Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bewirkte im gesamten Zebammenwejen eine große Verwirrung und hatte auch finanzielle Nahteile für die Hebammen insofern im Gefolge, als mit den Vor- schriften über die Niederlassungsgenehmigung auch Vorschr:ften über Mindesteinkommer und Beteiligung der Kommunen an den Prämien der Versicherung gegen Alter und Fnvalidität verknüpft waren. Der beste Weg, die für rechtsungültig erklärten Be- stimmungen des Hebammengeseßes wieder in Kraft treten zu lassen, war der, eine Erweiterung des § 30 der Reichs- gewerbeordnung herbeizuführen. Auf den Antrag Preußens, dem sih andere Länder anshlossen, hat die Reichsregierung nun- mehr einen Gesexentwurf vorzelegt, durch den dem § 30 Abs. 3 der Gewerbeordnung folgende Säße angefügt werden:
Die Länder können die Ausübung der Geburtshilfe noch von weiteren Voraussezungen abhängig machen, insbesondere die Niederlassungsfreiheit der Hebammen einshränken. Sind solche landesrehtlichen Vorschriften vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits erlassen, so sind sie insoweit rechtswirksam, als sie auf Grund dieses Geseßes erlassen werden fönnten. f
Der Reichsrat hat dem Entwurf bereits zugestimmt. Es ist Zu hoffen, daß auch der Reichstag die Erweiterung des § 30 der Reichs- gewerbeordnung annehmen und daß damit das preußis he Hebammengesey wieder seine volle Gültigkeit erlangen wird.
Mein Runderlaß über die Einrichtung ärztlih ge- leiteter Eheberatungsstellen in Gemeinden und Kreisen vom 19. Februar 1926 hat nicht bloß in Preußen, sondern auch in den anderen Ländern und über die Grenzen Deutschlands hinaus Beachtung gefunden, Fn Preußen haben daraufhin bereits eine Anzahl von Gemeinden und Kreisen Eheberatungsstellen ein- gerichtet, die aber zum Teil erst in der Entwicklung begriffen sind. Bei anderen Gemeinden besteht die Absiht zur Errichtung solcher Eheberatunçsstellen. Hoffentlich wird sih die Einrichtung in immer stirkerem Umfang durchsezen. Fedenfalls ist damit ein guter Shritt weiter zu dem Ziele getan, daß möglichst jeder Ehekandidat vor Eingehung der Ehe seinen Gesundheitszustand prüfen läßt.
Der Entwurf für ein preußisches Jrrengeseßt ist mit den Vertretern dex Provinz und Fachärzten erneut durchberaten, auch sind die beteiligten Ressorts zehört worden. Nach einer leßten vor wenigen Tagen stattgefundenen abschließenden Beratung soll der En! wurf nunmehr baldigst fertiggestellt werden. Freilih wird noch zu prüfen sein, ob und inwieweit etwa die Vorlage des Ent- wurss mit Rücsiht auf die vorliegenden Entwürfe des neuen Reichsstrafgesezbuch3 und des Strafvollzugsgeseßes und ein künftiges Reichsbewahrungsgeseß noch zurücktzuhalten wären.
Der Schuß der Gesundheit der in gewerblichen Betrieben tätigen breiten Schichten der Bevölkerung hat, wie die vor einem Vierteljahr erschienenen ersten Jahresberichte der Gewerbes- ärzte deutlich machen, eine wesentlihe Erweiterung und Ver- tiefung erfahren. (Zuruf bei den Kommunisten: Wieviel Gewerbe- ärzte?) — Jh komme gleih darauf, wenn Sie nur einen Augen- vlick warten wollen. Dur die Anstellung von fünf staatlichen Gewerbeärzten (hört, hört! bei den Kommunisten) war es immer- hin möglich, die Ursachen vieler gesundheitlicher Shädigungen dur gewerbliche Arbeit und dergleichen besser aufzuklären als bisher. Aus diesem Grunde war die Anstellung von Gewerbeärzten im Interesse der Vorbeugung und Vertiefung der jungen Wissenschaft der Berufskrankheiten ein “unabweisbares Gebot. Der auh vom Preußischen Landtag wiederholt und eindringlih bekundete Wuns H, die Zahl der preußishen Gewerbeärzte zu erhöhen. der ganz bestimmt von mir nahdrücklichst unterstüßt wird, war leider auch in d'esem Jahre infolge der Finanzlage des Staates noch nicht zu erreichen. (Lebhafte Zurufe bei den Kommunisten: Hohenzollern- abfindung!) — Jh habe das Geld nicht zu verwalten, sondern der Finanzminister! Wohlfahrtsminister wird aber seine Be- müßzungen in dieser Richtung fortseßen, um zu erzielen, daß alle Teile Preußens gewerbeärztlich so versorgt werden, wie wir es für noiwendig halten.
Die Tätigkeit der Kreisärzte hat im abgelaufenen Jahre in ihrem rein amtlichen Teil stetig zugenommen, was zahlenmäßig in der Steicerung der sanitäts- und medizinalpolizeilichen Geschäfte zum Auédruck kommt. Wenn es gelungen is, die aufgetretenen Epidemien durhweg auf ihren Herd zu beshränken, so ist das nicht zuleßt der steten Dienstbereitshaft und dem tatkräftigen Ein- greifen unserer Medizinalbeamten zu verdanken.
Auf dem Gebiet der sozialen Gesundheitsfürsorge zeigt die Tätigkeit der Med!zinalbeamten ebenfalls eine erfreulihe Zunahme. In der überwiegenden Mehrzahl haben \ich die Kreisärzte als Kreiskommunalärzte, als Fürsorgeärzte, als Vertrauenstärzte der Wohlfahrtsämter, als Leiter von Säuglings-, Tuberkulose- und anderen Fürsorcestellen in fruchtbringender Weise neben ihrer amt- lichen Tätigkeit betätigt. Diese nebenamtlihe Tätigkeit der Medizinal- beamten hat sich aufs beste bewährt. Jn Verhandlungen mit dem Preußischen Landkreistag ist als dringend wünschenswert anerkannt worden, die Kreisärzte in noch größerem Umfange als bisher auch mit der kommunalen Gesundheititsfürsorge zu be- trauen. Mein Nunderlaß vom 31, August 1926 weist im einzelnen h:erauf hin, wobei auf ein harmonishes Zusammenarbeiten der staat- lichen Medizinalbeamten mit den Organen der Selbstverwaltung von mir besonders Gewicht gelegt wird.
