1884 / 34 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Feb 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Darmstadt Benéheim z Dieburg E

Erbach L Groß-Gerau L Heppenheim Z

) o U Z Prov. Starkenburg 301 531,6863 ha

8) Kreis S 60 371,6425 9) v A 62 2044850 10) Büdingen 49 114,8425 ha

99 803,4475 ha 38 851,5850 50 415/6033 59 311,2700 44 923,0400 40 579,1400 37 647,6005

11) Friedberg 57 229,5600 53 842,7100 46 038,0475

398 801,2875 19 571/4050 31 186,2175 19 620,1575

12) Lauterbach

13) Schotten Prov. Oberhessen 14) Kreis Mainz O Be D) Dingen 1) . Oppenheim 333404125 I) RBOCME 33247,5325 Prov. Rheinhessen 138 965,7250 ha Großh. Hessen 767 298,6988 ha Der größte Kreis ift Alsfeld mit 62 204,4850 ha, der kleinste Bingen mit 19 588,3425 ha. Die mittlere Größe eines Kreises ift in Starkenburg 43 128,3816 ha, in Oberhessen 54 8002146 ha, in Rheinhessen 27 482,6355 ba, im Großherzogthum 42 672,9520 ha.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Der Kaiserlihe Regierungs Rath im Reichs - Justizamt, Dr. Paul Kayser, hat die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich in der durch die Bekanntmachung vom 1. Juli 1883 reröffentlihten Fassung nebst den von R.ichswegen erfolgten Ergänzungen und Ausführungsvorschriften aus den Materialien der Gesetzgebung und aus der Proxis der Gerichte und Verwaltungs- behörden in einem bei H. W. Müller, Berlin, kürzlih erschienenen Werke erläutert. Das in Betracht kommende vollständige umfang- reihde Material ist von dcm Verfasser zu Anmerkungen verwertbhet worden, welhe einen fortlaufenden Kommentar zu den dem Wortlaute nach mitgetheilten Bestimmungen des Gesetzes bilden und si durch volle Beherrshung des Stoffes, zweck- mäßige Anordnung und präzise Fassung auszei(nen. Die Aus- sührungsvorschriften des Reichs sind hinter denjenigen Paragraphen, zu deren Ergänzung und Ausführung sie bestimmt sind, wörtlih zum Abdruck gebracht. Die einzelnen Anmerkungen beiacgebenen Randrer- merke, welche den Betreff derselben kurz angeben, sowte cin mit Sorgç- falt bearbeitetes Sachregister erleichtern die Uebersicht über den Jn- balt ter Schrift, welche den betheiligten Behörden und Beamten ein werthvolles Hülfêmittel für die Anwendung der qu. Vorscbriften bieten und auch weiteren Kreisen des Publikums die Möglichkeit, sich über Fragen des praktischen Lebens felbst zu informiren, gewähren wird.

Die Verlagsbuchhandlung J. Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig hat kürzlich zwei weitere Lieferungen (6 und O) des gegenwärtig in acter Auflage erscheinenden „Allgemeinen Land- rechts für die Preußischen Staaten, unter Andeutung der Obfoleten oder aufgehobenen Vorschriften und Einschaltung der jüngeren noch geltenden Bestimmungen berausgegeben mit Kommentar in An- merkungen von Dr. C. F. Kocch* versardt. Die acbte Auflage wird bekanntlib unter besonderer Berücksichtigung dcr Reicbsgesetgebung von dem Ober-Landesgerichts-Rath A. Achilles, dem ord. Professor der Rechte Dre. P. Hinschius, dem Geheimen Ober-Iustiz-Rath R. JFohow und dem Landrichter F. Vierhaus kearbeitet. Die sechste Lieferung enthält den now nit veröffentlibten Theil des zweiten Titels des zweiten Theils (§8 64 kis zum Schluß) sowie den dritten Titel und den Anfang des vierten Titels (§8. 1 bis 89) desselben Theils: in der siebenten Lieferung wird die Fortsetzung des neunten Titels des erften Theils (88. 23 bis 608) veröffentlicht.

Dur den Erlaß der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872, welche in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Bran- d T S fo (A {75ck 1 r ; ; rg derburg, Sachsen und S@lesien Geltung erlangt hat, ift cine tief- greifende Reform ter preußischen Verwaltung eingeleitet worden, welche durch die beiden Gesche vom 30, Juli 1883 über die allge- meine Landeêsverwaltung und vom 1. August 1883 über die Zustän- digkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgeritt behörden einen gcwissen Abschluß erreicht bat. Die genannten beiden Geseke werden am 1. April 1884 vorerst zwar nur in den oben gedachten Kreis- ordnungsprovinzen in Kraft treten ; ihre Inkraftseßung in den übrigen Provinzen ift indessen nach dem Zustandekommen neuer Kreis- und Provinzialordnungen für diese Landestheile gleihfalls in Aus- ficht genommen. Eine historishe und doamatisde QDar- stellung dieser Reformgcsetgebung hat der Professor der Rechte, Freiherr Karl von Stengel in cinem Werke herausgegeben, welches „Die Organisation der Preußischen Verwaltung nach den neuen Reformgeseten * betitelt und in dem Verlage von Dunder u. Humblot in Leipzig kürzlih erschienen ist (Preis 12 Æ). Der Verfasser hat dem Hauptinhalt des Werkes cine die allgemeinen Lehren enthaltende Einleitung vorausgeschickt, in welcher diejenigen Lehren und Begriffe des Verwaltungêrechts erörtert werden, teren Kenntniß eine tnichtige und gründliche CGifassung der neuen Geseße vorausseßt. Das sih hieran an- \chließende erste Buch geshichtlihe Entwickelung

