1884 / 15 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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kämen die Andeutungen, die er seiner Zeit gemacht, daß si in die Berliner Einshäßungs-Kommissionen doch au Korruptionen eingeschlichen haben könnten, kaum in Betraht. Wie trete dagegen die Linke mit ihren Verdächtigungen und JInvektiven auf ? Der Abg. Richter bezeichne den Minister als einen Mann, der nichts leiste, den Fürsten Bismarckials einen Sozialdemokraten, und derselbe verdächtige sogar die Absichten der Krone, und lasse den Reichskanzler Verheerungen unter den Räthen der Krone anrihten, wo es dann noch im stenographischen Bericht heiße : Sehr wahr! links Kaum komme er (Nedner) aber mit einer Andeutung fortschrittliher Korruption, so falle man in der unqualifizirbarsten Weise über ihn her ; er werde mit anonymen Drohbriefen übershüttet, worin sih gewisse faule Redewen- dungen förmlih überstürzten. Jn all dem möge sich nun vielleiht Logik, jedenfalls aber auch eine \{le{te Erziehung kennzeihnen. Man wolle ihn einfa zu unüberlegten Aeuße- rungen provoziren, um ihn dann in einem Beleidigungs- prozesse zu fassen. Er gestatte sich nun, hier die Sache zum Austrag zu bringen. Was sage man beispielsweise zu folgendem Hergang: Ein hiesiger Fabrikant, der konser- vativen Partei angehörig, werde plößlih in der Einkommen- steuer erhöht. Jn der Einshäßungskommission seines Bezirks habe sih außer den übrigen, fortschrittlih gesinnten Mitglie- dern auch ein korservatives Mitglied befunden. Dieses leßtere habe fich unglückliher Weise dazu verstanden, sich bei der Wahl als Gegenkandidaten eines israelitishen Herrn aufstellen zu lassen. Sofort werde das konservative Mitglied aus der Einschäßungskommission entfernt, nun sei das Feld frei und der erwähnte konservative Fabrikant werde in seiner Steuer um das Doppelte erhöht. Derselbe reklamire und sei auf seinen früheren Steuersaß zurückgebracht, weil derselbeden Nach- weis habe führen können, daß die höhere Einschäßung nicht begründet gewesen sei. Ein anderes Bild! Ein Beamter zahle feit 1875 die seinem Diensteinkommen entsprechenden Steuern. Gemäß der üblihen milden Praxis werde bei seiner Ein- schäßung von seiner Weihnachtsgratifikation, ersparten Zinsen und sonstigen Nebeneinnahmen Abstand genommen, da ge- rathe der Mann im Herbst 1882 auf den Gedanken, fich der konservativen Partei anzuschließen, ja sogar Vorsißender eines konservativen Bürgervereins zu werden. Fm März 1883 werde derselbe aus der zweiten Steuerstufe in die vierte verseßt. Derselbe beshwere sich; ein Kommissar werde zu ihm geschick und halte ihm vor, es läge kein Grund zu einer Beschwerde vor, er hätte ja eine Frau mit 12 000 /( Vermögen. Derselbe habe geantwortet: „Er sei bis heute noch Junggeselle.“ Derselbe sei nun zwar wieder in seine frühere Steuerstufe zurückverseßt, habe si aber gefallen lassen müssen, daß seine Nebeneinnahmen, Gratifikationen und Ersparnisse mit in Betra®t gezogen seien. Ein dritter Fall ! Ein an einer hiesigen Bank angestellter Beamter zahle bis exrühjabr 1881 die Steuern der vierten Einkommensteuerstufe. Da entschließe derselbe si, in den Hohenzollern-Klub einzu- treten. Das Mitgliederverzeihniß des Klubs erscheine und sofort steige der Mann um 6 volle Stufen. Man werde aller- dings fragen: „Könne der Mann den Nachweis führen, daß derselbe seiner konservativen Gesinnung wegen in eine höhere Stufe verseßt sei ?“ Allerdings könne derselbe nicht ein Schreiben der Einschäßungskommission vorlegen, in welchem dieser Grund angegeben sei; aber diese Fälle seien doch sehr beahtenswerth und lehrreih. Ein hiesiger Künstler, der \ich bei den leßten Stadtverordnetenwahlen als Anhänger der fonservativen Partei bemerkbar gemacht habe, werde plößlich um zwei Stufen erhöht, ohne daß ihm in den leßten zwölf Monaten ein besonderer Verdienst nach- gewiesen werden könne. Er habe nur das Material entgegen- genommen, was ihm gebraht sei, habe aber alles \{riftlich sih geben lassen; er lenke die Aufmerksamkeit der Staats- regiecung darauf, sei die Sache nah Ansicht der Regierung einer Prüfung werth, dann stehe er mit stinem Material zu Diensten. Solche Erschei- nungen seien nur möglich, weil zu wenige konservative Leute in den Kommissionen säßen. Jhm sei mitgetheilt, daß \cchs Einschäßungskommissarien eines einzigen Bezirks, ehrenwerthe, angesehene, Jahre lang in dem Bezirk wohnende Leute wegen ihrer Betheiligung an der konservativen Agitation aus der Kommission hinausgewiesen seien. (Nufe links: Namen nennen! Rufe rets : Gott bewahre!) Er werde die Namen nichi nennen! (Nuf links: Warum denn nicht ?) Weil er diese Leute niht noch mehr in die Tinte bringen wolle. (Ge- lächter links; Abg. Richter: Er fürhtet sich!) Man könne ihn nah allen Richtungen hin verleumden, das lasse er si gefallen, aber Furcht kenne er niht; er habe niht die Absicht, hier eine Gründerdebatte herbeizuführen, wie die frühere, wo man nur folhe Namen genannt habe, welche der liberalen Partei paßten; er stehe aber jeder kompetenten Be- hörde mit scinem Material zur Verfügung. (Fortdauernde Unruhe. Präsident von Köller bat, die Unterbreck{, ungen zu vermeiden, es sei unzulässig, daß die Diskussion sih in Zwiegesprähe auflöse.) Er habe demnach zu sciner Aeußerung vom 6. Dezember ein begründetes Recht. Jn legter Zeit sei noch ein Umstand dazu gekommen, näm- lih vorgestern habe in der „Vossischen Zeitung“ eine Erkärung des Vorsißenden der Königlichen Steuer-Direktion für die direkten Steuern, Regierungs - Nath Meißen, gestanden, des Jnhalts, daß die Beschwerden gegen die Einschäßzungs- kommission sich als durchaus unbegründet erwiesen hätten. Das sei ja ganz erklärlih, sonst hätte ja die Finanz: Direktion ex officio einshreiten müssen. Er habe den Finanz-Minister gebeten, auf die Beschwerden nicht eher zu antworten, als bis er hier im Hause die Sache erörtert hätte und der Minister habe es ihm zugesagt. Nun höre er aber zufällig, daß Hr. Vieißen selbst nur mit einer sehr geringen Summe zur Staatssteuer eingeschäßt fei, und daß man bei der Einschäßung zu den städtishen Steuern eine opulente Wohnung mit brillanter Einrichtung nicht berücksihtigt habe. Ein Unter- gebener desselben sei viel \{ärfer eingeschäßt. Im Uebri- gen sei er bereit, weiteres Material, aber natürlich nur in der Form, daß es dem Betreffenden keinen Schaden bringe, vor- zulegen. Bezüglich der Entwürfe wünsche er, daß die Kom- mission, möge sie aus 21 oder 28 Mitgliedern bestehen, etwas Gedeihliches daraus machen möchte.

