1884 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Feb 1884 18:00:01 GMT) scan diff

I - a n E O E: T N P: Ai E

Königlich Bayerische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. 13. Februar. Oesterreicher, Pr. Lt. vom 4, Jäger-Bat, unter Beförd. zum Hauptm. und Cowp. Chef, in das 9. Inf. Regt. verseßt. Heerwagen, Major und Baitr. Chef, zum etatêmäß. Stabsoffiz. im 4. Feld-Art. Regt, Ulrich, Pr. Lt. des 16. Inf. Regts., bisher kommandirt als Aufsichtsoffizier zur Kriegs- \chule, zum Lehrer an den Militär-Bildungsanstalten, vorläufig unter Belaff. im Kommandoverhältn. ernannt. Dietl, Pr. L. i. 10, Inf. Regt. Vogl, Pr. Lt. im 13. Inf. Regt, Beide als Comp. Chefs, Frhr. v. Hofenfels, Pr. Lt. im 1. Ulan. Regt., als Escadr. Chef, Fuchs, Pr. Lt. im 2. Feld-Art. Regt., Pöller, Pr. Lt. im 4. Feld-Art. Regt., Beide als Battr. Chefs, zu Hauptleuten (Rittm.), Halder, Christoph, Sec. Lts. im 3. Feld-Art. Regt., Frhr. Haller v. Hallerstein, Sec. Lt. im 4. Feld-Art. Regt., zu Pr. Lts. be- fördert. v. Luß, Major vom Generalstabe, Ritter v. Wieden- mann, Hauptm., dieser unter Enthebung von der Funktion als Lhrer an den Milit. Bildungsanstalten, jedo unter Belassung à la suite des vorgen. Truppenthcils, dem 1. Feld-Art... Regt. zur Dierftleist. zugetheilt. /

n Berl aubtenafle 13 Februar Braun, Kleitner, Secc,. Lts. im Beurlaubtenstande, im 4. Feld-Art. Regt., zu Pr. Lts. befördert.

Abscbiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 7. Fe- bruar. Frhr. v. Gumppenberg-Pöttmeß-Peyrbach, Pr. Lt. z. D., der erbetene Abschied mit Pens. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. bewilligt. 8. Februar. v. Oelhafen, Major und etatêmäß. Stabsoffiz. des 1. Ulan. Reats., der erbetene Abschied mit Pens. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. bewilligt. 9. Februar. Ritter v. Rogister, Major und Bats, Commandeur des 1. Fuß-Art. Regts., der erbetene Abschied mit Penf. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif., unter Ver- leibung des Charakters als Oberst-Lt. bewilligt. 10. Februar. Ritter v. Str öbel, Major von der 2. Fugen. Direktion, der er- betene Abschied mit Pens. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. 9. Februar. Nachgenanuten Offizieren des Beurlaubtenstandes der erbetene Abschied crtheilt, und zwar: Frhr. v. Gienanth, Sec. Lt. des 3. Feld-Art. Reats., diesem mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif., Bender, Sec. Lk, des 8. Inf. Regts, Rösler, Sec. Lt. des 4. Chev. Regts., Papenhagen, Sec. Lt. des 2. Feld-Art. Regts, Kolb, Sec. Lt. von der Res. des 9. Inf. Regts, verabschiedet.

Im Sanitäts-Corps. 8. Februar. Dr Det d: Ober-Stabsarzt 1. Kl. und Regts. Arzt des 3. Feld-Art. Regts, unter Verleih. des Charakters als Gen. Arzt 2 Kl., der erbetene Ab- {chicd mit Pens. und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform bewilligt. Dr. Seggel, Ober-Stabsarzt 2 Kl. vom 2. Inf. Regt., als Regts. Arzt zum 3. Feld-Art. Regt., Dr. Feuerbach, Stabs- arzt vom 17, Inf. Regt., als Bats. Arzt zum 2. Pion. Bat., Fla\ch, Alt. Arzt 2, Kl. vom 6, Inf. Regt, zum 8. Inf. Negt. verseßt. Dr, Apoiger, Stabs- und Bats. Arzt vom 2. Pion. Bat., als Regts. Arzt im 17. Inf. Regt., zum Ober-Stabsarzt 2. Kl., Dr. Petri, Assist. Arzt 1 Kl. im 2. Inf. Negt., zum Stabsarzt, Dr. v. Orff, Assist. Arzt 2, Kl. im 1. Schweren Reiter-Regt., zum Assist. Arzt 1. Kl.,, Dr. Sartorius, Assist. Arzt 1. Kl. des Beurlaubten- standes, zum Stabsarzt, Dr. Gaigl, Dr. Mayr, Dr. Eschen - Hurra, Dr, Wunderlich; Dr. Dietrich, Dr, Bail, Dr, No chck ling, Willigens, Assist. Aerzte 2. Kl. des Beurlaubtenstandes, zu Assist. Aerzten 1. Kl. befördert. Dr. Vogl, charakteris. Ober- Stabsarzt 1, Kl. und Regts. Arzt des Inf. Leib-Regts., ein Patent feiner Charge verliehen. Dr. Maiberger, Ober-Stabsarzt 2. Kl. und Ngts. Arzt des 2.Schweren Reiter-Regts., als Ober-Stabsarzt 1. Kl., Dr, Ritter Stransky v. Stranka und Greifenfels, Stabs- arzt von der Leibgarde der Hartschiere, Dr. Rußwurm, Stabs- und Bats. Arzt des 3. Jäger-Bats., als Ober-Stabsärzte 2. Kl., chgraf- terisirl. 9, Februar. Dr, Hausmann, Assist. Arzt 2.! Kl, des 5, Inf. Regts., in den Beurlaubtenstand des Sanitätscorys ver- eßt. 10. Februar. Dx. Rabl, Affsist. Arzt 2. Kl. des Beur- laubtenftandes, verabschiedet.

X13, (Königlich Württembergisches) Armee-Corps.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im Beurlaubtenstande. 7, Februar. Frhr. v. Zeppelin, Pr. Lt. von der Landw. Kav. des Res. Landw. Bats. Nr. 127, zum Rittm. befördert.

Absciedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 7. Fe- bruar. Schiele, Major und Bats. Commandeur im Inf, Negt. Nr. 126, mit Pens. und mit der Regts. Unif. zur Disp. gestellt, unter Verleih. des Charakters als Oberst-Lt, Ma ier, Major und etatsmäß. Stabsoffiz. im Inf. Regt. Nr. 120, der Abschicd mit Penf. und mit der Regts. Unif. bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. 7. Februar. Erhardt, Sec. Lk. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 123, der

Abschied. bewilligt. Kaiserliche Marine.

__ Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen 2c. Berlin, 14, Februar. Landfermann, Lt. zur See, zum Kapitän- Lt, v. Basfewiß, Spengler, Meyeringh“ Ludewig, Dehmdcke, Koblit, Unter-Lts. zur See, zu Lts. zur See befördert. v. Treuenfeld, Kapitän zur See, mit Pension und seiner bisher. Uniform, Riebold, Sec, Lt. der Seewehr des See-Bats. vom 2. Bat. Landw. Regts. Nr. 5, als Pr. Lt, mit seiner bisherigen Uniform, Ballaseyus, Unter-Lt. zur See der Res. vom 1. Bat. Landw. Regts, Nr. 76, der Abschied bewilligt.

Nichtamfklicßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 20. Februar. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz empfing gestern Vormittag 11!/2 Uhr den Kammerherrn Grafen von Rödern und nahm hierauf militärishe Meldungen entgegen.

Am Abend wohnte Se. Kaiserliche Hoheit von 7 bis 8 Uhr der Vorstellung im Opernhause bei und begab Sich sodann nah der Sing-Akademie, um mit Jhrer Kaiser- lihen Hoheit der Kronprinzessin dem Concert des italienischen Sängers Sigr. Mancio beizuwohnen.

Um 91/5 Uhr fuhren die Höchsten Herrschaften zur Soirée bei dem Fürsten Anton Radziwill,

Nachdem der an den Kaiserlihen Gesandten in Washington gerichtete Erlaß, betreffend den An- irag des hiesigen amerikanishen Gesandten auf Uebermitte- lung an das Präsidium des Reichstages einer auf den Tod des Dr, Lasker bezüglihen Resolution des amerikanischen Repräsentantenhauses, in der Presse vielfah besprochen und zu allerhand Entjtellungen Anlaß gegeben hat, sind wir in die Lage verseßt, nachstehend den Wortlaut jenes Erlasses zu veröffentlichen :

Friedrihsruh, den 9, Februar 1884.

__ Der Gesandte der Vereinigten Staaten von Amerika hat mittels der abschriftlich beigefügten Note vom 1. d. Mts. den ebenfalls angeschlossenen Text eines Beschlusses des ameri- kanishen Repräsentantenhauses, vom 9. v. Mts., in welchem dem Vedauern des Hauses über das Ableben des Dr. Eduard Laéëker Ausdruck verliehen wird, hierher übersandt.

Jede Anerkennung, welche die persönlihen Eigenschaften eines Deutschen im Auslande finden, kann für unser National- gefühl nur erfreulich sein, insbesondere wenn sie von einer so hervorragenden Körperschaft ausgeht wie das amerikanische NRepräsentantenhaus. Jch würde deshalb die Mittheilung des Herrn Sargent dankbar entgegengenommen und Se. Majestät den Katser um Ermächtigung zur Vorlage derselben an den Reichstag gebeten haben, wenn rniht die Resolution vom 9. v. Mis. zugleih ein Urtheil über di2 Nichtung und die Wirkungen der politischen Thätigkeit des Abgeordneten Lasker enthielte, welhes mit meiner Ueberzeugung im Wider- spruch steht.

Es heißt in der Resolution mit Bezug auf den Verstor- benen, daß his firm and constant exposition of free and liberal ideas have materially advanced the social, political and economic condition of those people. Nach meiner Kenntniß des Herganges der politischen und wirthschaftlichen Entwickelung des deutschen Volkes kann ih dieses Urtheil nicht als ein solches ansehen, welches den von mir erlebten Thatsachen ent- spricht. Jch würde niht wagen, mein eiaenes Urtheil dem einer so erlauchten Körperschaft, wie das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten, gegenüberzustellen, wenn ih nicht bezüglih der inneren Politik Deut:hlands durch eine mehr als 30 jährige aktive Betheiligung an derselben eine Erfahrung gewonnen hätte, die mich ermuthigt, auh meinem Urtheil innerhalb dieses Gebietes eine gewisse Kompetenz beizulegen.

Jch kann mich niht entschließen, bei Sr. Majestät dem Kaiser die nöthige Ermächtigung zur Mittheilung der Reso- lution des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten an den Deutschen Neichstag zu beantragen, weil ih dazu ein Urtheil mir amtlih aneignen und bei Sr. Majestät ver- treten müßte, welches ih als zutreffend nicht zu erkennen vermag.

Euer Hochwohlgeboren ersuGe ih, vorstehende Mitthei- lung dur Vorlesen zur Kenntniß des Herrn Staats- sefretärs Frelinghuysen zu bringen, und demselben Abschrift davon zu lassen, ihm auch unter dem Ausdrucke meines Be- dauerns, daß ih dem kundgegebenen Wunsche niht nachzu- kommen vermöchte, die beigesügte amtlihe Ausfertigung der Resolution des Repräsentantenhauses zurückzustellen.

von Bismarck.

Sr. Hohwohlgeboren dem Kaiserlichen Gesandten Herrn von Eisendecher, Washington. Legation of the United States. Berlin, 1st February 1884.

The Undersigned Envoy Extraordinary and Minister Plenipotentiary of the United States of America has the honor, under instruction from his government, to enclose to His Excellency, Count Hatzfeldt, Imperial Secretary of State for Foreign Afffairs, an engrossed copy of a Reso- lution adopted on the 9th ulto. by the House of Represen- tativeés of the: Congress of the United States of America, expressing the deep regret with which that body heard of the death in that country of the eminent German Statesman, Edward Lasker, with the respect- ful request Yat, th& s&-Ginay be transmitted to the President of the Legi#“4tive Body of which the late Mr. Lasker was a member,

The Undersigned avails himself of the occasion to renew to His Excellency Count Hatzfeldt the assurances of his most distinguished consideration.

