1884 / 7 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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stellung der Wintersaaten überall gut von Statten gegangen und die Vorbereitungen zur Frühjahrsbestelung konnten rechtzeitig ausgeführt werden. Die früh bestellten Saaten haben si kräftig entwidckelt; ihr gegenwärtiger Stand bereh- tigt zu den beslen Hoffnungen.

Reg. Bez. Marienwerder: Die vorjährige Bestellung

der Wintersaaten ist im Allgemeinen bei günstiger Witterung und in zufrieden stellender Weise ausgeführt worden. Es sind überall die Saater sehr gut aufgegangen ; dieselben haben si auch bei verspäteter Saat gut entwickelt und zeigen einen dichten, kräfligen Stand.

_ Provinz Pommern.

Reg. Bez. Stettin: Die Herbstbestellung hat unter der außerordentlich milden Witterung rehtzeitig und normal er- folgen können. Die jungen Saaten haben si kräftig ent:

wickelt und zeigen durchweg einen kräftigen, an vielen Orten sogar einen üppigen Stand. Die gelinde Witterung ermög- lichte außerdem eine so umfangreiche Vorbereitung des Landes für die Frühjahrsbestellung, wie fie bei den gewöhnlich früher eintretenden Frösten sonst nihf erreicht zu werden pflegt. Die Aussichten für die weitere Entwickelung der Saaten sind somit bisher im Allgemeinen erfreulihe, wenn auch hier und da über Mäusefraß, namentlich in Kleeschlägen, geklagt wird. Die Vieh- und Kornpreise stechen niedrig. Provinz Posen.

__ Reg. Bez. Posen: Die fast bis zum Jahres\{lus}se milde und feuchte Witterung hot die Entwicklung der Saaten sehr begünstigt ; ihr Stand is ein guter, nur hier und da dur zu große Ueppigkeit und Fäulriß unwesentlih beein- trähtigt. Auch die Vorbereitungen zur Frühjahrsbestellung sind weit vorgeschritten.

Reg. Bez. Bromberg: Die Herbsisaaten haben si in Folge der ungewöhnlih milden Herbstwitterung vortrefflich entwidelt und stehen stark und kräftig auf leitterem, in hoher Kultur befindlihem Boden allerdings zum Theil \o üppig, daß ein Ausfaulen befürchtet wird.

Die Vorarbeiten für die Frühjahrsbestellung gelangten in bester Weise zur Ausführung.

__ Die Preise von Pferden und Rindvieh, besonders Fett- vieh, haben si ziemlih behauptet, wogegen Schweine nur sehr niedrige Preise erhielten.

__ Brennereien und Stärkefabriken leiden erheblih unter der mäßigen Kartoffelernte und den niedrigen Spiritus- und Siärkepreisen.

Die Ergebnisse der Jagd auf Hühner und Hasen sind in Folge des nassen Sommers durhweg gering zu nennen.

Der Güterhandel is wiederum sehr belebt gewesen, die een Preise waren zum Theil sehr hoh und scheinen im

teigen Zzu bleiben.

Provinz Schlesien.

Reg. Bez. Breslau: Jn Folge der günstigen Witte- rungeverhältnisse konnte die Herbstbestellung gut von Statten gehen. Die Wintersaaten sind fast durhweg rechtzeitig bestellt ; der Stand derselben is daher auch überall als ein günstiger zu bezeichnen.

_ Als eine Feige der großen B oes Sommers wird es anzusehen sein, daß die sonst den Saaten \o nach- theilige Erscheinung der Feldmäuse in diesem Wintcx nicht

wahrzunehmen ist. Provinz Sachsen.

Reg. Bez. Merseburg: Die anhaltend günstige Witterung hat die Ausführung aller Feldarbeiten sehr erleichtert ; das Einbringen der Wintersaaten ging deshalb {nell von Statten und die Herbstbestellungsarbeiten waren in kurzer Zeit be- endigt. Auch das Aufgehen der Wintersaaten hat die seit- berige Witterung sehr begünstigt und ist der Stand derselben bis jeßt ein vortrefflider und berehtigt zu den besten Hoff- nungen.

Feldmäuse und sonstiges s{hädlihes Ungeziefer ist nicht vorhanden.

Die Getreidepreise sind mäßig und entsprechen dem Ernte- ertrage nicht; desgleichen sind die Zuckerpreise in leßter Zeit sehr E S Hl

rovinz eswig-Holstein.

Reg. Bez. Schleswig: Durch das in den lebten drei Monaten ungewöhnlih milde Wetter wurde die Ausführung der landwirthschaftliczen Arbeiten in hohem Grade begünstigt. Die Wintersaaten konnten rechtzeitig und in erwünschter Weise in die Erde gebracht werden, entwickelten sih fast überall gleihmäßig und mehr oder minder kräftig und famen in einem Zustande in den Winter, welher sowohl für Weizen und Roggen wie für die Delfrüchte sehr günstig war.

…_gn Folge der milden Witterung konnte das Vieh bis spät in den Herbst hinein die Weiden begehen; die in manchen Gegenden gehegte Besorgniß bezüglih der Durhwinterung des Viehes ist dadur bedeutend vermindert.

Provinz Hannover.

Landdr. Bez. Aurih: Der Stand der Wintersaaten ist auf den meisten Aeckern befriedigend.

Durch den länger anhaltenden Weidegang is eine Ersparung an Wintersutter eingetreten, jedoch find die L pen wegen Futtermangels damit nicht vollständig

eseitigt.

Die Preise der Cerealien, welhe zum Theil in mangel- hafter Qualität geerntet wurden, sind sehr gedrüdckt.

Die Viehpreise sind etwas gewichen.

Landdr. Bez. ODsnabrück: Die Bestellung der Roggen- und Weizensaaten auf s{werem Boden hat in Folge der Nässe an manchen Orten eine Verzögerung erlitten ; dagegen ist das Aufgeten der Saaten durch die andauernde milde Witterung sehr begünstigt und der Stand der Winterfrüchte berehtigt gegenwärtig zu den besten Hoffnungen.

…__ Das Beackern der Sommerfrucht-Schläge ist wesentli ge- O und manche Arbeit der Frühjahrsbestellung ist bereits eendet.