Der Abg. Rickert erklärte, er wolle nux noch einmal die großen finanzpolitischen Gesichtspunkte berühren, fich mit dem Abg. Eremer zu beschästigen, habe er niht Lust. Wenn man aus der Zustimmung zu den Worten dieses Redners auf der Rechten den Schluß ziehen sollte, daß die Herren auf der Rechten mit dem Vorgehen des Abg. Cremer einverstanden seien, wenn hier einzelne pflihttreue Be- amte angegriffen werden könnten, ohne daß ihre Namen

parlamentarischen Gebräuchen in Preußen {limm. Das Ver- fahren müsse so gekennzeihnet werden, wie es si gebühre. Sei es niht unerhört, wenn in fo unsubstantiirter Weise Männern, die in freier Selbstthätigkeit wirkten, eine Ver- leßung ihres Eides vorgeworfen werde? Wenn die Namen niht genannt würden, so entziehe man der Behörde die Mög- lihkeit einer Prüfung und Rechtfertigung. Er hoffe, daß das Haus den Abg. Cremer zwingen werde, die Namen zu nennen. Habe denn der Abg. Cremer gesagt, wie viele Fortschrittler in den Steuern erhöht seien? Der Abg. Zelle habe ihm soeben selbst erklärt, daß er in der Steuer erhöht sei und erst habe reklamiren müssen. Es sei auffallend, daß der Finanz- Minister, wie es ihm erschienen habe, der Rede des Abg. Cremer mit großem Wohlgefallen gefolgt E hätte gewünsht, daß derselbe dem Beispiele des Ministers des Innern gefolgt wäre, der sofort, wenn einer seiner Beamten angegriffen werde, aufspringe und ihn vertheidige. Er goffe, daß der Finanz-Minister dem Hause das Resultat der Untersuhung mittheilen, und seine Unter- gebenen in Schuß nehmen werde. Wenn der Abg. Cremer hier das Andenken cines von ihm hochverehrten Mannes und hervorragenden Politikers, der vor Kurzem gestorben sei, herangezogen und von demselben, zwar ohne Nennung des Namens, gesagt habe, derselbe sei an dem Punkte von seiner Untersuchung der Gründerverhältnisse abgesprungen, als er gesehen habe, daß es seine Freunde treffen würde, so widerspreche es seinem Gefühl, dem Abg. Cremer darauf zu antworten, er könnte das nun in einer Form thun, die außer- halb der Gebräuhe des parlamentarishen Lebens liegen würde. Für die Steuerdebatte habe der Abgeordnete wenig Neues zu Tage gefördert. Er wolle noch einmal an dieser Stelle hervorheben, daß von seinen politischen Freunden und von ihm der Resolution nicht zugestimmt ei, Die s{lichte Sprache der ehrlihen Leute habe \ih anders gestaltet, und der Rückzug, den der Minister nah der gestrigen Rede des Abg. Hobrecht habe antreten müssen, habe bewiesen, daß es noch cine andere Sprache gebe. (Finanz- Minister Scholz: Jh weiß von keinem Rückzuge !) Hoffentlich hätten die Stenographen gestern folgen können. Er hege die Hoffnung, daß die Resolution in Wegfall kommen werde, da sie nicht viel Werth hâbe, au ex sei früher Anhänger derselben gewesen, aber er sei davon abgekommen. Betrahhte man nun das Resultat der dreitägigen Verhandlungen, so komme man zu der Frage : Was sei eigentlih von der ganzen Vorlage übrig geblieben ? Der Eine habe diese, der Andere jene Bestimmung s{chlecht ge- funden, ja, er wisse wahrhaftig niht, was eigentlih Zustim- mung erhalten hätte. Allerdings, der Abg. Wagner habe sich erklärt, event. die ganze Vorlage mit Haut und Haaren an- nehmen zu wollen. Es scheine ihm kein Unfall, daß die Vor- lage der Majorität nit gefallen habe; es liege das daran, daß die Zeit einerseits in der That zur Prüfung der Vorlage zu kurz gewesen sei, andererseits aber stehe die Regierung der Majorität des Hauses lau und im Prinzip entgegen. Die Majorität stehe auf dem Standpunkt der Rede des Neichs8- kanzlers von 1879, und diese Programmrede sei doch das konträre Gegentheil der Vorlage. Wenn man pcssimistish gesonnen wäre, so könnte man vielleicht sagen, der Königlichen Staatsregierung sei das Scheitern der Vorlage nicht unangenehm, denn sie könne so immer wieder von Neuem und mit neuen Mitteln an die Durchsührung des Pro- gramms herangehen. Es sei sonderbar, daß die Herren, welche selbst mit der Vorlage nit zufrieden seien, ihrem Zorne dadurch Ausdruck gegeben hätten, daß sie sih mit ihrem ganzen Haß gegen die Linke des Hauses gewandt hätten. Was follten die Stlagworte wie „Schlepptau der Börse“, „tapitalistishe Presse“ u. #. w,? Der Abg. von Rauchhaupt habe ihn förmlih provozirt mit der „National-Zeitung“ und als er (Redner) denselben festgenagelt habe, da habe der Abg. von Rauchhaupt sich mit der Ausrede zu retten gesucht, er (Redner) verleugne die „National-Zeitung.“ Auf die Aeußerungen des Abg. Wagner wolle er hier nicht näher eingehen ; derselbe habe ja bisher noch nichts geleistet ; derselbe habe nur Programm- reden gehalten. Die „National-Zeitung“ felbst halte es nicht der Mühe werth auf die Verdächhtigung zu antworten, daß sie im Schlepptau der Börse sei, sie verweise den Abg. Wagner nur auf die Beziehungen, die derselbe selbst früher zur tapi- talistishen Börse gehabt habe. Es wäre besser gewesen, der Abg, Wagner hätte es sih ganz erspart, solche Vorwürfe zu erheben. Der Abg. von Rauchhaupt habe behauptet, die Linke und die kapitalistishe Presse wollten dem Grundbefiß neue Lasten auflegen. Was solle diese Nedensart, nachdem die Abgg. Dr. Reichensperger, von Zedliß und von Rauchhaupt selbsi sür das Kapital so warme Sympathien gezeigt hälten, daß man sagen fkönnte, die Herren wären auch bereits im Schlepptau der Börse. Die Rechte habe ferner Veranlassung gefühlt, auch bei dieser Gelegenheit ihr Jnteresse für den Grundbesig zu betonen. Aber was hülfen dem Landwirth diese Geseße? Sie legten ihm nur neue Lasten auf, und der Erste, welcher auf diesen Punft hingewiesen habe, sei der Fortschrittsmann Eugen Richter ge- wesen. Der Abg. von Ze®ißy habe zugeben müssen, daß von einer Streichung der dritten und vierten Steuerklasse gerade der Grundbesiz am Schärfsten getroffen würde, Thue die Rechte also nicht immer so, als ob sie die Fürsorge für den Grundbesiß in Pacht genommen hätte. Der Abg. von Rauch- haupt tiverde vielleiht über seinen Vorwurf anders denken, wenn derselbe einmal das Buch von Meißen in die Hand nähme. Schäffle mache den Liberalen mit Recht den Vor- wurf, daß fie bei der Zolldebatte nicht nachdrüdcklich genug den Schaden betont hätten, welchen das Gros der Landwirthe dur die neue Wirthschaftspolitik erleiden werde. Die bäuer- lihen Grundbesißer würden auch bald einsehen, was es mit den Angriffen der Rechten auf den Liberalismus für ein Be- wenden habe. Sei es ein ungerehtes Verlangen, wenn die fapitalistishe Presse fordere, daß auch die Erträge an der Pacht herangezogen werden sollten? Der Reichskanzler habe mit Recht’ gesagt, daß zwischen dem Couponabschneiden und dem Schreiben von Pachtquittungen ein Unterschied nicht vorhanden sci. Er selbst könne in dieser Frage un- befangen urtheilen. Er habe verschiedene kleine Grundstücke verpachtet, troßdem erkläre er cs für einen ungerehten Vorzug, wenn die Erträge aus der Pacht, die ihm keinerlei Arbeit machten, von der Rentensteuer ausgeshlossen werden sollten. Wie stehe es endlih mit den 30 Millionen Entschädigung, welche der Grundbesiß im Jahre 1871 erhalten habe? Aus den Zinsen dieses Kapitals sollte doch die Grundsteucr bezahlt werden, und nun kämen die Herren und thäten fo, als ob diese Entschädigung gar nicht in Betracht komme. Mit einer

