1884 / 16 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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Major vom Inf. Regt. Nr. 61, mit Pens. zur Disp. gestellt. v. Berger, Major z. D. und Bez. Commandeur des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 48, von dieser Stellung entbunden. Ta pper, Major vom Inf. Regt. Nr. 52, mit Penf. zur Disp. gestellt. Pit, Hauptm. und Comp. Chef vom Füs. Regt. Nr. 39, als Major mit Pension, Werliß, Hauptmann und Compagnie-Chef vom úInfanterie - Regiment Nr. 56, mit Pension zur Diéposition gestellt. Christiansen, Pr. Lt. vom Fuß-Art. Regt. Nr. 2, als halbinvalide mit Pension nebst Aus\fibt aus Aprstelung im Civil- dienst ausgescbicden und zu den beurlaubten Offizieren der Landw. Fuß-Art. übergetreten. Rottenburg, Pr. Lt. von der 1. Ing. öInsp., mit Pension und seiner biéher. Unif, v. Müncbhaufen, Pr. Lt. von der 3. Ing. Insp., mit Penfion nebst Ausficht auf An- ftellung im Civildienst und der Armee-Unif., Burbach, Sec. Lt. vom Train-Bat. Nr. 9, der Abscbied bewilligt. Ebart, Pr. Lt. und Oberjäger vom Reit. Feldjäger-Corps, ausgeschieden und als Pr. Lt. zu den beurlaubten Offizieren der Landw. Jäger übergetreten. Im Beurlaubtenstande. Berlin, 12. Januar. Gos- [i ch, Sec. Lt. vom 2. Garde-Landw. Regt, Sch{warhkopff, Pr. Lt. vom Garde-Füs. Landw. Regt., Dudy, Hauptm. von der Res. des 4. Garde-Regts. z. F., mit seiner bisher. Unif., Graf von Sch werin, Pr. Lt. von der Garde-Landw. Kav., Lose, Pr. Lt. von der Res. des Gren. Regts. Nr. 89, mit der Landw. Armee- Unif., Ortel, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des Ref. Landw. Bats. Nr. 33, Zander I., Sec. Lt. von der Res. des Inf. Regts. Nr. 41, D olega, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 4, Krause I., Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats, Landw. Regts. Nr. 44, Frühling, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Negts. Nr. 5, Mix, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 45, mit der Landw. Armee-Unif., Fl ehm, Sec. Lt. von der Landw. Inf. desselben Bats., Robert- Tornow, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 2, Bats. Landw. Negts. Nr. 42, mit der Landw. Armee-Uniform, Becker, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Negts. Nr. 49, Zim- dars, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 49, Ras3mus, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 61, Ra h n, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 8, Tauscher, Hauptm. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Negts. Nr. 60, mit seiner bisher. Unif, W enzel, Sec. Lt. von der Res. des Füs. Regts. Nr. 35, Bor- ch ers, Sec. Lt. von der Res. des Inf. Regts. Nr. 75, Gutbier, Sec. Lt. von der Res. des Inf. Regts. Nr. 14, Weidemann, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des Res. Landw. Reats. Nr. 35, Mün- gersdorff, Sec. Lt. von der Landw. Inf. desselb. Landw. Regts., Baer, Franke, Sec. Lts. von der Landw, Inf. desselb. Landw. RNegts., beiden mit der Landw. Armee-Unif., Brückner, Sec. Lt. von der Nes. des Kürassier-Regiments Nr. 7, Bielefeldt, Pr. Lieut. von der Landwehr-Infanterie des 2. Bataillons Landw. Regts. Nr. 26, Gräfe, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des Res. Landw. Bats. Nr. 36, als Pr. Lt. mit der Landw. Armee-Unif., Krause, Sec. Lt. von der Res. des Füs. Regts. Nr. 36, Kugler, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 67, mit der Landw. Armee-Unif, Sybel, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 71, Boutin, Hauptm. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 71, mit seiner bisher. Unif, Ranniger, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 96, mit der Landw. Armec-Unif., Sorsche, Sec. Lt. v. d, Landw. Kav. des 1, Bats. Landw. Negts. Ièr. 7, der Abschied bewilligt. Haertel, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 7, als Hauptm. mit der Landw. Armee-Uniform, Wentzel, Sec Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 47, Kupke, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 59, v. Wrochem, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 2, Bats. Landw. Regts. Nr. 10, als Hauptm., Pfoertner von der Hölle, Secc. Lt. von der Landw. Kav. des 2, Bats. Landw. Regts. Nr. 50, als Pr. Lt., Boettger, Stoé, Pr. Lts. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 22, v. Gordon, Sec. Lt. von der Landw. I. Des 1 Bals Landw. Meats, Mt, 10; Ut L, VL La von der Land, Zul des +2, Duats. Landw. Regts. Nr. 15, Linder, Sec, Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 57, Schmit I., Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 28, Keller, Arend, Pr. Lts. von der Landw. Inf. des Res. Landw. Regts. Nr. 40, Orth, Sec. Lt. von der Res. des Inf. Regts. Nr. 116, Schulze-Nickel, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 29, BLUch l, Sec. Ll, von dex Landw. Kav. des 2, Bats. Landw. Regts. Nr. 30, Scheerbarth, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. 23a, - Landw. Negts, Mr. (6, gls Pr, Ll, Glüenstein, Sec. Lieut. von der Landw. Infanterie desselben Bataillons, Gies, Pr. Lt. von der Landw. Infanterie des 2. Bataillons Landw. Regts. Nr. 90, mit der Landw. Armee-Unif., Jürgensen, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 84, Meyer, Mühlbach, Sec. Lts. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw, Regts. Nr. 85, Völckers, Pr. Lt. von der Res. des Inf. Regts. Nr. 85, mit der Landw. Armee-Unif., Agena, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 78, der, Sec. 2, von dev Landw. Inf. des, 1. Bals, Landw. Negts. Ner. 91, Eckelmann, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1, Bataillons Landwehr-Regiments Nr. 74, mit der Landwehr-Armee-Uniform, Sc{chüßler, Hauptmann von der Landwehr-Infanterie des Reserve- Landw. Bats. Nr. 73, mit der Landw. Armee-Unif., Hellweg, Pr. Lt, von der Res. des Inf, Regts. Nr. 13, Po ppe, Sec. Lt, von Der : Landw. Gf, des Nes, Landw. Bats, Nr, 783, als Pr. Lt. Bumfke, Major von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 79, mit seiner bisher. Unif., Potthast, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 82, mit der Landw. Armee- Unif, Schraudebach, Sec. Lt, von der Landw. Inf. des Res. a S M W als Ver Ll mit der _Landw. AUrmiec - Ui, Weindaw, Sec. Lt. von dex Landw, Kav. desselben Bats.,, Kroeschell, Sec. Lt, von der Res. des Inf. Regts. Nr. 83, Grothe, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. * Regts. Nr. 95, Wiegand, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 2. Bats. Landw. Negts. Nr. 94, als Pr, Lt, Simons, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 115, Molly, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 116, Christophe, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 1, Bats. Landw. Regts. Nr. 118, Ruoff, Pr. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw, Regts. Nr. 111, mit der Landw. Armee-Unif, Sautier, Sec. Lt. von der Landw. Inf, des! 1 Das L, Vie Vir 14 Woblfart Sec. 21 von der Law, Dns. des 2 Bals, Undw. Negts. Nr. 114, Wandesleben, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des Res. Landw. Bats. Nr. 97, Knoderer, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 2. Bats. Landw. Regts. 129, Kaiser, Pr. Lt. von der Landw. Feld-Art, des Res. Landw. Regts. Nr. 38, mit der Landw. Armee-Uniform, Schmidt, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 71, Meyn, Sec. Lt. von der Res. des Feld-Art. Negts. Nr. 9, Rigts, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 78, Peter, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 79, der Abschied bewilligt. GChrhardt, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 2. Bats. Land- wehr-Regiments Nr. 83, Stahl, Sec. Lt. von der Landw. Feld- Art. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 85, Jordan, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 2. Bats. Landw. Negts. Nr. 93, Mohr, Sec. Lt. von der Landw. Feld-Art. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 115, Contag, Sec. Lt. von der Landw. des Eisenbahn-Regts., Münker, Sec, Lt. vom Landw. Train des 2, Bats. Landw. Regts. Nr. 17, als Pr. Lt.,, v. Salkowski, Sec. Lt. vom Landw. Train des 1, Bats. Landw. Regts. Nr. 18, der Abschied bewilligt.

