1883 / 292 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 12 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Dr. Körner, vom Ulan. Regt. Nr. 1, zum Stabs- und Bats. Arzt des Füs. Bats. Gren. Regts. Nr. 5, Dr. Gosebruch, vom Pion. Bat. Nr. 11, zum Stabs- und Bats. Arzt des 2. Bats. Juf. Regts. Nr. 45, Dr. Raetell, vom Garde - Train - Bataillon, zum Stabs- und Bataillons-Arzt des 1. Bataillons Infanterie-Re- giments Nr. 71. Dr. Züchner, vom Ulanen-Regiment Nr. 2. zum Stabs- und Abtheil, Arzt. der 2. Abtheil. des Feld-Art. Regts. Nr. 14, Dr. Loeffler, vom 1. Garde-Regt. 5. F., zum Stabs- und Bats. Arzt des 2. Bats. Gren. Regts. Nr. 109, Dr. Martius, von der Art. Scießs{ule, zum Stabsarzt bei dem medizin. chirug. Friedrid-Wilhelms-Institut befördert. Die Assist. Aerzte 2 Kl.: Wirt, vom Inf. Regt. Nr. 29, Dr. v. Giéycki, vom Gren. Regt. Nr. 12, Dr. Schmiediccke, vom Inf. Regt. Nr. 76, Dr. Linde- mann, vom Inf. Regt. Nr. 99, Dr. Gerstacker, vom Drag. Regt. Nr. 14, Dr. Benzler, in der ctatêmäß. Stelle beim Gen. und Corps- arzt des X. Armee-Corps, Dr. Kobelius, vom Inf. Regt. Nr. 72, Dr. Swladcke, vom Hus. Regt. Nr. 3, Schaefer, Dr. Brand- staeter, von der Marine, Dr. Proelß, vom 2. Garde-Ulan Regt, Dr. Rothe, vom Kadettenhause zu Culm, Dr. Goldscheider, vom Inf. Regt. Nr. 23, Dr. other, vom Garde-Füs. Regt., Dr. Nietner, vom 1. Ga1de-Regt. z. F., Dr. Schmidt, vom Feld-Art Regt. Nr. 21, Dr. Marfch, vom Kadettenhause zu Pots- dam, De. Spilling, vom Drag. Regt. Nr. 12, zu Assist. Aerzten 1. Kl, Dr. Düsterh off, Marinec-Assist. Arzt 1. Kl. von der 1. Ma- trosen-Div zum Marine-Stabsarzt, T ohne Patent, befördert. Prof. Dr. Fraentel, Ober-Stabsarzt 1. Kl und Regts. Arzt vom 2. Garde-Feld-Art. Regt., Dr. Thörner, Dr. Kleffel, Stabs- ärzte der Marine, ein Patent ihrer Charge verliehen. Dr. Volk- mann, Geh. Medizin. Rath und Prof. zu Halle, während des Krieges 1870/71 Gen. Arzt und konsult. Chirurg in der Armee, als Gen. Arzt 1. Kl. mit Patent vom 29. November cr. im San.-Corps u. zwar à la suite defselben, Dr. v. Platen, Assist. Arzt 1. Kl. der Landw. vom 2 Bat. Landw. Regts. Nr. 56, im aktiven San.-Corps und zwar als Assist. Arzt 1. Kl. mit Patent vom 23. Februar 1881, bei dem Inf. Regt. Nr. 14, Dr. Morf, Körigl. bayer. Assist. Arzt 1. Kl. a. D., im preuß. San. Corps, und zwar als Aisist. Arzt 1]. Kl. mit Patent vom 20. Novemker 1878, bei dem Inf. Regt Nr. 28, angestellt. Dr. Goetting, Ober-Stabsarzt 2. Kl. und Regts. Arzt vom Inf. Regt. Nr. 131, zum Hus. Regt. Nr. 8, Dr. Bayer, Ober-Stabsarzt 2. Kl. und Regts. Arzt vom Inf. Regt. Nr. 45, zum Inf. Regt Nr. 112, Dr. Stabbert, Stabs. und Bats. Arzt vom Füs. Bat. Gren. Regts. Nr. 5, zum Kadettenhause zu Kulm, Dr. Loos, Stabs- und Bats, Arzt vom 2. Bat. Inf. Regts. Nr. 45, zum Füs. Bat. Gren. Regts. Nr. 109, Dr. Steinrück, Stabs- und Bats. Arzt vom 2. Bat. Kaiser Alexander Garde - Gren. Regts. Nr. 1, zum Garde-Pionier- Bat., Dr. Timann, Stabsarzt vom medizinish-chirurgischen Friedrih-Wilhelms-Institut, als Bats. Arzt zum 2. Bat. Kaiser Alexander Garde-Gren. Regts. Nr. 1, Dr. Rosenthal, Assist. Arzt 1. Kl. vom Inf. Regt. Nr. 17, zum Ulan. Regt. Nr. 2, Dr. Rothe, Assist. Arzt 1. Kl. vom Gren. Regt. Nr. 8, zur Art. Swießscbule, Dr. Hertel, Assist. Arzt 1. Kl. vom Kaiser Franz Garde Gren. Regt. Nr. 2, zum Garde-Train-Bat., Dr. Scholze, Assist. Arzt 1. Kl. vom Inf. Regt. Nr. 132, zum Inf. Regt. Nr. 47, Dr. Grün- baum, Assift. Arzt 1. Kl. vom Inf. Regt. Nr. 14, ¿zum Gren. Regt. Nr. 8, De. Langhoff, Assist. Arzt 2. Kl. vom Fuß-Art. Regt. Nr. 3, zum Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2, Dr. Nocht, Assist. Arzt 2. Kl. vom Infanterie- Regt. Nr. 21, kommandirt bei der Marine, zur Marine, Dr. We- gener, Marine-Stabsarzt von der 1. Matrosen-Div., zur Armee, und zwar als Bats, Arzt zum Pion. Bat. Nr. 9, verseßt. Kaiser, Ober-Stabsarzt 1. Kl. und Regts. Arzt vokn Gren. Regt. Nr. 109, mit Pens. und seiner bisher. Unif., Schrickel, Stabs- und Bats. Arzt vom 2. Bat. Gren. Regts. Nr. 109, als Ober-Stabsarzt 2 Kl. mit Pens. und seiner bisher, Unif., Dr, Wagner, Marine-Assist, Arzt 1. Kl. von der 1. Matrosen-Div., mit Pens., der Abschied bewilligt. Den Stabsärzten der Landwehr: Dr. Köppe, vom 2, Bataillon Landwehr-Regiments Nr. 67, diescm mit seiner bisherigen Unif., Dr. Michelson, vom Res. Landw. Bat. Nr. 33, Dr. Ben- gel8dorff, vom 2. Bat. Landw. Regts. Nr. 2, Dr. Hildebrand, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 51, Dr. Ruprecht, vom 2. Bat, Landw. Regts. Nr. 30, Dr. Rothmann, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 76, diesem mit seiner bisher. Unif., Dr. Mens\ch, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 79, Dr. v. Fragstein-Niemsdorf, vom 2. Bat, Landw. Regts. Nr. 87, Dr. Grüßner, vom 2. Bat. Landw. Regts. Nr. 113, der Abschied bewilligt. Den Assist. Aerzten 1. Kl. der Landw. : Dr. Lemcke, vom 2. Bat. Landw. Regts. Nr. 2, Dr. Fraenkel, vom Res. Landw. Regt. Nr. 35, Dr. Dicken, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 57, Dr. Kopfermann, vom 2. Bat, Landw. Regts. Nr. 16, Dr. Schnelle, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 15, Dr. Hedde, vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 76, Dr. Wendel, vom 1, Bat. Landw. Regts. Nr. 94, Dr. Hurck, Assist. Arzt 2. Kl. der Landw. vom 1. Bat. Landw. Regts. Nr. 57, der

