1884 / 29 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Feb 1884 18:00:01 GMT) scan diff

interessant ers{beint. Am Ende des Hefts finden wir den S{luß der altpreußishen Bibliogravhie des Jahres 1882, kleinere Nacribien und das Autoren- und Sachregister des Bandes.

Im Verlage der A. Haase’scen Buchandlung (Mar Babenzien) in Rathenow gelangt soeben das erste Heft der in zwang- loser Folge ersceinenden Zeitschrift „Deutsche Lehrer-Biblio- thef“ zur Ausgabe, die den Lehrern zur Weiterbildung, zur Prüfungs- vorbereitung, zur Anleitung bei Bearbeitung von Konferenzvorträgen dienen soll. Das erste Heft enthält: „Die drei Hauptepochen preu- ßisher Swulgesetzgebung*“, ein Konferenzvortrag, „Eine deut \c(- spradlice Lehrprobe“, auch einen „Litteraris{en Weaweiser*, der über die Neuerschcinungen auf dem Gebiete ter Lebr- und Lernmittel- literatur ausführlih orientirt. Das Heft kostet nur 60 4, pro i 1,40 Æ, bei Abnahme von 25 Heften à 40 -, von 50 Heften a E

Wie das Heft mittbeilt, wird die Redaktion in Kürze ein Werk erscheinen lassen, welches den Titel führt: „Das Volkssczul- wesen des Deutschen Reiches.“ Jn denselben wird jeder Ort genannt sein, in dem sib“eine Scule befindet; es wird des Genauesten angeben, wie die Verhältnisse in betreffendem Ort, d h. ob Land zur Stelle gehört, wie viel? Was für Boden? Schülerzahl? u. \. w. Sona wird jeder Verseßtwerdende oder Versetzung Beantragende sehen können, wobin er zu gehen hat, oder wie die Stelle dotirt ist, um die er sich bewirbt. Mit der Provinz Brandenburg wird begonnen.

Die Buch- und Antiquariatshandlung von Joseph Folo- wicz in Posen bat über ihr antiquarisbes Bücherlager unter dem Titel „Klassisbe Philologie, 2. Theil: Philologische Hül fswissenschaften“ kürzlich cinen Katalog (Nr. 81) reröffent- lit. Derselbe enthält ein Verzeichniß von 1802 philologiscen Striften, die zum Tkeil aus dcm Nawdlasse des verstorbenen Gym- nasial-Profefsors Dr. Müller zu Posen herrühren und unter folgende 10 Abtheilungen vertheilt sind: 1) Er cyklopädie der Philologie, \o- wie Schulreden, 2) Geschichte der Philologie und Gelehrtengeschichte, 3) Neulateiner, Opuseula, philologishe Zeitschriften 2c, 4) Biblios- grapbie, BVibliothekwissenschaft, Handschriftenkunde, 5) giecische und römische Literaturgeshihte, 6) allgemeine und vergleichende Sprach- wissenschaft, 7) griebishe Grammatif, 8) Grammatica Latina, 9) alte Geographie und Geschichte, 10) Alterthümer, Archäologie, Numis- matik, Mythologie 2c. Unter den aufgeführten Nummern befindet sich eine Menge werthvoller und für Philologen wichtiger und interefsan- ter Werke.

Gewerbe und Handel,

Der Einlöfungscours für die hier zahlbaren österreichiscben Silber-Coupons is auf 168 4 25 § für 100 Fl. öfterrcichisches Silber erhöht worden.

Nürnberg, 31, Jaruar.

) (Hopfenmarktbericht von Leopold Held ) Vom Hopfenmarkt

ist feine Veränderung der Situation zu berichten. Berkouft wurdcn gestern etwa 100 und heute ca. 250 Säcke. Die Zufuhr beider Tage betrug zusammen ca, 200 Ballen. Die Preise der Mittelsorten gehen langsam aber stetig in die Höhe. Hierbei ift zu berücksichtigen, daß da wirkliche Primahopfen fehlen diejenige Qualität der verschiedenen Sorten, welche bei Beginn der Saison als bessere Mittelwaare betrachtet ward, heute am Markte als Primawaare gehandelt wird. In gleicher Weise nennt man die fonst als gering bezeichnete Waare ter untenstehend notirten Sorten jeßt leichte Mittelwaare. Aus diesen Verhältnissen aeht berror, daß die Preiésteigerung der leßten Wochen eigentlich in Wirklichkeit noch eine weit bedeutende1e war, als dies die erhöhten Ziffern der Notirungen aufweisen. Die Stimmung is sehr fest. Die Notirungen lauten: Württemberger prima 19:!—195 U, do. mittel 175—185 M; Hoallertauer prima 190—195 6, 00, Mittel 175 185 Æ; Polen prima 190—195 H, do. mittel 175—185 A; El- sâfser prima 185—190 A, do. mittel 175—180 Æ; Gebirgshopfen 180—188 Æ; Marktreaare 170—180 46; Aischgründer 170—185

Antwerpen, 1. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Angcboten 2337 B. Laplatawollen, davon 962 B. verkauft. Buenos- Ayres fest, Montevidco vernach!äs\sigt.

London, 2. Februar. (W. T. B.) Die North Stafford- shire Coal and Jron Company hat thre Zahlungen eingestellt. Die Pa'siva sollen über 100 000 Pfd. Sterl. betragen. ,

St. Petersburg, 1. Februar. (W. T. B.) Die Geset- Sammlung veröffentlicht cine vom Kaiser sanktionirte Verfügung des Reichsraths, wonach von dem in das Ausland zu exportirenden Spiritus von 95 Grad und darüber 6 "/c, von weniger als 95 Grad 3% des zu exportirenden Quantums von den Accisegebühren befreit bleiben sollen.

Washin O, L Sara (W, L. B) Die Schuld der ereinigten Staaten hat im Monat Januar um 11 §60 000 Doll. abgenommen. Im Staats\chate befanden ih Ende

Banne 393 420 000 Doll.

ICEWADO El, L Sbruar (W, T, B) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshâfen 109 000 B,., Ausfuhr nach Großbritannien 128 000 B., Ausfuhr nah dem Konti-

nent 37 000 B., Vorrath 1 067 000 B.

Verkehrs-Anstalten. Von dem Rei chs8-Kursb u ch (Verlag von Berlin, Preis 2 M) ist die dienst 1883—84 erschienen.

[ Julius Springer, Ausgabe 1884 Nr. 1, [Winterfa hr-

Berkin, 2. Februar 1884.

Preußische Klassenlotterte. (Dhne Gewähr.)