Nicht unerwähnt lassen möchte ih, daß sih überall die Medizinal- beamten in den sozialhygienishen Ausschüssen für Volksbelehrung rege beteiligt haben, was bei den Veranstaltungen der Reichsgesund- beitswoche deutlich zum Ausdruck gekommen ist.
Unter diesen Umständen bedaure ih es lebhaft, worauf au der Herr Berichterstatter hingewiesen hat, daß dem wiederholt und seit vielen Aghren auch von diesem hohen Hause ausgesprochenen Wunsche, die Ummwmandlung der nihtvollbesoldeten Kreis- arztstellen in vollbesoldete schleunigst durchzuführen, infolge der gespannten Finanzlage des Staates nicht hat entsprochen werden fönnen. Gbensowenig hat sih für die Gerichtsärzte eine Aufrückung in die Besoldungsgruppe 11 erzielen lassen. Nur vier weitere Negierungs- und Medizinalräte haben eine Aufrückungs- stelle von Besoldungsgruppe 11 nah 12 erhalten.
Fch möcbte \{ließlich nicht verfehlen, von dieser Stelle aus den Medizinalbeamten meinen Dank für ihre treue, selbstlose Pflicht- erfüllung im Dienste der Gesundheit des preußischen Volkes aus- zusprechen,
Die in diesem hohen Hause mehrfach anerkannte Notlage der Aerzte und die darauf fußenden Anträge, durch Wiederauf- hebung meiner Bekanntmachung vom 11. Juli 1924 die den RNeichs- versicherungsträgern gewährte 20 prozentige Ermäßigung auf die
Der
Mindestsäße der ärztlihen Gebührenordnung zu beseitigen, haben dazu geführt, in Verhandlungen mit den Vertretern der Kranken- kassenspißenverbände und der Aerzteschaft unter Hinzuziehung des Neichsarbeitsm:nisteriums über diese Frage einzutreten. Bei diesen Verhandlungen konnte ih nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß die finanziellen Schwierigkeiten der Krankenkassen. die seinerzeit zu dieser drücckenden Ausnahmeverordnung gegen die Aerzteshaft geführt hatten, auch heute noch in gleichem Umfange weiter beständen. Andererseits mußte die Notlage der Aerzte im allgemeinen anerkannt werden. Die hohen Einnahmen cheinzelner Kassénärzte helfen über das bestehende Elend vieler anderen Aerzte leider niht hinweg. (Sehr richtig! im Zentrum.) Sind doch Witwen und Waiser vieler medizinischen | Autoritäten früherer Zeiten vielfach in die größte wirtschaftliche Notlage geraten. Die Unterstüßungsgesuhe, die im Wohlfahrts- ministerium eingehen, zeiçen dies leider mit erschreender Deut- lichkeit. Die Aerzteschaft ist daher schon stellenweise dazu über- gegangen, soziale Fürsorgeeinrihtungen für sich und ihre Hinter- bliebenen zu schaffen. Das am 15. Dezember v J. verabschiedete Aerztekammergeseß legt bekanntlih den Aerzten in dieser Beziehung weitere niht unwesentliche Lasten auf. Nach alledem glaubte ih die erwähnte Verordnung, die von vornherein als eine vorübergehende cedaht und als solhe ausdrücklich bezeihnet gewesen ist, unter den heutigen Verhältnissen nicht länger aufrechterhalten zu können und habe sie daher troß des Widerspruhs der Krankenkassenvertreter mit Wirkung vom 1. Januar 1927 an aufgehoben,
Die Ausbildung unseres ärztlihenNahwuchses soll, den neuzeitlihen Anforderungen und den Forti\chritten der Wissen- \caft entsp1iechend, ergänzt und vertieft werden. Eine Ütnarbeitung der geltenden Prüfungsordnung für Aerzte ist in Vorbereitung, Welche Bedeutung die Ausbildung eines tüchtigen Aerztestandes für die Volksgesundheit hat, bedarf hier wohl feiner weiteren Auéführung.
Das unter eingehender Mitwirkung des Landtags nah viel- fachen, eingehenden Beratungen in meinem Ministerium von den Zahnärzten und den Zahntehnikern zur Ver- einheitlihung beider Berufsgruppen geschlossene Abkommen liegt in Form eines von Preußen beantragten Geseg- entrounfs zurzeit dem Neichérat vor. Jh hoffe, daß der Entwurf vom Reichsrat \{chon in allernächster Zeit genchmigt und dann dem Neichstag baldigst zur Beschlußtassung vorgelegt wird.
Hivysichtlih des Arzneimittelverkehrs ist zunächst die Einführung eines neuen, im Neichsgesundheitéamt ausgearbeiteten Arzneibuches, das mancherlei Verbesserungen bringt, zu erwähnen. Eine Neuregelung des gesamten Arznei- und Giftverkehrs durch das Neich steht bevor. Die Medizinalverwaltung hat insbesondere bei den Vorarbeiten für eine reichsgeleßzlihe Neuregelung des Apotheken- weiens mitgewirkt, die Preußen nah wie vor für sehr dringlich erachtet.
Eine wirksame Bekämpfung des in legter Zeit überhand nehmenden Unfugs mit Geheimmitteln, die nur zu oft mit Erfolg leichtgläubigen Kranken zu s{chwindelhaften Preisen auf- genötigt werden, wird hoffentlih durch ein neues Reichsgeseß über den Verkehr mit Arzneispezialitäten, durch das natürlih die reelle hemi)ch - pharmazeutische Jndustrie niht geschädigt werden darf, erfolgen können, Weiter wird eine bessere Abgrenzung der Arzneien, deren Vertrieb nicht auf die Apotheken bei{ränkt ist, geplant. Wenn auch alle diese Geseye von jeiten des Reichs zu erlassen sind, fo liegt doch ihre Durchtührung im wesentlichen den Ländern ob. Des- wegen ift auch das Preußische Wohlfkahttsministerium bei den Vor- arbeiten in hervorragendem Maße beteiligt. Jh wollte nicht ver- fehlen, Ihnen von diesen beabsichtigten gesetlihen Maßnahmen Mit- ieilung zu machen,
(Fruste Beachtung wird vom Reich und Preußen etner wirksamen Bekämp'ung des sich ausbreitenden Mißbrauchs der Be- ‘täubungsmittel (Opium, Morphium, Kokain), geschenkt. Auch hier tollen die geseßlichen Grundlagen für die Bekämpfung verschärft werden,
Auf dem Gebiete der Nahrungskontrolle ift auf das unter besonderer Mitwirkung meines Referenten, des Herrn Präsidenten Suckenack, zustande gekommene neue Lebensmittelgeieg hinzuweisen, das dem Meichétage zurzeit vorliegt. Die Staatlihe Nahrungsmittel- untersuchungsanstalt in Berlin und ihr bewährter Leiter, Herr Juckenack- werden ihre reihen Erfahrungen bei Bearbeitung der Ausführungs- bestimmungen zu dielem Geiey, in denen Normen für die Be!chaffen- heit der einzelnen Lebentmittel festgelegt werden sollen, zur Verfügung stellen.