genannt würden, fo stände es in der That mit “den

Kapitalrentensteuer sei auch er einverstanden, aber einem

Geseßentwurf, wie dem vorliegenden, in dem die Ver- mögenssieuer und Kapitalrentensteuer durcheinander ge- mengt würden, und sih nirgends eine sinngemäße Abgrenzung finde, könne er nit zustimmen. Die Steuerskala sei voll- kommene Nebensahe vor dem Modus der Veranlagung. Jn Berlin, Breslau, Königsberg werde das Einkommen viel höher eingeshäßt, als für die Herren am Rhein. Wenn mit der Deklarationspfliht wirklih solche Gefahren verbunden seien, wie ‘der Regierungskommissar dargelegt habe, warum führe man sie denn bei der Kapitalrentensteuer ein? Eine Begründung dieser Maßregel habe man vom Regierungs- kommissar nit gehört, wohl aber das Zugeständniß, daß nit Alles in der Vorlage {hon sei. Dieser Vertheidiger sei der {limmste Angreifer der Regierung gewesen. Derselbe habe au selbst zugeben müssen, daß die Landräthe niht im Stande seien, dieses Material zu beherrschen. Nichts würde außerdem die Autorität derselben mehr gefährden, als dieses ihr Hinein- ziehen in die intimsten Verhältnisse der Wähler. Was die Bantkiersteuer betreffe, so enthalte diese genau das Gegentheil des Geseßes von 1880, welches die Herren am Regierungstish mit derselben Wärme vertreten hätten, wie den heutigen Ent- wurf, Die Freilassung der dritten und vierten Stufe sei nur eine Etappe zur vollständigen Abschaffung der Klassensteuer. Der Finanz-Minister habe dem Hause emphatish zugerufen : hier hätte das Haus Gelegenheit, seine Theilnahme für die kleinen Beamten und Lehrer zu bekunden. Was wollten diese 6 resp. 9 # Erlaß besagen? Wolle der Finanz-Minister den Beamten helfen, ohne dem Lande mehr Ausgaben zu machen, dann werfe derselbe mit seinen Kollegen die Remunerations- fonds zusammen, so daß die kleinen Beamten nur ein paar 10 Markstücke, die Eisenbahn-Direktionen für ihre Beamten aber Hunderte von Mark bekämen. Die indirekten Steuern würden diese Leute um das Doppelte und Dreifache dieses Erlasses belasten. Er (Redner) vertrete damit die großen Grundsäße, welche in Preußen früher maßgebend gewesen seien, als man bessere Geseße gemacht habe, als jeßt. Er glaube, der Finanz- Minister sei fo bescheiden, daß derselbe nicht glaube, an die Leistungen seiner Vorgänger im Anfange dieses Jahrhunderts heranzureihen. Das Schreckgespen s der Exekutionen verfange jeßt nicht mehr. Wegen 40 000 Exekutionen brauche man nicht 620 000 Censiten vollständig frei zu machen. Die Landkreise wollten die Abschaffung der Stufen überhaupt nicht, das sei durch vielfahe Zuschriften bestätigt worden. Der Abg. von Zedliß habe die Rententheorie in Bezug auf die Grund- steuer zu den Todten geworfen, und doch habe sich noch 1878 der Reichskanzler zu derselben bekannt. Der ganze Fehler der Situation liege darin, daß die Rechte im «Jahre 1861 nicht Festigkeit genug gehabt habe, um die Ungerechtigkeit, die dem Grundbesiß angethan sei, abzuwehren. Seine (des Nedners) engeren Freunde, wie Forckenbeck, Hoverbeck, Bender, hätten es gewollt, sie hätten gegen die Grundsteuerausgleihung und gegen die bekannte Gebäudesteuererhöhung gestritten. Jene Männer hätten die ersten Anregungen in Betreff der Grundsteuer ge- geben, die die Nehte jeßt mit so großem Pathos vortrage, sie hätten die Realsteuern dahin verweisen wollen, wohin fie ihrer Natur nach hingehörten, in die Gemeindeverbände., Die Sade sei allerdings so shwierig, daß man in Preußen \{on seit Dezennien daran arbeite, und der Abg. von Rauchhaupt habe {hon 1882 bei der damaligen Regierungsvorlage erklärt, es wäre sehr bedenklih, die Grund- und Gebäudesteuer zur Hälfte den Kreisen zu überweisen. Ohne Reform der Land- gemeinde-Ordnung sei eine derartige Ueberweisung nit möglih. Er würde gern an dem Zustandekommen dieses Ge- seßes mitwirken, wenn er überzeugt wäre, daß es der Re- gierung ernstlich darum zu thun sei, die Rechte der Wähler und der Volksvertretung ungeschmälert zu lassen. Diese Ueberzeugung habe er auf Grund der Reden des Finanz- Ministers niht gewinnen können. Die Vorlage enthalte eine derartige Verminderung der Volksrechte und eine derartige Erweiterung der Befugnisse des Finanz-Ministers und der von ihm abhängigen politischen Organe, daß sie für die aroße Mehrheit des Hauses unannehmbar sei. Ueber die Rechte der Wähler sei zu seiner Freude Uebereinstimmung auf allen Seiten. Wenn der Abg. Windthorst, dem er ge- rade heute ‘nihts Unangenehmes sagen - möhte, für Aufrehterhaltung des Wayhlrehtes sei und keine Be- \{hränkung wolle, so brauche derselbe keinen Appell an die Linke; sie werde ihm zur Seite stehen; ebenso bezüglich der Matrikularbeiträge, die der Finanz Minister ja abschaffen wolle. 1875 habe der Reichskanzler erklärt, daß den Land- tagen das Recht zustehen solle, über die Verwendung der Ueberschüsse zu entscheiden, das aktuelle Bewilligungsrecht solle ihnen im Etat zustehen. Und jeßt wende sih der Finanz- Minister einfa davon ab. Er (Redner) habe in der Kom- mission, die das Verwendungsgescß berathen habe, damals die Ehre gehabt, Berichterstatter derselben gewesen zu sein, von ihm rührten die Resolutionen her, die die Grundlage zu diesen Gesetzen bildeten. Ueber die Tragweite des fogenannten Verwendungsgesetzes bestehe gur Fein Zweifel. Jn Bezug auf Bedenken sei vom Regie- rungskommissar hervorgehoben, daß fein Zweifel über Umfang und Tragweite des Antrages bestehen. könne ; das durch denselben gewährte Necht auf Herabminderung der Klassen- und Einkommensteuer sei ein dauerndes und trete dann in Wirksamkeit, wenn die Mehreinnahmen des Neiches, sei es durch Herabminderung der Matrikular- beiträge, sei es durch dauernde Ueberweisung an Preußen, zur Verwendung kämen. Dieser Regierungskommissar sei der damalige Geheime Ober-Finanz-Rath Scholz, der jeßige Finanz - Minister, gewesen. Der Minister kenne aljo die Bedeutung der Bestimmungen, und jeßt gehe derselbe ganz kavalierement darüber hinweg und sage, dieselben hätten keine Bedeutung. Jm Gegentheil, es sei ein materielles Recht der Volksvertretung, und es sei zu bedauern, daß die Regierung die Rechte so wenig achte, daß sie bei der ersten Gelegenheit, nachdem sie die 130 Millionen erreiht, dtie Bestimmungen einfah bei Seite {chiebe, Der Abg. von Zedliß habe das große Wort gelassen ausge- sprohen, daß man in Deutschland mit Quotisirung keinen Kaiser und kein Reih haben würde. Das sei doch aber eine sehr kleinliche Auffassung der preußischen Geschichte. Der Finanz-Minister habe von Lumpereien, um die es sih handele, gesprohen, warum sei man denn hier so aufgebraht? Dies Haus solle feine S{ein- vertretung sein, die zu Allem, was die Regierung wolle, nur Ja und Amen zu sagen habe. Es sei hier an den Patriotis- mus appellirt worden. Man habe den Liberalen Demagogie vorgeworfen. Nun, sei es nicht eine größere Demagogie, Ver- sprehungen ins Land hinauszuwerfen, ohne sie zu halten ?