Bei der heute beendigten Hiehung der 4. Klase 169. Königlich preußischer A n tZele fielen : N

49 Gewinne von 3000 M4 auf Nr. 969. 4372. 6430. 6720. 7748. 10 980. 13 075. 14 093. 14 594. 15 693. 17 147, 18 687. 20010. 23595. 25 912. 26 821. 29 664. 32 041, 34187. 34857. 36879, 41 726. 42 772. 43 292. 44 760. 44898. 47301. 48559. 49 577. 53 606. 53 794, 54 364. 00039, 00394 57759, 59046, 60 284. 68 948. 76679. O (1812 S130. 82331 g9 00D. S9 4129 87210. 9150. 91100, 91 769

54 Gewinne von 1500 M dl M. 139, 2764 4980. 6103; 6489, 6744. 9710. 9775 10 212 131250, 138729 14344. 14489, 15524, 15 528. 15 590. 15933. 16 939, 17 600. 19983. 20 297. 90 C 20287, 23098, 24 LO7, 25 951. 30244. 31404. 33101. 33 439. 34 089. 37 163, 37842. 38584, 39323. 44398. 47 499. 50975. 51 979. 93 464. 60532. 60892. 60 931. 61 426. 66 798. 68 752, S 14S (D009, 7711 81 904. 87 436. 88 159,

78 Gewinne von 550 4 auf Nr. 1426. 8861, 8914. 11 120. 12 007. 12541. 12623. 13 270. 14154. 14618. 20 279, 259611. 23902. 24877. 26 085, 26 641. 27 058. 29 213. 0 082, 31183. 31681, 3181 0. 824893. 32459, 33901, 36 821. 37 208. 37986. 38 154. 39 036. 39525, 39 590. 40 307. 40591. 43 501. 43 829, 43916. 46739. 46 750. 46 978, 47836. 48 289, 50 370. 51 580. 52668. 52 822, 53 437. 55 969. 56 647. 56 667. 56 672. 60450. 61 327. 62 527. 63232. 64785. 66 170. 69 572. 70488. 74352. D A 11.096, 77149, 29 812. 80962. 81 279, 82 S7 84 633. 84790. 88901. 89 264, 89 630.. 90425, 90668,

Der Wissenscchaftlihe Centralverein und die Hum- boldt-Akademie feiern am Mittwo, den 6. Februar, Abends 8 Ubr, im großen Saale des Norddeutschen Hofes, Mohrenstraße 20, ibr 5 Stiftungsfest durch Abendtafel mit Musikvorträgen bervor- ragender Künster und Ball. Auch Freunde ter Sache sind als Gäste willkommen und die Eintrittékarten im Bureav, Ceniral-Buch- handlung im Centralhotel, zu baben.

(A. Woldt's Wi}. Corr.). Eine Kollektion siamesiscer Scattenbilder ist jegt als Geschenk an das Königliche Museum in Berlin gelangt. Die alten Heldensagen von Rama- yana und Mababharata, welbe bei den Bewohnern von Ostindien etwa diefelbe Rolle spielen, wie ehemals bei den alten Griecen die Zlias und die Odyfse, erfreuen si in ihren Hauptepisoden zahlreicher dramatisber Vorführungen in Siam. Während \i in jenem Lande wandernde Schauspielertzuppen gewöhnli jener typisden, zu diesen BVorfübrungen gehörenden Masken und Kostüme kedient, von denen die berühmte Sammlung des Dr. Riebeck eine \{ône Serie enthält, besränken nch andere Kreise darauf, die Dramen dur{ bewegliche Marionetten unter gleizeitigem Vortrag des Textes dur cinige Personen vorzuführen. Die einfahste Form der Schau- spiele ist jedod die Anwendung der Scbattenbilder, d. h. aus Pappe oder einem ährlichen Stoff verfertigter Silhouetten der Heldengestalten, Der Vorhang, hinter welchem gespielt wird, besteht aus einem weißen Tuche von wenig mehr als Serviettengröße. Da- hinter steht eine besonders fonstruirte Lampe, zwischen die und den Vorhang die ausgeschuittenen Figuren postirt werden, während der Dirigent den Tert dazu spricht. Die in Rede stehende Kollcktion ift dur Hrn. Kapt. Weber, Gouverneur des Königs von Siam in Junk-Ceylon, dem das Museum {on Manches verdankt, auf Ver- anlassung des ia Berlin lebenden Bruders des Wohlthäters, geschenkt worden.

. Vremen, 1. Februar. (Wes. Ztg.) Der hiesigen Geograph i- \{en Gesellschaft ist dur einen mit mehreren Mitgliedern der Gesellschaft befreundeten Kapitän, welcher im Dienste der bekannten Alaska Commercial Compauy den fogenannten Kadiakdistrikt, näm- lih einen Theil der Küsten von Nordalaska und der davor gelegenen Inseln befährt, tie Nachricht über ein zu Anfang Oktober v. F. in Cooks Jnlat sich ereignetes Erdbeben und Fluthwelle zugegangen. Daß die Natriht so spät kommt, erklärt ih daraus, „daß im Winter von San Franciêco aus nur ein fehr spärliber Verkehr nach jenen abgelegenen Gegenden vorkommt. Der Eingang zu Cooks Inlat, welcher fich vom Süd- ufer der Halbinsel Alaska in nordöstlicber Richtung weit ins Land erstredt, liegt etwa auf 600% N, B. und 153% W. L Gr. Das westliche Ufer des Eingangs butet \ich in der Kamishak Bay aus und in diefer liegt eine etwa 7—8 Miles breite Insel, Tscherna- bura, welbe in ihrem nordöstlihen Theile sih zu einem hohen Pik, dem Mount Augustin, aufthürmt. Am Morgen des 6. Dftober v. J., bei völlig heiterem, klarem Wetter, hörten Ansiedler an dem gegenüber auf dem öftlichen Ufer gelegenen English Harbor plöglich cin donnerähnliches Getöse von dem Mount Augustin herz; dichte Rauchwolken s\tiegen aus dem Pik auf und wurden von dem Winde nordöstlih geführt ; bald naher fiel ein feiner Ascbenregèen, und der Himmel verfinsterte sich. Die Asche fiel in der Gegend des Gnglish Harbors so mafssenhaft, daß sie den Boden 4 bi3 5 Zoll hoch bedeckte. Kurz darauf rollten drei mächtige Wellen gegen die Ansiedelung bei English Harbor heran : die erste wurde zu 25 bis 30 Fuß, die beiden folgenden zu 15 bis 18 Fuß Höhe geshätt; glüdliberweise war gerade niedrig Wasser. Im Laufe des Tages kamen noch mehrere bohe Wellen gegen das Land. In der folgenden Nacht sah man Flammen aus dem Pik auflodern, Am 10. November passirte der Schuner „Rädial“, Kapt. Cullin, die Tschernaburainsel, und es fand sich, daß ein aroßer Riß den Mount Augustin vom Giyfel bis zum Wasser in zwei Theile gespalten hatte; fortwährend stieg Rauch auf. Weiter wurde entdcckt, daß in der 7—8 Meilen breiten Straße zwishen der Tschernaburg- insel und dem Festlande eine neue etwa 75 Fuß hohe und 14 Miles weite Insel sid gebildet hatte. Bei der vulkaniscben Katastrophe auf der Tschernaburainsel haben wakbrscheinliÞ 7—8 Aleuten, die sich der Sceotternjagd wegen dorthin begeben hatten, ihr Leben verloren.