(signed) A. A. Sargent His Excellency Count Hatzfeldt, Imperial Secretary of State for Foreign Affffairs. Forty-eight Congress Virst Session,

Congress of the United States.

In the House of Representatives.

January 9. 1884,“

Mr. Ochiltree gsubmitted the following which was agreed to:

Resolved, That this House bas heard with deep regret of the death of the eminent German Statesman Edywrard Lasker.

That his loss is not alone to be mourned by the people of his native land, where his flrm and constant exposition of, and devotion to free and liberal idecas have materially advanced the social, political, and economic conditions of those people, but by the lovers of liberty throughout the world,

That a copy of these resolutions be forwarded to the family of the deceased as well as to the Minister of the United States resident at the Capital of the German Empire to be by him communicated through the legitimate channels to the Presiding Officer of the Legislative Body of which he was a member,

Attest: (signed :) Ins, B. Clark, jr, Clerk.

Der Ausschuß des Bundesraths für Eisenbahnen, Post und Telegrapyen trat gestern zu einer Sizung zusammen.

Der Schlußbericht über die gestrige Sizung des Hauses der Abgeordneten befindet sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (51.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Staats-Minister von Puttkamer nebst mehreren Kommissarien beiwohnte, theilte der Präsident dem Hause mit, daß die Rechnungen der Kasse der Over-Rehnungskammer für das Jahr 1882/83 eingegangen seien.

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein : Fort- seßung der zweiten Berathung des Entwurfs einer Kreis- ordnung für die Provinz Hannover, und des Gesetz- entwurfs, betreffend die Einführung der Provinzial- ordnung vom 29, Juni 1875 in der Provinz Han- nover. Die Berathung wurde aufgenommen bei 8. 24,

Derselbe lautet na der Vorlage:

S. 24. Der Landrath führt als Organ der Staatsregierung, vorbehaltlih der Vorschriften in den 88. 26 bis 29, die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung und die örtliche Polizeiverwal- tung im Kreise, beziehungsweise die Aufsicht über die letztere, so- weit dieselbe anderen Behörden oder Beamten übertragen ist.

Er leitet als Vorsißender des Kreistages und des Kreisaus- \chufses die Kommunalverwaltung des Kreises.

Zu diesem Paragraphen hatte die Kommission folgenden Zufaßparagraphen beantragt : Z. 24a. Die Einführung des Instituts der Amtsvorsteher

nach Maßgabe der betreffenden Bestimmungen der Kreisordnung vom

13, Dezember 1872/19, März 1881 (Ges:-ß-Samml. 1881 S. 155( in der Provinz kann auf Antrag des Provinzial-Landtages dur Söniglihe Verordrung erfolgen.

Das Wort ergriff zunächst der Abg. Dr. Gneist, der die in Vorschlag gebrachten Kreise für zu groß erachtete, Die Handhabung der Ortspolizei durch den Landrath werde sih als unbequem und unmögli erweisen. Auch die Hannoveraner würden s{ließlich noch dazu kommen, für sich das Jnstitut der Amtsvorsteher zu begehren.

Der Abg. von Liebermann glaubte, daß die Ausfüh- rungen des Abg. Gneist prinzipiell eine Zustimmung zu dem Vorschlage enthielten, den die Kommission in §. 24a gemaht habe und der darauf gerichtet sei, die Einführung des Jnstituts der Amtsvorsteher nach Maßgabe der betreffenden Bestimmungen der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872/19, März 1881 zu ermöglichen, wenn der Provinzial-Landtag sich im Sinne einer folhenUmwandlung geäußert haben werde. Man habe wohl gesagt, dieser Paragraph fei nur geeignet, die Unzufriedenheit in der Provinz Hannover zu s{hüren. Aber man habe bei diesem Vorwurf vergessen, daß die Abänderung nicht für einzelne Kreise, sondern immer nur für die ganze Provinz auf den Vorschlag des Provinzial: Landtags erfolgen dürfe.

Der Vize: Präsident des Staats-Ministeriums, Staats- Minister von Puttkamer erkannte an, daß der Grundgedanke der Vorlage, daß die Ortspolizei in Hannover durch Staats- beamte gehandhabt werden müsse, auch von der Kommission acceptirt sei. Er habe deshalb nur Bedenken gegen den neu geschaffenen §. 24a vorzubringen, der etwas ganz Außer- gewöhnliches statuire, Der Krone solle unter Mitwirkung d°s Provinzial-Landtages das Recht eingeräumt werden, Be- stimmungen zu treffen, die denen des vorliegenden Gesetzes direkt entgegenständen. Nun liege zwar in dem Vorschlage der Kommission keine Beeinträchtigung der Rechte der Krone; troßdem könne er demselben nicht zustimmen. Jn Betracht komme au noch ein anderer Umstand. Allerdings seien in Han- nover die bäuerlichen Elemente auf derjenigen hohen Bildungs- stufe, welche dieselben wohl befähigte, das Amt eines Amtsvor- stehers anzunehmen, allein gegen diese Jnstitution bestehe inner- halb der Provinz cin großer Widerwille, der sich auch darin kundgegeben habe, daß der Provinzial-Landtag ih fast ein- stimmig gegen die Einführung der Amtsvorsteher aus- gesprochen habe. Deshalb sei es sehr bedenklich, wenn durch die UAninahme des §. 24a eine Art von Zukunstsprogramm in das Geseß hineingevraht würde. Die Folge der Avnahme dieses Paragraphen würde sein, daß die jeßige Organisation als etwas Unvollklommenes betrahtet werden würde. Vor diefer Unsicherheit wünsche er die Provinz Hannover zu bewahren.

(Wir werden diese Rede morgen im stenographischen Wortlaut bringen.)

Der Abg. Frhr. von Zedliß und Neukirch (Mühlhausen) brate den Antrag ein, in dem §, 24a die Worte „auf An- trag des Provinzial-Landtags“ zu streichen.

