1884 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Feb 1884 18:00:01 GMT) scan diff

D T C E L G L L R N E S INETE R R I N 3

Berathen wurde zunähst Art. 1., welher nah der Vor- lage der Regierung lautet :

Artikel T. Die Provinzialordnung rom 29. Juni 1875 (Ge- seßsamml. S. 335) nebst den dazu ergangenen abändernden und ergänzenden Bestimmungen tritt unter Aus\{luß der £8. 123 bis 125 und 127 bis 130 in der Provinz Hannover zuglei mit der Kreisordnung für die Provinz und unter folgenden Maßgaben in Kraft :

1) Zum Provinzial-Landtag (88. 9 ff. a. a. O.) werden für jeden Kreis mit weniger als 40000 Einwohnern ein Abgeordneter, für jeden Kreis mit 40000 bis zu 80000 Einwohnern zwei Ab- geordnete und für jeden Kreis, welcher die Einwohnerzahl von 80 000 erreicht, drei Abgeordnete gewählt. Für jede fernere Voll- zahl von 50000 Einwohnern tritt ein Abgeordneter hinzu. Dem Provinzial-Landtage bleibt es überlassen, durch statuta- risde Anordnung zwei angrenzende Landkreise, welde nur je zwei Abgeordnete zu wählen haben, oder deren einer nur einen und der andere nur zwei Abgeordnete zu wählen hat, sowie zwei oder drei derjenigen Landkreise, welhe nur je einen Abgeordneten zu wählen haben, zu Wahlbezirken zu verbinden und die Wahlorte zu be- stimmen. Die Wahlbezirke wählen diejenige Zahl der Abgeord- neten, welche gemäß Absaß 1 auf die zusammengelegten Kreise trifft.

Die Kommission läßt die Einleitungsworte unverändert, will aber die §8. 9—15 und 22 durch eine Reihe von Vor- schriften erseßen, nah welchen die Zahl der Provinzial-Land- tagsabgeordneten auf 94 fixirt und den Großgrundbesißern und Städten je 27, den Landgemeinden 40 Pläße zugewiesen werden. Daran {ließt sih das Vertheilungs-Tablean.

Außerdem lag folgender Antrag des Abg. Dr. Windt- horst vor :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

Unter Ablehnung des vorgelegten Entwurfes eines Gesetzes über die Einführung der Provinzialordnung vom 29. Funi 1875 in der Provinz Hannover, die Königliche Staatsregierung aufzu- fordern, dem Landtage demnächst den Entwurf einer Provinzial- ordnung vorzulegen, welcher die provinzialständisde Verfassung, wie solche dur die Königliche Verordnung vom 22. August 1867 im Gebiete des ehemaligen Königreihs Hannover geordnet ist, \0- viel die Zusammenseßung des Provinzial-Landrages betrifft, zur Grundlage nimmt, und daran nur datjenige ändert, was nöthig ist, um die künftige Provinzialordnung der neuen Organisation der Lande8verwaltung anzupassen.

4) Für der Fall der Ablehnung des Antrags sub 3:

In Artikel T sub Nr. 1 der Kommissionêvorlage hinter den

Worten „der Provinzial-Landtag besteht aus" (§8. 9 a. a. O.)

einzufügen :

„dem Herzoge von Arenberg,

dem Herzoge von Looz-Corswaaren, dem Fürsten von Bentheim-Steinfurt, so lange dieselben im Besitze ihrer in der Provinz belegenen Standesherrscaften si befinden, dem Grafen zu Stolkterg-Wernigerode, dem Grafen zu Stolberg: Stolberg, beide wegen der Grafschaft Hohnstein, dem Erb-Landmarschall von Hannover, so lange derselbe im Besiße des dieses Amt bedingenden Majorats ift,

außerdem aus.“ | : L

Der Abg. Dr. Köhler erklärte sih gegen die Konmmissions- anträge und für die Fassung der Regierungsvorlage. Im Fn- leresse der Selbstverwaltung liege es, daß der Provinzial- Landtag sich nit aus Jnteressengruppen zusammensetze, son- dern aus den Wahlen der Kreise hervorgehe. Man befürchte, daß bei dieser Art der Zusammenseßung vielleicht die Gruppe dcr Groß- grundbefißer majorisirt werden könnte. Allein die Erfahrungen,

die man bereits in den alten Kreisordnungs-Provinzen gemacht |

habe, bezeugten, daß diese Befürchtung nicht stichhaltig sei. Ueber- dies gebe §. 11 der Provinzialordnung der Regierung die Mög- lihkeit an die Hand, durch die Zusammenlegung einzelner Kreise die Majorisirung der einen oder ‘der anderen Interessengruppe zu verhindern.

Der Abg. von Rauchhaupt trat für die Beshlüsse der Kommission ein, die identisch seien mit den Wünschen des jeßigen hannoverschen Provinzial-Landtages. Es sei übri- gens keineswegs ausgeschlossen, daß in die erste Gruppe von Abgeordneten auch bäuerlihe Besißer gelangten. In Der Provinz Sachsen habe sich eine ähnliche Erscheinung gezeigt, und sehr zum Segen der konservativen Sache.

Hierauf ergriff bci Schluß des Blattes der Vize-Ptäsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister von Puttkamer, das Wort.

Jn Betreff der Führung des Kommodorestanders haben Se. Majestät der Kaiser Folgendes bestimmt: 1) Wird es erforderlih, Geschwader oder Flottillen in Unter- abtheilungen zu gliedern, so erhalten leßtere allgemein die Bezeihnung „Division.“ Untereinander werden solche Divi- sionen entweder durch die Nummer als „erste“, „zweite Divi- sion“ u. st. w. oder durch Bezeihnung nach der Gattung der Schiffe u. st. w. als „Korvetten“, „Fregatten: Division“ 1 1,10. unterschieden. 2) Jeder Offizier, welcher auf Allerhöchsten Befehl das Kommando Über eine Division von Schiffen oder Fahrzeugen übernimmt, führt, sofern er niht Flaggoffizier oder Kommodore ist, als Kommandozeihen den in der Anlage dargestellten „Divisionsstander“ im Großtopp. 3) Dasselbe Kommando- zeichen führt jeder von Sr. Majestät ernannte Führer eines jelbständigen Flottentheils, sofern er nicht Flaggoffizier oder Kommodore ist. 4) Jeder durch einen anderen Befehlshaber mit der Leitung einer Division von Schiffen oder Fahrzeugen oder eines selbständigen Flottentheils zeitweise beauftragte Kommandant eines Schiffes oder Fahrzeuges führt, sofern ex niht Flaggoffizier oder Kommodore is, den Divisionsftander für die Dauer des Verhältnisses im Großtopp neben dem Kriegswimpel.

