1884 / 25 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Paris, 29. Januar. (W. T. B.) Durch Ministerialent- T@ließung von gestern ift der Zinsfuß für Schaßbons, S Brtatotermin ein Jahr nicht übersteigt, auf 2 °%/ festgesetzt

orden.

Verkehrs-Anstalten.

___ In Folge der heftigen Stürme der leßten Woche sind na den eingegangenen Meldungen die Telegraphenleitungen in Eng- land, Frankreich und Belgien an vielen Orten betriebsunfäbig geworden. Der Telegraphenverkehr zwischen England und Belgien ift gerade auf den Landlinien (beide Länder besißen noch keine unter- irdischen Linien) erheblich beeinträchzigt und zeitweise ganz unter- brocben gewesen. In Deutschland find die ober irdischen Telegraphen- linien zwar au stellenweise beschädiat worden, do ist der Verkehr auf allen großen Verbindungsélinien im Reiché-Postgebiet garz unge- itôört aufrecht erhalten worden, weil die vorhandenen unterirdischen Kabel in umfassendstem Maße in Gebrauch genommen und auch zum Ersate gestörter oberirdischer Leitungen verwendet werder konnten.

New-York, 28. Januar. (W. T. B.) Der National- Dampfer e VEance“ der C. Messingschen Linie, welcher am 25. v. M mit gebrocbenem Schaft nach Halifax einges{hleppt worden war, ift na daselbst vollendeter Reparatur her angekommen.

Hamburg, 29. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Mristia der Hamburg-Amerikanisben Padcetfahrt- AktiengesellschGaft ift, von New-York kommend, heute Mittags 12 Uhr auf der Elbe eingetroffen.

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Verkin, 29. Januar 1884.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.) M 4 E Ta aat 2

aub troß der in dem Motiv der Beleuchtung festgehaltenen reli- giöfen Stimmung ein gewisser kühler, rationaliftiswer Zug an, so bleibt es doch immerhin eine der ernstesten und gewifsenhaftesten Leistungen seiner Art und doppelte Anerkennung verdient es als Be- weis einer seltenen Frise und Rüstigkeit des jeßt im siebzigsten Lebensjahr stehenden Meisters.

__ Von Gustav Hellqgvist bietet die Auéstellung das bereits in Müncen gesehene Bild der 1524 zu Upsala im Beisein von Gustav Wasa stattgehabten Disputation zwischen dem katbolisden Kanonikus Peter Galle und Olaus Petri, dem Schüler und Anhänger Luthers. Der Vorgang, der den bekanntli aus Schweden gebürtigen Künstler be- geisterte, liegt dem deutsben Publikum zu fern, um durch si selber unmittelbar zu interessiren. Jn den charaktervoll aufgefaßten, markig aezeichneten Gestalten, die den weiten gewölbten Kirchenraum in trefliÞd diéponirter und dabei vollkommen frei und zwanglos wirkender Gruppirung füllen, entfaltet \sich jedoch ein troßdem lebeudig fesselntes Bild von überzeugend echtem und wahrem Gepräge und von meisterlichß getrof- fenem Lokalton. Die Argitektur mit ihrem farbigen Schmuck, das Kostüm und Geräth, und vor Allem die Menschen selber in Haltung und Gebahren beweisen eine weit über das Gewöhnliche hinausgehende Fähigkeit, die Erscheinung einer vergangenen Zeit malerish neu erstehen zu lassen. Dieser Gestaltungskraft aber und der gesclofsenen Gesammthalturg. die bei dem Künstler trotz aller Farbigkeit im Einzelnen neuerdings leider mehr und mehr zu einem trüben, {wärzlichen Grundton neigt, gesellt si der wohlthuende Ein- druck einer durchaus selbständig entwickelten individuellen Eigenart. Nicht in demselben Maße ist dies der Fall bei einer idealen Kom- position von Hans Sandreuter in Florenz, einer Gruppe lustiger Mäâdcen auf tiefgrünem Wiesengrunde unter lihtwolkigem blauen Himmel, die den auf der Hirtenflôte spielenden und dazu tanzenden Pan Felachen. Die humoristishe Erfindung sowohl wie die Charakteristik und Zeichnung der Figuren beweist ein unleugbares Talent ; in jetnem ganzen Stimmungsagehalt aber wirkt das Bild wie eine Reproduktion der Kunftweise Böklins, den es in_der Behand-

Infanteristen auf dem meifterhaften Bilde Röchlings vortrefflich kleidet und einen jeden von ibnen zu einem prächtigen Repräsentan- ten seiner Gattung ftempelt. Auf verwandte Bahnen lenkt in seinen neuesten Bildern, so sehr sie als Schilderungen italienischen Volks- lebens dem Gegenstand nah abweicben, auch Treidler ein. Jede ECrinneruna an die ursprünglide Schradershe Schule und an die späteren Münchener Einflüsse {eint in ihnen dur das Stu- dium moderner italienisher Meister und ihrer Art, die Dinge in Licht und Luft zu schen, vollständig ausgetilgt. Eine Scene „aus Ischia“, eine Gruppe von vier Frauen, die sih auf sonnenbeleuchteter Gartenterrasse über das von einem lebenslustigen Kavalier in eleganter Sommertradt mit komisher Grandezza vorgetragene und auf der Guitarre begleitete Lied und zuglei über den Sänger selber höchlichst amüsiren, ift in der plastisben Modellirung der Gestalten, in der Charakteristif derselben und in der Wabrheit und Energie des Tons eine über frühere Arbeiten weit hinausragende, ungewöhnlih tüch- tige Leistung des Malers.

