1883 / 293 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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stimmung ihrer definitive Abstimmung keineswegs präju: diziren.

s Der Abg. Dr. Windthorst erklärie im Namen seiner poli- tischen Freunde sich für Ueberweisu",g des Anirags in die Kommission. Eine Bitte habe er aber an die Herren Ver- treter von Berlin, ob sie rets oder links säßen. Die Bitte gehe dahin, doc in die Verhandlungen hier niht immer die Berliner Kommunalverhä!tnifse hereinzuziehen; damit werde ¿tür Berlin weder eine Ansehenserhöhung bezweckt, noch seien die Aeußerungen dazu angethan, besondere Sympathien für Berlin zu erwedcken.

Der Abg. von Benda erklärte, der Standpunkt, den seine Partei zu der Frage einnehme, sei im Juni von feinem Kol- legen Hobre:cht ganz genau auscinandergeseßt worden, darum fönne er sich mit der Erklärung begnügen, daß feine Partei der Meinung sei, der Antrag könne nur in kommissarischer Bez:athung in rihtiger Weise behandelt werden.

Die Diskussion wurde geschlossen.

21 einer persöalihen Bemerkung erhielt das Wort der Abg. Büchtemann, welcher sich gegen die Anspielungen des Abg. Cremer in Bezug auf seine Thätigkeit als Eisenbahn- Direktor verwahrte.

Der Abg. Ludwig Löwe wandte si persönli gegen den Abg. Cremer. Mit dem Ausdru „vaterlandslose Räuber- gesellschast“ habe er solhe Leute gemeint, die sich als be- zahlte Subjektie für die Wahl hätten gebrauchen lassen. Na- men solcher Leute sei er gern bereit, respektablen Mitgliedern der Gegenpartei mitzutheilen. Ganz entschieden müfse er er- klären, daß er zu der englishen Gasgesellshaft nie in einer Beziehung gestanden habe. Auch er bedauere, daß die Ber- liner Lokalverhältnisse hier berührt seien. Den Anfang habe aber am 6. der Minister von Puttkamer gemacht.

Der Abg. Cremer bemerkte, die Angriffe seien nicht von der Rechten, sondern von der Linken begonnen worden. Er habe nur mit der nöthigen Schärfe geantwortet. Die JInsinuationen gegen seine Person hier zu beantworten, darauf wolle er ,verzihten. Eine Acußerung über des Abg. Löwe Beziehungen zur englishen Gasgesellschaft habe er nie gethan.

Der Abg. Freiherr von Minnigerode bemerkte dem Abg. Löwe, daß es auf seiner Seite keinen Unterschied von „respektablen“ und nicht respettablen Mitgliedern gebe.

Der Abg. Cremer erwiderte der Abg. Büchtemann, daß man es in Charlottenburg und Stegliß auf den Dächern pfeife, daß der Abgeordnete feine Stellung als Eisenbahn- Direktor zu Wahlbeeinflussungen benußt habe. Das beweise auch das fonservative Wahlresultat, seitdem der Abg. Büchte- mann nicht mehr Direktor der Potsdamer Eisenbahn sei.

Der Abg. Dr. Virchow, der als Mitantragsteller das Sc(hlußwort erhielt, bestritt, daß die Auflösung der Berliner Stadtverordnetenversammlung mit dem §. 79 der Städte- ordnung vereinbar sei, Die Königliche Kabinetsordre vom 23. Avril d. J., betreffend die Auflösung der Stadtverordne- tenversammlung, verstoße in ihrem Jnhalt gegen die aus- drüclichen Vorschriften der Städteordnung. Dort sei sofortige Auflösung vorgeschrieben, daher eine längere Frist zwischen dem Erlaß der Ordre und der Auflösung der Versammlung nicht gestattet ; ferner sei bestimmt, daß die neu zu wählende Versammlung in denselben Wahlbezirken zu wählen sei, wie die frühere; es sei also auch eine Aenderung der Wahl- bezirke unzulässig. Es liege in dem Vorgehen der Regierung lediglih ein ganz willkürliher Akt der Exekutive, der nicht na den Geseßen berechtigt gewesen sei. Sein Rechtsgefühl zwinge ihn, jeßt, nahdem vollendete Thatsachen einmal geschaffen seien, wenigstens einen Weg zu suchen, wie künftig ähnliche Ungeseßlichkeiten vermieden werden könnten.

-Ein konfervativer Gedanke sei die Berechtigung der Regierung

zur Auflösung der Stadtverordnetenversammlung gewiß nicht. Die Rechte beklage fich, daß die Linke die Berliner Beschwerden hier im Hause vorbringe. Gebe es denn aber überhaupt einen Ort, wo man fonst noch vor dem Lande über de2rartige Un- geseßlihkeiten der Regierung klagen könne? Der Minifter von Puttkamer sei unter dem Vorwande der Gerechtigkeit in das Geseß eingedrungen, unzweifelhaft, weil derselbe nebenbei gchofft habe, in die Berliner Stadtverordnetenversammlung einen wesentlihen Bruch zu bringen, den der Abg. Cremer jeßt als eine Wohlthat preise. Die Jnitiative dabei habe die sogenannte tonservative Partei in der Stadt gehabt. Auch in der irüheren Stadtverordnetenversammlung sei erörtert worden, wie man wohl die unzweckmäßige Eintheilung der Wahlbezirke ändern könne; aber solhe Eile habe das nicht gehabt, und er habe die Empfindung, daß die unliebsamen Urtheile, welche von Seiten der höchsistehenden Männer der Regierung in Bezug auf die Stadt geäußert seien, die Angriffe auf die Miethsfsteuer, die Kanalisation, alle Einzelheiten der Verwaltung, daß diese Angriffe in der That eine zusammenhängende Kette bildeten, an der fih die Regierung allmählich fortbewegt habe, bis fie zu dem wunderbaren Entschluß gekommen sei, der in der endlihen Auflösung der Stadtverordnetenversammlung gereist sei. Vielleiht werde noch der Richter darüber ent- scheiden müssen, ob die neue Versammlung zu Recht bestehe. Nur ein ganz rabiater Vertheidiger der Krone könne wün- schen, daß eine Versammlung bkestehe, die gegen das Gefes zu Stande gekommen sei. An der Hestigkeit des Wahlkampfes sei hauptsählih der Minister von Putt- kamer {uld; die Beamten desselben hätten die Neuwahl für einen Kampf gegen die alten Stadtverordneten gehalten, und sogar mit den Sozialdemokraten geflimmt. Wie stimme das mit dem Sozialistengesez, und werde den Sozialdemokraten bei politishen Wahlen dieselbe Freiheit gelassen ? Man nehme die Sozialdemokraten in Shuß, wo man sie brauche, fonst bekämpfe man sie. Er beantrage s{ließlich, die Kommission um sieben Mitglieder zu verstärken, da es sich um einen Gegenstand von so großer Traaweite handele.