Ueber die diesjährigen Frühjahrs-Jnd ien st- stellungen und Sommer-Uebungen der Marine haben Se. Majestät der Kaiser u. A. Folgendes bestimmt: Zu Schul- und politischen Zwecken sind oon S M Cam uno Salleuan M Dienst zu stellen: 1) die Panzerkorvette „Hansa“ als Wachtschiff sür Kiel und zugleih zur Ausbildung von Matrosen und Ma- shinenpersonal, bei gleichzeitiger Außerdienststellung der gedeckten Korvette „Arcona“. 2) Die gedeckte Korvette „Vineta“ zur Ausbildung von Matrosen und Maschinenpersonal. 3) Das Kanonenboot „Cyclop“ zur Ueberwachung und zum Schuß der Fischerei in der Nordsee. 4) Die gedeckte Korvette „Eli- sabeth“ als Seekadettenshulschiff. 5) Die Fregatte „Niobe“ als Kadettenschulschiff. 6) Die Glattdeckskorvette „Nymphe“ und die Briggs „Rover“ und „Undine“ als Schiffsjungen- {hulschiffe. 7) Das Kanonenboot „Hay“ als Tender des Artille- rieschiffes. 8) das Torpedofahrzeug „Ulan“ zu Torpedoübungen. 9) Das Kanonenboot „Moewe“ zu politishen Zwecken. 10) Das Kanonenboot „Drache“ zu Vermessungszwecken. Als Uebungs- geschwader sind in folgender Ordre de bataille in Dienst zu stellen: a, Panzerkorvettendivision. Die Panzerkorvetten

„Baden“, „Sachsen“, „Württemberg“, „Bayern“ und der Aviso „Bliß“. b, Panzerkanonenbootsdivision. Die Panzer- kanonenboote „Hummel“, „Crocodill“, „Biene“, „Kamäleon“ und der Aviso „Grille“. c. Torpedobootsdivision. Die Tor- pedoboote „Jäger“, „Sicher“, „Tapfer“, Kühn“, „Vorwärts“, „Scharf“; auch können mit diefer Division zeitweise das Tor- pedoshulscifff und zwei weitere Torpedoboote verbunden werden. 111. Sonstige Uebungen. Die Hauptfestungékriegsübungen in Kiel und Wilhelmshaven sind im September abzuhalten und mit den Uebungen des Geschwaders zu verbinden, au können andere verfügbare Schiffe und Fahrzeuge hierzu mit herangezogen und einige Küstenbeobahtungsstationen in Be- trieb geseßt werden. Jm August sind zur 1. Werftdivision 100, im September zur 1. Matrosen-Artillerieabtheilung 150 Mann des Beurlaubtcnstandes auf je drei Wochen einzuziehen.

Dem Kreise Jerichow Il ist Allerhöhsten Orts unterm 30. Fanuar d. J. für die Grundstücke, welhe zu dem von demselben beabsichtigten Bau einer Chaussee von Rathenow nach Wulkau erforderlich sind, das Enteignungsrecht ver- liehen worden. Zuglei ist bestimmt worden, daß die dem Chausscegeldtarise vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizei-Vergehen auf die gedahte Straße zur Anwendung kommen sollen,

Ueberschreitet ein Lehrer bei Ausübung des Züchtigungsrecht s die ihm landesgefeßlich bestimmten Gren- zen, so ist er nah cinem Urtheil des Reichsgerichts, 1]. Strafsenats, vom 18. Dezember v. J., wegen vorsägßlicher Körperverleßung in Ausübung seines Amtes aus 5. 340 Str. G. B. resp. wegen fahrlässiger Körperverlezung mit Uebertretung seiner Am!spflihten aus §8. 230 Abs. 2 zu be- strafen. Die srüheren landetgescßlichen Bestimmungen, ins- besondere die preußishe Kabinetëordre vom 14. Mai 1825, nahwelcer die Uebersch-eitung des Züchtigungsrechts unter Uin- ständen nicht strafrehtlih, sondern nur disziplinarish an dem Lehrer zu ahnden sei, sind mit dem 1. Oktober 1879, dem Tage des Jnkrasttretens der Reichs-Justizgeseze, außer Krast

gefeßt.

Nach der im Neihs-Eisenbahn-Amt aufgestellten, in der Zweiten Beilage veröffentlichten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen ausschließlich Bayerns im Monat Dezember v. J. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausschluß der Werkstätten) vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeihnen: 5 Entgleisungen und 7 Zusammen- stöße auf freier Bahn, 22 Entgleisungen und 38 Zusammen- stöße in Stationen und 172 sonstige Unfälle (Ueberfahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kessel-Explosionen und andere Betriebs-Ereignisse, wobei Personen getödtet oder vec- leßt worden sind).

Bei diesen Unfällen sind im Ganzen, und zwar größten: theils dur eigenes Verschulden 204 Personen verunglückt, sowie 94 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 135 unerheb- lih beschädigt. Es wurden von den 15 937 088 überhaupt beförderten Reisenden 3 getödtet, 8 verleßt (hiervon entfallen 1 Tödtung und 2 Verleßungen auf die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktion Cöln (linksrheinische), je 1 Tödtung auf die Württembergischen Staatseisenbahnen und die Bahnstrecken im Verwaltungs- bezirke der Königlichon ; Eisenbahn-Direktion Hannover, je 2 Verleßtingen auf dié Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktionen Bromberg und Erfurt, und je 1 Verleßung auf die Berlin-Hamburger Eisenbahn und die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktion Berlin), von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst beim eigentlihen Eisenbahnbetriebe 40 getödtet und 76 verlegt und bei Nebenbeschästigungen 1 getödtet, 26 verleßt; von Steuer- 2c. Beamten 6 verleßt ; von fremden Personen (einschließlich der nicht im Dienst befindlichen Bahnbeamten und Arbeiter) 15 getödtet und 14 verleßt, sowie bei Selbstmordversuhen 15 Personen getödtet.