Nicchtamfkliches.

Preußen. Berlin, 19. Januar. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (28. )S ißung des Hauses der Abgeordneten wurde die erste Berathung des Antrags des Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) auf Annahme eines Geseßz- Sev betreffend die Wiederherstellung der Artikel 15, 16 und E der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850, fort- gesetzt.

Ser Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer-Al| erklärte, ihm komme es vor, als ob ter Abg. von Hammerstein, der dem Centrum sonst ja immer wohlgeneigt sei, vieles von dem be- dauern müsse, was derselbe heute gesagt habe. Der Abg. von Hammerstein bezeihne den Antrag des Centrums als alten Bekannten; troßdem habe derselbe ihn leider schr wenig kennen gelernt und verstanden in seiner Bedeutung gerade für die konservative Partei. Der Abg. von Hammerstein meine, als Angehöriger einer mehr realistishen jüngeren Generation lege er weniger Werth auf Verfafsungeéartikel, als der idea- listishe Reichensperger. Mit dem ganzen Realismus liege es aber so: Als die Regierung die Aufhebung der Verfassungs- artifel verlangt habe, habe die konservative Partei mitgehen müssen, und wenn heute die Regierung eine Vorlage ein- gebracht hätte, die Verfassungsartikel herzustellen, so würde die konservative Partei auch dafür stimmen. Wer, wie der Abg. von Hammerstein sage, er würde die drei Artikel nicht aufgehoben haben, der sollte doch wirklih die Hand zur Wiederherstellung derselben bieten. Der Weg der Verständi- gung mit Rom werde doch keineswegs mit dem Antrag des Centrums verlegt. Das Centrum sage stets, einem Frieden zwishen dem Staate und Rom würde es sich stets unterwerfen; fo lange ein solher aber niht geschlossen sei, müsse das Centrum die Wiederherstellung des verfassungs- mäßigen Rechts verlangen. Daß der Antrag des Centrums nicht ernst gemeint sei, brauche er bei der Vergangenheit seiner Partei wohl niht erst zu widerlegen. Wenn der Abg. von Hammerstein meine, es würden mit dem Antrage des Centrums die Streitfragen doch nicht gelöst werden, z. B. über Vor- bildung der Geistlihen, so vergefse derselbe, daß das Gesetz hierüber erst gemaht werden könne, nahdem die Verfassungs- artifel aufgehoben seien. Das Centrum wolle die Verfassung erst wieder herstellen, dann werde sich tie weitere Revision von selbst ergeben. Wenn der Abg. von Hammerstein auf die günstigen Folgen der Geseße von 1880 und 1882 hinweise, so erkenne er die Wohlthaten und Milderungen derselben dankbar an. Es seien dies aber nur immer ein- malige Dispense, mit welhen die Prinzipienfragen keines- wegs beseitigt würden. Die evangelische Kirche werde durch diesen Antrag niht berührt. Die vom Abg. von Hammer- stein beantragte Tagesordnung bedeute eigentlih, das in die Verfassung eingeschriebene Reht habe eine Rechtsunsicherheit zur Folge. Der Weg der Speziolgeseßgebung, auf welchen die Herren von rechts und links hinwiesen, sei leider erfolg- los gewesen. Der Standpunkt der Rechten erinnere ihn an eine Aeußerung des Abg. Rickert vom gestrigen Tage. Der- selbe habe aufgefordert zur Wahrung der Volksrechte in Steuerfragen und bei einer Gelegenheit, wo es sih nur darum gehandelt habe, Garantien erst zu schaffen. Wo sei die Linke denn gewesen, als es sih darum gehandelt habe, die Garan- tien, welche die Verfassung geboten, abzuschaffen. Was sei nun der Erfolg des ganzen Kulturkampfes gewesen? Jn der Blüthezeit desselben habe er von allen Seiten Prophezeihungen gehört über den Segen, der hervorgerufen werde, besonders über den Zuwachs, welchen das Ansehen des Staats erhalten werde. Das Centrum habe das Gegentheil prophezeit und leßteres habe sich erfüllt. Das Ansehen des Staats sei keines- wegs gehoben, das der Kirche gestiegen. Als allgemeine Folge sehe man den Rückgang der bürgerlichen Freiheit, das Eintreten einer Verfolgungssucht gegen die Minorität, cr weise auf die Antisemitenbewegung hin, in den katholishen Gegenden habe dieselbe keinen Boden gefunden, auch ihm selber sei sie mit ihren Exzessen stets unsympathisch gewesen. Jadessen sei seiner Zeit die Presse so provozirend aufgetreten, daß sie sih nit wundern dürfe, wenn derartige Exzesse vorgekommen seien. Es sei überall anerkannt worden, daß man aus dem Kultur- kampf herauskommen müsse. Die nationalliberale Partei sei dur den Kulturkampf zerseßt. Das sei der einzige Segen gewesen, im Uebrigen könne er bemerken, daß sih nur noh Größen zweiten Ranges mit dem Kulturkampf beschäftigten. Der Antrag wolle die Rückkehr des verfassungsmäßigen Zustandes, welcher den ungestörten Frieden verbürgt hätte. (Redner verlas dann einzelne Geseßze und Verfügungen, die sih auf den Kulturkampf bezogen und citirte sodann Reden, insbesondere der Abgg. Dr. Virhow, Schmidt (Sagan) und einiger Regierungsvertreter bezüglich der Verhandlungen über Abänderung resp. Aushebung der Verfassungsparagraphen.) Für die Abänderung des Artikels 15 der Verfassung habe mit Ausnahme des Abg. Richter die ganze Fortschrittspartei ge- stimmt, für die spätere Aufhebung der drei Artikel habe die ganze Fortschrittspartei gestimmt und auc der Abg. Richter. Nun sei ja in neuerer Zeit im Ganzen auch in der liberalen Presse der Ton gegen die Katholiken besser geworden ; einige Organe fielen gleichwohl noch häufig in die alte Manier zu- rück. Er erinnere nur an die „National-Zeitung“, die sih ja sonst auf ihren vornehmen Ton fo viel zu Gute thue. Dies Blatt habe noch vor wenigen Wochen einen Artikel aus Rom gebracht, worin es unter Anderem heiße, daß man in Rom vom Papst überhaupt nicht mehr \prehe. Gegenüber der Art und Weise, wie man die Katholiken bekämpft habe, sei die Haltung des katholishen Volkes stets geradezu muster- haft gewesen. Die Katholiken wollten auch das Geschehene nit nachtragen, sondern es vergessen und vergeben ; aber das verfassungsmäßige Recht müsse das Centrum reklamiren. Die rehte Seite des Hauses bitte er aber, dem Centrum gegen den gemeinsamen Feind, gegen den Unglauben und die Revolution kämpfen zu helfen, Es sei charakteristisch für die Zeit, daß in der Masse des Volkes der religióse und der soziale Haß synonym geworden seien. Diese Massen seien dur ihre Antheilnahme an der Gewalt eine Erscheinung geworden, mit der man renen müsse. Es komme darauf an, daß diese Massen gläubig erhalten würden ; denn sobald sie in ihrer Mehrheit ungläubig seien, stellten sie auch destruk- tive Forderungen und machten von Revolver, Dolch und Dy- namit Gebrauh. Entweder es siege der Glaube und Gott, oder man stehe vor dem sozialen Kriea, vor dem Umsturz des Thrones und des Altars. Alle, die es mit dem Vaterlande gut meinten, bitte er, durch die Annahme des Antrages das Centrum zu unterstügen, damit dem Kreuz der Sieg über das moderne Heidenthum bleibe.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, er wolle hier gleich

