1884 / 24 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

willkürlih. Sein des Redners Vorschlag gehe dahin: die Genossenschaften versichern die in ihren Betrieben beschäf- tigten Arbeiter bei Privatgesellshaften gegen die Unfallgefahr und legen nur die dafür zu entrihtende Prämie um. Durch eine solche Regelung würde auch jede Schädigung der bestehen- den Verjicherungsgesellshaften vermieden.

Der Regierungskommissar, Geheimer Regierungs-Rath Gamp tritt den Ausführungen des Vorredners entgegen und entwickelt die Gründe, welche für die Regierung bei An- nahme des Umlageverfahrens maßgebend gewesen seien. Der in den früheren Ausführungen des Hrn. Hagen liegende Vorwurf der Einführung unsolider Geschäftsprinzipien Jei unbegründet. Der bereits betonte öffentlich - ret- lide Charakter der Unfallversiherung bedinge den Auss{luß der Privatversiherung und die Uecber- tragung auf große Genoffenschaften, weil nur hierdurch die unbedingte und dauernde Sicherstellung der zu erfüllenden Verpflichtungen gewährleistet werde. Von den bestehenden Versicherungsgesellshasten könne um so weniger diese Sicher- stellung erwartet werden, als, soweit bekannt, keine derselben ein größeres Grundkapital als 3 Millionen Mark habe, welches überdies meist nur zum Theil baar eingezahlt sei. Auch zur Sicherung der Berufsgenossenshaften im Wege der Rückver- sicherung seien die Privatversicherungsgesellshasten absolut ohne Bedeutung; gegenüber den ungebeueren in der Industrie angelegten Kapitalien könnte die Rückversiherung bei solchen Privatgesellshasten das Risiko für die Genossenschaften nicht wesentlich alteriren.

Hr. von Tiele-Winkler glaubt, daß kein Reserve- kapital erforderlih sei, wie die Entwickelung der Knappschafts- kassen zeige, welche zudem sehr viel mehr geleistet haben, als die Unfallversicherung leisten solle.

Hr. Meyer bemerkt, es sei eine wcit verbreitete Meinung, daß der Entwurf auf nicht genügend soliden Grundlagen be- ruhe, und um dieser Anschauung gerecht zu werden, sei eine große Anzahl der Mitglieder dafür, einen Reservefonds zu bilden. Mit Rücksicht auf die Stellung des Volkswirthschafts- raths werde es genügen, einem Prinzip Ausdruck zu geben, und das bezwecke sein Antraa. Die Ausführung im Einzelnen Jei der Regierung zu überlassen.

Hr. Dr. Webs ky erklärt, sein Antrag unterscheide \ich von demjenigen des Hrn. Meyer nur dadur, daß er für die Höhe der zur Bildung des Reservefonds zu erheben- den Beiträge bestimmte Zahlen angebe. Er sei hierzu ver- anlaßt durch die Ausführung des Regierungskommissars. Nach dem Antrag des Hrn. Jansen würde sich nux ein Reservefonds von etwa 9 Millionen Mark ergeben, was zu wenig sei. Sein des Redners Vorschlag würde unter Zurechnung der auflaufenden Zinsen einen Fonds von etwa 22 Millionen Mark ergeben, ohne daß dabei von einer über- mäßigen Belastung der Jndustrie die Nede sein könne.

Der Regierungskommissar, Geheimer Regierungs - Rath Gamp, weist darauf hin, daß, falls die Mehrheit si für die Bildung eines Reservefonds entscheiden sollte, auch darüber ein Einverständniß erzielt werden müsse, wozu derselbe ver- wendet werden solle, insbesondere, ob er zum Ausgleich der verschiedenen Jahre dienen, oder lediglih für den Fall der Leistungsunfähigkeit der Genossenshaft Deckung bieten solle. Auch müsse eine Bestimmung getroffen werden, in welcher Weise und durch wen über die Verwendung des Fonds ent- schieden werden solle.

Hr. Dr. Jansen erwidert hierauf, daß die Verwaltung des Fonds der Genossenschaft überlassen werden müsse, daß sih aber darüber, wann derselbe zur Verwendung kommen

solle, im Voraus eine Entscheidung nicht treffen lasse, er solle dazu dienen, eventuell das Reich zu entlasten, wenn eine Ge- nossenschaft leistungsunfähig werde.

Hr. von Nathusius erklärt, daß er durch den Gang der Verhandlungen in seiner Ansicht über die Nothwendigkeit

der Bildung eines Reservefonds erschüttert worden. Außer- dem müsse man die Frage aufwerfen, wie es gehalten werden Jolle, wenn neue, zunächst von der Versicherungspflicht aus- geschlossene Betriebe, wie namentlih die Landwirthschaft, später zur Unfallversiherung herangezogen werden jollten. Die Schwierigkeiten, welche hierdurch entstehen würden, ver- anlaßten ihn den Redner dazu, gegen die Bildung eines Reservefonds und für das System der Vorlage zu stimmen.

Hr. Leyendecker erblickt den dunkelen Punkt in dem Umlageverfahren darin, daß eine ungerechte Belastung der Zukunft zu Gunsten der Gegenwart stattfinde. Gelinge es, einen Reservefonds zu schaffen, durch welchen diese Ungerech- tigkeit beseitigt werde, so werde er gern für denselben \tim- men. Das einzige Mittel, in dieser Nichtung wirksame Ab- hülfe zu gewähren, erblide ex in dem System der Auf- bringung der Deckungskapitalien und er bedauere sehr, daß dagegen eine fo große Abneigung bestehe. Die Besorgniß, daß dies System mit einer übermäßigen Belastung der JIn- dustrie verbunden sei, halte er nicht für begründet. Wohl aber habe es den großen Vorzug, daß in jedem Jahre die volle Deckung für die im Laufe desselben vorgekommenen Unfälle aufgebraht werde. Solle das Gesez auf gesunder Grundlage beruhen, so müsse dies Prinzip angenommen werden, welches auch die Bildung eines besonderen Neserve- fonds und die Staatsgarantie entbehrlih mache.