Hierauf ergriff der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister von Puttkamer das Wort:

Fch bedauere sehr, daß ic durch einzelne Ausführungen des Herrn Vorredners genöthigt bin, von meinem Vorrewt, zu jeder Zeit das Wort zu nehmen, Gebrauch zu machen und die Debatte auf diese Meise wieder zu eröffnen. Icb hake mich nur gegen zwei Theile der Ausführungen des Hrn. Abg. Dr. Virchow zu wenden.

Er bat beute wiederholt die Behauptung aufgestellt und ih mache darauf aufmerksam, ohne den Schatten eines thatsählihen Nachweises zu erbringen die Thatsache, daß eine Anzahl von Be- amten gegen seine Freunde bei den Stadtverordnetenwahlen gestimmt baben, fei do wohl auf einen Druck von Seiten ihrer vorgeseßten Bekbörden zurückzuführen. Im Zusammenhang mit der xeulih von ibm gemachten Aeußerung, daß die Scußmannscaft kolonnen- weise zur Wahl angetreten fei, glaube ich annehmen zu müssen, daß er hierbei vorzugêweise das biesige Polizei-Präsidium gemeint habe. Es liegt mir im Interesse der öffentlißen Ordnung und Moral daran, hiergegen den ganz entschiedensten Widerspruch ju erbeten. Weil ja doch schließlih in dem Munde eines Herrn, wie

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es der Hr. Dr. Virchow if, jeder Verwurf ein aewi}es Gewicht hat, habe ich auf Grund und in pes \sciner neulicen Aeußerung Ver- anlafsung genommen, den Herrn Polizei-Präsidenten ausdrüdlich danach zu befragen, ob irgend ein greifbarer Anhalt dafür vorliege, daß der geäußerte Verdacht für begründet zu erabten sei. Der haît mir darauf in der positivsten Weite versichert, daß die einzige That- sache amtlich und nictamtli, die in dieser Beziz-hung vorläge, ein Tagesbefehl des Polizei-Obersten sei, wona die Schußmannscbaft für bestimmte Stunden am Wahltage behufs Einhaltung der Aus- übung ihres Wahlrechts dienstfrei gestelt werde. Alles andere ift absolut erfunden, und die Gewährémänner des Hrn. Dr. Virchow haben ihn fals berichtet, wenn sie ibm gesagt haben, daß irgend eine Direktive angegeben sei von Seiten der vorgeseßten Bebörde, die auf die Abftimmung einwirken föante. Es hat si auch Niemand um diz Abstimmurg der Beamten gekümmert, weil wir der Meinung gewesen sind, daß, wenn sie ihr Wablrecbt bei den Kommunalwahlen ausüben, sie mögen stimmen wie sie wollen, s in der Ausübung ihres guten Rechts befinden, und daß die vorgeseßte Behörde keineswegs dazu berufen ist, Mabnungen zu ertheilen, oder eine Kontrole darüber auszuüben, wie die Wahl stattgefunden hat.

Der Hr. Abg. Dr. Virhow ging aber, und biermit komme ih auf den zweiten Theil seiner Ausführung, nob cinen Schritt weiter und gab zu verstehen, die Regierung bätte wohl bier cinen ganz ent- schiedenen Pakt mit der Sozialdemokratie ges{lossen, indem sie mit versränkten Armen gesehen habe, daß von einer Anzabl von Staats- beamten ich weiß nicht ob sogleich oder bei den Stiwahlen für Mitglie- der der sogenannten Arbeiterpartei gestimmt worden sei. Daran wurde die Bemerkung geknüpft, es sei sonderbar, daß, während auf politischem Gebiet die Sozialdemokratie verfolgt und ihr Wahlrecht verkümmert werde, man bet der Kommunalbewegung der sogenannten Arbeiter- partei vollkommen freie Hand gelaffen habe. Ich kann dem Hrn. Abg. Dr. Virchow bierfür cine sehr einfae Ecklärung geben. Die Regierung hat den Wuns, genau nach dem Geseße zu verfahren. Wer giebt uns denn das Recht, wenn hier bei den Kommunalwabslen, sagen wir einmal, der vierte Stand sih zusammenthut und ganz be- stimmte Beschwerden vorzubringen hat wer giebt uns denn das Recht, solche Leute unter die §S. 1 und 9 des Sozialiftengesetes zu subsummiren? Will der Abg. Dr. Virchow die Ver- antwortung dafür Übernehmen ? Nein, wir haben nur denjenigen Strömungen innerhalb der sozialdemokratis&en Be- wegung entgegen zu treten, welche in einer den öffentlicen Frieden gefährdenden Weise auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellshaftsordnung gerichtet sind. Der Hr. Abg. Dr. Virchow möge erst den Beweis führen, daß die Arbeiterpartei bei dieser Wahl- bewegung irgend etwas gethan oder geäußert hat, welches uns zu der Vermuthung Recht giebt, sie habe Bestrebungen der foeben charakteri- sirten, unter das Sozialistengeseß fallenden Art verfolgt.

Der Hr. Abg. Dr. Virdow sceint es mit der Pflicht der Be- hörden, die Gesetze zu beobaten, in diesem Falle überaus leit zu nebmen, während er sonft immer der Erste ist, die Regierung in dieser Beziehung auf ihre Pflichten aufmerksam zu machen. Ich bitte ihn, bevor er foldbe Andeutungen macht, sih das etwas näher zu überlegen und namentlich die Reicbégeseße etwas eingehender zu ftudiren; dann wird er finden, daß das Verhalten der Behörden auf diesem Gebiete nicht nur ein korrektes, sondern durchaus gebotenes gewesen ift.