vorweg sagen, daß er, falls der Antrag auf Ueberweisung an eine Kommission gestellt werden sollte, demselben zustimmen werde. Er habe gedacht, die Verhandlung über den Antrag würde von dem Centrum dazu benußt werden, sich mit der Regie- rung und den Konfervativen einmal auszusprehen. Offen gesagt, sei er aber enttäuscht. Der Minister schweige sich aus. «Im Reichstage habe man denselben Fall gehabt. Die Rede

des Abg. von Schorlemer habe er für Zwischenaktsmusik gehalten. .

Sie habe ganz interessante Einzelheiten gebracht, die aber nur in ent- ferntem Zusammenhange mit der Sache ständen. Der Abg. von Schorlemer habe sich auch an seinen Kollegen Virhow und ihn gewandt, als ob sie die maßgebenden Persönlichkeiten wären, hier das praftishe Wort zu sprechen. Der Abg. von Schor- lemer habe seine (des Nedners) frühere Stellung charakterisirt, und seine Abstimmungen bemängelt. Der Aufhebung des Artikels 18 habe er, da er die Einmishung in die persönlichen Verhält- nisse der Geistlihen niht wünsche, nicht zugestimmt, ebenso- wenig dem ganzen Geseß im Jahre 1873. Es sei nur ein neu redigirter Artikel 15 übrig geblieben, für dessen Aufhebung er allerdings im Jahre 1875 gestimmt habe. Wenn er heute dafür stimmen würde, an Stelle dieses Antrages den Ar- tikel 15 einzuführen, so würde das Centrum das als bittere Jronie auffassen. Der Abg. Reichensperger habe nun bei Dar- stellung der kirhenpolitischen Geschichte die Mitwirkung des Fürsten Bismarck nicht erwähnt, auch nicht die der Konser- vativen, ohne deren Mitwirkung keins der Gesetze zu Stande ackfommen wäre. Er müsse darauf verzichten, auf scine Kosten die Debatte zu illustriren. Er wolle jeßt auf einige Aeußerungen des Abg. Reichensperger kommen. Derselbe habe von einer gewissen Sehnsucht der jüdishen Bevölkerung nah Freiheit gesprohen und dabei auf den Antisemitismus hingewiesen. Er glaube, der Umstand, daß in den katholischen Gegenden von Antisemitismus weniger oder gar nichts zu hören gewesen sei als in evangelischen, habe seinen Grund in der würdigeren Haltung der katholishen Geistlichkeit. Zur Sache felbst könne er die Frage, ob in der Versassung niht Bestimmungen über die Selbstverwaltung der Religions- Gesellschaften Plaß finden follten, nur bejahen. Die Ansich- ten des Abg. von Hammerstein über die Grundrechte theile er nicht. Wenn der Abg. von Hammerstein auf den Abg. Neichensperger fo von oben herabsehe, wenn dieser von 48er Zeiten spreche, so könne er nur wünschen, daß die Begeisterung, wie sie sih damals kund gethan habe, auch jeßt noh bestände. Die Grundrechte hätten ihre Berechtigung und er glaube, hätte man deren mehr statt der Verwaltungsgeseße u. \. w., jo wäre man in Vielem besser gefahren. Der Abg. Dr. Reichen- sperger habe sich auf die Artikel der Grundrechte berufen. Diese strebten ja nah einer Abgrenzung zwischen Staat und Kirhe. Der Abg. Reichensperger habe aber vzrgessen, die Hauptsache zu citiren. Dort stehe auch, daß keine Religions- gesellschaft vor der anderen besondere Vorzüge haben solle, Die Frage, ob niht Bestimmungen über die Selbständigkeit der Religionsgesellshaften würdig wären, in die Verfassung aufgenommen zu werden, beantworte er bejahend, und fei durchaus nicht der Ansicht des Abg. von Hammerstein bezüg- lih des Werthes von Grundrehten. Er würde es im Gegentheil für wünschenswerth halten, daß vieles, was hier einfacher geseß- licher Negelung unterliege, nah Grundrechten geregelt würde ; dann könnten wenigstens die Rechtsverhältnisse niht plößlich in das Gegentheil verkehrt werden. Wie nun dex Antrag vor- liege, werde er gegen seine Annahme stimmen, dagegen eine nähere Prüfung in einer Kommission befürworten. Bezüglich der Frage, wie man die in Rede stehende Angelegenheit grundrehtlih reguliren solle, sei es seine persönliche Ansicht, daß es mangelhaft sei, bei der Regulirung der rechtlihen Stellung der Religionsgesellshaften, immer nur deren Selbständig- eit ins Auge zu fassen, man müsse auch die Stel