__In den leßten Jahren hat man beim Menschen eine Krankheit, die Actinomycose, kennen gelernt, welche dur eigenthümlide Pilze, Strahlenpilze (Actinomyces) verursaht wird. Diese Pilze veranlassen in dem befallenen Körper langwierige Eiterungen, vor- zugéweise des Knochergerüstes und der Brusthöblen (Pleuren) und in den meisten Fällen den Tod des Erkrankten. Der städtiiche Thierarzt Hr. H. C. J. Dunker in Berlin hat kür;lid das bäufigere Vor- kommen des Strahblenpilzes im Schweinefleisb, also ia cinem der wichtigsten meyshlichen Nahrungsmittel nachgewiesen und das Re- sultat feiner Untersuchungen in der anfangs dieses Monats erschie- nenen Nummer der „Zeitschrift für Mikroskovie und Fleischschau * (Verlag von E. Hopf in Spandau), veröffentlicht.

Wir maten fürzlih auf die bei Hrn. M. Babenzien in Rathenow erschienene Zeitschrift eSonntagsruhe“ aufmerksam und theilen heute mit, daß durch die Redaktion genannter Wochen- \{rift, welche si mit mehreren hocangesehenen Männern in Verbindung geseßt, ein „Verein zur Förderung des Volksz- wohls und der Volksinteressen“ gegründet werden soll. Der- selbe verfolgt den löblihen Zweck, für Gründung allgemeiner Biblio- theken in Stadt und Land zu sorgen und die \{led1ien Kolportage- \{riften zu verträngen, auch die Interessen der Schule und ihrer Lehrer zu fördern, dec Gründung von Scbulsystemen, der Wittwen- und Waisenpflege, den der Schule Gntlassenen 2c. \eine besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu widmen. Der gute Zweck wird dem Verein zahlreiche Theilnehmer sichern. Meldungen werden in Ra- thenow erbeten.

; Im Königlichen Schauspielhause ging gestern ein neucs vicraktiges Lustspiel von Hugo Lubliner (Hugo Bürger) „Die Mit- bürger zum ersten Male in Scene und fand beim Publikum eine freundliche, wenn auch nit widerspruchslos gute Aufnahme. Uns scheinen beide Theile, die Beifalls\pender wie die Opponenten gleich- mäßig Recht, also auch gleihmäßig Unrecht ¿u aben: d, h, das Stück hat viele beifallswürdige Vorzüge, aber auch nit wenige den Widerspru berausfordernde Mängel. Jn beiden Beziehungen finden wir den Verfasser noch ganz auf der Höbe früherer Leistungen. Er will ein Lustspiel schreiben und das lustige Element tritt doch rur spärlich aus dem etwas melancholischen Rahmen des Ganzen heraus; er will „unsere Mitbürger“ carakterisiren und was er vorbringt, dcckt sih nicht mit den Erscheinungen des wirklichen Lebens, ja er mat seine humorlofen Mitbürger in vielen Zügen \{lechter als sie eigent- lich find; das gilt im Einzelnen und im Ganzen. Ein alter Baron und Junggeselle, von untadelhaft vornehmem Wesen, der Sinn für die Kunft und nihts als Verachtung und Spott für die Wissenschaft hat, ift doch ein überaus seltsamer Herr; und niht viel naturwahrer gezeihnet ist sein junger Neffe, ein Philosoph, der si anfänglich der Wissenschaft ganz ergeben zu haben cheint, und dann sogenannten aristokratishen Nücken seines Oheims zu Liebe, ein leicbtfertiges Leben beginnen will, wovon ibn \{ließlich eine plöulih hervorbrebende wahre Herzenêneigung zurückhält. Wenn man übrigens „Die Mitbürger“ genauer betrach» tet, so hat man es nicht mit einem Lustspiel sondern mit zwei Stücken, nämli einem bürgerlichen Schauspicl und einem Lust- spiel zu thun. Die ganze Handlung nämlich dreht sich um die Vor- bereitung einer Jubiläumsfeier, welche ein ehrsamer Fabrifbesitzer, der sich aus den kleinsten Anfängen durch eigene Kraft emporgearbei- tet hat, feiert. Der Inhalt des Schauspiels nun, dessen leitende Idee hübsch erfunden und in dem scenishen Aufbau glücklich zum Ausdruck