Anfange dieses

bringt die der preußisden Verwaltungs-Organisation seit dem

Jahrhunderts zur Darstellung, welce in folgende Abschnitte gegliedert ift: Ueberblick Uber die Verwaltungs-Organisation zu Anfang dieses Jahr- hunderts Die Reform der Verwaltung unter Stein und Harden- berg Von der Wiederherstellung ter ständischen Provinzial- und Kreisverfassungen bis zur Einführung der Repräsfentativ-Verfafsung in Preußen Von der Einführung der Verfassung bis zum Erlasse der Kreisordr ung vom 13 Dezember 1872 Die neueste Reform- geset:gebung. In diesem Theile des Werks hat der Verfasser u. A. auch die Organisation der im Jahre 1866 mit der Monarchie vereinigten Provinzen wenigstens in den Grundzügen dargelegt. Das zweite Buch ift der syflematishen Darstellung der „Organisation nach der Reform- gesel:gebung“ gewidmet, deren einzelne Abschnitte folgende Themata behandeln: Die Verfassung und Verwaltung der Kreise als Kom- munalverbände Die Verfassung und Verwaltung der Provinzen als Kommunalverbände Die Organisation der Behörden der allgemeinen Landcêverwaltung Die Zuslär digkeit der Ver- waltungébe{örden und der Verwaltungsgerihte Das WVer- ordnungsrccht, das Verfahren und die Zwang: befugnisse der Verwaitungsbehörden Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Aus dem Inhalt diefes Buches heben wir eine für den praktischen Gebrau sehr gecignete, nah Behörden geordnete Zuständigkeitstabelle (Kap. 56—59) hervor, welcher im Anhang noch eine solche na Ma- terien geordnete hinzutritt. Der Verfasser hat in seiner Darstellung die gesetgeberischen Vorarbeiten, die Rechtsprechung, die Literatur und die sonstigen Materialien entsprechend berüsictigt, prinzipielle Er- ôrterungen rein theoretisher Natur nach Möglihfkeit vermieden, und da die Swrift vor Allem das positive Necht zur Darstellung bringen soll, den Standpunkt der Objektivität zu wahren gesucht. Das Werk, dessen BenuBung durch ein ausführli&es Sachregister gefördert wird, ift bestimmt, sowohl den Verwaltungsbeamten der Kreis- erdrungéprovinzen cin Hülfsmittel für die Anwendung der cinsblagenden Vorschriften zu bieten, als auch den VWer- waltungsbeamten derjenigen Provinzen, in welchen die qu. Geseßgebung erst späterhin zur Einführung gelangen wird, sowie dem angehenden Verwaltungsbeamten das Studium der neuen Gefete zu erleihtern. Es wird nah dem vorstehend \kizzirten Inhalt diesen Zweck in vollem Maße erfüllen.

In demse! ben Verlage ist ferrer eine von demselben Verfaffer bearbeitcie Schrift über „Die Zuständigkeit der Verwal- tungsbelbörden und Verwaltungsgerichte nachÞ dem preu- Fischen Zuständigkeitsgesche vom 1. August 1883“ erschienen, deren Hauptinhalt die oben gedachten beiden Zuständigkeitstabellen bilden, welchen cine kurze Darlegurg der Organisation der Berwaltungs8-

bebörden und Verwaltungëgerichte vorangestellt und der Wortlaut des Gesetzes vom 1. August 1883 anges{!ofsen ift. (Pr. 3 X) i

Von tem Antiquariat von Wilh. Koch u. Reimer zu Königs- berg.i. Pr. ist der Anzeiger Nr. 3, „Theologie. Philosophie“, erschienen. Derselbe enthält cin Verzeicniß von 419 Schriften über die genanuten Wissenschaften in alphabetischer Ordnung. Unter den- selben befinden si u. A. viele Auêgaben des alten und des neuen Testaments, Augustinus, Schriften von Luther, Bretschneider, Jeru- salem, Lavater, Scbleiermacher, Tholuck, Herder, Fichte, Hegel, Renan, Rofenkamp, Stabl, Zollikofer u. \. w.

Veterinärwesen. E

Amtlicher Mittheilung zufolge ist die Rinderpest inOdessa erloschen.

HGewerbe und Handel.

In der auf den 10. März d. J. einberufenen General- Versammlung der Aktionäre der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank wird u. A. eire Statutenänderung der Le- \{lußfa}sung unterliegen, welche bistimmen soll, taß das Maximum der Pfandbriefe, welches bisher auf das Zehnsache des eingezahlten Aktienkapitals normirt war, in der Art erweitert wird, daß dem Aktienkapital auch der Spezialreservefond des Pfarobriefge\chäftes bei- gezählt werden darf, was eine Erhöhung des bisherigen Maximums von 342 Millionen auf 371 Millionen zur Folge habe.

Nürnberg, 6 Februar. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held) Das Geschäft verlief in der ersten Hälfte dieser Wocbe ruhig bei vollständig unverändertem Preisftand. Verkauft wurden Montag und Dienstag je 150 Ballen und heute ca. 100 aller Sorten. Die Zufuhr belief sich während der leßten 3 Tage auf zusammen ca. 200 Ballen. Die Notirungen lauten: Württemberger prima 199—195 Æ, do. mittel 170—180 Æ; Hallertaucr prima 190 bis 195 Æ, do. mittel 175—180 A; Polen prima 190—195 M4, do. mittel 170—180 Æ; Elsäfser prima 185—195 #, do. mittel 170—177 4; Gebirashopfen 180—188 4; Marktwaare 170—180 A; Aischgründer 170—185 #4

Veit, 1. Feoruar. (W. T. B) Die Zeiwnung auf die Prioritäten der Pest-Fünfkir{chner Bahn im Nominalwerth von 7 850 000 Fl. ergab über 207 Millionen; es ist demnach eine starke Reduktion der Zeichnungen erforderli.