Hr. Baare tritt diesen Ausführungen entgegen. Ein Deckungskapital, aus dessen Zinsen, eventuell unter Zuhülfe- nahme des Kapitals, die Unfallrenten gezahlt werden follen, würde viele hundert Millionen Mark betragen, und so viel nußbares Kapital könne man der Jndustrie unmöglich ent- ziehen und brach legen. Wurde doch shon bedauert, daß ein Kapital von 40 Millionen Thalern, welches der Erwerbs- thätigkeit hätte dienen können, in den Zuliusthurm habe gelegt werden müssen, was allerdings für die Landesvertheidigung, wie er anerkennen müsse, erforderlich sei. Er hoffe zuversicht- lih, daß die Regierung an dem sowohl in der vorigen wie auch in der jeßigen Vorlage cufgestellten Grundsatz festhalten und nicht gewillt sein werde, in diesem Punkt nachzugeben, Er känne nicht glauben, daß in diesem Falle der Reichstag eine Vorlage, die das Umlagesystem enthalte, lediglih dieses Systems halber nochmals zum Scheitern bringen werde. Daß die Vertreter der Landwirthschaft das Umlagesystem billigen, sei ihm erfreulih. Redner bittet sließlih, die Negierungs- vorlage anzunehmen, eventuell aber seinen Antrag, den er in zweiter Linie empfehle, anzunehmen, eventuell in dritter Linie dein Antrag Fansen zuzustimmen. Ein einmaliges Opfer, wie es sein Antrag verheiße, könne jeder Jndustrielle tragen.

…_ Der Vorfißende, Staats - Minister von Boetticher, nimmt hierauf das Wort, um zunächst die Versammlung zu bitten, niht durch Nücksihten auf das spätere Schicksal des

Entwurfs in der Beurtheilung desselben fich leiten zu lassen. Fe objektiver und unabhängiger, desto werthvoller sei die Meinung des Volkswirthschafteraths, und je mehr diese In- stitution angefochten werde, desto mehr müsse sie bestrebt sein, lediglich gestüßt auf die an der Hand praktischer Erfahrungen gewonnenen Anschauungen ihr Urtheil über die an sie ge- brahten Vorlagen abzuaeben. Politishe und taktische Rück- sichten follten das Urtheil des Volkswirthschaftsraths nicht restimmen.

Wenn die Regierung, welche in ihrem ersten Entwurf das reine Versicherungsprinzip vorgeschlagen habe, hiervon abgegangen sei und nunmehr das Umlageverfahren für die Aufbringung des Jahresbedarfs in Aussiht nehme, so sei dies nach sehr sorgfältiger Erwägung aller Gründe für und gegen lediglich aus vorsihtiger Rücksihtnahme auf die nteressen der Industrie geschehen. Schon bei der Berathung des ersten Entwurfs im Reichstag sei darauf hingewie@a worden, daß man die einer Industrie aufzuerlegenden LasteWenicht zu hoh bemessen dürfe, wolle man nit ihre ExportfähWetit oder ihre Fähigkeit, mit gleihartigen Jndustrien anderelinder zu konkurriren, ge- fährden. Denn eine jede Bela R410 der Zndustrie wirke auf die Herstellungskosten und daminisf den Preis des Produkts nothwendig zurück, und eine ierwung des leßteren auch nur um Pfennige könne eine blüt# M Jndustrie dem Auslande gegenüber, welches zu einer {Relizn Preiserhöhung nicht ge- nöthigt sei, in der Konkurrenzfden zkeit schwähen. Als daher nach dem Scheitern des erstenm twurfs die Regierung vor der Frage’ gestanden, wie in M neuen Vorlage die Auf- bringung des Bedarfs zu regeln ?ci, habe man diese Fein- fühligkeit der Jadustrie gegen jede neue Belastung niht außer Acht lassen dürfen, und man könne nicht verkennen, daß die Last bei der einfachen jedesmaligen Aufbringung dessen, was in einem Jahr gebrauht werde, d. h. bei dem Umlagever- fahren, geringer sei als bei dem anderen Verfahren, in welchem nicht die Rente, sondern ein Vielfaches derselben, ein nach den Grundsäßen der Wahrscheinlichkeitsrehnung bemesse- nes Kapital, aufzubringen sei, und welches, wenn man richtig gerehnet habe, unter Zuhülfenahme der Zinsen mit dem Ableben des Rentenempsängers gerade aufgezehrt sein müsse. Nah Eintritt des Beharrungszustandes werde allerdings die Last eine gleihmäßige sein, aber bis zu diesem Zeitpunkt habe die Jndustrie bei dem Umlageverfah- ren weniger aufzubringen als bei der Ansammlung von Decungskapitalien, und gewöhne sih leihter an die Tragung einer doch zum bei Weitem größeren Theil neuen Last. Auch spare die Jndustrie ganz wesentli an Zinsen, da die Deckungs- kapitalien weniger Zinsen einbrächten, als die Jndustrie aus ihrem Betriebskapital mache. Das Gebiet der auf öffentli rehtliher Grundlage ruhenden Unfallversiherung fei ein völlig neues, auf welhen es an Erfahrungen fehle; man wisse niht, wie die Last wirken werde; und bei der {on oben berührten Feinfühligkeit der Jndustrie gegen neue Lasten habe man deshalb die anfangs kleinere Last wählen müssen. Ergebe sich demnächst, daß die Jndustrie stark genug sei, um auch die größere Last ohne Nachtheile übernehmen zu können, so werde man immer noch zu dem reinen DeEungskapital- prinzip übergehen, und zu dem Zweck das Geseß ändern können, wenn man auch dann noch aus theoretischen oder praktishen Gründen ein so großes Gewicht auf dieses System lege. Es seien also lediglih praktishe Rücksichten und der Wunsch gewesen, die in ihrer Gesammtwirkung unbekannte Last unserer Jndustrie nah Möglichkeit zu erleichtern, welche die Regierung bei der Wahl zwischen beiden Methoden ge- leitet hätten.