lung des Einzelnen und ganzer Gemeinden in der Neligtonsgesellshaft dieser Gesellshaft gegenüber garan- tiren. Der Antrag der Konservativen befürchte von

der Negelung von WVerfassungsbestimmungen eine Rechts- unsicherheit, ein Einwand, den er niht für berechtigt, resp. nit für durchschlagend halte. Natürlih müsse man sich bei Formulirung eines folhen Verfassungsartikels darüber klar werden, wie sich derselbe zu der bestehenden Gesecßgebung ver- halte. Man würde dann von selbst darauf kommen, si in Bezug auf die kirchenpolitishen Geseße über Grundsäße klar zu werden, heutzutage fehlten dieselben bei der Regierung \o- wohl wie bei großen politishen Parteien gänzlih. Seinen Freunden und ihm könne die Rechte fsolchen Vorwurf nicht machen, im Gegentheil habe der Abg. Windthorst bezüglich von der Fortschrittspartci gefaßter Anträge wiederholt erklärt, sie seien wohl geeignet, für eine wirkliche Verständigung den Weg zu ebnen. Der jetzige Zustand sei allerdings ein voll- Tommenes Chaos und die gegenwärtige Politik rufe wegen ihrer Grundsaßlosigkeit viel mehr Antipathie als Sympathien hervor. Wie könne man z. B. den einen Bischof zurücrufen Und ven dna O da U e BilQo!e Cal Der elung, Die unen von - zu? ständiger Stelle gegeben seien, vollklommen einheitlich gehandelt hätten, und da es doch rein äußerlih sei, wenn der eine oder andere nit bestimmten Vorschriften mehr oder weniger in Konflikt gekommen sei? Wenn man den einen Bischof zurückrufe und den anderen nicht, so gewinne die ganze Handhabung der Geseßgebung den Charakter persönlich gehässiger Maßregelung. Ebenso sei es in Bezug auf die Handhabung der Sperre. Weiter meine der konservative An- trag, man werde auf dem Wege der Spezialgeseßgebung zur Selbständigkeit der Kirhe und zu einem Frieden kommen. Er sei umgekehrt der Meinung, das, wenn das System der diskretionären Forderungen noch weiter ausgebaut würde, man nicht zur Selbständigkeit, sondern zur politishen Un- selbständigkeit der Katholiken kommen werde. Was die Herren auf der konservativen Seite unter Selbständigkeit der Kirche verständen, sei ihm unklar. Ein Saß aus der ganzen Rede des Abg. von Hammerstein habe ihm gefallen, nämlich der: „Man habe sih auf die Zeit einzurihten, wo andere Richtungen maßgebend sein würden.“ Möchte die Rechte sich das immer gegenwärtig halten und möchten sowohl die Kon- servativen als die Regierung sich dies memento mori immer vorhalten.

Der Abg. Dr. von Stablewski bemerkte, es sei erfreulich, daß der Abg. Richter einen anderen Standpunkt einnehme, als das Gros der Fortschrittspartei, die fehr viel Sünden zu ver- antworten habe. Er gebe dem Abg. Richter au darin Recht, daß die Begnadigung eines Bischofs die der andern nöthig mache, da wischen dem Verhalten der Bischöfe gar kein Unterschied be- stehe. Die Garantien für die Religionsfreiheit, die den Ka- tholiken wiederholt dur die Verfaffung gewährleistet seien, seien denselben genommen worden. Trümmer auf Trümmer

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Habe man gehäuft, freie Bürger habe man in fremde Welt- theile gejagt. Auf die Geistlihen habe man Jagd gemacht, als ob sie Tempelshänder wären. Ein Entgegenkommen er- warte man jeßt von der Kurie, während doch der entgegen- kommen müßte, der Unrecht gethan habe. Es sei nicht nur das Recht, sondern die Pflicht des Centrums, immer wieder der Katholiken Rechte zu reklamiren. Jede politische und s\o- ziale Revolution habe bis jeßt mit einer Beseitigung kirlicher Einrichtungen begonnen, deshalb müßten alle Parteien, die die Monarchie unterstüßen wollten, für die Erhaltung der Kirche eintreten. Es handele sich doch nur darum, der Kirche ihren natürlichen Einfluß wieder einzuräumen, namentlich auf dem Gebiete der Schule. Nur eine freie Kirche könne dem Staate nüßen, eine Kirhe von Regierungs oder Majestäts Gnaden helfe nihts, nur eine Kirche von Gottes Gnaden könne für das Seelenheil in Zeit und Ewigkeit sorgen.

Hierauf ergriff der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten von Goßler das Wort:

Meine Herren! Die Erklärung, welche ich Namens ter Staats- regierung abzugeben habe, kann ich in die wenigen Worte zusammen- fassen, daß ih das hohe Haus der Abgeordneten ersuche, dem Antrage, welcher Ihnen zur Berathung vorliegt, niht zuzustimmen, und daß die Staatsregierung, wenn wider Erwarten dieser Antrag Annahme im Landtage finden follte, die Sanktion eines bezüglichen Geseßz- entwurfs nit empfehlen würde.