__ Durch dasselbe echt moderne, von aller konventionellen Ueber- lieferung völlig freie Gepräge, durch die breite und sichere, flächen- hafte Behandlung und durch den klar und liht gestimmten Ton, der deutlichß das Studium der heutigen französishen Malerei verräth, zeichnet sib endlid noch cin „Abschied im Manöver“ aus, den auf einem trcffliben Bilde von G. Koch zwei preußische Kuirassiere am Eingang eines Bauerngehöftes von ihrer bisherigen Wirthin oder deren Stellvertreterin nehmen Von dcmselben Meister aber sind auß:rdem die prächtig - erfundenen Oelskizzen zu einem für einen Speisesaal ausgeführten Jagdfries ausgestellt, der als eine der glücklihsten Schöpfungen dekorativer Kunst Beach- tung fordert. Ein Treiben auf Hirsche, cine Jagd auf eben durc- brehende Saue, cin feuriger Parforceritt mit seinen Zufällen, einc Gruppe zur Jagd antretender Schüßen von zum Theil fra gwürdiger Gestalt und eine Jagd auf Geflügel im Boot auf abendlih däm- merndem Teich geben die Motive der im Figürlichen und Landschaft- lien mit gleiher Meisterschaft komponirten, durch lebensvollste

Frische der Bewegung und durch _fräftigen Humor. .vor-allem--gber

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(E TOPR E T I Em ne Gn n j, pes T D TEPSEERAIO E MEA PIIIS

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 29, Januar. Das Protokoll der dritten Sißung des Volkswirthschafstsraths

utet: is Berlin, den 24. Januar 1884. Die Sißung wird von dem Vorsißenden, Staats-Minister von Boetticher, um 1 Uhr eröffnet. Als Kommissarien der Regierung sind anwesend: Seitens des Reichsamts des Jnnern : Direktor Bosse und die Geheimen Regierungs-Näthe Bödikerx und Gamp, Seitens des Ministeriums für Landwirthschaft, Domänen und Forsten : der Geheime Regierungs-Rath Freytag. Das Protokoll der leßten Sißung liegt zur Einsicht auf. Außer den dauernd bezw. auf längere Zeit Entschuldigten find für die heutige Sißung entschuldigt : die Herren Dietze, Kiepert und Sartori.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger. M 2D

Berlin, Dienstag, den 29. Januar

Er könne die Befürhtung, daß eine solche Bestimmung niht durchführbar sei, keineswegs theilen.

Hr. Frhr. von Hammerstein steht dem Antrage Webs ky sympathish gegenüber. Er stehe auf dem Boden der möglichst weiten Ausdehnung des G:seßes. Aus diesem Grunde stimme er au dem Antrage Frankenberg bei und bedauere nur, daß derselbe sich nur auf die Betrietsgunter- nehmer mit einem Einkommen unter 2000 #4 erstrecke.

Regierungskommissar, Direktor im Neichsamt des Jnnern Bosse erklärt, daß die Regierung das Wohlwcllen gegen den kleinen Betriebsunternehmer theile.

Jhre Einschiebung in die Vorlage würde aber eine voll- ständige Umarbeitung des Entwurfs zur Folge haben müssen und sei dermalen unthunlih. Es sei für das Zustandekommen des Gesetzes absolut nöthig, sich in dieser Hinsicht streng an den Rahmen des Entwurfs zu halten, Eine Ausdehnung der Vorlage auf Betriebe, auf welche die Berufsgenossenschasten niht paßten, würde das ganze Geseß im Reichstag gewiß zu Fil bringen Den-Wünfchei--guf-Audetinttg Unfal

—DUI- T:

Det —der-—Yetite tortecfeßzten—Ziehung —der—+.—Ktaffe 169. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen :

1 Gewinn von 30 000 # auf Nr. 7844.

1 Gewinn von 15 000 4 auf Nr. 5956.

7 Gewinne von 6000 46 auf Nr. 16 282. 17 518. 39 557. 64 254. 64 398. 80 699. 85 163.

40 Gewinne von 3000 6 auf Nr. 5112. 6097, 8836. 9108. 9473. 9915. 10610. 12174. 17746. 22614. 24 206. 20 190. 26135, 28367, 28679. 29464. 35947. 37054. 37 564. 39 663. 49508. 50 296. 51 200. 51353. 52 362. 96 641. 62873. 69237. 69329. 76 253. 81045. 81 148. z ar 84 097. 86824. 87 003. 88134. 88243. 91 707.

4 .

49 Gewinne von 1500 4/6 auf Nr. 388. 3161. 3679. 6288. 6808. 7006. 7152. 9233. 9432. 10 218. 10 704. 11 753. 12618. 16762. 24818. 31706. 32883. 33465. 34169. 35169, 35463. 35769. 39691. 43375. 45341. 46818. 48 591. 48597. 050.795, 54121. 55131. 356604. 36 923. 59 072. 62482. 64944. 66661. 70135. 73 267. 76 145. A D. (10/0. 78107, 9908, 84965. 91297. 91670 S D. A (Ds,

73 Gewinne von 550 A auf Nr. 878. 2002. 4166. 4523. 4727. 6499. 6857. 7147. 7300. 7693. 8847. 10179. O 12116. 13284. 14618. 15721 19330. 19447 0908. 24212. 24604. 2% 091. 25406. 27 1792, 98125. S009). SOBG6. 38234. 36751, 37186. 37520. 41 237, 41 555. 43164. 43915. 47776. 48103. 51687. 52785. 94 825. 54936. 55137, 55993. 56 140. 60820. 61 099. 62 550. 62609. 63326, 66 048. 67093. 68406. 69126. O (O20 77459. /9130, 81002. 81805. 83577. 86154, 86628. 87175. 87 381. 90348. 90834. 915361. V1 O04 92 721. 93 602.

Ausstellung des Vereins Berliner Künstler.