Veber die Nothwendigkeit des Reservefonds gingen die Ansichten wohl hauptsählich um deswillen so auseinander, weil man über die Größe und den Umfang der Versicherungs- genossenshaften verschiedener Meinung sei. Die Regierung wolle dieselben der Negel nah über das ganze Reich bilden, so daß sie eine möglichst große Zahl an Betrieben umfasse; derartige Genossenshasten würden nah menshliher Voraus- sicht unter allen Umständen leistungsfähig sein, und es sei deshalb ein Reservefonds, dessen Aufbringung ja wieder eine neue Belastung für die Jndustrie darstelle, entbehrlih. Wenn man für den ja nicht positiv unmöglichen Fall eintretender Leistungsunfähigkeit in der Vorlage doch Vorsorge getroffen, und ein Eintreten des Reichs für die Uebernahme der der bankerotten Genossenschast bisher erwahsenen Unfallrenten vorgeschen habe (während die fortbestehenden industriellen Betriebe des zahlungsunfähig gewordenen Verbandes anderen Genossenschaften zuzuweisen sein würden), so habe dies vor- zugsweise einen theoretishen Werth. Es sei deshalb auch nur von untergeordneter Bedeutung, ob der eventuelle Ga- rantiefaktor das Reich oder cine Verbindung fämmtlicher Genossenschaften sein solle: die Regierung habe sih für das erstere entschieden, weil sie es vorziehe, die bereits entstandenen Lasten einer leistungsunfähig gewordenen Genossenschaft dem Reich, dur dessen Geseßgebung die ganze Lage hervor- gerufen sei, zu übertragen und niht auf die immerhin schwächeren Schultern der Gesammtindustrie abzuwälzen.

Der Gesichtspunkt, daß die Genossenschaften in sich so stark und leistungsfähig sein müssen, daß sie ihre Pflichten für alle Zeiten erfüllen können und niemals leistungsunfähig wer- den, muß für die Bildung der Genossenschasten maßgebend jein. Wie groß die Zahl derselben sein werde, lasse sih nicht angeben. Man habe daran gedacht, für je eine der 15 Gruppen der Gewerbestatistik eine Genossenschaft zu bilden, habe hier- von aber zurüdckfkommen müssen, weil man dabei genöthigt sei, einander unsympathische Jndustriezweige zusammenzuwerfen und andere, die gern mit einander vereinigt sein möchten, zu trennen. Man habe sich deshalb dafür entschieden, zunächst ein freiwilliges Aneinanderscließen zu gestatten; die Industrie solle ihre Wünsche bezügli ihrer Gruppirung äußern. Dabei sei jedoh ein Regulirungsfaktor unentbehrlich, denn wolle man ledigli die freiwillige Bildung zulassen, so würden gewisse Betriebe vermuthlih überhaupt niht unterkommen können und andere Betriebe möchten innerhalb größerer JIndustrie- zweige so kleine Verbände bilden, daß sie für die Erfüllung threr Aufgaben und für ihre allzeitige Lebens- und Leistungs- fähigkeit, die, wie bereits ausgeführt sei, in erster Linie ge- fordert werden müsse, die nothwendige Bürgschaft vermissen ließen. Man sei daher gendthigt gewesen, zur Ausgleihung derartiger Jnkongruenzen eine Centralstelle mit Zwangsbefug- nissen hinzustellen, und dazu habe si der Bundesrath in erster Linie geeignet.

Hr. Rosenbaum dankt dem Vorsißenden für seine licht- vollen Darlegungen, glaubt aber doch, die Bildung eines Reservefonds nah dem Antrage Jansen empfehlen zu sollen. Eine solche Reserve werde nah dem gegenwärtigen Stande der Nationalökonomie für so unerläßlich gehalten, daß eine Ge-

seßesvorlage ohne dieselbe auf eine wohlwollende Aufnahme nicht rechnen könne. Ein Reservefonds von 8 bis 10 Millionen könne ohne zu große Last gebildet werden, wogegen allerdings die Aufbringung von Garantiekapitalien die Jndustrie zu {wer belasten würde; die Bildung des Reservefonds gleiche die Differenz einzelner Jahre aus und werde von der Jndustrie gewünscht, da sie die Heranbildung neuer Jndustriezweige er- leihtere. Man möge den Zweck des Reservefonds, der nichts weiter darstelle, als eine gewisse Sicherheit für unsichere Grund- lagen, nicht verkennen.