Des weiteren wird im Interesse des Weinbaues, inébesondere im Nheinlande, und zum Schutze der reellen Winzer, alsbald Wiede r- aufbau und in gewissem Umfange auch ein Ausbau der Wein- fontrolle erfolgen müssen.
Das Kurpfuschertum macht sih leider vou Jahr zu Jahr mehr bemerkbar. Die außerordentlichen Schäden, welche hierdurch der Volksgesuntheit erwachien, find im legten Jahre wiederum bei den verichiedensten Anlässen in Erscheinung getreten. Es er\cheint mir mehr als zweitel haft, ob die zurzeit bestehenden geseßlichen Bestimmungen genügen, um den der Voltksgesundheit durch das Kurpfuichertum drohenden Getahren wirksam zu begegnen, und es muß ernstlich erwogen werden, ob nicht eine Erweiterung dieser Bestimmungen angezeigt er]ckcheint.
Nachdrücklih muß ih auch an dieser Stelle die Ginsegung eines neuen Etatstitels für die Förderung des Sportarztwesens befürworten. Denn die Förderung des Sports und seine gesundheitliche Ueberwachung ist eine außerordentlich vringliche Aufgabe. (Sehr gut! rechts.) Neben der Sorge um den förperliß und wirt\chajtlich Schwachen durch Gesundheitspflege, S ozialversiherung und faritative Wohlfahrtseinrihtungen ist die planmäßige Pflege des Sportarztwesens für den Staat eine heute unumgänglihe Aufgabe. So wertvoll auch die Abwehr |chädi- gender Ginflüsse auf den Menschen ertahrunaëgemäß ist: die Ent- widcklung vorhandener, aber nicht autgebildeter Köuperkiäfte durch förperlide Uebungen verbessert nicht nur die Körpertorm, sie steigert auh die funktionelle Leistungsfähigkeit des Organis- mus und erhöht die Qualität der geistigen und sittlichen Kräfte. (Sehr richtig! rechts.) Ich darf in diesem Zu'ammenhang daran ezinuern, daß nah der Staatsumwälzung im Jahre 1918 in weiten - Volkékreisen die allgemeine Auftassung verbreitet war, als Ersay für den dur Abichaffung der Wehrpflicht dem Volkskörper verlorengegangenen Erziehungs und Gesundheitefaktor müsse eine volfstümliche Spo1tpflege treten. (Sehr 1ichtig!)) Diese Aurgabe der
Nepublik ist bis heute noch uicht genügend gefördeit worden. Ge,
„nur irgend durhtührbar ist, zu tun.
wenfgslens das Allernotwendigste, fo wird bereits verlorener Boden nicht wieder zu gewinnen jen. (Sehr wahr! rechts.) Wie bei den Etatéberatungen der legten Jabre stets betont worden itt, tônnen sg spärliche Vittel, wie sie auch wieder im laufenden Geichättéjahr nur zur VWVertsügung stehen, bei der ge!undbeitlihen PWMinder«- wertigfeit der heranwahienden Jugend eine ernstliche Hil'éaftion des Staates nicht darstellen. Das Zutrauen zu einer vorauê)chauenden Bevölferunaspolitik aut diesem Gebiete darf daber im Volke n'cht erichüttert werden, Es genügt feineswegs, durch Erlasse und periön« lihe Awflärung von seiten der Medizinalverwaltung aus zu wirfenz die Schaffung von d)portärztlihen Beratungsstellen,” die Klärung wissen|caftliher Gren» und Streitiragen wird in ollen Landeéteilen mit Nachdruck gefördert. Erfreulicherweite hat im legten Jahre mehr als ein Dugend |portärztlicher Lehrgänge, \port« ärztlicher Versammlungen usw. |tattgefunden, jedoch ohne daß das- Ministerium mit nennenswerten Mitteln dieie Veranstaltungen hat fördern fönnen. Der 1924 im Ministerium für Volfswohlfahrt ge« gründete Deutihe Aerztebund zur Förderung der Leibesübungen, der als Gutachterauss{chuß im Landesgelundheitsrat in dänfenswerter Weise an der Wtung wichtiger Autgaben tatkräitig mitgearbeitet hat, fonnte nur mit ganz geringen Mitteln unterstüßt werden. Diesen Mängeln muß entschieden abgeholfen werden. J bitte das hohe Haus auch hier um seine Unterstützung. (Bravo! im Zentrum und rechts.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ih hoffe, Sie durh meine Ausführungen davon liberzeugt zu haben, daß ih im Verein mit der Medizinalabteilung meines Ministeriums \tändig bemüht bin, alles, ras zur Verbesserung unserer Volfksge)undheit notwendig und unter Ueberwindung der -besiehenden vielfachen Schwierigkeiten Dabei kann ich _freilih die ernste Sorge darüber nicht unterdrücken, daß wir mit den nur geringen Mitteln, die uns bei der s{chwierigen Finanzlage des Staates zur Verfügung stehen, die uns obliegenden Aufgaben nur zum Teil und nicht mit dem notwendigen ficheren Erfolg er« füllen fönnen (sehr rihtig! im Zentrum), den wir alle im Interesse der Zukunft unseres \chwergevrüften Volkes dringend wünschen möchten. Immer wieder muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß die Besserung der Volksgesundheit, nament- lih aber die Gesunderhaltung unserer Jugend und die So1ge für einen hochwertigen und widerstandstähigen Nachwuchs eine der wih- tigsten, wenn nit überhaupt die wichtigste Ausgabe un!eres Staates ist (Sehr richtig! im Zentrum und rechts), und daß ein Wieters aufstieg unseres Volkes nur mögli ist. wenn wir zunächst einmal alle Bedingungen schafen, die einen Erfolg unserer Bemühungen auf dem Gebiete der Volksgesundheit gewährleisten. Mit Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß ih mich eins in ‘dem Bestreben, tür dieses Ziel alle Krätte einzufeßen, und ih bitte Sie, mi hierin durch Ihre wertvolle Mitarbeit auch in Zukunft wirksam zu unterstüzen, (Lebhafter Beifall im Zentrum und rets.)
