1884 / 8 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

durchaus nöthig, daß dies auch in Zukunft miudestens ebenso bleibe. Vielleiht wäre auch eine Aenderung des Konsolidations- geseßes erforderlih. Doch müsse dazu die Regierung die JZnitiative ergreifen. Er bitte daber, den Antrag von Strom- beck abzulehnen.

Der Finanz-Minister von Scholz erwiderte, er könne in

seiner Entgegnung die Bemerkung nicht unterdrücken, daß bei der von dem Vorredner selbst hervorgehobenen Tragweite der angeregten Frage es niht zu viel verlangt gewesen wäre, wenn derVorredner ihn vorher darüber informirt hätte, daß dieselbe heute hier zur Verhandlung gelangen werde. Es sei sehr shwer, in Fragen von solcher Tragweite Namens der Staatsregierung eine Erklärung abzugeben. Er nehme aber feinen Anstand, über seine persönlihe Auffassnng zur Sadwe? eine vorläufige Erklärung schon jeßt abzugeben, weil er sich völlig klär darüber sei, daß es nicht wünschenswerth sei, den Etat dadur zu verbessern, daß man in der Besei- tigung von Amortisationzausgaben weiter fortgehe, und dadurch eine leichtere Balancirung im Etat herbei- führe. Es handele sich wesentlich darum, ob Das Garantiegesey nah dieser Richtung hin eine Aenderung er- fahren müsse. Er glaube, es werde nothwendig sein, für den Fall, daß an Stelle der amortisirbaren Anleihen Papiere treten sollten, welche niht amortisirbar seien, Vorkehrungen zu treffen, daß auch jeßt hon eine weitere Zinstilgung in dem Etat vorzunehmen sei. Er sei auch sehr gern bereit, die Frage in praktishe Erwägung zu nehmen und eine Vorlage zu machen. Für heute könne er ih nur darauf beschränken, seine Zustimmung zu den Ausführungen des Referenten zu erklären, daß es nicht zu verstehen sein würde, wenn man bei dieser Vorlage eine andere Bestim- mung bezüglich der Kündigung zulassen würde, als dies bei den früheren Verstaatlihungen beliebt worden sei. Er wolle nur hinzusügen, daß das Erforderniß einer geseßz- lihen Kündigung den Jnhaber der Prioritätsobligationen thatsächlih in eine andere Lage seßen würde, als sie jeßt be- stehe. Die einzelnen Privatgesellschaften seien in der Lage, nach ihrem Belieben die Kündigung eintreten zu lassen, ohne an Vorbedingungen gebunden zu sein. Es liege kein Grund vor, hierin für die nun staatlichen Bahnen eine Aenderung eintreten zu lassen.

Der Abg. Rintelen erklärte, es sei kein Grund vorhan- den, einen früher gemachten Fehler jeßt fortzuseßen. Nehme das Haus den Antrag von Strombeck nicht an, so shädige man die Obligationsbesißer, denn wenn der Minister ohne Weite- res nah seinem Gutbefinden Konversionen vornehmen könne, so werde derselbe ganz von selbst dabei mehr im fiskalischen Jnteresse verfahren müssen, ohne die Privatinteressen ge- nügend zu berüdcksihhtigen. Die Privatbahungesellshasten hätten früher nicht ohne staatlihe Genehmigung Konversionen vor- nehmen können; das sei zum Schuße der Obligationsbesitzer geschehen. Jeßt, wo der Staat selbst an die Stelle der Pri- vatgesellshaften getreten sei, müsse das Haus den Obligations- inhabern mindestens die Garantie geben, daß niht ohne Ge- nehmigung der Landesvertretung konvertirt werden könne.

Der Finanz-Minister von Scholz entgegnete, er möchte uur mit einigen Worten die Bedenken des Vorredners zer- streuen. Die Bedeutung, welche der Vorredner dem Jnhalte dieses Paragraphen zuschreibe, sei durhaus nicht vorhanden. Er erkläre hiermit formell, daß die Regierung den 8. 5 nicht dahin verstehe, daß der Minister lediglich nach seinem Gut- befinden die Kündigung der Anleihen vornehmen könne. Nach der Auffassung der Regierung handele es si nicht darum, eine Aenderung in den wohlerworbenen Privat- rehten der Gläubiger der Eisenbahnen herbeizuführen, sondern nur darum, den Finanz - Minister zu ermäch- tigen, innerhalb der Grenzen, die in den einzelnen Pri- vilegien enthalten seien, zu kündigen. Auch werde der Finanz- Minister niemals einseitig im fiskalishen Jnteresse die Frage der Kündigung entscheiden, sondern nur in Würdigung des gesammten Staatsinteresses. Dann möchte er sih aber doch gestatten, aufmerksam zu machen, daß auch bei Be- urtheilung der bisherigen Verhältnisse die Staatsregierung niht im FJnteresse der Obligationsinhaber gehandelt habe, sondern lediglih im Jnteresse der Staatsgesammtheit, daß sie bei etwaigen Prioritätskündigungen stets nur von allgemeinen Gesichtspunkten geleitet worden sei, wie sie auch nur von solchen in Zukunft geleitet werden werde.

Der Abg. von Wedell-Malchow erklärte, die Staatsregie- rung sei weit eher in der Lage, Billigkeitsrücksichten walten zu lassen, als die Privatbahnen. Es sehe aus, als ob die An- tragsteller die Jnteressen der Obligationsbesißer über die des Staates stellten. Nach den vorliegenden Bestimmungen glichen sih die Verhältnisse der beiderseitigen Jnteressen aus. Es liege im gemeinsamen Fnteresse, der Regierung die vorliegende Voll- macht zu geben. Gebe das Haus sie nicht und erwarte es ein diesbezüglihes Geseß, so vergehe darüber die günstige Zeit, und der Finanz-Minister könnte wohl in die Lage kom- men, in der Zwischenzeit noch eine neue Vollmacht vom Hause zu fordern. Begründete Klagen seien über den dur die Verstaatliung geschaffenen Zustand bezüglich der Amor- tisation nicht vorgebraht worden. Wenn man das Staats- bahnsystem durchführen wolle, so seien solhe Vollmachten für die Regierung durchaus unentbehrlih. Er bitte daher, den Antrag von Strombeck abzulehnen.