m Wahlkampfe verspreche man Steuer-Erleichterungen, nah

dem Wahlkampf aber würden die Ueberschüsse zu Ausgaben bewilligt. Der Abg. Wagner sei wieder mit seinen großen sozialpolitishen Plänen angerückt. Das sei ihm eine s{öne Sozialpolitik, die mit den indirekten Steuern, der Besteuerung der Lebensmittel, anfange. Die Konservativen hätten si in den Katheder-Sozialismus ganz verrannt. Er wünsche, daß man bei Berathung der so wichtigen vorliegenden Frage, die einer langen technishen Vorbereitung bedürfe, allen Parteihaß bei Seite lasse. Mit Ruhe und Ueberlegung möge man in der Kommission an die Sache herantreten, wenn man zu einem

Resultat kommen wolle.

Hierauf ergriff der Finanz-Minister von Scholz das Wort :

Ich bitte um Verzeihung, daß ich in dieser einen Debatte nun noch zum dritten Male das Wort ergreife; ich hoffe, ih werde der uns beshäftigenden Steuervorlage entsprehend, mi dabei in degref- siver Skala bewegen und will noch kürzer sein als gestern, mi wenigstens bemühen. E

Hr. Rickert hat sich gewundert, warum ih nit „aufgcfahren“ bin und einen Beamten in Schuß genommen habe, der bei der vor- angegangenen Diskussion hier in einer ihn verletzenden Weise erwähnt worden war. Jch will Hrn. Rickert die Gründe dafür sofort an- führen. Der erfte war der, daß ih ihm niht den Schmerz bereiten wollte, der fo lange darauf wartete, zum Wort zu kommen. (Ruf: Au! Unruhe links.) Ja, meine Herren, wollen Sie über meine Motive urtheilen? Die weiß ih doch ganz allein, und ich kann also Hrn. Ritert mittheilen, daß ih, da mir gesagt worden war, die Debatte wird nit eher ges{lossen werden können, als bis Hr. Rickert gesprochen hat, ihn vorher zum Worte kommen lassen wollte. Ih war also völlig dazu berechtigt und außerdem war gar nichts in der Zeit verkoren, ob ich meine Erklärung zu jenem Punkt vor oder nah Hrn. Rier mate. Jch bin jeßt dazu bereit; warum wollen Sie sch also darüber ereifern. :

Meine Herren! Auf die allgemeinen Vorwürfe, die geäußert worden sind über die Berliner Eins{hätungskommission, da wollten Sie do vielleiht nit JIhrerseits die Meinung aussprechen, daß der Finanz-Minister die Pflicht hätte, hier, wie Hr. Rickert es will, „auf- zufahren“ und diese Kommissionen in Schuß zu nehmen. Ist das Ihre Meinung? Ich fühle mi nit berufen, etwas derartiges zu thun; ich würde noch eher den Beruf dazu gefühlt haben (wenn ih nicht überhaupt meinte, daß es thunlichst von den Verhandlungen ferngehalten werden müßte, derartige Aus\chreitungen von der Regie- rung aus zum Ausgangspunkte ernster Aktioa zu machen). Meine Herren! Dann hätte ih mich doch viel mehr dazu berufen gefunden, bei den ebenso allgemeinen unvertretbaren und unqualifizirbaren Bes hauptungen gegenüber der ganzen Kategorie unfcrer Landräthe „aus zufahren“. Mit diesem äußersten Maße von Ungerechtigkeit me sen Sie alles; das, was Sie thun, ist erlaubt, ist ret. Nun erst werden Sie plößlih auf den rihtigen Standpunkt, auf die richtige Beurtkcilung zurückgeführt; aber Sie haben den Weg sich selbst verlegt, um Ihnen darin beizustehen. (Zuruf ; Unruhe.) Diese permanenten Unterbre%ungen sind mir unangenehm; ih höre Sie jonst gern, aber dies ift keine Art, zu verhandeln.