Der Abg. Ludowieg erklärte sih gegen den 8. 24a, der zu einer bedenklihen Agitation innerhalb der Provinz Han- nover Veranlassung geben würde.

Der Abg. Freiherr von Grote hob hervor, daß man auf das Votum des Provinzial-Landtags gegen die Institution der Amtsvorsteher nicht zu viel Gewicht legen dürfe. Die voti desselben seien durch die Nationalliberalen bestimmt worden.

Der Staats-Minister von Puttkamer wies bei Schluß des Blattes aus dem Berichte über die Verhandlungen des hannoverschen Landtags nach, daß diese Behauptung unzu- treffend sei.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich württembergisher Regierungs-Rath Schicker und Landes- Direktor des Fürstenthums Waldeck und Pyrmont, von Putkt- kamer sind hier eingetroffen.

Der VBevollmäthtigte zum Bundesrath, Herzogli salhsen-meiningensche Staats-Minister Freiherr von Giseke ift von hier wieder abgereist.

Der General-Lieutenant Graf von Kanißt, à la suite der Armee, ist zu einem mehrwöchentlihen Aufenthalt aus Schmuggerow in Pommern hier angekommen.

Sachsen. Dresden, 20. Februar. (W. T. B.) Die Erste Kammer hat heute die von dem Justiz-Minister vor- gelegte neue Subhastations8ordnung, welche sich im Wesentlichen der preußishen von 1883 anschließt, mit geringen Abänderungen angenommen.

Württemberg. Stuttgart, 18, Februar. (St.-A. f. W.) Heute starb hier nach längerer Krankheit der K. K. österreich-ungarische außerordentlihe Gesandte und bevollmäch- tigte Minister Nicolaus Freiherr von Pottenburg.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 19, Februar. (W. T. B.) Der Landesaus\chuß nahm heute den Geseß- entwurf, betreffend die Verschmelzung der bisherigen drei Steuerdirektionen in Elsaß-Lothringen in eine, mit dem Amtssiz in Straßburg, in namentliher Abstimmung mit 26 gegen 22 Stimmen an.

ODesterreih-Ungaru. Wien, 19, Februar. (W. T. B.) Jm Abgeordnetenhause begründete heute der Abgeordnete Swhönerer- seinen Antrag auf Unterstüßung der Familien der auf Grund der Ausnahmeverord- nungen Ausgewiesenen. Nach wiederholter Aufforde- rung, bei der Sache zu bleiben, entzog ihm der Präsident das Wort. Der Minister-Präsident Graf Taaffe gab so- dann Aufklärungen über die bis jeßt getroffenen polizei- lichen Verfügungen. Darnach sind bisher 23 Ausländer aus- gewiesen und 215 Jnländer theils internirt, theils ausgewi?:sen worden. Jn Betreff der zu gewährenden Unter- stüßungen seien die Geseße über die Armenpflege maßgebend. Graf Taaffe verlas ferner eine Stelle aus der in Pest erschei- nenden „Zukunft“, worin die Familien der von den polizei- lihen Maßregeln Betroffenen aufgefordert werden, jede Unterstüßung der „Staatsbestie“ zurückzuweisen. Der Antrag Schönerers wurde s{hließlich mit 155 gegen 25 Stim- men abgelehnt.

Nachdem der Handels-Minister die Einwürfe Herbsts widerlegt hatte, beschloß das Haus in die Speziai- berathung der Vorlage, betreffend die Verstaatlichung der Franz Josefbahn, der Rudolfbahn und der Vor- arlberg bahn, einzutreten. Bareuther beantragte, die Re- gierung aufzufordern wegen des Ankaufs der über die Grenze reihenden Sirecken der Bayerischen Bahn en mit der bayerishen Regierung in Verhandlung zu treten.

(Prag. Ztg.) Der Gewerbeauss\chuß bes{loß, bei der Verhandlung über das sechste Hauptstück des Gewer be- gesebes, die Berathung des Unfallversicherungs- gesebes zu beendigen, und nahm eine von Matscheko be- antragte Resolution an, welche die Regierung auffordert, einen Geseßentwurf, betreffend die Regelung der Krankenkassen, ehestens vorzulegen. Der zweite Theil des Antrages, wona diese Vorlage gleichzeitig mit dem Unfallversiherungsgeseßze berathen werden sollte, blieb in der Minorität, nachdem der Regierungsvertreter ‘erklärt hatte, daß die Regierung das Unfallversicherungsgeseß niht auf die Krankenversiherung zu hasiren beabsichtige, und beide Gegenstände getrennt behandelt

werden müßten.

Großbritannien nund Jrland. London, 19. Februar.

(W. T. B.) Das Oberhaus nahm heute die Negierungs- vorlage über die Vieheinfuhr in zweiter Lesung an. Der Herzog von Nichmond kündigte an: er werde bei der Spezialberathung Abänderungsanträge stellen, um das Geseß gegen die Einschleppung von Seuchen wirksamer zu machen. "Das Unterhaus hat, nahdem Lawson seinAmende- ment, in welchem die Hoffnung ausgesprochen wird: cs würden englische Truppen in Egypten nicht weiter verwendet werden, zurückgezogen, das von Northcote gegen die Regierung beantragte Tadelsvotum mit 311 gegen 262 Stimmen verworsen. Die Parnelliten stimmten in der Minorität.

Bei der heutigen Neuwahl eines Deputirten für Northampton wurde der bisherige Deputirte Bradlaugh mit 3922 Stimmen wiedergewählt; der Gegenkandidat

Richards (konserv.) erhielt 3488 Stimmen.

Frankreich. Paris, 19. Februar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer berieth heute die Vorlage, betreffend die Organisation des Elementarunterrihts, und nahm den Artikel , welcher bestimmt, daß dieser Unter- riht in den Staats\shulen aus\schließlich Laien anver- traut werden soll, trog des Einspruchs des Bischofes Freppel an. Am Donnerstag fol Über die dur die neue Organisation nothwendig werdende Vermehrung der Ausgaben berathen werden, deren Genehmigung mit Rücksicht auf die gegenwärtige Finanzlage für zweifelhaft gehalten wird. Der Conseils-Präsident Ferry legte den mit Desterreih-Ungarn abgeschlossenen Handels- vertrag vor. Die Kammer beschloß die Dringlichkeit für die Berathung desselben.