Von den sämmtlichen Verunglückungen mit Auss{luß der Selbstmorde entfallen auf :

A, Staatsbahnen und unter Staatsverwal- tung stehende Bahnen (bei zusammen 24 915,21 km Be- triebslänge und 626 483 956 geförderten Achskilometern) 170 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Bahnstrecken im Berwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn - Direktion Bromberg (24), Berlin (23) und Cöln (linksrheinische) (18), VerYaltnißmaßig, d h, Unter Berücksihtigung der ge- förderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Längen sind jedoch auf den Bahnstrecken im Verwoltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn: Direktionen Erfurt, Bromberg und Cöln (linksrheinish) die meisten Verunglückungen vorge- kommen.

B, Größere Privatbahnen mit je über 150 km Betriebslänge (bei zusammen 4137,16 km Betriebslä1 ge und 70318 654 geförderten Achskilometern) 19 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Hessishe Ludwigsbahn (7), die Braunschweigische Eisenbahn (3) und die Breslau-Schweid- niß-Freiburger Eisenbahn (3), verhältnißmäßig sind auf der Hessishen Ludwigsbahn, der Braunschweigischen Eisen- bahn und der Posen:-Creuzburger Eisenbahn die meisten Ver- unglüdckungen vorgekommen. Auf den

C. Kleineren Privatbahnen mit je unter 150 km Betriebslänge (bei zusammen 1439,95 km Betriebs- länge und 9052 112 geförderten Achskilometern) sind Ver- unglückungen von Personen nicht vorgekommen.

Sachsen. Dresden, 20. Februar. (Dr. J.) Die Erste Kammer berieth in ihrer heutigen Sizßung den Ge- seßentwurf, betreffend die Zwangsversteigeruug und die Zwangsverwaltung unbewegliher Sachen. Derselbe berubt im Anschluß an das preußische Geseß vom 13. Juli 1883 auf dem Prinzip, daß zwar die Zwangs- versteigerung auf Antrag eines jeden hypothekarishen Gläu- bigers, au des nachstehenden, exfolgt; der Zuschlag aber nur auf ein Gebot ertheilt werden darf, welches den Gesammt- betrag der der Forderung des betreibenden Gläubigers im Range vorgehenden Ansprüche, für welche das Grundstück hastet, und die Kosten der Zwangsversteigerung übersteigt, und die dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Hypotheken nach §. 432 des bürgerlichen Geseßbuches von dem Ersteher zu übernehmen ist. Die 1. Deputation hatte sih mit diesen Prin- zipien vollständig einverstanden erklärt und beantragte dem- gemäß die Annahme des Geseßzentwurfs mit einer Neihe mehr nebensähliher Aenderungen, die bis auf eine auch die ZuU- stimmung der Staatsregierung gefunden hatten. Diese eine Differenz betraf die in der Regierungsvorlage enthalte Be- stimmung, daß landwirthschaftliche und gewerbliche Grundstüce, sofern niht der Schuldner Widerspruch erhebt oder Rechte

Drilter entgegenstehen, zugleich mit den im 8. 70 bez. 8. 69 des bürgerlihen Geseßbuchs bezeichneten Gegenständen (Vich, Schiff und Geschirr bezw. Werkzeuge, Geräthschaften und Maschinen) zu versteigern sind. Die Deputation be- antragte auf Grund juriftisher Bedenken die Streichung dieser Bestimmung, wogegen die Regierung für dieselbe namentlich Zweckmäßigkeitsgründe anführte. Die Kammer entschied sich gegen 10 Stimmen für die Regierungsvorlage. Jm Uebrigen wurde der Geseßentwurf nah den Deputationsanträgen ein- stimmig angenommen.

