1927 / 21 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Jan 1927 18:00:01 GMT) scan diff

Eine Novelle zur Gewerbeordnung führt die Kon- zessionspflicht für das Wach- und Schließ- gewerbe ein.

Der Volkswirtschaftlihe Aus\{chuß beantragt die Annahme dec Vorlage mit der Aenderung, daß „Bewachungsgewerbe“ stait Wach- und Schließgewérbe gesagt wird, und die Annahme einer Entschließung, in welcher auch die Konzessionspflichi für das Detektivgewerbe verlangt wird

Abg. del (Komm.) empfiehlt einen Antrag seiner Partei, wonach die Vermittlung von Personal für das Bewachungs-

ewerbe nur durch die oöffen:lihen e mae alle e oll. Er weist darauf hin, daß die Wach- und Schließgese da ten Ihre bewährten Leute entlassen haben, um dafur billigeres Personal einzustellen. Die entlassenen Angestellten hätten fich in Ieineren Stadten zu Genoienhasten Penn tan, um selbst ihr Gewerbe weiter zu führen. Diese ossenshaften könnten aber die für die Konzessionierung i tei tags Mittel nicht auf- bringen. Die Vorlage wolle demnach nur die alten Gesellshasten gegen diese wtr g a shüßen. Die Kommunisten könnten dexr Konzessionspfliht nur zustimmen, wenn ihr Antrag an- genommen würde.

Für den Antrag stimmen außer den Kommunisten die Sozialdemokraten; da der Saal gerade sehr schwach beseßt ist, bleibt die Abstimmung auch bei der Gegenprobe zweifelhaft; die Auszählung ergibt die Ablehnung des Antrags mit 165 gegen 97 Stimmen.

Die Vorlage wird in zweit und dritter Lesung nach dem Ausschußantrag angenommen. Auch die Entschließung des Ausschusses wird angenommen.

Die kommunistishe Fraktion hat einen Geseyent- wurf zum Schuzye für Mutter und Kind eingebraht, Der Entwurf verlangt als Gemeindeein- richtungen Schwangerschaftsberatungsstellen, Entbindungs- heime, Wochenpflegerinnen, Heime Hr Mutter und Kind, vbligatovishe Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, obli- Ee Kindergärten, Befreiung der Frauen für acht

ochen vor und nach der Niederkunft von jeder Arbeit bei

Weiterzahlung des Lohns, Gewährung von Waisengeld und Entbindungsbeitrag, Stillgeld usw., fernex das Recht zur Beseitigung der Leibesfruht in öffentlihen Anstalten durch beamtete Aerzte.

_ Der Ausschuß füx Bevölkerungspolitiï beantragt eine Entschließung, wonach die Regierung eine Denkschrift Über die vorhandenen Einrichtungen für Mutter- und Kinderschußtz vorlegen und dann einen Gesetzentwurf einbringen soll, der auch die vorgeschlagenen Einrichtungen zu berücksichtigen hat. Ueber die Frage der Beseitigung der Leibesfruht beantragt dexr Ausshuß Ueber- gang zux Tagesordnung.

_ Abg. Martha Arendsee (Komm.) berihtet über die Aus- [IREDeryanBtngen im einzelnen sowie über die Gründe, die für die Straflosigkeit der Abtreibung sprehen. Die Aufhebung der betreffenden Strafparagraphen 218 und 219 werde keine gesund- heitlihen Nachteile zur Folge haben, wenn die Beseitigung der Yeibefirust unter ärztlihe Kontrolle gestellt werde.

Abg. Anna Nem it (Soz.) fordert einen ausgiebigen Schuÿ

î t Die beste Begründung diesex Forderung ei, daß immer noch viele Frauen infolge und nah der Geburt terben. Ebenso [e es mit der Säuglingssterblichkeit. Der auf Gruud von Statistiken jelgeuente Ruckgang der Säu Hage. lichkeit sei nur eine Folge des Geburtenrüdganges. Sn anderen Ländern sei die Sterblichkeit Ce ias geringer und dort habe man auch entsprehende Fürsorgeeinrihtungen und einen Schuß für Mutter und Kind. Das Reih müsse alles tun, um das werdende Leben zu erhalten und zu shüyen. Die Denkschrift und der entsprechende Geseßentwurs müßten baldigst von der Regie- rung vorgelegt werden.

Abg. Dr. Marie Lüders (Denm.) weist darauf hin, daß die Volkszählung eine nicht geahnte Vershiebung der Zahlenverhält- nisse dden den beiden Geshlehtern gezeigt habe. Die Zah! dex echelosen Frauen sei in dauerndem Zunehmen begriffen. Für den Staat erwüchsen daraus besondere Aufgaben gegenüber Mutter und Kind. Es sei vor allem au eine stärkere Unter- stüßung der freien Liebestätigkeit A den Staat erforderlich. Die nah dem Kriege herangewahsene Fugend könnte gesundheit- lih anders dastehen, wenn der Staat seine Pflichten auf diesem Gebiete früher erkannt hätte. Wex eine Srlartuna und Kräftigung Deutschlands wolle, müsse an der Wurzel, beim Kinde, PR Ren:

Abg. Agnes Neuhaus (Zentr.) stimmt dem Ausshußantrag zu und spricht die Erwartung aus, daß die Regierung ihm in Türzester Frist Folge trage.