Der zuleßt an dieser Stelle besprochenen Ausstellung, mit welcher er die Wintersaison eröffnete, hat der Verein Berliner Künstler in- zwischen eine weite, ungleih reiber und vielseitiger beschickte folgen lassen, die indeß nicht von der Eröffnung an als ein ges&lofsenes Ganzes festgehalten wurde, sondern wenigstens in einem Theil ihres Inhalts von Woche zu Woche ein anderes Bild darbot. Unter den bedcutenderen neuen Erscheinungen, die auf diese Weise tem Publikum vorgeführt wurden, fehlte es dieêmal nit an einer aroßen Kom- position historischen Stils, wie sie weniostens in den Ausstellungen des Künstlervereins scit geraumer Zeit cine ungewöhnliche Ausnahme bilden. Jn einer Periode, die der reli- giösen Malerei so ungünstig wie möglich gestimmt ist, muß es dabei einigermaßen überraschen, in einer „Anbetung der Könige* von Julius Schrader zum dritten Male einen Gegenstand behandelt zu sehen, den fast gleichzeitig zwei andere unserer begabtesten Meister, ilhelm Diez und Ernst Zimmermann, für ihre auf der vorjährigen Münchener Ausstellung biwounterten Gemälde wählten. Allerdings war es troß der äußeren Aehnlichkeit in der Auffassung des tra- ditionellen Stoffes bei dem geistreiher, an Rembrandts Aut erinnern- deu Ueinen Bilde von Diez, sowie bei der großen, an Correggio „anklingenden und ron holdester Anmuth | und Licbenswürdigkeit erfüllten Schöpfung Zimmermanns doch in weit höherem Maße als in dem Gemälde Schraders der spezifish male- rishe Gehalt der Scene, der die beiden Künstler zu einer koloristis wirkungsvollen Eeftaltung derselben hinzog, Dem Bilde des Ber- liner Meisters glaubt man dagegen ein mehr auf das Gegenständ- liche gerichtetes Interesse anzusehen. Der Vorgang stellt si hier dar, wie der Blick des Historienmalers ihn in seiner natürlich moti- virten Enlwickelung zu begreifen und zu veranschaulichen strebte. Von dem wegweisenden Stern geleitet, ist der Zug der Könige eben am Ziel angclangt; die Verehrenden aber treten nicht in die enge Hütte selber ein sondern Maria mit dem Kinde ist ihnen gleichsam entgegengegangen. Vor den Thuüpfosten steht sie aufgerichtet, mit nur leise vorgebeugtem Oberkörper da, auf den Armen das Kind haltend und liht um- flossen von dem milden Glanze, der von diesem ausftrahlt. Zwei der Könige, cin wiüiudiger Orientale und ein Nubier mit bronzeartig herauémodellirtem Kopf, sind bei diesem Anblick verehrend ins Knie gesunken; der Dritte aber, cin weißbärtiger Greis, tefsen Kopf an eincn Rubensshen Typus erinnert, ist vorgeschritten, um demüthig seine fostbare Gabe auf sammetnem Kissen darzureichen. Zur Scite der Maria erblickt man den mit ihr aus der Hütte hervorgetretenen, in stiller Beweguna tastchenden Joseph, während im Hintergrunde \ih Leute aus dem Voik, durch den wunderbaren Vorgang angezogen, herzu- drängen und der vom Rücken gesehene, in cinen langen Burnus ge- hülte Führer der Karawane dem in die Ferne sih verlierenden Zuge des Gefolges und der bepackten Kameele mit aufgehobenen Armen cin Halt zuwinkt. Das Streben nach einer Ver- arbeitung neur künstlerisher Eindrücke, nach ciner reiche- ren farbigen Wirkung im Sinne der modernen Ent- wickelung unserer Malerei tritt in der koloristisen Haltung der Komposition niht weniger bemerkbar, nur ruhiger und ausgeglichener zu Tage, als es bereits în der bekannten, vor zehn Jahren für die Nationalgalerie gemalten „Huldigung der Städte Cöln und Berlin“ der Fall war. Jm Ganzen allerdings steht das Bild, wie nicht anders zu erwarten, unter dem nachwirkenden Einfluß des für uns beute überwundenen belgischen Coloriémus der vierziger Fahre, unter dessen ersten Vertretern sih Schradcr seine geahtete Stellung in der Geschichte der ncueren Kunst errang. Vermag das Bild aber auch na dieser Seite hin nicht in cinen Wettkampf mit dem malerischen Reiz der „Anbe!ung" von Zimmermarn einzutreten und haftet ihm