Hr. Heimendahl giebt zu, daß von der rihtigen Bil= dung der Genossenschaften die Solidität derselben abhänge, glaubt aber, daß auch bei der größten Solidität und dem größten Umfang der Genossenschaften eine Reserve hon um deswillen nothwendig sei, weil dieselben Verpflihtungen über- nehmen, Schulden machen und für diese ihren Gläubinern eine Unterlage bieten müssen, Auch in Frankreih und Eng- land habe man bei ähnlihen Organisationsversuhen der Jn- dustrie niht umhin fönnen, eine Reserve zu bilden. Ohne eine solhe Nücklage habe -das Geseg keine Aussiht auf An- nahme: wenn der Volkswirthshaftsrath auch seiner Aufgabe na politische und taktishe Nücksictten im Allgemeinen nit nehmen solle, so müssen seine Mitglieder als praktische Männer doch mit gegebenen Verhältnissen rechnen und darauf Bedacht nehmen, daß nicht wegen eines Widerstandes gegen herrschende und sicherlih niht unberehtigte Strömungen das Zustandekommen eines so segensreihen Geseßes gefährdet werde. Da komme es denn darauf an, den richtigen Weg für die Erfüllung solher Forderung zu suchen, und da sei die Bil- dung eines Reservefonds nah dem Antrage Meyer nach allen Richtungen zweckmäßig.

Hr. Graf Franfkenderg bleibt unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Vorsitzenden dabei stehen, daß sich die Bildung engerer Genossenschaften für kleinere Bezirke empfehle. Solche kleineren Verktände bedürfen aber, um ihre Leistungs- fähigkeit sicherzustellen, ciner Reserve oder der Bildung von Deckungskapitalien; sie ständen, weil sie aus einer Anzahl kleinerer Unternehmer sich zusammenseßen, anders als die Knappschastskassen in Oberschlesien, auf welche Hr. von Tiele sich berufen habe, hinter denen große Kapitalisten mit morali- scher Verpflichtung ständen, welche die Befürchtung vor etwai- gen Ausfällen durch ihr gewichtiges Eintreten leiht zurück- drängen. Reserven würden dazu dienen, daß die Genofssen- schaft in {weren Jahren mit Genehmigung des Bundesraths beschließen könne, statt Aufbringung des ganzen Jahresbedarfs den Reservefonds anzugreifen. Auch die Rücksicht auf leich- tere Umgestaltung der Genossenschaften und die RüCsicht auf die beschlossene Ausdehnung der Vorlage auf Baubetriebe nöthige zur Bildung von Reserven, weil ohne entsprechende Ueberweisung von Vermögen einzelne Betriebe mit den ihnen zur Last gefallenen Unfällen nicht wohl einer an- deren Genossenshast zugetheilt werden könnten, und weil Baubetriebde mit jedesmaliger Beendigung des Baues ausscheiden, und weil es bedenklich sei, wenn Unfälle bei dem Ausscheiden der Betriebe, in denen sie ent- standen seien, ohne Equivalent an andere Betriebe übertragen werden sollten. Gerade bei Genossenschaften für Baubetriebe aber müsse ein Wechsel in dem Bestande der Genossenschaften sehr oft eintreten. Beispielsweise könnten bei einem Tunnelbau, der ein oder zwei Jahre dauere, {were Unglücksfälle ein- treten, der Unternehmer stelle nah Zahlung von ein oder zwei Umlagen den Betrieb ein und die Last falle auf die ver- pflichtete Genossenschaft. Aehnliches gelte von den in kleinem Umfange, etwa von Landleuten, betriebenen Steinbrüchen ; Unfälle, die in denselben entständen, würden ohne Reserve- fonds bei dem Schluß solcher kleinen Betriebe nicht denjenigen zur Last fallen, in deren Betrieb sie entstanden seien, fondern denjenigen, welche neue Betriebe einrihten und alte hohe Ver- pflichtungen zu tragen hätten. Dieser Zustand entspreche in keiner Weise der Gerechtigkeit.

Der Vorsitzende, Staats-Minister von Boetticher, weist nochmals darauf hin, daß nit kleine, sondern große Ge- nossenschasten von der Regierung für zweckmäßig gehalten würden, und daß die Regierungsvertreter niht etwa für ein- zelne Ansichten plaidiren, sondern, wenn sie das Wort er- greifen, nur die Erwägungen darzulegen haben, von welchen die Regierung bei ihrer Entschließung sich habe leiten lassen.

Hx. von Velsen tritt für das Umlageverfahren ein und ist gegen die Ansammlung von Deckungs- und größerer Reservekapitalien. Kleine Reservekapitalien zur Ausgleichung großer Jahresdifferenzen möchten seiner Zeit die einzelnen Genossenschaften selbst beschließen und in guten Zeiten auf- bringen. Besorgnisse wegen der dauernden Leistungsfähigkeit der Genossenschaften könne er niht hegen, da dieselben öffent- liche Genossenschaften und niht wie im Elsaß private Ver- einigungen sein würden. Wohl aber habe er Bedenken, ob die Fndustrie, speziell der Bergbau, welcher hier am meisten in Frage stehe, heute auch nur die ihm angesonnenen Mehr- leistungen tragen könne. Auf den Bergbau falle nah seinen Ermittelungen fast die Hälfte der zu versichernden Unfälle, und derselbe gegenwärtig sei wenigstens niht in der Lage, noch große Lasten tragen zu können. Man solle also die Belastung so gering wie nur irgend angängig gestalten, zumal die bisher in Aussiht genommene Beihülfe des Reichs zu den Lasten der Unfallversiherung in Fortfall kommen werde. Schlimmstenfalls könne man später das Geseß ändern.