Antwerpen, 7. Februar. (W. T. B) Wollauktion. Angeboten 2145 B. Laplatawollen, davon 1036 B. verkauft. Buenos- Ayres fest. Montevideo gänzlih vernaclässigt.

Bradford, 7. Februar. (W. T. B.) Wolle nominell, Preise unverändert, Tendenz matt in Folge des Gerüchts ven bevor- stehenden Fallissements und von der bevorstehenden Londoner Woll- auftion, wollene Garne ruhig, Käufer zurückhaltend, wollene Stoffe

unverändert. Verkehrs-Anstalten.

Der um das Berliner Verkehrswesen wohlverdiente Hr. Her- mann Brasch, Theilhaber der Firma Brasch u. Rothenstein, ist gestern Abend gestorben. 2 s

Hamburg, 8. Februar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Rhätia*" der Hamburg - Amerikanischen Padletfahrt- Aktiengesellschaft ist gestern Nachmittag 3 Uhr in New-York eingetroffen.

Dtriest, 7, Februar. (W. T. B,) Der Lloyddampfer „Leda“ ift mit der osftindishen Ueberlandpost heute Mittag aus Alcrandrien hier eingetroffen. Der Lloyddampfer , Diana“ ist heute Nacmttag aus Konstantinopel hier angekommen.

Berlin, 8. Februar 1884.

Ueber eine große Forschungsreise, welche der deutsche Gelehrte, Dr. med, von den Steinen, der bekanatlichß Arzt und Natur- forscher der deutschen Südpclar-Exrpedition nah Süd- Georgien war, gegenwärtig auszuführen im Begriff steht, hat dersclbe ‘soeben an „A. Woldts Wissenschaftlihe Correspondenz“ von Buenos Ayres aus, d. d. 8. Januar, ein Schreiben gesandt, dem wir folgende Stellen entnehmen: „Wir find unserer Drci; Dr. Clauß von der \üd- georgishen Expedition hat sich angeschlossen und ftellt ih die Aufgabe, hauptsählich Orts- und Zeitbestimmungen, Mags netisches, soweit möglich, und Meteorologishes zu üÜber-

nehmen. Der Dritte im Bunde ist main Vetter Wilbelm von den Steinen, ein junger Düsseldorfer Künstler, der bereits im Juni zum Zweck dieser Reise von Europa abgefahren ist. Er bat sich einige Zeit auf der deutschen Seewarte in Hamburg vorbereitct, und die Infstrumcnte mitgebracht. Er ift natürlich unfer „Speztal- artist“, Von der deutshen Südpolar-Expcdition habcn wir den Pailcompaß übernommen. Unsere ursprüngliche Absicht war die Er- forschung des Pilcomayo gewesen. (Der Pilcomayo ist ein großer Nebenfluß des Paraguay-Stroms, welcher nördlich von Potosi in den bolivishen Anden entspringt und eine Stunde lang die Grenze zwishen Argentinien und Paraguay bildet.) Us diese CErsorshung halte ch mich in Südgeorgien speziell vorbereitet. Wir standen aber ab, als wir hörten, daß soeben Mr. Thouar, Mitglied der Pariser geographischen Gesell- schaft, diese Expedition beendet hatte. Ünser jeßiger Plan verspricht, wenn er durchführbar ist, des Juteressanten eher mehr als weniger. Wir wollen von Cuyaká, bis wohin Dampfervcrbindung Sestcht, nörd- lih in die Provinz Mal1to Grofso vordringen und womöglich den Xingu hinabfahren. Wir erwarten nähere Bestimmungen von Rio de Janeiro, ohne die wir noch nichts Bestimmtes formuliren können. So lange bleibt nur Eins sicher: Auëgangspunkt ist Cuyaklá. Gegen- wärtig find Dr, Clauß und wein Vetter in (der argentinischen Stadt) Cordoba zvm Bcsuch und haken gerade mit Dr. Döhring und cinigen anderen Herren einen Auéflug in die Sierra an- getreten.“ Zum nöheren Verständniß muß hinzugefügt werden, daß der Plan des Dr. v. d. Steincn schr kühn ift, denn die beabsichtigte Route führt mitten durch das unerforschte, noch unbekannte Centrum von Südamcrika. Cuyaká ift der weit nach Norden vorgeschobene Posten an eincm Fluß glei en Namens, der ein Beifluß des Paraguay ist und in der Nähe von dessen Quellen in der Serra Azul ent- springt. Jenes Gebiet, das man als das Plateau von Malto Grofso bezeichnet, enthält auch die Qullflüsse des Rio Xingu, von dem aber nur eine kurze Strecke des Obkerlaufes bekannt is. Der ganze Miitel- lauf dieses mächtigen Stromes durch die unbekannten Theile von Brafilien ist niht erforscht, und erst wieder der Unterlauf ist cr- forst, der seine Fluthen der Mündung des Riesenstromes Ama- zonas zuwälzt und zu der ausgedehnten Deltabildurg desselben sehr viel beiträgt.