Abg. Martha Arendsee (Komm.) fordert Annahme des Tommunistishen Geseßentwurfs. Wenn der Reichstag nit die JJuitiative ergreife, werde die Angelegenheit über die Denkschrift niht hinauskommen. Die Not dex arbeitenden Frau sei so groß, daß ein Schuß dringend notwendig sei. Ein großer Prozentsaß aller Kinder habe kein eigenes Bett. Die traurigen Verhaltnisse zwängen dann die Frauen, gegen ihven eigenen Körper vor- zugehen. Der Reichsta gehe über das alles hinweg und glaube mit dem § 218 seine Gli )t und Schuldigkeit getan zu haben. Die Rednerin fordert ein besseres Zauinénarkeiten dex Wohl- Is p/lege, damit es nicht mehx vorkomme, daß z. B. die eine ntbindungsanstalt überfüllt sei, während eine andere mit Oa Lees leer stehe, wie sie dies kürzli leRgenteltt habe. Die tednerin führt verschiedene Fälle rücsihtsloser Behandlung kurz vor der Entbindung stehender Shwangeren im Fabrikbetriebe an.

Abg. Lore Agnes (Soz.) betont die ungeheure Bedeutun der Frage des Schwangerenshnßes. Gerade in der jeßigen Zei der furhtbarsten materiellen Not gehe der bevölkerungspolitische Ausshuß über diesen Punkt zux Tagesordnung über. Die ungeheure Not, die Seelenpein der Frauen verlangten nohmalige BeLaAdiaa im Ausschuß. Der Reichstag solle daher den ent- O sozialdemokratishen Antrag betr. Unterbrehung der

GtGangersWast annehmen.

Aba. Dr, Elsa Ma b (D. Vp.) bezeichnet die Vorlage eines so weitgreifenden Geseßentwurfs, wie die Abg. Arendsee und der Au®schauß ihn gefordert hätten, für verfrüht. Die Deutsche Volks- partei werde nur dem ersten Teil des Antrags des Ausschusses, betr. Vorlegung einer Denkschrift über den Stand des Mutter- ihußzes, zustimmen.

Bei der Abstimmung wird der erste Teil des Auss{huß- antrags angenommen, der zweite Teil, betreffend die Vor- Tlegung eines Geseßentwurfs, abgelehnt, Der Antrag Agnes (Soz.) wird abgelehnt.

Es folgt die Beratung des Berichts des Ausschusses für die Ostfragen über Bahnbauten in den Ost- Cevteten,

__ Abg. Hensel - Ostpreußen (D. Nat.) empfiehlt als Bericht- erstatter die Annahme folgenden Ausshußantrags: „Die Reichs- regierung zu ersuchen, auf die Deutshe Reihsbahn Einfluß zu wehuen, damit dieje an den Vau der Bahnlinien herantrete, die hervor- Verbindungen

sei, Muttex und Kind.

durch die neue Grenzziehung im Osten und die dadurch gerufene Zerreißung wirtshaftbich nottvendiger erforderlih geworden sind.“

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Das Haus vertagt sich auf Mittwoch 3 Uhr: Dritte Be- xatuug des Bieten Del übex die Bekämpfung dex Ge-= \hlechiskrankheiten. Da der dritten Beratung widersprochen wird, kann am Mittwoch nur die zweite Bexatung des Gesehz= entwurfs stattfinden.

Schluß 64 Uhr.

Preußischer Siaatsrat. ___ Eizung vom 25. Januar 1927. (Bericht des Nachricbtenbüros des Vereins deutscher Zeitunasverleger )

_ Der Staatsrat hielt heute eine furze Eröffnunasfißung für einen auf einige Tage berechneten Tagungsab|chnitt ab. Für Justizrat Hallensleben, der durch Eintritt in den O Landtag sein Mandat verloren hat, tritt sein bis- eriger Stellvertreter, Strafanstaltspfarrer Sal zgeber- Berlin, als ordentlihes Mitglied in den Staatsrat ein und als sein Verireter Stadtrat a. D. B euster-Berlin-Spandau.

Gegen den Protest der Kommunisten nahm der Staatsrat den Beichluß über die Verstaatlihung der Polizei- verwaltungen in Ammendorf und Beesen, wonach diese in den Bezirk der staatlichen Polizeiverwaltung Halle a. d. S. einbezogen werden, zur Kenntnis. Gegen den Geseßentwurf, über Aenderung der Amtsgerihtsbezirke Schlochau Baldenburg und Rummelsburg in Pommern wurden Einwendungen nicht erhoben.

L ‘ind vertagte sih der Staatsrat auf Mittwochnachmittag f

Breußischer Landtag.