Meine Herren, ih will also nur konstatiren, um mi hier zum Richter über die gehörten allgemeinen Vorwürfe zu machen, um da etwas zur Vertheidigung oder zur Bestätigung zu sagen, dazu verpflichtet mich mein Amt nicht und ih würde nicht so thöriht gewesen sein, ohne eine derartige Verpflichtung hier „aufzuspringen", wie vielleicht andere Herren mit Hrn. Rickert es für richtig halten, und mi in die Sache zu mischen, wohl aber erkenne ih an, daß in dem Augenblicke, wo einer der Herren Abgeordneten einen Beamten eines Ressorts hier mit Namen genannt hat und bezüglich dessen bestimmte that- sählide Behauptungen aufgestellt hat, ich hiervon Notiz nehme und diese Sache bis zu Ende verfolgen muß, ih werde nicht in den Fehler verfallen, ohne Kenntniß der Sache auf die Aeußerung, auf die einseitige Aeußerung, die gefallen ift, nun hier meinerseits ein abschließendes Urtheil auszusprehen. Ich fühle mi jeßt in dem Augenblie gedrängt, die Ueberzeugung auszusprechen: der Beamte, der in dieser Weise hier in die Diskussion gezogen ist, wird gewiß sich vollftändig rechtfertigen können, wird gewiß den {weren Vor- wurf, der auf ihn gewälzt worden ist, von sich abwälzen können und ich werde mich ungemein freuen, wenn ih in die Lage komme, naddem ih die Sache untersucht habe, hier auch im hohen Hause dies zu FTonstatiren, und darauf Tönnen Sie \fich verlassen, meine Herren, daß der Ausgang dieser Untersuchung von mir Jhnen nicht vorenthalten werden wird. Ein Mehreres aber, irgend eine un- bedächtige Aeußerung, irgend eine leichtfertige Ausführung werden Sie von mir nicht herauslocken können.

Meine Herren! Jh möthte aber doch den übrigen Ausführungen des Hrn. Rickert gegenüber auch noch ein paar Worte widmen, ih will dabei überall der Zeit und der Ermüdung des hohen Hauses Rechnung tragen und fo kurz wie möglich sein. Jh bestreite gegen- über dem Hrn. Rickert, daß ich in der Interpretation und in der Vorausseßung der Interpretation, der die Regierung von Anfang an in Nr. 2 der Resolution vom 22, Februar v. I. fich angeschlossen hat, zu irgend einer Zeit und in irgend einer Form den Nückzug ans getreten habe; meine Herren, ih kann ja gegenüber einer mich aufs Höchste überrashenden Erklärung irgend eines Dritten, daß

er diese Auffassung nicht theile, aus Höflichkeitsrücksichten meine Worte nicht grade so bestimmt wiederholen, wie ih wohl ge- wünscht habe. Aber sacblich bleibe ich aub den Erklärungen des Hrn, Abg. Hobrecht gegenüber mit voller Bestimmtheit dabei, und ich habe Jhnen gestern felbst ein recht charakteristis{es Moment dafür unmittelbar hervorgehoben, und ih bleibe dabei: das hohe Haus hat in der Resolution vom 22. Februar 1883 Nr. 2 nichts anderes ge- meint, als wie das auf Zinsen ausgeliehene Geldkapital, nichts anderes, und jeder, der heute das Gegentheil behauptet, ift meiner Meinung nach in ftarkem Irrthum. Wenn alfo Hr. Rickert von mir einen Rückzug angenommen hat, so wird er jeßt anerkennen müssen, daß ich wieder vormarscirt bin. :

Der Herr Abgeordnete hat dann gefragt, indem er wohl an- nahm, daß na seiner Rede die Generaldiskussion ges{lo}en werden würde: welches sind die Resultate dieser dreitägigen Debatte? Man pflegt in der Regel am Schluß der Debatte und wenn man felbst meint daß sie zum Schluß gelangt, die Frage zu stellen, welches sind die Resultate? Er hat der Regierung das traurige Prognostikon ge- stellt, fie könnte eigentlich die Ueberzeugung gewonnen haben aus der Generaldebatte, daß diese Vorlage Niemanden befriedigen werde, daß außer etwa Hrn. Wagner Niemand bereit scin würde, dieselbe anzunehmen. Ih lasse das dahingestellt, da ih von der Generaldebatte do vielfach cinen anderen Cindruck bekommen habe. Aber carakteristisch erscheint mir der Versuch des Abg. Rickert, die Erscheinung zu erklären. Da hat er mehrere Momente angeführt, die mich nöthigen ihm zu folgen. Er hat angeführt, daß die Herren, die die Arbeit gemacht hätten, früher in anderer Richtung gearbeitct hätten, daß die Regierung, die diefe Arbeiten vorgelegt habe, in anderer Richtung eigentlich wolle und arbeite und daß cs daher ganz natürlich sei, daß die heraus- gekontmene Arbeit außerordentlih mangelhaft und für alle Welt un- befriedigend sei. Nun weiß ih ja, daß der Hr. Abg. Rickert einen gewissen Ehrgeiz darin sucht, stets altpreußisher zu erscheinen, stets auf den altpreußischen Grundsäßen ruhender als die Regierung, und id kann nur sagen: sie ist mir immer ein Gegenstand besonderer Sympathie gewesen, diese Anhänglichkeit des Hrn. Abg. Rickert an das Altpreußische, i