Neuß j. L. Gera, 18. Februar. (Lpz. Ztg.) Der Landtag für Reuß j. L. wurde heute für eine furze Diät hier eröffnet. Es handelt sich in der Hauptsache nur um zwei, das Sparkassenwesen betreffende Vorlagen. Diese Angelegenheit hat si als dringender erwiesen, als es bei dem Schlusse der vorigen längeren Session anzunehmen war und deshalb zu dieser früheren Wiedereinberufung des Landtags Anlaß gegeben. Bei Berathung des Staatshaushalts- etats für die laufende Finanzperiode und des Vor- anshlags über den Verwaltungsaufwand der Spar- kassen erkannte der Landtag als zweckmäßig, daß die Verwaltung der Sparkasse für ten Landestheil Lobenstein mit dem Steueramte in Lobenstein in eine gleiche Verbindung gebracht werde, wie eine solche zwishen dem Steueramte und der Sparkassenverwaltung in Schleiz bereits besteht. Die Ausführung dieser Maßregel kann zur Zeit aber nicht er- folgen und zwar wegen der im Etat nicht genügend vor- geschenen Besoldungsverhältnisse. Jnzwischen hat der General- inspektor des thüringishen Zoll- und Handelsvereins sich gutachtlih dahin ausgesprohen, daß aus Rücksichten der ge- meinschafilihen Zoll- und Steuerverwaltung gegen die beab- sihtigte Verbindung der Sparkasse mit dem Steueramte kein wejentlihes Bedenken obwalte, sobald die dabei kundgegebenen Vorausseßungen erfüllt werden könnten. Ebenso war von dem genannten Staatsbeamten ein Gutachten über die durch die Umänderung bedingten Besoldungsverhältnisse abgegeben worden. Diese beiden Fragen bilden den Berathuna®gegen- stand bezüglich dieser Vorlage für den Landtag. Die zweite Vorlage gilt dem Geseßentwurf, die Schuldverschreibungen der Landessparkassen betreffend. Durch 8. 20 des revidirten Sparkassenstatuts vom 22. Dezember vor. Js. is das Mini- sterium ermächtigt worden, den Sparkassen die Ausgabe vier- prozentiger, von Seiten der Gläubiger unkündbarer Schuld- verschreibungen zu gestatten und die desfallsigen näheren Fest- seßbungen zu treffen. Das Ministerium hat die Absicht, von dieser Befugniß alsbald Gebrauh zu matten, den Kapital- betrag der auszugebenden Schuldverschreibungen aber vor- läufig auf zehn Millionen zu beschränken und mit der wirk- lichen Begebung derselben zunächst nur soweit vorzugehen, als einestheils von den zeitherigen Einlegern die Umwandlung ihrer am Schlusse des Jahres 1883 vorhanden gewesenen, inzwischen nicht zurückgezogenen Guthaben, in Schuldverschreibungen be- antragt wird, anderentheils für die Rückzahlung derjenigen Guthaben, welche in Folge der Ermäßigung des Zinsfußes sür die Sparkasseneinlagen etwa gekündigt werden, Geldmittel zu beschaffen sind. Das Ministerium legt nun jeßt dem Land- tage einen, die Schuldversch:eibungen der Sparkassen betreffen- den Geseßentwurf vor, welcher für die nähste Sißung mit zu den Berathungsgegenständen zählt.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 19, Februar, (Elsaß-Lothr. Ztg.) Bei dem ersten Gegenstande der Tages- ordnung der heutigen (18.) Plenarsizung des Landesaus- \chchusses, der dritten Lesung des Gestßentwurfs, betreffend die anderweitige Einrichtung der Verwaltung der direkten Steuern, gab der Abg. Dr, Raeis eine ziemlich scharf gehaltene Er- klärung Namens der lothringishen Abgeordneten ab. Dieselbe war wesentlih hervorgerufen dur die Ausführungen des Abg. Schneegans in der leßten Sißung. Pr. Raeis erklärte es namentlich für ungerechtfertigt, wenn man den lothringishen Abgeordneten daraus einen Vorwurf machen wolle, daß sie ihre Stellung zu den vom Hause zu fassenden Beschlüssen im Voraus festsezen. Jn Folge des Gesetzes über die Geschäftssprache im Landesauss{uß sei es den Lothringern eben nur auf diese Weise mögli, sich an den Verhandlungen überhaupt zu betheiligen; durch dieses Gese wären sie im Landesausschuß taub gemacht, und es wäre nicht billig, ihnen hre Taubheit vorzuwerfen. Dr. Raeis wies ferner die Be- hauptung zurück, daß die Lothringer systematische Opposition trieben; was sie trieben, wäre verfassungsmäßige Opposi- tion auf dem Gebiete der Budgetbewilligung, und an dieser würde sie Niemand hindern können. Der Abg. Schneegans erwiderte hierauf in kurzer Ausführung, unterbrochen von lebhaften Protesten der Lothringer, als er an das französishe Sprüchwort erinnerte: der \{limn:ste Taube is derjenige, welcher niht hören will. Nachdem Unter- Staatssekretär von Mayr die Annahme des Gesetzes befür- wortet hatte, wurde das erste Alinea des 8. 1 in namentlicher Abstimmung mit 26 gegen 22 Stimmen und darauf dev Nor des G0ehes und das Geseg im Ganzen ohne Diskussion angenommen. Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildete die zweite Lesung des Entwurfs eines Gefeßes, betreffend die Gewährung von Pen- sionen an in Ruhestand tretende Religionsdiener. Die 2, Kom- mission hat in dem Entwurf nur eine Aenderung vorgenommen, nach welcher die Pensionen gewährt werden sollen, „auf Grund eines Gutachtens“ der Oberbehörde ihrer Kultusgemeinschaft, während es in dem ursprünglichen Entwurf hieß „nach Anhörung“ der ODberbehörde ihrerKultusgemcinschast. Der Abg. Heusch dankte der Kommission sür die zweckmäßige Aenderung, und die Ver- sammlung nahm das Gese mit dieser Aenderung ohne weitere Debatte an. Als dritter Gegenstand stand auf der Tages- ordnung die zweite Lesung dcs Entwurfs eines Gesehes zur Ausführung des Reichsgeseßes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit. Zu Alinea 4 des 8. 2 lag ein Antrag Gunzert vor, durch welchen in dem Passus über die Zeit, binnen welher die Entschädigungs- klage angebraht werden muß, für 180 Tage „6 Monate“ geseßt werden soll. Nachdem der Abg. Gunzert diese Aenderung als für die Berehnnng bequemer empfohlen, Unter- Staatssekretär Ledderhose erklärt hatte, daß er nichts gegen diese Fassung einzuwenden habe, endlih auch der Berichterstatter Abg. Hommiell dieselbe Erklärung Namens der Kommission abgegeben hatte, wurde dieser Antrag angenommen. Die einzelnen Theile des Geseßes fanden mit den bereits mitge- theilten Zusäßen der Kommission ohne Debatte die Zustim- mung des Hauses. Als letzter Gegenstand stand eine Reihe von Petitionen auf der Tagesordnung.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 19. Februar. (Presse.) Der Budgetaus\{chuß hat heute den Nachtrags kredit für die Vermehrung der Sicherheitswache in Wien ohne Debatte bewilligt und hierauf die Berathung über das Kapitel Kultus fortgeseßt. Nach Beendigung derselben wird der Abg. Zeithammer über direkte Steuern referiren und beantragen, daß in den Einnahmen um eine Million Gulden mehr eingestellt werde, als die Regierung präliminirt hat.

20, Februar. (W. T. B.) Das Herrenhaus hat die Ausnahmsverordnungen der vereinigten politischen und juridishen Kommission überwiesen.

Eine der „Politischen Correspondenz“ von beachtens- werther Seite zugehende Beleuchtung der Verhältnisse Bosniens und der Herzegowina konstatirt die Fort- dauer der günstigen öfonomishen Entwickelung des Landes und die Konsolidation seiner politischen Zustände. Als Belege für Ersteres werden der prompte Eingang der Steuern, die Verminderung der Agrarstreitigkeiten, welhe den politishen Charakter verloren hätten, um cin Drittel sowie die Zunahme der Kulturflähen und der Grundablösungen Seitens der christlihen Kmeten angeführt. Die politische Konsolidirung manifestire sich in der völligen Erfolglosigkeit des im leßten Herbste Seitens einiger aus Mon- tenegro übergetretener Bandenchess unternommenen Ver- suhes, das Land anläßlich der Affsentirungs-Ausschreibung von Neuem zu beunruhigen und in der abwehrenden Haltung der Bevölkerung diesem Versuhe gegen- über. Es wird hervorgehoben, daß sowohl der Auf- stand in Serbien als auch dessen Niederwerfung ohne jegliche Wirkung auf die bosnishen Serben geblieben seien und daß eine Bewegung gegenwärtig nur durch eine mit be- deutenden Agitationsmitteln und in größerem Maße auf- tretende äußere Einwirkung hervorgerufen werden könnte. Für eine solche sei kein Anzeichen vorhanden, und auch in diesem Falle vermöchte die Landesverwaltung die Ruhe rasch und sicher wiederherzustellen.