Georgenstraße 30 ein Concert,

Fabrikanten, defsen Frau der Gegenftand seiner einzigen und darum wahren Jugendliebe gewesen iff. Der Baron ift der Meinung, es handle si um eine leibtfertige Liaison und will das Verhältniß ges waltsam lösen. Der Neffe beftärkt den Oheim in seiner Meinung und ma@t ihn dur diese kleine Intrigue zu seinem, man weiß nit ret, ob freundwilligen oder widerwilligen Brautwerber. Das ift ein abgerundeter, in sich geschlossener Vorgang und wohl gecigs net, unter der Hand eines in der Bühnentechnik so gewandten Autors, wie es H, Lubliner ist, zu einem lebenêvollen Stü aus- gestaltet zu werden. Da dem Autor aber noch einige nit uninter- essante Figuren vorshwebten, finden wir in den „Mitbürgern“ neben dieser Hauptaktion noch ein kleines Nebendrama, welches allerdings der lustigere Theil des Ganzen ist und wohl allein berebtigt, das ganze Stü ein Lustspiel zu nennen. Die Personen des Lustspiels sind eine arme, aber in jeder Beziehung tugendsame Erzieherin, ein hinkender, cdelmüthiger und reicher Privatgelehrter und ein nits- nußiger, übrigens aud nur oberflächli \kizzirter Assessor. Der Privatgelehrte liebt die Erzieherin, will sie abec durchaus mit dem Assessor verheiratben, weil er glaubt, daß diese beiden bereits cin Verhältniß haben. Zum Sgtluß klärt sich natürlich au hier die Satte so auf, daß tie Erzieherin den binkenden Gelehrten liebt, und daß aus diesen beiden cin glücklichcs Paar wird. Man sieht, daß es an interessanten Figuren nit fehlt und die beiden si dur- jeßenden Stücke ergeben „manche gefällige und manche heitere Scene: dazu ist die Sprache gewählt wenn man von einem oder zwei vulgären Ausdrücken absehen will und zuweilen poctis. Lubliner hat offenbar na dem Leben zeichnen wollen; aber man merkt do, w'e er sich zu den ihm vors@webenden Personen die Scenen kfonftruirt und dann wieder wie er nah den {ließlich sich abwickelnden scenishen Vorgängen an feinen Figuren gemodelt hat. Darum eben sind die Charaktere nit wie aus einem Guß und daker rühren mancherkei Unwahrscbeinlich- keiten in der Handlung. Der Dialog ist fließend und interessant und immerhin gewinnt der Zuschauer für die handelnden Hauptpersonen und ihre Schicksale ein tieferes Interesse. Die glückliche Beobach- tungêgabe für mancherlei Aeußerlikeiten des Lebens und Gebahrens typiscber Charaktere, die der Verfasser schon früber in hohem Grade bewiesen, bewährt derselbe au in feinem neuen Stück, damit aker kann ec die Gemüther nicht tief ergreifen; es bleibt zu hoffen, daf es ihm auch noch gelingen wird, aus der Seele und des Herzens Tiefe heraus Menschen zu erkennen und zu reproduziren. Die Be- Jeßung der Rollen war eine gute und darum die Darstellung im Einzelnen und im Ensemblespiel cine wohl gelungene. In erster Linie haben wir Hrn. Berndal zu nennen, der den alten Baron Klee- wiß mit jener vornehmen Bonhommie gab, welche nur ihm eigen ist: neben ihm steht gleib würdig, Hr. Vollmer, welcher den hinkenden Privatgelehrten Dr. Henning mit vollendeter Meisterschaft in Ton und Benehmen charakterisirte und seine Rolle mit einer Fülle feiner humorvoller Züge auéstattete. Hr. Müller hatte als junger Dr. von Kleewiß mit den Schwierigkeiten seiner Rolle zu kämpfen und gefiel besser in den ersten als in den letzten Akten. Mehr Glück hatte Hr. Liedtke, der sih als widerwilliger Pantoffelheld recht hübsch aus der Affaire 49g. Bon den Damen hatte Frl. Mey-r die am meisten \ympathische Aufgabe, die tvgendhafte und fals beschuldigte Erziehcrin darzustellen und entledigte sih derselben mit der gewohnten Liebens- würdigkeit und Sicherheit des Auftretens. Fr. Frieb-Blumaucr zeigte ihre unübertresflibe Gestaltungékraft auch als Frau Antonie Bau- mann und Frl. Abi verstand- als naive Fabrikantentocter Anna berzlide Töne zu finden und auf das Publikum erfriscend zu wirken. r. Kakble-Keßler gab Frau. Sylvia von Walbeck mit Geschiä lebendig und nicht ohne Humor. Auch alle Übrigen mitwirkenden Kräfte fügten sih angemessen dem Ensemble ein.

Das Repertoire des Deutschen Theaters für die vrâcbste Woche bringt außer den „Journalisten“ «von Gustav Freytag, wele zuerst am Montag zur Aufführung kommen, Wiederholungen von „Richter von Zalamea“, «Probepfeil“ und „Don Carlos*, Gegen Ende der Woche wird mit Hrn. Barnay, welch{er von feinem Urlaube zurückchrt, auch „König Lear“ wieder in Scene gehen.

Der Derlin er Dilettanten- Orchesterverein, welcher sich im verflossenen Jahre in einem öffentlichen Woblthätigkeits- concert dem musikliebendea Publikum Berlins sehr vortheilhaft be- fannt gemat hat, veranstaltet au in diesem Jahre am 7. d. M, Akends präzise 8 Uhr, im Dorotheenstädtishen Real-Gymnasium, in welchem Professor Rudorf (Duvecture zu „Otto der Süß“) und der durch Di N wohlrenommirte Pianist Hr. Lambert aus New-York (u. A. G-moll- Concert von Saint-Saëns) mitwirken werden. Der Verein, welcher aus mehr denn fünfzig für ihre Kunst begeisterten Viriuosen besteht und von Hrn. H. Urban meisterhaft eingeübt ift, wird u. A. die B-dur-Sirfonie von Niels W. Gade vortragen. Die sih so selten darbietende Gelegenheit, dieses treffliche Dilettantenorchester zu hören, in Verbindung mit dem wohlthätigen Zweck (der Ertrag ist für den Oberlinverein für die Stadt Berlin bestimmt), läßt einen recht zahlreihen Besuch des Concerts erwarten. Billets zu 2 #4 sind bei dem Vorsteher des Vereins, Hrn. Paul Griebel, Königgräter- straße 126, und bei den Herren Bote u. Bo, Leipzigerstraße 37, zu haben. Die Pläte sind numerirt. L

Das Ballf es des Vereins „Berliner Pre e* findet a 16. Februar im Wintergarten des Canteal-d ani O für die Eintrittskarte beträgt „zehn Mark“. Anmeldungen sind bis zum 12. Februar an die nachstehenden Comité-Mitglieder zu richten: Dr. D8car Blumenthal, Königgräterstraße 7811, Dr. Hopfen, Brücenallee 1, DY, Jakobson, Belleallianceplatz 16 De S Kastan, Victoriastra ze 16, Hugo Lubliner, Potsdamerstraße 141, R, Smidt - Cabanis, Puttkamerstraße 16, Georg Schweitzer, Taukenstraße 53 IIL., Julius Schweiger, Schöneberger Ufer Îa., Julius Stettenheim, Lütßowstraße 71.

LiterarisheNeuigkeiten und periodisheScriften,

Deutsches Adélsblatt. Wochenschrift für die Interessen des deutschen Adels beider Konfessionen. Nr. 4, Inhalt: Die Unfallsversiherung. Zur Erziehungsfrage. Rechtspflege in iFideikommißsahen. Der Adel im Sagenkreise des Königreichs Sachsen. Wiener Briefe. Aus dem Kunstleben. Von dem Verein „Nobilitas*. Familiennachrichten. Briefkasten.

N [blatt f

entralblat ür allgemeine Gesundheitspyflege. 1. Heft. Inhalt : Das neue städtishe Hospital in Anima: Bon D P. Müller. (Hierzu 4 Abbildungen.) Moderne Ventt- lationseinrihtungen. Von A. von Fragstein. Zur Krankheits- statistik der Eisenbahnbeamten. Von Lent. Nachweisung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenhäusern aus 54 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat November 1883. Sterblichkeitsstatistik von 57 Städten - der Pro- vinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat No- E Ae, ;

Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Cen- tralstelle für die Landesftatistik. Bas e 303, Inhalt : Gesundheitszustand und Todesfälle im Großherzogthum Hessen vom III. Quartal 1883. Post- und Telegraphenverkehr 1882. Knappschafts-Jnvaliden- und Knappschafte-Krankenkassen-Vereine 1882 (Swluß). Sterblichkeitsverhältnisse Dezember 1883, Meteoro- logishe Beobachtungen zu Darmstadt Dezember 1883.

