Das vorliegende, nicht ohne Gcund preisgekrönte Werk bietet mit seiner angenehm berührenden Mäßigung, seiner objektiven Beurthei- lung der gegenwärtigen Lage Frankreichs einen bemerkenswerthen Gegensaß zu der Haltung, welhe die Pariser Boulevard- Presse bei der Behandlung dieser Fragen beliebt. Schon in dem ¿Vorwort weist der Verfasser die Chauvinisten mit bestimmten Worten von \ich, indem er sagt: „Der Leser, welcher möchte, daß man \sich über unser Vaterland nur in Lobeserhebungen ergehe, der niht zugiebt, daß cin Franzose das Unrecht, die Schwächen und die Fehler seiner Generation erkennt und gesteht, kann dieses Buch wieder vei Seite legen; er würde zu viel in dem- selben finden, was ihm als Entwürdigung erscheinen müßte.“ Und an einer anderen Stelle erklärt er: sein Buch sei an diejenigen Männer gerichtet, die Frankreich aufrichtig und stark genug lieben, um männlich einer Zukunft entgegenzublicken, die man nicht befeitige, indem man die Augen \{ließe. Nicht also von der Revanche, sondern von der Sicherheit der Cristenz Frankreichs folle das Buch handeln; er wolle nur die Mittel suhen, um ein neues Unglück zu verhin- dern und zuerst die Gründe angeben, weshalb dasselbe zu fürchten sei. Daß dem Verf. in dem Werke selbst troy aller Objektivität manche Bitterkeit gegen den deutschen Nachbar, manche durch Voreingenom- menheit und Trübung des Urtheils sehr erklärlihe Härte mit unter- läuft, ist wohl entschuldbar; ja sein Patriotismus muß uns sozar mit hoher Achtung erfüllen, wenn wir beobachten, wie ein Mann, der im Uebrigen die Dinge so richtig ansieht und so geistvoll denkt, nur zu schnell die Klarheit verliert, sobald der Feind und die von ihm vermeintlich drohenden Gefahren in Frage kommen, gegen die er sein geliebtes Vaterland vertheidigen möchte Das erste Buch, welches von den Nationalkriegen, der Utopie des ewigen Friedens, dem Einsaß bei dem modernen Kriege und der nothwendigen Kriegsbereitshaft handelt, enthält vieles Wahre und Lesenswerthe, aber schon das zweite, betitelt: „Die Invasion der Germanen“, enthält neben richtigen, geistvollen Urtheilen mancherlei auffällig Sciefes, namentli, was die dem Nachbar untergelegten Absichten anbetrist. Gleichwohl wird der Verfasser unserem Herr- \cerhause und seinen Verdiensten um Deutscbland ebenso gerecht wie der Beteutung des Staatsmannes, der bei der Wiederaufrihtung des Reiches so mächtig mitgewirki hat, und der, wie er sagt, dur seine Staatskunst der Schiedsrichter Europas geworden sci. Nur wenn er ihm sogar in seinen „Träumen“ nacgeht, verliert er den festen Boden und gefällt sich in wunderlichen Konjekturen. Von unserem Herrscherhause sagt er wörtlih: „Die Hohenzollern haben den Nationalcharakter verändert; indem sie ihre Be- sißungen erweiterten, begannen sie die Erziehung ihrer Unter- thanen von Neuem. Die Königlichen Intendanten verstanden wie kein Anderer die Kunst, große Pläne mit geringen Mitteln zu ver- wirklichen. Sie besaßen ein armes, räumlich beschränktes, \pärlih bevölkertes Reih, doch dabei ein zahlreiches, tapferes, immer s\ch{lagfertiges Heer, einen gefüllten Staatsshaß. Sie waren kart, sparsam und beharrlib; sie prahlten nicht mit ihren ritterliden, zcigten aber mehr als alle Menschen ihre nüßlihen Tugenden; sie verstanden es, die Gelegenheit abzu- warten und dann zu ergreifen. In dem Genusse ihrer Macht wurden sie nicht träge, berauschten sih nicht an leerem Prunk und begnügten fh nicht mit Versprehungen, wenn die Stunde des Sieges ge- kommen. Sie führten keine Kriege für einen Gedanken, für irga.d welhen Glauben, noch aus Eigenliebe, #o wie Ludwig XIV. . ., Die Könige von Preußen sind klare und be- stimmte Männer, sie sagen nit: der Staat bin ih! aber sie denken ununterbrochen an die Größe dieses Staates. . . . . Der Adel lehnt si nicht auf, die Geistlichkeit überhebt si nicht, die absolute Ge-

walt ist nicht selbstsüchtig. Die Unterthanen veredeln ihren Gehorsam, indem sie ihn freudig leisten. Die Verwal- tung ist mächtig, nicht wie anderwärts besorgt, träge, forrumpirt. Im Siege keine Verblendung und Ucberhebung. .