Der „Temps“ erklärt die Nachricht von der Entsendung euer Berstartungen na DTougling für Un- begründet. Tricou ist hier eingetroffen.

(Fr. Corr.) Nach den leßten im Marine-Mini- sterium eingetroffenen Nachrichten muß in diesem Augen- blick bereits ziemlich die Gesammtheit der abgesendeten Ver - stärkungen zur Verfügung des Generals Millot sein. Der letztere hat, wie gemeldet, unter dem 12, Februar das Ober-Kommando übernommen. Der Admiral Courbet ist nah der Bai von Along zurückgekehrt und hat auf dem Panzer- chiffe „Bayard“ seine Flagge aufgeheißt. Er läßt provisorisch die Landungs:Compagnien des Geschwaders unter dem Befehl des Fregatten-Kapitäns de Beaumont zur Disposition des Generals Millot. Aber diese Maßregel, welhe das Geshwader eines Theils seiner Aktionsmittel beraubt, wird aufhören, wenn gewisse Eventualitäten in China eintreten sollten. Auf alle Fälle jedoh wird General Millot die Flottille des Delta und die 600 Mann Marinetruppen unter dem Kommando des Fregatten-Kapitäns Laguerre unter seinen Befehlen behalten. Die Sch iffe, aus denen die Flottille besteht, sind folgende: Uet, „FaNfare, „Leovard”; SULNte“, ¿Carabiniter“, Mae, „Vatagan „Q0Ue, Ela ¿Crombe Mous- queton“ und „Javeline“. Es sind dies flachgehende Kanonen- boote, die auch son bei der Einnahme von Sontay mitgewirkt haben.

Hane Mot, 1 ea A V Sn der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister Genala: die gegen den Gensd'armen Varicchio geshleuderte Flas che sei niht darnach angethan gewesen, den Hofzug zu beshädigen. Die Schienen seien intakt geblieben. Die Erklärung Genala's wird allgemein als eine solche be- trahtet, welhe die Hypothese eines Attentats nahezu aus- {ließt. Die Gerichtsbehörde hat gegen die unbekannten Thäter den Prozeß wegen versuhter Ermordung des Gens- d'armen Varicchio eingeleitet.

Der hiesige Munizipalrath hat beschlossen, den König zu seiner glücklihen Rückehr zu beglückwünschen.

Griechenland. Athen, 13. Februar. (Prag. Ztg.) Jn einer der hiesigen türkischen Gesandtschaft aus Kreta zu- gegangenen Depesche wird die Nachriht von dem Ausbruch e ZJnsuvrrelition auf Sphalia sür Unbegründet erklärt.

Türkei. Konstantinopel, 18. Februar. (Presse.) Der Sultan hat jene Albanesen, 300 an der Zahl, welche wegen Theilnahme an aufrührerishen Unternehmun- gen aus ihrer Heimath verbannt und in Konstartinop.l in- lernirt waren, begnadigt und denselben gestattet, gegen Bürgschaftsleistung wieder nah Albanien zurü@zukehren. Den- jenigen Personen, die in Konstantinopel Bürgen zu stellen niht in der Lage waren, wurde gestattet, bei ihrer Ankunft in Salonich solche zu bestellen.

Serbien. Belgrad, 19, Februar. (W. T. B.) Das neue Kabinet hat sih in der gestern gemeldeten Zu- sammenseßzung mit folgender Abänderung definitiv ge- bildet : Gudovic übernimmt die Bauten und interimistis{ch die Volkswirthschaft; der Justiz-Minister Mariukovic über- nimmt interimistisch den Unterricht, während der Gesandte in Rom, Kujundgic zur eventuellen Uebernahme dieses Porte- feuilles hierher berufen ist. Pirotschanac hat dem neuen Kabinet seine Unterstüßung zugesichert. Der König hat an den früheren Minister-Präsidenten Christic ein Hand- hchreiben gerihtet, in welhem er demselben für die ihm in gefahrvoller Zeit geleisteten Dienste scinen Dank ausspricht.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 20. Februar. W. T. B.) Der Kaiser wird am nächsten Sonnabend über die Petersburger Garnison und die in der Umgebung stehenden Truppen, in der Gesammtstärke von 43 Bataillonen, 3 Escadrons und 114 Geschüßen, eine Revue abhalten.

Afrika. Egypten. Kairo, 19. Februar. (W. T. B.) Die englische Regierung hat auf Ansuchen des General- Konsuls Baring die Verstärkung des englischen Okku-

pations-Corps in Egypten beshlossen. Bereits heute ist ein Bataillon Jnfanterie und eine Batterie Artillerie von Malta nah Egypten abgegangen. Ein zweites Bataillon Jn- fanterie aus Gibraltar wird nachfolgen.

19, Februar. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus Suakim hat das Transportschiff „Bokhara“ 600 Mann gelandet und ist das Transportschiff „Orontes“ nah Trinkitat gegangen.

Zeitungsftimmen.