941. Sißung vom 22. Januar 1927, vormittags 11 Uhr, (Bericht des Nachrichienbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)
Die Beratung des Wohlfahrtshaushalts wird bei der allgemeinen Aussprache zum Abschnitt „Volkswohl« fahrt“ fortgeseßt. f
Abg. Dr. Böhm (D. Vp.) übt scharfe Kritik, daß im Etat gerade die Volkswohlfahrt jo schlecht bedacht sei. Der Finanz- minister habe offenbar ein geringes Fnteresse an derx Arbeit für die Volksgesundheit. Er müsse natürlich sparen, dürfe aber nicht gerade bei der Volksgesundheit Sparjamteit für am meisten erlaubt halten. Der Standpunkt der Deutschen Volkspartei sei, daß diese Unterlassungen des Finanzministers durch deu Landtag ausgeglichen werden müßten. Deshalb habe. die Deutsche Volkspartei eine Reihe von Erhöhungen einzelner Etatspositionen beantragt. Nicht in agitatorishem Ausma sei das geschehen, sondern so, daß im dabei der Gesamtmitte des Haushalts diese Erhöhungen durchaus vorgenommen werden fönnten. Jm Personaletat fordere die Deutshe Volksparte® eine Verbesserung und Vermehrung der Beamtenstellen int Ministerium entsprechend der tatsächlih geleisteten Arbeit. Dent Dank des Ministers an die Medizinalbeamten für ihre eifrige und erfolgreiche Arbeit schließe sie sich von ganzem Herzen an. Se fovdere eine Besserstellung der Regierungs- und Medizinalräte und vor allem ein beshleunigtes Tempo in der Durchführung der Vollbesoldung der Kreis- und Gerichtsärzte. Die Frage der Reise- kosten müsse im Futeresse der Seuchenbekämpfung mit mehr Groß“ ügigkeit und weniger burokratisher Kleinlichkeit gelöst werden. Der Beta rung der Gewerbeärzte stimme die Deutsche Volkspartei zu. Sie wünsche auch Gewerbearztinnen. Sie verlange Maßnahmen zur Bekämpfung der anwachsenden Kurpfuscherei, Schaffung einer Bentralstelle für Typhusbekämpfung, Revision der En des Hebammengeseßes. Die Beseitigung der Honorarkürzung der Kassenärzte halte vie Deutsche Volkspartei für ein Gebot der Gerechtigkeit, hätte aber gewünscht, daß sie hon früher gekommen wäre, am besten zur Schonung auch der Kassen inder Form stufen- weiser Aufhebung. Bei der Sorge um die Volksgesundheit müsse der Staat niht zum leßten auch um die ideelle und materielle Hebung des Aerztestandes besorgt sein. S i:
Abg. Bartels - Crefeld (Komm.) is der Ansicht, daß im Gesamtetat viel überflüssige Ausgaben sih vorfänden, die eee für Hebung der Volksgesundheit verwendet werden könnten. Er erinnere an die 70 Millionen für Pfarrerbesoldung, an die 380 Millioner, für die Polizei und an die Aufwendungen, die, im Etat versteckt, für die Hohenzollern gemacht würden. Mit ganzen 1,4 Millionen aber solle das Elend der Massen bekämp werden! (Hört, 28 bei den Kommunisten.) Der Redner macht auf die sozialpolitishen Forderungen, die soeben das Zentrum au ett t, aufmerksam Hier sei auch die Beseitigung derx Zwangswirtshaft und als Ausgleih eine Lohn- und Gehalts- verbesserung gefordert. Dabei lehne doch der eigene Minister des Zentrums, V Arbeitsminister Brauns, jede Lohn- und echalts- erhöhung ab! Die Sozialdemokratie aber, die stärkste Partei und in Preuhen Regiecungspartei, tue nichts, um für höhere Auf- wendungen zu sorgen, obgleih der Wohlfahrtsminister den weiteren Verfall der Volksgesundheit und das Anwachsen der Tuberkuloseerkrankungen habe bestätigen müssen. Fn Berlin seien allein in einem Monat 254 Kinder im ersten Lebensjahr an Tuberkulose gestorben. Dabei seien ganze 400 000 Æ im Etat
(Fortsezung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyr ol, Charlottenburg.
Verantwortlich für den Anzeigenteil : Rehnungsdirektor Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Le N uck d ischen Druckerei- und Verlags-Aktiengelellschast, Bre ves L “ Berlin Wilhelmstr 32. -- ' Vier Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage)
schieht zur Ausfüllung dieser Lüdke von Staats wegen künftig nicht
und Erste und Zweite Zentral-Handelsregister-Beilage.
zum Deutschen Reichsa
Ir. 19.
(Fortseßung aus dem Hauptblatt.)
x Tuberkulosobekämpfung angeseßt! Gendarmen schicke man auf ie Suche nah Tuber ulejefälen, wie es in Mansfeld geschehen sei ck- eine eigenartige Art der L ung! Für Krebs- erforschung jeye man troy der hen Zahl der Todesfälle durch Krebs 10000 M ein! Auch zur Bekämpfung der Säuglings- und. Kindersterblichkeit habe man nur 400000 angelegt! Dabei rühme - man sich, 3 Millionen Er- (parnisie beim Hebammenfonds gemads zu haben — solche rsparnisse seien amtliher Kindermord! Durch eine ver- kehrte Zoll- ‘und Steuerpolitik erhöhe man das Elend und beklage dabei den Tiefstand der Volkêgesundheit. Gerade der E etat zeige den E der heutigen Gesellschaft. uh die Ausgaben für Pferderennen könnten besser im Juteresse der Volkswohlfahrt Verwendung finden. Obligatorische Schulspeisung, besonders in oen Volksschulen, sei notwendig. Für Religions- C sollte man mehr Turnstunden einführen und mehr für ¡icht- und Luftbäder für die Schulkinder sorgen. Durch die Ent- wicklung der deutschen FFndustrie en die Berufskrankheiten erheb- lid gesteigert Deshalb mehr Gewerbeärzte! Der Redner seßt sih weiter ein für unentgeltliche Behand ung Geschlechtsfkranker, Beseitigung der Kaserntierung der Prostitution und Aenderung der mittelalterlichen Methoden der sittenpolizeilihen Kontrollen. Ein Kampf für die Volksgesundheit könne aber nur ein Kampf gegen das heutige mörderische Gesellshaftssystem sein!