Der Abg. Büchtemann bemerkte, man kenne ja die Ten- denz des Vorredners, überall der Börse zu Leibe zu gehen, mit welhem Erfolge, wisse man auch. Wenn der Vorredner für sih in Anspruch nehme, das Jnteresse des Staates mehr als andere Mitglieder dieses Hauses wahrzunehmen, so müsse er demselben doch widersprehen; auch er handle nah keinen anderen Gesichtspunkten. Aber hier stehe doch eine Machtvoll- kommenheit der Regierung in Frage, wie sie noch nie gewährt worden sei. Eine solche Verzilhtleistung der Landesvertretung könne er nimmermehr gut heißen. Er bitte, den Antrag von Strombeck anzunehmen.

Der Abg. Dr, Windthorst erklärte, die Regierung bekomme dur die Verstaatlihung der Eisenbahnen einen ungeheuren Machtzuwachs, der noch unendlih viel größer werde, wenn sie mit der kolossalen Sculdenlast des Staates nach Belieben manipuliren könne. Besonders in unruhigen und Kriegs- zeiten könne das unendlih gefährlich werden. Der Staat jollte auch nit vergessen, daß derselbe seine Kräfte nur aus den Steuerzahlern ziehe; wenn der Staat deren berehtiate nteressen verleze, so bringe ihm das nur \chein- baren Vortheil, aber auf der anderen Seite desto größere Nachtheile. Der Finanz-Minister müsse im fiskalischen Jntercsse verfahren, darum heiße derselbe eben Finanz-Minister und nicht Volkswirthschasts:Minister. Er habe nit das ge-

ressorts, im Gegentheil, er wollte, es würde in allen Departe- ments fo befriedigend gearbeitet, z. B. im Kultus-Ministerium, aber er stimme troßdem für den Antrag von Strombeck, auch des- halb, damit die Rechte der Landesvertretung gewahrt blieben. Sehe man nah Frankreih, welche Rolle im politishen Leben dort die Konversionen spielten, und dort denke Niemand daran, dem Minister allein dieselben in die Hand zu geben. Dies Haus müsse gleihfalls im Stande sein, die politischen Aktionen der Regierung bei den Konversionen zu fkontroliren, und er begreife niht, wie man dem entgegen sein könne. Es sei auch dringend wünschenswerth, wenn mehr und mehr die Kapitalien, insbesondere die kleineren, bei dem Staate belegt würden ; das würde namentlih im Jnteresse der {wächeren Elemente im Volke, die sich nicht selbst helfen könnten, und ihr Kapital sicher unterbringen wollten, liegen. Es würde dann auch unmöglih werden, daß das Elend der Gründerzeit sih wiederhole. Hauptsählich maßgebend für seine Abstim- mung sei aber die Frage: Solle das Haus bei den Konver- sionen mitsprehen. Er sei, so lange er hier stehe, für das Mitsprechen, : S

dn Hierauf ergriff der Finanz-Minister von Scholz das

ort:

Der Herr Vorredner hat mit zwei Argumenten gesucht, Ihre Meinung für sich zu gewinnen, die, wie mir s{hien, einander ent- gegengeseßt warcn.

Er hat einmal gesprochen von „dieser Allgewalt“, die in die Hände des Ministers gelegt werde. Ich bin zur Zeit der nächst Be- theiligte dabei, ih muß offen bekennen, ich finde von dieser Allgewalt nirgends etwas, ich bin so gebunden wie jeder Beamte in seinem Amte und ih kann nicht sagen, daß ih auc nur einen Moment das Gefühl gehabt häite, eine große Allgewalt in meinen Händen zu besißen. Die Sachen vollziehen sich so gegebener Weise, und nur darum kann es fich handeln, ob Sie den Minister in die Lage setzen, wenn die Verhältnisse eine solche Kündigung gerathen erscheinen lassen darn damit vorzugehen oder niht. Die Allgewalt ist i2)r beshränkt. Der Herr Abgeordnete hat dies selber anettanit, indem ex gle: binterher gesagt hat, „wenn es gegangen wäre“, dann würden Sie viel mehr von Kündigungen erlebt haben; wir würden seiner Meinung nah „wenn es gegangen wäre“ \ckchon viel mehr Prioritätsobligationen gekündigt haben. Gerade darin ist der Herr Abgeordnete im Irrthum; gegangen wäre cs fehr leicht, das kann ih: Sie versihern; wenn wir gewollt hätten, wäre es geschehen, aber wir haben es nicht gewollt. Die Er- wägungen, die wir angestellt haben im Interesse des Staats, konnten es als durchaus nüßlih nit erscheinen lassen, und so baben wir uns diese Beschränkung auferlegt.

Der Herr Abgeordnete hat dann geglaubt, damit besonders die Bedenken Ihnen nahe legen zu können, daß er sagte: er heißt ja zuerst Finanz-Minister, in seinen Erwägungen wird immer das finanzielle, fiskalische Interesse im Vordergrund stehen. Jh kann mich darüber nicht beklagen; wenn er Sie so mißversteht, daß er glaubt, Sie machen den §. 5 aus Angst vor fich selber, und daß er Sie davor warnt, dann muß ih natürlich ganz zufrieden sein, wenn er mih, neben so vielen. gütigen Bemerkungen, die ih dankbar er- kenne, dahin geschildert hat, daß ih in. eriter _Linte Finanz-Minister heiße und sei. Darin is er indessen formell und matériell im Jrrthum, ih heiße in erster Linie Staats- Minister und erst in zweiter Linie Finanz-Minister und dem ent- sprechend habe ih meine Pflicht auch stets aufgefaßt.