243. Sißung vom 25. Januar 1927, mittags 12 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *)

Das Haus seßt die Aussprahe zum Wohlfahrts- haushalt beim Abschniit „Allgemeine Volkswohlfahrt“ fort, Abg. Ben scheid (Koum.) fritijiert das Strafverfahren gegen zwei Beamte, darunter einen Polizeikommissar, die sich an einem 1öjährigen Mädchen vergangen Hatten und tegen Ver- us einer Jugendlichen angeklagt waren. Man habe die ‘ter A mit der Begründung, die Beamten seien ver- führt worden. (Unerhört! bei den Kommunisten.) Das Mädchen aber sei der Fürsorgeerziehung übergeben worden. Jn diesen Jugendfürsorge-Erziehungsanstalten würden gesunde Menschen seelisch und fkörperlih vernihtet. Arbeitsleistungen würden über- uni nicht bezahlt, troßdem oft shwerste Arbeit verlangt werde. ie Prügelstrafe sei in diesen Anstalten das einzige ErziehungZ3- mittel. Es müsse eine neue Haus- und Dienstordnung für diese Anstalten herauskommen. Ein Landtagsausshuß müsse geschaffen wevden, dessen Mitglieder jederzeit Zutritt zu den Anstalten haben. Abg. Martha Dönhoff (Dem.) tritt dem Vorredner enut- egen; die kommunistishe Eintwvirkung dürfe niht zu weit gehen. s gelte, mit den Vertretern des Staates zusammenzuarbeiten in der Fürsorge, nicht aber lediglich negative Kritik zu üben. VeFent lih können beim kommenden Finanzansgleih endlich mehr Mittel lur die Fürsorge zur Verfügung gestellt werden. Besonders müsse

ür Stärkung des weiblihen Einflusses in der Mitarbeit bei der olkswohlfabrt mehr geschehen. Das Mißtrauen gegen Organi- Res der freien Wohlfahrtspflege müsse verschwinden, der Ge- anke dex Arbeitsgemeinshaît zwis it l0atliger und freter Wohl- E fi E auswirken. Die Rednerin empfiehlt den ntrag ihrer Fraktion auf rei gti p Festlegung eines be- ges Versorgungszansprucchs für die Kleinrentner. Sie begrüßt ie reichsgeseßli Regelung zur Bekämpfung der Geschlechts- krantheiten und die Tätigkeit der weiblichen Polizei auf diesem Gebiet. Bei der Pflege der Leibesübungen « sei Yas erzichliche Moment besonders zu betonen.

Haese-Wiesbaden (Soz.) fordert Beseitiqung der Pflicht- arbeit und wünscht, daß bei Notstandsarbeiten Straßenbauten besonders im Westen durchgeführt werden. Das Gesetz für die Krisenfürsorge eie verlängert werden. Für das beseßte Gebiet seien besondere Hilfsmaßnahmen auch für die Erwerbslosen ge- boten. Das Erwerbslosen-Versicherungs8geseß müsse VRere Unter- Pen bringen als bisher vorgesehen. Die Sozialdemo- raten würden alle Maßnahmen zugunsten der Erwerbslosen unterstüßen; sie forderten Bekämpfung der Erwerbskosigkeit durch Berkürgung der Arbeitszeit und Stärkung der Kaufkraft durch Er- Dees der Löhne und Gehälter. (Beifall bei den Sozialdemo- raten.

Abg. Kl oft - Essen (Zentr.) bedauert, daß im diesmaligen WohifaHrtsetat keine Mittel für die Erwerbslosenfürsorge eingeseßt seien. Zwar würde in Zukunft diese Fürsorge vom Reich dur Darlehen übernommen, [even das Auffommen aus den Arbeit- nehmer- und Arbeitgeberfreisen niht ausreihe. Das bedeute aber einen übecflüssigen und E T Ausbau der Zeniralgewalt des Reiches. edauerlich sei, daß der Finanzminister die Dinge nux nah fiZXalishen Gesichtspunkten gesehen abe, anstatt darauf zu dringen, daß Preußen felbst die Darlehen gebe, oder fich wenigstens - daran beteilige. Selbst bei fortschreitender guter Konjunktux würden die Ecwerbslosenzahlen nur sehr langsam sinken. Deshalb müßten im Rahmen der produktiven Fürsorge größere Aufgaben in Angriff genommen werden, wie dies au der Provinziallandtag des Rheinlandes forderte. Hierzu brauche man auch die eigene preußische Anleihetätigkeit. Weiter müßten Mittel bereitgestellt werden Fir die Fortseßung der Umschui- und Ausbildungstätigkeit namentlih jugendlicher Erwerbëlosec männ- lichen und weiden Geschlehts. Die Umsiedlung der 40 000 bis 50 000 durch Rationalisierung usw. im rheinis@-weitfälischen «Fndustriegebiet dauernd erwerbslos gewordener Arbeiter müsse duxch erhebliche neue Mittel im Fahre 1927 weitergeführt werden. Ab- Pen sei auch die völlige Passivität Preußens auf dem Gebiete

Krisenfürsorae, für die das Reich drei Viertel, die Länder nur ein Viertel nah dem Arbeitslosen-Versicherungsgeset zahlen sollten. Zum Schluß verlangt der Redner Schußbbestimmungen für die alteren Angestellten und Arbeiter und lehnt das ausgedehnte Veberschihten- und Ueberstundenwesen ab.

