1883 / 300 p. 12 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Grunde, weil er wegen Unzulänglichkeit der gemeinschaftlihen Zab- lung8mittel zu zahlen nicht im Stande war, fo hat er nit nur für si, sondern au& als Vertreter seiner Chefrau aufgehört, die ge- meinscaftlihen Verbindlichkeiten zu erfüllen, und daraus folgt, daß beide Eheleute als Schuldner anzusehen sind, welche ihre Zahlungen eingestellt haben.

Ueberdies rügt auch die Staatsanwaltschaft mit Ret, daß, selbft wenn die Ansicht des Gerichts richtig wäre, wie sie es nicht ist, dies allein die Freisprehung der angeklagten Ehefrau noch nit recht- fertigen würde. Da das Gericht keineswegs feststellt, daß nur der Ghemann den betreffenden Gläubigern eine unzulässige Befriedigung gewährt hat, nach der Art und Weise, in der das Urtheil begründet ift, vielmehr davon auszugehen scheint, daß einzelne Gläubiger auch von der Ehefrau, sei es von dieser allein, sei es von beiden Ehegatten, eine derartige Befriedigung erhalten baben, so hâtte das Gericht, bevor es zur Freisprechung gelangen konnte, auch von seinem Stand- punkte aus mit Rücksicht auf den §. 263 Absatz 2 der Strafprozeß- ordnung und den §. 49 des Strafgeseßbuchs immer noch prüfen müssen, ob die Chefrau an den von dem Ehemanne begangenen Ver- gehen niht wenigstens als Gehülfin theilgenommen hat.

Ehescheidungsprozeß. Einstweilige Verfügungen über die Erziehung der Kinder.

Civilprozeß ordnung §8. 584.

Jn Sachen des Rittergutsbesizers A. v. T. zu B., Ver- klagten und Revisionsklägers, wider

die Frau K. v. T., geborene L., zu L., Klägerin und Re- visionsbeklagte,

hat das Reichsgericht, Vierter Civilsenat, am 1. No-

vember 1883

für Recht erkannt : :

die Revision gegen das am 9. Juli 1883 verkündete Urtheil des Ersten Civilsenats des K. pr. Ober-Landesgerichts zu P. wird zurückgewiesen, die Kosten der Revisionsinstanz werden dem Revisionskläger auferlegt.

Gründe.

Verklagter beantragte mit der Revision gegen das bezeichnete Be- rufung8urtheil, auf deffen Sachdarstellung Bezug genommen wird, Berücksichtigung seiner Berufung. Klägerin dagegen Zurückweisung der Revision. :

Es war mit Rücksiht auf Civilprozeßordnung §. 92, wie ge- ehen, zu erkennen. :

Die Revision des Verklagten richtet sih gegen die Ausführung des Berufungsrichters, daß der Cherichter den Streit zwishen den Eheleuten in Betreff der Kinder zu \{chlichten habe und daß in dieser Beziehung die Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung noch maßgebend seien, und sucht darzuthun, daß das Allg. Landrecht Theil II Titel 1 88. 727, 729 überhaupt hier außer Anwendung bleiben müsse, daß nur der Vormund schaftsrichter für den Streit zu- ständig sei und daß nach der C. P. D. §. 575 mit der Ehescheidungs- flage ein Anspruch eines Ehegatten auf die Erziehung der Kinder niht verbunden werden könne, ein solcher überdies niht den nach der C. P.O. 88S. 814, 819 für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung er- forderlihen Zusammenhang mit dem streitigen Gegenstand oder Rechtsverhältniß habe. Die Revision erscheint indeß unbegründet. Zunächst kann die Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung in Be- tref} der Verpflegung und Erziehung der Kinder auch im Che- \cheidungsprozesse einem Bedenken nicht unterliegen. Insbesondere steht ihr nit das in der C. P. O. §. 575 enthaltene Verbot einer Ver- bindung anderer Klagen mit der Klage auf Ehescheidung, Ungültig- keit der Ehe oder Herstellung des ehelichen Lebens entgegen, weil der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung, sowie diese selbft, nicht in Verbindung mit der Scheidungsklage die Anerkennung und Feststellung eines dauernden Rechts auf Pflege und Erziehung der Kinder, sondern gesondert von der Scheidungsklage und nur für die Dauer des Scheidungsprozesses Anordnungen in Betreff der Kinder bezweckte, und is darum auch für den vorliegenden Fall die Bezug- nahme des Verklagten auf die von ihm bezeichneten Entscheidungen des Reichsgerichts, welche die Unstatthaftigkeit der Verbindung einer Klage auf Einräumung des Erziehungsrechts auch na erfolgter Scheidung mit der Scheidungsklage ausfprechen, hinfällig. Vielmehr wird {hon und unmittelbar aus der C. P. O. §. 584 wegen der all- gemeinen und unbeschränkten Fassung eine einstweilige Verfügung auch in Betreff der Kinder während des Ehescheidungsprozesses gerect- fertigt. Aub muß dem Berufungsrichter darin beigetreten werden, daß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, wonach in bestimmten Fällen einstweilige Verfügungen erlassen werden können, nach dem

inf. Ges. zur C. P. O. §. 16 Nr. 4 bestehen geblieben O folg- lih auch jeßt noch die materielle Zulässigkeit einstweiliger Ver- fügungen in Betreff der Erziehung der Kinder während des Che-

scheidung? prozesses Theil I Titel 40 88, 53 ff. anerkannt ift, und zwar ohne Rücksicht auf den Nachweis der Dringlichkeit und auf den etwaigen Wegfall der nur für den Fall der Ausfeßzung der Urtelspublikation gegebenen