Abschied bewilligt. Königlich Bayerische Armee. Abschied8bewilligungen. Im aktiven Heere. 5. De- zember. Graf v. Schönborn-Wiesenthei d, Sec. Lt. à la suite des 1. Schweren Reiter-Regts., behufs Uebertritts in Königl. preuß. Militärdier. ste der erbetene Abschied bewilligt.

Kaiserliche Marine.

Ecnennungen, Beförderungen, Versetzungen 2. Berlin, 4. Dezember. v. Diederichs, Korv. Kapitän, zur Dienst- leist. bei der Admiralität kommandirt. 6. Dezember. Beck, iat und Comp. Chef vom Seée-Bat., behufs Uebertritts zur

rmee, von der Marine ausgeschieden. Gress\er, Hauptm., bisher Comp. Chef im Inf. Regt. Nr. 70, mit seinem Patent als Comp. Chef im See-Bat. angestellt.

Nichtamtliches.

Berlin, 12. Dezember. Jm Verlaufe der gestrigen (13) Sißung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1884/85 mit der Dis- kussion des Etats der Justizverwaltung fortgeseßt.

Nach dem Abg. Dr. von E ergriff bei Berathung

Preußen. weiteren

des Kap. 71 Tit, 1 (Ministergehalt) der Justiz-Minister Dr. Friedberg das Wort:

Ich möchte zunähst dem leßten Herrn Redner antworten. Jn der Behandlung der persönlichen Lragen in der Provinz Posen habe ih als Justiz-Minister eine Tradition überkommen, die ohne Weiteres abzuändern mir nicht beifallen konnte, da ih nicht annebmen durfte, daß diese Tradition von ungefähr entstanden sei, sondern i war berechtigt anzunehmen, daß sie aus den nationalen Verhältnissen, die in der Provinz Posen herrscben, ihren Ursprung hergeleitet habe. Ich kann dem Herrn Abgeordneten auf seine Frage erwidèrn, daß ih von einem prinzipiellen Gegensaß gegen die Anstellung von Juristen aus den Kreisen der Einheimischen in der Provinz Posen weit entfernt bin , daß ic aber allerdings bei der Anstellung darauf sehen muß, ob der Anzustellende an der betreffenden Stelle auv den Aufgaben eines Preußen in der Provinz Posen genügen wird,

Wenn der Herr Redner schließlid mir gewissermaßen drohende Worte entgegengehalten hat, so möchte ih ihm darauf den Rath ertheilen, mit dieser Drohung nit allzuweit sich vorzuwagen, denn er würde mi dadurch zwingen, auf Einzelheiten einzugehen, die nicht zu Gunsten seiner Kandidaten ausfallen würden. Ich will, da er insbesondere die Frage des Notariats erwähnt und angeführt hat, daß i bei der Ertheilung desselben an polnische Rechtsanwalte zurück- haltender sei wie an andere, zunäst antworten, daß ih überhaupt mit dem Notariat in der ganzen Monarchie *möglichft knapp vorgehe, weil ich darin das einzige Mittel finde, die Gefahren, welhe

die freie Advokatur namenilic in Zeiten des Uekberganges darbicict, zu mildern. Wenn mir cin Rcchtéarwalt mit dem Antrage kommt, ih mödbte das Notariat ihm rer!eiben, und i, wie es mcine Pflicht ist, mich umthue in der Provinz, wie ist die Stellung dieses Ad- vokaten zu der Frage des Deu!shthums im Allgemeinen, und nun folgende Antwort bekomme: Dieser sh jeßt um das Notariat be- werbende Kandidat hat noch vor ganz Kurzem als Vertheidiger, wo es ih darum handelte, Jemanden zu vertheidigen, der an der

evolution Theil genommen, gesagt: „Wenn dieser mein Klient dabei den Arm verloren hat und beschuldigt wird bei dieser Gelegenheit, sih an der Revolution betheiligt zu habcn, fo ïann ich darin keinen Vorwurf finden, sondern möchte es ihm zur Ehre anrechnen, wenn er bei einer Revolution mitwirkte, selbs wenn ihm dabei das Amt eines Hänge-Gensd'armen übertragen würde.“ Meine Herren, werden Sie einem Justiz-Mipsister zumuthen, daß er einem Manne, der, wie ih anerkenne, im Uebrigen in seiner Dienstleistung durchaus gelobt wurde, der aber solhe Grundsäße vor offenem Gericht bekennt, daß ih dem das Notariat gebe? Das werden wenige von Ihnen hier ver- langen, vielleiht clbst nit der Herr Interrellant !

Nebenbei thut mir der Herr Interpellant zu viel Ehre an, wenn er meint, daß ich den Titel als Justiz-Rath verleihe. Ich kann ihn nicht ver- leihen, fontern ich kann nur Anträge an Se. Majestät darüber machen, der allein den Rathstitel verleiht; diese meine Anträge gründe ic aber meistentheils, und ich glaube mit Recht, auf die Grundlagen, die mir von den Provinzialbehörden suppeditirt werden.

Daß so wenig Juriften polniscer Nationalität sich in den höheren Stellen befinden, ift rihtig; das, glaukte ih, hat aber eine sehr cinfahe Erklärung. Wie lange ist es denn her, daß polnische Bewohner der Provinz sich überhaupt der Justiz zugewendet haben ? Das ift erft in neuerer Zeit aus8giebiger gesehen, und die Zeit liegt nicht weit genug zurück, als daß sie jeßt {on in die Appellhöfe hineinkommen könnten. Dann aber, meine Herren, wenn ich Juristen polnisder Nationalität cine Beförderung an- biete, aber außerhalb der Provirz, dann weigern sie sih, und ich kann nicht zugeben, daß die Justizbeamten aus der Provinz Posen ein Ret und einen Anspruch darauf haben, nur in der Provinz Posen angestellt und befördert zu werden.