feine Spaltung im Unglück: der bei Jena geschlagene, in Tilsit ge- demüthigte König büßt nichts an seiner Autorität ein.“ Nachdem Frary dann die Aussichten im Kriegéfalle erörtert und die Bilanz einer möglichen Niederlage gezogen, wendet er sih in dem 3, Buch der inneren Lage Frankreihs zu. Dieser Abschnitt ist der weitaus be- deutsamste und als wirkli beherzigenswerth von den Einsich- tigen unter seinen Landsleuten mit Recht eines Ehrenpreises für würdig befunden worden, Der Verfasser nimmt darin zur Grundlage der Beurtheilung das Franfkreih vom Jahre 1881, refkapitulirt die Lehre, welhe das Unglücksjahr 1870 darstelle und bezeichnet die Fehler, welche die Katastrophe herbei- eführt, nicht als solhe des Verstandes, sondern des Charakters. Aber er läßt es auc nicht an Trostgründen fehlen für solche, die dieser bedürfen, denn eigentlih habe sich Frankreich nit nur zu {nell getröstet, sondern auch zu s{chnell durch innere Streitigkeiten zerstreuen lassen. Die Heftigkeit, mit der sich die Parteien täglich mehr befehden, sei nur geeignet, dem Lande zu schaden. Man höre nit selten die Behauptung, daß sich Frankreich im Ver- fall befinde, und man könne einer Beantwortung dieser Frage nicht mehr ausweihen, Da sei denn nicht zu verhehlen, vas die Auf- lösung der konservativen Kräfte der Gesellschaft in der That diese Gefahr näher rücken lasse, weil der religiöse Glaube immer mehr erlösche, ohne dur feste unumgänglice Moralgeseße erseßt zu werden. Einen Theil der Schuld mißt der Verfasser der Demokratie zu, der er jedoch in dem folgenden Kapitel wieder mancherlei Zugeständnisse macht. Ohne Zweifel seien wirklihe Gründe zur Besorgniß vorhanden und Symptome der Vershlimmerung als Vorboten eines wirklicen Verfalls nicht zu verkennen; dahin rechnet der Verfasser die Ab- nahme der Fruchtbarkeit, die häufige Wiederkehr der Revolutionen und den Fortschritt des religiösen und moralischen Skepticismus. Zur Ablenkung dieser inneren Gefahren sei die Vervollkommnung der Jugend-Erziehung das beste Mittel, obgleich sich freilih, wie der Verfasser meint, die Tugend nicht lehren lasse; zur Ablenkung der äußeren sei eine Verstärkung der Streitkräfte des Landes nothwendig. Diese „nothwendige Anstrengung* bildet auch den Titel des leßten,

4. Budbes, in welhem der Verfasser besonders energisch für die militärishe Erziehung der gesammten männlichen Jugend und für die obligatorische Einführung dieser Er-

ziehung eintritt, ein Gedanke, der übrigens inzwischen von Paul Bert aufgenommen und durch die Bildung der „Schulbataillone*“ zur Ausführung gekommen is. Wie sih dann 10 Jahre später die Lage verbessert haben werde, stellt Frary im nächsten Kapitel dar. In den folgenden beantwortet er noch einige Einwendungen und erörtert die Bevölkerungsfrage, für deren Lösung er u, a. einerseits eine Besteuerung der Chelosigkeit und andererseits die staatliche Une nBung finder- reiber Familien in Vorschlag bringt. Mit der Mahnung, alles

daran zu seßen, um im Falle der Gefahr bereit und fertig zu fem, \chlicit das gaedankenreibe, mit bohem sittlihen Ernst geschriebene, für jeden Politifer sehr lesenswerthe Buch.

