1883 / 283 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

werden sollten. Nach einer kurzen Debatte wurde das Regiérungs- postulat auch mit größerer Majorität genehmigt, ebenso die Übrigen Postulate des Etats für Jndustrie mit im Ganzen 112 643 Æ und für Kultur 101 715 F Die weiteren Postulate des Etats des Staats-Ministeriums des Jnnern veranlaßten keine erhebliche Debatte und wurden unverändert genehmigt. Der Abg. Dr. Frankenburger erstattete mündlihen Vortrag über den Etat des Staats-Ministeriums des Königlichen Hauses und des Aeußern. Der Ausschuß beantragte nur zwei Abänderungen : 1) es solle die Position „Minister ial-Di s- postionsfonds zu Unterstüßungen“ von 6200 M nicht bewilligt 2) die Position „Grenzberichtigungskosten“ von 6000 auf 5500 abgemindert, außerdem aber der Etat unver- ändert genehmigt werden. Die Kammer stimmte diesen An- trägen ohne Debatte bei. Die nächste Sißung findet am Mittwoch statt.

Württemberg. Stuttgart, 30. November. (St.-A. f. W.) Die Verleihung und Anheftung der Säku- lar-Fahnenbänder bei dem Grenadier-Regiment „Königin Olga“ fand heute in feierliher Weise im Hofe der Jnfanteriekaserne statt, wo das Regiment im Parade- Anzuge aufgestellt war. Eine große Anzahl von Gästen

wohnte der Felerthseit “bei: sämmtlihe Offiziere der hiesigen arnison, frühere Angehörige des Re- giments, Reserve- und Landwehr-Offiziere u. s. w. Nach

101/2 Uhr erschienen der Prinz Wilhelm und der Prinz von Weimar in Generalsuniform, ferner die Generale von Schachtmeyer, von Steinheil, von Knörzer, von Linck, von Witte, von Triebig, von Starkloff, von Kottwiß, Oberst von Westernhagen mit den Offizieren vom Generalstabe und die Offi- ziere des Kriegs-Ministeriums, sämmtlich in Gala-Uniform. Um 103/, Uhr fuhren Jhre Majestät die Königin mit der Herzogin Eugen in einem, mit 4 Rappen bespannten à la Daumont geführten geshlossenen Goalawagen in den Hof ein. Die Truppen präsentirten das Gewehr, und sofort begann der Akt nit einer kräftigen von Herzen gehenden und zum Herzen dringenden Ansprache des kommandirenden Generals von Schahtmeyer, welcher das Regiment ermahnte, treu, wie es seither geschehen, auc) in alle Zukunft zu den Fahnen zu stehen, und an den Tag eriunerte, wo heute vor 13 Jahren das Regiment so todesmuthig Stand gehalten. Der General sch!oß mit einem Hurrah auf Se. Majestät den König und

hre Majestät die Königin, den gnädigen Chef des Regiments.

ie Königin dankte dem kommandirenden General und sprach dann, während die Fahnenbänder befestigt wurden, längere Zeit mit dem Prinzen Wilhelm. Sodann brachte der Kont1- mandirende noch ein Hurrah den alten, nun neu ges{chmüdckten Fahnen, und sofort begann der Parademars, der tadellos ausgeführt wurde, Jhre Majestät fuhr an dem Regiment, das nochmals präsentirte, vorbei, begab sich sodann in das Offizierkasino, wo die Damen der Offiziere versammelt M, und fuhr gegen 111/54 Uhr «in das Residenzschloß zurü.

Der „St.-A.“ veröffentlilt einen Erlaß des Königs aus San Remo, dessen Jnhalt sich auf die leßthin vorge- kommenen Mordanfälle bezieht. Der Erlaß gicbt dem Minister des nnern anheim, Maßregeln zu er- greifen behufs iederherstellung des Vertrauens und Beseitigung des Gefühls der Unsicherheit und Schut- losigkeit, zu welhem Zwecke die Vermehrung des Landjägercorps und die Einrihtung berittener Gensd'armerie ins Auge gefaßt wird. Jn Folge dessen. hat der Minister des Jnnern bereits eine Verordnung erlassen, durch welcke u. A. eine strengere Kontrole des Waffentragens und der Fremdenpolizei, eine s{härfere Auf- siht über die Vagabunden und die Verbesserung der Orts- polizei angeordnet wird.

Mecklenburg. Schwerin, 30. November, Der me ck- lenburgische Landtag ist, wie bereits gemeldet, am 21. d. M. in Sternberg eröffnet worden. Die landesherrlichen Propositionen unfassen nur die ordentlihe Kontribution und die Bedürfnisse der allgemeinen Landes-Rezepturkasse für Mecklenburg-Schwerin sowie der Centralsteucrkasse für Meck- lenburg-Streliß. Beide Regierungen fordern 4/; des vollen

ediktmäßigen Betrages der Steuer, welches Quantum auch im vorigen Jahre verlangt und bewilligt ward.

Außerdem gelangen die sogenannten Propositionen (d. h. der Geschäftsbericht) des permanenten Engeren Ausschusses der Ritterschaft (Gutsbesißer) und der Landschaft (Städte) zur Verhandlung. Am 23. d. M. ward von den Ständen dem regierenden Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin ein sog. donum gräatuitum (wie s bereits sein Großvater und sein Vater erhalten haben) im Betrage von 79776 H (20 000 Tha- ler Gold) zu offeriren beschlossen. Rosteck kontribuirte dazu 2000 Thlr. Gold, die Rittershast und die Landschaft je 11 000 Thlr. Die Landschaft will ihre Quote dur eine Anleihe von 34000 # zu 4 Proz. Zinsen und 2 Proz. Amortisation, die Nittershaft dieselbe durch Husfenbesteue- rung aufbringen. Ueber die durch die preußishe Regierung gemachte Offerte der Verstaatlihung der Berlin-Hamburger Bahn haben die Stände eine regiminelle Mittheilung, soweit dieselbe nah dem Stande der Verhandlungen zulässig sei, erbeten. Die Stempelgebühr für den Vertrag, welchen die Seestadt Rostock mit mehreren Bankhäusern wegen Begebung von 6 Millionen Rostock:Warnemünder Prioritäts-Obligationen (zur Herstellung der Verkehrsstraße Berlin-Rostock-Kopenhagen) ge- lossen hat, ward von der Ständeversammlung erlassen. Ferner bewilligte dieselbe aus dem französischen Kriegskontributions- fonds 180 000 M zum Bau eines Krankenhauses, des Stiftes Bethlehem in Ludwigslust, den der hochselige Großherzog be- reits projektirte. Ein gestern überreichtes Strelißsches Reskript s{lägt vor, daß die Stände des Stargardschen Kreises zur Bahn Warnemünde-Neustreliy auf Strelizer Gebiet 6000 für den Kilometer als sogenannte Landeshülfe aus der Central-Steuerkasse als unverzinslihe Anleihe gewähren. Am 5. Dezemter sollen die ständishen Wahlen vorgenommen werden. Die Anstellung eines siebenten Raths beim Ober- Landesgericht Rostock wird von der Regierung proponirt.