Abg. Gertrud Klausner (Dem.) macht auf die Folgen der Wohnungsnot in gesundheitliher Beziehung aufmerksam, Vie sich besonders ungünstig auswirke auf die Schuljugend, und empfiehlt L. Die Fugend müsse ferner geschüßt werden gegen den Alkohol; zur Bekämpfung des Altoholmißbrauchs müsse no s mehr geshehen. Man müsse den Hochwasser- folgen mehr Beachtung ei und die Bevölkerung auf die par us -sich ergebenden gejundheitlihen Schädigungen aufmerksam machen ie Epidemie in Hannover zeige, wie notwendig es sei, gur rechten Zeit Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen, ohne Kosten qu scheuen. Die Rednerin tritt für Wiedoreinführung der Ver- eihungsmöglichkeit des Profe soréntitels eiu, der für das Heilung B ende Publikum auch psychologishe Wirkungen habe. Weiter erlangt sie die Einrichtung eines Strahlungsinstituts, das allein Preußen bisher noch nicht habe. Zu fordern sei im Juteresse der Verminderung der Säuglingssterblichkeit eine bessere Schwan- gerenfürsorge Den Ausführungen des Abg. Dr. Wester (Zentr.) über die Not der Aerzte könnten sich die Demokraten durchaus anschließen. Notwendig wäre die Beseitigung des zwanzig- prozentigen Ktaikénkassen onorarabzuges. (Sehr richtig! bei den Demokraten.) Auf der Gesolei sei ein blühender Zustand der Krankenkassen zahlenmäßig -dargestellt worden, über den das Aus- land E atte. D ehnlih wie die Aerzte müßten nun au die Zahnärzte eine Angleihung ihrer Honorarsäße wenigstens an frühere Zustände erhalten. E das immer mehr sich aus- breitende Kurpfuschertum werde großes Elend unter dem Volke verbreitet. Gegen die Kurpfuscher, deren es in Berlin z. B. mehr gebe als Aerzte, E \chaärfer vorgegangen werden. Fm allge- meinen müßten auch die Regierungsparteien die Regierung dahin umzustimnmen versuchen, daß der a finanziell besser ausgestattet werde. Notwendig sei die Einstellung weiterer Ge- werbeärzte und P Förderung auch des gesunden Sports, der nicht allein nah Mekorden- geize. (Beifall bei den Demokraten.)
Abg. Prell.e (Wirtschaftl. Vereinig.) bemerkt, daß sih aus der sorgfältigen Ee des Etats ergebe, daß das Wohlfahrts-
ministerium sich bestrebe, die Volksgesundheit zu heben, Volks- wohlsahrt aber trieben eigentlih alle ‘preußischen Ministerien. Deshalb müsse ‘das Wohlfährtsministerium möglichst mit. den anderen Ressorts E NItoA, Für die nötige Bekämpfung der Sä:tglingssterblichkeit könnten Geldmittel allein nihts nügen; das sittlihe Empfinden und die Mutterfreudigkeit müßten gehoben (verden. Bedauerlicherweise habe man gerade in besseren Kreisen guerst die Freudigkeit zum Kinde verloren. Bei Besprehung der Seuchenbekämpfung erklärt der Redner, daß bei einer Epidemie bvie der ‘hannoverschen es staatliche Pflicht fei, zu helfen. Bei det Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Krankheiten und Seuchen seien die Krankenkassen mit einer der bedeutendsten Faktoren. Sie müßten aber nun endlih den Kampf gegen die Aerzte aufgeben. Es müsse erreih! werden, daß die Aerzte mit viel größerer Freudigkeit an die Behandlung von Krankenkassenpatienten heran- gehen, Der Vermehrung der Stellen der Gewerbeärzte stehe die Wirtschaftliche Vereinigung s\keptish gegenüber. Die Aerzte dürften in allseitigem Juteresse niht zu Beamten werden, weil dann die Uotwendige anfeuernde freie Konkurrenz wegfiele. (Sehr wahr! bei der Wirtschaftlihen Vereinigung.) Bei Befürwortung der Förderung der Letbesübungen meint der Redner, daß so ganz allgemein der Wunsch nah Turnen und Sport doch noch nicht dur{gedrungen sei. nigstens sei der im Landtagsgebäude ein- gerichtete gut ausgestattete Turnsaal fast immer leer. (Heiterkeit.) 3m Juteresse der Volksgesundheit licge vor allem auch die Schaffung gesunder Wohnungen. Am notwendigsten sei aber, daß die Regierung daran mitwirkt, die Seele des Volkes zu heben.
Abg. Lina Ege (Soz.) bezeihnet es als großen kulturellen Fortschritt, daß im jeßigen Wohlfahrtsètat Millionen für sportliche
gene eingestellt sind. Notwendig sei, daß unter den dauernden
lusgaben des Etats ‘genügend Mittel für Kinderspeisung, Krüppel- E und gesundheitliche Aufklärung eingeseßt werden. Das eien Forderungen im JFnteresse au der Kranftheitsvorbeugung, die die Sozialdemokraten seit Fahren erhöben und die man zum größten Teil inzwischen zu verwirklichen en habe. Sie müßten weiter ausgebaut werden, ebenso gelte es Ausbau der
R Aen eta Lng, denn die Frauen seien das Kapital des Staates.
¡je Rednerin verlangt mehr Mittel für Erholungs-, Säuglings- Und Kleinkinderfürsorge sowie Ausbau- des Krankenversicherungs- wesens. Die gegen die Krankenkassen gerichteten Vorwürfe weist sie in ausführlihen Darlegungen als unrichtig zurück Der Anteil der ärztlichen Honorare bei den Krankenkassen sei von 56 vH 1914 auf 102 vH 1924 gestiegen. Die Aufhebung des zwanzigprozentigen Honorarabzuges erfordere für die Krankenkassen eine Mehraus- gabe von 60 Millionen.