Abg. Sellheim (Komm.) bezeihnet es als Bankrott- erklärung des Staates, daß er zwar viele Millionen den Hohen- ollern überlassen habe, nun aber aus Geldmangel seine wenigen Fürsorgeanstalten verkaufe, anstatt sie als Musteranstalten auêzu- auen.

Danmiit {ließt die allgemeine Aussprache über diesen Abschniti und es folgt die über den dritten Teil des Wohl- fahrt8etats, „Wohnungs- und Siedlungswesen“.

Abg. Stolt (Komm.) berihtet zunächst für den Haupt- aus\chuß über einen kommunistishen Urantrag, der die Aufhebung der Verordnung des Volkswohlfahrt2ministers über die Heraus- nahme der geiverblihen Räume aus der Wohnungszwangstwirt- schaft forderte, aber vom Ausschuß dur die Ablehnung eines ähn- lichen Antrages für erledigt erklart worden sei. Merkwürdig Tei, daß auch eine Regiecungspartei, die Sozialdemokraten, die Auf- ¿uns dieser Verordnung gewünsht hätten, während die anderen

eiden Regierungsparteien, Demokraten und Zentrum, aemeinsam mit den Rechtsparteien auch diesen sozialdemotratishen Antrag zu Fall gebracht hätten.

«Fn Beantwortung Großer Anfragen führt der Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer aus:

Jn Beantwortung der Großen Anfrage Nr. 118 gestatte ih mir darauf hinzuweisen, daß die in dieser Anfrage unter Zisfer 2 bis 7 gestellten Fragen bereits in einer auf die Kleine Anfrage Nx. 1194 seitens der Staat8regierung schriftli erteilten Antwort vom 22. No- vember 1926 Blatt 601 der Kleinen Anfragen und Antworten in erschöpfender Weise behandelt worden sind. Da diese Antwort allen Herren Mitgliedern dieses hohen Hauses zugegangen ist,

*) Mit Ausnahme der dur Sperrdruck hervorgehobenen Reden dex Herren Minister, die im Worilaute wiedergegeben [ind,

glaube ih, von einer nochmaligen Erörterung der Fragen inr einzelnen vou dieser Stelle aus ab}jeheu zu sollen. Jch möchte mi deshalb darauf beshränken, ledigli zu der Frage unter Ziffer 1: „Jst das Staatsministerium bercit, Neubauten für 10 Fahre von der ftaatlihen Grundvermögensteuer zu befreien?“ Stellung zu nehmen, da dieser Punkt der Großen Anfrage dur die Kleine Anfrage Nr. 1194 nur mittelbar berührt wird. Jn dieser Hin- siht gestatte ih mir folgendes anzuführen:

Durch die Verordnung des Preußischen Staatsministeriums vom 28. Dezember 1925 Geseßsamml. S. 178 —, die der Landtag am 14. Januar 1926 genehmigt hat, find die nah dem 31. März 1924 fertiggestellten Wohnungsnenbauten für die Dauer von 5 Jahren von der Grundvermögensteuer freigestellt worden. Diese Regelung bedeutet ein nicht gering zu wertendes Entgegenkommen, zumal da die Steuerbefreiung für alle Wohnungsbauten s{chlechthin, ohne Rücksicht auf Größe, Höhe des Aufwandes usw. ausgesprochen ist, während bisher die staatliche Wohnungsfürforgepolitik sich vor- nehmlih nur auf kleine und mittlere Wohnungen, und zwar nur insoweit sie von öffentlihen Körperschaften, gemeinnüßigen Ver- einigungen usw. errichtet worden find, erstreckte. Die darüber hinaus beantragte Ausdehnung der Steuerbefreiung auf einen Heitraum von 10 Jahren hält die Staatsregierung in: Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für bedenklich.

Jm übrigen darf darauf hingewiesen werden, daß der Landtag am 14. Januar 1926 der Verordnung des Staatsministeriums vom 28. Dezember 1925, die die Beshränkung der Steuerbefreiung auf nux 5 Jahre enthielt, seine Genehmigung erteili hat, ohne daß von irgendeinerx Seite diese Befristung als unzulänglich bezeichnet worden wäre.

Fch kann deut noch hinzufügen, daß sich das Staatsministes rium nunmehr s{chlüssig gemacht hat, au bei den Gemeinden dahin vorstellig zu werden, daß auch die Befreiung von der Steuer bei den Gemeinden eintritt, niht nur bei der staatlichen Grundsteuer.

Die Große Anfrage Nr. 131 der Abgg. Hürtgen u. Gen. über die Unterbringung der infolge polizeiliher Räumung von Woh- nungen in Hohenneuendorf obdahlos gewordenen Personen usw. beantworte ih, zugleih im Namen des Herrn Finanzministers und des Herrn Ministers des Funern, wie folgt: i

Zu 1. JFnfolge der Grundwassershäden in Hohenneuendorf find eine Anzahl von Häusern baupolizeilih als niht bewohnbar bezeichnet worden. Die hiervon betroffenen Bewohner sind infolge- dessen vorläufig anderweit untergebraht worden,

Zu 2. Ausführung des Beschlusses des Landtags vom 18. Februar 1925 auf den Antrag seines Hauptausshusses Drucksade Nr. 231 sind seitens der Staatsregierung die zur Durhführung der Entwässerung in der Gemeinde Hohenneuendorf erforderlichen Mittel dem Kreise Niederbarnim zur Verfügung gestellt worden. Der Provinzialverband Brandenburg und der Kreis Niederbarnim baben ih bexeit erklärt, je 14 der Gesamtfosten der Entwässerung zu tragen und ihren Anteil innerhalb dreier Jahre ratenweise der Staatskasse zu erstatten.