Sachsen-Weimar:-Eisenach. Weimar, 30. November. (Th. Corr.) Der Großherzog und der Erbgroßherzog sind einer Einladung des Königs von Sachsen nah erar add zu Jagden gefolgt und kehren morgen hierher zurü.

Der Landtag ist seit gestern in die Berathung des Ausgaben-Etats eingetreten und zwar Derjenigen Kapitel, in denen die Frage der Besoldungserhöhungen zur Dis- kussion steht. Der Ausschuß hat anerkannt, daß das Bedürf- niß eines Ausgleihs der Besoldungen der Verwal- tungsbeamten mit den Gerichtsbeamten und eines

Ausgleihs in den unter sich unalweiëlich sei, i trägen an den Landtag über das Maß, in welchem dieser Ausgleich zu erfolgen habe, von den Ansäßen im Etatsentwurf

Besoldungen der aber

Verwaltungen in seinen An-

vielfach abgewichen. Seine Vorschläge sür die Besoldungs- erhöhungen laufen auf das Drittel, die Hälfte, höchstens drei Viertel der Regierungsanträge hinaus. Jn diesem Sinne hat I Landtag bis jeßt im Wesentlichen seine Beschlüsse gefaßt.

Anhalt. Dessau, 29. November. (A. St.-A.) Heute trafen der Kronprinz und die Kronprinzessin von Dänemark nebst Gesolge bei der Prinzessin Friedrich ein.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 30, November. (W. T. B.) Nah einer Meldung der „Presse“ hat der Handels- Minister dem Verwaltungsrath der Franz-Josef-Bahn den richtiggestellten Entwurf des Verstaatlihungs- Uebereinkommens übermittelt und in dem Anschreiben bemerkt, daß die Regierung bereit sei, betreffs der Modifi- zirung einzelner Bestimmungen dem Verwaltungsrath thunlichst entgegenzukommen, daß jedoch die Entscheidung über die die Aktienrente betreffende Differenz niht dem Verwaltungsrath, sondern der Generalversammlung zufalle. Der Veiwaltungsrath wird dabei gleichzeitig eingeladen, eine außerordentliche Generalversammlung bis zum 12. Dezember einzuberufen.

Pest, 29. November. (Wien. Ztg.) Jn der heutigen Sigung des Finanzausschusses erklärte der Finanz- Minister, daß, falls das Budget bis zum 1. Januar 1884 nitt erledigt würde und er eine Fndemnität verlangen müßte, er dieses Vorgehen auch auf die Finanzgerihtsbarkeit ausdehnen werde. Die Berathung gedieh bis zum Kapitel „direkte Steuern“, welches gleich den übrigen Kapiteln unverändert angenommen wurde.

830, November. (W. T. B.) Das Unterhaus nahm das Ehegesetß in dritter Lesung an und begann die Be- rathung des Geseßentwurfs, betreffend die Modifikation der Steuergeseße. Jm Laufe der Debatte konstatirte der Finanz-Minister: das Defizit im Ordinarium habe im Jahre 1881 20 Millionen, 1882 6 Viillionen betragen und sei pro 1883 mit 81/2 Millionen präliminirt worden; dasselbe werde aber im nächsten Jahre ganz vershwinden, wenn die Steuererhöhung von 3 Millionen votirt werde. Dics spreche entschieden für eine Besserung der Finanzlage.

Frankreich. Paris, 30, November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beendigte heute die Generaldebatte über das Budget und nahm mehrere Kapitel des Budgets des Finanz-Ministeriums an.

_In einer dem Marine-Minister zugegangenen De- pesche des Admirals Courbet aus Hanoi, vom 23. d. M., meldet Leßterer der Regierung, daß die Vorbereitungen zum Vormasrche fortschreiten.

30. November, Nachts, (W. T. B.) Eine Depesche des Admirals Courbet, vom 20. d. M., bestätigt, daß etwa 2000 Chinesen die Stadt Haidzuong am 17. d. M. angriffen, aber nach elfstündigem Kampfe von der dortigen Garnison und den Kanonenbootin „Carabine“ und „Lynx“ in die Flucht geshlagen wurden. Die Chinesen verloren gegen 200 Mann an Todten; die Franzosen hatten 4 Mann todt und 24 Mann, theils Seesoldaten, theils Mannschaften der Hülfstruppen, verwundet.

Spanien. Madrid, 30. November. (W. T. B.) Se, Kaiserlihe und Königlihe Hoheit der Kronprinz besuchte heute Vormittag mit Sr. Majestät dem König Alfons die Kasernen, wo die Truppen im Paradeanzuge aufgestellt waren und Exerzitien ausführten. Zu dem heu- tigen Ball im Schlosse sind 2000 Einladungen ergangen.

__— 830. November, Abends. (W. T. B.) Heute Nah- mittag 21/2 Uhr fand in Gegenwart des Königs und des Kronprinzen die Enthüllung des Denkmals Fs\a- della’s der Katholischen statt. Die Spißen der Be- hörden und eine große Volksmenge wohnten der Feierlich-

keit bei. Jn der Promenade Fuente Castellana, welche mit spanishen und deutshen Fahnen geschmüdckdt war, hatten Truppen Spalier gebildet. Bei der Enthüllung

hielt der Alcalde eine Ansprache an den König, auf welche Se. Majestät erwiderte. Die Hülle des Denkmals fiel unter den Salutschüssen der Artillerie und den Fanfaren der Musik- corps,

Nachmittags besuchte der Kronprinz die große Kaserne Principe Pio, wo die mit Maulthieren bespannte Gebirgs- artillerie militärishe Manöver ausführte.

Um 10 Uhr Abends begann das große Ballfes im König- lihen Schlosse.