Der Herr Abgeordnete ist deshalb vollständig tim Irrthum, wenn er meint, daß der Schuß, den der Prizateisenbahn-Obligationsinhaber früher gehabt hätte, weil seine Lage voin volkzwirth\chaftli/hen Gesichtépunkte aus beurtheilt worden . sei, ihm jeßt nicht mehz zu Theil wükde. Meine Herren, bei der fragliden Entscheidung ist der Finanz-Minister in erster Reihe betheiligt gewesen und der Finanz-Minister hat gerade die volkêwirthschaftlichen Gesihtspunkte mit zur Geltung gebracht und wird es auch künftig thun. Der Herr Abgeordnete is , wie ih glaube, aud darin im Jrrthum, wenn er annimmt, daß es naturgemäß sei, wenn ein Finanz-Minister auf dem Boden stehe, welen nah einer Mittheilung, ih habe es selbst nicht cehört der Hr. Abg. Reichensperger dahin eingenommen habe, daß der Staat berechtigt sei, jederzeit den geringsten Zinsfuß zu er- streben und sich zu verschaffen. Ich gehöre dieser Schule nit ant lle & nid! unter allen Umständen für ein Glüdck für den Staat, den geringsten Zinsfuß zu haben, und ih halte es nit für ein Streben, das uns tagtäglich leiten müßte, nah Herak- setzung unseres Zinsfußes zu streben.

_ Was endlich die Vergleichung mit anderen Staaten und die große po- litishe Tragweite betrifft ih habe in dieser Beziehung dem Herrn Ab- geordneten nicht genau folgen können, die abgewendete Sprache verwehrt es mir oft, den Zusammenhang der Sätze zu hören so möchte ich Sie nur bitten, dessen eingedenk zu bleiben, daß da, wo der Finanz- Minister etwa zu sehr von Einfluß sein könnte, wo nah dem Um- fange der in Betracht komm nden Schuldtitel ein größeres staatliches Intercsse in Frage sein kann, Jhnen ja diese Mitwirkung vollkommen gesichert ifi. Wenn es sih darum handelt, unsere 4{prozentigen Konsols oder 4 prozentigen Konsols künftig zu kündigen oder zu konvertiren, oder ihren Zinsfuß zu ändern, da is überall nah den Gesetzen die Mitwirkung der Landesvertretung vorbehalten, und da ist also die Sicherheit, die Sie für den Staat in großem Umfange haben wollen, auch vollständig gewährt. Hier aber, glaube ich, können Sie in den bisher innegehaltenen Gleisen unbesorgt auch weiter gehen.

Der Abg. Dr. Hammacher erklärte, der Antrag von Strom- beck erscheine ihm als ein durchaus unglücklicher legislatorischer Versuh; werde derselbe angenommen, so s{haffe man zwei Sorten von Prioritäts-Obligationen-Jnhabern, wobei die von diesem Gesetze betroffenen günstiger gestellt wären, als die Jnter- essenten der längst verstaatlihten Bahnen. Wenn die Kündi- gung durch Geseß erfolgen solle, warum nicht auch die viel wich- tigere Liquidation? Hier sollten die staatsrehtlihen Bedenken des Abg. Dr. Windthorst noch viel stärker sein ; was halte den- selven von einem dahingehenden Antrag ab? (Abg. Dr. Windt- horst: Der Widerspruh des Abg. Hammacher.) Dieser hätte den Abg. Dr. Windthorst dann doch auch abhalten müssen, den Antrag von Strombeck einzubringen. Die Erfahrungen mit der Rentenkonversion in Frankreih führe ihn zu ganz ent- gegengeseßten S(hlüssen. Dort seien lediglih taktishe Rück- sihten für das frühere Ministerium maßgebend, die Konver- sion hintanzuhalten; obwohl der Zinsfuß \{chon auf 4 Proz. heruntergegangen sei, erleichtere es die furhtbare Last von 6 Milliarden anläßlich des Krieges aufgenommener 5 prozenti- ger Rente nicht, da das Ministerium durch eine Konversion seine Popularität zu verlieren fürhten müsse.

Die Diskusfion wurde geschlossen, und der Antrag von Strombeck abgelehnt. §. 5 wurde in der Kommissionsfassung ge- nehmigt, desgl. §8. 6—9.

Bei 8. 10, welcher lautet :

Bis zu einer anderweiten geseßlichen Regelung der Kommunal- bestcuerung der Eisenbahnen finden die bisherigen geseßlichen Be- stimmungen über die Verpflichtung der Privateisenbahnen zur Zah- lung von Gemeinde-, Kreis- und Provinzialsteuern auf die im S. 1 sub 1 bis 5 bezeichneten Eisenbahnen au nach dem Uebergange derselben in die Verwaltung für Rechnung des Staates oder in das Eigenthum des Staates in gleiher Weise, wie bis zu diesem Zeitpunkte, Anwendung.

Sofern nach dem Uebergang in das Eigenthum oder in die Verwaltung für Rechnung des Staates eine der in diesem Gesetze bezeihneten Eisenbahnen oder Theilstrecken derselben mit einer

ringste Mißtrauen gegen die jeßige Leitung des Finanz-

anderen diefer Bahnen oder Theilstrecken derselben oder mit anderen

dem Staate gehörigen oder für Rech1ung des Staates betriebenen Bahnstrecken zu einem Eisenbahndirektionsbezirk vereinigt sind oder noch vereinigt werden und in Folge dessen für eine Station des neugebildeten Eisenbahndirektionsbezirkes sich eine Verminderung des fteuerpflihtigen Reinertrages ergeben sollte, so ist der Besteue- rung der Betrag des f\teuerpflibtigen Reineinkommens der betreffen- den Stationen nach dem Durchschnitte der dem 1. April 1880 vorangegangenen drei Steuerjahre zu Grunde zu legen.

fragte der Abg. Dr. Hammacher den Minister, ob der in der

Kommission in Aussicht gestellte Kommunalsteuer-Geseßentwurf

in den nächsten Tagen eingebracht werde.

Der Staats-Minister Maybach entgegnete, die Vorbe- reitungen zu dem Entwurf seien soweit gefördert, daß er die Versicherung abgeben könne, daß derselbe, die Allerhöchste Er- mächtigung vorausgeseßt, in allernächster Zeit an den Land- tag gelangen werde.