Damit verlasse ich Hrn. von Jazd;ewski und wende mi zu dem Abg. Bachem. Zuavörderst möchte ib eine Keußerung ricbtig stellen, die cr im Laufe seiner vorhergehenden Rede gebraucht hat. Habe ic ihn anders richtig verstanden, so sagte er, diese Inter- pellation sei um so nôthiger einem Minister gegenüber, der cs offen ausgesprohen bat, er bedauere, daß er die Richter nicht ohne Weiteres verseßen könne, Meine Herren! Einen solchen Ausspruch babe ich niemals gethan, und ich würde mich s{ämen, ihn zu thun. Was ich gesagt habe, und zwar bei der Berathung diescs Gegen- standes im vergangenen Jahre, war, als ih die Gründe ausführte, weshalb ih niht den Provinzialismus der Justizbeamten befördere, Folgendes:

Dies find die Grüude, die mi bestimmen, auf die Zer- \treuung der Richter auf sämmtliche Provinzen hinzuwirken. Wenn Sie mir sagen, ih versete die Leute wider ihren Willen, so ist das einfa den Thatsachen widersprewend. Jh würde es manch- mal gern thun, kann es aber nit, weil cin Richter nit wider seinen Willen verseßt werden darf. /

Das wiederhole ih auch heute, denn ih habe auch heute oft den Gedanken , und er wird mir leider oft genug aufgedrängt, daß ein bestimmter Richter an einem bestimmten Orte besser nicht wäre, und ein Richter an eincm anderen Orte seines Amts viel besser walten könnte. Aber, daß ih darum die Verseßbarkeit der Richter wünsche, das bestreite ih, und ih glaube, daß der Herr Abgeordnete selbst das cigentlih niht mir hat imputiren wollen.

Die damalige Verhandlung, auf die i Bezug genommen, und namentli, darf ih bekennen, die Ausführungen, die in der damaligen Debatte der Abg. Hr. Dr. Windthorst gemacht hat, müssen mich ja nothwendig von Neuem vor die Erwägung der Frage stellen, ob ih in der Verseßung der Richter doch nit vielleiht zu weit ginge, und ich kann versichern, daß bei jeder Verseßung, die ih beabsichtige, mir die Bedenken , die damals hier hervorgehoben sind, sebr lebendig wieder in die Erinnerung treten. Aber nichtsdestoweniger bin ic bei dem Prinzip stehen geblieben, daß, der Richter keinen Anspruch bat, in einer bestimmten Provinz zu amtiren, und daß, wenn das Interesse des Dienstes es veriangt, ich wünschen muß, daß der Richler sich versegen lasse. Weiter geht ja überhaupt meine Befugniß nicht; ich kann keinem Richter sagen: ih setze Dich dahin oder docthin, fondern i kann ihn blos fragen, ob er, meiner Bitte nacbgebend, sich mit einer E Ah da- und dorthin einverstanden erklären wolle. Also den betreffenden Justizbeamten geschieht gewiß kein Unrebt, denn ihnen geschieht nur das, was das Gefeß erlaubt und sie selbst wollen. Den Gerichtseingesessenen aber, glaube i, geschieht gewiß kein Unrecht, wenn ih tüchtige Männer aus der cinen Provinz in eine andere verseze. Dieser Provinzialismus, die Abneigung in irgend einen anderen Theil der Monarcie zu gehen, zeigt fi eigentli® wesentli nur in zwei Provinzen, der Rheinprovinz und Hannover. Jch habe wiederholt hier erklärt, daß ih nit nur bereit, sondern sogar bemüht bin, den Justizbeamten jener beiden Provinzen gute, ja die besten Stellen in den anderen Theilen der Monarchie anzubieten, weil ih es allerdingë für politis richtig halte, daß der Juristenstand si in der ganzen Monardie als ciner fühle, und daß dieser Nativismus ih glaube dieser Autdruck ist in der Kommission gebrau&t unter den Juristen aufhöre. Ich kann wirklich dringend bitten, nit glauben zu wollen, daß irgend cine Tendenz bei diesen Verseßungen obwaltet, sondern mi lediglich die Ueberzeugung leitet, daß es der Justiz als solcher zuträg- li ist, wenn ic diejen Provinzialismus hreche, daß diese Ueberzeu- gung allein mich bewegt, jo zu handeln, wie ih handle. Dabei werde ih aber stets mit Vorsicht und mit Schonung aller Personalinteressen zu Werke gehen. - .

Der Abg. Westerburg wandte \sih gegen die Ausführun- gen des Abg. Bachem. Er wundere si, daß der Abg. Bachem in einer Zeit, wo man endlich der langersehnten Rechtseinheit näher komme, noch einmal auf den überwundenen prinzipicllen Standpunkt zurückgegangen sei. Wenn man sage, die ver- seßten Richter verständen nicht die Sprache der betref- fenden Provinz, so könne sih das nur auf solhe Richter beziehen, die unmittelbar mit den Parteien verhandelten, nicht aber auf Richter an den Land- und Ober-Landesgerichten, wo nur mit Anwälten verhandelt werde. Aber auch in Bezug auf die Amtsrichter werde jener Einwand dadur widerlegt, daß sih Dialekt und Provinzialgrenze durchaus nicht deckten. Meine man ferner, die konservative Gesinnung des Richter- standes leide durch häufige Verseßungen, so müßte dasselbe ja auch bei den, dcch ihrer Mehrzahl nach immer noch konser- vativen Verwaltungsbeamten der Fall sein, die viel mehr als die Richter versezt würden. Wenn man endlih anführe, der Richter müsse vor allem das Recht seiner Provinz kennen, so sei auch dieser Grund nur scheinbar. Gerade durch die Ver- seßung von Richtern aus einem Gebiet ins andere, durch die Zuführung von frishem Blut, von neuen Anschauungen ge- winne das Rechtsleben außerordentlih, komme neues Leben in den Richterstand und die Rehtsprehung. Der wohlthätige Einfluß des Reichsgerichts auf die gesamnte Rechts- entwidelung s{reive sih wesentlich daher, daß dort die einzelnen Sachen grundsäßlih niht nah Provinzen, sondern nah Materien vertheilt seien, und daß in “ein und demselben Senate Richter aus den verschiedensten Provinzen zusammen urtheilten. Er stimme den Ausführungen des Justiz-Ministers vollständig zu; ja er wünsche, daß derselbe noch weiter gehe. Indem Redner dann auf die Bemerkungen des Abg. Martinius einging, hielt er die Lichtseiten der freien Advokatur doch für überwiegend, Wünschenswerth halte er namentli, so lange

die Berufung fehle, daß die Strafkammern und auch die Staatéeanwaltschaften mit hinreichenden Kräften beseßt seien damit sie ihrer Pflicht vollauf genüger: könnten. Bezüglich der vom Abg. Martinius monirten Gerichtékosten meine er, daß gerade die Nebenkosien, die Schreibyebühren und Gerithts- vollzieherkosten die Prozesse vertheuerten. Diesem Zustellungs- wesen müßte von Neichswegen näher getreten werden.