Landdr. Bez. Stade: Die Herbstbestellung und die Vor- arbeiten zur Frühjahrsbestellung sind, begünstigt durch das schöne Wetter, rechtzeitig und vorzüglich beschafft und in Folge davon der Roggen, Weizen und Raps vortrefflih gelaufen, so daß man mit guter Hoffnung der zukünftigen Ernte ent- gegen schen kann.

Landdr. Bez. Lüneburg: Die vorherrschende milde Wit- terung war sowohl der Bestellung der Aecker als auch der Entwidelung der Saaten sehr günstig; die Saaten konnten mit großer Sorgfalt bestellt werden. Das Winterkorn und die Oelsaat sind gut aufgegangen und zeigea meist einen kräf- tigen und üppigen Stand.

Ueber Mäusesraß wird nicht geklagt.

Landdr. Bez. Hildesheim: Der Stand der Winter-

uter. Luzern- und Kleefelder zeiaen normalen Stand. Das Herbstwetter war den landwirth\chaftlihen bezw. Winterbe-

ellungsarbeiten besonders günstig.

In einigen Feldmarken ist das Auftreten von Mäusen in größerer Menge wahrgenommen worden. ck

Die Viehp1eise sind noch immer hoh, die Getreide- und Zuckerpreise dagegen gedrüdkt.

Provinz Westfalen.

Reg. Bez. Münster: Die Bestellung der Wintersaat hat unter sehr günstigen Witterungsverhältnissen ausgeführt werden fönnen. Bei der im Ganzen milden Witterung sind die San:enkörner rashch aufgegangen und zur Zeit im Wachsthum so weit vorgeschritten, um den Winter ertragen zu können; der Stand der Wintersrüchte ist als!durhaus befriedigend, fast gut zu bezeichnen. Séneckenfraß hat sih nirgends gezeigt. Die Vorbedingungen für eine kommende gute Ernte sind also vorhanden.

Die Preise des Weizens und Roggens sind gedrüdckt, ebenso der Viehhandel im Rindvieh und Pferden ; dagegen war der Handel in Schweinen sehr flott.

_ Reg.-Bez. Minden: Das auffallend milde und ganz frosifreie Herbstwetter ließ eine gute und gründliche Bestellung

der Wintersaaten zu, was denn auch den allergünstigsten Einfluß auf das Aufgehcn und den Stand des Roggens und Weizens ausübte; beide Fruhtarten haben sih überall recht n entwickelt und stehen sehr üppig.

oen allen Seiten aber wird über großen Schaden durch Feldnmäuse geklagt.

Die Viehpreise find im Steigen.

_ Ueber den Stand des Klees, der Luzerne und Esparsette wird stellenweise geklagt.

Wenn der Winter und das kömmende Frühjahr nicht allzu ungünstig werden, so ist alle Hoffnung auf eine gute Ernte an Winterkorn vorhanden.

Reg. Bez. Arnsberg: Jm Ganzen ist der Rest der Ernte unter leidlih günstigen Umständen eingebracht und die Herbst- bestellung bei günstigem Wetter zu Ende gebraht worden,

Der Stand der Saaten ist ein befriedigender.

Provinz Hessen-Nassau.

_ Reg. Bez. Cassel: Die Bestellungsarbeiten, mit denen früh begonnen werden konnte, nahmen einen guten Verlauf. Alle Wintersaaten keimten rasch und konnten, vom Wetter begünstigt, fich kräftig entwickeln. So ist denn ihr Stand ein außergewöhnlih günstiger und die Aussichten auf die nächste Ernte können vielversprehender kaum gedaht werden.

Auch für die Frühlingsbestellung sind die Felder überall umgebrochen und wohl vorbereitet,

Jn einigen Gegenden klagt man über Mäusejsraß, na- mentlich an der jungen üppigen Kleesaat.

Reg. Bez. Wiesbaden: Die milde Witterung war so-

wohl den noch rücksländigen Erntearbeiten als auch der Aus- saat der Winterfrucht recht günstig und es haben diese ort größtentheils unausgeseßt und rechtzeitig erfolgen önnen. _ Die Winterfrucht ist überall gut aufgegangen und hat sich ret vortheilhaft entwidelt, so daß sie Via jeßt zu (ei schönsten Hoffnungen berechtigt. Weniger besriedigend ist der Stand des Klees.

Eine Verringerung der Viehstände wegen der mangelnden Stroh- und Futtervorräthe wird nur aus einigen Gegenden als wahrscheinlich in Aussicht gestellt, und sollen dort die Viebpreise etwas im Sinken begriffen sein.

Rheinprovinz,

Reg. Bez. Aachen: Die Bestellung der Wintersaaten konnte in Folge der außerordentlih günstigen Witterung recht- zeitig und ungestört erfolgen. Die Saaten haben sich kräftig entwickelt und zeigen überall cinen ausgezeichneten Stand. Die milde Witterung ließ es ferner zu, daß das Vieh bis in den Dezember hinein auf die Weide getiieben werden konnte und dort Nahrung fand. Die Viehpreise haben \sih daher auf ihrer bisherigen Höhe erhalten.

Reg. Bez. Coblenz: Die Witterungsverhältnisse der drei leßten Monate sind für die Bestellung der Aecker und für die Entwickelung der Wintersaat so günstig gewesen, daß die erstere durhweg normal verlaufen ist und der Stand der Frudht allgemein als durchaus besriedigend und zu der besien Ernteaussicht berehtigend bezeihnet werden darf.

Das Rebholz hat sih gut entwickelt, so daß die erste tue De 8 für die Hoffnungen des Jahres 1884 sich er-

at.

___ an Folge der guten Ernte an Futtergewähsen, nament- lich Kartoffeln, ist der Preis der Schweine heruntergegangcen, dagegen der des Rindviehs gestiegen.

Reg. Bez. C öln: Fn Teiae der dem Landwirth günsti- gen Witterung ging die Bestellung der Wintersaaten überall ut von Statten und ist der derzeitige Stand der Saaten im

lgemeinen recht gut; ebenso konnten die Vorarbeiten zur rrühjahrsbestellung bereits in Angriff genommen und erfreu- ih gefördert werden,

JuUnger eingesäeter Klee ist in Folge des trockenen Früh- sommers nur wenig vorhanden.

u Während die Fruchtpreise durchweg niedrig sind, erhalten (ih die Viehpreise noch auf ziemlicher Höhe, ausgenommen für Schweine.

Die Jon so vielfah gehörten Klagen über Feldmäuse verlauten in diesem Jahre gar nicht. .