30. November, Atends. (W. T. B) Nach dem Besuch in der Kaserne Principe Pio empfing der Kron- prinz die Deputation der hier lebenden Deutschen, Jn der von derselben überreihten Adrefse heißt es :

„Durchlauchtigster Kronprinz! Den unterzeicneten Mitgliedern der deutschen Kolonie in Madrid ift es ein Herzensbedürfniß, den Gefühlen der Erhebung Ausdruck zu verleihen, von welchen sie dur die Anwesenheit Ew. Kaiserlihen und Königlichen Hoheit veweg! werden. Die unwandelbare Treue zu Kaiser und Reich, die Liebe

. und das Vertrauen zum Vaterlande, aus welchen die Deutschen in

Madrid und in den Provinzen die Kraft {öpfen zur Erfüllung ihrer Berufspflichten, steigern sid heute zur höchsten Begeisterung! Möchten Ew. Kaiserlibe und Königliche Hoheit diesen Ausdruck treuester, ehrfurchtsvollster Verehrung der deutschen Kolonie huldreih entgegen- nehmen. Gott {üge Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit !*

In einer heute Abend stattgehabten Sißung des Militärkasinos wurden die Generale Graf Blumenthal, von Loë und Mischke und die anderen zum Gefolge des Kronprinzen gehörigen Offiziere feierliGh als Ehren- mitglieder aufgenommen. Vor der Aufnahme hielt General Ortega eine Ansprache an dieselben. Alle Mitglieder des Kafino waren in großer Uniform erschienen.

Am nächsten Mittwoch finden bei Carabanchel in der Nähe von Madrid Truppenmanöver zu Ehren des Kronprinzen statt.

Der große Festball im Königlihen Schlosse war von der erlesensten Gesellschaft von Madrid befuht und verlief außerordentlich glänzend.

Der „Correo“ sagt: der Kronprinz sei der Gegenstand der allgemeinsten Sympathien und Huldigungen.

Italien. Rom, 30. November. (W. T. B.) Jn Folge

Victóör Emanuel in der beim Eingange in das Pantheon zur Rethten gelegenen Centralkapelle errichtet.

1. Dezember. (W. T. B.) Jn der Deputirken- fammer wurden heute die Kandidaten der ministeriellen Partei Salaris, Lacava und Gioletti, die beiden Ersteren mit je 189, der leßtere mit 185 Stimmen in den Budgetaus- \chuß gewählt; die Kandidaten der oppositionellen Partei, Bertani, Vonacci und Damiani erhielten 114 resp. 113 resp. 110 Stimmen.

Türkei. Konstantinopel, 29, November. (Presse.) Aus Kreta werden neue Unruhen gemeldet. Jn Mortos vertrieben die Griechen den Lehrer und die Schüler aus einer mahomedanishen Schule und zerstörten leßtere.

: hilippopel, 29. November. (Presse.) Der ostrume- lishe Finanzdirektor Geshow hat seine Demission angeboten. Der Sultan hat mehrere Offiziere der ostrumelischen Miliz dekorirt.

Bulgarien. Sofia, 29. November. (Pr.) Anitliche Berichte melden, daß vor Beginn des serbishen Auf- standes mehrere Jndividuen aus Rußland nach Widin ge- kommen waren, um eine Bande zu bilden. Minister Zankow ordnete die Ueberwachung derselben an und machte den Prä- fekten von Widin für die strengste Absperrung der serbischen Grenze verantwortlih.!

Nußland und Polen. St. Petersburg, 1. Dezember. (W. T. B.) Der „Regierung-Anzeiger“ veröffentlicht die mit Genehmigung des Kaisers und der Eltern am 27. No- vember in Altenburg erfolgte Verlobung des Groß- fürsten Constantin Constantinowitich mit der Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Altenburg.

Schweden uüd Norwegen. Stockholm, 30. No- vember. (W. T. B.) Der Staats-Minister Tyselius hat seinen Posten niedergelegt ; zu seinem Nachfolger ist der Staatsrath von Krusenstjerna ernannt worden.

Amerika. New-York, 27. November. (Allg. Corr.) Der Enthüllung der Statue Washingtons in Wall- Street, am Montag Nachmittag, wohnten troy des strömenden Regens gegen 6000 Personen bei. Der Präsident der Han- delskammer von New-York, Hr. Lane, hielt die Eröffnungs- rede ; der Gourerneur von New: York enthüllte das Standbild, welches Präsident Arthur Namens der Regierung entgegen- nahm. Die Festrede hielt Hr. George William Curtis. Der Enthüllungsfeier folgten am Abend verschiedene Festlichkeiten, an welchen sich die Spizen der Civil- und Militärbehörden betheiligten. Dem von der Handelskammer gegebenen Bankett wohnte Präsident Arthur bei. Die Toaste beim Nachtish galten dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Königin von Großbritannien.

Asien. China. Tientsin, 30. Novembr, (W. T. B.) Aus Pecking wird telegraphirt, daß die französische Regierung in Beantwortung der chinesishen Note sich bereit erklärt hat, weiter zu verhandeln, jedoch mit dem Vorbehalt, daß die französischen Truppen Besehl hätten, Sontay und Bacninh zu nehmen.

Zeitungsstimmen.

_ Der „Economiste français“ bespriht die Ent- wickelung der deutschen Industrie und weist unter Anführung statistischer Daten na, daß dieselbe einen erheblihen Vorsprung vor der französischen Jndustrie gewonnen hat. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ theilt aus dem Artikel Folgenbes mit :