lung von Farbe und Ton nach Mögli(hleit nahahmt. Auch eine im Motiv etwas unklare phantastishe Szene in antikem Kostüm, die St. Geiger „Afkord® betitelt, zeigt faum cine selbständig ausgesprohcne Physiognomie. Die Gestalten eines blonden Mädchens mit leit um die Hüften dra- virtem weißen Gewande und ihrer völlig nackt auf dem spiegelnden Marmor einer Gartenterrasse hingestreckten, auf die Arme si stüten- den brünetten Genofsin, denen es bei ihrem Würfelspiel wohl auf cin Lievesorakel ankomint (worauf wenigstens der im Hintergrunde am Fuß ciner Satyrgruppe in die Saiten greifende Amor hinzudeuten \cheint), erzielen zwar im Verein mit dem dunklen Ge- büsch und dem sfkulptirten und bemalten Mauerwerk, das den Fond bildet, einen pikanten farbigen Effekt; doch fühlt man sich dabei so sehr bald an Siemiradzki, bald an Bilder wie Weisers Festgelage vor dem Ausbruch des Vesuv erinnert, daß die sichtliben Reminiszenzen eine unmittelbare Wirkung nicht auf- kommen lassen. Einen völlig verunglückten Versuch auf dem Gebiet idealen Genres stellte ferner P. Souchay, dessen erstes Auftreten vor einigen Jahreu zu besseren Hoffnungen berechtigte, in der lebens- aroßen Figur einer Märtyrerin aus, die kniecend im Halbdunkel der Arena angesicbts des zum Sprung bereiten Tigers ein „letztes Gebet“ verrichtet. Die künstlerische Reizlosigkeit der Erscheinung wird nur noch durb die Ungesundbeit der Auffassung und der ge- sammten Malerei übertroffen. Daß es endli niht an einem qusgezeihncten Meisterwerk in der Behandlung der nadckten mers{chlichen Gestalt fehlt, verdankt die Ausstellung dem bis- her nur als Porträtmaler bewunderten Stauffer von Bern. Seine „Drientalin“ rechtfertigt diese Benennung allerdings wohl nur dur die tieffarbigen Teppiche, die das Polster ihres Lagers bedecken und den feingetönten Fond bilden, von welchem die ruhend hinge- streckte Figur sich abhebt. Das Bild will eben nichts anderes sein, als eine gewissenhaft, mit vornehmem künstlerishen Empfinden und mit ungetheilter Freude an der Schönheit der Formen durchgeführte Studie nach der Natur. Als sole aber überragt es ohne Frage das weitaus Meiste, was seit geraumer Zeit auf einer Berliner Auëftellung zu sehen war. Fern von jeder Absihtlichkeit und am weitesten entfernt von jeder Spekulation auf einen groben sinnlihen Reiz, athmet die blühende Mädchengestalt, die der Maler schildert, doch die volle, warme Frische des Lebens. Aus dem Bewegungsmotiv der Figur, die, mit emporgerecktem rechtem Arm und mit abgewandtem Kopf da- liegend, das Gesicht nur im verlorenen Profil schen läßt, den gerade ausgestreckten Körpcr aber, dessen linkes Bein leiht angezogen ift, von den Hüften abwärts in der Vorderansicht zeigt, entwickelt sich innerhalb eines trefflich ges{lossenen Gesammtumrisses eine fein und maßvoll bewegtes Spiel der Linien und Formen, das mit \carfem Auge beobachtet und in meisterliher Modellirung in gleich- mäßig ruhigem Licht wiedergegeben is. Jede weihe Rundung der Glieder und jeder zarte Uebergang des Tons erscheint dabei ebenso sicher wie delikat durchgeführt, das Ganze aber nieder so harmonisch zusammengestimmt, daß das Detail in der vocnchmen malerischen Gefammtwirkung völlig aufgeht. i

Mehr als cin bloßes Kostümbild bietet Paula Monjé in ihrem stattlichen „Volksfest im 16. Jahrhundert“, einer in klarer und kräftiger Farbengebung trefflich durchgearbeitetcn Komposition, deren Figurenfülle mit großem Gescbick in einen vcrhältrißmäßig engen Raum zu\ammengedrängt ist. Daß die Malerci absichtlih auf die weiche Abtönung turch die Luft verzichtet und in dieser übrigens feineëwegs aufdringlichen, archaisirenden Manier die stark sid ver- kleinernden Figuren der* entfernteren Partien in Form und Farben so bestimmt modellirt wie die ansehnlihen Gestalten des Vordergrundes, läßt das Ganze nur um so echter und ccharakteristischer ersbcinen, Mehr abcr noch als direkt an Bildcr der Zeit, deren Treiben die Künstlerin sch{ildert, erinnert die Komposition in An- ordnung und Auffassung an die Art urd Weise Schwinds, mit dessen Gestalten aus dem Volke die hier vorgeführten innerlich weitaus am nächsten verwandt sind. Ein derberer Humor, verbunden mit ciner frisden und lebenswahren Charakteristik und ciner kaum minder sicheren, männlich kräftigen Behandlung des Vortrags zeichnet die von Charlotte Hampel in München gemalten Soldaten im Coftüm des 17, Jahrhunderts aus, die nebst der aufwartenden Magd am Tisch in der Schenke als „Spottvögel*“ sich Über einen beim Trunk eingeshlafenen Mönch belustigen. Fein und liebens- würdig charakterifirt ift ferner der „Onkel auf Reisen“ von Conrad, ein um seine anmuthige Nichte zärtlih besorgter geistliher Herr in einer Wirthsstube der bayerischen Berge, deren malerisches Interieur nicht weniger eingehend studirt und geschildert wicdergegeben ijt, als die beiden Figuren des Bildes. Eine no ungleich bedeutendere Wirkung aber erzielt F. Brütt in dem „Prozeßbauern“, der an dem mit Büchern und Akten bedeckten Tisch dem in der Erörterung des Falles begriffe- nen, vorgebeugt dastchenden Advokaten mit überlegend an die Stirn gehaltenem Finger gegenübersikt. Zwei ete Typen ihrer Gattung, sind beide Gcstalten mit vollendet sharfer Beobachtung geschildert und in Ausdruck und Bewegung von spreche: dsttem momentanen Leben erfüllt. Dazu is das Bild in der Beleuhtung dur das seitwärts vom Fenster her breit einfallende Licht bei ruhig ge\(lossener, tief und fräftig gehaltener Tonstimmung in Vortrag und Modellirung mit so sichcrer und fo anspruchsloser Meisterschaft durgeführt, daß es auc in seiner rein malerishen Erscheinung eine der hervorragend- sten Grscheinungen neuerer Genremalerei darstellt.

: Bon neuem beweisen Hen seler in einer Scene aus dem Jagdleben mit kÉlcinen, höchst lebensvollen Figuren in herbstlich kühler Landschaft und Karl Röchl ing mit einer Episode aus den Straßengefehten zu Saar- brücen in den ersten Augusttagen des Jahres 1870 eine ebenso stetige wie erfreulihe Entwickelung ihrer auf die unverfäls&t wahre, unbe- sangene und prunklose Wiedergabe von Natur und Leben ausgehenden Kunst. Weder dem einen noch dem anderen fehlt es dabei, wie die diesmal ausgestellten Bilder beweisen, an einem vollen Zuge frischen und gesunden Humors, der die des hier und da auftauchenden Feindes sih kämpfend crwehrenden und die blessirt, dabei aber guten Muths der dargebotenen Erfrischungen sih bemähtigenden preußischen

auc dur ihren reichen malerischen Effekt und dur die kecke Breite der Behandlung in hohem Grade fefselnden Darstellung. (Schluß folgt.)