Reg. Bez. Sigmaringen: Die Bestellung der Winter- saaten ist bei günstiger Witterung erfolgt ; dieselben sind auch gut in den Winter gekommen, und ist bis jeßt die Hoffnung auf eine befriedigende Ernte gere! fertigt.

Die Getreidepreise find niedrig.

Der Geh. Admiralitäts-Rath und Direktor der Seewarte, Dr. Neumayec zu Hamburg erläßt eine Einladung zur Bethei- Fo und an der Deutshen Meteorologishen Gesell- )OTT.

Am 18. Novemker sind ia Hamburg zur Gründung einer «Deutschen Meteorologishen Gesellschaft“ eine Anzahl vi Dees zusammengetreten.

Die ecfte ordentliche allgemeine Vecsammlung, welhe in der ges der Naturforscberocrsammlung im September 1884 in Magde- urg stattfinden soll und auf welher einerscits die Statuten noGmals durchberathen, andererseits eine größere Anzahl von Vorträgen abge- halten werden jenen „wird hoffentlih einen recht zahlreihen Besuch von Gesellschaftsmitgliedern aufzuweisen haben. Die auf derselhen zu fafsenden Beschlüsse werden die Gesellschaft aus dem gegenwärtigen vorbereitenden in den „definitiven Zustand Üüberleiten und also von größter Bedeutung für die Zukunft dec Gesellschaft sein.

Der bei der Konstituirung ernannte Vorstand besteht zur Zeit aus dem Direktor Dr. Neumcyer, dem stellvertretenden Vorsitzenden

saaten, namentlih des Roggens ist ein schr üppiger, fast zu

Auftrage dieses Vorstantes ladet Dr. Neumayer die Freunde der Meteorologie zum Beitritt zu der genannten Ge!ellshaft ein und er- sucht sie, ihren Antrag über Aufnahme in die Gesellschaft an einen der oben gezannten Herrn zu ritten,

Die diesjährige Generalversammlung des Ziegler- und Kalkbrennervereins wird am Montag und Dienstag, den 18. und 19. Es d. I., im Arcbitekten-Vereinshause zu Berlin, Wilhelmé6straße 91, abgehalten. Gâste haben Zutritt gegen Eintritts- karten, welde auf desfallsiges Ersuden von dem Vorsitzenden, Reg.- Momveisier Fried. Hoffmann, Berlin, Kesselstraße 7, ausgegeben

erden.

Stolze’sher Stenographenverein. Hauptversammlung : Donnerstag, den 10. Januar, Abends 8 Uhr, in der Alten Poft, Burgstraße 7, I. Tagesordnung: 1) Vortrag des Hry. B âckler über die Einführung der Stenographie in die Schulen und die Systemfrage. 2) Vereintangelegenheiten.

Im Residenz- Theater fand vorgestern die Aufführung einer Novität statt; es war ein fünfaltiges Schauspiel „Der Herr Minister“ von Jules Clarétie und Alexander Dumas, deutsch von Emil Neu- mann. Soll man im Allgemeinen ein Wort über das neue Stück sagen, so war es eben eines jener modernen französischen Erzeugnisse, welche fast alle auf demselben Motiv aufgebaut sind, nämli auf dem des Ehebruchs, ohne welchen nun s{lechterdings kcin französischer Schauspieldichter mehr ein StüLX anfertigen zu können \cheint. Es hat nachgerade etwas Ermüdendes, diese ewigen Ehebruchsscenen \ich vorbereiten, entwickeln und in einen Eclat ausbrechen zu sehen; zudem sträubt sich die deutsche Anschauung und ihr hoher Be- grif von der Gbe, ftets diese heiligste aller Institu- tionen auf der Bühne profanirt und hier Sittenzustände geschildert zu sehen, die unser deutshes Gemüth Gott sei Dank ver- abscheut, und für welche sich glücklicer Weise bei uns nur vereinzelte Beispiele finden. Mit Recht beklagt man daher, daß das französische Talent immer und immer wieder diesen zwar dankbaren aber äußerst delikaten Stoff zum Gegenstande etner fleißigen und fünstlerisch vollendeten Arbeit macht. Soliten si derselben niht Gegenstände bietea, welce bei glei forgfältiger Bchandlung auf den aufrichtigen, durch feine Beigeschmack getrübten Beifall der gesammten gebildeten Welt rechnen dürften? Doch wohl sicherlich!