__ Obwohl Deutschland weit später als England und Frankreich in die Bahn dec industriellen Konkurrenz eingetreten sei, so würden gegenwärtig in vielen Industriezweigen bessere und vervollkomm- netere Betriebêmittel in Deutschland angewaudt, als in den anderen Ländern. Namentlich gelte dicses für die Alkohol- und Zuckerfabrikation. Nach längerer vorhercezangener Krisis sei der Ums{wung zur Hebung der wirthschaftlihen Lage Deutschlands seit 1881 eingetreten; gegenwärtig habe Deutsch- [and bereits drei für Handel und Verkehr gürstige Jahre binter sich. Déeutsc{lard zählt 45 Millioren Pferdekräfte, davon 3 Millionen in der Industrie des Verkehréwesens, und 15 Millionen in den industriellen Etablissements. Jn S besißen diese leßteren Ciablissements nur 576 (00 Pferdckräfte bei einer Totalsumme ron 3 600 000. Deutschland is bi weitem reiber an Koblenminen als Frankreih. Im Jahre 1882 hat es 52 Millionen Tonnen ges wonnen, hingegen Frankreich nur 21 Millionen. Der ur E der Ausfuhr über die Einfubr in diescm Artikel beläuft fi auf 36 Millionen Francs, wohingegen Frankreich vom Auslande für 179 Millionen Koblen bezieht. Den 2300000 t Gußmetall Frank- reichs stellt Deutschland 2 900 000 gegenüber. Es war die Me- tallurgie, mit der vor drei Jahren die Wiederaufnahme der Geschäfte begann. Der Konsum des Gußmetalls is in Deutschland in den Jahren 1862 bis 1882 von 24 kg pro Kopf auf 63 kg pro Kopf der Bevölkerung gestiegen. Diz deutschen Metallfabrikate stehen beute den englishen an Güte gleich. Deutschland hat drei große Industrien, welbe die Landwirthschaft interessiren: Zuer, Spiritus urd Bier. Die Zuckerindustrie hat si seit einigen Jahren bedeuter.d entwickelt; sie verdankt ibre Prosperität den Ausfuhrprämien. Die Produktion if doppelt so stark als die Konsumtion, welche. 64 kg pro Kopf bei 45 Millionen Einwohner niht übersteigt. Die Exportation hob sich von 14000 t im Jahr 1871 auf 318070 t im Jahre 1881. Beim Spiritus is die Konsumtion, nach- dem sie einen großen Aufs{wung genommen hatte, seit 10 Jahren ungefähr bei 25 Millionen Hektoliter stehen geblieben, was 95# 1 pro Kopf macht. Die Exportation hat sch in 10 Jahren mehr als verdoppelt; sie erreihte 1882 1 130 000 hl. Deutschland produzirt jeßt einen sehr feinen Spiritus, der gleih gut ist für die Weinmischung, wie für die Nachahmung von Cognac. Die Bier- fabrikation steigt bis auf 39 Millionen Hektoliter, davon entfällt fast ein Drittel auf Bayern. Die Ausfuhr beträgt ungefähr 1 206 000 h] und nimmt fortwährend zu, namentlih auch nach Frankreich. Unter der Gewerbeindustrie befindet sich die der Baumwollenweberei fast auf gleicher Höhe mit der französishen. Gegenüber den 40 Millionen Spindeln, welche England besißt, zählt der ganze Kontinent 21} Millionen Spindeln, davon Frankreich 5 Millionen und Deutschland 4 815 000. Obwohl die Gewerbeindustrie Deutschlands weit geringere Schußzölle als die französische besißt, so kann sie doch existiren. Die englische Konkurrenz mat fi nur in den feinsten Artikeln fühlbar. Der Konsum der Baumwollgewebe is in Deutschland von 1,6 kg pro Kopf auf 2,4 kg pro Kopf in den Jahren 1854 bis 1879 gestiegen. Das große Centrum der wieder aufgeblühten Seidenindustrie be- findet sih in Crefeld mit 35 020 Webstühlen. Bei einer Gesammt- produktion von 84 Millionen Mark im Jahre 1882 hat Crefeld für 32 Millionen in Deutschland abgeseßt und für 48 Millionen Mark exportirt ; von letterer Ziffer kommen 194 Millionen Mark auf England und 7 Miklionen Mark auf Frankreich. Ebenso be- deutend ift die deutsche Wollindustrie. Die Papierindustrie hat ih

des zwischen der Regierung und der kirhlihen Behörde ge- troffenen Uebereinkommens wird das Grabmal des Königs

außerordentli gehoben, die Maschinerie if vervollklommnet worden und der Export ift gestiegen. Jedoch hat diese Industrie unter der

englis@èi Konkurrenz zu leiten, seitdem der leßteren der Markt in Nordamer ifa dur Scubßzölle vers{lossen worden ist. Das Kunstgewerbe entwidckelt sich in Deutschland; Möbel, so- enannte „Articles de Paris“. Juwelierarbeiten, werden in bester Qualität produzirt und gerade diese Konkurrenz bringt Frankreich großen Schaden. Ebenso fkonkurrirt Deutschland fiegreih mit Frank- reich in der Kleiderindustrie. Der Geshmack und die Produktions- mittel Bera Liban sih in Deutschland in den leßten Jahren außer- lich gehoben. S S ä E besonders blühende Industrie ist die Fabrikation chemisher Stoffe, namentlich durch Anwendung der neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen und Dank der großen Zahl vorzüglicher Schüler, welche die Laboratorien der Universitäten alljährlich auétbilden. Die Fabrikation von _ Alizarin und Anilin allein wird auf 100 Millionen Franken geschäßt; das Ausland kauft un- gefähr drei Viertel. Was den gesammten auswärtigen Handel betrifft, „so ervortirt Deutschland für 4055 Millionen Franken und impvortirt für 3955 Millionen Fr. Diese Totalsumme von 8010 Mil- lioren ist nur um 558 Millionen geringer als die Totalsumme des auswärtigen Handels Frankreis. Es ift übrigens zu bemerken, daß die Erportation in Deutsland von 1881 bis 1882 um 255 Mil- lionen gestiegen ist, mel&es vorzugêweise auf die Fabrikate entfällt, als Bier, Spiritus, Mehl, Zvcker, Produkte der Tertil- und Metall- industrie. : i g Im Jahre 1882 hat der Erport Deutschlands zu mehr als zwei Dritteln aus Fabrikaten bestanden. Gerade dies crscheint beunrußi- gend, wenn man konstatiren muß, daß _in Frankrei im Gegentheil der Erport der Fabrikate abnimmt. So bleibt Frankreich für die erflen neun Monate von 1883 um 974 Millionen gegen die korrespon- dirende Periode von 1882 zurück. Deutschland kauft Frankreich für 317 Millionen ab und verkauft demselben für 412 Millionen. Die Handelébilanz ift gleibfalls zu Deutschlands Gunsten in dessen Be- ziehungen mit England, den Vereinigten Staaten und ter Schweiz, hingegen zu scinen Ungunsten in den Bezichungen mit Belgien, Oesterrei und vor Allem mit Rußland. Wir fügen noch hinzu, daß der internationale Handel des Deutschen Reiches begünstigt wird dur eine starke Handeléflotte von 4370 Schiffen mit 1633 000 t Gehalt. Eiz Viertel des leßteren wird durch 515 Dampfstiffe repräsentirt. Der auf solche Hülfsmittel gestüßte deutsche Handel findet in allen Pläßen des Weltverkehrs deutshe Firmen und Ge- \cäftéleute, welhe den Absaz deutsber Produkte fördern. E Die „Danziger Allgemeine. Zeitung“ schreibt: Die libcrale Presse kämpft gegen die in Aussicht stehende Kapital- Rentensteuer in einer geradezu komishen Weise, Der Entwurf liegt seinem Wortlaute nad noch gar nicht vor, nichts destoweniger ift diese Presse mit der Behauptung bereits bei der Hand, daß durch

denselben gerade wieder die „kleinen Leute“ getroffen werden würden, indem sie anführt, daß z. B. eine Wittwe, welche von den Renten cines mühevoll erworbenen Kapitals von

