1883 / 300 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

10

Recht aufgegeben worden. Denn mag 4. Aufl. Anmerk. 5 zu 8, 294) der Ansicht sein, daß abgesehen von den in der Civilprozeß- ordnung vorgesehenen Ausnahmen nicht verkündete Beschlüsse stets „den Parteien“ d. i. beiden Parteien zuzustellen seien, oder (mit Wilmowsfi- Levy Kommentar 3. Aufl. Anmerk. 3 zu §. 294) annehmen, daß diese Regel bei gewissen Klassen von Beschlüssen, an deren Kenntniß nur der Antragsteller ein “Interesse habe, keine Anwendung leide: jeden- falls gehören Beschlüsse, durch welche die von der Gegenpartei zu er- stattenden Prozeßkosten festgeseßt werden, zu denjenigen, welche beiden Parteien zuzustellen sind, weil dadur der Betrag der zu erstattenden Kosten für beide Theile festgestellt wird und beiden Theilen Gelegen- iy ae Anfechtung des Beschlusses nah §. 99 der C. P. O. zu geben ift.

Dagegen ift dem Ober-Landesgericht darin nicht beizustimmen, daß die Zustellung von Amtswegen an den Beklagten selbst zu bewirken war, obgleich derselbe einen Prozeßbevollmächtigten be- stellt hatte.

Die in einem anhängigen Rechtsstreiie erforderliben Zustellungen sind, wenn die Partei einen Prozeßbevollmättigten bestellt hat, na dem in der C. P. O. angenommenen Grundsaße (vergl. Entscheidungen des Reichsgerichts in” Civilsachen Band 8 Seite 425) nit an die Partei selbst, sondern an deren Prozeßbevollmächtigten zu bewirken, weil die “Partei durch Ertheilung der Prozeßvollmacht \ich des eigenen Prozeß- betriebs begeben hat. Die SS. 162, 163 der C. P. O. bestimmen diesen Grundsaß näber dahin, daß die Zustellungen an den für die Instanz, in welcher der Rechtsftreit anhängig ist, bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen, und welche Prozeßhandlungen als zu dieser Instanz gehörig anzusehen sind. Die Anträge auf Fest- sezung der von der Gegenpartei zu erstattenden Kosten und die auf solche Anträge erfolgenden Beschlüsse gehören nach S. 98 der C. P. O. in die erste Instanz; die Zustellung der leßteren hat daher, wenn ein Prozeßbevollmächtigter für die erste Instanz bestellt ist, an diesen zu erfolgen. Die. dem angefochtenen Beschlusse zum Grunde liegende Annahme, daß dur die Verkündigung des in erster Instanz ergangenen, nawber retsfräftig gewordenen Urtheils diese Instanz beendigt sei, ist unrichtig, was die Zustellungen betrifft. Denn wenn auch in anderen Beziehungen, insbesondere in Ansehung der Rechtsmittel, durÞ das Endurtheil der Rechtsstreit für die betreffende Instanz erledigt wird (Entscheidungen des Reich8gerihts in Civilsahen Band 7 Seite 427), so ist doch in Beziehung auf die Frage, an wen Zustellungen zu be- wirken seien, dur 163 dem Begriffe der Instanz eine weitere Ausdehnung gegeben. Hiernach gehört sogar das Verfahren vor dem Vollstreckung8gerichte zur ersten Instanz, wie auch das Perfahren, welches in Folge eines neuen Borbringens in der ZwangsvollstreckungL- Instanz vor dem Instanzgerichte stattfindet, zu der Instanz gehörig ist. Stbließt aber nicht einmal die Einleitung der Zwangsvollstreckung die Zustellung an den Prozeßbevollmächtigten erster Instanz aus, so kann um fo weniger der Eintritt der Rechtskraft oder gar die bloße Ver- fündigung des Endurtheils erster “Fnstanz diese Wirkung habea. Aus diesem Grunde durfte die Zustellung des Kostenfestsezungsbesclusses niht an den Beklagten selbst erfolgen. Unrichtig ist dagegen der von dem Beschwerdeführer hierfür geltend gemachte Grund, daß das Kostenfestsezungsverfahren zur Zwangsvollstreckungs-Instanz gehöre und der Antrag auf Festsezung der Kosten als ein neues Vorbringen in der Zwangsvollstreckungs-Instanz anzusehen sei ; denn die Prozeß- handlungen, welche die Zwangsvolistreckung nur vorbereiten, indem sie die Voraussetzungen derselben herzustellen bezwecken, gehören nicht zur Zwangsvollstreckungs-Instanz, wie in Beziehung auf S. 23 Nr. 2 §. 29 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte durch Beschluß des Reichs- September 1883 bereits anerkannt