Der Abg. Dr. Wehr erklärte, er habe die Angelegenheit bezüglih der Ueberweisung verwahrloster Kinder nur zur Sprache gebracht, damit ihm der Minister des Jnnern bei seinem Etat nit sagen könne, „das gehöre in das Ressort des Zustiz-Ministers“/. Eine in der Debatte zur Sprache ge: kommene Ueberbürdung der Richter bestreite er.

Der Regierungs-Kommissar Geh. Ober-Justiz-Rath Starcke erwiderte dem Vorredner nochmals, daß nach dem Wortlaut des §. 56 des Geseßes die Angelegenheit keineswegs in sein Ressort gehöre.

Der Abg. Günther bestritt die unverhältnißmäßige Höhe der Gerichtskosten gegen früher, der Werth des Geldes habe sih vermindert. Der Höhe der Anwaltskosten könne man durch eine erweiterte Kompetenz der Amtsgerichte begegnen, Die Beschwerden bezüglih der Versezungen der Richter halte er für grundlos.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Angelegenheit, über weiche hier debattirt werde, gehöre eigentlih in den Reichstag. Das Prinzip der Justizreform solle nit angegriffen werden, wohl aber könne man einzelne Punkte hervorheben. Es seien die Kosten genannt worden, er glaube aber, daß man sich darüber nur ein Urtheil erlauben dürfe, wenn man das Ganze übersehen könne. Die Ansiht des Vorredners, daß die Gerichtskosten jeßt nicht zu hoh seien, theile er nit. Die Anwaltsgebühren möchten wohl in ein- zelnen Säßen nicht ganz rihtig abgemessen sein, aber diese Gebühren bildeten zusammen ein Ganzes, und glichen sich gegenseitig aus. Außerdem sei di: Advokatur eine der schwierigsten Aufgaben, und wenn sie nicht ordentlich bezahlt würde, würden sih keine tüchtigen Kräfte für dieselbe finden, Die freie Advokatur sei eine werthvolle Errungenschaft und die gegenwärtige Ueberfüllung der Advokatur nur eine Er- scheinung des Uebergangsstadiums. Die wissenschaftliche Ans- bildung der jungen Juristen liege gegenwärtig im Argen; das komme sowohl von den Universitätsverhältnissen im Al: gemeinen als auch von der zunehmenden Genußsucht der Jugend. Der Minister habe eine starke Sehnsucht nah der Berech: tigung, Beamte zu verseßen, laut werden lassen. Derselbe wolle den „Provinzialismus“ der Nichter bekämpfen und Aller- weltsrihter hafen. Er (Redner) meine aber, dem Prinzip, von Osten nah Westen und von Westen nah Osten zu versezen, müsse entgegen getreten werden. Der Richter solle dort blei- ben, wo derselbe zu Hause sei, niht allein seiner Heimath nah, sondern auch der äußeren Verhältnisse wegen. Zuerst sei hier die Sprache zu berücksihtigen. Haupterforderniß sei, daß der Richter die Parteien verstehe und umgekehrt. Ob nicht vielleiht die große Zahl von Meineiden darin ihren Grund habe, daß dies oft der Fall sei? Bei einer gewissen Stabilität der Richter werde jedenfalls das Vertrauen zur Justizverwaltung vermehrt. Einen Punkt wolle er hier noch hervorheben, der ihm auch ein Gruyd für die mangelhafte juristishe Ausbildung zu sein heine. Er meine die Militär- Dienstpflicht, die für die jungen Juristen eine {were Last sei. Er wünsche, daß der Minister hier festere und weitergehende Grundsäße in Anwendung bringe. Zu dieser Aufforderung sei er ausdrüdlih beauftragt worden. Wenn er hier mehrere Dinge bemängelt habe, so habe er es nicht gethan, um über- haupt nur zu tadeln. Jm Gegentheil müsse er hier im All- gemeinen ausdrüdcklich seine Befriedigung über die Justiz- verwaltung äußern.

Der Abg. Biesenbach bemerkte, die ungeheure Höhe der Gerichtskosten werde in der gesammten Rheinprovinz bedauert. Es sei und bleibe eine große Ungerechtigkeit, daß der Kläger sein gutes Recht nicht verfolgen könne, weil derselbe die Kosten nit nur vorschießen müsse, sondern sie sogar verliere, wenn der Beklagte nihts habe. Dies verhindere eine Menge von sonst sehr berechtigten Klagen. Er möchte sodann den Minister bitten, sih gütigst darüber erklären zu wollen, welche Jnten- tionen bei demselben in Betreff des rheinishen Notariats ob- walteten. Es sei in der Presse die Frage ventilirt worden, daß im Ministerium die Absicht obwalte, das Notariat mit der Rechtsanwaltschaft in der Rheinprovinz zu verbinden, die bis- her getrennt gewesen scien. Eine Reihe jüngerer Anwälte trage nur deshalb Bedenken, in die Notariatskarriere einzu- treten, weil über diese Frage keine Klarheit herrsche.

a Hierauf nahm der Justiz-Minister Dr. Friedberg das ort:

Die Nachrict, daß der Justiz-Minister damit umgehe, die Gesetz- gebung über das Notariat zu ändern, habe ich in den Zeitungen ge- lesen. Es war aber au das erste Mal, daß ich davon hörte. I habe niemals die Absicht gehabt, nie irgend ein Wort über solche Absicht geäukert, und der Zeitungeschreiber, der diese Nachricht in die A gebrat hat, wird wohl seiner Phantasie allein Lauf gelassen aben.