Ein Antrag, die durch die Rede des Ministers wieder- eröffnete Debatte zu {licßen, wurde abgelehnt, und es erhielt das Wort der Abg. Dr. Virhow. Derselbe erklärte, was der Minister ihm vorwerfe, sei unzutreffend. Er verlange nur, daß der Minister von Puttkamer seine Organe nit zu einer bestimmten Zeit das Gegentheil von dem thun lasse, was sie zu einer anderen Periode thäten. Die Arbeiterpartei habe in Berlin Flugblätter vertheilen lassen, über deren sozialistische Tendenz der Minister von Puttkamer nicht habe zweifelhaft fein können. Diese Flugblätter habe die Polizei er| nah der Wahl konfiszirt , als fie bereits gewirkt gehabt hättèn. Er wisse ja niht, db jene Schußleute, die erwähnt seien, Anti- semiten oder Sozialdemokraten gewesen seien oder niht. Aber es seien nur zwei Möglihkeiten denkbar: Entweder seien die Beamten, welche erst für die Bürgerpartei , dann für die So- zialisten gestimmt hätten, in sozialistishem Sinne umgestimmt, oder aber von ihren Vorgeseßten beeinflußt. Beides wäre gleih bedauerlich. Die juristishe Seite der Sache habe der Minister von Puttkamer leider ganz unberührt gelassen.

Demnächst nahm der Staats:Minister von Puttkamer das Wort :

Fa, für mi ist nnn eben die andere Seite die wichtigere, die- jenige, welbe sich auf die Angriffe bezieht, die der Abgeordnete Bircbow auf die hiesigen Behörden und deren Thätigkeit während des letztverflossenen Wakblkawpfes gerichtet hat. i

Er hat an die Reihe seiner von mir widerlegten unrihtigen Be- merkungen eine neue unrichtige Thatsache geknüpft, und damit wabr- scheinlich geglaubt, das Gewicht der ersten zu verstärken. Er hat ganz positiv erklärt, die Polizei habe während des Wahlkampfes die Flug- blätter der Arbeiterpartei nit unterdrückt, während sie, nawdem der Wahlkampf vorbei gewesen sei, also die Flugblätter ihre Schuldigkeit gethan hätten, dann sofort zugesprungen wäre, und die demnächst er- schienenen unterdrückt habe. Meine Herren! Es ift jedes einzelne von jener Partei während des Wahlkampsfes erscienene Flugblatt auf die Frage hin, ob es geseßlich zulässig sei, dasselbe nach den grundlegenden Bestimmungen des Sozialistengeseßes mit Bescblag zu belegen, dur Justitiarien des Polizei-Präsidiums geprüft worden. In denjenigen Fällen, wo diese Frage hat vereint werden müssen, hat man die Flug?

lätter unbeanstandet erscheinen und verbreiten lassen, und in den- jenigen Fällen, wo man geglaubt bat, sie beschlagnahmen zu müßen, sind sie mit Besblag belegt worden. Vas ist die einfache geschicht- lie Thatsache. Ich konstatire von Neuem, daß in dieser Beziehung die Behauptungen des Abg. Virchow unrichtig sind.

Ic will demselben noch etwas mittheilen, was ja in den Kreis dieser Betrachtungen gehört. Ich habe allerdings, nachdem der Hr. Abg. Virchow die für mich bisher unbekannte und au indifferente That- sabe angeführt hatte, daß in eincm Kreise Schußleute für die Arbeiter- partei gestimmt haben, den Hrn. Polizei-Oberst Herquet zu mir bitten laffen und ihn über diesen Punkt befragt. Er hat mir zu- nächst was ich übrigens von vornherein für bemerkenewerth gehalten habe erklärt, daß von seiner Seite Teinerlei Einwirkung auf seine Untergebenen stattgefunden habe, sodann hat er mir mit-

etheilt, wie es ihm zu Ohren gekommen sei, daß in einzelnen Fällen bei einer Wahl bedauerliher Weise der eine oder andere Shußmann für den Kandidaten der Arbeiterpartei, nit der Sozialisten gestimmt habe ih trenne diese beiden Begriffe Arbeiter und Sozialdemokrat vollständig von einander. Auf meine Bemerkung, daß dies doch bödbft auffallend sei und was sich diese Leute dabei gedacht baben mögen, sagte er mir, nach seiner Meinung hätten diese Beamten, die doch ibr Wablreht hätten ausüben wollen, in einer Zwangslage aesteckt und wären mit Rücksit auf den Charakter und die ganze Art der biesigen Kommunalbewegung dazu gelangt, die Bestrebungen der Arbeiterpartei auf diesem Felde für weniger bedenklich zu halten, als die der Fortschrittspartei. So ift der einfae Sachverhalt, an dem ih meinerseits cine Kritik zu üben kcine Veranlassung habe.

Der Abg. Frhr. von Minuigerode erklärte, er müsse dem Antrage auf Verstärkung der Gemeindekommission wider- sprechen, da er die Kommission in ihrer jeßigen Stärke für völlig ausreihend halte. Er glaube außerdem, daß der Abg, Virchow, wie neulih der Abg. Richter, das Schlußwort in einer den Verhältnissen nicht entsprehenden Weise benußt habe. Wenn dem Antragsteller durch das Sc(hlußwort schon ein privilegirter Plaß eingeräumt worden sei, so wäre doch zu wünschen, daß derselbe diese Gelegenheit niht dazu benuge, neue polemishe Elemente einzumengen, auf die entweder eine

Neplik niht mögli sei, oder die zu einer unliebsamen Ver- längeruna der Debatte führen n.üsse.