__ Sehen wir von der Handlung selbst ab, fo muß man unbe- dingte Anerkennung zunächst der musterhaften Technik des Stückes zollen ; die „Mache*, wenn man diesen kcincswegs feinen, das Ding aber treffend kennzeichnenden Ausdru gcbrauc{en will, ist eine dur- aus gelungene. Eine gelegene Bühnenkenntniß und richtige Verwen- dung aller zu Gebote stehenden Hülfsmittel verrathen den kundigen Meister; in dieser Hinsicht können wir von unseren tranêrhenanischen Nachbaren nur noch lernen. Dasselbe gilt vom Dtalog, welher in geistreiher, funkensprühender Weise rasch un lebendig dahinfließt und durch seine Lebendigkeit und An- muth das Ohr und den Geist, allerdings weniger das Gemüth, welches dabei etwas zu kurz kommt, gefangen nimmt. Auch hierin dienen die tranzösfi|chen BühnensriftsteUer vielen unferer einheimishen zum unerreitten Muster. Statt aus ih selbst heraus zu {hafen und deutsch-originel zu s\cin, machen fie sich zu sflavischen Anbectern und Nadthtretecn französischer Vorbilder, die es in den mcisten Fällen nicht verdienen. Was dort geistreih und originell ist, wird hier geistreihelnd und gezwungen, das gewandte Scenecnarrangement sinkt zum mühseligen Aufbau herab, die Intrigue wird o zur plumpen Unwahrscheinlichkeit, der Dialog, nicht von innen ¿rausgefchaffen, sondern \{chablonenhaft nach- geahmt, fade und ermüdend. Und das alles, weil die meisten nit vermögen, sich auf eigene Füße zu stellen, weil sie {ih von Sardou und Dumas nicht losfagen können. Eine Emancipation des deutschen Geistes auch auf diesem Gebiete wäre wie auf fast allen andern nur mit Freuden zu begrüßen, es wäre an der Zeit, daß wieder mal ein Lessing den französisden Bühnenzopf, der in neuerer Zeit wieder bedenklich gewachsen ist, mit unbarmherziger Hand abschnitte. Betrachten wir die in dem Stück vorkommenden Charaktere, so möchte man einige derselben als Kabinctstücke feiner Arbeit bezeichnen. Dies „gilt vor Allem von Guy von Lissac, dem Freunde des jungen Minifters Vaudrey. Der feine Weltmann, der Diplomat, der aufopfernde Freund, der Menschenkenner und Philosoph, von allem vereinigt diese Person hervorstehende Züge in si; der Zuschauer wird in die wechjelndsten Empfindungen verseßt, Hochachtung, Bewunderung, Furcht, und durch all dieses hin- durch doch kein rechtes go zu diesem geshmeidigen Charakter. So kommt es denn, da ZUN diese Rolle, eine der dankbarsten und schwersten zugleich, von Anfang bis zu Ende die gespannteste Theil- nahme des ublikums in Anspruch nimmt und von ihm als eine der feinsten Leistungen anerkannt werden muß, Vorzüglicher konnte dieselbe aber auch s[chwerlich gegeben werden, als Hr. Haack es that; alle Schattirungen, alle Feinheiten waren von thm auf das Sorg- fältigste studirt und wurden mit künstlerischer Meisterschaft gegeben ; gerade fein ausgezeihnetes Spiel verhalf dem Stück zu dem durc- schlagenden Erfolg, welchen es erzielte, eine s{chlechte Beseßung der Rolle dürfte für dasselbe äußerst verhängnißvoll werden. it ibm theilte sih in den wohlverdienten Beifall Fr. Ellmenreih, welche die Marianne Kayser spielte. Jn Bezug auf diesen Charakter sei be- merkt, daß derselbe etwas verzeichnet crsheint; Marianne Kayser tritt zuerst in so bescheidener und wenig auffallender Weise hervor, daß man kaum in ihr eine der Hauptrollen zu vermuthen geneigt ist. Die Rolle wächst in jo überrashender Weise und die tragische Bedeutung der Marianne wird im dritten Akt auf eine so er- s{recktende Höhe getrieben, daß die plößlihe Vermählung mit dem

erzog einer ziemlich schattenhaften Figur, die nur dazu bestimmt ¡cheint, das in solchen französischen Ehebruchsdramen übliche Duell auszufehten äußerst ernühternd wirkt und der Marianne die Sympathie des Zuschauers völlig raubt. Das liebenswürdige, feine Spiel der Fr. Ellmenreih gestaltete jedoch auch diese Rolle zu einer Meisterleistung und erntete den ungetheilten , reihlih verdienten Beifall. Hr. Brandt als Sulpice Vaudrey, Deputirter, später Minister, ge- wann dur fein vornehmes, gefälliges Spiel ebenfalls den allgemeinen Beifall. Die plößliche und ungenügend motivirte Abdankung Vaudrey's als Minister am Schlusse des Stücks überrascht; viellciht hätte der Dichter einen glücklicheren Griff gethan, den jungen Minister nun erst recht, troy aller Anfechtungen und Verwickelungen, auf seinem Posten ausharren zu sehen. Frl. Bünau als seine Gattin Adrienne spielte die junge Ministerin und liebende Frau mit gleichem Glück. Lobend hervorgehoben seien ferner die Herren Bornemann (Malurel), Pansa LEEIon,, Morvay (Simson Kayser), sowie die Damen Fr. v. Pöllniß (Madame Malurel), Frl. Haagen (Madame Gerson). Sämmtliche anderen Herren und Damen trugen nach Kräften zum Ge- lingen bei, und würde Hr. Wallner den Börsenagenten Molina etwas routinirter spielen, so könnte man ein ausgezeichnetes Ensemblespiel kTonftatiren. l __— Im Belle-Alliance-Theater findet heute bie 100, Auf- führung der Gesangsposse „Ein gemahter Mann“ statt. Dieselbe hat au in der Neubeseßzung der Hauptpartieen (Rentier Pasewalk : Hr. Guthery und Maler Wallberg: Hr. Alexander) denselben durcch- \chlagenden Erfolg wie bisher gehabt, und stürmische Heiterkeit herrshte vom Anfang bis zum Shluß der leßten Aufführungen mit den neu eingetretenen Gästen.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: V. Elsner. Vier Beilagen

Berlin:

Prof. von Bezold und 12 der gründenden Mitglieder. Im Namen und

(einschließltch Börsen-Beilage).

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Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußishen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 9. Januar

184,

Grundzüge für den

Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversicherung der Arbeiter nebst Begründung.

Begründung.

Zu Ziffer 1. Den Ausgangspunkt für die auf die geseßliche Regelung der Arbeiter-Unfall- versiberung gerichteten Bestrebungen bildet §.]2 des Haftpflichtgesezes vom 7. Juni 1871. E

Aus der Unzulänglichkeit und aus dcr ungünstigen Wirkung desselben auf die Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist das Bedürfniß der Unfaliversiherung erwacbsen. Demgemäß handelt es ih zunäcbst darum, für den Kreis der unter S. 2 des Haftpflichtgeseßes fallenden Arbeiter eine bessere

ürsorge im Falle eines Betriebsunfalles geseßlich icherzuftellen. Die Vorlage. beschränkt sich daher, um nicht durch die an sich wünsch:nswerthe Aus- dehnung auf die weiteren Arbeiterkreise die Schwierig- Teilen zu vermehren, vorläufig auf die Arbeiter in den biéher haftpflibtigen Betrieben, wobei die Aus- dehnung der Unfallversiherung auch auf weitere Kreise der arbeitenden Bevölkerung vorbehalten bleibt.

Neben der obligatorischen Unfallversicherung ift für die Betriebsbeamten mit einem 2000 # über- steigenden Arbeitsverdiens| die fakultative Unfall- versicherung in der Absicht vorgesehen, um die erbit- ternden Streitigkeiten zwischen ihnen und den Be- triebêunternehmern über die Anwendung des Haft- pflihtgefetes bei eintretenden Unfällen nach Mög- lichkeit cinzushränken. Das letziere wird daher für alle Arbeiter und Betriebsbeamten außer Kraft zu seßen scin, welhen auf Grund der durch das neue Geseß zu regelnden Unfallversicherung, mag ihnen dieselbe obligatori\ch oder fakultativ zu gut kommen, eine entsprechende Entsädigung gewährt wird.