London, 29. Januar. (W. T. B) Während des Sturme®s am Sonnabend scheiterte in der Nähe der Merseymündung das von Liverpool nach Calcutta bestimmte eiserne Segel [chiff „Juno“. Die aus 25 Personen bestehende Mannschaft ift hierbei umgekommen.

London, 28, Januar. (W. T. B.) Die vermißten Personen dcs Segelscbiffs „Simla“, von dexen man annahm, sie seien ertrunken, sind, wie jeßt feststeht, gerettet worden. Das Schiff „City of Lucknow ist in Gravesend eingetroffen.

Laurvik (Norwegen), 28. Januar. (W. T. B.) Heute früh brach in dem am dichtesten bebauten Stadttheil Feuer aus, durch welches viele Häuser zerstört wurden. Mittags war das Feuer noch nicht gelöst. i

Hr. von Suppé hat bei seinem Scheiden von Berlin dem Direktor Frißsbe bezw. scinen Kü:stlern ein Schreiben übersandt, in welchem er denselben für die trefflibe Darstellung und die glän- zende Ausftattung, durch welche die Operette „Die Afri- kareise“ ihren großen Erfolg erzielt habe, seinen Dank ausspricht.

In dem morgen im Concerthaus statifindenden Sin- fonie-Conce rt bringt der Hof-Musikdirektor Bilse mit seinem vortreffliben Orchester wieder eine Novität, und zwar die soeben er- \cienene Sinfonie Nr. 11 in C-dur von Eduard Lassen (Hof-Kapell- meister in Weimar).

Literarishe Neuigkeiten und periodisheSchriften.

_Die Umschau auf dem Gebiete des Zoll- und Steuer- wesens. Januar-Nummer. Inhalt: Denkschrift der Königlich säcsishen Zoll- und Steuer-Direktion zu ihrem 50 jährigen Bestehen. Scutzoll, Konjunktur und Währung, von Johannsen. (Fort- seßuna.) Zoll- und Steuer-Technisches: Der Spiritus-Meßapparat von Th. Dietrich. Festseßung 2c. der Zölle und Steuern, Zölle: Bundesrathsbesclüsse vom 29./11, und 6./12. 1883. Ministerial- Erlasse über Emballagen und Packpapier. Zolltarifentscheidungen über &roskeulen, Verirgläfer, Kalènder, Mordant, Stimmgabeln : über in Essig eingelegte Gurken Steuern: Branntweinsteuer : Benußung der Lutterblasen und die Eigenbrennereien in Bayern. Biersteuer: Malzaufschlag in Bayern, kommunale Biersteuer in Wesel, Halle a. S, Hann. Müyden, Aachen, Kösen. Uebergang8- abgaben: Uebergangsscheine auf Polituren und Lake. Taback{steuer : Versendungéscheine auf Taback. Salzabgabe : Berechtigungs\cheine zum Bezuge denaturirten Salzes. Reichs-Stempelsteuer : Spiel- ausweise. Statistishe Gebühr: Massengüter, Befreiung von der ftatistischen Gebühr. Entziehung der Abgaben : RNeichs8geritsE- Erkenntnisse vom 2./7., vom 4./10. und vom 9,/10. 1883. Ver- edelungsverkehr. Kassen- und Rechnungswesen. Verkehr mit dem Auslande. Sprechsaal : Ueber die Abzweigung der Gerichts- kosten. Verschiedenes. HZöllners Sylvestertraum. Neue Bücher. Briefkasten. Personalien. Anzeigen.

Centralblatt für Bibliothekswesen. 2. Heft.—Inhalt: Die Bibliotheken und die Bewegungen auf dem Gebiete des deutschen Buchhandels. Die Königliche Landesbibliothek zu Wiesbaden, von Dr. A. v. d. Linde. Aus einem Briefe Deslisle's über die Pariser Liederhandscrift, von Albert Dunker. Missale moguntinum, sine loco, 1482 von Falk, Personalverzeibniß deutscher Bibliotheks- beamten (Fortseßung). Uebersicht der Leistungen des Französischen Staates fur öffentlihe Bibliotheken. Mittheilungen aus und über Bibliotheken. Renzensionen und Anzeigen, Neue Erscheinungen auf dem Gebiete des Bibliothekswesens. Mittheilungen aus dem antiquarishen Buchhandel. Personalnachrihten. Anfrage. Benutungsstatiftik der Universitäts-Bibliothek Halle, 1876—82.

Mittheilungen für die öffentliben Feuerversiche- rungs-Anstalten. Nr. 2. Inhalt: Zur Feuersicherheit der Fabriken. Der volkswirthschaftlihe Kongreß. Verwaltungs8- ergebnisse der städtishen Brandversiberungsanstalt von Kopenhagen Ho ate N s Ot die Lebensversicherungs8- Hesellshasten in Frankreih, Der Wafserdampf al erlösche e Ius S L Singer. ff "S

_Dte géstederte elt. Zeitshrift für Vogelliebhaber, -Züchter und Händler. Nr. 5. Inhalt: Noch Veiter G im Jahre 1883. Ornithologishe Mittheilungen aus Ostfriesland. E Zum Kanarienhandel. G-flügel- und Vogelhandel in Buenos- Aïres. Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Briefliche Mitthei- lungen. Anfragen und Auskunft. Aus den Vereinen: Danzig (Scluß), Greifêwald, Dresden, Hamburg- Altona, Kammin, Wien, Breslau, Hannover, Mainz, Basel.

Isis Zeitschrift für alle naturwissenschaftliben Liebhabereien. M O Inhalt: Zoologie: Der englishe Mastiff. Flugzeit und Flugjahre der Insekten (Fortseßung). Botanik: Die Farnkräuter. Physik: Das Nebelglühen. Anregendes und Unterhaltendes : Die Eiche in ihrer Beziehung zur Thierwelt. Kleinere Mitthei- lungen: Erhaltung der Farbe der Blumen. Reisen und Forscbungen. Sexetne und Ausstellungen: Winterblumenausstellung zu Berlin. Jagd und Fischerei. Anfragen und Auskunft.