Pest, 19. Februar. (Wien. Ztg.) Im Oberhause begann heute die Budgetdebatte. Aus diesem Anlaß hielt das Unterhaus heute keine Sigung. Morgen gelangen der Geseßentwurf über die Arrondirung der Komitate, dann die Vorlage, betreffend das Eigenthumsrecht der Schriftsteller und Künstler, zur Verhandlung.

20, Februar. (W. T. B) Das Unterhaus hat heute den Geseßentwurf über die Vermehrung der Bezirks- gerichte bei der legten Lesung abgelehnt.

Agram, 19. Februar. (Pr.) Der Banus enthob den Präsidenten der Handelskammer, Grahor, seiner Würde als Vize: Präsidenten des Ausstellungs: Ausschusses. „Narodne Novine“ und die „Agramer Zeitung“ sind ermächtigt, diejenigen Stellen der gestern von Grahor in der Handelskammer ge- haltenen Rede, welche sich auf die Versprehungen des Banus beziehen, als der Wahrheit nihht entsprehend und entstellt zu bezeichnen.

Velgien. Brüssel, 20. Februar. (W. T. B.) Jn der Repräsentantenkammer wurde heute vom Kriegs- Minister ein Geseßentwurf, betreffend die Organisation einer Armeereserve von 30 000 Mann, vorgelegt.

Frankrei. Paris, 20, Februar. (W. T. B.) Jn einem Briefe des Superiors der auswärtigen Missionen, Delpech, wird mitgetheilt, daß der Präfekt der Propa- ganda von Nom, Kardinal Simeoni, ihm 10000 Fres.

zur Unterstüßung derChristen inTongking übersandt habe. Die katholischen Blätter veröffentlichen heute

die Note des Kardinal-Staatssekretärs Jacobini an die Nuntien bezüglih der Propaganda von Rom: der hiesige Nuntius überreichte dieselbe heute dem Conseil- Präsidenten Ferry.

General Millot hat erklärt, daß er hinreichende Streit- fräste für «ne glüdlihe und s{hnelle Lösung seinec Auf- gabe habe.

talien, om, 20 Februar (V. T. B) Ein Telegramm der „Agenzia Stefani“ meldet: An die italienische Regierung sind von keiner Regierung irgendwelc{e Bemerkungen anläßlih der jüngsten Entscheidung des Kassationshofes bezüglich der Güter der Propa- ganda gerichtet worden. Nichtsdestoweniger ließ der Minister des Aeußern, Mancini, angesihts der gegenwärtigen Be- strebungen, die öffentlihe Meinung zu täuschen und die aus- wärtigen Regierungen irre zu führen, den Vertretern Jta - liens zu ihrer Richtschnur präzise Fnstruktionen zugehen, in welchen dargethan wird, daß kein Grund zur Beschwerde vor- liege, Es handelt fih, wie diese Fnstruktionen ausführen, niht um einen Akt der Regierung, sondern um eine von der höchsten Gerichtsbehörde bei vereinigten Sektionen gefaßte Entscheidung zur Durchführung der {hon seit vielen Fahren in Kraft stehenden Geseße. Es handelt sich weder unm eine Konfiskation, noh um eine anderweitige feindselige oder nach- theilige Maßregel bezüglich der Propaganda, welche der Minister und die Regierung des Königs steis und überall in der Person ihrer Delegirten wegen ihrer entschieden bhumanitären und civilisatorishen Mi)sion gcshüßt haben ; es handelt sih im Gegentheil um eine einfache Konvertirung in klonsolidizte Rente oder Hypothekarwerthe, welche, ohne irgend einen Vortheil für die Staatsregierung oder eine Vermin- derung unter dem Titel einer Taxe oder irgend einer an- deren Belastung, sich zum ausschließlihen Nußen der Pro- paganda und selbst mit Vermehrung ihres Einkom- mens vollzieht. Von dieser Konvertirung ist übrigens durch das Gesez der Palast ausgenommen, in welchem die Propaganda in Rom ihren Siß hat. Die Entscheidung des Kassationshofes präjudizirt endlich in leine Weise die retlihe Stellung der Propaganda und die eventuelle Ber- größerung ihres Vermögens. Die Jnslruktionen Mancini's erklären s{ließlich in bestimmter Weise jede Einmishung aus- wärtiger Regierungen in die Justizverwaltung der italieni- schen Gerichtshöfe für unzulässig.

Bulgarien. Sofia, 19. Februar. (Presse.) Das Ministerium des Aeußern hat eine Note an die Berliner Signatarmächte gerichtet, in welcher für Bulgarien das Recht, Handelsverträge mit an derenStaaten abzuschließen, beansprucht wird, nahdem die Pforte die alten Handelsver- träge mit den Mächten nicht erneuern wolle. A

Rustschuk, 19. Februar. (Préesse.) Die Radikalen halten Meetings im gonzen Lande ab, um gegen das Ministerium zu demonstriren. Jn Widin und Tutrakan faßten die Meetings Resolutionen wegen Einberufung des Sobranije. Jn Sistow haben die Konservativen ein oppo- sitionelles Meeting abgehalten.

Nuߧßland und Polen. St. Petersburg, 21, Februar. (W. T. B.) Durch Kaiserliche Ukase vom gestrigen Tage an den Senat werden ernannt: der bisherige Botschafter in Berlin, von Saburow, zum Senator unter Belassung im Ressort des Ministerium des Auswärtigen, Fürst Orloff zum Botschafter in Berlin, von Mohrenheim zum Bot- schafter in Paris, Schischkin, bisher in Athen, zum Ge- jandten in Stockholm.