na Maßgabe der Allg. Gerichtsordnung

Bestimmungen des Allg. Landrechbts Theil IT Titel 1 88S. 727 ff. und der Allg. Gerihtëordnung Theil T Titel 40 §. 46 in Folge der Vorschriften der C. P. O. §. 580 und des preußischen Ausfüh- rungsgeseßes zur C. P. O. vom 24. März 1879 §. 8. Im Uebrigen entspricht auch die verfügte Belassung der Kinder bis zu deren zurück- gelegtem vierten Jahre bei der Klägerin der Bestimmung des Allg. Landrechts Theil 11 Titel 2 §. 70 und ift sie vom Berufungsrichter auch thatsächlih gerechtfertigt. Sodann kann es weder nah der Allg. Gericbts8ordnung Theil T Titel 40 88. 53 ff., noch nach der C. P. O. 88. 584 und 814 einem Bedenken unterliegen, daß der Prozeßrichter, nit aber, wie Verklagter meint, der Vormundschafts- ritter, zum Erlaß der einstweiligen Verfügung befugt war, nur bei bestehender Ehe, deren Trennung nit in Frage steht, hat nah Allg. Landrecht Theil TII Titel 2 88. 72 ff. der Vormundschaftsrichter einen Streit über die Erziehung der Kinder unter den Eheleuten zu

\{lichten.

Zustellung des Kostenfestsezungsbeshlusses von Amtswegen an die Prozeßbevollmächtigten erster Jnstanz. Civilprozeßordnung 8. 98, 162 ff., 294.

Jn Sachen des Kaufmanns und Spediteurs C. M. zu

B., Klägers, L ; E fp Kaufmann und Steinbruchsbesißer L. S. zu B., Be- agten,

hat der Erste Civilsenat des Reichsgerihts am 3. No -

vember 1883 auf die sofortige Beschwerde des Be-

klagten gegen den Beschluß des Zweiten Civilsenats

des K. pr. Ober-Landesgerichts zu N. vom 2. Oktober

1883 beschlossen: A unter Aufhebung des angefohtenen Beschlusses die gegen den Beschluß des K. pr. Landgerichts, Kammer für Handelssachen, zu M. vom 23. August 1883 erhobene sofortige Beschwerde des Beklagten fär zulässig zu erklären, die Entscheidung über diese Beshwerde im Uebrigen dem Zweiten Civilsenat des K. pr. Ober-Landesgerichts zu N. zu überlassen, die gericht- lichen Kosten der weiteren Beschwerde-Jnstanz niederzuschlagen und die Entscheidung über die außergerih!lihen Kosten der- selben dem demnächst auf die Beschwerde ergehenden Be- \chlusse vorzubehalten.

Gründe.

Der Bes%bluß des K. Landgerichts zu M. vom 23. August 1883, welcher auf Antrag des Klägers die demselben nach rectskräftigem Urtheil vom 11. Mai 1883 vom Beklagten zu erseßenden Prozeß- kosten festsezte, wurde von Amtswegen dem Beklagten selbst am 30. August 1883, dem Prozeßbevollmächtigten desselben auf Betreiben des Klägers am 6. September 1883 zugestellt. Die vom Bcklagten egen diesen Beschluß am 18,/19. September 1883 bei g-dattem Laitacii@t eingereihte sofortige Beshwerde wurde durch Beschluß des Zweiten Civilsenats des K. Ober-Landesgerichts zu N. vom 2. Oftober 1883 als unzulässig unter Verurtheilung des Be- Élagten inZ.: die Kosten der Beshwerde-Instanz zurückgewicsen, indem das Beschwerdegericht von der Ansicht ausging, daß die Noth- frist der sofortigen Beschwerde nach der am 30. August 1883 bewirkten Zustellung an den Beklagten selbst zu berechnen, mitbin versäumt sei. Gegen diesen seinem Prozeßbevollmächtigten am 5. Ditober 1883 zugestellten Beschluß erhebt Beklagter in einer am 12. Oftober 1883 bei dem Ober-Landesgericht eingereichten Schrift weitere sofortige Be- \chwerde, indem er geltend macht, daß die Nothfrist nah der am 6, September 1883 bewirkten Zustellung an feinen Prozeßbevoll- mächtigten zu berechnen, die sofortige Beshwerde gegen den Kosften- festseßungsbeshluß mithin nicht verspätet sei, und den Antrag stellt:

den angefochtenen Beshluß des K. Ober-Landeêëgerichts7zu N. vom 2. Oktober 1883 aufzuheben und materiell über die erhobene Beschwerde zu befinden, eventuell die Sache zu diesem Zwecke an das K. Ober-Landesgericht zu N. zurückzuverweisen.

Die weitere Beschwerde ersheint sowohl zulässig als auch be- gründet. Mit Recht geht das Ober-Landesgericht davon aus, daß für den Beginn der Nothfrift des §. 540 der C. P. D. nit die dur den Kläger, sondern die von Amtswegen bewirkte Zuftellung des Kostenfestsezungsbesc{lusses entscheidend iît (vergl. Entscheidungen des Reich8gerichts in Civilsahen Band 3 Seite 375) und daß der- selbe beiden Parteien von Amtswegen zuzustellen wer. Die frühere Ansiht*desselben Ober-Landesgerichts, daß bei Anträgen auf Kosten- festseßung nur der Antragsteller als diejenige Partei anzusehen sei, welcher der Beschluß vom Gerichte zuzustellen ist (vergl. Zeitschrift für deutshen Civilprozeß Band 2 Seite 419), ist in dem vorliegenden Beschlusse (vergl. auch die angeführte Zeitschrift