Der Abg. Büchtemann bemeckte, der Abg. von Minnigerode verwechsele offenbar Antragsteller und Berichterstatter. Der Antragsteller habe das Recht, im Schlußwort sich gegen alle Angriffe zu vertheidigen, und der Abg. Virchow sei überhaupt erst deshalb auf gewisse Dinge näher eingegangen, weil der Minister sich bieher noch gar nicht geäußert habe. Die Aeußerungen des Abg. Virchow über das Verhalten der Polizei

egenüber den Wabhlflugblättern beruhten durhaus auf

ahrheit. Die Wahlflugblätter der Arbeiterpartei hätten einen entshieden sozialistishen Charakter getragen und von einem Wahblflugblatt wisse er bestimmt, daß es \{hon einige Tage vor der Wahl verbreitet gcwesen sei, und daß erst seine zweite Auflage am Tage der Wahl konfiszirt sei. Daß eine direkte Wahlbeeinflussung auf die Beamten Seitens. der Vorgeseßten stattgefunden habe, sei durchaus nicht noth: wendig. Die Scugzleute hätten ganz gut wissen müssen, wie sie zu wählen hätten, nahdem der Minister vou Puttkamer im Hause erzählt habe, was denjenigen Beamten bevor- stehe, die eine oppositionele Stellung gegenüber der Regierung einnähmen. Gegen die Vorwürfe, welde man gegen die Berliner Einshäßungskommission erhoben habe, lege auch er entschiedene Verwahrung ein.

Der Abg. Dr. Windthorst betonte, man sei nun doch wieder mitten in diese Berliner Dinge hineingerathen. Mit der Ansicht des Abg. von Minnigerode über das Scchlußwort sei er niht einverstanden. Welche Bedeutung sollte das Shlußwort überhaupt für den Antragsteller haben, wenn derselbe sich nit darin generell über die ganze Materie der Diskussion verbreiten könnte? Er sei ferner gewiß kein So- zialist; aber wenn die Arbeiterpartei, sei sie sozialistisch oder nit, in den Kommunalwahlen auftrete, und sih dabei ganz auf den Boden der Neformen begebe, und den Boden der Gemalt verlasse, so sei das nur erfreulich und ein enormer Fortschritt. Er sei daher erstaunt, daß die Herren vom Fort- schritt heute die Polizei angerufen und sich darüber beklagt hätten, taß dieser Arbeiterpartei, die si auf den Weg- der Reform begeben habe, nicht entgegengetreten worden sei.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein erklärte, die Handhabung des Schlußworts müsse diskret sein, und könne er sch hier dem Vorredner nicht anschließen. Auch er sei aber erstaunt, daß die Fortschrintspartei sih beschwert habe, daß die Polizei der Arbeiterpartei nicht entgegengetreten sei, welhe in der Ber- liner Wahlbewegung nur ihre berehtigten Bestrebungen ver- folgt habe, und dabei mindestens ebenso taktvoll gewesen sei, als eine der anderen streitenden Parteien. Die Fortschritts- partei merke eben, daß in dem Moment, wo die Arbeiterpartei fih von umstürzlerischen Zielen loslöse und sich auf die Bahn der Reformbewegung begebe, eine Vereinigung der Gegensäße zwischen Fortschritt und Arbeiterpartei absolut unmöglich ge- worden sei. Daher der heutige Angriff. Man werde der Fortschrittspartei das noch gedenken.

Der Abg. Dr. Virhow bemerkte, die Abgg. Windthorst und von Hammerstein hätten ihn mißverstanden. Darüber, daß die Sozialisten in den Kommunalwahlen aufgetreten seien, habe er nit geklagt; er wolle im Gegentheil, es möge ihnen dieselbe Freiheit auch bei den politishen Wahlen gewährt werden. Er habe nur sich über das so ganz willkürliche, ein- seitige und gefährlihe Vorgehen der Regierung beschwert, welche dieselben Dinge heute für unzulässig, morgen für zu- lässig ansehe, Auch er freue si, wenn die revolutionäre Be- wegung der Sozialdemokratie mehr und mehr eine Reform- bewegung werde. Er selbst habe erst in voriger Woche dies- in einer Versammlung hier erörtert. Er habe nicht den Schutz der Polizei hegen die Sozialdemokraten angerufen, viel- mehr nur hervorgehoben, daß Sozialisten und Polizei ge- E worden seien, um gegen die Fortschrittspartei ins Feld zu ziehen,

_ Auf eine Anfrage des Abg. Rickert zur Geschäftsordnung, wie der Präsident die Frage des Schlußworts des Antrag- ftellers handhaben werde, erflärte der Präsident von Köller : Die Geschäftsordnung sage: „Antragsteller und Berichterstatter erhielten, wenn sie es verlangten, das Wort sowohl am Be- ginn wie am Schluß der Diskussion.“ Sie ständen daher beide Male ebenso da wie jeder andere Redner. Wofern sie sih zur Sache hielten, könne er sie nit unterbrechen.

Der Abg. Dr. Windthorst blieb dabei, daß die Herren von der Fortschrittspartei die Polizei gegen die Arbeiterpartei an- Mrinen hätten. Der Minister habe gesagt, daß das Polizei-

räsidium die betreffenden Flugblätter geprüft und dana ihre Statthastigkeit beurtheilt habe. Die Polizei U also die be- stehenden Geseße benigne interpretirt zu Gunsten der Arbeiter- partei und im Sinne derer, welche das Sozialistengeseß be- \chränkt haben wollten. Diese Konsequenz habe der Abg. Virchow wahrscheinlih übersehen. Man müsse gegenüber der immensen und bedeutungsvollen Arbeiterbewegung sehr vor- fihtig sein und allen berehtigten Ansprüchen überall entgegen- kommen, fo lange si die Arbeiter in den Grenzen der Gesetze hielten. Nur wo ihre Ziele revolutionär würden, müsse man ihnen entgegentreten.