Hr. Nesper trat gestern im Königlihen Schauspiel- hauje als Leicester in „Maria Stuart“ auf. Das Spiel des Gastes war tief durchdabt, und scine Begabung gestattete ihm, scine Auffafsung der Rolle, den Höfling und Licbhaber, in der natürlichsten Weise zum Auédruck zu bringen. Leichter wäre es Hrn. Neéper ge- worden, das Publikum mit sich fortzureißen, wenn er das Rittecliche im Leicefster mehr hätte hervortreten lassen, aber er vershmähete diese Kaptation, und der große Erfolg, den er mit feinem glatten, carakterschwachen und deshalb weniger \ympathisten Leicester er- ztelte, gereibte ihm zu desto größerer Ehre. Das Publikum, welches das Haus bis auf den leßten Plat füllte, erkannte Hrn, Neépers Leistungen durch den reisten Beifall an und drückte gleichzeitig seine Freude aus, daß der gefeierte Gast der Königliten Bühne dauernd gewonnen ist. Die übrigen Hauptrollcn waren wie früher besett; den Trägern derselben verdient für ihr Spiel die vollsie An-

erkennung.

Im Residenz-Theater hat gcstern Fr. Ellmenreih ihren Gastspielcyclus als Fedora in dem gleichnamigen Schauspiel von Victorien Sardou fortgeseßt und mit der vollendeten Darstellung dieser Rolle neue Triumphe geerntet. Auch der andere Gast des Theaters, Hr. Keppler, als Graf Loris Ipancfff, wurde mit wohl- verdientem Beifall ausgezeichnet. Se tw

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In der Sing-Akademie gab am Mittwoch Hr. Dr. Gustay Wolff wie wir vernehmen, aus Bradford in England bierber übergesiedelt ein Corcert, in weldem sich derselbe zu gleicher Zeit alg Komponist und Pianist dem hiesigen Publikum vorstellte. Was der Concertgeber in ersterer Beziehung (in Gestalt einer Sonate für Pianoforte und Cello, ungarischer Weisen für Violine und Piano- forte, dreicx Sätze aus einer Suite älteren Styls für Klavier und Cello, dreier anderen Stücke für Violine und Piano, mit dem Tite] Romanze, Impromptu und Tarantelle, sowie einer Reibe von Liedern) darbot, bekundete den einsihtigen, wohblstudirten Musiker der namentlich Chopin sehr zu verehren scheint und thema- tisch und modulatorisch sorgfältige Ausarbeitung mit ges fälliger Form zu verbinden sucht. Am vortheilbaftesten stellte ih dieses Streben in dem 3theiligen Fragment aus einer Suite (Canon Sarakande und Gavotte) für Klavier und Violoncell dar, welcheg au beim Publikum vielen Beifall fand; weniger glücklih, weil im melodischen und rbythmishen Charakter nicht rccht getroffen, war er mit den ungarishen Weisen; endlib möchte auch zu erwägen sein, oh es nicht ein Mißgriff war, dem Cello, dessen ganzer Charakter mehr auf die getragene Cantilene binweist, die Mitwirkung und führende Stimme in einer aus 3 Allegrosäßen bestehenden Sonate zuzumuthen Unter den Liedern (nah Geibel, Scenkendorf, Mosen, Storm und Carl Bat) waren mehrere von feiner musikalischer Nachempfir.dung und dramatischer Ausgestaltung ; indessen sind dieselben so \{wierig und erfordern zum Theil einen solchen Stimmumfang, daß ihnen leßtere Umstände troß ihrer Vorzüge vielfach Hinderniffe bereiten dürften. Mit diesen hatte {on eine offenbar fo gut ausgebildete Sängerin wie Frl. Magda Mariot zu kämpfen welhe zwar dem poetishen Inhalt in deutlicher Aussprache und wahrem Gefühlsausdruck vorzüglich gerecht wurde, rein gefanglih aber den zu weit gehenden Absichten des Komponisten Manches \{uldig bleiben mußte. Im Uebrigen wurde der Co: certgeber, wel{ber si felbst als tüchtiger, wenn auch nit technis{ vollendeter Pianist aus wies, durch die Herren Josef Kotek (welher auêwendig und do außer»rdentlich korrekt spielte) und den Violoncellisten Hrn. Otto Lüdemann trefflih unterstüßt.

Der Berliner Dilettanten-Orcesterverein [leitete sein gestriges, zum Besten des Oberlinvereins für die Stadt Berlin veranstaltetes Concert, unter der sicheren Führung des Hrn. Urban mit der Iphigenienouvertüre von Gluck in würdigster Weise ein In dem folgenden Klavierconcert (G-moll) von Saint-Saë«xs, in welchem Hrn. Lamberts Fingerfertigkeit die überaus {{wierigen Passagen des Allegro und Presto mit Leichtigkeit bewältigte, zeigte ih das Orchester in seiner diskreten Begleitung als wohslges{ult Die si daran s\cließende Ouvertüre zu „Otto der Shütz“ wurde vom Komponisten, Professor E. Rudorf, selbst dirigirt, und sicherlich zu dessen höchster Befriedigung ausgeführt. Hr. Lambert spielte sodann auf dem Duyfenshen Flügel 3 Chopinsche Stüe: der saubere Vortrag derselben, namentlich des Impromptus (As-dur), erzielte dem begabten jungen Künstler den lebhaftesten Beifall. Den Schluß des Concerts und gleichzeitig den Prüfstein für das Können der Kapelle bildete die B dar-Symphonie von Niels W. Gade. Auch diese leßte Probe wurde glänzend bestanden. Das Ensemble war vorzüglich, die Melodien kamen im Andante wie im Allegro in der wirkjamsten Weise zum Ausdruck, und auch im s{nellsten Tempo und den schwierigsten Stellen blieb der Takt gesichert ; kurz der Berliner Dilettanten: Orchesterverein hat in dem gestrigen Concert wiederum bewiesen, daß er sich auf der Höhe der Kunst erbalten hat, und daß sein fleißiges Arbeiten kein vergebliches gewesen ist. Die zahlrei er- schienenen Hörer dankten dem Verein füc den musikalischen Genuß durch reihen Beifall. N i

z Concerthaus. Auf das Programm des morgigen Symphonie- Abends hat Hr. Hof-Musikdirektor Bilse, vielseitigen Wünschen na(- kommend, die Serenade in D-dur für Violine, Bratsche und Cello von Beethoven (in mehrfacher Beseßung: 12 V., 8 Br, u. 6 C.) gefeßt. Ferner wird zum Schluß die 2. Symphonie in C-dur von Eduard Lassen wiederholt werden.