Bei dieser Gelegenheit kann ih noch eine Antwort auf die Worte des Hrn. Abg. Windtborst geben, der glcihfalls auf eine Zeitungsnotiz Bezug genommen kat. Ich soll nämli in Altona gesagt haben, ich fürchtete, daß die sreie Advokatur uns zu einem Proletariat unter den Atvokaten führea könnte. Jch will ganz dra- matish dem Hause mittheilen, welhe Aeußerung ich wirkli gethan habe: Bei cinem Bcsuch des Landgerichts in Altona hatte das Bureau die Güte, fich mir vorzustellen, und bei der Unterredung mit den en Anwältcn fragte ib, wie es hier um die Advokatur stände. Man erwiderte mir: ganz vorzügli! die neue Gesetzgebung hat in unserer Stellung nichts geändert, die Advokatur befindet si in Altona in durchaus zufriedenstellender Lage. Darauf erwiderte ih: wie ich mich doppelt freute, dies zu hören, da ich allerdings niht verhehlen wolle, daß ih bei Einführung der freien Advokatur wohl die Befürchtung gehabt hätte, es würde hier und da ein Ueber- fluß an Advokaten entstehen, und damit möchte namentlich in den großen Städten die Gefahr eines Advokatenproletariats eintreten. Ich fügte hinzu, bisher sei meine Befürchtung glücklicberweise nicht nur nicht eingetroffen, sondern man habe mich vielfach versicbert, daß wenigstens augeablicklich die Zustände der Art seien, daß solche Befürchtungen auch für die Zukunft nit nabe lägen. Das ift meine Aeußerung, die dann in den Zeitungen allerdings ganz anders und entitellt wiedergegeben ift. A

Der Abg. von Rauchhaupt kam auf die vom Abg. Wüsten bereits crwähnte Verfügung, betreffend die Reinigung einzu- liefernder Gefangenen zurück. Es sei hier {hon die Frage aufgeworfen, welhe Behörde am Praktischsten das Reinigungs- geschäft der eingelieferten Gefangenen besorgen solle, die Polizei oder das Amtsgeriht. Daß die ländlichen Polizei- behörden dies \{werlich thun könnten, unterliege keinem Zweifel, Dieselben hätten ihre Noth, Polizeigefängnisse zu errihten, aber nun auch noch Badeanstalten zu errichten,

sie mit Medikamcnten zu verschen, um die Leute u reinigen, das si doch nicht zu verlangen. Simmtliche Juristen seiner Partei versicherten ihm, daß in den Amtsgefängnissen die nöthigen Vorrichtungen vorhanden seien. Es hänge nur vom guten Willen ab, die Sache zweck- mäßig durzuführen. Die Vagabonden laufen zu lassen, li:ge ja auch nit im Jnteresse der Justiz. Möge also das Amts- gefängniß dies Geschäft besorgen, und die Liquidation dafür der Polizeibehörde zushicken. Dieselbe wolle ja gern die Kosten tragen. | i:

Der Abg. Kno wandte sih gegen die Ausführungen des Abg. Bachem. Man stehe hier vor hohen politishen Auf- gaben und Zielen der Regierung, und da müsse das ustiz- ressort auch das Recht haben, diese Aufgaben und Ziele da- durch zu fördern, daß fie bei aller Rücksicht auf provinzielle Verhältnisse füc den rechten Augenblick den rechten Mann auf die reite Stelle seße. Er wolle nit bestreiten, daß der Richter einen fremden Dialekt nitt glei vollständig verstehe. Dies komme aber auch bei Verseßungen in der Heimaths- provinz vor. Bei einigem Eifer werde die Sache schon gehen, ohne daß materiell die Geschäfte leiden würden. Und was die Verschiedenheit der Rechte bctreffe, so dürfe inan dem ZJustiz- Minister das voliste Vertrauen senken, daß derselbe nicht ungeeignete Personen in ein solches fremdes Rechtsgebiet senden

erde. L Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, auf die ein- gehenden Anführungen des Abg. von Rauchhaupt, die er und seine Freunde unterstüßten, sei Seitens des Regierungstishes eine Widerlegung nicht erfolgt; er verzihte desbalb auf die Sache näher einzugehen.

Der Titel wurde bewilligt.

Bei Titel 3 (Gehälter der vortragenden Räthe im Mini- sterium) bemängelte der Abg. Lauenstein, daß der Direktor der Justizprüfungskommission aus einem Nebenatimt beinahe eben- soviel beziehe, wie seine Besoldung aus dem Hauptamte be- trage. Die Remuneration des Präsidenten der Prüfungs- fommission mit 9500 M sei nämlih nur um 400 M geringer, als seine eigentlihe Besoldung. Jm Etat für 1883/84 hätte sie nur 7200 F betragen, es scheine also jeßt eine ganz andere Vertheilung der Prüfungsgebühren obzuwalten. Auch sei über die Gebühren der Kandidaten im Etat nichts aufge- führt. Die Prüfungsgebühren für den Präsidenten und die Mitglieder der Prüfungskommission füc Verwaltungsbeamte seien viel niedriger. S

Der Justiz-Minister Dr, Friedberg erwiderte, der Modus der Vertheilung habe sih niht geändert, sondern nur die Zahl der Prüfenden. Die Prüsungsgebühren würden auf diejen.gen Mitglieder vertheilt, welche an der speziellen Prüfung theilge- nommen hätten. Der Präsident erhalte viel mehr als die Pitglieder, weil derselbe an allen Prüfungen theilnehme. Die Einnahme des Präsidenten sei jeßt allerdings sehr groß, dessen Arbeit sei aber auch außerordentli groß und man würde keinen guten Präsidenten finden, wenn derselbe nicht gut bezahlt würde. Ec habe selbst als Examinator nur 600 Thaler eingenommen, weil die Zahl der Prüfenden gering gewesen sei. Jeßt harrten über 4000 Referendare des Examens. Zu diesem Amt dränge sich Niemand, sondern er habe Mühe und Noth, Examinatoren zu finden.

Der Abg. von Heyden glaubte, daß das Examen der Verwaltungsveamten für die Prüfenden ebenso shwierig sei, wie dasjenige für die Justizbeamten.

Der Titel wurde bewilligt, ebenso der Rest des Kapitels ohne Debatte.

Bei Kapitel 72 (Justiz-Prüfungékommission) bat der Abg. Frhr. v. Fürth bei der Prüfung der Juristen auf das kano- nische Recht besondere Rücksicht zu nehmen, dessen Unkenntniß sih bei der Judikatur in katholisch-kirhlihen Fragen sebr un- angenehm fühlbar mache. : :

Der Abg. Dr. Windthorst bedauerte, in dieser Frage mit seinem Fraktionsgenossen nicht einverstanden zu sein. Die gegenwärtige Zeit sei niht geeignet, rihtige Anshauungen von Kirchenreht und kirhlihen Dingen zu verbreiten. Er würde vielmehr geneigt sein, jungen Juristen das Hören kanonischer Vorlesungen auf Universitäten zu verbieten, weil dort die große Mehrzahl der sogenannten Kanonisten tendenziöse Jrrthümer verbreiteten. e

Der Abg. Frhr. v. Fürth entgegnete, die Richter seien einmal dazu berufen, in solhen Fragen zu entscheiden, und darum sei es au von großer Wichtigkeit, daß sie die Grund- säße des Kirchenrechts kennten.