Wegen staatliher Hilfsmaßnahmen für die von den Grunds wassershäden betroffenen Einwohner dex genannten Gemeinds \chweben die Verhandlungen innerhalb dex Staatsregierung noch.

Zum Etatsabschnitt „Wohnungs- und Siedlungswesen“ nimmt der Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer zu folgenden Ausführungen das Wort:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dem Haushalts abschnitt Wohnungs- und Siedlungs8wesen habe ih dem hohen Hause schon in der Sibung ani 12. November 1926 eingehende Aus8s führungen gemaht. Fch kann mich daher heute verhältnis8mäßig kurz fassen und mich darauf beschränken, nur die besonder9 wihtigen Punkte nochmals hervorzuheben und zu ergänzen.

Wenn wir zunächst überblicken, was im verflossenen Fahr@ auf dem Gebiete des Wohnungs- und SiedlüngSwesens erreiht worden ist, so fann festgestellt werden, daß die Bestrebungen, di&@ Wohnungsnot gzu lindern, nicht ohne Erfolg geblieben sind.

Jch stelle weiter mit besonderem Danke fest, daß der Land« tag dem Wohnungsbauproblem immer das größte Jnteresse ents gegengebraht hat und daß er immer eins mit mir gewesen ist in dem Bestreben, Mittel und Wege zu finden, dem gesteckten Ziele auf Beseitigung der Wohnungsnot möglichst bald näherzus fommen. (Abg. Möricke: Das ist der alte Schmus1) Sie fönnen ja näcftens hier einen neuen machen, das überlasse id Jhnen.

Die Erhebungen über die im Jahre 1926 era stellten Wohnungen find inzwishen abgeschlossen worden. Erfreulicherweise haben sich meine in der Sißung am 12, Nos vember ausgesprochenen Erwartungen voll und gang erfüllt. Es find etwa 130 000 Wohnungen erstellt worden, und ih gestatte mir dazu im einzelnen folcendes zu bemerken:

In der Zeit vom 1, Oktober 1925 bis 30. Septembec 1926 wurden in Preußen rund 117000 Wohnungen errichtet, gegen das Vorjahr, in dem wir nur 983000 Wohnungen hatten, ein immerhin nicht unerhebliher Aufschwung. Außerdem waren am 1. Oktober 1928 noch rund 90000 Wohnungen im Bau begriffen, während die entsprehende Zahl am 1. Oktober 1925 81 000 Woh- nungen betrug. Jm Kakenderjahr 1926 sind ins8gefamt rund 130 000 Wohnungen bezugsfertig hergestellt worden. Die Ge- famtibauleistung des Jahres 1926 weist also gegenüber dem Vor- jabr, das in seinen Ergebnissen das günstigste Vaujahr seit Kriegsende war, einen weiteren erfreulichen Fortschriit auf. Hervorzuheben ift, daß von den in der Zeit vom 1. Oktober 1925 bis 30. September 1926 fertiggestellien 117 000 Wohnungen, über die wir zurzeit genaue Zahlen haben, allein rund 86000 Wohnungen mit Hauzszinssteuermitteln, 13000 Woh- nungen mit Hilfe anderer öffentlißer Mittel des Reiches, des Staates, der Gemeinden usw., also insgesamt 99 000 Wohnungen mit öffentlichen Wohnungsbaumitteln errichtet worden sind, während nur rund 18000 Wohnungen ohne jeglihen Zuschuß aus öffentliher Hand hergestellt worden sind, zum allergrößten Teile Einfamilienhäuser, die Zahlungskräftige für si selbst gebaut Haben. Hierbei glaube ich aber doch noch befonders darauf aufmerksam machen zu müssen, daß Preußen im bers gangenen Jahre neben den Mitteln aus dem Hauëzinsjieuers ertrag für den Wohnungsbau noch 60 Millionen Reichsmark Dar- lehen beim Reih und eine schr große Anzahl von Gemeinden in stärkitem Umfange Vorschüsse auf Darlehen im Vorgriff auf, die Wohnungsbaumittel aus der Hauszinssteuer des Jahres 1927 aufgenommen haben. Also es handelt sich niht nur um die Mittel, die tatsächlich im Fahre 1926 aufgekommen sind, sondern

S

Sparkassen.