Schweden und Norwegen. Christiania, 16. Fe- bruar. (Hamb. Nachr.) Der König und die Königin sind seit ihrer Ankunft in Christiania fortwährend Gegen- stand einer mehr als herzlichen Huldigung gewesen. - Nicht nur beim Einzuge und bei der Eröffnung des Storthings ind diese loyalen Gefühle der Bevölkerung an den Tag ge- treten, fondern sie haben si bei jeder passenden Gelegenheit geltend gemaht, Als der König am gestrigen Abend nah beendeter Vorstelung seine Loge im Theater ver- lassen wollte, erhob \sich das ganze Publikum und rief ihm ein neunmaliges donnerndes Hurrah zu. Das Orchester spielte darauf das Königslied, in welches das Publikum stehend einstimmte, und beim Fortgange des Königs erschollen wieder enthusiastishe Hurrahrufe. Hinsichtlih des voraus- sichtlihen Ausfalls des Urtheils des Reichs gerichts, welches am 25. d. publizirt werden soll, verlautet jeßt mit Anspru auf Sicherheit, daß einige Lagthingsmitglieder mit dem gesammten Höchstengeriht für Freisprechung der ange- klagten Minister stimmen wollen und daß dieses das \chlie ß- liche Resultat sein werde.

Afrika. Egypten. Kairo, 21. Februar. (W. T. B.) Das ReuterscheBu reau meldet: Die vom General Gordon in Betreff des Sklavenhandels erlassene Proklamation lautei: Jh wünsche Euch Glü und Ruhe wiederzugeben. Jh weiß, daß durch die Unterdrückung des Sklavenhandels, welcher vertragsmäßig unter Androhung \{chwerer Strafen verboten wurde, Euer Unmuth erregt ist, und habe deshalb bestimmt, daß der Sklavenhandel wieder gestattet werde. Jh habe die öffen!lihen Ausrufer anweisen lassen, diese Verfügung zu ver- tündigen. Ein Jeder, der Dienstboten besigt, kann diese als sein Eigenthum betrachten und verkaufen.

Zwei englische Jnfanterie-Regimenter und zwei von englischen Offizieren befehligte egyptishe Bataillone werden nach Assuan abgeschickt werden.

Zeitungsstimmen.

Die „Berliner Politischen Nachrichten“ schreiben :

Ein indiceïtes, aber darum nit minder \{chmeich{elhaftes Lob ist der deutschen Eisenindustrie unlängst aus dem Munde des belgischen Konsuls in Zürich ertheilt worden, welches bekundet, daß unsere Eisen- industriellen im Begriff stehen, ihre belgisden Konkurrenten ganz und gar vom schweizerishen Marke zn verdrängen. Wir ersehen aus dem Bericht, welben dcr belgishe Konsul in Zürich über die Situation des dortigen EisengesGäfts im Jahre 1883 erstattet hat, daß die bel- gischen Eisenwerke ihre {weizerische Kundschaft immer mehr verlieren, und daß es ernstlicher Anstrengungen bedarf, um das verlorene Ter- rain wieder zu gewinnen.

„(8 handelt sih hierbei“, sagt der Konsul, „nicht nur um Par- teiverhältnisse, sondern hauptsächlih um das Zutrauen der Klienten, welche namentlich von fFogenannten Werken ersten Ranges oft ver- nachlässigt und zu rücksichtslos behandelt werden. Man beklagt ih hier bitter über ungenaue Ausführung der Bestellungen hinstÞtlich Dimensionen und Gewicht, fehlerhaftè Fabrikation und im Allgemeinen über den Mangel an Bestreben, die \{chweizerischen Käufer dauernd an fih zu fesseln, obshon man sie in gewissen Zeiten angelegentlicst zu gewinnen sucht. Es ist wahr, die Schweiz \chickt keine Bestellungen, welbe die Werke während Monaten zu beschäftigen vermöchten. Eine kleine treue Kundschaft aber, welche den Einfällen und Wandlungen der Spekulation weniger unterworfen ift, als es die großen Üübersecishen Märkte sind, deren Aufträge gerade in kritischen Zeiten auszubleiben pflegen, sollte denno nie vernachlässigt werden. Die Deutschen wissen aus diesen Verhältniffen Nutzen zu zichen und werden, mit Ausnahme gewisser Sorten Ble, Belgien bald überall verdrängt haben.“ :

Vas „Leipziger Tageblatt! bespricht das Auf: treten der sozialdemokratishen Abgeordneten im sächsishen Landtage und sagt:

Die große Mehrheit des deutshen Volkes fteht heute nibt mebr auf dem Standpunkt, die Einmischung des Staates in die sozialen Berhältnisse zurückzuweisen, sie hat si zu einem gewissen Sozialiämus bekehrt und erkennt sehr wohl die Nothwendigkeit an, bei der Auf- stellung und Durchführung sozialistisher Probleme vor Allem auf den Stand des Lohnarbeiters Rücksicht zu nehmen und die ersten Maß- nahmen zu feinen Gunsten zu treffen. Es ist das Verdienst der Sozialdemokratie, daß sie viele Mänael in der Gesetzgebung aufgedcckt und das Bedürfniß nah einer Reform dringend dargestellt hat, und es wäre ungerechtfertigt, ihr dies Verdienst nicht zugestehen zu wollen, aber es ift auf der anderen Seite das Verbrechen der Sozialdemokratie und ihrer Agitatoren, daß sie jedes Bestreben, diese Mängel abzuschaffen, und den Wlinshen entgegenzukommen, sobald dasselbe nicht von ihr patentirt ist, zu rerunglimpfen und ge- hâssig zu machen fut, unter dem Vorgeben, daß nur eine allge- meine Umwandlung des gesellscha{tlihen Zustandes von Nutzen \ei. Wenn heute Hr. von Vollmar erklärt, daß er und seine Freunde auf dem Boden der Revolution stehen und morgen Hr. Liebknecht sich be- müht, diese Revolution als Reformation darzustellen, so ist es {wer zu begreifen, warum man jede Reformation negirt und immer nur auf die Nothwendigkeit eines allgemeinen „friedlihen® Unisturzes hinweist

Durch die sozialdemokratische Partei geht der Riß, seitdem die Regierung freundliche Stellung zu den sozialen Anregungen nahm, und Schritt vor Schritt eine Sozialpolitik begann. Alle Betheue- rungen und Briefe können den Riß nicht verkleistern, welcher zwischen Kayser-Haserclever und Bebel-Liebknecht klafft, und das dauernde Ignoriren Mosts Seitens der Letzteren wird keinem Menschen die große Spaltung unsihtbar machen, welche {on jetzt die deutsche Sozialdemokratie in Anarchisten und Sozialdemokraten theilt. .