Nedacteur: Riedel.

Berlin: Verlag der Expedition (Ke el).

Sechs Beilagen

(einschließli Börsen-Beilage).

Druck: W, El3nex.,

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Der Vorsißende bringt zur Kenntniß, daß Dr. Mi- noprio in Stegliz mehrere Exemplare der von ihm redigirten „Deutschen Finanz-Correspondenz“ dem Volkswirthschastsrathe zur Vorlage gebracht habe ; dieselben liegen zur Benußung und Entnahme auf.

Die Berathung der Ziffer 1 der Grundzüge sür den Ent- wurf eines Geseßes über die Unfallversihherung der Arbeiter wird fortgeseht.

Hierzu liegt noch der folgende Antrag des Grafen Fran - kenberg vor:

Betriebsunternehmer mit einem 2000 / nicht über- steigenden Fahresgewinn können auf Grund statutarischer Bestimmung (Ziffer 12) gegen Unfälle versichert werden.

Des Weiteren beantragt Hr. Kalle die folgende Re- folution :

Resolution zu Nr. 1 der Grundzüge.

Die Königliche Staatsregierung wird gebeten, in Er- wägung zu ziehen, inwiefern für die unter 8. 1 des Hast- pflichtgeseßes vom 7. Funi 1871 fallenden Eisenbahnbetriebe eine Erweiterung der Entschädigungspflicht im Sinne der dem Volkswirthschastsrath vorliegenden „Grundzüge zu einem Unfallversicherungs8geseße der Arbeiter“ sich empfichlt und wie dicselbe eventuell zu gestalten ist.

Hr. Dr. Websky begründet seinen Antrag, mit welchem er selbstverständlich nur eine Ergänzung der Ziffer 1 beabsichtige.

Durch das Hastpflichtgeseh seien gerade diejenigen Personen, welche auf Eisenbahnen verunglückten, besonders günstig behandelt.

Dadurch, daß die Eisenbahnarbeiter in die gegenwärtige Vorlage nicht aufgenommen worden seien, ständen sie nun- mehr aber s{chlechter als die sonstigen Arbeiter. Sie müßten beweisen, daß der Unfall nicht durch ihre Schuld herbeigeführt worden sei.

Er bitte, auch diesen Arbeitern die Wohlthaten des Geschzes zu Theil werden zu lassen.

Regierunaskommissar, Geheimer Negierungs-Rath Gamp erwidert dem Vorredner, daß die Regierung sich dessen bewußt sei, daß die in der Vorlage getroffenen Besiimmungen auch auf die Eisenbahnarbeiter ausgedehnt werden müßten, weil es nicht angängig sei, diese dauernd anders zu behandeln als die in anderen Jndustriezweigen beschäftigten. Denn während die Eisenbahnarbeiter hinsihtlich der Vorausseßungen der zu ge- währenden Entschädigungen nach dem Hasftpflichtgeseß günstiger ständen als die unter dieses Gesetz fallenden Arbeiter, so wären lehtere hinsihtlih des Umfanges der Entschädigung gegenüber den Eijenbahnarbeitern wiederum geschädigt. Aus diesen Gründen habe die Regierung wegen Ausdehnung der Unfall- versicherung auf den Eisenbahnbetrieb auch {hon Verhand- lungen mit den betheiligten Ressorts eingeleitet.

Die Aufnahme derselben in das gegenwärtige Geseß empfehle sih nicht, weil für die Eisenbahnarbeiter eine andere Organisation nothwendig sei.

Jm Uebrigen mache er darauf aufmerksam, daß von einer ungerechten Benachtheiligung der Eisenbahnarbeiter nah Annahme des Geseßzentwurss um deswillen nicht gesprochen werden könne, da ja die Eisenbahnarbeiter nach dem Hast- pflihtgeseße Anspruh auf volle Entschädigung hätten.

Graf Frankenberg vemerkt, daß ihn die Ausführun- gen eines Regierungskommissars in der gestrigen Sißung zur Stellung seines Antrages veranlaßt hätten. Er sähe keincn Grund ein, warum man den kleinen Gewerbsunternehmer ausschließen wolle. Dadurch werde ein großer Theil der wohlthätigen Absichten des Gesehes illuforish gemacht und eine große Mißstimmung unter den kleinen Meistern, welche ohnedies in anderen Versicherungsgesellshaften nur s{chwer Aufnahme finden könnten, hervorgerufen.

Er bitte um Annahme seines Antrages.

Hr. Hagen erklärt sih gegen Ziffer 1.

Die Beschränkung auf gewisse Betriebe schaffe verschiedene Arbeiterklassen, solche, die nah dem neuen Gesetze, solche, die nah dem Haftpflichtgeseße, und solche, die nicht verpflichtet werden. Wenn, wie allgemein anerkannt, die Betriebsunter- nehmer alle Arbeiter gegen alle Unfälle zu entschädigen hätten, so müßten auch alle Arbeiter im Genuß dieses Rechtes sein.

Die Ungerechtigkeit des neuen Entwurfs liege darin, daß er voraussihtlich niht ausgedehnt werden könne.

Hr. Rosenbaum spriht gegen die Aufnahme der Be- triebsunternehmer in das Geseß.

Die Regierung beabsichtigte den Erlaß eines Geseßes über die Unfallversiherung der Arbeiter.

Die Arbeitsunternehmer paßten mithin gar nicht in den Rahmen desselben.

Hr. Vorderbrügge erklärt sich für Annahme des Antrages Frankenberg.

Wenn man den Betriebsunternehmern die Wohlthaten des Gesetzes zu Theil werden lasse, so sei es niht mehr als billig, das Gleiche auch für die kleinen Handwerker zu thun, um so mehr, da {hon die Zahl der Unternehmer mit einem Einkommen unter 1000 H die Zahl der Betriebsbeamten mit einem Einkommen über 2000 H übersteige.

versiherungsgescßes würde am zweckmäßigsten demnächst durch Spezialgeseße entsprochen werden können.