Das Kapitel wurde bewilligt.

Vei Kap. 73 (Ober-Landesgerichte 3 564 221 s) kam der Abg. Dr. von Jazdzewski auf seine Kontroverse mit dem Justiz-Minister zurück. Nationalpolnishe Tendenzen der pol- nischen Richter bestreite er. Wenn vielleicht der eine oder der andere Richter strafverseßt worden sei, so seien das sporadische Fälle. Man stehe hier einem System gegenüber, und der Minister habe die von ihm angeführten FFakta nicht widerlegt. Die Richter polnischer Nationalität erfüllten ihre Pflicht als Richter ebenso gut, wie die deutschen Richter, und hätten dann dasselbe Reht der Beförderung. Diese werde ihnen aber niht zu Theil. Wenn ein Rechtsanwalt seiner Partei sih ungehöriger Ausdrücke bei einer Vertheidigung bedient habe, so sei er der Leßte, der derartige Redensarten ver- gdige. Aber einzelne aus der ganzen Rede herausgerissene Phrasen bewiesen gar nichts. Der Minister habe fih_ auf Berichte der Behörde berufen, an deren Spiße der Ober- Landesgerichts-Präsident von Kunowski si befinde. Gegen diesen ausgesprochenen Parteimann das sei die communis opinio herrshe nicht nur unter den Polen, sondern auch unter den Deutschen allgemeine Abneigung. Er bitte daher den Minister um Versetzung dieses Beamten.

Der Justiz-Minister Dr. Friedberg entgegnete, der Abg. Bachem habe ihm vorgeworfen, daß er die Richter zu leicht verseß», der Vorredner mache ihm jeßt den Vorwurf, daß er einen bestimmten Richter nicht verseße. Der Abg. von Jazdzewski scheine es übrigens selbst ¡niht erwartet zu haben, und er (Redner) könne und wolle es auch nicht zusagen. Der Präsident von Kunowski sei ein Richter, der seines Amtes, so weit er & beurtheilen fönne, mit Treue und derjenigen Hingebung walte, die von einem Richter erwartet werde. Daß derselbe dabei mitunter nationalpolnishe Gefühle verleyze, möge sein.

‘enn aber behauptet werde, daß derselbe darum ein allgemcin Unveliebter Beamter in der Provinz sei, so bestreite er dies als unbewiesen. Er könne daher nur antworten, er sei in O N in der Lage, auf den Wunsch des Vorredners

1zugehen. er Abg. von Bismarck- Flatow erklärte, er habe von dem Abg. von Jazdzewski keine Fakta gehört, sondern nur Klagen Einzelner, die sich im Nachtheil glaubten. Seine Partei ver-

lange mit vollem Recht, daß der Pole, der in den Staatsdienst treten wolle, der Richter werden wolle, sich auch als Preuße betenne, und er verlange, daß, wenn die Regierung einen Polen anstelle, sie sih die Fragen vorlege: 1) habe derjelbe den preußishen Sinn, den man voraussezen müsse, und 2) könne derselbe an seinem Plage richtig wirken oder nicht ? Der Abg. von Jazdzewski habe ferner behauptet, ein Pole, der Rechtsanwalt sei, bekomme das Notariat niht. Er könne aber gerade aus eigener Anschauung das Gegentheil fonstati- ren. Er wolle zum Schluß noch die Versicherung abgeben, daß die preußische Justiz in Posen nicht s{hle{ter sei, als in irgend einer anderen Provinz.

Der Abg. Dr. Wehr erinnerte den Ausführungen des Abg. von Jazdzewski gegenüber daran, daß fast die Hälfte der Bewohner Posens deutsche, und daß die Richter in erster Linie preußishe Beamte seien.

Der Abg. Graf zu Limburg-Stirum bemerkte, der Abg. von Jazdzewski habe nur von dem Schein der Parteilichkeit ge- sprochen, Thatsachen habe derselbe keine angeführt. Er müsse gegen ein folches Verfahren einem verdienten hohen Beamten gegenüber protestiren.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski erwiderte, daß ein solcher Angriff allerdings seine Bedenken have, aber der Landtag sei der einzige Ort, wo man den Angriff anbringen könne, und deéhalb fei es Pflicht eines polnishen Abgeordneten, darüber zu sprechen.

Jn Titel 2 sind für 235 Ober - Landesgerichts - Räthe 1357 455 M ausgeworfen.

Der Abg. Dr. Huyssen empfahl die Einkommen der Ober- Tribunals-Räthe, welche bezüglich ihres Gehalts bei der Reor- ganisation sehr \hlecht weggekommen jeien, der Berücksichtigung der Regierung für den nähsten Etat. Man könne entweder eine Liste führen, und das Gehalt nah dem alten Durchschnitt berehnen, oder den alten Normaletat wieder herstellen und die Räthe aufrücken lassen, wenn sie an der Reihe seien.

Der Regierungskommissar Geh. Ober-Justiz-Rath Schmidt erwiderte, die Negierung habe den Wunsch gehabt, bei der Reor- ganisation jede Schädigung der Beaniten zu vermeiden, man habe aber nur bis zu einem gewissen Grade den Wünschen der Beainten entgegenkommen können. Viele andere Beamte ver- dienten viel mehr Berücksichtigung, als die Ober-Tribunals- Räthe, das seien namentlich die Kanzleibeamten, die viel \{lechter bei der Reorganisation fortgekommen seien.

Titel 2 bis 10 wurden bewilligt.