Redacteur: Riedel,

Verlag der Erpedition (Kes\\ el). Druck: W. Elsner.

Berlin:

91 388. 93578. 93669. 94 768.

gebracht ist, ift folgender. Ein alternder, unverheiratheter Edelmann entdedt die Liebe seines jungen Neffen zur Tochter jenes ehrsamen

Bier Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage).

E

Sée

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 29.

Berlin, Sonnabend, deu 2. Februar

134,

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 2. Februar. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (39.) Sißung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1884/85 mit der Diskussion des Etats des Ministeriums der geist- lihen 2c. Angelegenheiten (dauernde Ausgaben Kap. 119 Universitäten) fortgeseßt. L

Der Abg. von Zihewiß erklärte, auch er finde, daß der Fogenannte Früh- und Abendschoppen bei der hiesigen Studentenschaft im Uebermaß genossen werde, wie €s scheine, erblide die Studentenschast in diesem Hingeben an die leiblihen Genüsse eine gewisse Force. Jndeß das nur nebenbei, seine Bemerkungen sollten sich gegen die Ausführungen der Abgg. Reichensperger und Windthorst über das Duellwesen rihten. Da müfse er bekennen, daß er noch auf einem anderen Standpunkt stehe. Er wolle vorweg bemerken, daß er gegen alle Auswüchse des Duellwesens sei, als solche nenne er namentli die Pistolen- und Säbelmensuren ohne Binden und Bandagen. Er müsse aber darauf aufmerksam machen, daß im Jahre 1882 der Kösener Seniorenkonvent n mit diesen Auswüchsen befaßt, und Bestimmungen getroffen habe, die zu der Hoffnung berechtigten, daß diese Auswüchse bald aus dem studentishen Duellwesen vershwinden würden. Nun möchte er aber einige Worte einlegen für die Corpsstudenten. Auf diesen Corps werde, wenn er so sagen dürfe, Jahr für Jahr mit einer gewissen Regelmäßigkeit Erbsen gedroschen. Ér kónne nun vorweg sagen, daß der Corpsstudent Tüchtigkeit und Ernst auch im späteren Leben nicht vermissen lasse. Er möchte in dieser Beziehung nur darauf hinweisen, daß von den Ministern fünf Corpsstudenten gewesen seien, und daß auch in der Fraktion des Centrums mehrere Geist- liche säßen, von denen man wisse, daß sie recht tüchtige Corps- studenten gewesen seien, und ihre Klinge ganz rechtschaffen ge: shwungen hätten. Es sei doch nit zu verkennen, daß seit der Aufhebung der Universitätsgerichtsbarkeit und in Folge der alljährlih wiederkehrenden Behandlung der Sache hier im Plenum gegen die Corpsstudenten eine polizeiliche Hebjagd eröffnet worden sei, sei man doch aus Anlaß des Würzburger Falles so weit gegangen, gegen sämmt- lie Corpsburshen die Anklage zu erheben, deren Namen aus den Paukbüchern bekannt geworden seien. Das sei doh allzusehr über das Ziel hinausgeschossen. Wenn in dieser Nigorosität gegen die Corpsfstudenten fortgefahren, und ihnen die Möglichkeit genommen werde, ihre Konflikte ihren Neigungen gemäß zum Austrag zu bringen, so würden sie {chließlich zum Knüppel greifen, und die ritterlihe Art und ‘Weise, die doch immer eine Art Waffenübung genannt wer- den könne, werde verschwinden. Nun möchte er noch auf eins verweisen. Von den Gymnasien kämen zur Universität sehr häufig sehr nette junge Leute mit glatten Gesichtern, verzärtelte Muttersöhnhen, und träten in ein Corps ein. Für diese jungen Leute habe die einfahe Mensur als Waffen- übung durchaus einen exziehlihen Charakter. Er habe außer- dem niemals erlebt, daß wirklich an der Mensur direkt Jemand eingegangen gestorben sei. Es komme ja vor, daß, wenn ein Student seine gehörigen Schmisse habe, der)elbe uicht regulär be- handelt werde und zu früh sih dem „Frühschoppen“ hingäbe, nachher an der Kopsrose u. \. w. sterbe, daß aber ein Student direkt bei der Mensur gestorben, habe er niemals erlebt. Er bitte s{ließlih, nicht zu hart mit diesem Theile der Sludentenschaft ins Gericht zu gehen, und die Schläger- mensuren nicht zu verurtheilen, die wirklich eine erlaubte Waffenübung seien, in der Weise, wie es hier oft geschehen sei. Er glaube, das schieße etwas über das Ziel hinaus.

Hierauf ergriff der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten Dr. von Goßler das Wort:

Meine Herren! Seit einigen Jahren ist es Sitte, daß wir bei den Universitäten-Etats unsere Wahrnehmungen und Urtheile aus-

tauschen über die verschiedenen Zweige des Universitätslebens von Studenten bis zum Professor, und ich will mich auch in diesem Jahre dem nicht entziehen, obglei bisher in der Diskussion Angriffe, welche meinen Widerspru hervorrufen könnten, nicht vorgekommen find. Ich will von den Studirenden zu den Professoren allmählich auf- steigen und mich streng an diejenigen Themata halten, die von den Herrn Vorrednern angeregt sind.

Dem Hrn. Abg. Reichensperger muß ich darin beitreten, daß, was das sogenannte Duellwesen der Studirenden anbetrifft, das Reich8geribt durh fein Urtheil einen erhebliden Abschnitt in unserem Universitätsleben gemacht bat. Jch habe dieses Urtheil den Universitätékuratoren mitgetheilt. Die Folgen davon können ja als günstig oder ungünstig beurtheilt werden; ih kann aber bezeugen, daß Klagen über Auss{reitungen im Duellwesen mir nicht zu Ohren ge- ommen find. Was den Fall in Aachen anbetrifft, der allerdings in mein Rcssort fällt, so ist derselbe vorgekommen zwischen zwei Aus- ländern, die nah threr ganzen Erziehung mit dem deutschen Studenten absolut nichts gemeinsam haben. Daß die Herren auf Pistolen lo8gegangen find, häugt damit, daß fie als Schüler der technisben Hochschule zu betraten sind, nicht im Mindesten zusammen, und ist der preußischen Unterrichtsverwaltung in keiner Weise anzurechnen.