Die ablehnende Haltung der Staatsregierung hat ihren Grund nicht so sehr in dem materiellen Inhalt und in dem Wortlaut der vorgeschlagenen Bestimmungen, als vielmehr in der Anwendung und Auslegung, welche die katholische Kirche zur Zeit der Geltung dieser 3 Verfafsungsartikel denselben gegeben hat, und in der Anwendung und Auslegung, welche die Herren Antragsteller diesen Artikeln geben wollen. Die Königlie Staatsregierung hält überhaupt dafür sie Hat sich früher wiederholt in dieser Hinsiht der Zustimmung des Herrn Antragstellers und seiner näheren politischen Freunde erfreut —, daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten, die ja in nichts Anderem bestehen als in dem, was andere Länder im Laufe der Zeit auch durchgemacht haben, nämlich in der richtigen Feststellung der Grenze zwischen der staatlichen Autorität und der Autonomie der einzelnen Neligionsgesellshasten daß, sage ih, diese Schwierigkeiten nicht gehoben werden können durch allgemeine theoretische Säße, welchen man die Bedeutung aktuellen Rechtes verleiht, sondern wegen der Verschiedenartigkeit der auf diesem Gebiete in Betracht zu ziehenden Verhältnisse nur durch eine Reihe einzelner konkreten Vorschriften befriedigende Lösung finden können. Es ist daher meines Erachtens nicht richtig, wenn der Gegensaß in der bisherigen Debatte so hin- gestellt worden ist, als ob man hier zu scheiden habe zwischen denen, welche für die Selbständigkeit der Kirche eintreten, und denen, welche diese Selbftändigkeit nicht wollen; vielleicht ist der Gegensaß nur in der Weise vorhanden, das zu unterscheiden is zwischen denen, welche die aus der Frankfurter Reichsverfassung stammenden und aus dieser in die preußische Verfassung übergegangenen allgemeinen Prinzipien unvermittelt in praktisches, aktuelles Reht umwoandeln wollen und denen, welche dies nicht wollen.

E3 ift sehr c¿arakterifstis{, wenn man die Entwickelung unseres öffentlichen Rechts auf diesem Gebiete an der Hand dieser Unterscheidung betrachtet: So lange der S. 147 der Frankfurter Verfassung allgemein theoretisches Recht war, war Jedermann einverstanden mit demselben und zwar aus dem einfahen Grunde, weil Jeder in diesen allgemei- nen Sätzen einen Theil dessen wiederfand, was er in diesen Sätzen finden und gefunden wissen wollte. Es is daher in der That cin beachtens8werther Umstand, daß auch in der heutigen Verhandlung der erste Herr Vorredner den Absatz 1 jenes Paragraphen, welcher von der seldständigen Ordnung und Verwaltung der kirchliden Angelegen- Beiten Seitens der einzelnen Religionsgesellshaften spricht, allein in den Vordergrund seiner Ausführungen stellte, während der Hr. Abg. Richter (Hagen) unmittelbar darauf klar mate, daß für thn und seine Freunde lediglih der Absatz 2 der \pringende Punkt in diesem “Paragraphen \ei. Meine Herren, das ist kein Zufall, und wir müssen darin der historishen Entwickelung ihr Recht lassen, daß es bei den Verhandlungen mit der katholischen Kirche niemals gelungen ift, den Sinn dieses Artikels einwandsfrei festzustellen und daß auch hinterher alle aufrichtigen Versuche, den wahren Sinn zweifelsfrei fest- zustellen, vergeblihe Bemühen geblieben sind. S U C

Warten war, At dann, als \ der . Artlel, allerdings mit einigen Veränderungen, in die preußishe Verfassung

überging, auch eingetreten. Die Regierung, als sie diesen Artikel ein- brachte, ging von der Auffassung aus es liegen die authentischen Erklärungen des damaligen Kultus-Ministers vor —, es sei völlig ausges{blossen, daß mit der Einführung des Artikel 15 alle ReHte des Staates den Religion8gesellshaften gegenüber eliminirt seien, und die Ausführungen, wele der Minister gemaht hat, lassen deutlich erkennen, daß das Aufsichtsrecht und Gesetgebungsrecht des Staates in keiner Weise tangirt werden sollten, denn, wie der Wortlaut des Art. 15 besagt, die Kirche habe die Ordnung und das Verwal- tungsrecht ihrer Angelegenheiten. Ja, der Minister ging soweit, daß er auch für die Ausführung des Ordnungs- und Verwaltungs- rechts der Religionsgesellschaften durch eine Reihe von selbständigen Mbmachungen und Ausführungsbefstimmungen sorgen wollte. Aber, meine Herren, was man damals nicht erwarten konnte, trat ein in dem Augenblick, wo die Verfassung publizirt war. Denn, als die preußishe Staatsregierung an die Vertreter der katholischen Kirhe sch wandte mit dem Ersuchen, zur Einführung des Artikels beizutragen und mit der Regierung gemeinsam die verschiedenen Verwaltungszwecige näher durchzugehen, trat ein ab- folutes Hinderniß ein, indem die kirchlichen Organe erklärten: Art. 15 ift aftuelles Recht, auf Grund dessen führen wir nah unserm eigenen Ermessen unsere Angelegenheiten selbständig aus. Damals stand die Regierung bereits vor der \{chweren Frage, soll sie den Kampf, der ihr angeboten wurde, aufnehmen oder foll sie die Entwidelung der Dinge weiter abroarten ? (Fs ift nihts Neues und es ist an diesem Tische vor Jahren wiederholt ausgesprochen worden, daß die Staatsregierung zunächst die Entwicklung der Dinge abgewartet hat in der Hoffnung, es würde ein Zeitpunkt eintreten, an welhem ohne {were Störung die Grenzen der beiderseitigen Gebiete durh Einzelgeseße richtig gezogen werden könnten. : L

Der Hr. Abg. Reichensperger hat nicht mit Unrecht hervor- gehoben und man soll an solchen Worten nicht rütteln daß im Jahre 1861 von Hötster Stelle die Ordnung und die ordnungs- mäßige Einrichtung der Verhältnisse der katholiswen Kirche aus- drülih anerkannt ist. Er hat auch Recht gehabt, wenn er darauf Hingewiesen hat, daß ähnliche autoritative Aeußerungen noch im Jahre 1866 in dem Augenblicke ausgesprochen wurden, als die Erzbischöfe Melchers und Ledohowski den Eid der Treue in die Hand des Dber- haupts unseres Staats ablegten und den Geseßen Gehorsam ver-

fprahen. Aber, meine Herren, ebenso richtig ist es, daß unter dem Hinzutritt anderweitiger Ereignisse, welche die staatsrechtlihe Stellung Preußens und Deutschlands

veränderten, und unter Hinzutritt von Ereignissen, die sich zum Theil außerhalb unserer Landesgrenzen zutrugen, in der That Versciebungen in dem Wesen und in den Ansprüchen der katholischen Kirche eintreten ; und wenn der geehrte erste Herr Redner dem Gedanken Ausdruck gegeben hat, als ob es an konkreten Vor- würfen in der Hinsicht gefehlt hätte, dann müssen Sie es mir in meiner verantwortlihen Stellung {hon glauben, wenn ih Ihnen sage, es giebt kaum ein Aktenftück aus jener Zeit, welches niht immer wieder in diese s{wierigen und kaum 1ó8- baren ODiffikultäten hineinführt. Fast immer habe bei folchen Differenzen der taat geshwiegen, bewußt, daß er zu einer anderen Zeit auf die Sache zurücktfommen müsse. Häufig ist er sogar mit dem Bewußtsein von dem rihtigen Stand- punkte zurückgewihen. Daß in späteren Phasen der Entwickelung unseres Staatslebens wie in der Entwickelung aller übrigen Staaten, in denen ähnlihe Verhältnisse bestehen die ernste Auf-