Abg. Freisrau von Watter (D. Nat.) hebt gegenüber der Vorrednerin hervor daß ihre Partei 1925 in der Reichsregierung bewiesen habe, daß sie für den Ausbau der Sozialversicherung ein- trete. Daß es den Krankenkassen nicht s{lecht gehe, ergebe si daraus, daß sie erfreuliherweise fortgeseßt ihre Leistunaen hätten erhöhen können. Außerdem hätten die Kassen 175 Millionen für Verwögensanlagen verwendet; 63 Kassen hätten sich im ab- gelaufenen Jahre Verwaltungsgebäude im Preise von je über 00 000 Mark bauen können. (Hört, hört! rechts.) Zahlreiche Kassen beteiligten sich rege am Darlehensgeschäft, und ihr Be- amtenstab sei 0 groß. daß auf einen Krankenkassenarzt drei Viertel
eamter komme. Die Krankenkassen dürften -niht, wie der „Vorwärts“ bei ihrer Einführung 1899 geschrieben habe, ein Instrument des Proletariats im Kampfe gegen das Kapital werden, sondern sie seien auszubauen zu einer sozialen Einrichtung des ganzen Volkes. (Beifall rechts.)
. Abg PEDe nre G (D. Vp.) erklärt, wenn die Managael- haftigkeit des Etats aus der Neuheit des Ministeriums erklärt verde, dann müsse man fragen, -ob die Volksgesundheitsfragen nit rüber, ‘als sie noch in den Unterabteilungen eines anderen
inistétiums behandelt worden seien, besser führen. Der Minister ollte sih darum besser nicht daranf berufen. daß das Ministerium
Erste Beilage
Berlin, Montag, den 24. Fanuar
Aerzten sei nur durch gegenseitiges Vertrauen und Achtung zu be- ven Der Erlaß der zwanzigprozentigen Ecmäßigung habe urh die Plößlichkeit, mit der der Minister hier vorgegangen sei, chlecht gewirkt. Der Redner “weist, ebenso wie Dr. Böhm, den unerhörten Vorwurf der Abg. Kunert (Soz) gegen die Aerzte, als ob sie im Kriege versagt hätten, entschieden zurück. Es sei be- dauerlih, daß „der Minister gegen diese Verunglimpfung des Aerzt tandes bisher nit von sich aus Stellung genommen habe.
Abg. Sellheim (Komm.) erklärt, der Minister habe nichts eian, n Sport wirklich volkstümlih zu .mahen. Die Haupt- ache sei, die Gesundung des Volkes zu fördern, niht aber Sport- größen heranzuzie en. Luxusstadien seien niht notwendig, wohl aber ausgedehnte Grünflächen.
_ Die allgemeine Besprechung über den Abschnitt „Volks- gesundheit“ ist damit E E E
Es folgt die allgemeine Aussprache über den Abschnitt „Allgemeine Bolkswohlfahrt-“. s E
Abg. Maria Heßberger (Zentr.) erörtert die private Wohlfa riasene Die Vereine und Anstalten hätten ganz hervor- ragende Lei bangen aufzuweisen. Für die weiblichen F awevbs: losen, deren Zahl sich auf 275 beliefe, müsse endlih mehr geshehen. Man frage die Fürsorgegesellshaften, wie shwer es sei, eine Frau, die aus dem Gleise gekommen sei, wieder auf den reten Weg zu führen, Zu empfehlen sei, ein neuntes Schuljahr einzuführen, um das Heer der Erwerbslosen zu vermindern und um zugleih für eine gründliche fraulihhe Ausbildung zu sorgen. Berlin müsse hier den Anfang machen, andere Stadte würden oigen. Nötig sei eine Spiye in jeder Provinz, die die private Bohlfahrtspflege mit der öf entlichen in Einklang bringe. Für die Not der Kleinreniner sei noch viel zu wenig Verständnis vor- handen. Das Fürsorgepflichtgeseß werde lange nicht überall von den Gemeinden und Kreisen durhgeführt.
Abg. Shmiljan (Dem.) bedauert die gttlgen Etatssäße und veriveist auf die Pinangiage des Staates. Eine zehnprozentige Ausgabenkürzung dürse bei den Ansäven für die Gesundheitspflege nicht erfolgen. Ee iMeiten zwischen den Kommunalverbänden über die Durhführung der Wohlfa rtspflege müßten aus der Welt geschafft werden Der Deutsche Verein für das Wohlfahrtswesen eiste für die ländlihe Wohlfahrtspflege außerordentlih viel und müsse mehr unterstüßt werden. Fn der Kleinrentnerfürsorge müsse das Reich die Fürsorge übernehmen und ein gese licher Anspruch
bessern; troydem habe die Zahl dec Erwerbslosen noch immer zu- genommen. Fhnen müsse Arbeit zugewiesen iverden; es sei nur ein kleiner Teil von Drücebergern unter ihnen. Die produktive Erwerbslofenfürsorge müsse energish gefördert werden. Mit Zu- schüssen an Gemeinden dürfe man hier niht zu zurückhaltend sein. Von dem Verlangen einer besonderen Sicherheit bei Gewährung von Darlehen an die Gemeinden, wie z. B. der Verpfändung von Steuerüberweisungen, solle man Abstand nehmen.