Meine Stellung zu diesem Mensurwesen will ich nit weiter deklariren, ih habe es \chon früher gethan. Um der Wahrheit zum Recht zu verhelfen, muß ih aber den Hrn. Abg. Reichensperger auch daran erinnern, daß in dem Augenblick, wo das reichsgerihtliche Er- kenntniß publizirt wurde, im Reichstage unter den Genossen aller Fraktionen ein Gesetzentwurf zirkulirte, welcher beabsichtigte, die Wirkungen jenes Erkenntnisses auf das \tudentisce Leben einzu- s{bränken und zwar, meine Herren, aus dem einfahen Grunde es ist das, glaube i, {on angedeutet worden weil immer eine ge- wisse Gefahr vorliegt, durch das Ausschütten des Kindes mit dem Bade neue Schwierigkeiten zu erzeugen. Was den Frübhschoppen bettifft, so haben wir uns darüber auch {on ausgesprochen, und ih glaube, wir haben im großen Ganzen eine Uebereinstimmung erzielt. Ich möchte mich der Ansicht des Hrn. Abg. Windthorst anschließen, daß wir vor allen Dingen an uns selbst zu reformiren gut thun werden, d. h. in denjenigen Schichten der Bevölkerung, die an Lebensalter, an Er- fahrung und Vermögen höher stehen wie unsere Studirenden. Ich habe selbs auf drei Universitäten \tudirt und habe keinen Früh»

choppen getrunken, obschon ih ein Corpsstudent war. Als ih ins Leben trat, habe id gesehen, daß in alle Schichten der Bevölkerung der Frühschoppen sich bereits tief eingebürgert hatte. Soweit ich Übersehe, ist derselbe niht von den Universitäten in die übrigen Gesell- shaftskreise übergegangen, sondern umgekehrt als allgemeine öFentliche

| der richtige Weg ist.

Sitte nach der Universität gelangt. Damit will ich den Früh» \cchoppen keineswegs entschuldigen, ih bin im Gegentheil der Meinung, daß er die unmittelbare Veranlassung ift für eine ih vielfah kund- gebende Arbeitsuntüchtigkeit und Arbeitsunfreudigkeit,

Unmittelbar damit zusammen hängt cine andere Beobachtung, die ih gemacht habe, und das wird die einzige Bemerkung sein, die vielleiht außerhalb des Rahmens der bisherigen Diskussion fällt; das ift die veränderte Zeiteiniheilung der Studirenden an kleineren Universitäten. In den großen Städten sind wir vermöge unseres ganzen Geschäfts- und öffentliben Lebens, hervorgerufen dur Wohnungsentfernungen und andere Urfacten, dabin gebracht worden, unsere Mittagszeit anders einzurichten; aber für kleinere Verhältnisse, besonders für kleinere Universitäten, fehlt es an einer solden Ver- anlassung. Gleihwohl* findet sich doit die Sitte, meines Erachtens die Unsitte, daß zur Zeit, wo man {on an das Mittagessen denken könnte, die Frühshoppenstunde so lange sich ausdehnt und erst zu einer Zeit zu Mittag gegessen wird, wo dies auch in größeren Städten unter ganz anderen Lebensverhältnissen gesbicht. Häufig erst um 5 und 6 Uhr findet vielfah auch an kleineren Universitätsorten das Mittagefsen statt, meines Erachtens zum Nactheil der ganzen Lebens8einricbtung, und das führt mi unmittelbar darauf, was der Hr. Abg. Graff gesagt hat über die mangelnde Neigung der Studen- ten zum Aufenthalt und zur Bewegung im Freien, Jch für meinen Theil beklage aufs tiefste, wenn Studirende în der dazu günstigsten Zeit ihres Lebens nicht diejenige Fülle von Kraft gesammelt haben, die sie nacher im bürgerlihen Leben allermaßen gebrauhen. Das können sie niht, wenn sie nicht die Zeit, die ihnen ihr Studium läßt, ausgiebig benußen, nicht blos um si geselligen Freuden hinzu- geben, sondern auch ihre körperlichen Kräfte zu üben. Jch habe {on bei anderer Gelegenheit gesagt, wie ih auch vom Standpunkt der Einschränkung des Duellwesens mich cifrigst bemüht habe, ‘das Tur- nen und überhaupt die Ausübung aller körperlichen Fertigkeiten unter den Studirenden zu fördern, und alle von Ihnen, die beute so freund- lie Worte gesagt haben, können dazu beitragen. Sie brauchen nur Umschau zu halten, um wahrzunehmen, wie gern die jungen Leute dieser Anregung folgen. Wie aber der Hr. Abg. von Zitzewiß gesagt hat, das Vermögen entspriht niht immer dem Willen. Man wen- det fich vieifach an die Unterrichtsverwaltung und ich bin für das Vertrauen durchaus dankbar. Soweit meine besccidenen Mittel reichen, helfe ih auch. Aber wir müssen uns daran gewöhnen, Ab- hülse auf folhen Gebieten niht immer vom Staate zu erwarten, sondern daß die Herren, welche es wohl meinen mit der Jugend, ein ganz befonderes gutes Werk thun würden, wenn sie ihren Beutel öffneten. J erinnere z. B. an den Nuder- und Segelklub in Bonn. Wie dankbar würde derselbe scin, wenn Sie ihm ein gutes Nuder- boot und Segelboot und die erforderlihe Ausrüstung geben wollten. Ich quâle mich mit dem Kuratorium ab, um die paar hundert Mark zusammen zu bekommen. Wenn die Herren etwas Gutes thun wollen für unsere Jugend, dann zeigen Sie sih hier opferwillig und verschaffen Sie ten jungen Leuten die Mittel.