Da hiernach die Zustellung vom 30. August 1883, als nit ordnungsmäßig bewirkt, den Beginn der Nothfrist nicht zur Folge hatte, ist die Beschwerde mit Unrecht wegen Versäumung der hiernach berechneten Nothfrist als unzulässig zurückgewiesen worden. trage des Beschwerdeführers auf Aufhebung des angefochtenen Be- \{luf}ses ist daher ftatiudaebe

gerichts vom 26. worden ist.

Zurücknahme des Strafantrags gegen den Ver- fasser eines Zeitungsartikels; Wirkung gegen- über dem verantwortlihen Redacteur. Strafgesebuch §. 64.

Preßgeseß vom 7. Mai 1874 §. 20.

Fn der Strafsache wider den Redacteur und Journalisten A. B. in M., wegen verleumderischer Beleidigung, verübt durh die Presse, hat das Reichsgericht, Erster Strafsenat, a m 15. No- vember 1883 ür Recht erkannt, daß auf die Revision des Angeklagten das Urtheil des Schwurgerichts bei dem K. b, Landgerichte M. I

11. Juni 1883 aufzuheben, das Verfahren gegen den An- geklagten einzustellen und die Kosten, soweit dieselben vor der Zurücknahme des Antrags entstanden sind, dem Antragsteller, Bürgermeister L. v. F., im Uebrigen der R. b, Staatskasse zur Last zu legen.

Gründe.