Literarishe Neuigkeiten und periodisheScchriften,

Beute Landwirib fili Presse M Inhalt: Décar Brefeld's Untersuchungen über tie Brandpilze und ihre landwirthscaftlidbe Bedeutung. Von Geh. Reg.-Rath Prof. Dr. Julius Kühn, Direktor des landwirthschaftlichen Instituts der Universität Halle a. S I. Feuilleton. Die Landet-Melioration der Nheinprovirnz. Vortrag, gehalten in der Aula der Friedrich- Wilhelms-Universität, Vonn am 3. September 1883, vom Geheimen Regierungs-Rath Dr. Dünkel“erg-Poppelsdorf. (Fortscetzung.) Das Provisorium des Deutschen Reichvereins für Landwirthschaft. Von Dr. H. Thiel, Geh. Ober-Reg.-Rath. Merino-Schaf- und Woll- aus\tellung in Charkow (Rußland). Laacke's Universal-Ackeregge. (Mit Abbildung). Ein oft vernachlässigter treuer Freund des Land- mannes. Erbfenkäferplage betreffend Correspondenzen. Magde- bura, Karlsruhe. Aus dim Rechtsgebiet. Preußischer Landtag. Versammlungen. Sprechsaal. Fragen. Handel und Verkehr.

Monats\chrift für das Turnwesen, mit besonderer Be- rüdsihtigung des Sculturnens und der Gesundheitspflege. Dritter Jahrgang. Heft 2. Inhalt: Abhandlungen: Etwas vom Schwim- men in Coburg. Von Gustav Leutheußer, ädt. Lehrer und Schwimm- lehrer in Coburg. Ueber das Turnen blinder Mädchen. Aus eigenen Erfahrungen von Minna Kreyher in Breslau. Ein Be- richt Ernst Eiselens über die Berliner Turnanfstalt während der Jahre 1813—1816. Mitgetheilt von Alfred Böttcher-Bremen.

Die Arbeiter-Versorgung. Organ für die Staats- und Gemeindeverwaltungsbehörden, Ir.dustriellen 2c. zur Begründung, Ein- rihtung und Beförderung von Hülfékassen im Deutschen Reiche zum Wokle der Arbeiter. Nach amtlichen Mittheilungen und unter Be- nußung amtlicher Quellen herausgegeben von berühmten Volksw!rthen und hervorragenden Verwaltungsbeamten. I. Jahrgang. Nr. 2 und 3. Inhalt : Die Einbeziehung der landwirthschaftliden Arbeiter in den Versicherungszwang. Die Materialien des Geseßes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter.

Milch-Zeitung. Nr. 6. Inhalt: Verband von Genofssen- \ha\tsmolkereien. Von Dr. Plöôönnis. Der Pferdehandel. Von Ableitner. (Fortseßung. ) Ausftellungen. Rußland. Interna- tionale Ausftellung von Merinoschafen in Charkow. Ansteckende Hausthier-Krankheiten. Großbritannien. Maul- und Klauenseuche. Erfahrungen in der Praxis. Einsäuerung (Einkulen, Silos) von Grünfutter, speziel Mais. Uebertragung von Trichinen dur Genuß trichinösen Fleishes. Statistik. Zur Statistik der Vieb- zählung im Jahre 1883. Der Viehhandel Chikagos. Literatur, Noch cinmal ein Wort über Dr. von Klenzes Handbuch der Käserei- tehuik. Die MRindviehzuht. Photographien preisgekrönter Thiere. Verschiedene Mittheilungen. Deutschland. Prüfung der Hufbeshlaas-Scmiede. Vereinigung Angler Viehzüchter. Hol- \teinisches Vieh in Amerika. Patent - Verfahren zur Verrichtung der Trichinen im Schweine fleisch. Scblachtviehmarkt in Breslau. ODesterreih-Ungarn. Einfuhr von Schlachtvieh nah Frankrei. Erleichterter Tranêport von Schweinen nach Norddeutschland. Sprechsaal. Einfluß der Futterstoffe auf den Milchertrag. Schlag- sahne beim Zentrifugen-Betrieb. IT., IT., T1. Herstellung feiner Butter und Molkenfütterung mit Kühen. Berichtigung. An- und Verkäufe von Zuchtvieh. Marktberichte. Anzeigen.

Nedacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kes\s\el). Druck: W, Elsner.

Vier Beilagen (einsch ießlich Börsen-L eilage).

Berlin:

E Een

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den §8. Februar

ff,

M 34.

Deutsches Neieh.

NaGweiqsung der in der Zeit vom 1. bis 31. Januar 1884 innerhalb des deutshen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Zoll- und Steuervergütung abgefertigten Zuckermengen. 1)

P - —— E —— Menge des abgefertigten Zudckers.