Hierauf nahm wiederum der Staats-Minister von Puttkamer das Wort:

Zur Vermeidung und Verhütung jedes Mißverständnisses über die Thätigkeit der Polizei auf diesem Gebiete erkläre ih ausdrüdli, daß von einer Interpretation benigne keine Rede ift, sondern die Justitiarien des Polizei-Präsidiums, wel{en es obliegt, auf diesem Ge- biete Beirath zu ertbeilen, haben, dur{drungen von der Schwere der Verantavortung, die den Behörden das Na s tengeses auferlegt, ge- prüft, ob der Inhalt der betreffenden Flugblätter objektiv geeignet war, zu einer Konfiszirung auf Grund des Sozialiftengeseßes Anlaß zu geben. Das ist bei einzelnen Flugblättern verneint, bei anderen bejaht worden, und wenn ih in der lezten Rede des Hrn. Abg. BVBüchtemann. über ein ganz bestimmtes Flugblatt, welches man, wie er meint, wegen der Wahlbewegung habe passiren lassen und dann na Absc{luß der Wablbewegung erst konfiszirt habe, so erkläre ich diese mir sehr bekannte Thatsace ganz einfach dadur®, daß die Polizei in Beziehung auf den Inhalt dieses Flugblattes dur den aufgedruckten Kopf getäus{t worden ift, welcher genau überein- stimmte mit einem Flugblatte anderen Inhalts. (Große Unruhe links) Ja, meine Herren, wollen Sie das nitt anhören, oder wollen Sie es hören? (Glode des Präsidenten) daß die EAROHENE also erst nachträglich erkannte, daß ein Anlaß zum Einschreiten vorlag Das ift der einfahe Vorgang, der mir sofort amtlich berihtet wurde. Also es liegt in dieser Beziehung kein Grund vor, irgend einen Mangel an bona fides bei dem Verfahren der Polizeibehörde ¿U behaupten. Ich bin der Meinung, daß wir nicht das Recht hatten, der sogenannten Arbeiterpartei in ihrer legitimen Thätigkeit in Bezug auf diese Kommunalwahl mit der Schärfe des Sozialistengeseßes ent- gegenzutreten. Wir würden uns dadur einer flagranten Geseße8- verlezung shuldig gemaht haben. Jm Uebrigen muß ih dem, was in dieser Hinsi@t von Hrn. Abg. Windthorst gegenüber dem Hrn. Dr, Virchow gesagt ift, vollkommen beistimmen. Es lag allerdings

in den Ausführungen des Hrn. Abg. Virchow eine Kritik der Polizei nach der Richtung bin, daß De im vorliegenden Falle gegenüber der Arbeiterpartei ihre Schuldigkeit nicht gethan habe. Das ift voll- kommen unrichtig. Wir baben ganz genau bei jeder einzelnen Ma- nifestation der Arbeiterpartei in ihren Verhandlungen sowohl wie in ihren Flugblättern geprüft, ob sie das Terrain der objektiven und ruhigen Wahlbewegung verlassen, und soweit wir uns davon Üüber- zeugen mußten, daß dies niht gesDehen sei, haben wir uns nit für berechtigt gehalten, ihr das mindeste Hinderniß in den Weg zu legen. Ich werde au künftig in allen ähnlichen Fällen nicht blos selbst so verfahren, sondern auch den Herrn Polizei-Präsidenten ersuchen, die ganz richtige Linie, die er si für seine Thätigkeit vorgezeichnet hat, nicht zu verlafsen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, die Fort- schrittspartei könne nit leugnen, daß sie die Beschränkung der Agitation der Arbeiterpartei bei den Berliner Kommunal- wahlen lebhaft gewünscht habe. Wenn fie die Konfiskation der Broschüren verlangt habe, so sei das eben ein eminenter Appell des Fortschritts an die Polizei. Vorher hätten sich die Herren ja auch recht gern alle Konsequenzen des Sozialisten- geseßes gefallen lassen. Es hohc sich in Berlin um kom- munale Zwecke gehandelt , während das Sozialistengesetz allgemeine politishe Zwecke verfolge. Die Linke müßte sich mit der Rechten nur freuen, wenn die Arbeiter die Umsturz- bestrebungen verließen, um im Hause auf praktishem Voden zusammenzuwirken.

Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, der Vorredner habe soeben, beinahe wörtlich, eine Rede produzirt, welche der Abg. Virchow vor aht Tagen in einer Berliner Versammlung gehalten habe. Auhh er begrüße es mit Freuden, daß die Arbeiterpartei bei den Kommunalwahlen sih auf den Boden der realen Politik gestelt habe. Der Abg. von Minnigerode könne also einen Gedanken Virhows s{chwerlich zu einer Polemik gegen die Fortschrittspartei benugen. Er finde es unbegreifslih, wie die Beamten im Polizei-Präsidium nur den Kopf der Flugblä:ter lesen und sich dadur hätten täuschen lassen können ; fie hätten doch natürlih den ganzen Wortlaut lesen müssen. Thatsache bleibe es, daß Flugblätter erst nah den Wahlen konfiszirt seien, vorher aber hâtten ruhig erscheinen dürfen. Diese un- gleichmäßige Handhabung der Gesetze bekämpfe er. Der Abg. Windthorst möge, wenn es sich um die Verlängerung des Sozialistengeseßes handele, mit Thaten seinen heutigen Stand- punkt zum Sozialistengeseß festhalten !

Demnächst ergriff nochmals der Staats-Minister von Puttkamer das Wort: ;

F wollte nur dem Hrn. Abg. Dr. Hänel sagen, daß die Juristen des Polizei-Präsidiums auch zu den Leuten gehören, die Keinen bängen, fie hätten ihn denn zuvor. Diejenigen Organe der Polizei, welce Sie als solche bezeichnet baben, die durch den äußeren Anschein der betreffenden Flugblätter getäusht worden sind, find Beamte, welche auf den Straßen die Blätter in Bescblag genommen haben. Soviel Umsicht wird der Hr. Abg. Hänel wohl den Beamten zutrauen fönnen, wenn ibnen ein \criftlihes Dokument zur Prüfung vorgelegt wird, daß sie nit blos den Kopf, sondern auch den Inhalt lesen. Ich glaube also, es war das ein etwas unglücklicher Ausfall gegen den betbeiligten Beamten. .