Hr. von Risselmann bittet mit Nücksiht auf die Aus- führungen des Regierungskommissars von den zu dieser Ziffer gestellten Anträgen abzusehen.

Er hege das Vertrauen, daß die Regierung nach Zu- standekommen dieses Geseßes den hier vorgetragenen Wün- un im Wege der Spezialgeseßgebung Rechnung tragen werde.

Zur Zeit müsse dasür gesorgt werden, daß überhaupt etwas zu Stande komme.

Hr. Kalle bemerkt, daß, wenn durch die Annahme seines Ant? ages das Zustandekommen des Gefeßes in Frage gestellt werde, e denselben gewiß zurüdziehen werde, das glaube er aber nicht.

Was nun den von ihm gestellten Antrag anlange, so wolle er noch hervorheben, daß er die Streihung des Alinea 5 der Negierungsvorlage, daß für Betriebe, welche mit einer Unfallgefahr nicht verbunden seien, durch Beschluß des Bundesraths die Versicherungs- pfliht ausgeschlossen werden könne, teantrage. Der- artige Betriebe gäbe es überhaupt nicht.

Jn jeder Fabrik könne es vorkommen, daß ein Arbeiter sich überhebt oder cine Treppe hinabstürzt. Unter welches Gesetz soll ein solher Mensch fallen ?

Aus welchem Anlaß der Unfall eingetreten, sei gleihgültig. Unfälle während der Betriebszeit müßten nach der seitherigen Praxis immer entschädigt werden.

Da sich Niemand mehr zum Worte gemeldet hat, \chließt der Vorsitzende die Diskussion.

Bei der Abstimmung wird dcx Antrag Kalle und K o ch- hann, in Ziffer 1 die Werftarbeiter einzubeziehen, ab- gelehnt, dagegen der Antrag Kochhann, Ziffec 1 auf die in gewerb3mäßigen Baubetrieben, in Bauhöfen und an Bauten beschäftigten Arbeiter auszudehnen, angenommen.

Die Anträge Kalle und Vorderbrügge zu Alinea 3 der Regierungsvorlage, daß dem Geseße unterworfen sein sollen alle Betriebe, in welchen Dampfkessel oder durch elementáre Krast dewêgte Triebwerke zur Verwendung kommen, ohne Rücksicht auf die Zahl der: in diejen: Betrieben beswaritaten Arbeiter, werden angenommen.

Nachdem Hr. Vorderbrügge seinen Antrag zurückge- zogen, gelangt der Nest von Alinea 3 der Regierungsvorlage, daß als Fabriken auch angesehen werden sollen Betriebe, in welchen ohne die gleichzeitige Ver- wendung von Dampfkesseln oder durch elemen- tare Kraft bewegte Triebwerke mindestens zehn zu versichernde Personen regelmäßig beschästigt sind, gleihfalls zur Annahme.

Alinea 4 der Regierungsvorlage, welche dem Reichs- Versicherungsamt die Entscheidung überträgt, welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Geseßes anzusehen sind, wird angenommen.

Antrag Kalle, daß auf Eisenbahn- und Schiff- fahrtsbetriebe die Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann Anwendung finden, wenn sie als inte- grirende Bestandtheile eines der vorbezeichneten Betriebe lediglih für diesen bestimmt sind, wird angenommen.

Alinea 2 Sah 1 der Regierungsvorlage, daß Betriebs- beamte mit einem 2000 4 übersteigenden Arbeits- verdienst auf Grund statutarisher Bestimmung gegen Unfälle versichert werden können, wird an- genommen; die Beschlußfassung Über den zweiten Saß des Alinea 2 wird bis zur Berathung der Ziffer 46 ausgeseßt.

Das Sthlußalinea der Regierungsvorlage, daß für Betriebe, welhe mit einer Unfallgefahr nicht verbunden sind, durch Beschluß des Bundesraths die Versicherungspfliht ausgeschlossen werden könne, wird angenommen.

Der Antrag des Grafen Fra nken berg sowie die Reso- lution des Hrn. Kalle finden gleihfalls Annahme.

Staats - Minister von Boetticher übergiebt nunmehr den Vorsiß dem Direktor im Reichsamt des Fnnern Bosse.

Derselbe eröffnet die Diskussion zu Ziffer 2.

Das Wort wird nicht begehrt, die Diskussion wird ge- schlossen und Ziffer 2 nach der Regierungsvorlage an- genommen. 2 D

Es wird nunmehr die Diskussion eröffnet zu Ziffer 3.

Dazu liegen die folgenden Anträge vor :

Von Hrn. Rosenbaum zu b3:

Hinter Ascendenten zu seben: wenn solhe nahgewiesenermaßen auch vorher von dem Ver- unglückten hauptsächlih unterstüßt wurden.

Von Hrn. Kade u. Gen. zu b 2 und 3:

Den Schlußsaß der Abtheilung 2, welcher anfängt :

wobei jedoch die Renten zusammen- 50 Proz. des Arbeits- verdienstes nit übersteigen dürfen,

1884,

dort fortzulassen und dagegen anschließend an Abtheilung 3 hinzufügen : : die Jahresrenten dürfen zusammen 50 Proz. des Arbeits- verdienstes niht übersteigen. Von Hrn. Jansen u. Gen. zu 2a: j Nr. 2 wie folgt zu fassen resp. hinter Jahresrente zu agen : und wird bei der Berechnung nur derjenige Theil des JFahresverdienstes zu Grunde gelegt, welcher 4 M für den Arbeitstag nicht übersteigt.