vielleicht 6900 Æ lebt, also nur cin Einkommen von höcbstens 300 4 (5% gerechnet) hat, davon noch eine Erxtrasteuer abgeben soll, Es steht nun aber bereits fest, daß der neue Entwurf so geringe Ein- fommen aus Kapital nit treffen, sontern die hieraus bezogenen Ein- fommen bis mindestens zur Höhe von 609 M steuerfrei lassen wird. ……. Es scheint uns unter solchen Verkbältnissen wenig angebracht, daß man bei der in Rede stehenden Frage „die arme Wittwe“ in den Vordergrund zu drängen sucbt, denn diefe kommt in Wirklichkeit hierbei gar nit in Betracht. Thatsächlich ift es denn aub niht das Interesse für die „kleinen Leute“, sondern für das große bewegliche Kapital, welches den Liberalismus zu energischem Kampfe gegen einen Geseßentwurf anspornt, von dem Positives noch berzlih wenig in die Oeffentlichkeit gedrungen ist. Dieser Umstand ergiebt sih besonders daraus, daß u. A. die Liberalen ver- langen, wein nun einmal eine Kapital-Rentensteuer be- {loffen werden foll, au diese dem Einkommen auf Grurd- besiß aufgelegt werden soll. Daß der Grundbesiß {hon dur die Grund-, Gebäude- und andere Steuer hoch besteuert ist, während der Kapitalbesit rur die 3prozentige Einkommensteuer bezahlt, die aber der Grundbesitz ebenso bezahlen muß, und daß die Kapital-Rentenfteuer gerade deshalb eingeführt werden soll, um die hier vorhandene shreiende Ungerechtigkeit in der vershiedenen Belastung des Grund- e Kapitalbesißes autzugleißen das vershweigen die liberalen Blätter.

Die Lage unseres Grundbesitzes ist rach liberaler Meinung eine anz vorzügliche und die „Köln. Ztg.“ hat dies diesec Tage dur cin Beispiel zu illustriren gesucht. Dieselbe verbreitct nämlich die Nach- rit, ein Großindustrieller habe seine Fabrik abgegeben und sich ein Rittergut in Pommern gekauft, dasselbe dann verpachtet, sich aber die Nußung des Waldes besonders un doÞ von dem Päbhter so hohe Pacht bekcmmen, daß sein Anlagekapital durch die Pachtsumme mit 5°/9 verzinst wird. Die «N. A. Ztg.“ fordert die „Köln. Ztg.“ nun auf, den glüklihen Groß- grundbesißer und den merkwürdigen Pächter, der fo hohe Pacht bezahlt, zu nennen, meint aber, Pächter, die 5 %/o des Ankaufspreises als Pacht zahlen, seien so selten, daß sie niht in die „Köln, Ztg.", sondern in Bar- nums Museum gehören, um für Geld gezeigt zu werden. Das Blatt weist dann darauf hin, daß die Grundbesißer dur{s\chnittlich 6/9 Grundsteuer (und wenn der Grundbesiß verschuldet ist, noch viel mehr), fowie 1% Gebäudefteuer, außerdem 3 °/9 Einkommensteuer zu zahlen baben während der Kapitalist nur 3 °/9 Einkommensteuer zahlt. Ferner weist das Blatt darauf hin, daß die Grundsteuer zuglei als Maß- stab für die Veranlagung der Kommunal+, Kreis- und Provinzial- steuer benußt wird 2c., der Grundbesiß nahgerade also mehr als genug belastet ift. E i

Was vom Grundbesitz gesagt ist, trifft auch in Betreff der Gewerbe zuz; aber während die Liberalen für das mobile Kapital immer so ungemein besorgt sind und dasselbe mögli steuerfrei laffen möchten, sind sie bezügli der Geroerbe anderer Meinung .

Landtags- Angelegenheiten.

Folgende Kommissionen des Hauses der Abgeordneten haben si, wie folgt, konstituirt: die XI, Kommission zur Vor- berathung des Entwurfs einer Kreisordnung für die Pro- vinz Hannover und des Gesetzentwurfs, betr:fend die Einfüh- rung der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 in der Provinz Hannover: von Liebermann, Vorsigender; Frhr. von Grote, Stellvertreter des Vorsitzenden ; Althaus, Schriftführer; Brandenburg, Schriftführer; Tannen, Schriftführer; Dr. Hänel, Dirihlet, Wirth, Bödiker, Dr. Brüel, Hagen, Janssen, Barth, von Dziembowski, Spangenberg, Dr. Köhler, Meyer (Hoya), Hahn, von Zitewiß, Dr. Fisse, von Blanckenburg, ferner die

ommission zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, be- treffend den weiteren Erwerb von Privateisenbahnen für den Staat: von Wedell-Malow, Vorsißender; Dr. Ham- macher (Essen), Stellvertreter des Vorsißenden ; Seehusen, Schriftführer; Letoha, Schriftführer; von Eynern, Schriftführer; von Aulock, Evers, Dr. Lieber (Montabaur), von Wolszlegier, von Langendorff, Swneider (Waldenburg), Büchtemann, Steffens, Dr. Meyer (Bres- lau), Gaertner, vom Heede, Graf von Schwerin-Pußar, Baron von Buddenbrock, von Uechtriß-Steinkirh, von Neumann, von Quast.

Statistische Nachrichten.

Das Oktoberheft dcr vom Kaiserlihen Statistischen Amt herausgegebenen Monatshefte bringt die gewöhnlihen Monats- nacweise über Waarenverkehr, Rübenzuerfabrikation, Großhandels- Preise, Auêewanderung und außerdem folgende Arbeiten : E , 1) die Produktion der Bergwerke, Salinen und Hütten im Deutschen Reich und in Luxemburg für das Jahr 1882,

2) vorläufige Nachweisungen des Flächeninhalts der mit Tabak bepflanzten Grundstücke, sowie der Zahl der Takacpflanzer und der Tabadckpflanzungen im deutschen Zollgebiet für das Erntejahr 1883/84,

vorbehalten und

3) die Schiffsunfälle an der deutshen Küste in den Jahren 1878 bis 1882 (mit Wrackarte), : ;

4) Erwerbung und Verlust der deuislen Reich8- und Staatsangehörigkeit im Jahre 1882, j .