Die genauere Bestimmung des Begriffs „Fabrik“, welhe im Haftpflichtgeseß unterlassen worden ift, erscheint zur Beseitigung der vielen Zweifel, welche der Mangel einer solhen Begriffsb¿stimmung bei i Anwendung jenes Gesetzes hervorgerufen hat, ge-

oten. ___ Die Abgrenzung zwischen Fabrik und Handwerk beruht auf dem Umfang des Betriebes, für welchen nach dem Vorgang anderer Geseßgebungen die Zahl der beschäftigten Arbeiter als Maßftab genommen ift. Diese ist, je nachdem gleichzeitig Dampfkessel over durch elementare Kraft bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen oder nicht, verschieden normirt worden.

Die angegebene Definition kann und will den Begrisf „Fabrik“ nicht ershöpfen. Die zahlreichen Versuche, welche in den Geseßgebungen verschiedener Länder bisher in dieser Ribtung gemacht worden find, haben, wie in den Motiven zu der sfter- reichischen Gewerbeordnungs-Novelle vom 15, März 1883 zutreffend nachgewiesen wird, an der Viel- estaltigkcit des praktischen Lebens ihre Schranke ge- Pz Darin liegt aber kein ausreichender Grund, um Überhaupt darauf zu verzichten, für die Beurtheilung der Frage, ob ein gewerblicher Betrieb als Fabrik zu betraten set oder nicht, wenigstens einen gesetzlichen Anhalt zu gewinnen. Es wird damit nit ausge- s&lofsen, daß in konkreten Fällen auch darüber hin- aus einzelne Betriebe als Fabriken #ch darstellen können und folgeweise unter die für diese geltenden Normen gebracht werden müssen. Um nach dieser Richtung hin den Anforderungen des praktischen Lebens jederzeit gerecht werden zu können, bietet sich der Weg dar, der für die Ausführung des Gesetzes zu sc(affenden Reichsbehörde (Reichs-Versicherungs- amt, vergl. Zifser 44) die Befugniß beizulegen, auch andere Betriebe, die fich als Fabriken darstellen, als solbe zu bezeichnen und sie damit unter die Vor- schriften des E Ne nngegeleges zu stellen. Mit Rücksicht indessen darauf, daß unter den Begriff , Fabrik“ andererseits auch Betriebe fallen können, mit welchen eine Unfallgefahr überhaupt nicht verbunden ift, erscheint im Interesse der Billig- keit eine Bestimmung geboten, durch welche für der: artige Betrieve der Versicherungszwang ausgeschlossen werden kann. Die Entscheidunz hierüber rwoird zweck- mäßig dem Bundesrath vorzubehalten sein.

Zu Ziffer 2. Da die Pensionsberechtigung der îin Betriebs8verwaltungen des Reiches, eines Bundeésiaates oder cines Kommunalverbandes fest angestellten Becmten bei selbstvershuldeten Unfällen wohl ohne Ausnahme erst nah einer bestimmten Reihëè von Dienstjahren eintritt, mithin vor Ablauf dieser Frist diese Beamten hei solchen Unfällen nicht günstiger stehen als die Arbeiter, so ist das Be- dürfniß zur Füclorge für dieselben auf dem Wege der Unfallversicherung um so weniger unbedingt zu verneinen, als nicht in allen Staaten ihre Relikten einen geseßlichen Anspruh auf Wittwen- pension und Kinder - Erziehung8gelder haben. Gleichwohl wird von der obligatorishen Heran- ziehung verselben zur Unfallversiherung ab- zuschen sein, um eine unerwünshte Rückwir- tung auf die Gefeßgebung der Bundesstaaten zu ver- meiden. Die Ausdehnung der Bestimmungen des Unfallversiberung8geseßes auf die genannten Be- amten ift vielmehr dec Landes8gesetzgebung und der statutariswen Regelung zu überlaffen. Soweit diese Ausdehnung erfolgt und die Entschädigung der Be- amten und deren Hinterbliebenen nach dem Maße des Unfallversicherung8geseßes stattfindet, ist es be- rechtigt und nothwendig, aub ihnen gegenüber die Bestimmungen des Hasftpflihtgeseßes außer Wirk- satakeit zu seten. ; 2

Zu Ziffer 3. Die Grundsäße für den Um- fang und die Bemessung der bei Unfällen zu ge- währenden Entschädigung sind im Allgemcinen der leßten Gesetzesvorlage entnommen. In Ueber- einstimmung mit derselben soll die Unterstüßung der durch Unfall Verleßten während der ersten 13 Wochen von der Unfallversiherung aus- geschieden und den Krankenkafsen überwiesen werden. Nachdem durch das Krankenversicherungsgeseß die Verpflichtung der Gemeinde-Krankenversicherung und

der Krankenkassen zur Zewährung von Kranken- unterstütungen bis zum Ablauf der dreizehnten Woche für alle na Ziffer 1 zu verfichernden Per- sonen allgemein festgeseßt worden it, liegt ein Be- dürfniß zur Fürsorge für dieselben im Wege der Unfallversiherung während der angegebenen Zeit niht vor. Ebensowentig is die Wiedererstattung der von der Gemeinde-Krankenversicherung und den Krankenkassen an die dur Unfall verleßten Ver- sicherten gewährten Unterstüßungen über die Bestim- mungen des KFrankenversiherungêgeseßes hinaus in Auosiht genommen. In der Belastung der Kranken- fassen mit diesen Ausgaben muß vielmehr ein durh die Rücksichten der Billigkeit gebotener Aus- gleih dafür gefunden werden, daß von einer Herar- ziehung der versicherten Personen zu den Kosten der Unfallversicherung völlig abgesehen worden ift.

Wenn auch für die Betriebsbeamten mit einem 2000 A überstcigenden Arbeitsverdienst die fakul- tative Unfallversiherung ers mit Ablauf der drei- zchnten Woche Plat greifen foll, obwohl die Krankenversicherung sich auf dieselben nicht erstreckt, fo beruht dies auf der Erwägung, daß diese Beamten im Allgemeinen si in der Lage befinden, die Kosten der Krankenpflege für diese Zeit aus cigenen Mitteln bestreiten zu können, ohne dadur einer Gefährdung ihrer wirthschaftlißen Exifenz au8geseßtzt zu sein.