Hr. Deli us spricht sich gleichfalls für das Umlagever- fahren aus, welches die rationelle Verwerthung der industriellen Kraft ermögliche ; ebenso

Hr. Dietze, welcher gegen bie Ausführungen des Hrn. Grafen Frankenberg insbesondere noh geltend macht, daß Unternehmer von Bau- und ähnlichen Betrieben nah Beendi- gung eines Baues wohl ausnahmslos neue Bauten unter- nehmen, in der Genossenschaft also bleiben oder doch nach kurzer Zeit in dieselbe wieder eintreten würden. Die Auf- bringung von Reservekapitalien würde die Sache nur ver- theuern, und die Versicherung sei hon jeßt kostspielig genug,. wie sih daraus ergebe, daß er gegenwärtig, nahdem er die Arbeiter in seinen Fabriken gegen Unfall versichert habe, etwa 12 6 pro Jahr und Kopf seiner Arbeiter an Prämie bezahle, also dieselbe Summe, welche Hr. Leyendecker für die künf= tige Unfallversicherung so sehr hoh finde. Die Lasten der Unfallversiherung werde unsere Jndustrie in allen ihren Zweigen auch ohne Reserve- oder Dekungsfonds jederzeit tragen können.

Ein Antrag auf Sch{luß der Debatte wird angenommen. Es folgen persönlihe Bemerkungen der Herren Hessel, Hagen, Heimendahl, von Velsen, Baare.

Bei der Abstimmung wird die Frage, ob Deckungs- kapitalien aufgebracht werden sollen, mit allen gegen 3 Stim-

men, die Frage, ob ein Reservefonds gebildet werden solle, mit 25 gegen 23 Stimmen verneint; die a7 Kalle, Meyer, Jansen mit dem Unterantrag Dr. Websky und Baare sind hierdurch erledigt. Ziffer 6 Absatz 1 der Vor- lage wird hierauf angenommen, ebenso Absaÿ 2 derselben, nachdem der Antrag Hagen mit allen gegen 2 Stimmen ah- gelehnt ift. | ;

Von den Herren Baare, Jansen und Delius wird folgende Erklärung zu Nr. 6 überreiht und auf Wunsch dem Protokoll einverleibt : j

Mit Rücksiht auf den Umstand, daß die Gemeinden dur die geseßlih eingeführte Unfallversicherung der Arbeiter entlastet werden, und daß durch dieselbe ein dem Staate und der Gesellshaft im Allgemeinen zu Gute kommender Zweck erreiht werden soll, es demgemäß mit dem geltenden Recht niht in Einklang steht, die zur Erreichung dieses Zweckes erforderlihen Lasten einem Stande allein aufzu- bürden, halten wir daran fest wie es die Reichsregierung auch bisher gethan hat daß das Reich verpflichtet werden sollte, einen Theil der Beiträge zu übernehmen.

Da wir jedoch nah den bisherigen Vorgängen im Volks3wirthschaftêrath fowehl wie im Reichstag annehmen dürfen, daß der Neihszushuß nit bewilligt werden wird, so verzihten wir darauf, einen dahingehenden Antrag zu tellen.

f Zum Abschnitt IT „Bildung der Berufsgenofsenschaften“ wird zunächst dem Herrn Referenten der Komniission das Wort ertheilt, welcher ausführt: Die Bestimmungen über die Bildung und Verwaltung der Berufsgenossenschaften seien in der Kommission sehr eingeh:nd erörtert worden, dabei sei allseitig der Grundgedanke derselben, der freien Jnitiative und Entschließung der Betheiligten sowohl bei der Vildung wie bei der Verwaltung der Berufsgenossenschasten den mögli@st weitesten Spielraum zu lassen, mit voller Sympathie und An- erkennung begrüßt worden. Ebenso sei allseitig die berufs- genossenschastlihe Gliederung der Träger der Unfallver- sicherung als ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der früheren Vorlage, deren Grundlage die Gefahrenklassen bildeten und nah der demgemäß die ungleichartigsten Fndustriezweige der gleihen Genofsenshast angehören mußten, anerkannt worden. Die Kommission sei aber der Ansicht gewesen, es würden freie Genossenschaften in der Regel nur im Anschluß an die bestehenden wirthschaftlihen Vereine zu Stande kommen, es sei auch das Bedenken ausgesprochen worden, ob die Bildung der VBerufsgenossen)chaften, wenn dieselbe der freien Jnitiative allein überlassen würde, niht zu sehr ver- zögert werde und außerdem die Gefahr entstehen möchte, daß einzelne kleinere Fndustriezweige von der Aufnahme in Berufs- genossenschaften ausgeschlossen würden. Zur Beseitigung t ieser Bedenken sei es für zweämäßig gehalten, dem Bundesrath die Bildung der Berufsgenossenschaften nah Anhörung der Betheiligten, insbesondere von Vertretern der freien wirth- schaftlihen Genossenschaften, zu übertragen.

Außerdem sei von mehreren Seiten die Nothwendigkeit betont worden, die Organisation der Berufsgenossenschaften von unten aufzubauen, dergestalt, daß von kleineren lokal ab- gegrenzten Verbänden Vertreter gewählt würden, welche ihrer- seits. über die Bildung und Organisation der Genossenschaft zu beschließen hätten, da Generalversammlungen sämmtlicher Berufsgenossen ein zu s{hwerfälliger Apparat seien.