Aber i glaube, hier ist er zu weit gegangen in den altpreu- ßishen Traditionen. Meine Herren! - Dieser konstitutionelle Abge- ordnete, der uns soeben eine fsolche Philippika über die Volksrete gehalten hat ist der damit einverstanden, daß wir verantwortliche Minister haben, oder follen wir keine haben? Ist er der Mei- nung, daß die bisherige Einrichtung s{lecht ist, wonach der Minister, der zur Zeit nun mal durch das Vertrauen der Krone auf diefe Stelle gestellt ist, daß der die Leitung der Politik innerhalb

wie er wiederholt vezrsucht hat dadur den Eindruck unserer Vorlage abzus{wächen unternimmt, daß er sich an die Herren wendet, die seincr Meirung nach diese Vorlage gegen ihre innere Ueberzeu- gung aufêgearbeitet hätten, was enthält das anders, als: entweder eine Denunziation an den Minister: entlaßt doch die Râthe, sorgt dafür, daß die zur Disposition geftellt werden, die fönnen unmöglich in Eurem Sinne arbeiten, oder es ist das ein Attentat gegen die Verantwortlichkeit, gegen die Selbstverantwortlich- keit des Ministers. In beiden Richtungen kann ih den Versuch des Hrn. Abg. Riert, unser bestehendes Ret zu alteriren, nur beklagen. Ic kann sagen, es ist niht empfehlens8werth, und wenn nur einige Rücksicht bei dem Abg. Rickert für die hochverdienten Herren bestünde, die bei diesen Arbeiten betheiligt gewesen sind, so müßte er sib davon weit haben abhalten lassen müssen. sie in dieser Weise in die Debatte hineinzuziehen. Ich nehme deshalb Gelegenheit, ausdrüÆlih vor dem Haufe, vor dem Lande auszusprechen, daß ib außerordentlich glüdlich bin, mich mit diefen Herren in so vollem Einverständniß zu befinden, wie ih es nur irgend wünschen, nur irgend beanspruchen, nur irgend gebrauchen kann. In der hohenVerehrung des Hrn. General- Steuerdirektors Burghardt wird Niemand von Ihnen mi selber über- treffen, was wollen Sie also mit dieser Art der Hereinziehung der perfönlih betheiligten Herren aus dem Finanz-Ministerium sagen ? Nein, Hr. Rickert, den Weg \{chlagen Sie nicht wieder ein, der ift nicht gut. Ebenso, meine Herren, ist es ganz merkwürdig von Hrn. Rickert gewesen, die Mangelhaftigkeit der Regierungsvorlage, gewisfer- maßen auf cine Neuigkeit, die er entdeckte, nämlich darauf zurück- zuführen, daß die Regierung dabei nicht in der reinen Konsequenz ihrer cigenen Anschauungen erscheint. Nun, ih selbst habe zweimal es hier mündli vorgetragen, und in den Motiven finden Sie es deut- lih dargelegt, daß dieses Verhältniß vorliegt, so daß ih meine, nach dieser Richtung hin hat Hr. Abg. Rickert eine besondere Entdeckung zu machen nicht nöthig gehabt.

Wie vorsichtig hat er nun den Gedanken hier angedeutet, der ja auch außerhalb des Hauses in weiten Kreisen Boden gewonnen hat, den Gedanken: ach, der Regierung ift es cigentlih gar nicht darum zu thun, diese Vorlage zu etwas kommen zu lassen. Er hat gesagt: wenn man es pessimistisch auffassen wollte, könnte man wohl sagen, die Regierung sähe am liebsten diese Vorlage \ceitern, denn dann käme fie natürlih auf ihr ursprüngliches Programm zurück: weitere Ausbildung der indirekten Steuern und so fort. Das Resultat müßte ja natürlich das sein, und wir haben ja den Weg, die Rei{hs- Steuerreform foctzuseßen, die indirekten Steuern, über welche das Reich allein die Gesetzgebung hat, weiter zu entwickeln und für unser eigenes Land nußbar zu machen, zur endlichen Erledigung der großen Aufgaben, die uns ungelöst gegenüberstehen, den Weg haben wir feinen Augenblick aufgegeben. Wie oft foll ih das wieder- holen, das ift aud noch heutzutage unsere aktuelle Politik. Wir haben bisber nur eine Seitenbewegung unternommen, um das Ziel, die Beseitigung der ungerechten, drückenden direkten persönlichen Staatsfteuer bis zu 1200 (4 Einkommen so {nell wie möglich und so sicher wie möglich mit unserer Landesvertretung zu vereinbaren, Also, das ist klar, daß unser Weg dabei nicht ganz derselbe ift, welchen eine Regierung einzuschlagen hätte, die von Anfang an auf ihre Fahne die Entwickelung, die möglichste Nutzbarmawung des direkten Steuersystems geschrieben hätte, welwe die Auffassung halle, das Volt i sehe viel ohné Deut im Wege der direkten Steuern aufbringen und O G aufbringen, weil wir es für seine anderen Bedürfnisse, für das Volk selbst brauchen eine folche Regierung würde natürlich diesen Vorlagen anders gegenübergestanden haben. Es mag ja ein oder der andere Mangel daher kommen, den ein tiefblickendes Auge auch in einer oder der anderen Bestimmung vielleicht mit Recht oder Unrecht an diesen Arbeiten zu erkennen glaubt, aber das wäre doch kein Vorwurf. Wenn Jemand zu Kompromissen bereit ist, muß er ja thun, was nicht sciue eigentliche, seine wirkliche Ueberzeugung allein ist, sondern er muß sich so weit in die Seele desjenigen, mit dem er fompromittiren will, hineinverseßen, daß er doch etwas zu Stande bringt. Das i}t kein Vorwurf. Ich will es aber dem Hrn. Abg. Kickert sagen, worin die Schwierigkeit für uns lag. Die Schwierig- keit und das hâtte ihm ja gar nicht entgehen dürfen, es hätte ihm umsfoweniger entgehen dürfen, als er an diesem Vorwurf keinen Antheil hat bie Schwierigkeit war, daß das Abgeordnetenhaus nicht ein solcher einheitliher Körper ist, etwa wie die ihm gegen- überstehende Megierung, daß die Resolution vom 22. Februar vorigen Jahres nicht aus einer durchaus einheitlichen Auffassung eines kleinen Körpers, wie der der Regierung hervorgegangen ist, sondern daß diese Resolution aus einem Kompromiß in ihm selbst hervor- gegangen; und da ist es ganz natürlich, daß der Dritte, der auf eine solbe Resolution eingeht, die niht das Ergebniß eines völlig einheit- lichen konsequenten und von jeder Seite genau in derselben Weise gemeinten Willens sein kann, der doch nur einen Weg vorschlagen kann ich fann Ihnen doch nicht zur Auswahl cin Dugend Vorlagen ausarbeiten —, daß der Dritte dann bei den verschiedenen Elementen, die iee im Hause zu der Resolution vereinbart haben, einem verschiedenen Widerspru begegnet. Aber, meine Herren, wie im vorigen Jahre der Ernst der Sache, das Bewußtsein, daß das Land von Ihnen nicht blos s{ône und begeisterte Reden erwartet, sondern posi- tive Thaten, wie dieses Bewußtsein dazu geführt hat, das Gefeß vom 26. März 1883 zum Abschluß zu bringen und Sie zu einer Ne- solution zusammenzuführen, welche der Regierung wiederum dur ihr Gewicht gewissermaßen die Nöthigung geworden ist, Ihnen eine solche praktishe Vorlage zu machen, so ist das au der cinzige Punkt, auf den ich meine Hoffnung baue, daß unser Unternehmen nit ein vergeblides gewesen sein wird, sondern im Laufe der weite- ren Verhandlungen sih das Gewissen eines Jeden s{ärfen wird, ob cer die Ausstellungen, die er macht, so weit treiben soll, um [cli eß- lich fein Volum gegen die Sache abzugeben. Und darum hoffe ich heute noch, däß die große Mee die im vorigen Jahr vom Präsidentenstuhl für die Resolution konstatirt wurde, wenn wir am Ende unserer langen und mühseligen Arbeit sein wer- den, vielleibt auch für das Gesetz sich ergeben wird. 7 :