Darauf wurde §. 10 genehmigt, ebenso ohne Debatte der Rest des Entwur}s, dessen zweite Berathung damit er- ledigt war.

j R vertagte sih das Haus um 21/, Uhr auf Donnerstag 2 Uhr.

In der heutigen (22.) Sizung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius und der Justiz-Minister Dr. Friedberg nebst mehreren Kommissarien beiwohnten, stand zunächst auf der Tagesordnung die Berathung des Berichts über die Verwendung des Erlöses für verkaufte Berliner Stadtbahnparzellen.

s Der Bericht wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Es folgte die Berathung des Nachweises über die Ver- wendung des in dem Etat der Eisenbahnverwaltung pro 1. April 1882/83 unter Titel 16 der einmaligen und außer- ordentlichen Ausgaben vorgesehenen Dispositionsfonds von 900 000 M __ Der Nachweis wurde ohne Debatte an die Budgetkommis- non verwie)en.

An dritter Stelle stand auf der Tagesordnung die erste Berathung des Entwurfs eincr Landgüter-Ordnung für die Provinz Schlesien.

Der Abg. Scholz (Neisse) gab verschiedenen Bedenken gegen die Vorlage Ausdruck. Die Bedürfnißfrage sei nicht klar nachgewiesen. Die ländlihe Bevölkerung, die allen Neuerungen abhold sei, werde sich zu der Vorlage nicht günstig stellen. Er bitte, dieselbe einer besonderen Kommission von 14 oder 21 Mitgliedern zur Vorberathung zu überweisen.

Der Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa glaubte, daß eine kommissarische Berathung des Gesetzes nicht noth- wendig sei. Troßdem werde seine Partei niht gegen eine solche stimmen; denn in der Kommission würde sih Gelegenheit finden, die Bedenken zu entkräften, welche der Vorredner, wie er aner- kenne, in ruhiger und sachliher Weise zur Geltung gebracht habe. Die Bevölkerung Schlesiens werde dem Geseß sicher Sym- pathieen entgegenbringen ; es müßte denn sein, daß sie von einer gewissen!osen Agitation gegen dasselbe voreingenommen würde. Denn dieses Geseß biete allein die Mittel, dem Lande einen gesunden und kräftigen Bauernstand zu erhalten, an dem Allen gelegen sein müsse.

Der Abga. Dr. Meyer (Breslau) wies darauf hin, daß die

‘besten Waffen gegen das Geseß die Regierung selbst in den

demselben beigegebenen Motiven geliefert habe. Den größeren Theil derselben mache das vom Ober-Landesgericht zu Breslau eingereihte Gutachten aus, das sich nach umfassender und ein- gchender Prüfung der Materie gegen die Vorlage wende, weil ein Bedürfniß zu derselben nicht vorliege. Dem ableh- nenden Gutachten des Ober-Landesgerichts stehe allerdings das Votum des Provinzial-Landtags gegenüber, einer Körperschaft, deren Gewihtigfeit er nit verkenne und die sich zu Gunsten der Höferolle ausgesprochen habe. Aber Gründe habe die- selbe ihrem Votum nicht beigefügt. Jn der nieder- sähsishen Bevölkerung sei wohl eine Strömung zu Gunsten einer Höferolle vorhanden, niht aber in Slesnen. C bedlirie dort leiner Agitation bie Bevölkerung werde sich von selbst auflehnen gegen die Be- stimmungen dieses Geseßes. Aus diesem Grunde glaube er au, daß das Geseß nicht viel Schaden anrichten werde. Aber er könne es auch nicht billigen, daß Geseße gemacht werden, die weiter nichts seien als ein Schlag in die Luft.

Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. Letocha das Wort.

Nach Mittheilungen aus Jtalien sind von der Schiffs- bau-Direktion des 1. Seedepartements zu Spezia folgende Submissionen ausgeschrieben worden:

1) für den 22. Januar d. J. bis 12 Uhr Mittags eine Submission auf Lieferung verschiedener Holzarten und hölzer- ner Gegenstände im Taxwerth von 51 380,99 Lire (Kaution 5200 Lire);

2) qur den 29. Qanuar d. I5 his Mittags 129 Uhr, eine Submission auf Lieferung metallener Röhren im Tax- werth von 40 000 Lire (Kaution 4000 Lire).

_Die näheren Bedingungen liegen bei der genannten Di- rektion sowie beim Marine-Ministerium und den Schiffsbau- Direktionen zu Neapel und Venedig aus.

_— Wird ein Beamter in Folge der Einleitung cines gerichtlihen Strafverfahrens gegen ihn vom Amte suspen- dirt unter Einbehaltung eines Theils seines Dienstein- kommens, fo ist ihm, nah einem Urtheil des Reichs- Ae, von 0 Jo V S im S ba Freisprehung der einbehaltene Theil seines Dienstein- fommens vollständig nahzuzahlen. Wird aber sofort nach dem mit der Freisprechung boendeten Strafverfahren wegen derselben Sache die Disziplinaruntersuhung gegen den Beamten unter Aufrechterhaltung der Suspension eröffnet, und endet diese Untersuhung mit der Dienstentlassung des Beamten, so hat der Beamte keinen Anspruch auf Nachzahlung des wäh- rend des Strafverfahrens einbehaltenen Theils seines Dienst: einkommens,

Auch im Fahre 1884 wird ein Jnformations- Kursus bei der Militär-Schießschule abgehalten werden. Zu diesem Kursus, welcher vom 7. bis 17. Oktober d. J. zu dauern hat, sind zu kommandiren: die zu einem solhen Kursus noch nicht herangezogenen Regiments-Comman- deure der Jnfanterie bezw. Commandeure der Jäger: Bataillone, ferner von jedem Armee-Corps 2, vom RI. Armee-Corps 3 ältere Stabsoffiziere der Jnfanterie, sowie 6 Offiziere des Genecal- stabes. Die Lehrkuxrse der Militär:Schießschule haben in der üblichen Zahl und Dauer stattzufinden.