Breußen Hat 60 Millionen beim Reih aufgenommen, und die Kommunen haben in großem Umfange bereits Vorschüsse auf

Darlehen auf das nächstjährige Aufkommen ausgenommen. Man

wird taum fehlgreifen, wenn man annimmt, daß neben den 430 Millionen Reih3mark, die im gangen für den Wohnungs- bau des Jahres 1926 zur Verfügung standen, noch gegen 250 bis 300 Millionen Reichsmark? im Vorgriff auf 42 nähstjährigen MWohnungsbaumittel aufgenommen worden find. Diese Tat- sache bitte ih im Auge gzu behalten, wenn es gilt, die erforder- lihen Mittel für die diesjährige Wohnungsbautätigkeit zu be- ffen, : An biite allerdings, aus dem an sih günstigen Ergebnis bes Vorjahres nit den Schluß zu ziehen, als wenn das mit den Mitteln des Vorjahres allein cemaht worden wäre. Wenn im laufenden Baumwirtschaftsjahr nur die gleiche Produktion erreiht werden soll wie im Jahre 1926, wird es notwendig sein, die im lezten Jahre vorgriffsweise in Anspruch genommenen Beträge erneut bereitzu- stellen, Darüber aber, daß möglichst eine weitere Steigerung der Bautätigkeit in diesem Jahre gegenüber dem Vorjahre anzustreben ist, besteht, wie ich annehme, auch hier in diesem hohen Hause wobl feinerlei Meinungsverschiedenheit.

Wie aber sollen die erforderliden Mittel beshafft werden? Das ift die Frage, auf die es im cegenwärtigen Augenblick in allererster Linie ankommt. Fest steht bis jeßt nur das foleende: Die Erhebung der Hauszinssteuer ist geseßlih festgelegt bis zum 31. März 1928, also jeßt am 1. April noch ein Jahr. Der Anteil für den Wohnungs- bau beträgt für das Rechnungsjahr 1927 ebensoviel wie für 1926: etwa 430 Millionen Reichsmark. Die geseßlihe Viete, die zurzeit 100 vH der Friedensmiete beträgt, darf nah der reichgeseßlihen Vorschrift bis zum 31. März 1927 nicht überschritten werden. Im übrigen seßt die Reichsrecierung mit Zustimmung des Reichsrats die Mindesthöhe der gesezliden Miete im Reick einheitlich fest. Während wir also bis zum 1. April eine Höchstmiete haben, sagt die geseblihe Besiimmung, daß die Reichsregierung mit Zuftimmung des Reichsrats die Mindesthöhe der geseßlichen Miete im Reiche einheitlich festseßt.

Der Zins\aß für die aufgewertete Hypothek erhöht sich nah der reihsgeseßlihen Vorschrift vom 1, Januar 1928 ab von 3 vH auf b vH. Das bedingt zwangsläufig eine Erhöhung der Miete vom 1. Januar 1928 ab um eiwa 85 vH. Denn es ift nicht möglich, das den Vermieter felbst tragen zu lassen. Dafür müssen ihm Ein- nahmen beschafft werden. (Abg. Ladendorff: Sehr rihtig) Der Landtag hat nun am 14. Oktober 1926 beschlossen:

Das Siaatsministerium wird beauftragt, unverzüglih ein ver- stärkies Wohnungsbhauprogramm auf dem Wege durchzuführen, daß zweite Hypotheken dur Jnanspruhnahme des Kapitalmarktes be- schafft und die Mittel zur Verzinsung und Tiloung aus laufenden Mitteln entnommen werden.

Jn Ausführung dieses Beschlusses hat die Staatsregierung in Auë- siht genommen, eine Wohnungsbauanleihe in Höhe von vorausfichtlich 80 Millionen Reichsmark aufzunehmen. Verzinsung und Tilgung sollen aus den vorhandenen Rükflüssen an Zinsen aus den bereits ausgeliehenen Hauszinsfsteuerhypotheken erfolgen. Unter Berüefsichticung der vorhin geschilderten Tatsache, daß schon 90 bis 300 Millionen Reichsmark der diesjährigen Mittel im vorigen Jahre verbaut worden find, werden dann immer noch ungefähr 200 Millionen Reichsmark fehlen, um allein eine der vor- jährigen gleichkommende Bauproduktion, soweit die öffentlihe Hilfe in Frage kommt, ordnungsmäßig zu finanzieren. Dieser Bedarf erhöht sih, sobald man, wie ih es für ganz unerläßlih halte, eine nennens8- werte Steigerung der Produkiion durchführen will.

Veber die Wege, die einzuschlagen sind, gehen allerdings die Meinungen auseinander. Es ist bekannt, daß ich für diesen Zweck eine enisprehende Mietstcigerung vom 1. April 1927 æckch und Er- fassung des Mehrertrages zum Zwecke des Wohnungsneubaues vor- gesblagen habe. Eine Entscheidung in dieser Beziehung konnte jedoch bis zur Stunde noch nit getroffen werden, zumal die bis- herige ledigli die Geschäfte führende Reichsregierung niht in der Lage war, entscheidende Beslüsse in einer so wihtigen Frage wegen einer einheitlihen Erhöhung der Miete zu fassen. Wir müssen also zun mindesten abwarien, bis wir im Reiche wieder eine veranhwort- Tlihe Regierung haben.