Im Gegensatz zu der leßten i!) a age soll der 4 Mark täglich üÜübersteigende Lohnbetrcg nicht ganz außer Ansatz bleibcn, sondern mit einem Dritt- theil in Anrechnung kommen. Dicse Aenderang er- scheint norhwendig, um den besser gestellten Arbeitern und Betriebsbeamten, insbesondere in dem Fall der Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Veamten mit cinem 2000 # übersteigenden Arbeitsverdienf|t, cinen ihrer bisherigen wirthschaftlichen Lage mehr entsprechenden Unterhalt zu sichern. Ferner erscheint zur Beseitigung von Härten in denjenigen Fällen, in denen z. B. wegen mangelnden Absatzes eine vorüber- gehende Einschränkung der Arbeitszeit und somit des Arbeitéverdienstes für einzelne Arbeiter eintritt, die Festseßung eines der Schadensregulirung zu Grunde zu legenden Minimallohnsaßes geboten. Als solher wird in Uebercinstimmung mit den Vorschriften des Krankenversiherung8geseßes der durch die höhere Verwaltungsbehörde nah Anhörung der Gemeindebehörde für die einzelnen Arbeiterklafsen festzuseßende ortsüblihe Tagelohn anzunehmen sein, dessen Normirung auf Grund genauer Ermittelungen durch cine Stelle erfolgt, welche die maßgebenden Verhältnisse vollständig zu übersehen in der Lage ist, Da nit sowohl die Zecftörung und Schmäle- rung der in Ausübung begriffenen Erwerbsthätigkeit, als vielmehr die Vernichtung und Beeinträchtigung der Grwerbsfähigkeit die Grundlage für die Höhe der zu gewährenden Unfallentshädigung bildet, so ist es gerechtfertigt, niht nur den thatsächlih bezogenen Lohn, fondern auch den unter normalen Verhältnissen mindeftens zu erlangenden Arbeitsverdienst, welcher eben in dem ortsüblihen durchschnittlihen Tagelohn besteht, in Berücksichtigung zu ziehen.

Diese Erwägung läßt es auch nothwendig erscheinen, für diejenigen Personen, roelche wegen no% nicht beendigter Ausbildung keinen oder einen Lan Lohn beziehen, besondere Fürsorge zu treffen.

Erscheint es gerechtfertigt, einen Entschädigungs- anspruh nicht anzuerkennen, wenn der Verletzte den Unfall vorsäßlih selbst herbeigeführt hat, so wird do auchß in diesem Falle den Hinterbliebenen S die Entschädigung nicht versag: werden

ürfen.

Es empfiehlt sich, die Wiederverheirathung einer Wittwe, deren Ehemann durch einen Unfall getödtet worden ift, dadurch zu erleichtern, daß ihr, falls fie zur anderweiten Ehe schreitet, eine Abfindung ge- währt wird. In Uebereinstimmung mit der früheren Gesetesvorlage ist dafür der dreifache Betrag der Rente vorgesehen worden, welche sie nah dem Tode des Mannes bezogen hatte.

Zu Ziffer 4. Mehr noH wie für Krankheits- fälle im Allgemeinen besteht für Unfälle das Be- dürfniß, die La Iean n derselben durch eine zweckentsprehende ärztlibeVehandlung des Verunglük- ten nah Möglichkeit zu beseitigen und seine Wieder- herstellung zu fördern. Au3 diesem Grunde erscheint eine ähnliche Bcstimmurg, wie solche in §. 7 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, enthalten ift, auch für die Unfallversicherung unentbehrlich.

So weit der Verunglückte Angehörige hat, denen cin Entschädigungs8anspruhß im Falle feines Todes zustehen würde, wird denselben die für diesen Fall festgeseßte Entschädigung auch für die Zeit der Ver- pflegung des Verunglückten in dem Krankenhause zu gewähren sein.

Zu Ziffer ö. Als Träger der Unfallversie- rung empfehlen fh Berufsgenofsenschaften mit obli- gatorishem Beitritt, denn in der Gemeinsamkeit des Berufs wurzelt die Gemeinschaft der sozialen In- teressen und Pflichten. Bei der Unfallversicherung aber handelt es sich in erster Linie um die Erfüllung einer sozialen Pflicht, welhe unbedingt sichergestellt werden muß. Der Versuch, diese Sicherstellung auf dem Wege der privatrehtiichen Haftpfliht zu er- reichen, hat nicht zu befriedigenden Ergebnissen ge- führt, Die hierbei gesammelten Erfahrungen nöthigen vielmehr zu der Ueberzeugung, daß die wirthschaft- lihe Sicherung der Arbeiter gegen die Folgen der Betriebsunfälle in genügendem Maße nur dadurch herbeigeführt werden kann, daß die Fürsorgepflicht aus vem Gebiete des Privatrechts und des CGivil- prozesses herausgehoben wird in das Bereich der öffent- lih-rechtlihen Verpflichtung. Aber auch ein blos polizet- liber Zwang vermag die auf diesem Gebiete liegen- den Aufgaben mit Erfolg nicht zu lösen... Dazu bedarf es vielmehr einer Organisation der betheiligten Berufskreise zum Zwecke einer selbstthätigen Mit- wirkung bei der Erfüllung der Aufgaben. Die ge- sammte Entwick-elung unseres öffentlichen Lebens weist für diese Organisation auf die genosseaschaft- lihe Form hin. Da es sih um die öffentlich-recht-

liche Sicherstellung einer allgemeinen fozialen Ver-

pflihtung handelt, fo ift für die Bildung der Genoffenschaften eine Zwangsvflicht nicht zu ver- meider. Dagegen liegt es im Begriffe der Genossen- saft. daß den Berufêgenossen hinsictlih dc¿r Art und Weise, wie fie die ihnen obliegende gemeinsame Aufgabe lösen wollen, jede mit jener Sicherstellung irgend verträglihe Freiheit der Entschließung ge- währt wird. Dim Begriff und Wesen der Berufs- genossenschaft entspricht es, daß in ihr nuc folche gewerblichen Betriebe vereinigt werden , welche auf wirthschaftlitem Gebiet im Allgemeinen gleiche oder verwandte Interessen und Vorkedingungen des Be- triebes haben. e

Bildet die Gemeinsamkeit der wichtigeren Interessen die Grundlage der Berufsgenossen- schaften, so ijt damit im Allgemeinen die terri- toriale Abgrenzung derselben nach Verwaltungs- bezirken oder Staatsgebieten ausges{lossen und ihre Ausdehnung auf das ganze Reichtg-ebiet als die Regel gegeben. /