Aller übrige harte Zucker, sowie alle weißen trockenen Zucker in Krystall-, Krümel- und Mehlform von mindestens

98 9/9 Polarisation

(Nr. 471 des statistischen

Waarenverzeichnifses)

Robzucker von mindestens 88 9/9 Polarisation (Nr. 472 des statistischen Waarenverzeihni}es)

Kandiszucker und Zucker in weißen vollen harten Broden, {Nr. 470 des statistischen

Staaten, | Waarenverzeichnifses)

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Preußen. Provinz Dpreuzen .. . . —_— Westpreußen . A Brandenburg f - ' J E e 24643 3507071 83753! | 5 000) E d _—_— » F | - J Sachsen eins{ließlich der | j | j Schwarzb. Unterherrschaft 904931| 978 216} 1883 147 283 481| 497 933) Schleswig-Holstein . 242 871| 194 535 437 406 267 943| 468 662)

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Sa, Preußen 1256 762| O 117 148] O | E, | E C —_ ! 18 807! 18 807 Mecklenburg d S l = Braunschweig .. N 211801] 486 0244 697 825 E _- h a _——| f _— | i | I Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet 2 063 914| 2838 444|/ 4902358 1266 682| 1473 088/| 2739 770] 21 305 042/24 879 534) 46 184 576 In demselben Zeitraume 1883 . |2) 1 704247 /2)2211 984/2) 3916231| 1274770| 1 842 997} 3 117 767 2) 23 192 078/226091570/2) 49 283 648 1) Die Nachweisung bezieht sich auf diejenigen Zuckermengen, welche zum Export oder zu einer öffentlichen Niederlage abgefertigt und dadurch dem inländischen Markte entzogen worden sind, nicht also auf die wirklich zur Ausfuhr über die Zollgrenze gelangten Mengen. 2?) Die Abweichungen gegen die vorjährige Nachweisung beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen bezw. Ergänzungen. Berlin, den 6. Februar 1884,

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Kaiserliches Statistisches Amt.

Beer.

den Sonntag zum Werktag machen? Heiße das nicht, den Knaben um die nothwendigste Bedingung seiner sitt- lihen Entwickelung bringen? Die Sonntagsbewegung sei im Fluß. Es werde jeßt allgemein anerkannt, daß die Siche- rung eines ruhigen Plaßes zum Erquicken des Gemüths immer nothwendiger werde. Nach seinem Gefühl möchte er den ganzen Sonntag freigeben, aber er verkenne die Schwie- rigkeiten nicht, und beschränke sih deshalb auf die gottesdienst- lihen Stunden. Das sei aber das Minimum, was verlangt werden müsse. Die Sonntagssitte oder :Unsitte bestehe darin, daß man etwa bis 1 Uhr arbeite, und dann den Nachmittag seinem Vergnügen nahgehe. Die Sonntagsgeseße verfolgten das Prinzip, die Zeit des Gottesdienstes von dem Arbeitsgeräush zu befreien, und doch belästige man diese Zeit durch den Unterriht. Er habe die Denk: chrift der Regierung über diese Frage mit Fnteresse studirt. Diese Denkschrift zäyle 479 Schulen auf, an denen Sonntags Nachmittagsunterricht sei, 166, in denen Vormittags aber außerhalb des Gottesdienstes unterrichtet werde, 182, wo eben- falls am Vormittag und auch während des Gottesdienstes, aber weniger als drei Stunden unterrichtet werde; endlih 70 hätten ziemlich den ganzen Sonntag Vormittag Unterricht. Sein Antrag trefse also nur den kleinsten Theil der Schulen, denn für die vorgenannten 182 würde doch eine Verlegung der Stunden nicht shwer sein. Wenn nun für das Zeichnen Ausdehnung und klares Tageslicht erforderlich sei, so würde sih ja darüber reden lassen, daß der ganze Vormittag zum Zeichnen unentbehrlih sei; aber von den 70 Sqhulen beschäf- tigten sih nur 37 ausschließlih mit Zeichnen, in Berlin hätten von 20 Schulen nur fünf lediglich Heichnenunterricht, die an- deren absolvirten gemischte Lehrpläne, zwei hätten Zeichnen überhaupt niht. Eine unbedingte Nothwendigkeit sei also durch diese Zahlen nicht zu erweisen. Den Schwierigkeiten des Arrangements verschließe er sih niht; aber das Bedürf- niß dieser 37 Schulen könne doch nicht die Veranlassung werden, mit dem absoluten Prinzip der Schonung des Haupt- gottesdienstes zu brechen; es sei ein Fehler der Geseßgebung und Verwaltung, wenn um einzelner Fnteressen willen so gewichtige Prinzipien zurückgesezt würden. Nun heiße es, die Bildung müsse sein, es handle sich nur um zwei Stunden; er aber halte die heutige Zeit für niht danach angethan, die Macht des religiösen Lebens, des Gottesdienstes bei Seite zu schieben. Die 70 Schulen befänden sih fast alle in großen Städten , die sie besuchenden jungen Leute seien die begab- testen und strebsamsten unter den Arbeitern; sie dürften in diesen Centren, wo der Umsturz seine Rekruten sih heranziehe, nicht dazu verleitet werden, vom Gottesdienst geringer zu denken. Darum erfülle man seine wirkli bescheidene, aber unerläßliche Forderung. Jn der Denkschrift heiße es, in den Fortbildungs- schulen finde „selbstverständlich“ kein Religionsunterricht statt. Für so ganz selbstverständlich halte er das freilih nicht; es wäre vielleicht sehr angenehm und lehrreich, wenn zuweilen über einen religiösen Gegenstand gesprochen würde, so hätten ihm ganz liberale Leute versichert. Dagegen könne er si für den Vorschlag, die Sonntagsfortbildungsshulen mit einem kurzen Gottesdienst zu eröffnen, nicht begeistern ; er liebe solche Surrogate nicht, denn man würde sih mit denselben dauernd

Nichtamlliches.