Die Vorschläge, die seit einer Reihe von Wochen die Oeffentlichkeit lebhaft beshäftigen, und die dahin gehen, an Stelle der Kapitalhingabe aus öffentliher Hand lediglich oder in der Hauptsache die Zinsenverbilligung aus öffentlichen Mitteln treten zu lassen, werden zurzeit innerhalb der beteiligten Verwaltungen eingehend geprüft. Jch bin grundsäßlih durhaus bereit, ihnen Rechnung zu tragen, möchie aber niht unterlassen, darauf Hinzuweisen, daß ihre Durchführung insofern Schwierigkeiten bereitet, als die Zinswverbilligungen nur auf längere, zunä niht näher zu bestimmende Zeit zugestanden werden müßten, daß aber die Geld- quelle für diese etwaige Verbilligung der Hauszinsfteuer vorab nur bis zum 21. März 1928 gesichert ist, daß also unmöglih unter den gegenwärtinen Umständen überhaupt einer \solchben Sachlage nahe- getreien werden fann.

Erfreulicherweise darauf habe ich bereits im Aus\{uß hin- gewiesen haben sh die Verhältnisse auf dem Gebiet des Real - fFredits nit unerbeblich ich möchte sagen: wesentlichb ge - bessert. Erste Hypotheken sind allerwärts zu haben, soroohl bei den privaten Hypothekenbanken wie bei den öffentli - rechtliben Kreditanstalten, wie insbesondere aub in großem Umfang bei den Jedes irgendwie kredilwürdige Objekt findet heute für ersie Hypotheken seine Geldgeber.

Zwischenkredit auf erste Hypotheken wird zumeist von den den Dauerkredit gebenden Banken und Anstalten selbst hon gewährt Die Reichszwischenkreditmittel, die 1926 auch für Preußen bereitgestellt waren, sind von den Instituten nur zögernd in Anspru genommen worden. Gegenwärtig sind rund 56 Millionen Reichsmark auf die Realkrediibanken verteilt, jedoch ers rund 20 Millionen Reichsmark nah 4 jähriger Geltung der Bestimmungen abagerufen worden. Das ist wohl ein Zeichen dafür, daß vielfa eigene lüssige Mittel hinreichend vorhanden sind.

Ferner ist als erfreulihe Tatsahe zu verzeichnen, daß die Kosten der ersten Hypothek gegenüber denjenigen des Vor- jahres ganz erheblich geringer geworden sind. Das Ministerium ist ouch weiter fortgeseßt um die Verbilligung des Neal- Tredits bemüht, wie es bisher dafür bemüht gewesen ist, Es ift erreicht worden, daß die Pfandbriefinstitute vom 10 %igen «* ind- brief, den wir im Vorjahr noch fast aus\{ließlich hatten, zunächst auf ven 8 Bigen, Ende 1926 auf den 7 igen Pfandbrief über-

gegangen find. Anfang dieses Jahres hat eine Reihe von Banken und Anstalten aub schon den 6 %igen Pfandbrief eingeführt, die preußische Zentralstadtschaft hat sogar bon den 5 Ligen Pfandbrief berausgaebracht. Der Börfenkurs für den 7 %igen Pfandbrief ift bereits über Pari gestiegen, fo daß cin vom Scbukldner zu tragendes Bisagio überhaupt nicht mehr in Frage kemmt. Der 6 %ige Pfand- brief notiert bereits bis zu 97 % des Nominalwerts, so daß das vom Schuldner zu tragende Diéagio bei einer Darlehnédauer von 5 bis 10 Jahren kaum noch ins Gewicht fällt. Ferner ift die sogenannte Bonifikation für den Vertrieb der Pfandbriefe gegenüber den hohen Sähen am Anfang des vorigen Jahres nah und nah auf 1 bis 1/4 % zurüdgedrängt worden. Dies steht naturgemäß im engen Zusammenhang mit dem zurzeit recht lebhaften Absatz der Pfandbriefe. Jm ganzen ift zu sagen, daß die jiährliden Lasten des Darlehnsnehmers natürlih noch niht die Friedenssäße erreichen konnten, daß aber die Bewegung zu diesem Ziel erfreulicherweise stark vorwärts geht,

Was die Höhe der Einzelbeleihungen angeht, so habe ih festgestellt, daß die Banken und Anstalten in der Regel 35 bis 40 % der effektiven Baukosten je nah Lage des Einzel- falls beleihen. Sie gehen über diese Säße bis zu 60 % hinaus, soweit Gemeinden oder Gemeindeverbände für den niht zur Deckung der Pfandbriefe geeigneten Teil der Hypothek die Bürg- shaft übernehmen, indem fie für diesen Teil Kommunal- obligationen ausgeben.

Die Mehrzahl auch der privaten Hypothekenbanken hat fih mir gegenüber wiederholt zur tätigen Mitarbeit im Wohnungsbau bereit erklärt. Eine besonders erfreuliche Entwicklung das darf ich in diesem Zusammenhange auch noch sagen hat im leyten Fahre die Preußische Landes- pfandbriefanstalt genommen. Jhr Hypothekenbestand beträgt zurzeit 33,9. Millionen Goldmark; das ist ein Zuwachs von über 1914 Millionen gegenüber Ultimo 1925. Der Pfand- briefumlauf stellt fich auf 33,7 Millionen Goldmark; das ist ein Zuwachs von rund 26 Millionen Goldmark gegenüber Ultimo 1925.