Bayern. München, 9. Januar. (Allg. Ztg.) Jn der heutigen Plenarsißung seßte die Abgeordnetenkammer

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die Berathung über die Hagelversiherungsvorlage bei Art. 9a des Geseßentwurfs fort, welcher lautet: „Der Anstalt wird bei Eröffnung derselben ein als besonderer Staatsfonds zu verwaltendes und in gesonderter Rechnung nach- zuweisendes Reinkapital von 1 000 000 / aus der Staatskasse zugewiesen. Der Zeitpunkt, mit welchem dasselbe der Staatskasse zur freien Verfügung zurückfällt, bleibt der Bestimmung des Finanzgesebes vorbehalten. Außerdem wird an die Anstalt ein jähr- licher Staatszushuß von 40 000 # geleistet. Auf die Dauer dieses Zuschusscs findet im Geltungsbereiche gegenwärtigen Gesetzes ein Anspruch auf Steuernachlaß wegen erlittenen Hagel- shadens nicht statt, sofern dem Beschädigten nicht der Ein- tritt in die Anstalt verweigert worden war.“ Die Abgg. Joh. Geiger und Dr. Deinhard beantragten, den jährlichen Staatszushuß auf 100000 A festzusegen. Der Finanz- Minisier lege hiergegen dar, daß aus prinzipiellen und finan- ziellen Gründen eine höhere Leistung des Staates, als sie Art. 9a enthält, niht bewilligt werden könne. Je höher die Leistung, deslo näher der Gedanke der Verstaatlichung. Es sei aber nicht die Jntention der Staatsregierung und wohl au nicht die des Hauses, die Privat- Hagelversicherungs- Gesellschaften zu unterdrücken. An der Debatte über den Antrag: betheiligten \sich außer den Antragstellern zu- nächst der Abg. von Hörmann, welcher erklärte, nunmehr gegen jeden Staatszuschuß stimmen zu müssen, nachdem die Anstalt eine folhe Gestalt bekommen habe, daß sie niht ge- eignet sei, irgend einen Staatszushuß zu bekommen. Redner beanfiandete insbesondere auch, daß die Versicherten der Steuernachlässe verlustig werden. Der Finanz-Minister er- widerte, daß der zweite Absatz des Art. 9a absolut erforderlich sei und die Beseitigung desselben die Stellung der Staats- regierung zur Vorlage völlig verändern würde. Der Abg. Frhr. von Stauffenberg hielt seine prinzipielle Stellungnahme gegen die Vorlage aufrecht und bekämpfte den Antrag Geiger-Dein- hard, wobei Redner die ungünstigen Geschäftsaussichten der zu gründenden Anstalt erörterte, bezüglich des Steuernachlaß-Ver- lustes aber, eine redafkftionelle Aenderung vorausgeseßt, mit dem Abs. 2 des Art. 9a sich einverstanden erklärte. Der Finanz- Minister glaubte, einen für die Geschäftsaussichlen bedeutenden Vorzug der Anstalt vor den Privatgesellshaften darin erblicken zu können, daß dieselbe Ueberschüsse niht herausbezahlt, son- dern zur Entschädigungszahlung ansammelt. Die Abgg. Sell- ner und Reindl befürworteten einen Fahreszushuß von 100 000 M, die Abgg. Frank, Frißsche und Dr. Pfahler einen solhen von 40 000 /6 Die Abstimmung ergab eine große Majorität für den Antrag des Ausschusses auf 40 000 M, sowie die Annahme des Abj. 2 des Art. 9a mit der vom Frhrn. von Stauffenberg beantragten redaktionellen Aenderung, daß Anspruch auf Steuernahlaß „nur dann“ stattfindet, „wenn“ dem Beschädigten der Eintritt in die Anstalt verweigert wor- den war. Das Haus erledigte noch die Art. 10—16 nach Ausschußbes{hluß mit der zusäßlihen Modifikation in Art. 12, daß die Verwaltung der Anstalt die Bezeihnung zu führen hat: „K. Brandversicherungskammer, Abtheilung für Hagel- versicherung“. Hierauf wurde die Sißung vertagt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 8. Januar. (Pr. Ztg.) Der neu ernannte ferbishe Gefandte Garaschant1in überreichte heute dem Kaiser scine Kreditive.

Linz, 7. Zänuar, (Wien. Zlg) Ver Kalter hat, wie die „Linzer Ztg.“ meldet, die Beschlüsse des oberösterreichci- schen Landtages, mit welchen für das Jahr 1884 zur Be- deckung der Abgänge bei dem Grundentlastungsfonds, bei dem Landesschulfonds und bei dem Landesfonds im veranschlagten Gesammtbetrage von 1615 192 Fl., die Einhebung einer Landesumlage von 40 Proz., und zwar den Grund- entlastungsfonds von 8 Proz., für den Landesschulfonds von 201/, Proz. und für den Landesfonds von 111/, Proz. von jedem Gulden der direkten Steuern mit Einschluß aller Staatszuschläge festgestellt wurde, zu genehmigen geruht.

Pest, 8. Januar Prag: Zta) Das Amtsblatt veröffentliht ein Kaiserliches Handschreiben, welches den Minister Orczy mit der provisorischen Leitung des Landesvertheidigungs-Ministeriums betraut.

Schweiz. Bern, 8. Januar. Der „Bun d“ schreibt Mit Rückfsiht auf den Umstand, daß das bekannte Projekt: der Nekonstruktion der Diözese Basel und der gleichzeitiaen Lösung der Tessiner Bisthumsfrage (Einseßung eines apostolishen Administrators) zur Zeit noch wenig Aussicht auf Verwirklichung hat, wendet sih nun die Regierung von Tessin neuerdings an den Bundesrath um Kreirung eines eigenen Bisthums für den dortigen Kanton. Der Bundesrath dürfte sih indessen jeßt so wenig als früher veranlaßt sehen, diesem Wunsche zu entsprechen, so sehr er auch einen befriedigenden Abschluß diescr seit Jahrzehnten pendenten Frage für wünschens- werth hält.