Die Revision wird auf die Verleßung der 88. 47, 63, 64 des St. G. B,, des §. 20 des Preßgesetzes und der 88. 259 und 502 der St. P. O. gestüßt. Dieselbe erscheint als begründet. Nach §. 20 des Preßgesetzes vom 7. Mai 1874, auf Grund dessen gegen den Angeklagten in seiner Cigenschaft als verantwortlicher Redacteur der in M. erscheinenden O „Bayerischer Landbote“ fentliche Klage erhoben und das auptverfahren eröffnet wurde , ist der verantwortlihe Redacteur einer periodischen Druckschrift bezüglich der Handlungen, deren Straf- barkeit dur den Inhalt der Druckscrift begründet wird, „als Thäter“ zu bestrafen, wenn nicht dur besondere Umstände die An- nahme seiner Thâäterschaft ausgeschlossen wird. Es fommen somit gegen ihn, sofern besondere Umstände der erwähnten Art nicht vor- liegen, dieselben Strafbestimmungen zur Anwendung, dur welche der als Thäter zu behandelnde Verfasser des in Frage stehenden Artikels betroffen wird. Wird dieser leßtere ermittelt und neben dem ver- antwortlichen®Redacteur der Drucks{rift zur Bestrafung gezogen, so sind die beiden Personen hiernach als Mitthäter im Sinne des 8, 47 O Tritt die Verfolgung der strafbaren Handlung nur auf Antrag ein, so findet nah §. 63 des St. G. B. gegen beide Thäter das gerichtliche Verfahren ftatt, auch wenn nur gegen einen derselben auf Bestrafung angetragen wurde. Ebenso ist nach S. 64 des St. G. B. in Folge der recbt- zeitigen Zurücknahme des Antrags gegen einen Thäter das Verfahren au gegen den Mitthäter einzu tellen. Im vorliegenden Fall hâtte sonach, da nah den thatsächlichen Fesistellungen des angefohtenen Urtheils der Strafantrag, der gegen den als Verfasser des fraglichen Artikels verfolgten Mitangeklagten M. gestellt worden war, zurüdck- genommen und in Folge dessen das Verfahren gegen denselben ein- gestellt wurde, auch das Verfahren gegen den Angeklagten B. ein- gestellt werden müssen. Das Schwurgericht hat die von dem Angeklagten beantragte Einstellung nicht angeordnet, weil die Thätigkeiten eines Zeitungsredacteurs und die des Verfassers eines Zeitungsartikels ganz verschiedene seien und unter den Gesichtspunkt einer gemeinschaftlichen Thätigkeit oder sonstigen Betheiligung im Sinne der 88. 47 ff. des St. G. B. nicht gebraht werden könnten, die gegen M. und B. gestellten Strafanträge sona als selbständige anzusehen seien. Diese Auffassung beruht aber auf einem Rechts- irrthum. Es ‘fommt nicht darauf an, ob der Verfasser und der Redacteur dieselbe Thätigkeit entwidelt haben. Die Versiedenheit der Thätigkeit ließt hier ebensowenig wie bei anderen lediglih nach dem Strafgeseßbuch zu beurtheilenden Handlungen die Annahme einer Mitthäterschaft aus. Entscheidend ist vielmehr ledigli, ob die ge- nannten Personen an ciner und derselben strafbaren Handlung als Thäter betheiligt sind. Diese Frage mußte aber bejaht werden. Wie der Verfasser, so konnte au der Angeklagte B. im vorliegenden Falle nur wegen verleumderischer Beleidigung gemäß §. 187 des St. G. B. und zwar fTonnten beide nur wegen ciner und derselben Beleidigung be- straft werden. Es liegen nicht verschiedene strafbare Handlungen vor, sondern nur ein einziges Vergeben, an dem verschiedene Personen als Thâter betheiligt sind. Bei der gegen M. und B. erhobenen Anklage wie bei der Eröffnung des Hauptverfahren8 war denn auch die Auffassung maßgebend, daß eine einzige strafbare Hand- lung in Frage stehe, welche sowohl für M. als für B. ein Vergehen der verleumderischen Beleidigung bilde. Die Annahme, daß hier nicht die Vorschriften des Strafgeseßbuchs über Thäterschaft und Theilnahme maßgebend seien, vielmehr bezüglich der vers chiedenenBetheiligten ein eigen- thümliches, in der besonderen Natur der Preßerzeugnisse begründetes Verhältniß bestehe, wird durch die Fassung des §. 90, insbesondere die in Absatz 1 enthaltene Verweisung auf die aligemeinen Strafgeseße, ausgeschlossen. Auch wurde die frühere Fassung, nach welcher der Redacteur „mit der Strafe des Thâters“ belegt werden sollte, bei der dritten Berathung des Gesetzentwurfs im Reichstag durch die jeßige Fassung erseßt, damit der Gedanke einen shärferen Ausdru erhalte, daß der Redacteur dem Verfasser gleichzustellen und daher als Urheber der strafbaren That anzusehen fei. (Vergl. Reichstagsverhandl. S. 1095 und 1103; ferner die Komment. zum Preßges, von Schwarze und Marquardfen S. 98 ff. und 169 f.) Üebrigens wird auch in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, daß dieselben als Mitthäter anzusehen sind. (Vergl. Rechtspr. des preuß. Obertrib. Bd. 18 S. 789 ff.; Goltdammers Archiv des pre. 55; Samml. der Entsch. des obersten Gerichtshofes für Bayern in Strafs. B. VI S. 226 ff.; von Schwarze und Mar- quardsen a. a. O.; Thilo, Preßges. S. 78; von Lißt, Reichs-Preßrecht S. 187.) Hiernah mußte das angefochtene Urtheil aufgehoben und die Einstelung des Versahrens ames 8, 259 der St. P. O. ange- ordnet werden. Die Kosten des Verfahrens hat, nah §. 502 dieses Geseßbuches, der Antragsteller zu tragen, soweit dieselben vor der ZU- rücknahme des Antrages, entstanden sind. Im Uebrigen waren dieselben vgl. Entsch. des eichsger. B. 7 S. 409 der Staatskasse zur Last zu legen.