Es ift eine \{chwere Sache, über den Fleiß der Studirenden ein ficheres Urtheil sich zu bilden; einige der Herren haben gesagt, die Studenten sind faul der Hr. Abg. Dr. Virchow hat sie in Su genommen. Eine Enquete darüber anzustellen ist sehr \{wer. Jch kann ja natürli eine Zählung veranstalten, wie viel der Studenten in die Hörsäle hineingehen, aber Sie werden nit meinen, daß dies IH habe es vielfach ausfÿrehen hören, und im Großen und Ganzen geht auch das allgemeine Urtheil iu neuester Zeit dahin, daß, wenn es anders geworden ist, es besser geworden ift, und zwar nicht allein bei den Medizinern, Philologen, fondern ogar bei den Juristen. In neuerer Zeit wird auch namentli aus Berlin versichert, daß die Zahl der jungen Leute, welche {ih mit jaristisHen Vorlesungen, die nicht unmitelbar zu ihrer Nahrung, wenn ih so sagen darf, fürs Examen dienen, beschäftigen, im erheblichen Zu- nehmen ist, und nicht blos diejenigen jungen Leute, welche etwa in juristishe Seminare eintreten, eine größere Fertigkeit und Frische und Leistungsfähigkeit zeigen, sondern auch die jungen Leute, welche fih vor diesen intensiveren Arbeiten \{heuen und nur durch die Theilnahme an den Vorträgen ihren Eifer kethätigen. Wir wollen daëjenige, was gut ift, au als gut anerkernen. Jeder weiß aus eigener Erfahrung: ein Lob spornt oft viel mehr an, als ein unge- recht ausgesprochener Tadel. Darin stimme ih aub mit dem Hrn, Abg. Dr. Windthorst überein, daß die Einpaukereien ein Krebéschaden sind. Ich unterscheide das bewußt von den eigentlichen Repetitorien. Ich selbst habe nie ein Repetitorium gehabt, aber man soll doch nit vergessen, daß es nicht jedem Menschen gegeben ift sih fo zu fonzentriren, daß er im Stande ist, das Pensum von drei Jahren durch eigene Krast und Energie \sich völlig anzueignen. Aber ih muß zugestehen, daß diese Repetitorien sich häufig in der That und das hat der Hr. Abg. Dr. Windthorst in seinen Worten auß wohl mehr gemeint zu eigentlichen Cinpauk.reien gestaltet haben, _daß also junge Leute eintreten in solche Institute, vollfommen baar jedes Wissens, und nit allein repetiren, sondern si alles eintrihtern [assen wollen. Daß diese Studirenden in steigender Zahl im Examen durfallen, gereicht mir zur Befriedigung. Denn meiner ganzen Ueberzeugung nach man mag so lustig und froh und frei leben, wie man will die Hauptsache der Studienzeit bleibt das Studiren und der Glanzpunkt und Schwerpunkt des Studiums auf unseren Universitäten liegt nah meiner Meinung im mündlichen Vortrage. Wer nicht das Glück bat, mit einer gewissen Befriedigung und einem gewissen Genuß an seine Lehrer zurückdenken zu können, deren Vorträge er auf der Universität gehört bat in den wichtigea Disziplinen, der hat meincs Erachtens cine Oede in seinem wissen- schaftlichen Leben.

Von den Studirenden steige ich auf zu den Doktoren und komme hier auf die Promotionen, worüber Einzelnes angedeutet worden ist. Ich habe bereits bei anderer Gelegenheit mih darüber ausgesprochen und möchte hier nur noch anführen, daß „das, was der Hr. Abg. Do, Reichensperger hier mitgetheilt hat Ie 1 annehme, aus seiner Bonner Erfahrung nicht so \{limm ist, als es ibm vielleicht scheint. In Bonn allein bestand beim Doktoriren noch die Noth- wendigkeit ciner Klausurarbeit. Die Folge davon war, daß überhaupt in Bonn so gut wie gar keiner doktorirte. Auf den übereinstimmenden Antrag der betreffenden Fakultäten ist diese Klausurarbeit, weil sie bei anderen Universitäten überhaupt nit bestand _und niht her- gebracht war, aufgehoben worden. Aber was ih früher gesagt habe, kann ih hier wiederholen: in eincr andern Beziehung bin i immer strenger vorgegangen und gedenke noch strenger vorzugehen. Dies be- trifft die juristischen Dissertationen, die juristischen Doktorarbeiten. E3 hat fi in neuerer Zeit und dies ist troß aller meiner Mühe noch nit ganz ausgerottet worden gezeigt, daß auf Grund der Referendariatsarbeiten, urd zwar an bestimmten Universitäten über- wiegend, die Doktorwürde erlangt worden ist. Jch habe das bereits in gewissem Maße beschränkt; es ist mir noch nit vollständig ge- lungen. Jch werde aber in dieser Beziehung nicht nachlassen, damit wirkli diese Ungehörigkeit und diefer Mangel ausgerottet werde.

Die Doktoren führen mich zu den Privatdozenten und extra- ordinären Professoren. Mit dem Hrn. Abg. Dr, Virchow stimme ich in vieler Beziehung überein. In einer Hinsicht hat er mir freilich Vorwürfe gemacht, und nicht allein mir, sondern au meinen Vor- gängern. Diese Vorwürfe betreffen die Frage wegen Verleihung des Charakters cines Professor extraordinarius an Privatdozenten. Hr.

Virchow hat, und zwar mit einer gewissen Berechtigung, gesagt, man \olle

Privatdozenten dicsen Charakter nicht geben, es sei denn, daß eine etats- mäßige Stelle damit verbunden sei. Meine Herren! Das ausnabmslos durchzuführen, ist für den Unterrihts-Minister sehr {wer und wenn Hr. Virchow in meiner Lage wäre, würde er wahrscheinli au fein Herz öfter ersœüttert fühlen. Aber ich räume ein, daß es au scine Schwierigkeit hat, eine rihtigc Grenze zu finden; aber ganz fo \{limm, wie sich der Abg. Dr. Virchow vorstellt, ist es dennoch nit. Wenn wir die einzelnen Fakultäten durchgehen, so finden Sie nit alle auf demjenigen purcitanishen Standpunkt, welchen im All- gemeinen die Berliner Fakultät einnimmt, womit ich aber in keiner Weise andeuten will, daß ih den Standpunkt der Ber- liner Fakultät zum Gegenstand einer abfälligen Kritik machen will. Das sei ferne von mir. Aber im Allgemeinen haben sich{ch in unserer Verwaltung gewisse Grundsätze herausgebildet, in welchen Fällen man Ertraordinariate verleiht, auc in folchen Fällen, wo Fonds dafür nicht unmittelbar vorhanden sind, Das geschieht zunächst dann, wenn Privatdozenten Kollegien lesen, die sei es nah der ganzen Diéposition einer Fakultät, oder sci es nach der Komposition des Lebrerfollegiums niht ausreihend gelesen werden. Jn solchen Fällen ift es in der That doch ein Aft der Dankbarkeit, daß die Unterrihtäverwaltung diese der AUgemeinheit geleisteten Bestrebungen und Dienste der Privatdozenten durch Ernennurg zum Professor extraordinarius aner- kennt. Dies trifft namentlich für die Fälle zu, wo man nach gewissen- hafter Ueberzeugung auch die Erwartung hegen kann, daß aus gewissen Privatdozenturen allmählich bestimmte Lehrstüble sch entwickeln. Denn wenngleib die Unterrichteverwaltung nicht ihre Aufgabe darin sieht, in dem Spezialisiren der Richtung der Zeit zu sehr entgegen zu foms- men, fo ist es doch ganz naturgemäß, daß mit der allmählich si stei- gernden Ausdehnung unserer wissenschaftlihen Fori{ungen sich immer neue Lehrgebiete mit einer gewissen selbständigen Berechtigung heraus®- bilden. Ich will das aber nicht zu sehr drücken. Ih möchte mich nur eben wenden an Hrn. Virchoto, und ih hoffe, Hr. Virchow legt darauf au feinerseits nicht das entscheidende Gewicht, daß er wirk- lih die Meinung festhalten sollte, es werde das wissenschaftliche Proletariat auf diese Weise gefördert werden können. Fch muß von meinem Standpunkt aus wünschen, diesen Ausspruch etwas cinzu- \chränken.