Die „Berliner Börsen-Zeitung“ schreibt:

Daß die rauhe Wirklichkeit der Ausführbarkeit mancer Wünsche und Ideale hindernd in den Weg tritt, ist eine alt bekannte Wahrheit, und wer sih dersclben verschließen will, dec wird eben dur herbe Grfahrungen von ihrer Gültigkeit Überzeugt werden müssen. Im leßteren Fall befindet si{ch Bremen, welches sib immer mit Genug- thuung als Hocbburg des Manchefterthums hat nennen hören und eigenthümlicher Weise im eigenen Gebiete stets im Gegensatz zu jenen Ideen gehandelt hat, für deren Verwirktichung innerhalb des Zoll- gebietes cs mit Fanatismus aufgetreten ist. Vertheuerung der Lebens- mittel des armen Mannes is das Sclagwort, mit welchem eine rührige Partei die neue Wirthschaftspolitik dort in Verruf zu bringen suchte, und für das eigene Gebiet hat man eine Konsumtionsabgabe, welcbe gerade die unentbehrlihsten Nahrungémittel in viel bärterer Weise treffen muß, als es bei den Reich8zöllen der Fall fein kann. Ungebundenbeit des Verkehrs ift ein anderes beliebtes Sclagwort, und dabci hemmt man den Verkehr nit nur an der Grenze, fondern im eigenen Lande, indem man eice Umsaßsteuer von 1/696 erhebt ! Kürzlich hat man ein Termingeshäft für Baumwolle dort einführen wollen, aber unter einer solchen Belastung konnte sib dasselbe natür- li nicht entwideln, und fo denkt man an eine Veränderung der Steuer, indem man den dadur entstehenden Ausfall dur eine Er- hölung der Einkommensteuer für Kaufleute ausgleihen will. Letztere be- trägt inïl. der Armensteuer {hon 43/5 9/0, und es ift unter jeßigen Ver- bâlfnissen niht unwahrscheinlich, daß se sich auf 6—7%/0 in den nächsten Jahren heben wird. Bei solcher Sachlage ist es nicht zu verœundern, daß die allgemeine Stimmung keineswegs mehr im Einklang steht mit jener der leitenden Parteimänner, deren Urtheil dur die Leiden- ¡haft des Kampfes getrübt ist... . Wie sich allmählich auch dort eine Umkehr von der früheren Stimmung anzubahnen scheint und ab und an die Selbsterkenntniß zum Durchbruch gelngt, zeigt ein Ein- gesandt in der „Bremer Handelszeitung“, welches wir im Folgenden wie- dergeben: Unser kleines Gemeinwesen möchte gern ctwas Besonderes \ein, und wir glauben, im Großen und Ganzen berechtigt zu sein, unsere cigene Meinung von dem Reiche adoptirt zu schen. Es wird uns s{wer, alt Hergebrachtem zu entsagen, uns in die neuen Verhältnisse zu finden und die Dpfer zu bringen, welche die Gesammtheit fordert. Wir konnten uns nit entschließen, unsere Sonderstellung aufzugeben, wir entschuldigtecn uns mit zarter Rücksicht auf die Schwe|terstadt Hamburg; wir benutzten die uns günstigen Verhältnisse nicht und haben nun das Natbsehen. Hamburg trieb keine Gefüblspolitik, fondern es griff die Gelegenheit beim Schopfe und {loß ohne Rücksicht auf die Schwesterstadt den wirkli staatsmännischen Vertrag mit dem Reiche.

Hätten wir eine große Vergangenheit, könnten wir mit Stolz auf unsere Institutionen, unsere Verfassung, unser Wahlgesetz, unsere Steuern und unsere Finanzverwaltung hinweisen, ja, dann hätten wir wenigstens Entschuldigungen; aber stehen die alle wohl im Ein- flange mit dem Liberalismus, den unsere leitenden Männer anderswo vertreten? Es ist hier nicht der Ort und hat auch kcinen Zweck, die Mängel aufzudecken; nur einen Punkt will ih hervorheben, unsere Finanzen. Wir machen Preußen einen {weren Vorwurf daraus, daß es als Rechtsnachfolger von Hannover von dem Rechte der Kündigung der Cisecnbahnverträge Bremen gegenüber Ge- brau gemacbt hat; ih glaube, jeder Staat würde dasselbe gethan haben, die Pflicht für die Seinigen gebot es und uns bleibt nur das Bedauern, daß unsere Staatsmänner früher einen derartigen Kontrakt abschließen, unsere Bürgerschaft ihn gutheißen konnte. Hätten wir eine ne wie Hamburg und Lübeck gehabt, so würden wir wie diese beiden Städte ein glänzendes Geschäft mit unseren Eisenbahnen gemact haben ; dazu gehört natürlich, daß wir mit dem Nachbar auf gutem Fuße stehen und nicht jede Gelegenheit benuten, ihn zu reizen und zu ârgern. Hätten wir nicht unsere Goldwährung ge- habt, als Deutschland die Silberwährurg hatte, so wäre Bremen naturgemäß der finanzielle Centralpunkt von Oldenburg und Hannover geworden. Wären wir dem Zollverein beigetreten, hätte sih bei uns eine bedeutende Industrie entwickeln müssen; Bremen wäre gewachsen wie andere Städte und von der jetzigen Nothlage würde keine Rede sein. Wenn man sich in Bremen darüber beklagt, daß die neuen industriellen Unternehmungen in zu großer Entfernung von Bremen gelegen find, so weiß doch Jedermann, daß die Zoll- grenze bindernd in den Weg trat und sämmtlive Gründungen die nächste Eisenbahnstation innerhalb der Zollgrenze aufsuchen mußten. An Unternehmungsgeist und Kapitalien gebriht es der Bremischen Kaufmannschaft sicherlich nicht. .

In der „Wiesbadener Zeitung“ lesen wir:

Aus Anlaß der für Wien und Umgegend in Folge der letzten fozialistischen Morde cingeführten Ausnahmeregeln haten die deutschen Blätter sich der Frage zugewandt, ob für Teutschland die Verlänge- rung des Sozialistengeseßes, welhes bei Weitem milder ist als der österreihishe KAusnabmezustand, nothwendig sei. Ein Wortführer der Sezessionisten, Baumbacb, hat fich in Frank- furt a. M. als Gegner dec Verlängerung des Geseßes ausge- sprohen. Jn sezessionistishen Kreisen ist man über diese früh- zeitige Offenheit sehr verstimmt und versichert, Hr. Baumbach habe ledigli seine private Ansicht ausgesprochen; Über die Haltung der „liberalen Vereinigung“ scien in diefer Beziehung noch keinerlei Ent- \chließungen gefaßt, Dagegen liegen Kundgebungen von nationallibe- raler Seite vor, welche die Nothwendigkeit der Verlängerung d:8 Sozialiftengesetzes mit Entschiedenheit betonen. So erkennen der Han- noverscbe Courier und die Nationalliberale Correspondenz an, daß das Sozialistengesetz eine gute Wirkung gehabt habe, indem es solche Zustände, welche in leßter Zeit im Auslande wahrgenommen worden s\cien, ver- bindert habe. Hieraus folge aber nicht, daß man jeßt die gezogenen Schranken niederreißen könne; im Gegentheil, gerade die Zustände des Auslandes wiesen darauf hin, daß es unklug sein würde, Deutfch- land wieder den Gefahren auszusetzen, welhe in anderen Staaten zu Tage getreten seien. Deshalb sei nicht nur die Verlängerung des Sozialistengeseßes, sondern auch eine kräftigere Unterstüßung der Sozialpolitik des Reichskanzlers eine „absolute Nothwendigkeit“.