Bei Titel 11 „Prüfungsgebühren 9000 #4“ bemerkte der Abg. Munfel, bei der Ueberfüllung, welche der juristische Beruf aufzuweisen habe, sei von offizieller Seite oft von dem Studium der Jurisprudenz abgerathen worden. Aber niemals sei das in so kräftiger Weise geschehen, als in dem Regulativ, wel s der Justiz-Minister unter dem 1. Mai 1883 erlassen habe Derselve habe sih, um dasselve zu rechtfertigen, auf das GeriŸhtsverfassungsgeseß und das preußische Ausführungs- geseß berufen. Aber er finde. weder in dem einen, noch in dem anderen etwas, was Bestimmungen rechtfertigen könnte, wie sie in jenem Regulativ enthalten seien. Durch die 8. 14 und 15 würden die Rechtskandidaten verpflihtet, den „über- zeugenden“ Nachweis zu führen, daß ihnen für die Dauer von fünf Jahren die Mittel zu einem standesgemäßen Leben zu Gebote ständen, und werde den Präsidenten der Dber-Landesgerichte die Befugniß zugestanden, nach den Prüfungsakten und nah dem, was ihnen sonst über den be- treffenden Kandidaten bekannt geworden, die Entscheidung dar- über zu fällen, ob derselbe würdig sei, in den Staatsdienst einzutreten oder niht. Die Gründe, welche gegen die Zu- lassung sprächen, foliten den Akten beigefügt und durch die Entscheidung eines Präsidenten alle übrigen Präsidenten ge- bunden werden. Er würde dem Justiz-Minister dankbar sein, wenn derselbe mir naWweisen wollte, wie eine solche Bestimmung mit der Verfassung vereinbar sei, die erkläre, daß die öffent- lichen Aemter für Alle zugänglich sein sollten. Die Frage der Zweckmäßigkeit des Regulativs wolle er nur obenhin berüh- ren. Man habe immer eine Bescheinigung verlangt, daß Der- jenige, welcher sich zum Justizdienst melde, die Mittel besäße, um sih fünf Jahre selbständig zu unterhalten. Feßt aber werde ein „überzeugender Nachweis“ gefordert. Wie es mit diesem Nachweis bestellt sei, dafür ein Beispiel. Jn Posen müsse ein Bauer, dcr seinen Sohn in den juristishen Dienst eintreten lassen wolle, eine Hypothek auf sein Haus aufnehmen. Ein Glück, daß man die neue Subhastationsordnung be- kommen habe; jeßt könne dem Bauer das Haus wenigstens nicht subhastirt werden. Des Schliminste aber sei, daß Femand, der das Examen gemacht habe, zurückgewiesen werden könne, nicht nur, wenn fih aus den Prüfungsakten Nachtheiliges ergebe (denn dagegen habe er nichts), sondern auch wenn Mit- theilungen anderer Art vorlägen, die den Kandidaten als un- würdig zum Eintritt in den Staatsdienst bezeihneten. Was sei aber unter „unwürdig“ zu verstehen? Ec hege den Ver- dacht, daß man auch für den Juristenstand die Disziplin ein- zuführen gedenke, die sih in der Armee bewährt habe. Dann

könnte sich aber ereignen, daß ein Kandidat, der eine Heraus- |

forderung zum Duell abgelehnt habe, von einem Präsidenten mit militärishen Anschauungen für unwürdig befunden werde. Ebenso dürften Fragen fkonfessioneller Art hier und da Ver- anlassung geben, daß ein Kandidat für unwürdig befunden werde, man seh2, daß das Regulativ, welches in dieser Gestalt um ersten Male vor das Haus erschienen sei, Fragen weit- tragender Natur berühre. Um so mehr liege für das Haus Veranlassung vor, dasselbe hier zur Sprache zu bringen.

Hierauf nahm wiederum der Justiz-Minister Dr. Frie d- berg das Wori: : y : i Der Herr Abgeordnete hat zwei Fragen an mi gerihtet. Die erste geht dahin, worauf sih die geseßlihe Ecmächtigung zu der er- lassenen Verfügung gründe, und die zweite dahin, daß die Verfügung

. jedenfalls zu weit geht, selbst wenn ich die geseßlihe Ermächtigung

dazu behaupten könnte. Meine Ermächtigung zu dem neuen Regulativ und zu der angefochtenen speziellen Verfügung habe ih aus S. 14 des Gesetzes vom 6. Mai 1869 abgeleitet, derselbe lautet: i Der Justiz-Minister wird die zur Ausführung dieses Geseßes erforderlihen Anordnungen, namentlich alle zur Ergänzung noth- wendigen Grundsäße über die Art der Prüfungen, die Zusammen- seßung der Prüfungéekommissionen, die Vertheilung der Beschäfti- gungézeit, sowie über die wiederholte Zulaffung noch nicht bestan- dener Pcüfung in einem Regulativ festseßen. | Dieser §. 14 giebt also dem Justiz-Minister die Ecrmätigung, ein neves Regulativ zu erlassen und führt nun Beispiele dessen an, was jedenfalls in diescs Regulativ aufgenommen werden müsse; der 8. 14 beecngt aber den Justiz-Minister nit derart, daß er nichts anderes als was in diesem Paragraphen aufgeführt ift, in das Regulativ aufnehmen dürfe, sondern er giebt ihm die Ermächtigung zu einem Regulativ, in dem jedenfalls diese Punkte enthalten sein müssen. Nun habe ih in dem erlassenen Regulativ allerdings sest- gesetzt, daß der Präsident unter Berücksichtigung eîner allgemeinen

älteren Verfügung von dem sid Meld:nden den überzeugenden Nach- weis zu fordern habe, daß demselben für die Dauer von fünf Jabren die zum ftandesgemäßen Unterhalt erforderliben Mittel zu Gebote ständen. Meine Herren, eine folde Bestimmung war meines Erachtens nothwendig, weil bei dem großen Andrange zur Justiz in den leßten Jahren, namentli au in der Hoffnung auf die freie Advokatur, sih allerdings eine Anzabl von Personen meldeten, die ihrer ganzen sozialen und wirthscaftlihen Stellung nah Lie Gefahr mit fi bradbten, daß der Justizstard als folder dur§ Eindringkinge die- ser Art herunterkommen möhte. J weiß sehr wohl, daß niht Be- sitthümer und Geld daëtjenige ift, was den Mann matt, aber in einer Laufbahn, welche nothwendig voraussett, daß der sie Betretende eine ziemlide Reihe von Jahren wirthschaftlid selbständig gestellt sein müsse, damit er nicht zu Dingen verleitet werde, die mit der Würde des Standes, dem er sich widmen will, fih nit vertragen, diese Erwägung war es, die mi dazu veranlaßte, diese Bestimmun- gen zu treffen.

Ich darf anführen, daß die bloße Beschcinigung von Verwandten, daß der betreffende Kandidat fünf Fahre von ihnen werde unterhalten werden, vielfad sich als trügerisch herausgestellt hat. Mir ift beispielsweise cin Fall bekannt geworden, wo eine foicbe Bescheini- gung Anlaß gab, rähere Auskunft über den Aussteller der Be- \ceinigung ¿u fordern, und da ergab sich, daß der Ausfteller selbst von Armenunterstützungen lebte, und tennod frisbweg bescheinigte, daß er mit feinen Mitteln den Kandidaten erhalten könne und wolle!