Preußen. Berlin, 8. Februar. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (43) Sizung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurss des Staatshaushalts-Etats für 1884/85 mit der Diskussion des Etats des Ministeriums der geist- lihen 2c. Angelegenheiten (dauernde Ausgaben Kap. 121 Tit. 33) fortgeseßt.

Zu Tit. 33 (Zuschüsse für Fortbildungsshulen 182 000 M) lag folgender Antrag der Abgg. Stöcker und Gen. vor:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen : den Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- angelegenheiten zu ersuchen, Anordnungen zu treffen, daß auch in den Fortbildungs\chulen von nicht obligatorishem Charakter die Erthcilung des Unterrichts während der Stunden des Hauptgottes- dienstes untersagt werde. :

Der Abg. Stöcker befürwortete seinen Antrag. Seine Partei habe bereits in zwei Sessionen diese Sonntags-Ange- legenheit der Fortbildungsshulen zur Sprache gebracht ; habe aber jedesmal von dem Minister gehört, daß derselbe zwar viel Sympathie dafür habe, daß aber unüberwindlihe Schwie- rigkeiten vorhanden seien. Dennoch halte er es für gerathen, diese Frage jeßt prinzipiell zum Ausdruck zu bringen. Er müsse vorweg erklären, daß er ein warmer Freund der Fort- bildungsschulen sei, und bedauere nur, daß sie in Preußen so spät sih entwickelt hätten; es sei für Jeden ja lar, daß die Volksshule einem strebsamen Knaben von 14 Jahren nicht genügen könne, daß es sehr nothwendig sei, daß der Knabe bis zum 17. Lebensjahre noch in geistiger Arbeit und unter sittlicher Zucht lebe. Er halte es für diese Anstalten für ein sehr geeignetes Mittel, tüchtige Persönlich- keiten zu schaffen, die stark würden zum Kar1pf um das Dasein. Er sei sich der Bedeutung seines Antrages nach dieser Richtung hin völlig bewußt; dennoch spreche er es aus, er halte es für nöthig, daß die gottesdienstlihen Stunden, besonders die des Hauptgottesdienstes, vom Unterricht frei blieben. Der Konflikt müsse zu Gunsten des religiösen Lebens gelöst werden. Die Frage führe hinein in die innersten Verhältnisse des Arbeitslebens ; man könne diesem eine materielle, eine geistige und eine sittlihe Bedeutung zu- shreiben, Er verkenne die Wichtigkeit der beiden ersten durhaus nicht, aber ex müsse festhalten, daß man die dritte zu Gunsten der beiden anderen niht bei Seite sieben dürfe. Wenn seine Partei den großen sozialpolitischyen Projekten der jeßigen Zeit die größte Sympathie entgegen- bringe, so könne man sich aber doch erst dann beruhigen, wenn man von maßgebender Seite die hierzu nöthigen sitt- lihen Faktoren geschüßt sehe; diese Faktoren lägen in der

amilie, Schuß der Jugend und ihrer Entwicklung und im onntag. Jn den Fortbildungsschulen träfen diese drei Fak- toren wie in einem Brennpunkt zusammen. Der Knabe werde nah mühevoller Arbeit , die ihn in der Woche der amilie entziehe, noch auch am Sonntag durch den Unterricht derselben entzogen und dadurch entfremdet. Er habe gefunden, daß in manchen Schulen 3—5 Stunden, in Dillenburg sogar Stunden Unterricht ertheilt werde. Heiße das nicht

zufrieden geben und den Gottesdienst erst recht vernachlässigen. Jn manchen Schulen werde ja an die Tafel geschrieben, wann der Hauptgottesdienst beginne, und Denjenigen, die ihn be- suchen wollten, wegzugehen freigestellt. forderung zu folgen, müsse denn doch eine besonderz persön-