A T Aa ta Zie O A E O

gabe si ergab, in speziellen konkreten Geseßen die Verhältnisse des Staats und der Religionsgesellschaften zu ordnen, kann nit Wunder nehmen, und wenn man, wie ich dieses {on vor zwei Jahren hier ausgesprochen habe, \sih in die Bedeutung dieses Gedankens vertieft, nimmt man den Wirrnifsen, in denen wir uns befinden, zum großen Theil ihre“ S@&ärfe und zieht den Stachel aus der Wunde. Wir ernten das, was wir wenn i den trivialen Auéëdruck ge- brauchen darf in der Vergangenheit selber gesät baben, wir müssen die Suppe autessen, die wir uns selber eingebrockt haben.

Wenn üdend Jemand daran zwêifeln könnte, daß mit allgemeinen Grundsätzen in diesen Verwickelungen nichts auszurichten ist oder, wenn man glauben sollte, daß folhe allgemeinen Prinzipien auf einem so s{bwierigen Gebiet ein klares aftuelles Ret \chafffen könnten, so braucht man nur die Entwicktelung in unseren neuen Provinzen anzu- sehen. Als im Jahre 1866 Hannover, Nassau, Kurhessen mit der preußishen Monarchie vereinigt wurden, fanden wir in allen diesen Ländern ein sehr wohlgeordnetes Verhältniß zwischen dem Staate und der katholishen Kirche, niedergelegt zum Theil in Verfafsungsbeftimmungen sehr konkreter Natur, niedergelegt in einzelnen Gesetzen, niedergeleat zum Theil in Verordnungen der Monarchen, bezw. der Staats-Ministerien, und zwar Bestimmungen, die aus\{ließlich auf einseitiger autoritativer Willenserklärung des Staates berubten, Bestimmungen, die zum YZheil bekämpft waren Seitens der Domkapitel, der Bischöfe, zum Theil Seitens der Kurie, aber dennoch Bestimmungen in aktueller Gültigkeit, die \{ließlich beschworen und gehalten wurden.

Wenn man nun, meine Herren, den Zustand sih vergegenwärtigt, in dem bis zur Einführung der preußishen Verfassung die genannten Theile unseres Staatsgebiets sich befunden baben, uyd sich dabei noch klar gemacht hat, welche Verhältnisse nachher eintraten, als die Ver- fassung in ihrer undefinirbaren Grenzbestimmung noc wirkte, der kann darüber gar nicht zweifelhaft sein, daß es ein Febler war, diejenigen Bestim- mungen, die wir in den genannten Landestheilen vorfanden, mit jenen allgemeinen Verfafsung8prinzipien zu eliminiren. Wenn man aber diese Erfahrung gemaht und klar erkannt hat, wohin solches Vor- geben führt, so wird man der gegenwärtigen Staatsregierung nicht zumuthen können, daß sie diesen Fehler wiederholt. Nach unserer ge- wissenhaften Ueberzeugung wäre es in der That der größte politische Fehler, wenn wir in der gegenwärtigen Situation mit Bestimmungen vor Sie hintreten würden, die jeder der Herren auslegen kann, wie es ibm paßt und die naher in der Praxis einen ganz unmöglichen Zu- stand herbeiführen. Meine Herren! Der Hr. Abg. von Hammerstein ist wegen seiner dabin zielenden Aeußerung bekämpft worden, aber ich glaube mit Unrecht. Ich habe mir natürlih diese Frage, so lange ich die Ehre habe, an meiner Stelle zu ftehen, wiederholt vorgelegt, und ih gebe Ihnen die Versicherung, daß i troßdem nicht im Stande wäre, Ihnen nur entfernt mitzutheilen, welche Bestimmungen der ein- zelnen Spezialgeseße nah Einführung der drei Artikel bestehen bleiben würden und welche niht. Wenn zuvor auf die kassatorische Klausel der Verfafsungsurkunde hingewiesen ist, so darf dabei doch nicht über- sehen werden, daß diese ausdrücktlih garantirt das Aufrechterhalten aller Bestimmungen, die der Verfassung nicht zuwider- laufen; es ift das eine solche kafsatorische Klausel, die, wenn ih fo sagen darf, in odium der Aufhebung, also für das Bestehenlafsen der die kirchlihen Angelegenheiten betreffenden Bestimmungen aus8zu- legen ist, und der Hr. Abg. von Hammerstein hat meines Erachtens ganz richtig darauf hingewiesen, daß wir den evangelischen Kirchen- körpern gegenüber in eine mißlihe Lage kommen würden indem wir eine ganze Reihe der segensreihen Entwicklungen, die in die evange- lishen Kirchenverfassungen aufgenommen sind, vollständig illuforisch me, damit aber die Lebensadern jener Kirchenkörper unterbinden roürden.

Meine Herren! Aus diesen Erwägungen werden Sie es natür- lih finden, daß ih den Auffassungen der Staatsregierung so Aus- druck gegeben habe, wie es zu Anfang meiner Ausführungen ge- schehen ift.

Damit würde meine Aufgabe erledigt sein, wenn in den viel- fachen Bemerkungen, welche der gechrte erste Herr Vorredner gemacht hat, ich nicht zwei Gedankenreihen gefunden hätte, auf die ich eine Er- widerung für nöthig halte. Die erfte betrifft den Versu, den An- trag, der heute zur Verhandlung kommt, in der Weise zu verwerthen, als ob er die Entschließungen der Staatsregierung beeinflußt habe. (Abg. Reicbensperger: es ist das direkte Gegentheil gesagt!) Ich habe mir notirt: die Stellung des Antrags wäre maßgebend gewesen für die Begnadigung des Bischofs. (Widerspruh.) Wenn das Gegen- theil dexr Fall it, [0 accoptire ‘0 das fehr gar. M fann aber unmittelbar daran anknüpfen: Der Zufall kam meinem Irrthum zu Hülfe, weil in der That die Begnadigungs8ordre des Bischofs von Limburg einen Tag später datirt i}, als der Antrag, welchen wir heute verhandeln. Dies führt mih dann unmittelbar auf die Bemerkungen, welche au die letzten beiden Herren Vorredner über die Begnadigungsfrage gemacht haben.