Kundgebungen von fozialdemokratischer Seite haben aber aub in leßter Zeit gezeiat, daß au gegenwärtig genug Gefahren in Deutsch- land vorhanden find, und daß man sih über die ansceinende Ruhe nicht täuschen lassen darf. Die „Nationalliberale Correspondenz“ weist auf einen Ausspruch hin, den vor Kurzem der sozialdemokratische Abg. von Vollmar in der Dresdener Kammer gethan hat und welcher lautet: „Wir ftehen voll und ganz auf dem Boden der MRevo- lution!“ Erwähnt sei ferner, daß nah einem Bericht der „N. A. Z." vor einigen Tagen in Dreéden an öffentlihen Orten, z. B. im Rathhaus, im Ministerium des Innern, in der Komman- dantur Zettel angeheftet gefunden wurden, auf welWhen in Handschrift die Worte standen: „Nur Blut kann unsere She sühnen. Das soziale Erekutivcomité.“ Von anarcistisher Seite werden die \ächst- {en Abg. Bebel, Grillenberger und Liebknect zur „That“ gedrängt ; ihnen sind „Drohbriefe“ zugeschickt worden, und der sozialdemokratische Abgeordnete Kayser ist wegen seiner anerkennenden Worte über das Unfall- versicherung8gefet, wie die, Dresdener Zeitung“ mittheilt, von dem Sozial- demokraten Most „zum Tode verurtheilt“ und gegen ihn die „Propaganda der That“ aufgerufen worden. Bebel hat überdies jüngst einen Vortrag gehalten, in welchem er den geschäftlihen Aufschwung Deutschlands anerkannte, aber dabei ausführte, daß derselbe die Nothlage nicht

mindern, sondern nur vermehren werde: „eine Aenderung des gegen- wärtigen Zustandes könne nur herbeigeführt werden, wenn die büraer- liche Gesellschaft anders denken lerne. Zur Erreichung dieses Zieles gäbe es Mittel, er wolle dieselben aber in diese Saale nicht er- örtern.* Hr. Bebel nimmt sonst kein Blatt vor den Mund; wenn er troßdem nur s{ücbterne Andeutungen macht, so kann man fh denken, worauf er in Wahrheit hinzielt

Es geht biecraus hervor, daß Deutschland si nit in Sicherhcit wiegen laffen darf, sondern auf den Wegen fortschreiten muß, die es betreten hat, und die si einmal in dem Erlaß des Sozialistengesetzes und sodann in dem Begtiun einer positiven Sozialreformyvolitik mant- festirt haben. Erfreulicb ift es, daß auch auf nationalliberaler Seite diese Nothwendigkeit begriffen wird

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

In dem Geheimen Regierungs-Rath Prof. Karl Müllen- hoff, welcher gestern im 66. Lebensjahre verstorben ist, verliert die germaniftishe Wissenschaft einen ihrer hervorragendsten Verlreter, die Universität Berlin, der er seit 26 Jahren angebörte, eine ihrer be- währtesten und angesehensten Lehrkräfte. Neben seirer Lehrthätigkeit entfaltete Müllenhoff eine rege wissenscaftlihe Thätigkeit. Seine Studien über „Gudrun“ und über die Runenlehre find grund- legende Leistungen. Von seinem groß angelegten Werke „Deutsche Alterthumskunde“ i} leider nur der erste Band er- sbienen. An weitere Kreise wandte si scine Sammlung von „Sagen, Märchen und Liedern der Herzogthümer Stleêwig-Holstein und Lauenburg.“ Mit seinem Schüler Wilhelm Swerer zusammen gab Mülenboff die „Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem 8. bis 12. Johrbundert“ heraus. Im Sahre 1864 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt: au andere gelehrte Körperschaften nahmen ihn in ihren Scooߧ auf.

In Stettin starb am Sonntag -der Geograph, Kartograph und Geschihtsforsber, Professor em. Heinrich Karl Berghaus nach dreitägigem Krankenlager im 87. Jahre feines Lebens. Zu seinen bekanntesten Werken gehört das populär-cthnologische Buch: „Die Völker des Erdballes“, ferner das umfassende geographische Werk: „Deutschland seit hundert Jahren“ (1859—1862).