Der Abg. Dr. Langerhans fragte, wie fei es denn ge- fommen, daß niht nur Flugblätter der Arbeiterpartei erst zu- gelassen und, nachdem sie gewirkt hätten, konfiszirt seien, son- dern daß man auch die Versammlungen der Arbeiterpartei während der Wahlagitation geduldet, und nach ftattgehabter Wahl weit friedlihere Versammlungen derselben Partei unter irgend einem Vorwand aufgelöst habe? Nur über diese ver- shiedene Handhabung desselben Gesetzes habe seine Partei ge- flagt. Daß die Arbeiterpartei sich auf den Boden der Reform zu begeben anfange, freue au jeine Partei, Er meine noch heute, man hätte die Sozialdemokratie besser bekämpfen können, in ihrer verkehrten wirthschaftlichen Richtung, wenn man das Sozialistengesey nicht erlassen hätte. 5 :

Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) erklärte, die heutige Debatte sei insofern niht ohne Jnteresse, als sie den Arbeitern zeigen werde, wo ihre wahren Freunde seien. (Lachen links.) Die Linke lache, aber das Publikum draußen stimme in das Gelächter niht ein. Heute sei die Linke einmal wider Willen offen gewesen. Zwar habe fie nachher versucht, den Rücfßzug anzutreten ; allein es sei ihr nit gelungen. Sie habe dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß die Flugblätter der Arbeiter- partei nicht frühzeitig genug fonfiszirt seien. Die Fortschritts- partei habe, um die Beschlagnahme der Arbeiter-Flugblätter zu motiviren, auf das sogenannte Sozialistengeseß hingewiesen er sage das sogenannte Sozialistengeseß, weil sih dasselbe

gar nit gegen den Sozialismus an si, sondern nur gegen | gemeingefährlihe Bestrebungen desselben wende wo aber sei in jenen Flugblättern von solchen Bestrebungen etwas zu verspüren gewesen ? Auch das Programm der Arbeiter sein rein sachlich. Wie sollte also ein Einschreiten der Polizei gegen dieselben motivirt werden? Mit all den Redensarten, welche die Linke jeßt mate, täushe man Niemand. Keiner Partei habe das Sozialistengesez so viel genüßt als der Fortschrittspartei. Sie habe die Früchte desselben geerntet! Der Abg. Virchow habe dem Abg. Cremer noch den Vorwurf gemacht, daß der- selbe von einer parteiishen Einshäßung gesprochen habe. So habe der Abg. Cremer sich niht ausgedrüdt; derselbe habe nur angedeutet, daß die Zusammensezung der Einshäßungs- fommissionen die Besorgniß nahe lege, daß bei der Ein- {häßzung auch dic politische Parteifärbung berücksichtigt werde. Er müsse sagen, daß in weiten Kreisen eine solche Befürchtung gehegt werde. Hier im Hause aber und vor der Bevölkerung im Lande wolle er nohmals konstatiren, daß die Linke Klage darüber geführt habe, daß das Sozialistengesey nicht mit aller Schärfe gegen eine Partei in Anwendung gebraht worden sei, welhe der Fortshrittspartei gegenüberjtehe.

Die Debatie wurde hierauf ge\schlosjen.

Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Windthorst, ihm habe jede Jnsinuationsabsicht gefehlt. Er berufe sih aber auf den stenographishen Bericht, der beweisen werde, daß besonders der Abg. Virchow sih beschwert habe, es sei niht früh genug gegen die Flugblätter der Arbeiterpartei eingeschritten. Daß er den Eindruck, welchen diese Erklärungen auf ihn gemacht, dem Hause mitgetheilt habe, dafür könne die Linke ihm nur dankbar sein, und wie er sehe, habe die Linke au bereits mit Geshick den Rückzug angetreten. Wenn der Abg. Hänel geglaubt habe, ihn mit seinen Aeußerungen bezüglich des Sozialistengeseßes festnageln zu können, so irre derselbe sid. So leiht gehe das niht. Aus seiner Rede werde die Linke entnehmen, daß er verschiedene Wege ofen gelassen habe. Je nah den vorliegenden Umständen werde das Centrum einen derselben betreten. Heute aber schon die Stellung seiner Partei zum Sozialistengeset klar zu legen, dazu läge keine Veranlassung vor.

Der Abg. Dr. Hänel, der nunmehr das Schlußwort noch- mals erhielt, erklärte, die Rede des Abg. Wagner sei insofern von Interesse gewesen, als sie denselben Gelegenheit gegeben yabe, einmal seine Methode zu entwickdeln. Der Abg. Wagner habe mit der Konstatirung einer Thatsache begonnen. Der stenographische Bericht werde bald erweisen, daß diese Konsta- tirung eine Unwahrheit sei. Der Abg. Virchow habe nicht gesagt, was der Abg. Wagner demselben untergelegt habe, sondern das direkte Gegentheil davon. Der Abg. Waaner fin sich zuerst etwas unklar ausgedrückt, habe aber ofort einen erläuternden Zusaß gemacht, so daß über dessen wahre Meinung gar fein Zweifel aufkommen fönne. Die fernere Methode des Abg. Wagner gehe dahin, daß derselbe mit sehr shönen Redewendungen seiner Partei gesagt habe, sie wüßte gar niht, was das Sozialistengesetz sei. Die Fortschrittspartei sei dem Nbg. Wagner jehr dankbar für diese Belehrung, sie stehe auf der Höhe der Gemeinpläge, die man auch sonst von dem Abg. Wagner zu hören gewöhnt sei. Das müsse er freilih sagen, daß, wenn einmal Konfis- tationen sozialistisher Publikationen vorgenommen würden, die Reden des Aba. Wagner in erster Linie verdienten, diesem Schickfsal zu verfallen. Ein Drittes in der Methode des Abg. Wagner bilde die einfahe Verdähtigung. Es werde der Berliner Stadtverwaltung hier eine allgemeine Behauptung von patrteiliher Einshäßung produzirt. Glaube man, daß irgend eine Stadt im Lande existire, wo nicht irgend eine Person mit ihrer Einshäßung unzufrieden wäre? Solche Behauptungen, wie der Abg. Wagner dieselben mit Pathos vorgebraht habe, seien entweder nihtênußige Gemeinpläße (großer Lärm rechts, der Präsident erklärte den Ausdruck nihtsnußzig für nicht zulässig) . . . dann wolle er jagen nichts nußende Gemeinpläße, oder sie bekundeten, daß man den Muth nit habe, zu sagen, was man wisse. Jedenfalls sei er sehr erfreut, daß der Abg. Wagner ihm Gelegenheit ge- geben habe, seine ganze Methode einmal an einigen praktischen Beispielen darzuthun.