__5) die Dampfkessel-Explosionen im Deutschen Reich während des Jahres 1882.

Nr. 17 Band 11]. der ftatistishen Mittheilungen über das Großherzogthum Baden enthält die Bewegung dster Bevölke- rung im Jahre 1882, wir entnehmen denselben folgende Daten: I. Die Zahl der Geburten, d. h. der Geborenen überhaupt (ein- \chließlich der Todtgeborenen) betrug im Jahre 1882 im Ganzen 56100, darunter waren 28928 männlihe und 27172 weibliche; 1 Geburt fam auf 28,0 Einwohner oder auf 190 Einwohner kamen 3,57 Geburten. Von den Geborenen wurden 54509 oder 97,17 °%/ lebend, und 1591 oder 2,83 9/6 todt geboren. Auf 1000 Einwohner famen 34,7 Lebendgeborene, während erst auf 987 Einwohner 1 Todt- geborener entfiel. Die Lebendgeborenen bestarden aus 28063 Knaben und 26 446 Mädten ; jene maten 51,45, diese 48,55%/9 aus. Ferner waren 51681 oder 92,13 % der Geburten echeli, 4419 oder 7,87 °/9 unehelid. Die Zahl der Geborenen überhaupt war um 1072, die der Lebendgeborenen um 833 geringer, ols im Jahre 1881. Diese Abnahme ift keine vereinzelte Ersheinung; nachdem von 1856 an die Geborenen in eine zunehmende Richtung getreten waren, erreichten sie im Iabre 1875 mit 41,7 auf 10600 Einwohner ein relatives, im Jahre 1876 mit 63 203 ein absolutes Maximum ; seitdem nahm die Zahl der Geborenen und die Geburtsziffer von Jahr zu Jahr ununter- brochen ab, und es zeigte das Jahr 1882 ein seit 1871 nicht mehr vorgekommenes absolutes Minimum, während es mit 35,7 Geburten auf 1000 Einwohner relativ den niedrigsten Stand seit 1862, dem Jahre der Erleichterung der Niederlassung und Eheschließung erreichte.

Von besonderem Interesse sind die Zahlenverhältnifse der ehc- lihen und unehelihen Geburten zu einander, oder zur Gesammtzahl der Geburten. Mit dem Jahre 1860 trat nach einer Periode der Zunahme eine relative Abnahme der unehelichen Geburten ein, die ih bis 1878 ununterbrochen E Von 17,5 9/9 aller Geborenen im Jahre 1859 fiel dies Verhältniß bis auf 7,29% im Jahre 1878, Von da ab ift aber eine Wendung eingetreten, indem seither die un- ebeliben Geburten im Verhältniß zu den eheli&en, wenn auch nur wenig, zugenommen haben. Für die abfolute Zahl bielt die Abnahme der uneßeliden Geburten noch bis ¿um Jahr 1880 an, in welchem Jahr sie mit 4205 den niedrigsten Stand erreicte. Gleichzeitig nahm aber die Zahl der Geburten überhaupt ab, die der ehelich Geborenen in noch stärkerem Maße, so daß mit der absoluten Abnahme der unehelichen Geburten eine relative Zunahme derselben Hand in Hand ging. Diese Erscheinungen flehen, wie der Bericht fonitatirt, ohne Zweifel im ursprünglihen Zusammenhange mit der Abnahme der Ehéschließungen, welche seit 1873 im Gange war.

Il. Gestorbene. Im Jahre 1882 star-en, cxkl. der Todt- geborenen, 38 937 Personen, auf 40,3 Einwohner eine, oder von 1009 Cinwohnern 24,8. Von den Gestorbenen waren 19 604 oder 50,35 °/6 männlich, 19 333 oder 49,65 °/o weiblich. Für die männlihe Bevöl- ferung betrug die Sterblichkeit auf 100 2,56, für die weiblite Be- völkerung auf 109 2,40. Unter Zurechnung der Todtgeborenen be- trug im Jahre 1882 die Zahl der Gestorbenen 40528, auf 1000 Einwohrer 25,8 Gestorbene. Nah dem Alter starken im 1. Leben®- jahre (unter 1 Jahr alt) 12363 Kinder, über 1 Jahr alt 26 574 Personen ; die ersteren machten 31,8 %/, die letzteren 68,29% der Ge- storbenen aus. E E

Hiernach war das Alter von 0—4 Jahren mit 43,40 9/9, datjenige von 60 Jahren und mehr mit 26,71 °/9 an der Gesammtzahl der Ge- storbenen betheiligt; das Jahrzehnt von 10—19 Jahren lieferte nur 3,16 9/6 dazu, daéjenige von 20—29 4,76 °/a, Von den Kindern des ersten Jahres starben 22,68 9/0, von denen des zweiten 5,01, von denen des dutten 3,56, im vierten 1,93, im fünften 1,50 %/, während von den Kindern von 5—9 (d. h. unter 10) Jahren nur 0,73, von denen von 10—14 Jahren nur 0,30 °/% dem Tode verfielen. Von da ab stieg die Sterblichkeit in den Altersklafsen, bis sie für die über 80- jährigen 29,27 9/6 erreichte, was besagt, daß nahezu ein Drittel der- jelben im Laufe des Jahres aus der Reihe der Lebenden aus- geschieden war. 5 : -

Der Uebershuß der Geborenen über die Gestorbenen belief sih im Jahre 1882 auf 15 572 und war geringer, als in irgend einem der leßten zehn Jahre. Immerhin würde dadurch die Bevölkerung um nahezu 1 Prozent zugenommen haben, wenn nit der Ueberschuß des Wegzuas aus dem Lande über den Zuzug ein erhebliches Gegen- gewicht gebildet hätte.

IT1I. Ebeschlüsse, Im Jahre 1882 wurden 10101 Eben 7e- \{lofsen, 1 auf 155,5 Einwohner, auf 100 Einwohner 0,64 auf 1000 Einwohner 6,4. Dagegen wurden 9517 Ehen aufgelöst, nämlich 9448 durchd den Tod des einen Ehegatten und 69 durch Scheidung. Die Zahl der bestehenden Ehen vermehrte sich also um 584. y

Die Jahre 1880, 1881 und 1882 weisen seit 1861 (seit der Einführung vollständiger Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit) die ge- ringsten Trauungszahlen auf. Auch war der Uebers{chuß der Che- \{lüsse über die Cheauflösungen in diesen Jahren sehr gering, namentlich 1882 geringer als in irgend einem Jahre seit 1856.

Gegen 1889 und 1881 haben indessen die Eheschlüsse im Jahre 1882 um 31 bezw. 73 zugenommen; die Zunahme ift freilich fo gering, daß daraus noch nicht auf das Eintreten einer anhaltenden steigenden Bewegung der Trauungszahl mit Bestimmtheit zu {ließen ift. Immerhin ift die sinkende Bewegung derselben, welche seit 1873 vor sich ging, zu einem Stillstand gekommen und wird es von der Ge- staltung der wirthschaftliden Verhältnisse des laufenden und der nächsten Jahre abbängen, ob die Bewegung entschieden in die wachsende Richtung übergeht.