Die Berufsgenossershaften sollen die Rechte juristister Personen besitzen. Sie können demgemäß unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verbind- lichkeiten eingehen, sowie vor Gericht klagen und verklagt werden. Ÿ i

Zu Ziffer 6. Die Kosten der Unfallversiche- rung sollen aus\chHließlich von den Berufêgenofsen- schaften getragen und mittels Umlagen dergestalt aufgebracht werden, daß immer nur der wirkliche Jahre8bedarf auf die Berufsgenossen umgelegt wird. Dieses ceinfahe System cmpfiehlt sich um 0. Webr, als o n na den: Stunde gedanken des Geseßes um große, dauernde, mit geseßlihem Beitrittszwange ausgestattete Genossenschaften handelt. Der Eintritt der Zah- lungsunfähigkeit einer Berufsgenossenschaft ift nach der vorgesehenen Organisation nahezu aus8geschlofsen. Ist dieses richtig, so liegt kein ausreichender Grund vor, die Berufsgenossenscbaften mit der komplizirten Rechnungét führung und Kafsenverwaltung zu belasten, welche unvermeidlich sein würde, wenn man das System der Privatversicherungsgesellshaften, näm- lich die sofortige Erhebung der nach versicherungs- technischen Grundsäßen für die Deckung der ein- tretenden Entschädigungsfälle nothwendigen Kapital- reserven zur Anwendung bringen wollte.

Die in der früheren Vorlage vorgesehenen Zu- \chüsse des Reichs sind tn Foctfall gekommen. Wenn auch in neuerer Zeit die Auffassung immer mehr Boden zu gewinnen \ch{eint, welche in dec aus- \{ließlihen Uebernahme der durch Betrieb8unfälle herbeigeführten Schäden durch die Arbeitgeber die Bexriedigung einer gerechten Forderung erblickt, p findet diese Uebernahme der Kosten der Unfall- versiherung durch die*Betriebsunternehmer doch in dem Vermögen derselben ihre natürlihe und nothwendige Grenze. Es würde weder der Billigkeit und dem allgemeinen Rechtsbewußtsein noch den wirthschaftliben Interessen der Gesammtheit entsprechen, die Betriebsunternehmer zur Einstellung

! threr Produktion zn nöthigen, wenn an der Hand

der praktischen Erfahrungen es fi herausftellt, daß in Folge der ihnen dur die Unfallversiberung auf- erlegten Lasten ihre Leistungs- und ihre Konkurrenz- fähigkeit gefährdet wird. In diesem Falle einzu- rreten, ift und bleibt die Pflicht des Reichs. Wenn- cleih bei dem vorgesehenen Umlageverfahren eine Ueberbürdung der Industrie mindestens für eine Reihe von Jahren nicht zu befürchten ist, so hat gletchwohl von der Anerkennung dieser Verpflichtung im Geseß nit abgesehen werden können. Für den Fall, daß die Erfahrung die Nothwendigkeit einer Beihüife an die Hand geben sollte, muß die Ge- währung einer solchen ins Auge gefaßt werden. Aber au {on jeßt muß diese eventuelle Garantie des Reichs insofern im Geseß zum Ausdruck kommen, als für den Fall des Eintritts der dauernden Leistungsunfähigkett ciner Genossenschaft die derselben obliegenden Verpflichtungen mangels eines anderen geeigneten Subjekts auf das Reich zu übertragen sein ‘verden.

Zu Ziffer 7. Die Anmeldung der vercsicherungs- pflichtigen Betriebe is nothwendig, um das für die Bildung und die vorläufige Abgrenzung der Beruf8- genofsenschaften erforderliche Material zu erlangen.

Für die definitive Zugehörigkeit der einzelnen Be- triebe zu einer Berufsçenofsenschaft ift diese An- meldung nicht entscheidend (Ziffer 21). /

Zu Ziffer 8. Aufgabe des Gesehes ift, die Bildung von Becufsgenofsenshaften zu fichern, welche in ihrer Abgrenzung zur nachchaltigen Er- füllung der ihnen obliegenden Pflichten und zur Aus- übung der damit verbundenen, Rechte befähigt sind. Soweit dieses Ziel auf dem Wege der freien Ver- einbarung der Berufsgenossen zu erreichen ift, liegt kein Grund zu einer behördlihen Festseßung und Abgrenzung der Berufsgenossenschaften vor.

Um eine Garantie für das Zustandekommen von Berufsgenofsenschaften zu gewinnen, die sich der Er- füllung ihrer Aufgaben dauernd gewachsen zeigen, bedarf es einer Instanz, von deren Genehmigung die Bildung der einzelnen Genossenschaften abhängig zu machen ist. Als diese Instanz ift der Bundesrath in Aus- ficht genommen. Die Genehmigung an die Bedingung zu knüpfen, daß die zu bildenden Berufsgenossen- schaften eine bestimmte Anzahl von Betrieben oder eine gewisse Anzahl von in denselben beschäftigten Arbeitern umfassen, erscheint niht wohl angängig, da diese Faktoren allein die Leistungsfähigkeit einer Berufsgenofsenschaft nit bedingen , dieselbe viel- mehr auch von anderen Momenten, insbesondere von der wirth\s{haftlihen Lage der betreffenden Industriec- zweige wesentlich abhängt. In dieser Beziehung bindende Normen aufzustellen, crscheint deshalb kaum möglich. Dieselben dürften um so entbehrlicher sein, als nach den Erfahrungen, welhe auf dem Gebiet der freiwilligen Vereinsbildung zum Zweck der För- derung und der Vertretung der gemeinsamen ÎIn- teressen gewisser Industriezweige gemacht worden find, mit Grund vertraut werden darf, daß auch bei der Bildung berufsgenofsenschafiliher Verbände zum

Zweck der Uebernahme der ANSADEtO erng eine zu große Zersplitterung nicht zu fürchten ift, daß

vielmehr das Bestreben, diese Lasten auf mögli} breite Schultern zu legen, im eigenen" Interesse der Betbeiligten zur Herstellung leistungsfähiger Berufs- genofsenschaften führen wird. 5