Hr. Kade führt aus, daß nach dem Entwurf Arbeitern im Falle der Verleßung höchstens 662/; Proz. ihres durc- \{nittlihen Einkommens als Rente gewährt werden dürfte. Im Falle der Tödtung dagegen könnte der Wittwe und den Kindern zusammen 50 Proz. und außerdem den Ascendenten noch 20 Proz. des durchschnittlihen Fahreseinrommens zu- erkannt werden. Das sei ungereht und belaste au die Ge- nossenschasten zu sehr. :

Er erkenne gern die Pflicht der Jndustrie an, die Für- sorge für die Wittwe und die Kinder des verunglückten Arbeî- ters zu übernehmen ; die Verpflichtung auch auf die bedürfti- gen Ascendenten des Verunglückten auszudehnen, sei sehr be- denklih. Das würde dazu führen, daß die Ascendenten in den meisten Fällen bedürftig sein würden. :

Ec sei der Meinung, daß die Unterftüßung der Hinter- bliebenen inklusive der Ascendenten 50 Proz. niht übersteigen dürfte, und wünsche, daß den Ascendenten erst dann eine Jahresrente, und zwarniht von, fondern nur bis z u 20 Proz, gewährt werde, wenn die der Wittwe und den Kindern zu gewährende Jahresrente noch niht 50 Proz. betrage.

Der Regierungskommissar, Geheimer Regierungs-Rath Gamp verweist mit Bezugnahme- auf die Ausführungen des Vorredners auf die Begründung der Regierungsvorlage, nah welcher der Umfang der Entschädigung im Allgemeinen nah Maßgabe der Bestimmungen des leßten Geseßentwurfs be- messen sei. Demgemäß würde Ascendenten eine Ent- schädigung nur dann zuerkannt, wenn der Verunglückte thatsächliÞh ihr einziger Ernährer gewesen sei, und auch in dieser Einshränkung nur innerhal der Grenze von 50 Proz. des Arbeitsverdienstcs des Verunglückten. Die Beibehaltung dieser Bestimmung bezüglich der eventuellen Entschädigungspfliht der Descendenten sei zu empfehlen ins- besondere wegen der fakultativen Unfallversicherung der Be- triebsbeamten mit einem Einkommen über 20009 /(. Bei diesen komme eine solche Alimentation doch wohl nicht selten vor.

Hr. Jansen sührt aus, daß ihm die Bestimmung sub a 2 der Ziffer 3, wonach der 4 # täglih übersteigende Betrag mit einem Drittel bei Berehnung der Jahresrente in Ansaß gebracht werden solle, doch zu weit ginge.

Man stelle damit den Arbeiter viel bi¿}ser als den kleinen Beamten, das möchte ex vermeiden. Er bäte um Annahme seines Antrages.

Der Negierungskommissar, Geheime Regierungs - Nath Gamp bittet, den Antrag Fan sen abzulehnen, Es sei die Bestimmung in der Regierungsvorlage eine billige Rücksicht- nahme auf diejenigen Betriebsbeamten über 2000 /6 Ein- fommen, welche in die fakultative Unfallversiherung auf- genommen würden und dadurch ihrer weitergehenden An- sprüche nah Maßgabe der Bestimmungen des Hastpflichtgeseß28 verlustig gingen.

Hr. Baare spricht sich für den Antrag Fansen aus. Die Betriebsbeamten seien ein vershwindender Theil. 4 der Berechnung zu Grunde zu legen, sei volllommen genügend. Nedner warnt davor, der Jndustrie immer neue Lasten auf- zuerlegen. E

Hr. Rosenbaum zieht mit Rücsiht auf die Erklärun- gen des Regierungskommissars seinen Antrag zurück, welcher indessen von Hrn. von Nathusius wieder aufgenommen wird.

Es hat sih Niemand mehr zum Wort gemeldet.

Der Vorsitzende schließt deshalb die Diskussion.

cent der Abstimmung wird der Antrag Jansen ab- gelehnt. Der Antrag Nathusius (Rosenbaum) wird an- genommen, der Antrag Kade, den Schlußsaß der Ab- theilung 2, welher anfängt: „Wobei jedoch die Renten zusammen 50 Prozent des Arbeits- verdienstes nicht übersteigen dürfen“, dort fortk- zulassen und dagegen anschließend an Abthei- lung 3 hinzuzufügen: „Die Jahresrenten dürfen zusammen 50 Proz. des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen“, wird zurückgenommen, der Antrag Kade in Absay 3 der lit, b statt der Worte „von 20 Proz.“ „bis zu 20 Proz.“ zu seten, wird angenommen.

Nach Schluß der Abstimmung erhält Hr. Herz noch das Wort zum leßten Absaß der Regierungsvorlage. :

Nach Jnhalt desselben stehe zwar dem Verleßten kein An- \pruh auf Entschädigung zu, wenn er den Unfall vorsäßlih herbeigeführt habe, wohl aber seinen Hinterbliebenen. Diese Bestimmung könne dahin führen, daß ein Mann, der ein \{chweres Verbrechen begangen, das ihn ins Zuchthaus bringen müsse, oder der an einer unheilbaren Krankheit leide, sh lieber das Leben nehme, um die Jahresrente für seine Familie zu erhalten.

Er bitte, diese Bestimmung zu streihen. _

Der Vor sizende eröffnet über diesen Punkt nohmals die Diskussion. i

Hr. Baare spriht sich im gleihen Sinne aus wie Hr. Herz. Die Fürsorge für die Hinterbliebenen liege in den gedachten Fällen stets den Kommunen ob. Ein Anlaß, ihnen dieselbe abzunehmen, liege niht vor. :

Hr. Rosenbaum will niht in Abrede stellen, daß diese Bestimmung der Jndustrie neue Lasten aufbürde.

Bei der Schwierigkeit des Beweises der Vorsäßlichkeit sei er indessen für Annahme der Regierungsvorlage.

Die Dission wird geschlossen und Antrag Herz an- genommen. E

Der Vorsitzende eröffnet die Diskussion zu Ziffer 4.

Das Wort wird nicht begehrt, Die Diskussion wird ge-

{lossen und die Regierungsvorlage angenommen.