Laud- und Forftwirthschaft.

Im Vezrlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben: Hand- buch der Käserei-Technik von Dr. von Klenze, mit 194 Holz- shnitten und 33 autotypischen Tafeln. (Preis bros. 16 Æ, geb. c. 18 M). Der großartige Aufs{wung, welchen die Milchwirthschaft innerhalb der letzten fünfzehn Jahre genommen hat, erstreckt sib, wie der Verfasser ausführt, weitaus zum größten Theile auf die Aus- bildung der Technik und die wissenschaftlihe Fundirung der Aufrabmung und der Buttergewinnung. Diese Vorgänge sind, wenn auch weitere Fors{ungen und Verbesserungen noch slatt- finden werden, doch bis zu einem gewissen Grade bekannt, fo daß in der Praxis rationelle Methoden als solche bestätigt werden konnten, nah denen nun gearbeitet wird und die sich immer mehr verbreiten. Anders steht es mit der Käserei. Diese befindet sich in einem Zu- stande vollkommener Empirie; die Käser (Sennen) kennen häufig faum das Handwerksmäßige ihres sehr s{wierigen Gewerbes, von Vors kenntnissen, die dazu eigentli nöthig sind, wissen sie in der Regel nihts und die Praris fann diese auch nit na langer Zeit erseßen. __ Dieses Handbuch, welches berufen sein dürfte, eine merkliche Lücke in der Uteratur der Käserei, die bis jeßt höchst stiefmütterlih be- handelt ift, auszufüllen, fann allen Landwirthen bestens empfohlen werden. Der Autor, als Facmann wohl bekannt, giebt als Zweck se Buches an, daß dasselbe die Kenntnisse der Eigenschaften des Urmaterials, der Milch, unter normalen und anormalen Einflüssen vermitteln, dann die allgemeine Technik als Fundamentalwissen für die gesammte Käserei enthalten, und endlich verlässige und kritish beleuchtete Fabrikationsmethoden für die ver- schiedenen Käsesorten angeben, soweit sie zu erlangen waren, fowie au die Nebenfabrikation der Käsefabrifkation behandeln soll.

Von dem lehrreidben Inhalt seien hier die wihtigsten Kapitel angeführt: T. Die zur Käserci verwendete Milch; Zusammenseßung und Bestandtheile der Milch, Einflüsse auf die Qualität der Milch vor der Sekretion, Einflüsse auf die Qualität der Milch nach der Sekretion ; Milchfeh!ler, 11. Allgemeine Technik. Die Prüfung der Mil, das Vorwärmen der Milch, das Färbcn der Milch, das Lab, die Bearbeitung des Bruchs, das Pressen, das Salzen, die Käse- reifung. 1IL. Spezielle Technik. Die Fabrikation der verschiedenen Käsesorten : 1) Labkäse, a. Weichkäse, b. Hartkäse, 2) Sauermilkäsfe, 3) Käse aus Molkenbestandtheilen, 4) Pflanzenkäse. IV. Neben- produkte der Käserei. (Die Molke.)

Gewerbe und Handel.

London, 29. November. (W. T. B.) Bei der gestern ab- gehaltenen Wollauktion waren Preise fest.

New-York, 29. November. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr und Ausfuhr der Vereinigten Staaten während des letzten Rechnungsjahres betrug 1547 Millionen Doll, die höchste bisher erreichte Ziffer.

Verkehrs-Anstalten.

Triest, 29. November. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Ettore ist aus Konstantinopel heute Vormittag hier cingetroffea.

seines

Berlin, 30. November 1883.

Das „Journal des débats“ enthält in seiner Nummer vom 29, November einen längeren Aufsaß über die Versuche, welche in Frankreich auf den unterirdischen Telegraphen- linien gemacht worden sind. Aus der Darstellung geht hervor, daß die unterirdischen Kabel sih auch in Frankreich, wie dies in Deutschland bereits seit Jahren festgestellt ist, durhaus gut be- währen und daßalle Befürchtungen (Störung durh Jndufktion .), welche bezüglih dieser Anlagen früher gehegt wurden, ih au in Frankreih als unbegründet erwiesen haben. Bekannt- lih hat Deutschland zuerst mit Herstellung eines unterirdischen Telegraphenneßes begonnen. Jn dem Zeitraum von 1875 bis zum Jahre 1880 sind im Reichspostgebiet die wichtigsten Waffen-, See- und Handelspläße durch unterirdische Telegraphen ver- bunden worden. Die Gesammtlänge der Kabel beträgt 5616 km, die Länge der Leitungen 37 933 km. Das unter- irdische französishe Telegraphennet, mit dessen Herstellung im Jahre 1879 begonnen wurde, umfaßt gegenwärtig 2500 km Linien und 18 000 km Leitungen.