Der Jahrgang 1883 der Sitzungs berichte der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin liegt jeßt in 52 Heften mit einein Nachtrage, sowie den Inhalts- verzeibnissen für beide Halbbände, Namen- und Sachregistern ab- geschlossen vor. Die leyten Hefte, über deren FInhalt wir nod zu berichten haben, reichen vom 18. Oktober bis zum 20. Dezember 1883. Die darin veröffentlihten wifsenshaftliten Mittheilungen sind folgende: Ueber Bestimmung der magnetischen Horizontal-Fnten- sität mit Anwendung der Wage, von Töpler; Bescbreibung des Panzers von Eutatus Seguini, cines quaternären Gürtelthieres (mit einer Tafel), von Burmeister; Ueber Antisthenes aus Rhodos, von E. Zeller (welcher darin für die Annahme eintritt, daß der uns durch Polybius bekannte Geschihtsschreiber und der Verfassec der Aadozai cin und dieselbe Person seien); Römische Reliefs, beschrie- ben von Pirro Ligorio, Bericht von H. Dessau; UcLer ein militäri- {es Fremdwort persishen Ursprungs im Sanskrit (sphara. spha- raka, Schild, persisch spar, neupersisch sipar), von Th. Nöldeke: Ueber die Mitteldarmdrüs (Leber) der Dekapoden, von Johannes Frenzel; Ueber die Beziehungea der Groß- hirnrinde zu Kehlkopf und Rachen, von H. Kraufe: Ueber den Prozeß des Pausanias, von Max Duncker; Numismatifche Notizen von Th. Mommsen (über einen Goldstater des Königs Pto- lemäus von Mauretavien, den römischen Silbershaß von Maferà, die Victoriatenfunde von Tarent und Pisa, die Denarfunde von Compito und Garlasco) ; Ueber die Differentialgleibung der Oberflächen, welche durch ihre Krümmungslinien in unendlih kleine Quadrate ge- theilt werden Tönnen, von J. Weingarten ; Ueber die wahricetnr- liden Fehler der Constanten, von G. Hagen; Ueber Suvenal und Paris (7. Satire) von J. Vahlen; Ueber die Längenmaaße der Alten, von R. Lepsius (mit vergleihenden Tabellen); Ueber den Cuprodeëcloizit, ein neues Vanadinerz aus Meriko, von C. Kammels- berg; Ueber die Gristenzdauer der untershwefligen Säure in wässerigen Lösungen, von H. Landolt; Ueber den Einfluß der Zusammensetzung des Glases auf die Depressionserscheinungen der Thermometer, von N. Weber. In dem 49. Heft ist die Adresse abgedruckt, welbe die Akademie unter dem 6. Dezember 1883 an die Asiatic Society of Bengal, zur Feier des 100 jährigen Bestehens dieser ältesten aller morgenländischen Gesellschaften (gegründet am 15. Januar 1784), gerichtet hat. Das 53. Heft bringt als Nachträge noch eine Arbeit von Gustav Hirschfeld in Königsberg über Tavium, die Hauptstadt der Trokmischen Galater in Kleinaßen, einen Hauptkreuzungêvunkt in dem römischen Straßennete der Halbinsel (mit einer Kartentafel) und einen Beitrag zur Theorie der elliptishen Funktionen, von K. Weierstraß. Die „Situngsberichte der Königlich preußischen Aka- demie der Wissenschaften zu Berlin“ erscheinen in Kommission bei Ferd, Dümmlers Verlagsbuchhandlung (Harrwit & Goßmann) in Berlin in wöwentliwen Stücken (gr. 8.), geheftet zum Preise von 12 Æ für den Jahrgang. Getrennt von denselben erscheinen außerdem, ebenda in Kommission, in Monatsheften: „Mathematische und natur- wissenscbaftlide Mittheilungen aus den Sitzungsberichten der König- lich preußiscen Akademie der Wissenschaften zu Berlin“ (gr. 8. Ge- heftet. Preis des Jahrgangs 8 M).

Land- und Forstwirthschaft.

Einer Mittheilung des Großherzoglih- oldenburgischen Statistischen Bureaus über die Viehhaltung im Großherzog- thum Oldenburg nach den Ergebnissen der Zählung am 10. Ja- nuar 1883 entnehmen wir folgende Daten: Das Fahr 1883 hat dem Großherzogthum Oldenburg wiederum eine Viehzählung gebracht. Es ist das die dritte derartige Erhebung, welche bis jeßt in demselben in seinem ganzen Umfange übereinstimmend zur Ausführung aekom- wen ist. Die erste derselben fand, lediglich im landes tatistischen Interesse angestellt, am 3. Dezember 1864 in Verbindung mit der Volkszählung statt; die beiden folgenden wurden anf Anordnung d:8 Bundesraths im gesammten deutshen Reichsgebiete ie am 10. Januar 1873 und 1883 für sid allein vorgenommen.

Es belief si der Viehstand im Jahre 1883: Im Großherzog- thum Oldenburg: 35 977 Pferde, 211 147 Rindvich, 160 937 Schafe, 27 407 Ziegen und 95294 Schweine, davon im Herzogthum Olden- burg 29 928 Pferde, 175359 Rindvieh, 149230 Schafe, 21 217 Ziegen, 80602 Schweine; im Fürstenthum Lübeck 4798 Pferde, 18 199 Rindvieh, 6518 Schafe, 3772 Ziegen, 8251 Schweine ; im Fürsten- thum Birkenfeld 1251 Pferde, 17 589 Rindvieb, 5189 Schafe, 2418 Ziegen und 6441 Schweine. Wie die einzelnen Landestheile des Großherzogthums in so vieler und namentli in wirthschaftliher und agrarischer Be- ziehung eine cigenartige Entwicklung zu erkennen geben, so bekunden fie auch hinsihtlich ihrer Viehhaltung recht wahrnchmbare Verschie- denhbeiten. Das gewahrt man, sobald man das Verhältniß der Vieh- gattungen zu einander ins Auge faßt. Da fielen dann unter je 100 Stück Vieh auf :

Im Großherzogthum 6,78 Pferde, 39,78 Rindvieh, 30,32 Schafe, 5,16 Ziegen und 17,96 Schweine. Daß das Rindvich im Durcschnitt wenigstens den größten Bestandtheil ausmaht, liegt auf der Hand. Ibm folgen der Reihe nah für das Mittel des Großherzogthums die Schafe, dann nach einem erbeblihen Abstande die Schweine, wiederum in einer bedeutenden Entfernung die Pferde und endlich die Ziegen.

Eine Frage von vokswirthschaftliher Bedeutung, welbe sich an die jüngste Viehzählung knüpft, isl die: wie verhalten |ch ihre Er- gebnisse zu denen ihrer Vorgängerin? Zumal in einer Zeit, in der, wie gegenwärtig, die mitteleuropäishe Landwirth- schaft und Viehzuht eine errste Krisis zu dur{hlaufen haben, und vielfa eine Verringerung des Viehstandes bereits wahr« genommen ift, wird man gespannt darauf sein müssen, ob sich eine Zue oder Abnahme oder ein Stillstand ergeben hat. Es belief si der Viehstand im Jahre 1873: im Großherzogthum 33 811 Pferde,