9, Januar. (Bund.) Die gestern Vormittag unter dem Vorsiß des Bundesraths Deucher abgehaltene Konferenz von je zwei Vertretern der Regierungen von Aargau und Zürich über die Nationalbahn-Schuld verlief resultatlos. Aargau wollte die Hôlfte, Zürih höchstens den vierten Theil der Summe von 2 400 000 Fr. übernehmen. Jn Folge dessen entscheidet nunmehr der Bundesrath über die Repartition der Schuldpflicht zwischen beiden Kantonen.

Frankreich. Paris, 8, Januar. (Köln. Ztg.) Der Ministerrath im Elysée beshloß5 heute, den Senat um die unverzügliche Berathung des außerordentlihen Budgets und des Gemeindegeseßes, und die Deputirten- kammer um die unverzügliche Berathung der Vorlage für Verschmelzung des Budgets der Polizeipräfektur von Paris mit dem Staatsbudget und des Gesetzes über aufrührerishe Rufe und Kundgebungen auf offener Straße zu ersuchen. Der Ministerrath beshloß ferner die gerichtlihe Verfolgung der „République démo- cratique et sociale“, des Organs des Deputirten Talandier, wegen eines Artikels, der Beleidigung der guten Sitten, Aufforderung zu Mord und Brandstiftung enthalte. Auch der DEmp9- sagt heute, daß die Regierung beschlossen habe, die Frage wegen der Verfassungsveränderung nicht, wie es hieß, schon im nächsten Monat nah Annahme der dringlihen Gesehe vor die Kammer zu bringen, sondern erst nah den Osterscrien, aber noch vor den Sommerferien, sodaß die Frage vor der cgcilährigen Ergänzung des Senats im Januar 1885 erledigt ein kann.

9, Januar. (W. T. B.) Das Gerücht von einer Er- krankung des Präsidenten Grévy entbehrt der Begrün-

Eine Depesche des Admirals Courbet aus | Hayphong, vom 31. Dezember v. J., meldet: Nach genauen Ermittelungen verlor der Feind bei der Einnahme von Sontay 400 Todte und 600 Verwundete; unter den leb- teren befinden sih der Führer der „Schwarzen Flaggen“ und sein Vertreter; unter den Getödteten find mehrere chinesische Offiziere. Der Feind ließ in Sontay 89 Geschüße von Bronze oder Gußeisen, darunter 7 gezogene, sowie 400 kg Dynamit und 150 000 Geschosse zurü.

10. Januar. (W. T. B.) Der Graf von Paris ist heute früh nach Spanien abgereist.

Spanien. Madrid, 9. Jauuar. (W. T. B.) Jn de1 heutigen Sißung der Deputirtenkammer erwiderte auf eine Anfrage des republikanishen Deputirten Gonzales Serrano, welcher sich tadelnd über die auswärtige Politik des vorigen Kabinets aussprach, der Minister des Fnnern: das gegenwärtige Kabinet sei solidarish hinsihtlih der aus- wärligen Politik des vorigen Kabinets. Der Minister erklärte ferner formell, daß kein Vertrag oder Bündniß mit Deutsch- land oder einer anderen Macht geschlossen worden sei.

Jtalien. Rom, 9. Januar. (W. T. B.) An dem Festzuge nah dem Pantheon nahmen etwa 25 000 Per- sonen mit 1500 Fahnen und 80 Musikkapellen Theil. Die Spiße des Zuges bildet-n die Munizipalität, das Central- comité der Wallfahrer, Senatoren, Deputirte und Delegirte der italicnishen Kolonien. Um 11 Uhr erreichte die Spiße des Zuges das Pantheon. Die Kirche war {warz drapirt und mit Wachskerzen und Spiritus- flammen erleuchtet. Das Grabmal Victor Emanuel's umstanden Veteranen; unmittelbar vor demselben if ein Grenadier aus der Zeit Karl Alberts pottirt, an welchen der König heute früh einige wohlwollende Worte richtete. Der Zug bewegte sich langsam an dem Grabe vorbei, auf welches die hierzu erwählten Kommissionen Kränze in allen Größen legten. Unter denselben ragen besonders ein prachtvoller Kranz des Königlichen Hauses sowie die Kränze der Stadt Rom und der Territorialarmee durch ihre Schönheit hervor. Das Grabmal verschwindet ganz unter Blumenspenden. Jn dex Kirche waren sämmtliche Mitglieder der römishen Kommunal- und Provinzialräthe, mit Aus- nahme einiger klerikalen sowie eine große Anzahl italienischer Bürgermeister anwesend. Während die Spiße des Zuges das Pantheon durch eine andere Pforte verließ und sih außerhalb desselben allmählich auflöste, sind die Mitte des Zuges und die leßten Theilnehmer noch im Anmarsch nah dem Pantheon.

Nußland und Polen. St. Peters burg, 10. Januar. (W, D. D) Das. „Journal d2 Sl. PótersbouLg“ meldet: der Minister des Aeußern, von Giers, werde, der ihm durch den Botschafter Fürsten Lobanof|f nah Mon- treux überbrachten Einladung des Kaisers von Oesterreich folgend, sich nah Wien begeben ; der Tag seiner Ankunft daselbst sei jedoch Familienverhältnisse halber noch unbe- stimmt.

Das „Journal“ bespricht ferner die Antwortschreiben des Deutschen Kaisers an den Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin auf deren Neujahrs- glücwünsche und bemerkt: beide Schreiben bezeugten den Wunsch und das Vertrauen des Kaisers, daß der Frieden er- halten bleibe und herzliche Beziehungen der Mächte allenthalben anaebahnt würden. Alle Friedensfreunde theilten aufs herz- lihste den Wunsch des deutschen Volkes, daß die Vorsehung dem Kaiser noch ein langes und glücklihes Leben gewähren möge.