Hiergegen hatte der Herr Negierungskommissar, Geheimer Regierungs-Rath Gamp den Standpunkt der Vorlage erörtert und dargelegt, wie die Bestimmungen derselben von dem größten Vertrauen zu der Jnduftrie getragen seien, indem sie dieser die möglihste Freiheit der Entschließung und Bewegung und auch den gewünschten Aufbau der Organisation durhaus gestatteten, daß es sih jedoch nicht empfehlen möhte, im Gesetz diese Freiheit zu beshränken und eine bestimmte Organisation vorzuschreiben, da die Verhältnisse einzelner Berufsgenossen- schaften doch eine Abweihung von derselben als zweckmäßig erscheinen lassen könnten. Die Befürchtung, daß die Berufs- genossenshaften nicht rechtzeitig zu Stande kommen würden, könnte deshalb niht gehegt werden, weil im Gesetz eine Frist festgeseßt sei, nah deren Ablauf die Bildung der Genossen- schaften auf den Bundesrath überginge. Gleichwohl könnten die Vortheile, die es biete, wenn ein allgemeiner Organisa- tionsplan unter Mitwirkung der Futeressenten und insbesondere der Vertreter der freien wirthschaftlihen Vereinigungen aufge- stellt würde, niht verkannt werden.

Nach ausführlicher Erörterung der die Bildung und Organisation der Berufsgenossenschaften betreffenden Fragen sei {ließlich von der Kommission die von Hrn. Heimen - dahl eingebrachte Resolution: L

Der E ist der Ansiht, daß der Organisationsplan für die Bildung der Berufsgenossen- schaften und Sektionen im Reich schon jeßt dur die Reihs- regierung unter Anhörung von Jnteressenten, insbesondere der im Reich bereits bestehenden gewerblichen und wirth- schaftlichen Vereinigungen, festgestellt werde,

mit großer Majorität angenommen. Das Plenum besqließt demgemäß und nimmt Nr. 7 der Vorlage unverändert an.

ZU Nr. 8 derselben haben die Herren Springmann und Dr. Grüneberg folgenden Antrag eingebrat :

Die in dem Entwurf projektirten Beru fsgenossen-

schaften sind nur für solhe Betriebe ins Auge zu fassen,

welche entweder selbständige Betriebskrankenkassen errichtet haben oder zu vereinigten Fabrikkrankenkassen zusammen getreten sind, s

Alle anderen Betriebe, deren Arbeiter ihre Kranken- versicherung in den Orts frankenkassen finden, werden zu Ort s genossenschaften vereinigt, deren Risiken wieder durch größere Verbände sih vertheilen lassen.

Die Organisation sowohl der Ortsgenossenshaften wie der größeren Verbände findet unter vollster Wahrung des Selbstverwaltungsprinzips statt. i

Hr. Springmann begründet denselben kurz mit dem Hinweis auf die großen Schwierigkeiten, welche die Bildung der Genossenschasten insbesondere in solchen Jndustriezweigen finden werde, in denen eine große Anzahl kleiner Betriebe seien, z. B. in der Kleineisenindustrie, und erklärt, es sei nur beabsichtigt, auf diese Schwierigkeiten aufmerksam zu machen und Anregung zu geben, deren Ueberwindung etwa auf die Un Antrage vorgesehene Weise zu versuchen,

Nach kurzer Ausführung des Referenten Hrn. Kalle, daß die freie Kommission diejen Antrag abgelehnt habe, weil derselbe zu einer Dur(hbrechung der Berufsorganisation führe, wird der Antrag abgelehnt, und Nr. 8 der Vorlage an - genommen.

ZU Nr. 9 liegt folgender Antrag des Hrn, Ka de vor:

im zweiten Saße statt:

in der ersten Generalversammlung hat jeder Unter- nehmer oder Vertreter eines Betriebes, „in welchem niht mehr. als 20 Personen beschäftigt werden, eine Stimme“ u. \. 7. zu sagen: E „in welhem mehx als 20 Personen beschäftigt werden, eine Stimme 2c.“ und einen Zusaß anzunehmen: Betriebe, in welhen 20 oder weniger Personen be- schäftigt werden, sollen zu Kollektiv-:Wahlverbänden zusammengelegt werden. L Der Antrag wird nah kurzer Befürwortung dur den Antragsteller abgelehnt; die Nr. 9 bis 19 der Vorlage da- gegen werden ohne weitere Diskussion angenommen, ebenso demnächst ein Antrag vuf Vertagung. Der Vorsizende beraumt die nächste Sißung auf Sonnabend, den 26 Januar, Nachmittags 1 Uhr an; vorher wird um 1/10 Uhr die freie Kommission wiederum zusammentreten. Hierauf wird die Sißung um 4 Uhr Nach- mittags geschlossen. Festgestellt in der Sißung vom 26. Januar 1884. von Boettiher. Hopf. von Woedtke.

Zusammenstellung der Beschlüsse des Volkswirthschaftsraths zu den Grundzügen für den Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversiherung der Arbeiter. (Abschnitte 1, IL U, V, V)

(Die Aenderungen der Regierungsvorlage sind dur gesperrten Druck kenntlich gemacht.) Beschlüsse des Volkswirthsschaftsraths. I. Allgemeine Bestimmungen.

Um”raug der BetitcGerun g:

1) Die Unfallversicherung erstreckt sih auf alle in Berg- werken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüchen, Gräbe- reien (Gruben), Fabriken, Hüttenwerken, gewerbsmäßigen Baubetrieben, in Bauhöfen und an Bauten be- \chäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten, auf leßtere jedoh nur, sofern ihr Arbeitsverdienst 2000 H nicht übersteiat.