Ein neues Lustspiel „,Glück bei Frauen“ von Gustav von Moser ging gestern im Königlichen Schauspielhause zum ersten Male in Scene und fand bei dem sehr zahlrei versammelten Publikum eine ret beifällige Aufnahme. Die Wahl des Titels steht mit tem Inhalt des Stückes nur in leichtem Zusammenhange und wird nur sehr oberflählich in Bezug auf das Schicksal zweier Männer motivirt, Alfred Bona hat bei der rechten Frau erst Glück, als er sih zum Aufgeb:n seines berufsmäßigen „Nichtsthuens“ entsließt, und Max von Güsen gewinnt troß seiner bescheidenen Ansit über die ihm von den Frauen gewidmete Theilnahme {nell das begehrte Mädchenherz dur sein edles und willensstarkes Auftreten, Neben diesen zwei Paaren nimmt im Rahmen des Stückes und in der Theil- nahme des Publikums ein junges s{mollendes und schließlid sich versöh- nendes Ehepaar einen großen Raum ein, Mit der schon hierdurch einiger- maßen gekennzeichneten Führung der Handlung tritt die s{chwächere Seite des Stückes sofort hervor. An die Stelle der zu erwartenden Einheitlihkeit der Handlung treten eine Reihe komischer und lebens- voller Scenen und Figuren, welhe mit der ganzen munteren Behag- lihkeit und anmuthigen Leichtigkeit gezeichnet sind, welche die Mo- sershe Schaffenskraft auszeihnen. Bei einem Publikum, welches vorzugsweise einen heiteren Abend als sein Recht beansprucht, werden solhe dramatishe Leistungen ihres Erfolges immer sicher sein. Die Darstellung war in allen Theilen sowie im Enscmble eine durchaus gelungene. Allen voran glänzte wieder Fr. Frieb-Blumauer (Frau von Güsen) in der Rolle der vornehm denkenden und auch vornehm si gebenden adligen alten Dame; ihre Leistung, besonders im zweiten Akte, in welchem ihr ein größerer Raum zur Entfaltung ihrer unvergleihlichen \chauspielerischen Begabung zu Gebote stand, riß das Publikum wiederholt zu lautem Beifall hin. Im Gegensate zu der alten Dame von Geblüt brachte Hr, Krause als einfaher und nüchteecn verständiger Getreidehändler „Holzmann“ seine Meisterschaft in der Charakteristik zur Geltung. Eine köstlihe Scene gab es, als diese beiden grundverscbiedenen und doch im Innern gleih herzensguten Menschen sich näherten und sih verstanden. Eine besondere Anerkennung verdient noch das Spiel des Hrn. Liedtke (von Sensenheim); er gab den alten Cavalier, der sich nur für Stammbäume und die gesellschaft- lihen Formen altmodisher Höflichkeit interessirt, in Maske und Spiel vorzügli wieder. Auch die übrigen mitwirkenden Künstler füllten ihre Rollen mit Geschick und Selauas aus und halfen das \{chône Ensemble bilden, welches wiederholt den rauschenten Beifall des Publikums herausforderte. Auch der Verfasser nahm an den Ehren des Abends Theil und mußte na dem zweiten, dritten und vierten Akte dem Hervorrufe Folge leisten.

Im Concerthause wird Hr. _ Hof-Musikdirektor Bil fe morgen wieder eine interessante Novität zur Aufführung bringen, nämli vier Nummern aus der Oper „Heinrih V11II.“ von Saint- Saëns, welche cine Art Suite für großes Orchester bilden und wie folgt betitelt sind: Einleitung und Auftritt der „Clans“, hot [Be Jdylle, Zigeunertanz, Gigue und Finale. Den \symphonischen Theil des Concerts bildet Beethovens heitere C-dur-Symphonie.