Montag: Fortseßung der Aussprache, Schluß 34 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Haushaltsausschuß des Reichstags setzte unter dem Vorsiß des Abgeordneten Van i (Soz.) gejtecn die Beratung des Et ats 1927 fort ‘bei der Besprechung des „Haus- alts des Reichsministeriums für Ernährung und Lardwirt[Hatto Abg. Thomsen (D. Nat seßte, dem Nachrichteirbüro des Ver- eins deutscher Zeitungsverleger zufolge, auseinander, daß die Landwirtschaft sich nah wie vor in einer shweren Krisis befinde. Die noch immer bestehende starke Verschuldung zt bedenklich. Er rechne mit einer Verschuldung von 9 bis 10 Milliarden. Zunächst müßten die laufenden Schulden in ritte übergeführt werden. Die Golddiskontbank a ihre Bedingungen verbessern. Die Reichsbank müsse den Zinsfuß herabseßen. 6 vH sei für die Land- wirtschaft viel zu hoch, da sie sh vor dem Kriege nux mit 2 bis 3/4 vH verzinst habe, Entsprechende Anträge habe er gestellt und bitte sie anzunehmen. dir Landesmeliorationen seien zu geringe Summen vorgesehen. Die Verwaltung der Wasserstraßen müßte aber möglichst Sache der Länder bleiben. Die Kosten der Er- eugung müßten möglichst herabgeseßt werden, deshalb bedaure er, aß die Kalipreise gegen die Stimmen der Landwirte heraufgeseßzt seien. Redner marhte eine Reihe Vorschläge zur Erreichung billigerer Düngemittel, u a. die Wiedereinführung. der Reichs- rüdckbürgschaft für Besorgung von Düngemitteln für Genossen- schaften. Ex vermisse endlich eine geseblihe Regelung des Boden- rehts. Abg. Hörn le (Komm.) forderte ein dauerndes wirtschaft- liches Pachtshußgeseß für die kleinen werktätigen ländlichen Pächter. Die Siedlungsbedingungen müßten verbessert werden. Sehr wichtig seien die Ankliegersiedlungen. “ Die Zupachtpreise würden unnötig gesteigert. Redner behauptete dann, daß die Groß- grundbesißer vou der Einkommensteuer vielfah . frei kämen, während im selben Bezirk fleinere und mittlere Besißer solche Steuern zahlten. Die Hypothekenzinsen für die Bauern seien viel zu hoch, diese hätten meist wegen Fehlens der Kündigungsklausel die alten hohen Hypothekenzinsen weiter zu zahlen. Seine Partei habe e U U einacbracht, U 6 vH die: Grenze für solche Zinsen sein solle. Die Zwangsvolstreckungen gegen kleine Betricbe nähme ershreckend zu. Abg. Schmidt-Cöpenick (Soz.) forderte vom Abgeordneten Thomsen einen Beweis für seine Be- hauptungen über die Höhe der landwirtschaftlihen Vershuldung und weiter Auskunft über die Verteilung der Sonderbeihilfen für die Landwirtschaft. Der Redner kritisierte die Methoden, die Lage der O Ra, festzustellen mit Bezugnahme auch auf die Arbeiten der Konjunkturforshung. Fm Jnteresse der ländlichen Arbeiterschafi müsse mehr getan werden, niht immer bloß ver- prochen. Abg. He p p (D Vp.) berechnete die Schulden gegenüber em Widerspruch des Vorredners in etwa gleiher Höhe wie der Aba. Thomsen einschließli der kleinen Shulden, nämli auf 9 bis 10 Milliarden. Der Zinsfuß sei dabei der {chwerwiegéndste Faktor. Für die Technisiervng der Landwirtschaft träten seine Freunde gern ein. Selbsthilfe allein schaffe aber gegenwärtig niht die Wieder- erstarkung- der Landwirtschaft. Dazu gehörten au politische Maß- nahmen wie Zollschuß usw Leider müßten infolge der lehten Wirtschaftslage die Hilfskräfte in der Landwirtschaft aufs äußerste eingeschränkt werden. Gegenüber den 750 Millionen Mark für Kanalzwecke — es berrsche ja jevt eine Art „Kanalfimmek“ -— seien die Mittel für die Landwirtschaft verschwindend gering. Ein Teil seiner Fraktion habe auch gegen die Kanalpläne erhebliche Bedenken Abg. Blum (Zentr.) erklärte: Nah den Darlegungen de? Ministers für Ernährung und Landwirtschaft in verschiedenen Vorträgen im Reiche wie gestern im Haushaltsaus\{chuß, ist die Lage der Landwirtschaft eine ernste und shwere. Das erkennen au die Bauern. Erfreulicherweise müsse festgestellt werden, daß 7 alles tun, um a!ch durch eigene Kraft, soweit das möglich sei, ie Lage zu verbessern. Wenn man den ganzen Haushalt des Ministeriums mit allen seinen Aufgaben und Zielen überschaue, wüsse man die zur Lösung aller dieser Aufgaben verfügbaren Mittel mit nur 43 Millionen für unzureichend halten. Man hätte manche dringende Kulturaufgaben in das Arbeitsbeshaffunas- próramm_ îm Ostfonds und Westfonds aufnehmen müssen. 750 Millionen seien, für Kanalbauten in Aussicht genommen. Mit
noch neu sei. Ein besseres Verhältnis zwischen Krankenkassen und
auf die Renten gewährt wevden. Die O cheine sich ja zu ’
nzeiger unò Preußischen Staatsanzeiger
1927
lichen Kulturaufgaben en lösen fönnen, einshließlih der für den Westen wi e) I eea e eEa t und des S n As baus der Siedlungspolitik. Die Siedlu 8aufgaben gehörten in das Ernährungs ministerium. Der Kredit sei die Seele der Land- wirtshaft Amerikakredit und auch der der Golddiskontbank seien gu teuer. Mit allem Nachdruck verlangen seine politischen Freunde, ß die Regieru dul die Minderung der ganz Knerhört hohen Binsspannen bei Banken, auch manchen Genossenschaftsfassen hin- wirke unter Anpassung an den geminderten Reichsbankdiskont. Die Lombardierung müsse namentlich für die Kleinbauern erleichtert werden. Die Leistungsbestrebungen müßten wirksam unterstüßt werden bei der Pferdezucht, die sich in {chwerer Abjabkrise befinde, au verschärft dur die außerordentliche Begünstigung der Motor- pflugindustrie, aber auch bei Rindvieh und anderen Haustieren. Beim Getreidebau möge das Ministerium auf Vereinheitlihung erprobter Sorten, namentlich beim Weizenbau hinwirken. Die Schädlingsbekämpfung müsse durch Motorsprizen erfolgen. Wir brauhten eine Umstellung in Treib- und Frühgaemüsebau. Schnellste und zweckdienlichste Zuführung ‘an den Verbrauch. Die Mittel für Großmärkte mit Verein gen könne der Berufsstand allein niht aufbringen. Abg. La n g (Bayer. Bp.) egte auseinander, dn die Vershuldung der deutschen Landwirt- haft das deutlihste Kennzeichen für die ungünstige Entwicklung er deutshen Landwirtschaft sei. Die Statistik se® niht er- shöpfend. Er wünsche noch eine Statistik über die rückständigen Steuerschulden. Die Kredithilfe könne heute von den altbewährten A enbanken wieder erschöpfend gewährt werden, nahdem die Pfandbriefe vom sparenden Publikum wieder aufgenommen wurden. Die Rentenbankkreditanstalt solle sich auf die Tilgun der Rentenbankscheine beshränken, damit die Rentenbankschul auf wenige Fahre abgekürzt werde. Die Düngerkredite seien nur