Betriebsbeamte mit einem 2000 4 übersteigenden Arbeits- verdienst können auf Grund statutarisher Bestimmung (Ziffer 12) gegen Unfälle versichert werden.

(Ueber den zweiten Saß dieses Absaÿyes ist die Beshluß- fassung ausgesetzt.) -

Als Fabriken gelten insbesondere diejenigen Betriebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerbsmäßig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zweck entweder Dampfkessel oder durch elementare Kraft bewegte Triebwerke Verwendung finden oder ohne eine solche mindestens zehn zu versicernde Personen regelmäßig beshäf- tigt werden.

Welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Geseßes anzusehen sind, entscheidet das Reichs-Versicherungs- amt (Ziffer 44). E

Auf Eisenbahn- und Shiffahrtsbetriebe finden die Bestimmungen dieses Gesezes nuL dann Anwendung, wenn sie als integrirende Be- standtheile eines der vorbezeichneten Betriebe lediglich für diesen bestimmt sind.

Für Betriebe, welhe mit einer Unfallgefahr nit ver- bunden sind, kann durch Beschluß des Bundesraths die Vex- sicherungspfliht ausgeschlossen werden.

e

Die Königliche Staatsregierung wird gebeten, in Erwägung zu ziehen, inwiefern für die unter 8. 1 des Haftpflihtgeseßes vom 7. Juni 1871 fal- lenden Eisenbahnbetriebe eine Erweiterung der Entschädigungspfliht im Sinne der dem Volks- wirthschaftsrath vorliegenden „Grundzüge zu einem Unfallversiherungsgeseße der Arbeiter“ sich empfiehlt und wie dieselde eventuell zu ge- stalten ift. :

Gegenstand der Versiherung und Umfang der Entschädigung.

3) Gegenstand der Versicherung is der nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen zu bemessende Ersaß des Schadens, welcher durch eine Körperverlezung oder dur Tödtung entsteht.

Der Schadensersaßz besteht

a, im Falle der Verleßung:

1) in den Kosten des Heilverfahrens vom Beginn der 14, Woche nah Eintritt des Unfalls ab:

2) in einer bei völliger Erwerb8unfähigfkeit 662/, Prozent, bei theilweiser Erwerbsunfähigkeit höchstens 50 Prozent des durhschnittlihen Arbeitsverdienstes betragenden «ahresrente, wobei der 4 #4 täglih überst-igende Betrag nur mit einem Drittheil zur Anrehnung kommt ;

b, im Falle der Tödtung: : i

1) in einem Pauschquantum zum Ersaß der Beerdi- gungskosten. Dasselbe besteht in dem Zwanzigfachen des durscnittlihen täglihen Arbeitsverdienstes ; in der Gewährung einer Jahresrente von 20 Prozent des durhschnittlichen Arbeitsverdienstes des Ver- storbenen an die Wittwe und von 10 Prozent an jedes hinterbliebene Kind bis zum zurückgelegten 15. Lebens- jahre, bezw. von 15 Prozent, wenn das Kind au mutterlos ist, wobei jedoch die Renten zusammen 50 Feu des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen dürfen ; in der Gewährung einer Jahresrente b is zu 20 Prozent des Arbeitsverdienstes des Verstorbenen an bedürstige Ascendenten, wenn solhe nahweislih auch vorher von dem Verunglückten haupt- jächlich unterstüßt worden sind.

Jm Falle ihrer Wiederverheirathung erhält die Wittwe den dreifachen Betrag ihrer Jahresrente als Abfindung.

Als Arbeitsverdienst gilt der vom Verleßten während des leßten Jahres bezogene Lohn mit der Maßgabe, daß bei Fest- seßung der Entschädigung der von der höheren Verwaltungs- behörde nah Anhörung der Gemeindebehörde für die Arbeiter- klasse, welcher der Beshädigte angehört, ermittelte durchschnitt- liche Tagelohn zu Grunde zu legen is, falls dieser den Be- trag des von dem Beschädigten bezogenen durchschnittlihen Tagelohns übersteigt.

In gleicher Weise if dieser von der höheren Verwal- tungsbehörde festgeseßte Tagelohn der Entschädigung zu Grunde zu legen, wenn dec Verleßte in dem Betriebe nicht ein volles Jahr, von dem Unfall zurückgerehnet, beshäf- tigt war.

Bei Personen, welhe wegen noch nit beendigter Aus- bildung keinen oder einen geringeren Lohn beziehen, gilt als «Fahresverdienst das Dreihundertfahe des von der höheren Verwaltungsbehörde nah Anhörung der Gemeindebehörde festzuscbenden ortsüblihen Tagelohns gewöhnliher Tage- arbeiter.

Dem Verleßten steht ein Anspruch auf Entschädigung nit zu, wenn er den Unfall vorsäßlich herbeigeführt hat.

Zu Ziffer 7. Nef olution

Der Volkswirthschaftsrath ist der Ansicht, daß der Organisationsplan für die Bildung der Be- rufsgenossenshaften und Sektionen im Reih schon jeßt durch die Reichsregierung unter An- hörung von Fnteressenten, insbesondere der im Reich bereits bestehenden gewerblichen und wirth- schaftlichen Vereinigungen, hergestellt werde.

V, Ausschüsse und Schiedsgerichte. Aus\chüsfe.

23) Zum Zweck der Wahl von Beisizern zum Schieds- geriht (Ziffer 26), der Mitwirkung bei der Untersuchung von Unfällen (Ziffer 29) und der Begutachtung der zur Verhütung von Unfällen zu erlassenden Vorschriften (Ziffer 42), wird für jede Genossenschaft und, sofern die Genossenschast in Sek- tionen getheilt ift, für jede Sektion ein Aus schuß errichtet, welcher zur Hälfte aus Arbeitgebern, zur Hälfte aus Arbeitnehmern besteht.