Die Entwickelung aller diefer Sachen ist in der That nicht, wie der Hr. Abg. Richter glaubt, in der prinzipiellen und schematischen Weise herbeizuführen, wie es einem außerhalb Stehenden möglich oder nothwendig erscheint. Als am 3. Dezember v. J. die Begna- digung des Bischofs von Limburg ausgesprochen wurde, geschah es in dem Augenblick, wo es feststand, daß das Bemühen, die Dispens- nachsuchung Seitens der Bischöfe zu vereiteln, definitiv als über- wunden anzusehen, wo es klar wurde, daß die vielfachen Anzeichen, daß man im Wege einer wohlwollenden Pcaxis zu einem Entgegen- fommen und zu befriedigenden Verhältnissen kommen werde, nicht ge- trogen hatten, und die Hoffnung auf eine fernere friedlihe Entwidcke- lung neue Nahrung erhielt. So sind wir weiter gegangen in dem Augenblick, als wir sahen, daß die verantrwoortlihen Vertreter der katholisben Kirche sh entschlossen hatten, die Hand, welche die Staatsregierung \chon unmittelbar nah Erlaß des Juligeseßes ent- gegengestreckt hatte, niht zurückzuweisen. Damit steht auch die Aufhebung der Sperre in Verbindung und wenn ich heute nicht von der Begnadigung des Bischofs von Münster reden kann, fo hängt das damit zusammen, daß der Begnadigungsantrag erst vor kurzer Zeit eingegangen ist und die Angelegenheit si heute in einem Stadium befindet, welches nah der staatsrechtlichen Lage es mir unmöglich mat, mich darüber aus- zusprehen. Dagegen weiß ich nicht, weshalb die Herren Abg. Richter und Dr. von Stablewski fich in Bezug auf die anderen beiden Erz- bischöfe so starker Bemerkungen gegen die Staatsregierung bedienten. Meine Herren! Diese Sache ist für die Staatsregierung längst erledigt. Das Begnadigungsgesuch der Kirchenvorstände des Erzbisthums Cöln ift bereits 1882 abgewiesen, und follte für den Erzbischof von Posen ein gleicher Antrag kommen, so würde er auch zurückgewiesen werden. Das ist für die Staatsregierung eine längst abgethanene Sache, in- sofern die Staatsregierung sich auh bei wiederholten Erwägungen klar geworden i}, daß die Rülkehr dieser Bischöfe nicht dem Interesse des Staates dienen würde. Eine solche Rülckkehr würde nicht dazu dienen, dem Frieden, den wir nicht von einem Jahre zum andern haben, sondern dem wir längere Dauer verschaffen wollen, förderlih zu sein. Es können ja Diejeni- gen, welche die kirhlihen Interessen unserer preußischen Katholiken zu vertreten haben, eine andere Meinung darüber haben ; fie werden f zu überlegen haben, ob die Konservirung der gegenwärtigen Zu- stände in Ansehung des Gesammtinteresses der katholischen Kirche wie des Spezialinteresses der Diözesen von Cöln und Posen förder- samer ist als ein Wesel in den Personen. Die Ents@ließung ift in dieser Beziehung abjolut frei, weder sind für den Fall der Ab- lehnung Nachtheile Seitens der Regierung in Ausficht gestellt, noch für den Fall des Entgegenkommens irgendwelche Vortheile ver- \sprochen. Also in dieser Beziehung hat die preußische Staatsregie- rung ihre Stellung genommen, und ih kann sagen, daß von den gegenwärtigen Staats-Ministern kein einziger, wenn an ihn die Frage herantreten sollte, eine Begnadigungsordre in Ansehung dieser beiden Erzbis{chöfe zu unterschreiben, seinen Siß innezubehalten ih ent- {ließen wird. y

Was die weiteren Bemerkungen in Ansehung der Verhandlungen

und darauf bingewiesen kak,

die Verhandlungen mit Rom daß nah den ihm zugegangenca Mittheilungen daselbst materielle Verhandlungen eingehender Natur nicht \ch{webten. Er mate weiter der preußishen Kegierung den Vorwurf, daß sie das Zustandekommen eines ersprießlihen Resultats dadur vereitle, daß fie möglichst viele Konzesfionen verlange, und er {loß dann diesen Theil seiner Ausführungen damit, daß er den Weg nah Rom als den allein heilsamen und zum Ziele führenden bezeichnete. Meine Herren! Jh weiß nicht, welce der Erklärungen, die von der Regie- rung im Laufe der lebten drei Jahre, in denen wir uns mit der Re- vision unserer kirchliden Gesezgebung beschäftigen, im Landtage ab- gegeben find, oder welcbe der font publizirten Staatsscriften zu einer fo irrthümliwen Auffassung Veranlaffung gegeben haben könnten. Vor zwei Jahren habe ich bereits an dieser Stelle, als wir in die Berathung der Novelle vom 31. Mai 1882 eintraten, erklärt und meines Erachtens in einer nicht mißzuverstehenden Weise, daß Ver- bandlungen mit der Absicht, daß ein Konkordat oder ein förmliches Uebereinkommen ges{chlofsen werden fönnte, nun und nimmermehr von der gegenwärtigen Staatsregierung geführt werden, daß wir aber sehr gern bei dem Bemühen, dur eine einseitige flaatlihe Gesetgebung die Verhältnifse des Staats zur katbolishen Kirche zu regeln, mit der Kurie in Fühlung bleiben wollen und wesentlich zu diesem Zwecke auch die dortige Gesandtschaft etablirt haben. Auch daria ist ein weiterer Irrthum zu konstatiren, als ob die preußische Re- gierung Konzessionen verlangt habe. Wir haben im Gegentbeil bier und anderweitig ftets erklärt, daß die gegenwärtige Stoaatêregierung ganz und voll ents{chlofsen ist, alles dasjenige, was ohne Schädigung staat- liher Interessen sowohl in der Verwaltung wie in der Gesetzgebung gewährr werden kann, den Katholiken Preußens zu geben, und wir überlassen es Denjenigen, welche sih mit den kirblihen Interessen unserer katholischen Mitbürger vom Standpunkt der Kirche zu be- schäftigen haben, ob sie es für ribtig halten, das, was der Staat bietet, einfa zu acceptiren und im Uebrigen eine abwartende Stellung zu nehmen, coder ob fie auch ihrerseits versu%ben, den Interessen ihrer katholischen Pflegebefohlenen entgegenzukommen und felbstthätig zur Beseitigung der Schwierigkeiten, die unsern Weg bedecken, zu helfen. Wir baben daber auf allen Gebieten der Verwaltung ih kann wohl sagen, ausnahmslos versubt, die Fäden, welche abgerissen waren, wieder anzuknüpfen, und so viel Schwierigkeiten sih au diesen Bemühungen entgegenstellen, so kann doch nicht verkannt wer- den wenn das natürlich auch in der Presse und im Parlament rit anerkannt werden wird daß wir aub auf sehr wichtigen Gebieten bereits ein erfreuliches Entgegenkommen finden und daß ohne aroßes Aufheben viele Uebelstände aus der Welt geschaft worden sind einfah dadurh, daß man darüber kTlar geworden ift, wo die wirklihen Bedürfnifse liegen, und diesen nah Möglichkeit im beiderseitigen wohlverstandenen Interesse, und ohne sih in ein kontradiktoris@es Verfahren einzulassen, eine praktische Abhülfe zu schaffen bemüht ist.