10, Januar. (W. T. B.) Wie verschiedene Zeitungen melden, soll der Reichsrath bei Prüfung des ihm zur Genehmigung vorgelegten Budgets für 1884 von den Postulaten der Hauptintendantur-Verwaltung des Kriegs- Ministeriums 6500000 Rbl, der Hauptartillerie- Boôrwaltung 1500000 Nol. U. d& Marine- Ministeriums 5800000 Rbl. gekürzt haben. Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ erfährt, daß Professor von Martens als Vertreter des Ministeriums des Aeußern an den Arbeiten der Judenktommission theilnehmen werde. SBeitungsmeldungen zufolge haben russishe und chinesishe Kommissare die neue Grenzregulirung zwischen dem Ferghana-Gebiet und den chinesishen Be- sißungen auf Grund des Vertrages vom 2. Februar 1881 in Angriff genommen.

Amerika. Washington, 9. Januar. (W. T. B) Das Repräsentantenhaus nahm heute eine Resolution an, wonach die Kommission für Handelssachen ange- wiesen wird, die Motive für das Verbot der Einfuhr ame- rikanishen Schweinefleishes nah Deutschland und Frank- reih zu prüfen und etwa nothwendig werdende Geseh: entwürse vorzuschlagen. Ferner wurde eine Resolution ge- nehmigt, dahin lautend: der Kommission für die aus- wärtigen Angelegenheiten aufzutragen, darüber Bericht zu erstatten, welhe Maßregeln der Kongreß zum Schuße der amerikanischen Jnteressen denjenigen Regierungen gegenüber zu ergreifen habe, welhe den Jmport amerikanischer Lebensmittel verbieten.

__ Alien. Qongltona, 9. Januar. W. D. B) Das „NReutersche Bureau“ läßt sich Folgendes melden: Nah Nach- riten . aus Hanoi, vom 2.,, hat dort am 28. v. M. eine furchtbare Explosion stattgefunden; zwei französische Batterien wurden fast ganz zerstört, ein Artillerist ge- tödtet "und 3 Artilleristen verwundet; auch in den in der Nähe des Explosionsortes liegenden Häusern und Kasernen wurden große Verwüstungen angerichtet. Man glaubt, daß die Explosion durch einen unglücklihen Zufall her- vorgerufen worden ist. Zweitausend Annamiten griffen am 28. v. M. einen französishen Posten an, welcher von 50 Mann Marine-Jnfanterie vertheidigt wurde. Nach mehrstündigem Kampfe zog sih der Feind mit einem Verlust von 100 Todten und Verwundeten zurück. Oberst Briomal hat die aufständishen Banden in der Provinz Nam- binh vollständig geshlagen. Der Transportdampfer „Myth o“ ist in Hayphong eingetroffen.

(W. T. B.) Die „Times“ erhielt über Hongkong

Nachrichten ‘aus Hayphong, vom 5. d., wonach General

Bichot Sontay mit 1000 Mann beseßt hält. Courbet befindet sich in Hanoi; die Umgegend von Sontay ist vom Feinde geräumt. Honghoa ist ebenfalls verlassen. Bei der Einnahme Sontays durch die Franzosen soll denselben die Uneinigkeit der aus Annamiten und Schwarzen Flaggen be- stehenden Garnison zu Statten gekommen sein. Die Garnison

Brb Derselbe empfing heute den Kammer-Präsidenten risson.

Afrika. Egypten. Kairo, 9. Januar. (W. T. B.) Das neue Kabinet hat sih definitiv konstituirt und besteht aus Nubar Pascha als Conseilspräsidenten, Minister des Aeußern und der Justiz; Sabet Pascha als Minister des Fnnern; Mahmud Pascha Elfalake als Minister des Unter- richts und der Wakfs; Abdel Kader Pascha als Krieas- Minister ; Mustapha Pascha Fehme als Finanz-Minister, #o- wie ferner Abdurrahman Bey Ruschdi als Bauten-Minister. Clifford Lloyd wird Unterstaatssekretär des Fnnern.

Wie verlautet, soll demnächst unter dem Vorsiß des engli- schen Generals Wood eine Kommission zusammentreten, um über die Frage der Räumung des Sudans von den egyptischen Truppen zu berathen. Bezüglich der Rückberufung des unter Baker Pascha abgegangenen Expeditionscorps ist noch feine Entschließung gefaßt. : i Madagaskar. (W. T. T.) Dem „Standard“ wird aus Tamatave, vom 26. v. M., gemeldet : die Frieden s- unterhandlungen zwishen den Franzosen und den Hovas seien gescheitert; leßtere lehnten das Protektorat der Franzosen ab und hielten ihr Ultimatum aufrecht.

Zeitungsfstimmen.

Die „Kaufmännischen Blätter“ sagen in ihrem Jahresrückblick:

. . , Die landwirth\ch{aftlihe Produktion ist noch allenthalben in Europa so bedeutend, sie repräsentirt noch so gewaltige Summen für das Reich im JIahresertrag über 20 Milliarden, daß kein Volk diese Hauptmacht seiner wirthschaftlihen Entwickelung gefährden lassen darf, wenn es vorwärts kommen will.

Wer es noch niht weiß, kann am Weihnachtsmarkt am besten erkennen, was es für die gesammte Geschäftswelt bedeutet, wenn die landwirthschaftlihe Bevölkerung kaufkräftig ist und nicht; die davon kommenden erfreulichen Berichte vom rückliegenden Jahre, noch fris Jedermann in Erinnerung, lassen erkennen, daß es nicht mehr an dieser Kaufkraft fehlt; der Weihnachtsmarkt spriht mit dafür, daß ein besserer Aufschwung kommen muß.

Daß ein solcher nicht ausbleiben kann, dafür \priht auch noch der Umstand, daß immer noch alle Geldinstitute, Sparkaffen u. \. w. überfüllt find und Geld auf Hypothek ausgeboten wird. Das, was bislang fehlte, war das Vertrauen in die Haltbarkeit der Zustände, so dal arte Kapttallummen Una en, Die „ehrliche Probe“ bezüglich des Zolltarifs vom 15. Juli 1879 hat noch niht gemacht werden können; das, was im Aufs{hwung schon zu bemerken war und ist, à Conto dieses Tarifs schreiben zu wollen, kann nur der Enthufiast oder der Fraktionspoliliker thun, ihn für verhängnißvoll zu halten, läßt sid wohl behaupten, die nachtheilige Wirkung aber noch nicht nachweisen.