Wende ich mich zum zweiten Theil der Frage, so hat der Herr Abgeordnete selbst nit den Verdacht geäußert, als ob mit der weiteren Bestimmung, der Präsident solle aub die Ueberzeugung gewinnen, daß der Geprüfte zur Zu- laffung zum hböheren Justizdienste würdig sei, irgend w:lcer v o- [itische Hintergedanke verbunden wäre. In der That ift keine andere Absicht damit verbunden, als die: von dem Eindringen in den Juristenstand Personen zu Anfang fern zu balten, von denen man nit die Hoffnung oder die Ueberzeugung haben kann, daß fie demnäcbst dem Juristenstande Ehre machen werden. Meine' Herren, zur Zeit find ih habe cs {on vorhin erwähnt in der Justiz gegen 4000 Referendarien. Der Hinweis darauf, daß von diefen 4000 jungen Männern dur die freie Advokatur ja cine große Reihe derselben bald nah bestandener zweiter Prüfung in eine wirthschaftlich gesicherte Stellung komme, is doch nur mit großer Vorsiddt aufzunehmen; denn die Erfahrung lehrt, daß der Wunsch, in die Advokatur zu treten, si immer mit dem Wunsche verbindet, diese Advokatur dann noch în einer der großen Städte zu üben, und selten geschieht es, daß der junge Jurist sehr geneigt ift, sch bei einem Amtêgerichte niedcrzulassen. Dieses Streben na den großen Städten hat einmal die Gefahr der Ueberfüllung der große tädte an Advokaten, und hat zweitens die weitere Gefahr der Verödung, des Mangels an Advokaten an den kleinen Gerichten, eine Gefahr, a De so größer ift bei einem Prozeß, der auf dem Anwaltszwange

eruht.

Ich darf und kann ja hier nicht mit Beispielen kämpfen, in denen id Ihnen Personen vorführen möchte, von denen auch der Herr Inter- pellant selbst anerkennen würde, daß cs sehr gut war, fie bei Zeiten von dec Iustiz fern gehalten zu haben, und daß es nicht erst nöthig ge- worden, fie naher durch Disziplinar- oder gar Kriminalerkenntnifse als unwürdige Glieder aus der Justiz wieder herauszubringen. Das Wort „unwürdig“, gebe ih zu, ist einer sehr weiten Deutung fähig, aber da der Gesetzgeber es felbst in seinem Gesetze gebraut hat, dürfen Sie, glaube ib, dem JustizeMinister keinen Vorwurf daraus machen daß er dasselbe Wort und zu demselben Zweck in das Regu- lativ aufgecmmen hat, J will übrigens bemerken, daß ich an diese Bestimmung gar nicht so {nell berangegangen bin, denn ih war mir sehr wohl bewußt, welche Anfeindungen si? erfahren könne, und sie sind mir denn aub, noch ebe sie hier in diesem Hause laut ges worden sind, {on von anderen Seiten nicht erspart geblieben. Ich glaube aber, daß die Bestimmung selbst troßdem eine gute ift, daß sie si bisher bewährt hat, und daß fie der Rechtspflege als folcher au fernerbin zu Gute Tommen wird.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, er halte den Zw:ck bei dem Regulativ für gut, die Mittel aber s{chlecht. Es sei gewiß löblich, daß der Minister bemüht sei, zu sorgen, daß nur ge- eignete Personen in den Juristenstand hineinkämen. Er gebe auch zu, daß es für einen jungen Mann am erwünschtesten sein müsse, das was ihm später bevorsteh», so bald als mög- lih zu erfahren ; aber er halte es für ganz verkehrt, daß ein Ober:Landesgerichts-Präsident für sih allein die Entscheidung darüber haben folle, ob der Kandidat zuin Staatsdienst zuge- lassen werden solle oder nicht. Wolle man eine Censurbehörde, dann müsse man auch ein ordentliches Kollegium und ein ordentlihes Verfahren, vor Allem eine Vernehmung einrihten. Aber man sollte niht das Schicksal eines jungen Mannes einzig und allein in die Hand eines Präsidenten legen. Dann sei auch der Ausdruck „würdig“ sehr vag. Der Minister sage zwar, der Ausdruck sei cinem Geseß entnommen. Allein, was beweise das? Ferner sei ein Vermögensnahweis verlangt. Man sollte den- selben fordern, ehe der junge Viann sih zum Examen melde, und nicht erst dann, wenn derselbe bereits ein großes Kapital unnüß aufgewendet habe. Er müsse sagen, er selbst würde einen solhen Nachweis, wie derselbe j-t gefordert werde, niht haben führen können. Aber er habe seiner Kraft vertraut, und habe als Referendar so vi:l verdient, um seinen Eltern all das Geld ersezzn zu können, welches sie ihm während seiner Studienzeit gewährt hätten. Man sollte sich wohl erinnern, daß der junge Beamte nicht allein Geld gebrauchz, sondern auch ein Kapital an geistiger Kraft. Mit solhen Bestim- mungen könne man nur tüchtigen Leuten den Weg ver- sperren. Er glaube nicht, daß die Verfügung aufrecht erhalten bleiben könne. Bedürfe es besonderer Maßregeln, fo ent- ließe man sih, ein Geseß zu machen. Das wolle er ruhig abwarten, bis dahin aber müsse auch diese Verfügung unbe- dingt sistirt werden. :

Der Regierungs8-Kommissar Geheime Justiz-Rath Hoffmann entgegnete, die angezweifelte Zulässigkeit der Bestimmung, daß der Ober-Landesgerichts-Präsident die Zurückweisung derjenigen Refendare aussprechen könne, welhe für nicht qualifizirt er- achtet würden, werde aus dem Schlußparagraphen des Ge- seßes vom 6. Mai 1869 abgeleitet, in welhem dem Justiz- Minister die Befugniß zum Erlaß der betreffenden Aus- führungsverfügungen ausdrücklich ertheilt werde. Es werde auch darüber keine Meinungsverschiedenheit bestehen, daß, wer unwürdig sei, zurückgewiesen rwoerden müsse. Auch das Dis- ziplinargeseß bestimme in §. 84, daß Unwürdige ohne weiteres Verfahren vom vorgeseßten Minister entlassen werden könnten. Nun, die Entscheidung des Ober-Landesgerihts-Präsidenten sei ja niht unangzeifbar, der Minister könne ja stets ange- rufen werden. Man könne vielleicht shüßendere Formen des Regulativs für die Referendare als wünschenswerth erachten, aber daß das Regulativ dem Sinne des Geseßes widerspreche, könne nicht erwiesen werden. :

Der Abg. Dr. Hänel erklärte, das Regulativ gebe keines- wegs nur die erforderlichen Ausführungsbestimmungen, fon- dern es stelle ganz neue Qualifikationsmomente für die Zu- lassung zum Staatsdienst auf. Nach dem §8. 14 des Regulativs könne dec Ober - Landesgerichts - Präsident nah bestandener Prüfung die Qualifikation zum Staats- dienste anzweifeln. So lange niht ein besonderes