Wir haben deshalb auch den Muth gehabt, in das Gebiet der Gesetzgebung einzugreifen, und haben in mehreren Novellen eine ganze Reihe von sehr wichtigen Angelegenheiten organish geordnet, und es ist nicht ritig, wenn der Hr. Abg. Frhr. von Schorlemer-Alst befi der Betrachtung der Novellen sagte, für die Lösung der kir{lih prin- zipiellen Fragen sei bisher noch nichts ges{hehen. Das ift das direkte Gegentheil von dem, was hier bei Schaffung der neuesten Gesetze er- klärt und anerkannt worden ist. Wir haben im Gegentheil auf dem allerwichtigsten Gebiet, das wiederhole ih, auf dem Gebiet der Diözefanverwaltung und auf dem Gebiet der Seelsorge sehr wichtige organische Bestimmungen getroffen, und wenn dieselben noch nicht in vollem Maße durchgeführt worden sind, so ist das, wie die Herren anerkennen werden, nicht die Schuld der Staatsregierung.

Ich kann mit dieser Richtigstellung ckließen, meine Herren, i kann nur sagen: wenn Sie mit diesen Anträgen die Staatsregierung drängen, so wird Ihnen das nichts helfen. Jch kann vielleiht sogar hinzufügen, sie haben nit einmal die Wirkung auf die Staatsregierung, daß dieselbe si in ihren Entschließungen retardirend dieserhalb ver- halten wird. Aber der Beantwortung der Frage können Sie fi immer weniger entziehen, welbe unsere katholishen Mitbürger be- \cäftigt: ob man mit prinzipiellen Gegenansiürmen die Angelegenheit fördert, und ob es nicht räthlicher ift, der gegenwärtigen Staatsregic- rung ihr Fortschreiten zu erleichtern und thatsächlich entgegenzukommen. Die gegenwärtige Staatsregierung entzieht sih niht der Last, daß sie versuben muß, die Aufgabe zu erfüllen, welche ihr in Betreff der richtigen Grenzbestimmung zwishen Staats- und Religionsgebiet ge- stellt ist. Aber die gegenwärtige Staatsregierung ist nit so an- \pruch8voll und so ‘chrgeizig, anzunehmen, daß sie die leßte aller Staatsregierungen sein wird, der die Lösung dieser Aufgabe gebührt, und sie kann sih sehr wohl denken, daß es au nach ihr eine Staats- regierung geben wird, die einen großen Theil derjenigen Lasten, welche die gegenwärtige Regierung gern erleihtern würde, als eine unver- änderte Bürde üÜberkommen möchte.

Der Abg. Sack erklärte, im Namen derjenigen seiner Fraktionsgenossen, welche früher mit ihm gegen die Aufhebung dieser Versassungsartikel gestimmt hätten, wolle er noch einige kurze Bemerkungen machen. Die Aufhebung dieser Artikel sei das Thor gewesen, durch welches das Unglück der Maigeseßgebung über Preußen hereingebrochen sei. Mit dieser Aufhebung sei der Religionskampf ausgebrochen, der zwar niht mit Waffen geführt sei, aber unabsehbare Wirrsale angestiftet habe. Nun wolle er zugeben, daß der Zeitpunkt, den das Centrum für die Einbringung seines Antrags gewählt habe, kein günstiger sei insofern, als die Regierung sih bemüht zeige, die Härten der Maigeseßgebung zu mildern. Wenn man aber gerecht sein wolle, so müsse man anerkennen, daß Seitens der katho- lishen Kirche ein Friede niht eher gemacht werden könne, als bis die Bestimmungen über die Vorbildung der Geistlichen aufgehoben seien. Auch die evangelische Kirche habe ein gleiches Bedürfniß. Troßdem müsse er aber sagen, daß, wolle das Haus dem Antrage des Centrums zu- stimmen, ein unbeschreiblihes Chaos entstehen würde, nament- lich mit Beziehung auf die evangelische Kirhe, worauf der Abg. von Hammerstein mit Recht hingewiesen habe. Auch für den Staat gebe es ein non posse, und von dem Wege, den das Centrum jeßt vorshlage, wisse man, daß der Staat ihn nicht annehmen könne. Er halte deshalb dafür, daß nur auf dem Wege der Spezialgeseßgebung die Bestimmungen entfernt werden könnten, welche die Kirche shädigten. Das seien die Gedanken, mit denen seine Partei den Antrag auf eine motivirte Tagesordnung unterschrieben habe.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, man habe bei der heutigen Berathung erst die Ansicht gewinnen können, als ob die Diskussion des vorliegenden Antrages irgend welche

rakftishe Wirkung niht haben werde. Jn diesem Augenblick® ei dieser Anschein beseitigt. Der Antrag habe einen Blick in die Lage der Dinge gegeben, von dem er sagen müsse, daß er denselben nit so erwartet habe. Der Ton undFnhalt der Rede des Ministers sei eine solche gewesen, daß er fürhten müsse, man stehe im Beginn einer neuen Kampfes-Aera. Theoretisch habe der Minister sich um Nichts anderes gestellt, als es sein Vor= gänger, der Minister Falk, gethan habe, und nur praktisch eine mildere Handhabung in Aussiht gestellt, und er wisse niht, wie der Minister mit diesen kategorishen Erklärungen, die derselbe gegeben habe, diejenigen Geseße heute noch rechts fertigen könne, die inden Jahren 1880 u. f. ges{haffen seien. Der Antrag, wie derselbe gestellt sei, sei nicht etwa ein Scherz, wie der Abg. von Hammerstein andeuten zu wollen scheine ; derselbe sei das Produkt einer sehr ernster. und kühlen Ueber=z

mit Rom betrifft, so hat der Hr. Abg. Dr. Reichensperger seinen Antrag mit der Ausführung motivirt, daß er zurückgegangen ist auf

Dam n C A A M

legung. Dex Gang, der von der König!ichen Staatsregierung