Persönlih bemerkte der Abg. Dr. Virchow: der Abg. Wagner sei in wenig geschickter Weise von dem Abg. Cremer ausgegangen. Derselbe habe indessen zur Beschuldigung der

bringen können. Es berühre eigenthümlich, den Abg. Wagner sich in einer solhen Frage auf das Gerede weiter Kreise zu- rüdcziehen zu sehen.

Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) erklärte, ob er in geshickter Weise vorgehe oder nit, darüber könne der Abg. Virchow das Urtheil ihm allein überlassen. Er wiederhole nur, daß es eine Thatiache sei, daß weite Kreise die Befürch- tung hegten, die nur aus Fortshrittlern zusammengeseßte Ein- shäßungskommission berücsichtige die politische Parteistellung. Dem Abg. Hänel, der ihm seinen Pathos vorwerfe, rufe er zu: „Splitterrichterei!“ Der Abg. Hänel werfe ihm vor, daß er nur mit Gemeinpläßen operire, aber er habe feinen Gemeinplaß vorgebraht. Wenn der Abg. Hänel weiter an- gebe, der Abg. Virchow habe sich vielleicht niht ganz korrekt ausgedrüdt, fo fönne er mit dem Abg. Windthorst sagen : „er habe ihn ganz korrekt verstanden.“

Der Antrag wurde darauf der unm sieben Mitglieder ver- stärkten Gemeindekommission überwiesen.

Es folgte die Verlesung der vom Abg. Stengel einge- braten Jnterpellation, betreffend die Vorlegung eines Geseß- entwurfs über die Heranziehung der juristischen Personen zu den Gemeindeabgaben in den Land- aemeinden der sieben östlihen Provinzen und der Provinz Schleswig-Holstein. Dieselbe lautet:

In der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 8. März 1882, bei der ersten Berathung des Antrages wezen Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Heranziehung der juristisben Per- sonen zu den Gemeindeabgaben in den Landgemeinden in den fieben östlichen Provinzen und der Provinz Schleswig-Holstein, stellte der Nertreter der Königlichen Staatsregierung die Vorlage eines Geseßzentwurfes, welcher nit allein die in jenem Antrage angeregte Angelegenheit, soudern au andere Fragen der Kommunalbesteuerung regeln follte, bercits für die Session 1882/83 in sichere Aussicht.

Nachdem die vorige Session zu Ende gegangen ift, ohne daß diese in allen Theilen der Monarchie sehnlih erwartete Vorlage gemacht ist, und aub zur Zeit nochþ Nichts darüber verlautet, wann fe dem Landtage zugehen wird, erlaube ih mir die Anfrage zu stellen : :

Beabsichtigt die Königlibe Staatéregierung, den versprochenen

Gesetzentwurf in dieser Session und zwar so frühzeitig vor-

zulegen, daß er von beiden Häusern des Landtages noch be- rathen werden kann ?

Der Abg. Stengel e-klärte, die Entwikelung der Kom- munal-Steuerg:sezgebung habe niht Schritt gehalten mit der wirthschastlihen Entwickelung; es seien dem Hause auch s{chon drei Mal darauf bezügliche Geseßentwürfe vorgelegt worden, die aber niemals zu definitiver Erledigung gekommen jeten, weil man si über den allgemeinen Theil derselben nicht habe einigen können. Vielleiht wäre es besser gewe}en, einzelne Fragen zu erörtern, deren Erledigung allgemein als dringend anerfannt worden sei. Seine politishen Freunde hätten des- halb {hon in früheren Jahren den Versuch gemacht, die Frage der Besteuerung der juristishen Personen, die gerade in den östlihen Provinzen zu den lebhaftesten Klagen Veranlassung gegeben habe, zu regeln. Die Behandlung seines Antrages am 8. März 1882 habe ergeben, daß im Hause noch weiter- gehende Wünsche bestanden hätten, daß man den Antrag geo- graphisch zu eng gefaßt habe. Auch die Regierung habe die Nothwendigkeit einer Aenderung anerkannt. Die Regierung babe damals erklärt, daß der Gesegentwurf 1n derselben Session zwar niht mehr vorgelegt werden töônne, habe ihn aber für die abgelaufene Session 1882/83 in sichere Aussicht gestellt. Der Antrag sei damals der Gemeindefommisjion überwiesen, sei aber niht zur Berathung gekommen, weil ja eine Vorlage in Ausficht gestanden habe. Jn der vorigen Session sei dieselbe niht von der Regierung vorgelegt, es verlaute auch jeßt nichts davon; die Beunruhigung der Be- völkerung wahse. Seine Partei sei so durhdrungen von der Nothwendigkeit der baldigen Regelung der Frage, daß ste die-

selbe immer wieder anregen werde, und wenn die Regierung nicht bald eine Vorlage einbringe, selbst einen Geseßentwurf vorlegen werde.

Demnächst ergriff der Staats-Minifter von Puttkamer das Wort. (Wir werden morgen diese Rede im fteno- graphishen Wortlaut bringen.)

Auf den Antrag der Abgg. Dr. Lieber (Montabaur) und Dr, Meyer (Breslau) wurde die Besprehung der Interpellation beschlossen, dieselbe wird aber erst in der nächjien Sißung stattfinden. /

Hierauf vertagte sich um 4 Uhr das Haus auf Dorner- stag 11 Uhr.

Einschäßungskommission auch nur leere Behauptungen bei-

F Suserate für den Deutschen Reich8- und Königl, Preuß. Staats-Anzeiger und das Central-Handels- register nimmt an: die Königliche Expedition

des Deutschen Reihs-Anzeigers und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers: Berlin 8W., Wilhelm-Straße Nr. 32.

Steckbriefe und Untersuchungs - Sachen.