Was den Familienstand der Ebeschließenden anlangt, so wurde ermittelt: in 8029 Fällen (79,49 °/9 der Cheshlüsse) waren beide Theile ledig, in 206 Fällen (2,04 %/0) beide Theile verwittwet, in 464 Fällen (4,59 9%/) der Mann ledig und die Frau Wittwe, in 1366 Fällen (13,52 9%) der Mann Wittwer und die Frau ledig, end- lih in 33 Fällen (0,33 9%) ein Theil geschieden (in 22 Fällen der Mann, in 11 Fällen die Frau; und zwar 17 Mal M. geld, Fr. ledig, 5 Mal M. ges. Fr. Wittwe, 7 Mal Fr. gesch. M. ledig, 4 Mal Fr. gesch. M. Wittwer); in 3 Fällen (0,03 9/0) waren beide Theile geschieden. In 85 Fällen ging der Mann, in 12 Fällen die Frau eine driite, in 2 Fällen der Mann, in 1 Fall die Frau eine vierte, in 1 Fall der Mann cine fünfte Che ein. 5

Im Jahre 1882 wurden in die Staatsangebörigkeit aufgenommen 215, daraus entlassen 3495 Personen ; die Zahl der badischen Staat®- angehörigen verminderte \ih auf diese Weise um 3280 Perfonen. Die überseeishe Auswanderung kann, wie der Bericht konstatirt, für 1882 auf etwa 12000 Köpfe gerechnet werden. E S

Zur Veranschaulihung der Gestaltung einiger hauptsäclihen Verhältnisse in den einzelnen Bezirken und den d größten Städten ist dieser Nummer der ftatistishen Mittheilung eine graphische Darstel- lung beigegeben, welche die Häufigkeit ter Geburten und Sterbefälle, insbesondere auch der Todtgeborenen und der im ersten Jahre ge- storbenen Kinder, sowie die der Eheschließungen im Jahre 1882 für jeden einzelnen Bezirk und für die fünf Städte mit mehr als 20000 Einwohner leicht erkennen und übersehen läßt.

Knnft, Wissenschaft und Literatur.

Verbrechen und Verbrecher in Prenrey 1854—1878. Eine kulturges{ichtliche Studie von W. Starke, eh. Ober-Justiz- Ratb, vortragendem Rath im Justiz-Ministerium. Mit zwölf graphi- {en Tafeln. Verlag - von Th. Chr. Fr. Enslin (Richard Schoe8), Berlin, Preis 10 4 Die Ueberzeugung, daß die öffentlibe Meinung in der Beurtheilung der auf strafredtlihem Gebiete seit 1871 bervor- getretenen Erscheinungen wichtige Gesichtspunkte unbeachtet läßt und dadur zu einfeiticen Auffassungen gelangt ist, hat den Verfasser be- wogen, die Resultate seiner Beobachtungen, welbe er während lang- jähriger amtliher Thätigkeit in verschiedenen Stellungen über das Leben des Volks, sein Verhalten gegenüber dem Strafgese e, die An- wendung des leßteren und die Wirkung des Strafvollzuges an-

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zustellen Gelegenheit hatte, der Oeffentlichkeit zu Übergeben. Es hat bisher in Preußen an ciner eigentlichen Kriminalstatistik ge» fehlt. Der Verfasser bietet in dem vorliegenden Werk eine solche, in welcher auf Grund der zur Verfügung stehenden Materialien, ins- besondere der im Justiz-Minifterialblatt veröffentlichten statistischen Mittheilungen über die Geschäftéverwaltung der Justizbehörden, welche er aus den Akten des Justiz-Ministeriums ergänzen durfte, tie Zahl der in jedem Jahre neu eingeleiteten Untersu&uagen mit den BevölkerungEzahlen verglichen und die sih daraus ergebende Ves wegung der Kriminalität des Volkes einer cingehenden Erörterung unterzogen worden ift, Es sind hierbei nicht nur die Hauptgruppen der Verbrecen und Vergehen, der Uebertretungen und der Holzdiebstähle diese umfassen mehr als die Hälfte der jährlich neu ein- geleiteten Untersuhungen fondern aub die cinzelnen Gattungen und Arten der Verbreden und Vergeben berüdcksichtigt worden. Der Darstellung der leßteren hat der Verfasser eine Haupttabelle zu Grunde gelegt, wclche in jeder Spalte für die Jahrgänge von 1854—1878 die absoluten Zahlen der reuen Untersuhungen und, soweit dies nöthig schien, daneben die durch Berechnung auf die Einwohnerzahl des be- treffenden Jahrgangs ermittelten Relativzahlen angiebt, und folgende Deliktsarten umfaßt: Hochverrath, Landesverrath, Beleidigung des Landesherrn 2c., feindselige Handlungen gegen befreundete Staaten,

Verbrehen und Vergehen in Bezus quf Die Ausübung der staatsbürgerli®en Rechte, Widerstand gegen die Staats- gewalt, Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche

Ordnung, Münzverbrechen und Vergehen, Mcineid, fal’che Anschuldi- gung, Veraehen, wel(e sich auf diz Religion beziehen, Verbrecben und Vergehen in Beziehung auf den Perfonenstand, Verbrechen und Ver- gehen gegen die Sittlichkeit, Beleidigung, Verbrehen und Vergehen gegen das Leben (mit mehreren Unterabißeilungen), Körperverletzungen, Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Frcihcit, Diebstahl (exklusive des eigentlichen Holzdiebstahls), Untersblagung, Raub, Ec- pressung, Hehlercei und Begünfligung, Betrug, Untreue, Urkunder- fälshung, Bankerutt bezw. betrügliher Bankerutt, strafbarer Eigen- nuß, Sacbbeschädigung, çgemeingefährlihe Verbrehen und Vergehen (mit eiaigen Unterattheilungen), Verbrehen und Vergehen im Amte, vierter und fernerer Helzdiebstahl, Verbreben und Vergehen gegen die Post-, Stcuer-, und Zollgesete, andere Verbre{cn und Vergehen, auf welche besondere Strafgeseßze Unwendung finden, Die Erläuterungea zu den statistishen Tabellen werden durch graphische Darstellungen unterstützt, welche zeigen, inwiefern bei jeder dargestellten Hauptgruppe oder einzelnen Deliftsart das Zahlenverhältniß zwischen der Zahl der neu cingelcitetezs Untersu&ungen und der Beoölkerungszahl sid gleich ae- blieben ist oder nicht. Sein Hauptaugenmerk bat der Verfasser auf die Ermittelung der Ursachen geri{tet, wel{e für die Bewegung des Verbrecerthums maßgebend gewesen sind. Kaum je baben in dem kurzen Zeitraum eines Menschenlebens fo viele gewaltige Fakioren auf das Leken des deutshen Volkes eingewirkt wie in der Zeit von 1848—1878, welche bei tiesen Untersuchungen zu berücksibtigen war. Eine vollständige Umgestaltung der Rechtspflege und der Polizei, eine außergewöhnlich starke Vermehrung und Verdichtung der Bevölkerung, eine gewaltige Entwick-lung der Industrie bei wiederholten Notbstän- den, welde durch Theucrurg der nothwendigsten Lebenêmittel und Epidcmien hervorgerufen wurden, die Entwickelung des Weltver- kehrs und Welthandels, blutige Kriege, welhe das ganze Volk in allen seinen Schichten berührten, eine {were volks- wirtbscaftlide Krisis, endlich zu gleicher Zeit der Eintritt des Volkss in die Ausübung politischer Rechte und an diese sich anlchnend eine tief eingreifende sozialistishe Bewegung haben eine wesentliche Ein- wirkung auf die Gestaltung dcs Volkslebens in guter wie in s{lechter Richtung, mithin auch auf die Bewegung des Verbrecerthums aus- geübt. Jn musterhafter Darstellung ist der Einfluß dieser und ande- cer Faktoren auf die Kriminalität des Volkes hinsitlih der Haupt- gruppen der Verbretben 2c. bezw. der einzelnen Deliktêarten nahgewicfen worden. Von hohem Intercsse sind hierbei die graphischen Darstellungen, welche die gewonnenen Resultate in glücklicher Weise veransbaulichen. Der Inhalt des Werks is in folgende Hauptabschnitte gegliedert : Einleitung (S. 1—7), Begrenzung des Beobahtungéfeldes (7—13), das statistische Material (13—28), die Hauptgruppen der kriminell strafbaren Handlungen (29—41), die Umgestaltung des Volkslebens, ihre Einwirkung auf die Kriminalität und die Erkennkbarkeit der letzteren aus den statistischen Nachweisungen Über die Strafretspflege (42—88), tie einzelren Gattungen und Arten der kriminell ftraf- baren Handlungen(89—202), die Angeklagten nach ihren persönlichen Ver- hältnissen (202—231), Rüdblidte und Schlußfolgerungen (232—249). In territorialer Beziehung mußte das Werk auf die Provinzen Preußen (Osft- und Westpreußen), Poser, Schlesien, Pommern, Bran- denburg, Sachsen, Westfalen und Rheinland beshränkt werden, da für die Provinzen Scleëwig- Holstein, Hanr over und Hessen-Nafsau ein autreihendes Material nicht zur Verfügung stand. Es wird indessen angenommen werden dürfen, daß die für die alten Landes- theile hervorgetretenen Resultate, sich auch in den neuen Landestkeilen, wenn für sie statistisches Material vorliege, ergeben haben würden. Das Werk, welches für die Methode der Kriminalsta:istik zum Theil neue Gesichtspunkte eröffnet und Resultate von hohem Werthe aufweist, darf die hôbste Beachtung der Staarêmänner, Juristen und sonstigen Fabmänner bezanspruhen und wird Allen, welhe sich dem Studium desselben unterziehen, cine Fülle von Anregungen und. Bes lehrungen bieten. Schließlid sei noch crwähnt, daß der Verfasser dasselbe als eine Privatarbeit bezeihnet, für deren Jrhalt er allein die Verantwortung zu tragen habe. Z ,

Der Buwbkhändler und Antiquar Joseph Jolowicz fn Posen hat den Katalog seines antiquarishen Bücherlacecs Nr. 69: „Klassishe Philologie“ ausgegeben. Derselbe enthält ein Verzeichniß von 2754 Swriften, von denen 1715 Nummern Ausgaben der alten griechisben Schriftsteller nebst UÜebersegungen und Er- läuterungschriften, 1039 aber Ausgaben der altea römischen Stbrift- steller mit Ucbersezungen und Erläuterungsschriften verzeinen. Unter den in diesem Kataloge aufgeführten Werken, die zum Theil die nahgelaenen Bibliotheken der weil. Professoren am Königlichen Friedrich Wilhelms-Gymnasiums in Posen Tiesler und Müller bil- deten, befindet sich eine Menge wichtiger und werthvoller Bücher.

/ Gewerbe und Handel.

Frankfurta. M., 1. Dezember. (Delbericht von Wirth & Co.) Die ersehnte Besserung des amerikanischen Petroleum- marktes ift im Laufe des verflossenen Monats cingetreten, und die Börsen erfreuen sich wieder steigender Tendenz. Es war das vorker- zusehen, da der enorme Konsum während der dunklen Winter- monate eine allgemeine Abnahme der Vorräthe bcwirkt und die Nachrichten aus den Produktionsgebieten {Gou lange einen fühl- baren Rückgang der Ausbeute konstatiren. Die berühmten Howe & Porcupine Wells, die so erstaunlihe Quantitäten zu Tage geför- dert hatten, lassen jeßt auch nach und theilen, wie dies nie anders erwartet werden fonnte, das Scbicksal aller Oelquellen. Privattelegramme melden fortgeseßtes Sinken der Produktion. Die Preise bewegen sh für Crude in s\teigender Richtung zwischen 1,10 C. bis 1,16 C. Die leßten Kabeldepescen lauten für Crude 117, Refined 83. Glücklicherweise folgen wir in Europa nicht willen- los den Schwankungen des amecrikanishen Marktes; die bedcutenden Lager, welche hier aufgestapelt liegen, {üßen uns vor Ueberrumpe- lung. Einstweilen ist die Konkurrenz des cié-atlantishen Petro- leums noch in keiner Weise fühlbar, außer in Rußland, wo das ameri- kanishe Oel wohl ganz verdrängt scin dürfte, Db unsere deutsche Oelinduftrie sich noch zu thatsähliher Konkurrenz wird aufsbwingen können, läßt sih biëlang noch nit ermessen; die leßten Berichte über Tiefbohrungen bei Oelheim lauten günstig und konstatiren einen größeren Delreichthum, als bisher angenommen werden durfte ; wie sich aber die Ausbeute gestalten wird, läßt si nicht absehen. Amerikanische Lubricatingöle halten in den bessern Qualitäten fest auf Preis; leider wird viel minderwerthige Waare an den Markt gebracht und zu geriagen Breilen verkauft. Farblose Dele sind nur wenige in guter

ualität am Markte und stehen hoch im Preise; geringe Waare wird au hierin vielfa als Ersaß einzuführen versucht.

London, 30, November. (W. T. B.) Bei der gestern ab-

gehaltenen Wollauktion waren Preise fest.