Für die anderen Parteien ist es jeßt aber an der Zeit, die Krisis in der fozialdemokcatischen Partei sih zu Nuße zu macben und un- beirrt fortzufahren, für die intellektuele und materielle Verbesserung des Arbeiterstandes zu arbeiten. Dabei muß jede Parteigehässigkeit {winden, und im gewöhnlichen Leben muß ein Jeder bemüht fein, dur Höflichkeit und Zuvorkommenheit die sozialen Gegensätze weniger fühlbar zu machen ; E

Der „Deutschen volkswirthschaftlihen Cor- respondenz“ entnehmen wir Folgendes :

Die Holzpreise in Schweden sind in leßter Zeit in solhem Grade zurückgegangen, daß darüber in den Kreisen der Interessenten die größte Bestürzung ausgebrocen ist. Man begreift diese Bestürzung wohl, wenn man erwägt, daß das Holz ciner der Haupthandelsartikel Schwedens ift, und daß die Ausfuhr s{hwediscer Hölzer nicht weniger als 85 000 000 Kr. im Jahre beträgt. Angesichts solcher der Holzproduktion sehr bedrohlichen Umjtände, deren Ursache man hauptsächlich in der Konkurrenz kana- disher Hölzer und in der Ueberproduktion such:n zu müssen glaubt, haben sich die großen {wedis{en Walbbesißer dahin verständigt, im begonnenen Jahr nur 3 der vorjährigen Produktion {lagen zu lassen um auf diese Weise einer Ueberfüllung des Marktes vorzubeugen.

das viel belfen wird, ist sehr zu bezweifeln. Für uns if die

atsache interessant, daß troß dieser Ueberproduktion in Schweden,

ôs der Forstverwaltung in Preußen für Nußbölzer ein böherer

war, als in früheren Jahren, wie man i erinnern wird vor Kurzem

im Abgeordnetenhause vernommen zu haben. Wie wir schon damals

fraaten, ob nit der deutsche Holzzoll die Ursache dieser erfreulichen

Besserung in Preußen sei, so könnten wir au beute fragen, ob vit

der Zoll die Ursache sei, daß uns Schweden mit den Resultaten feiner

Ueberproduktion vershont hat. Die Antwort kann nit anders als bejahend ausfallen.

Statistische Nachrichteu.

Das 46. Heft der „Beiträge zur Statistik Baverns“ ent- hâlt: „Die bayerische Bevölkerung nah Gescblet, Alter und Civil- stand sowie nach der Gebürtigkeit.*“ Am 1. Dezember 1880 hatte in den deutsten Bundesstaaten die dritte Volkszäblung feit Gründung des Deutsck&en Reichs statt. Was hiernah zunächst das Zablenver- bâltniß der Geschlechter anbetrifft, so hat Bavern cinen böberen Weiberübers{uß als das Deutsche Reich im Ganzen. Im Rüdwblicke auf die Jahre 1871 und 1875 ift der allgemeine Grundton der einer ziemlihen Stabilität. Von den Regierungsbezirken Bayerns weist durbweg Oberbayern den kleinsten und Oberpfalz den größten Weiber- übers{buß aus; die Differenz von dem Minimum zum Marimum ift 1871 + 6,7, 1875 + 8,0, 1880 + 5,0. Eine s\ummarise Ueber- ficht der Vertheilung der beiden Geshlehter in den einzelnen mittel- baren Gemeinden ergiebt, daß von den 7990 mittelbaren Gemeinden 9988 oder 69,0 %/a Weiberübershuß, 177 oder 2,3 °/9 Gleichheit der Gescblehter und 2225 oder 27,8 °/9 Männerübers&uß baben.

Ueber das Durhschnittsalter diene zur Nachridt, daß die Ge-

fammtsumme der von der Bevölkerung Bayerns am 1. Dezember 1880 durlebten Jahre 149 541 112 gegen 144 932 390 im Jahre 1875, 142 280 767 im Jahre 1871 und 141 398 823 im Jahre 1867 beträgt. Im Zusammenzuge nah fünfjährigen Altersgruppen fällt er Höwbstbetrag an Lebensjahren bei Berücksic{tigung sämmtlicher durlebten Jahre auf die Altersgruppe von 41—45 Jahren (dagegen 1871 und 1875 auf die Gruppe 51—55), bei Zählung nur der pro- duktiven Jahre auf die Altersgruppe 56—60 (dagegea 1871 und 1875 auf die Altersgruppe 51—55). Das Durc&scnittsalter der Lebenden betrug im Jahre 1867 29,12 für Männer, 29,49 für Weiber, im Ganzen 29,30. Es aing allmählih zurück bis 1889 auf 27 98 für Männer, 28,60 für Weiber, 28,30 zusammen. Von Interesse ist die Quote der über 25 Jahre alten Männer. Diese Quote betrug im Königreiche 1871 51,8 9%, 1880 49,4 %/9. Die erste Altersgruppe von 1—15 Jahren zeigt in geographischer Hinsicht in der Vergleichung von 1880 zu 1875 wieder eine Steigerung, die sich ziemli gleihmäßig über das Land vertheilt. Bei der zweiten Altersgruppe 16 50 Jahre finden sib mit geringen Ausnahmen Minderungen gegen die Prozent- säße des Jahres 1875. Die dritte Altersgruppe läßt im Geaenhalte zu 1875 Mehrungen hervortreten. Was die Civilstandsverhältnifse angeht, fo waren von der Gesammtbevölkerung des Königreichs 61,0 ledig, 33,4 verheirathet, 5,5 verwittwet, 0,1 geschieden. In Bezug auf die Staatsangehörigkeit theilt si die bayerisbe Bevölkerung mit 5 284 778 Seelen in 5 144538 Staatsangehörige und 140 240 Nicht- staatsangehöôrige. An der Gesammtzahl der Nicbtbavern partizipiren die unmittelbaren Städte der Landestheile rechts des Rheins und die 11 größeren Städte der Pfalz mit 45,2%, die übrigen Gemeinden des Landes mit 54,8%. Von den 140 240 Nicbtbayern sind 83 973 Angebörige anderer Bundesstaaten und 58 265 Ausländer. Von den gezählten 5 284 778 Einwohnern Bayerns \ind geboren :