Die Vermehrung der Aus\{chüsse kann auf Antrag der Interessenten durch Beshluß des Bundesraths angeordnet werden.

24) Der Au s\chuߧ besieht zur Hälfte aus Vertretern derjenigen Orts- und Fabrifkrankenkassen, sowie derjenigen Knappschaftskassen, welchen die in den Betrieben der Genofsen- schaftsmitglieder beschäftigten versicherten Personen angehören, zur anderen Hälfte aus von dem Genossenschaft s- bezw. Sektionsvorstande aus der Zahl der der Ge- nossenschaft bezw. Sektion angehörigen Betrieb s- unternehmer gewählten Mitgliedern.

Die Wahl der Mitglieder des Arbeiterstandes erfolgt dur die Vorstände der bezeihneten Kassen unter Aus- {luß der denselben angehörenden Vertreter der Arbeitgeber.

Das Reichs: Versiherungsamt oder, sofern die Genofsen- schast in Sektionen getheilt ist, die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk die Scktion ihren Siß hat, bestimmt mittelst eines Regulativs die Anzahl der Mitglieder und deren Stellvertreter, sowie deren Vertheilung auf örtlih oder nah Jnduftriezweigen abzugrenzende Theile der Genossenschaft oder Sektion. Fn dem Falle der Ziffer 23 Absay 2 bestimmt der Bundesrath die höhere Verwaltungsbehörde, welche das Negulativ zu erlassen hat.

Die Ausschußmitglieder erhalten aus der Genofsenshaft3- kasse Ersay für nothwendige baare Auslagen, die Arbeiter außerdem für entgangenen Arbeitsverdienst.

25) Durch das in Ziffer 24 bezeichnete Regulativ kann der Aus\chuߧ nach örtliher Begrenzung und nah Jndustrie- zweigen in Sektionen getheilt werden.

Die Ausschüsse und deren Sektionen wählen ihren Vor- sißenden aus der Mitte ihrer Mitglieder durch geheime Abstimmung. Sie fassen ihre Beschlüsse unter Leitung des Vorsizenden nah Stimmenmehrheit.

Die näheren Vorschristen über die Wahl und Geschäfts- führung der Ausschüsse werden im Uebrigen durh das Regu- lativ bestimmt, welches so lange in Kraft bleibt, bis Aende- rungen desselben vom Ausschusse beschlossen und von dem Reichs-Versicherungsamt bezw. der höheren Verwaltungsbehörde (Ziffer 24 Absay 3) genehmigt werden.

Schiedsgerichte.

26) Für jeden Bezirk, für welchen ein Aus\chuß gebildet ist (Ziffer 23), wird ein Schiedsgericht errichtet.

Jedes Schiedsgericht besteht aus einem ständigen Vor- sißenden und aus vier Beisizern.

Der Vorsißende und ein Stellvertreter desselben werden aus der Zahl der öffentlichen Beamten von dexr Centralbehörde des Landes, in welchem der Siß des Schied2gerichts belegen ist, ernannt.

Zwei Beisißer und vier Stellvertreter derselben werden von der Genossenschaft, oder sofern die Genofenschaft in Sek- tionen getheilt ist, von der betheiligten Sektion aus den nicht dem Vorstande der Genossenschaft oder dem Vorstande der Sektion angehörenden stimmberechtigten Mitgliedern der Ge- nossenschaft gewählt.

Die anderen beiden Beisißer nebs| vier Stellvertretern werden von den im Ausschusse (Ziffer 23) vertrete- nen Arbeitnehmern aus der Zahl der Versicherten ge- wählt. Die Wahl der Beisißer und Stellvertreter erfolgt auf vier Jahre. /

Die Wahl der von den Versicherten zu wählenden Bei- sißer und Stellvertreter ist durch das nach Vorschrift der Ziffer 24 zu erlassende Regulativ zu regeln. Die Mitglie- der des Schiedsgerichts erhalten aus der Genossenschasts- fasse Ersaß für die durch ihre schiedsrihterlihen Obliegen- heiten ihnen erwahsenden baaren Auslagen, die Arbeiter außerdem Ersatz für den entgangenen Arbeitsverdienst.

Ziffer 27 unverändert,

Entscheidung der Vorstände.

30) Die Feststellung der Entschädigungen für die durch Unfall verleßten Versicherten und sür die Hinterbliebenen der durch Unfall getödteten Versicherten erfolgt

A. sofern die Genossenschaft in Sektionen eingetheilt ift, durch die Vorstände der Sektionen, wenn es sih handelt

a, um den Ersatz der Kosten des Heilverfahrens,

b, um die für die Dauer einer voraussihtlih vorüber- gehenden Erwerbsunsähigkeit zu gewährende Rente,

c. um den Ersaß der Beerdigungskosten ;

B. in allen übrigen Fällen durch die Vorstände der Ge- nofsenschaften.

Das Genosfsenschastsstatut kann bestimmen, daß die Fest- stellung der Entschädigungen durch besondere Ausschüsse der Vorstände der Genossenschaften bezw. der Sektionen oder durch sonstige Beauftragte derselben (Vertrauensmänner) zu bewirken ift,

Vor der Feststellung der Entschädigung ist den Be- theiligten Gelegenheit zu geben, binnen achttägiger Frist sich über die Unterlagen, auf welche dieselbe gegründet werden soll, zu äußern.