[54466] Maurer Julius Adolpb Reich wegen {weren Dieb-

Oeffentlicher

1. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen. 5, Industrielle Etablissements, Fabriken und

9, Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen

u. dergl : 3, Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen ete. 4. Verloosung, Amortisation, Zinszahlung W. t) n. 8. w. von öffentlichen Papieren,

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d Æ nzeiger. Inserate nehmen an: die Annoncen-Expeditionen des

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& Bogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte,

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Mühle, bezüglih der Müble und Dependenzen am unter Sektion B. Nummer 68, 69, 70, 71 und 1382

[54465] : enzen am | unter Sektion B. 70, t . 4 den | Mittwoch, den 16. Januar 1884, auf Anstehen | für einen Flächeninhalt von a. 12 Ar 89 Centiar S Ebrieis e Eo, O tue y des ails ai Berberih, zu Dieden- | Boden und b. 51 Ar 10 Centiar Oberfläche von

Steckbriefs-Erneuerung, Der binter den Steuer- ftabls in den Akten U. R. I. 176, 83 unter dem | hofen wohnhaft, als Verwalter der Konkursmafse | Damin und Rand, c. 25 Ar 64 Centiar Garten.

erheber Karl Rocholl, am 23. Januar 1844 zu | 59 März 1883 erlassene Steckbrief wird zurück- dee uni Faver Alphons Dies at, O i

; rlin, Alt-Moabit Nr. 11/12 (XW.), | Müller, zu Didingen wohnhaft, zur öffentlichen Bere | gelegen 1, E L a j steigerung der nabezeihneten Liegensbaften ge- | Sektion B. Nummer 72 des Plans. schritten werden, welche zu dieser Konkur8majsje ge-

Bann Wallerchen : ; 1) 82 Ar 40 Centiar Wiese, Kanton Kirt, dit | longuenr de Fintlach, Sektion C. Nummer 15 des 45 000 Katasterplans, neben Anstößern und der Nied, tarirt

Soest geboren, vom Untersuhungsricbter beim

Kgl. Landgericht T. hier unterm 16. September | den 11. Dezember 1883, Königliches Landgericht 1. 1881 wegen Unters{lagung in den Akten U. R. E Si UÜntersucbungörichter. Ges g

958/81 erlassene Steckbrief wird hiermit erneuert. Berlin, den 4. Dezember 1883. Könialice Staats- [54470] anwaltschaft beim Landgericht I.

[54467]

Bekanntmachuug. Voru sache gegen die unverehelichte Friederike Trumpf, gen. Buber, von bier, ift das Zeugniß des Handels-

bôren, nämlich:

In der Voruntersuchung®-

Steckbriefs-Ernenerung. Dec hinter den Shank- } anns August Encke aus Alt-Salze erforderlich. | zu 2000 M

wirth Bernhard August Rohr, geboren am 4. Juni | Fz j rsubt, den jeßigen Aufenthalt desselben

1838 zu Cadlau, Regierungsbezirk Breslau, wegen A Salberstadt, den 10 Sireiidee dn brenil de Fintlach sur le moulin, Seftion C.

| ubungsrihter bei dem Königlichen | Nr. 16 des Katasterplans, neben der Wallerchen Gc-

meindewiese und der Nied, taxirt zu 1009 E 3) 11 Ar 30 Centiar Wiese, Canton au des8u8

du brenuil de Fintlach sur le moulin, Seftion C. | [54493] Verkaufs-Anzeige.

Nummer 25 des Plans, neben der Nied, tarirt zu

Sve unter ages S oer E in T . 1II. E. 144. 81 erlaffene Steckbrie] wird Htermil | @ ;

erneuert. Berlin, 6. Lee a 1883. Königliche Landgerichte. Staatsanwaltschaft beim:Landgericht I.

l Stexbri f3 - Erledi K te efs - Erledigung. Drechélergesellen Ferdinand Anton Hermann Schenke wegen Unterschlagung in actis 84. G. 1415 82? J. IV a. 314. 82 unter dem 31. Mai 1882 erlassene E i Steckbrief wird hierdurch zurückgenommen. Berlin, Amts8gericis in den 8. Dezember 1883. Königliches Amt®gericht L, Abtheilung 84.

berges, gelegen

1883. Der Unters

Subhastationen, Aufgebote, Vor- ladungen n. dergl.

4300 Der binter den R iube de3 Notars Krompholy in Busendorf.

Gerichtliche Versteigerung. , (mit eiwa 10 Ar Slúdeninbalt, I ü ines Beschlusses des Kaiserlicden | und etnem ege, kTarirk zu 2M c In A G ren H | 5) Ei E und eenien. ; 3 wird durch Notar Krompholß in Bufendorf | 5) Ein Komplex von Grund}itücken, gelegen zu a A o aci Bormittags 10 Uhr, bezüglich | Didingen, genannt die Didingermüble, bestehend in

der Wiesen, geleg mittags 2 Uhr zu Didingen in der zu verfteigernden

-

200

Busendorf vom dritten Dezember

mann, gewesener

Ein St 2 W i E à ja chapell gegen 4) Ein Stü einberg, Canton de la chapelle 1 L u nit etwa 10 Ar Flächeninhalt, neben H. Wirbel | thren Ebemann, den Lohndiener Kalbreyer daselbft,

6) Eine Wiese von 1 Hektar 33 Ar 60 Centiar, zu Didingen, genannt Mühlengarten,

7) 1 Ar 62 Centiar Garten im Kanton Didinger- garten, Sektion B. Nummer 123 des Plans, neben Mathias Vallih und Mathias Caudv.

Numnmnier 5, 6 und 7 werden zusammen taxirk auf

Die vollständigen Verhandlungen find auf der Amtéstube des untcrzeihneten Notars zur Einsicht

9) 44 Ar 30 Centiar Wiese, Canton au des8us kostenfrei offen geleat.

Der beauftragte Notar. Kromphols.

In Sacen der Ehefrau Kalbrever, Caroline, geb Heane, zu Hildesheim, Gläubigerin,

Schuldner, _wegen Alimente, jezt Subhastation, —- soll das dem Schuldner angebli gehörige, am

en Bann Wallerdben, und des Wein- | einer Mükble mit 6 Gäugen, Lagerräumen, zwet Altenmarkte biesiger Stadt unter Hauênummer 1533

N d Nahe | Wohnhäusern, Stallung, Schuppen und Gârten. l n. ( [ Biikii, Rain, zee ENS Das Ganze ingedenaen in die Katastermutterrolle | und einem an der Nlfelder Chaussee vor hiesiger

belegene Wohnhaus sammt Stallung und Hofraum