Noch in einer anderen Beziehung möchte ih ibm entgegentreten. Das war seine Besorgniß, als ob unsere politische Situation, nament- lih unsere wirthschaftlihe Politik, den Ervort deutscher Gelehrten nach dem Ausland verhindere. Jenen Zusammenhang will ih nit berühren, ich will mich nur auf das Thatsählicbe beschränken. Man könnte ja annehmen, wenn die thatsächliche Vorau®seßung des Hrn. Virchow wahr wäre, daß bereits im Auslande cine gewisse Sáâttigung eingetreten ist, oder auch daß die deutschen Gelehrten, die hinaus- gegangen find, dort bereits Schule gemact haben. Denn unscre Auf- gabe kann do nit sein, daß wir fortgesetzt unsere jungen Gelehrten, cinen nach dem audern, ¿zur Abgabe in das Ausland heranbilden, wir können nur hoffen, wie das in den Wechselbeziehungen d:s wissen- {aftlichen Lebens in den Kulturländern innerhalb und außerhalb Europas der Fall ift, daß wenn tüchtige Kräfte an das Ausland abgegeben sind, diese allmählich wieder Lebrer heranbilden, die dann die studirende Jugend des betreffenden Landes in ihren Wissen- schaften zu fördern im Stande sind. Ich will hier beispielewcise nur an unsere Beziehungen zu Japan crinnern. Ih kann ja nicht verlangen, daß ter Abg. Dr. Virchow die Bewegung auf dem Gebicte des Gelebrtenexports mit seinem Interesse so begleitet hat wie ih. Aber gerade in der letzten Zeit ist es in Rufland noch vorgekommen, daß im !kletßten Monat zwet ordentliche Pro- fessoren auf sehr wichtigen Gebieten, ein Staatsrechtslehrer und ein Gynäfologe, nah Dorpat gegangen sind. Auch nach Brüssel ist in neuerer Zeit ein deutscher Gelehrter übergesiedelt. Ich muß für die preußische Unterrihtsverwaltung die Anerkennung in Anspruch nehmen, es ist nicht mein Verdienst, sondern ih \prehe nur von der preußisben Einrichtung daß, soweit überhaupt die deutsche Zunge klingt, jeder Professor G mehr oder minder an die preußische Unterritsverwaltung anscließt, er mag in Dorpat fein oder Czernowiß, Genf oder Bern. Ueberall stehen die Herren mit der preußisckea Unterrichtsverwaltung in Verbindung, und überallhin begleitet sie unser Interesse. Jh bin von meinem Standpunkt aus fehr glüclid, daß auch unter meiner Verwaltung nach wie vor die Wechselbeziehung der deutschen Gelehrtenwelt mit der ausländischen eine fehr rege ist. Es ist das einzige Mittel, daß junge Gelehrte in den blühßendsten Jahren ihres Lebens in Ordinariate, in selbständige Stellen, kommen. Jch bin nach unseren Erfahrungen ae nie M der Lage, einen jungen Mann mit 29, 30, 31 Jahren beispielsweife auf einen ordentlichen Lehrstuhl der Philosophie zu seßen. Das ift nur anderwärts möglich. Einen solchen Professor bekomme ih nach weiteren 10 Jahren als gereiften Mann zurück, Noch viel interessanter verhält es #sch mit den Institutsdirektoren. Wir \agen meist, der ist in gutem Profefsorenalter, der in der Mitte der vierziger Jahre an die Spite eines Instituts kommt. Im All- gemeinen ist das nun der Fall, aber meist werden do nur solche Männer gewonnen, die bereits in gleicher Stellung sich außerhalb der preußischen Grenzen bewegt und bewährt haben. Ich will das nur anführen, um anzudeuten, daß wir uns in dieser Hinsicht in einem ganz erfreulichen und frishen Wechselverkehr befinden.

Ich gebe nun weiter auf die Professoren ver, kann niht unterlassen, Hrn. Reichensperger zunächst für seine Erklärungen, die er über den Fall aus i Gedeben al 8 v Ihm angenehm fein zu höôren, daß von dem betreffenden Herrn selbst cin Schreiben nach Breslau gerichtet ist, in welchem er aufs Tiefste bedauert, daß seinet- wegen ein Mißverständniß oder eine Verstimmung bei der Fakultät hervorgerufen werden könne; er sci absolut unschuldig an der Sache und freue sib, den Irrthum näher aufklären zu Éönnen, als ob er vielleicht selber sich beklagt habe; er versichere, daß er ohne Groll aus Breslau geschieden fei. l L

Die j Hh 1E der Vivisektion, die bei den Professoren au wieder berührt worden ist, möchte ich meinerseits ausfchweigen und würde es ganz gethan haben, wenn niht der Hr. Abg. Virhow meine Anfrage an die Fakultäten als überflüssig bezeichnet bätte. Er hat felbst durch seine späteren Ausführungen scinen Ausspruch etwas zurückgeschnitten, und er wird anerkennen müssen, daß es auch von meinem Standpunkt aus und metnen Standpunkt Fennt er It riVli@ - At dag 10 das falle Material Untex allen Umständen ermittele und Uar vor Augen _ lege. ch0. Valle baran Tele, dant. 6s das einige Mittel L. B eine große Anzahl von Täuschungen, in denen sich Viele in der besten Absicht befinden, als irrig hinzustellen, Meine Herren! An diefe Frage knüpft fib weiter die Anregung, welche der Abg. Huysfen ge- gebe hat in Beziehung auf die Einführung eines neuen Kollegs über allgemeine Rechtskunde. Es i} sehr \{chwer, meine Herren, folhe allgemeine Anregungen fofort zu beantworken. Ih könnte darauf antworten, daß, wer sich im Allgemeinen über Ret8verhält- nisse orientiren will, Encyklopädie oder Rehtsphilosophie oder Natur- ret zu hören Gelegenheit hat Das entspricht, wie ich annehme, dem Wunsche des Herrn Huyfsen nicht ; ih nehme an, er wünsche ein Kolleg, in welchem die zur Zeit geltenden Gefeße gewissermaßen kurforish vorgetragen werden. Jch bin aber wieder ftußig geworden, ob ich damit seine Absicht treffe, dadur, daß er auf die Geistlicben und die Lebrer hinwies. Jch glaube, meine Herren, wenn Sie über- haupt den sogenannten allgemein gebildeten Mann als denjenigen bes

und ih zu dauken Breslau