jahr shwer gerächt, nahdem 40 bis 50 v. H. der Ernte durch Aus- winterung, Pflanzenschädlinge sowie Hochwasser zugrunde gegangen seien. Die klandwirtshaftlihen Bauernbetricbe könnten uur noh gehalten werden, wenn Frau und Kinder mit dem Besißer die schwersten knechtlihen Arbeiten verrihteten. Die Durchführung der Beiwertung klandwirtschäftliher Grundstücke belaste die Bauern ungleich höher als früher und. richte sie voll- tändig zu Grunde. Abg. Henning (volk) betonte die starke
ershuldung der Landwirtschaft und wies besonders auf die großen steuerlihen Schulden hin. Redner verlangte die Wieder- einführung der Wucherbestimmungen. Eine Höoherstufung des Direktors und der Beamten bei der Biologischen Reichsanstalt ei wünschenswert. Abg. Haag (Dnat.) beantragte, die am 1. Dezember 1926 fällig gewesene erste Zinsrate der Winzer- kredite zu erlassen oder bis zum nächsten Zinstermin, dem 31. De« zember 1927, zu stunden. Abg. Dr. Quaaßt (Dnat.) beautragte, in den Etat einen Fonds von 2 Millionen Reichsmark einzuseßen zur Gewinnung geeigneter . Mustertypen für eia / Kraftgeräte, Axrbeitsmashinen und sorstise landwirtschaftliche Einrichtungen. Abg. Pu (Komm.) ersuchte die Reichsregierung, in kürzester Frist eine Denkschrift Über den gegenwärtigen Stand: der bäuerlichen Wirtschaftsberatung und der bäuerlichen Versuch§- ringe dem Reichstag vorzulegen, aus der ersihtlich wird: a) Aus« dehnung und Organisation der Wirtschaftsberatung und des Ver- suchsringwesens; b) welhe Schihten der Bauernschaft vor allenut dadurch erfaßt und gefördert werden; c) welhen Zweigen derx Landwirtschaft und threr Nebenbetriebe die größte Beachtung ierbei geschenkt wird; a4) welhe Methoden der bäuerlichen Wirt- chaftsberatung, der Organisierung der Versuch8ringe und der tußbarmachung ihrer Resultate unter besonderex Berücksichtigung - der bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe am erfolgreihsten er- - | einen; e) inwieweit die na eesea und von den Landwirt-
ein Zuckerbrot, diese E dem M 1 habe sih im vergangenen Ernte-
haftsfkammern unterhaltenen Versuhs- und Musterwirtschaften Ur die Förderung der bäuerlichen Berufsberatung und Eins, rihtung von * Versuchsringen ausgenußt werden. Reichs- * ernührung8minister Dr. Haslinde erklärte gegenüber den Vorwürfen gegen die Kroditpolitik der Rentenbankkreditanstalt, daß die Tätigkeit der Anstalt mit Unterstüßung der Golddiskonte bank auf eine Absenkung des Zinsfußes sowohl für Realkredit wie für Personalkredite gerichtet gewesen sei und daß dicse Tätigkeit ? au Erfolge gehabt habe. Der siebeuprozentige Golddiskontbauk- - kredit habe der Ablösung von ungleih höher verzinslichen Personalkrediten gedient und in die damals recht hohen Real-'" arne eine Bresche geshlagen. Ebenso sei die L der Hinsherabseßungspolitik der ReihSbank überall teils gefolgt, teils - vorangegangen und habe gleichzeitig auf eine Verringerung der Sa der weiterleitenden {Fnstitute hingewirkt. Zuzugebew ei, daß in leßter Hînsiht noch kein befriedigender Erfolg ; erreiht ‘sci und daß es eine ernste Aufgabe sein werde, auf eine weitere Ermößigung des dem laudwirtschaftlichen Schuldner zu berehnenden Zinssaßes hinzuwirken. An- genommen wurde eine Entschließung der Abgg. Hepp (D, Vp.) und Dr. Cremer (D. Vp.), die Reihsregierung zu ersuchen, : bei Beseßungen von Referentenstellen innerhalb des Reichs- ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft landwirtschaft« lich-fahliche Vorbildung in stärkerent Maße zu berücksichtigen. Angenommen wurde ferner eine Entschließung des Abg. R Lo mv n (Dnat.), die Reichsregierung zu ersuchen: 1. dem landwirt- chaftlihen Unteraus{huß des Engquete-Ausshusses den Auftrag u erteilen, sogleih nach Beendigung seiner Ercmittlungen über xt und Umfang der Verschuldung in der Landtoirtshaft Vor- {läge auszuarbeiten, die a) die schleunige Ueberführung aller noch schwebenden Os Schuldverbindlichkeiten in lang- [O Realschulden, b) die Herabseßung des Zinsfußes für Hypotheken auf ändlihen Grundbesiß auf einen erträglihen Saß bewirken sollen, c) eine allmählihe Entshuldung des ländlichen Grundbesißes herbeizuführen geeignet sind; 2. der Landwirt- schaft eine stärkere Vertretung im Reichskalirat zuzubilligen; : 93. thren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die Bezugs- : preise für stickstoffhaltige Düngemittel weiter verbilligt werden, Weiter wurde eine Entschließung des Abgeordneten von Guérard (Zentr.) angenommen, worin eran wird, die Vorlage des neuen Weingeseges zu beschleunigen. — Abg. Hemeter (D. Nat.) erklärte, bei der von seiner Fraktion beantragten Erhöhung des allgemeinen Förderungsfonds von 1,66 Millionen um 2 Millionen D e in viel stärkerem Maße als bisher der Kartoffelbau berücksihtigt werden. Der Kartoffel- bau sei das Rückgrat unserer wirtschaftlich ärmeren Gegend und verdiene von diejem Gesichtspunkt aus größte Berücksichtigung Bisher stünden nur 75 000 Mark zur Verfügung. Dieser Betrag - sei völlig ungenügend, 1918 seien bei Schaffung des Brannt- iveinmonopols 2 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, die 1923 wieder gestrichen worden (eon und seitdem sei die Unterstüßung ungenügend. Neben der Unterstüßung der Kartoffelkulturstation müsse wegen der Umstellung der gesamten Marktverhältnisse die Heranzucht hochwertiger Sorten ins Auge gefaßt werden. Zum Anreiz für die Züchter müßten Prämien ausgeworfen werden. Durch den Kartoffelkrebs abe sih das Ausland, das bisher mit als Abnehmer eine große Rolle ge pielt habe, abgesperrt. Die ge- eglihen Maßnahmen zur Bekämpfung griffen scharf in die rivatwirtschaft ein, es müßten Mittel zur Entschädigung dex durch den Ten Geschädigten gegeben werden. Die Krauts- und Knollenfäule, die in diesem Fahr wiederum sehr stark p ir dings sei, müsse in tatkräftigerer Weise bekämpft werden als i8hèr. Holland, Schweiz und die Vereinigten Staaten. gingen :
einer solhen Summe würde mánñ die wichtigsten landwirtschaft-
uns hier mit bestem Beijpiel voran. Alle diese Gründe - zeigtén.?