Ich möchte dann, meine Herren, noch hervorheben, daß es ein großes Mißverständniß auf Seiten des Hrn. Abg. Rickert gewesen ist, wenn er geglaubt hat, den Hrn. General-Steuerdirektor Burg- hardt in der Art für seine Auffassung geltend machen zu können, daß dessen Ausführungen heute die allerklarsten Beweise und Gründe gegen die Deklarationspflicht, gegen die Vorlage der Regierung bei- gebracht hätten, Es wäre ja an si sehr hübsch für die Opposition, ein solches Argument für sich haben zu können; aber daß es nit so leiht gegeben werden wird, können Sie sih doch auch denken und sollten deshalb die kleine Mühe nicht \ch{euen, die richtige Erklärung schon felbst zu suchen. Der Herr General- Steuerdirektor hat Ihnen nur ausgeführt, warum wir die Defkla- rationspflit, die wir für das Einkommen aus Kapitalvermözen for- dern, wie ih mir selbst in ciner früheren Sißung auszuführen er- [laubt babe, dethalb fordern, weil wir die Deklarationspfliht da am leichtesten und am nöthigsten finden, und dies uns genügt, aus- nahms8weise an dieser, aber niht an anderer Stelle fordern. Der Hr. Gencral-Steuerdirektor Burghardt hat fi bemüht, darzulegen, warum wir dem Verlangen entgegentreten, die Deklaration auch da zu stta- tuiren, wo wir sie nicht unbedingt für nöthig halten, wohl aber für sehr s{chwierig und unheilvoll halten. Diese Ausführungen hat cr, wie ih glaube, mit großem Effekt gemacbt, und ih hoffe von seinen Ausführungen die erforderlie Wirkung in der Kommission. i

In dem folgenden Theile seiner Rede hat der Hr. Abg. Rickert, wie mir scheint, einen großen Unterschied an den Tag gelegt, anders auf dem Boden, wo es ihm peinlich war, das Gefecht zu führen, und anders auf dem Boden, wo er dabei so recht in seinem Esse war. Der peinlihe Boden waren die kleinen Bemerkungen, die ich mir erlaubt hatte, den Herren vorzuhalten, wie man im Lande ihr ableh- nendes Votum gegenüber den Wünschen der Staatsregierung, die dritte und vierte Klassensteuerstufe aufzuheben, beurtheilen würde. Hr. Riert fühlt sih nach dieser Ribtung genirt und hat versudt,