Die Resultate der Verwaltung der Verkehrsanstalten seit der Zunahme der Verstaatlichung werden allenthalben als sehr glänzende geschildert ; hat die Reineinnahme sih wirklich beträchtlich gesteigert, dann ift das nit nur als Beweis für die Nüßlichkeit der Staats3- verwaltung aufzufassen, sondern auch als Symptom für die beffere Belebung des Geschäfts. Je mehr Waaren gebraucht werden, um \o stärker muß der Verkehr zunehmen und um so mehr die Einnahme der dem Verkehr dienenden Anstalten.

Die Lage der Eisenindustrie wird als niht wesentlich verbessert geschildert ; der Schutzzoll konnte wohl Konkurrenten abhalten, aber nicht auf den Begehr von Eisenfabrikaten wirken; die Maschinen- branche zeigt nur theilweise Fortschritte, was wieder gegen die An- nabme fon vollkommener Zustände spricht; erfreulichen Aufschwung atebt es besonders für landwirthschaftliche Maschinen, wa3 zu der Annahme berechtigt, daß die Zustände der Landwirthschaft nicht gar zu bedrohliche sind.

Die gesammte Textilbranche zeigte im Ganzen entschiedene Befse- rung; an den Haupterzeugungs8orten hat man vollauf zu thun, und felbst {on bis zu dem Grade, daß die Ausdehnung der Fabriken wieder Bedenken erregen kann, oder doch die Frage berechtigt ift, ob wohl die Größe der Aufträge eine dauernde sein könne.

Kunstgewerblihe Erzeugnisse finden besseren Absaß als seither, au das spricht für den rückkehrenden Wohlstand; einzelne Industrien befinden fih aber noch immer im Nothstand, und das beweist, daß der Aufs{wung wenigstens noch nicht allgemein genug ift...

Die „Handels- und Gewerbe- Zeitung“ ent- hält einen Artikel über das Kranukenkassengeseß, dem wir ¿Folgendes entnehmen:

Dieses zuerst durhberathene und beschlossene Geseß bildete be- kfanntlich einen Theil der fozialpolitiswhen Vorlagen der Regierung, welhe, wenn gänzli durchgeführt, vielleicht eine heute noch unübersehbare Bedeutung zu erlangen vermögen. Wir beginnen deshalb das neue Jahr mit einem kurzen Blidcke auf dies Geseh, weldes Theils dur fenen etgenen innern Werth, theils und noch viel mehr durch den Zusammenhang mit der gesammten intendirten Gesetzgebung für den Arbeiterftand, als neue geistige Schöpfung wohl an die Spitze eines Jahres gestellt zu werden verdient.

Wie man denn auch über die ganze Anlage der reformirenden \ozialpolitischen Geseße vom verschiedenen Parteistandpunkt aus denken und urtheilen mag, über zwei Dinge herrscht Einstimmigkeit :

über die großartige Konzeption der ganzen Vorlage, und ferner über die Vorzüge des Krankenkassengeseßtzes.

Betreffs der ganzen sozialpolitishen Gesetzgebung wollen und müssen wir uns, unseren Zielen getreu, von Angriff und Vertheidigung gleih fern halten. Ob es rationell, geseßlich, eine Arbeiterklafe, einen vierten Stand, gewissermaßen zu konstituiren und anzuerkennen, ob die Grenzen in den geseßlichen Vorlagen richtig gezogen, ob die Ziele über die Anforderungen an den Staat über seine Macht- \phâre hbinaus\cießen und vielleicht, mit den edelsten Absichten, in cin Chaos führen, Hoffnungen erregen, die \{ließlich nicht zu erfüllen sind? das Alles find Fragen, über welche Philosophen, Staatsmänner, Volkswirthschaftler und Politiker grübeln und debat- tiren mögen. Wir haben lediglich mit dem praktishen Leben und darin mit dem genau begrenzten Gebiete von Handel und Gewerbe zu thun, die bestehende Gesetzgebung in dieser Richtung zu erläutern, vielleiht auch hie und da die Wünsche der Kaufleute und Gewerbe- treibenden zu vertreten und zu formuliren —, niht mehr! So wollen denn wir gleichfalls wie alle Welt jeßt nicht nur die edle Absicht der Verbefferung des Wohls des Arbeiterftandes anerkennen, sondern au den ersten wahren Erfolg dieser Bestrebungen, welcher in dem Kranken- kassengeseße vor uns liegt, vollaus würdigen !

. . . Der Grund des ftaatlihen Eingreifens war, abgesehen von den unleugbaren sozialen Mißständen, namentlich, weil das in gewissem Umfange den Gemeinden und größeren Kommunalverbänden zustehende Versicherungs8-Zwangsrecht nur höcbst selten wirklih ausgeübt wurde. Die tiefe ethishe Bedeutung, welche für Alle, auch die Opponenten des Gesetzes unverkennbar, liegt vornehmlich darin, nicht nur finanziell die Armenlaft der Gemeinden zu erleichtern, sondern dem kranken Arbeiter ein Reht auf Leistungen zu schaffen, die er niht mehr der Milde und Barmkbkerzigkeit als Almosen, sondern seinen Beiträgen als Gegenleistung verdankt: rxin Moment, das unbedingt die sittliche Hebung des Standes befördern muß. Nun fragt ch also, welche Form ter Staat zur Durchführung seiner Ziele gewählt ? und ob er die richtigen Wege beschritten hat ?

Die Antwort ift allerseits gegeben und zwar auf die leßtere Frage bejahend. Wir legen hierbei niht als Maßstab die Beschluß- fassung des Reichstags zu Grunde, welhe doch zu sehr von ander- weitigen beeinflussenden Motiven oft abhängt, auch von der Hitze theoretisher Debatten, um ein klares objektives Bild zu geben; aber seit dem Bestehen und Bekanntwerden

von Bacninh soll lediglih aus Chinesen bestehen.

des Geseßes mehrt sich die Änhängerschaar desselben so sehr, daß,