Aber um dieser Auf-

liche Geneigtheit für das gottesdienstlihe Leben in dem Betref- fenden vorhanden sei. Die durhgreifendste Abhülfe freilih wäre die Freigebung eines halben Tages in der Woche für den Fortbildungsunterriht. Für unmöglih halte er das nit. «n Osnabrück sei es wenigstens zu Ende der siebziger Jahre so gewesen, daß die Meister sich auf Freigebung des Mitt- wochs von 3 bis 7 Uhr für diesen Zweck geeinigt hätten. Auch die „Ferien“ der Fortbildungsschulen seien zur Abhülfe nicht geeignet; ebensowenig nüße der Hinweis auf den Nachmit- tags- und Abendgottesdienst. Wenn man Charaktere bilden, sitt- lihe Grundlagen schaffen wolle, dann dürfe man den Kindern niht zumuthen, sih aus der Gewohnheit durch persönliche Energie herauszuzwingen zu einem solchen freiwilligen Auf- suchen des religiösen Lebens; das heiße die kindlihe Natur mißkennen, und so habe ihn auch der bezügliche Theil der Denkschrist niht befriedigt. Das Kind frage nicht, solle es die Religion der Bildung oder die Bildung der Religion preisgeben, das bestreite er absolut. Nicht das Kind bestimme in dieser Beziehung, sondern die Eltern. Die Eltern kämen mit ihrem eben eingesegneten Kinde zum Pastor und fragten denselben um Rath. Solle derselbe ihnen ant- worten, sie sollten den Gottesdienst fahren lassen, kultivire etwa das Wisßen und die Bildung allein. Das könnten die Geistlichen nicht. Eben hätten die Kinder bei der Konfirmation ver- sprochen, die Kirche lieb zu haben und sich zum Gottesdienst zu halten; sie gingen hinaus und läsen an den Litfaßsäulen eine Aufforderung zum Besuch der Fortbildungsschulen, welcher sie den ganzen Sonntag vom Gottesdienst fern halte. Hier stehe Verstandesbildung gegen Gottesfurht. Diese beiden Prinzipien brauhten sh aber nicht gegenüber zu stehen. Der Konflikt entstehe erst dadurch, daß man auch die beiden Gottesdienststunden beanspruche, Kultus und Kultur stammten von demselben Wort, und sollten si nit bekämpfen. Jn der liberalen Presse sei sein Antrag als von äußerstem Fanatismus, als von orthodoxer Jdiosynkrasie eingegeben hingestellt. Es sei doch unerhört, daß man die heiligsten Prinzipien nicht vorbringen könne, ohne daß man in jener Presse der einseitigsten und schiefsten Beurtheilung verfalle. Mit dem, was er in diesem Antrage vertrete, stehe er keines- wegs vereinzelt da. Die brandenburgische Provinzial-Synode habe einen Antrag von derselben Tendenz mit 94 gegen 26 Stimmen angenommen. Und unter der Majorität hätten sich durchaus liberale Leute befunden. Ebenso hätten liberale Schriststeller, selbst solche, die sih dem Standpunkte des Professors Jürgen Bona-Meyer sehr näherten, sich in demselben Sinne geäußert. Jn den 70er Jahren habe die {lesishe Sektion der Bildungsvereine, in denen doch gewiß kein orthodoxer Fanatismus herrsche, sih dahin ausgesprochen, daß ber Fort- bildungsunterriht am Sonntag nicht stattfinden sollte. Zur selben Zeit ließen sih auf einer Protestantenvereins-Versammlung zu Heidelberg liberale Geistliche, darunter auch Berliner, in der- jelben Richtung vernehmen. Er wolle die sozialdemokratischen Stimmen nicht citiren, aber dem Arbeiterstande wolle seine Partei doch nügen; und sprächen sih nicht jene agitatorischen Stimmen mit wahrer Wuth gegen die Sonntagsbeschäftigung aus? Von einer religiösen oder politischen Parteifrage könne also ebenfalls nicht entfernt die Rede sein; die Frage treffe das ganze Volk, und deshalb empfehle er dem Hause den An- trag zur Annahme oder ernstesten Erwägung.

Der Abg. von Schenckendorff erklärte, was seine und seiner politishen Freunde Stellung zu dem Antrage Stöcker betreffe, so werde dieselbe der Abg. Natorp kennzeihnen: er wolle lediglich zu dem gegenwärtigen Etatstitel reden. Er freue sih über die Fortschritte, welhe nach der vorliegenden Denkschrift das Fortbildungswesen gemacht habe. Er fei dem Minister ferner für den Erlaß vom 14. Januar bezüglich der Fortbildungsschulen dankbar. Die in demselben aufgeführten Grundzüge seien ein Fortschritt gegen den Erlaß von 1874, die Ziele der Schulen seien fkompetenter, die Lehr- gegenstände auf drei, Deutsh, Rechnen, Zeihnen be- shränkt, was namentlih der Handwerkerstand mit Freuden begrüßen würde, da der Erlaß die Errihtung von Fortbil- dungsschulen sehr erleihtere. Auf diese Weise würden \sich gewiß weit mehr Gemeinden bereit finden, Fortbildungss{hulen einzurichten. Er möchte nur einzelne Wünsche zur Erwägung geben : er bitte die Regierung, die” als mustergültig erkannten Lehrbücher und Vorlagen für das Zeichnen mehr zu publiziren, und den Fortbildungsschulen zugänglih zu machen. Sodann möchte er eigene Lehrer für diese Schulen ausgebildet wissen, wie es in Desterreich sei. Ferner bitte er, den Gemeinden, welche nicht viele Mittel bereit hätten, reihlihere Zuschüsse zu gewähren. Wenn der Erlaß in Wirkung getreten sei und Jeine Wünsche Gehör finden würden, so werde ein segensreicher Erfolg nicht ausbleiben.

Der Abg. Dr. Freiherr von Heereman erklärte, au er sei ein besonderer Freund der Fortbildungsschulen und habe aus der Denkschrist mit Freude von ihrem sehr günstigen Fortgang Kenntniß erhalten: Bereits beständen 644 städtische und 617 ländliche Fortbildungsschulen mit 5000 resp. 10 000 Besuchern. Er fürchte nur, es werde zu viel Theorie ge- trieben und auf die praktishe Seite geringerer Werth gelegt. Grammatik u. dergl. gehöre nicht in diese Schulen, auch Geographie und Geschihte müßten mehr in den Hintergrund treten. Durch Halbbildung shade man der Bevölkerung mehr, als man ihr nüße. Einen allgemeinen Lehrplan für alle diese Schulen wünsche er nicht, derselbe würde einen indirekten Zwang für die Gemeinden in sich schließen, welhe über das Bedürfniß und die Zahl der Lehrgegenstände nach praktishen und örtlihen Ver- hältnissen besser entschieden. Denselben Antrag, wie der Abg. Stöcker, habe er im vorigen Jahre als Mitglied des tecni- schen Unterrichtsrathes gestellt, habe aber damals mit demselben fast ganz allein gestanden und auch die politischen Freunde des Abg. Stödler hätten ihn im Stich gelassen. Wenn sie ihre

Auffassung jeßt geändert haben sollten, so würde ihn das sehr