Klasse der Betheiligten auf Auskunftsmittel zu sinnen. Aber welcher Art waren diese? Et sagt, für die Lehrer sei das nit bedeutend, wenn da der Finanz-Minister helfen wolle, so müsse etwas Anderes gesehen, 6 und I M helfen nichts. Nun, ih habe die Kleinheit dieser Beträge auch gestern {hon hervorgehoben, aber was thun Sie denn an anderen Stellen? Wenn Sie z. B. den Sprung von der 4. auf die 5. Steuer- klasse ansehen, dann find 12 {on ein ungebeures Vermögen. Ih glaube, 6 und 2 Æ, unter Androhung der Erekution auf einen be- stimmten Termin, sind für diese Leute auch ein Gegenstand, und die Bitte, die ich ausgesprochen habe, die Sache nidt de coeur leger zu behandeln, die hat also wobl bei Hrn. Rickert keine Aufnahme ge- funden. Denn er sfagt, ich dürfte nur die Remunerationsfonds ¡us sammennehmen, die für die Beamten im Etat stehen, dann würde weitaus mehr zur Deckung freigebiger Bewilligungen für die Lehrer da sein. Nun, wenn das ein neues Mitglied des Hauses gethan bâtte, das noch nie an einer Etatsberathung theilgenommen hat, so ließe ich mir das ja gefallen, ein Solcher kommt mit einer vors gefaßten Meinung ber, kennt die Staatsverwaltung gar niht näher und fagt: es sind ja im Etat einige Positionen zu Remunerationen, die kann ih streichen, ich bin ja nit verpflihtet, cinem Beamten eine Remuneration za gewähren, weg damit und ber mit dem Geld für die Lehrer! (Abg. Rickert: Davon habe ich kein Wort aesagt !) ich habe das so notirt; so kommen wir nicht auseinander, i muß meine Ausführungen dana macben. Wenn wir im Etat gewisse Fonds zu Remunerationen haben, ja, sie stehen nicht \eit gestern darin, sie sind seit Jahren und Jahrzehnten stets unbeanstandet aber nie unbeachtet durchgegangen, fondern die Frage, ob es im Interesse des Landes nöthig sei, solche Ausgaben bei unserem Behördens- organismus zuzulassen, die is Hundertmal erwogen und i glaube, auch des Votums des Hrn. Rickert selbst haben wir in der Vergangenheit uns fehr oft für die Bewilligung dieser Nemunerations- fonds zu erfreuen gehabt. Was soll es nun heißen, wenn man einen darbenden Lehrer- stand, wie man ihn doch dabei vor Augen hat, hinweist auf die Streichung, der Nemunerationsfonds im Etat ? das sind Steine statt Brot. Das nimmt sich wohl heute bei der Verhandlung ciniger- maßen hüsch aus, aber prafktis{ch ist es nit zu macen. Gbenso ist es gegenüber den Beamten mit der Beseitigung der Gratifikations- fonds u. f. w. Meine Herren! Ih erkläre Ihnen meine persönliche Ansicht, und die habe ich, soweit meine Befugniß und meine Macht reiht, auch vielfah s{chon bethätigt: ih bin ein großer Gegner dieser Remunerations8- und Gratifikationsfonds und wel{he Namen sie sonst haben mögen. Ich bin überall, wo i irgend kann, darauf aus, diese Dinge zu beseitigen und zu besneiden, aber ih muß mi beugen gegenüber der praktischen Nothwendigkeit, die wirk- lich, das erkenne ih an, mit Recht dazu geführt hat, in dem Etat solche Fonds aufzunehmen. Staatsverwaltung überall zweckmäßig und bestens fortführen, wenn wir niht im Besitz solder Fonds wären, die durchaus zweck- und sachgemäß und niemals zu irgend einer Bestehung oder etwas derartigem Verwerflichen ge- braucht werden. Der Herr Abgeordnete {loß diesen Theil seiner Ausführungen gewissermaßen mit einem Resumé, daf ihm viele Zu- schriften zugegangen find welchen Werth die nun haben, fönnen wir Alle niht beurtheilen „wona allgemein die Abschaffung der 3. und 4. Stufe nicht gewünscht wird“. Ich bitte die Regierung jedenfalls auszunehmen, die hält es fär nothwendig und glaubt, daß es zum Wohle des Landes erforderlich ist, die 3. und 4. Stufe abzusbaffen. Jch glaube, gegen dieses Votum der Regierung sollten diese Zuschriften, die Hr. Rickert empfangen Da \cchwerlich ins Gewicht fallen, (Gelächter links) wenn Sie eine andere Meinung haben, so beneide ih Sie niht darum —, der Herr Abge- ordnete ist nun aber viel glückliher im Tone und, ich glaube au, nach vielen Seiten hin in der Wirkung gewesen, als er fic auf das Gebiet der politishen Rechte begab. Das ist ja nun auch viel dank- barer. Meine Herren! So langweilig find für die Mehrzahl der Menschen Verhandlungen über Steuerfragen, daß sie ordentlich auf- athmen werden, wenn sie in der Rede des Abg. Rickert endlich an diese packenden politischen Nechtsfragen kommen. Da hat er nun das kann ich vielleiht vorweg gut erledigen au seinerseits an dieser unschuldigen, ih wiederhole cs, unschuldigen akademischen Betrachtung, die ih vorgestern bezüglich der Matrikular- beiträge gemacht habe, einen sehr energischen Feldzug angeknüpft, in- dem er namentlich auch den Hrn. Abg. Windthorst zu Hülfe gerufen hat. Darauf, glaube i, kam es doch dem Hrn. Abg. Rickert nur an, ich muß ja anerkennen, tafktish ift es gewiß sehr richlig, er suchte in dem Hrn. Abg. Windthorst in dieser Beziehung das Gefühl der Beunruhigung wieder waczurufen. Der Hr. Abg. Rickert fürchtete \chon, Hr. Dr. Windthorst hätte si bereits beruhigt, und er glaubte die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen, um diesem Uebelftande für die Folge vorzubeugen. Der Wunsch, ihn ja unter den Gegnern der Vorlage festzuhalten, war und das wird der Hr. Abg. Windt- horst selbst mir vielleicht bestätig-n herausgefühlt zu haben, war die Ursache für die Besorgnisse des Hrn. Ricert. __Denn. der Hr. Abg. Windthorst hatte erk i bin bereit, an diesem Werke mitzuarbeiten in der Absicht, daß etwas Gutes zu Stande kommt, daß ein Gesetz daraus hervorgehe. ch id, der gegen die Resolution gesprochen und gestimmt lat, der jeßt gegen diese Geseßesvorlage sich hat ein- {chreiben lassen als einer der erbittertsten Gegner, der hat do natür- li das größte Interesse, wenn er glaubt, den Führer einer großen Partei durch Beunruhigung doch von dieser positiven Mitarbeit wieder abbringen zu können. O 5 Der Hr. Abg. Nikert hat deshalb auf das Kapitel der Matri- fularbeiträge hin cine große Ausführung basirt, so s{wach auch ihm selber die Veranlassung dazu erscheinen mohte. Ich kann heute nicht anders sagen als gestera: von irgend einer aktucllen Politik der Re- gierung habe ich dabei gar nit gesprochen, mein Urtheil über den wissenschaftlichen oder nennen Sie es theoretishen Werth dieser Eine richtung können Sie mir nicht verübeln. Der Hr. Abg. Rickert hat mir an einer Stelle gesagt: geben Sie doch ehrliche Antwort! S als ob ih nie ehrlih sprä6e! ih thue es immer und es ist mir in der Hirsicht auch ganz egal, wie in Folge dessen über mi gedat wird, denn die Pflicht fühle i, ehrlich zu sprechen, nicht die, gefällig zu sprechen. Ich habe also auch bezüglih der Matrikularbeiträge meine ehrliße Meinung ausgespro{en und ih kann weder etwas davon zurücknehmen, noch daran abändern, noch hinzufügen. Der Herr Abgeordnete hat dann nach Verlesung eines ich habe nicht genau verstanden, welhen Aktenstückes gesagt, ih fet geschlagen durch meine eigenen früheren Auslafsungen bezüglich der jeßt in Rede stehenden. durch die Vorlagen angegriffenen politischen Rechte des Volkes. Es machte auch einen ganz guten Cffekt: „wer war das? der Regierungëkommissar war der Geheime Dber-Finanze Rath Scholz, der jeßige Finanz-Minister!“ Ich könnte ihm darauf ganz billig erwidern, was ich vorhin {bon gesagt habe bezüglich des Hereinziehens der Personen von Regierungskommissarien ; das träfe auch hier zu, es ift das durchaus unberechtigt. _Ich habe meine poli- tishe Auffassung nie geändert. Ich habe, als ih die Ehre hatte, im Jahre 1870 Mitglied dieses Hauses zu sein, der konservativen Frak- tion mi angesclossen und ih habe demnächst lange Zeit unter einem erantwortlihen Minifter gearbeitet, der nicht der konservativen Partei angehörte, und ih glaube, derselbe wird mir heute das Zeugniß Nie- mand gegenüber verweigern, daß er an meiner Bereitwilligkeit, das zu thun, was meines Amtes war, in seinem Sinne die Geschäfte zu führen, nie gezweifelt hat. Jch habe das Vertrauen dieses Ministers gehabt, jo lange er im Amte war, und ih bin ihm zu vielem Danke verpflichtet, ih werde es nie vergessen, in welcher hohen Weise, kann ich geradezu sagen, dieser Minister das Verhältniß zu seinen Räthen verstand und ftets pflegte. Jch habe meinerseits hier nur den Aus- gangspunkt nehmen wollen, um zu sagen: wenn mir dieser Minister, wie er es ja hâtte thun können, den Auftrag gab, als Regierungs- kommifsarius in einer Kommission des Abgeordnetenhauses cine Er- klärung abzugeben Namens der Regier'g oder Namens seiner, des Ministers, die meiner persönlichen Au safsung nit entsprocen haben würde, so würde ich meiner Pflicht gemäß in die Kommission des Abgeordnetenhauses gegangen sein , diese Erklärung abgegeben und sie

des Ministeriums angiebt, oder soll es anders sein? Wenn der Herr

namentlich bei einer, vielleicht der ihm am wichtigsten erscheinenden

thunlichst begründet haben im Sinne derjenigen Kommitt.nten, denen