in der Zählgemeinde . 3192458 = 60,49%

font im Zählungsamte . (11230 = 146%

on im Megierungobeite. . A058

O M Dae __ 0899305

in den anderen Staaten dcs Reiches 116 130 2

m E G = 12% Sonach find 969/96 der bayerischen Bevölkerung im Lande und nur 34/9 außer Lande geboren. An der Landesgcbürtigkeit sind die beiden Geschlecbter folgendermaßen betheiligt: die mäunlibe 96 3, die weib- lihe 97,0%. In den einzelnen Regierungsbezirken if der Prozentsatz der landesgebürtigen Bevölkerung: Oberpfalz und Ober- franfen je 98,3, Niederbayern 97,9, Mittelfranken 97,6, Pfalz und Unterfranken je 96,2, Oberbayern 955 und Schwaben 94,3 %/%. Es wiederholt sich sonach die im Jahre 1871 konstatirte (Erscheinung, daß die Zahl der in Bayern gezählten Staatsangehörigen etwas größer ift (1870 + 0,6, 1889 + 0,7), als die Zahl der in Bayern geborenen und zur Zählungs8zeit innerhalb des Landes befindlichen Personen. Von 100 Personen der ortéanwesenden Bevölkerung find ermittelt als in der Zählungsgemeinde geboren: in Oberbayern 46,6, in Niederbayern 52,9, in Schwaben 57,1, in Mittelfranken 58,6, tn Oberpfalz 59,9, in Oberfranken 69,3, in Unterfranken 71,3, in der Pfalz 74,7, im Königreich? 60,4 "/,. Der Unterschied der Ge- \{chlechtec ift kein erheblicher; auf die männlihe Bevölkerung treffen 61,9, auf die weibliche 59,0%. Bei Auss{luß der unmittelbacen Städte beträgt die Gemeindegebürtigkeit in Oberbayern 50,6, in Niederbayern 54,6, in Schwaben 61,4, in der Oberpfalz 61,9, in Mittelfranken 62,1, in Oberfranken 72,1, ia der Pfalz 74,7, in Unter- franken 76,4, im Königreid 64,0 %. Die Bezirksgebürtigkeit fällt bei den unmittelbaren Städten mit der Gemeindegebürtigkeit zu- fammen und tritt sona als besondere Kategorie nur bei den Bes- zirksämtern auf; in Prozenten der Bevölkerung dieser Aemter aus- gedrückt, beziffert sih die Bezirkägebürtigkeit in Oberbayern 71,9, in Niederbayern 78,6, in S{bwaben 79,4, in Mittelfranken 81,2 in der Oberpfalz 82,7, in der Pfalz 85,1, in Unterfranken 86,0, in Ober- franken 88,1, im Königreih 81,4%. Werden die Prozentsäße der Gemeindegebürtigkeit der unmittelbaren Städte mit eingerechnet, so ergiebt sih als Höhe der Bezirksgebürtigkeit für das ganze Land 75,0 %/o (74,5 -/6 männliche und 75,4% weibliche Bevölkerung). Die Geburtsbevöikerung beträgt Prozente der Zählbevölkerung in der ODberpfalz 107,0, in Oberfranken 104,3, in Niederbayern 1024, in Unterfranken 97,2, in Schwaben 96,6, in der Pfalz 96,5, in Mittel- franfen 95,8, Oberbayern 82,7, Der Vergleich mit dem Jahre 1871 ergiebt eine erhebliche Steigerung der Erscheinungen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von Ernst Siegfried Mittler und Sohn in Berlin erschien soeben: Die Geschichte des Grenadier-Regiments Kronprinz (1. Oftpreußisches) Nr. 1, von 1869—1882, als zweite Fortseßung der Regimentsgeschihte des Hauptmanns von der Dels- niß, im Auftrage des Regiments zusammengestellt von Gallandi, Hauptmann und Compagniedbef im Regiment (mit 10 Abbildun- gen im Tert und 2 Tafeln Facsimiles. Preis ungebunden 7,50 S). Das Bu, welches Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kron- prinzen von dem Offizier-Corps des Regiments gewidmet ist, bringt als 9. Abschnitt: das 1. Oflpreußische Grenadier-Regiment Nr. 1, tas Osft- preußische Grenadier-Regiment Nr. 1 Kronprinz und das Grenadier-Regit- ment Kronprinz (1. Oftpreußiscbes) Ne. 1 unter der Regierung Sr. Majestät König Wilhelm I., Deutschen Kaisers. Jm dritten Kapitel ist die Theilnahme des Regiments an dem deuts-französischen Kriege ausführlich geschildert, von seiner Abfahrt von Königéberg an bis zur Rückehr. An der Einschließung von Metz hat es Antheil genommen, ebenso an den Schlachten von Colombey, Noifseville, Amiens, St. Quentin. An Auszeichnungen trug das Regiment davon 1 Orden pour le mérite, 7 eisecne Kreuze 1. und 209 Kreuze 2. Klasse, wovon 6 am weigen Bande, 1 St. Georg-Orden d. Klasse und 1 GroßhberzogliÞ medckdlenburgishes Verdienstkreuz 2. Klasse. Das vierte Kapitel beschäftigt fich mit der inneren Geschichte des Regiments und berihtet genau alle Vorfälle und Veränderungen, welche auf das Regiment Bezug haben, namentlich erwähnt es die große Theilnahme und das Wohlwollen, welches der Kronprinz stets für das Regiment bewiesen hat. Die Beilagen enthalten Nachrichten über die Fahnen, Auszeichnungen, Geschenke, Stiftungen des Regi-