Zu Ziffer 9. Bei Anträgen aaf Bildung frei- williger Berufsgenossenschaften wird eine Garartie dafür geboten werden müssen, daß dieselben voraus- sihtlich den Intentionen der Majorität der Berufs- genossen entsprechen. Aus diesem Grunde erscheint die Vorschrift, daß die Anträge dur eine größere Zabl von Berufsgenossen unterstüßt sein müssen, wobei die Anzabl der von denselben beschäftigten Arbeiter angemessen zu berücksichtigen ist, geboten. Die in Ziffer 9 vorgeschlagene Abmessung der den Unternehmern oder Vertretern eines Betriebes ein- zuräumenden Stimmenzahl ist nothwendig, um von vornherein cin richtiges, den Interessen der Betriebs- unternehmer an der Unfallversicherung entspréhendes Verhältniß bei den Abstimmungen über die Bildung der Genoffenschaften zu sichern. 5

Gleicbzeitung empfiehlt es \ich, die Abstimmung in den Generalversammlungen durch Bevollmächtigte zu gestatten, und zwar nicht allein im Interesse der Geschäftsvereinfahung, sondern auch namentlich, um zu ermöglichen, daß bei Interessenkollisionen die ver- schiedenen Gesichtspunkte im Verhältniß ihrer Be- deutung ohne übermäßige Opfer an Zeit und Geld zur Geltung kommen.

Die Einwirkung des Reichs-Versicherung8amts auf die Abgrenzung der Berufsgenossen\chaften bereits in diesem Stadium zu gestatten, empfiehlt sih aus Zweckmäßigkeitsgründen, um erfolglose General- versammlungen zu vermeiden. L

Zu Ziffer 10. Durch die Einladungsschreiben, in welchen die Zahl der Stimmen, zu deren Führung der Einzelne berechtigt ist, angegeben werden soll, wird die unentbehrliche Legitimation für die in der Eeneralversammlung Erscheinenden in geeignetster Weise beschafft. E

Hat die Generalversammlung auch zunächst nur den Zwedck, den Betriebsunternehmern Gelegenheit zu geben, über die beantragte Bildung der Berufs- genofsenshaft Beschluß zu fassen, so ergiebt ih doch aus der Natur der Sahe, daß in derselben Anträge auf anterweite Abgrenzung der Berufsgenofsenschaft, Vereinigung mit einer anderen Berufsgenofsen- \chaft, Ausscheidung einzelner Industriezweige und Zutßbeilung derselben an eine andere Berufêgenofsen- schaft, Uebernahme einzelner Industriezweige aus einer anderen Berufsgenofsenshaft gestellt werden können, und daß dergleichen Anträge zur Berathung und Abstimmung zu bringen sind. Die General- versammlungen bieten somit die beste Gelegenheit, über die Wünsche und die Bedürfnisse der einzelnen Industrie- zweige bezüglih der Abgrenzung der Berufsgenossen- schaften eingehende und vollständige Information zu erhalten. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, zu derselben einen Vertreter des Reichs-Versicherungs- amts zuzuziehen, dessen Aufgabe (abgesehen von der Eröffnung und Leitung der Verhandlungen bis zur Wahl des Vorstandes) vorzugsweise darin bestehen wird, für eine möglichft vollständige Aeußerung der Wünsche der Betheiligten auch für den Fall, daß die Prinzipalanträge Seitens des Bundesraths nicht genehmigt werden sollten, sowie für eine zweckent- sprehende Abstimmung, z. B. nach Jndustriezweigen, Sorge zu tragen. Zur Erreichung dieses Zwecks wird dem Vertreter des Reichs-Versicherungsamts das Recht, jederzeit in der Generalversammlung ge- hört zu werden, einzuräumen sein.

Der Entwurf geht überall von dem Bestreben aus, die eventuelle Richtigstelung der ersten Ge- nossenschaftsbildung so viel wie möglich zu erleich- tern, Es ist dies um so nôthiger, als der davernde Bestand der zu bildenden Genossenschaften wesentlih von den erst zu machenden Erfahrungen wird abs hängig sein müssen.

Zu Ziffer 11. Die Bildung der Berufs- genofsenschaften soll nur insoweit durch Anordnung des Bundesraths erfolgen, als dieselbe nicht inner- halb einex *estzuseßenden Frist auf dem Wege der freien Vereinbarung der Berufsgenossen zu Stande kommt. Dieser Fall kann eintreten, wenn entweder Anträge auf Bildung von Berufsgenossenschaften für einzelne JIndustriczweige überhaupt nicht geftellt worden find, oder diese Anträge nicht die Zustimmung der betheiligten Betriebsunternehmer oder wenn die- selben nicht die Genehmigung des Bundesraths gefunden haben. Um auch in diesen Fällen den Wünschen der Interessenten nach Möglichkeit Rechnung zu tragen, soll die Bildung der Genofsen- schaften durch den Bundesrath, und zwar in dem zuerst bezeihneten Falle, unter Zuziehung von Ver- tretern der betheiligten Industriezweige erfolgen. Die Auswahl dieser Vertreter wird dem Bundes- rath überläfsen werden können, weil die Industric- zweige in der Lage sein werden, durch Auträge auf Einberufung der Generalversammlung eine unmittel- bare Geltendmachung ihrer Wünsche und Interesscn herbeizuführen. :

Zu Ziffer 12. Was die Organisation der Berufsgenossenschaften und ihre Verwaltung, die Zu- sammenseßung des Vorftandes und die Abgrenzung (einér Befugnisse, die Art der Abstimmung in der Generalversammlung u. f. w. anlangt, so wird an dem Grundsay, die behördlihe Einmischung nur in- soweit eintreten zu lasen, als dieses zur Erreihung der wesentlichen Zwe@cke der Unfallversicherung er- forderlich ist festzuhalten sein. In diefer Beziehung ersheint im allgemeinen die dem Reich2-Versiche- rung8amîti vorbehaltene Genehmigung der Statuten zur Wahrung der staatlichen Juteressen ausreichend. Da aber die vom Bundesrath genehmigte oder mangels zur Genehmigung geeigneter General- versammlungsbes{lü}se durch den Bundesrath ge- bildete Genossenschaft zunächst noch der eigenen Or- gane, sowie der ftatutarischen Normen für die Form ihrer Verwaltung ermangelt, so empfiehlt es sich, bis zum Zustandckommen des Statuts die unter Ziffer 9 und 10 für die erste Generalversammlung gegebenen Vorschriften auch für die Genossenschafts-

versammlungen gelten zu lasfen. Dadurch fällt die Jnitiative für die bebufs Aufstellung des Statuts