So sehr diese günstige Entwitlung des Geldmarkts auch zu begrüßen ist, so kann do eine ausshlaagebende Senkung der Neubaumieten bezw. eine Angle:Gung an die Altmieten erst eintreten, wenn es gelingt, die Kosten im Wohnungsbau, die gurzeit etwa das 1,6 fache der Friedenbauftosten betragen, wesent- lih zu mindern, Es handelt sich hier um eine wirctshaftlihe und finanzielle Frage von weittragender Bedeutung, die von meinem Ministerium immer mit großem Jnteresse verfolgt worden ist. Wenn die bekannten Bestrebungen auf Normierung, Typisiecung und Rationalisierung der Betriebe noch niht zu dem gewünschten durchs{chlagenden Erfolge geführt haben, so mag dies in erster Linie in der großen Schwierigkeit des Problems begründet sein. Fch glaube aber, daß es den gemeinsamen Bemühungen und eiger systematischen, zusammenfassenden Arbeit, an denen die weitesten Kreise beteiligt find, s{ließlich doch gelingen wird, hier etwas günstigere Ergebnisse zu erzielen. Daß sie möglich sind, halte ih für unzweifelhaft. Fch begrüße deshalb au, daß der Herr Reichs- arbeit8minister Mittel für Versuch8zweckLe zur Verfügung gestellt hat. Jch möchte mir allerdings den einen Hinweis gestatten: daß irgendwie erheblich die Neubaukosten unter die Kosten es Lebenshaltungsindexes gesenkt werden können, das halte ih nicht für wahrscheinlich; das ist keine nationale Erscheinung, das ist eine intemationale Erscheinung. Wir müssen heute bei der Festseßung der Lebenshaltungékosten bedenken, daß der LebenshaltuneSinder bei uns nur deëwegen verhältniémäßig medrig ist, weil die Mieten ja nr 100% beiragen und nihi auf die Kosten der Lebenthaltung berzufgewahsen sind Würden wir die Kosten der Miete auf die Kosten der Lebens- haltung hinzure{chnen, dann würde auch unser Lebenéhaltungéinder nicht weit von 150 bis 160 sein und damit auch dem Baukosten- index, der zurzeit 1,6 steht, also auf 160, ungefähr gleihkommen. Wir können durch all diese Maßnahmen, Normierung, Typesie- rung, vielleicht die Dinge etwas herunterbringen. Daß wir sie wesentlich unter dem heutigen Lebenshaltungsindex herunter- bringen, halte ih nicht für wahrsheinliß. (Sehr richtig!)

Nun noch ein Wort über die Wohnungsfürsorge für Staatsbedienstete. Mit Beziehung auf die gutachtliche Aeußerung des Staatsrais, wonach die Entnahme von Mitteln für die Beamtenwohnungsfürsorge aus dem Hauszinssteuer- aufkommen nicht für zulässig erachtet und die Entnahme aus all- gemeinen Staatsmitteln vorges{hlagen wird, bemerke ih, daß über die Deckungsfrage zurzeit die Erwägungen noch s{chweben. Jch möchte aber an dieser Stelle betonen, daß die Unterbringung der wohnungslosen Staatsbeamten es sind nah den neuesten Er- mittlungen in Preußen etwa 9,5% eine Staatsaufgabe ift, deren Fortführung aus staatspolitishen Rüdsichten unbedingt nat- wendig erscheint. (Sehr richtig!) Deshalb hoffe ih au, daß wir dafür noch einen Weg finden werden, auf dem dies ebenfalls geivährleistet werden kann.

Meine Damen und Herren, ih komme nunmehr zu den Wir- kungen der Verordnung über die Lockerung der Wohnungszwangs- wirtschaft vom 11. November 1926. Da darf ih mich zunächst auf die Ausführungen beziehen, die ih hierüber vor einiger Zeit im Wohnungsausschuß und in der leßten Woche auch im Haupt- aus\chuß gemacht habe. Jch hatte gehofft, daß gerade die Mieter- vereine als die berufenen Vertreter der Mieterinteressen zu ihrem Teile mitwirken würden, um die wirtshaftlihen Schwierigkeiten, die beim Uebergang zur freien Wirtschaft auf jedem Gebiete un- ausbleibtich eintreten, zu überwinden. (Sehr richtig! bei der Wirt- shaftlihen Vereinigung. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Jn dieser Erwartung bin ih zu meinem Bedauern enttäuscht worden. Denn allein in der Einberufung von Protestversamm- lungen und der Annahme scharfer Resolutionen, die die sofortige Rückehr zur Zwangswirtschaft fordern, vermag ih ein zweck- dienendes Mittel zur Ueberwindung der Uebergangsschwierigkeiten wirklih nit zu erblicken. (Sehr richtig! bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.)

Zunächst hält das vorgebrahte Material zum weitaus größten Teil einer genauen Nachprüfung nicht stand. (Hört, hört! bei der Wirtschaftlihen Vereinigung.) Es enthält vielmehr in der Mehr- zahl lediglich eine Zusammenstellung von Fällen, in denen eine Kündigung stattgefunden hat oder auch nur stattfinden soll. Dem Verlangen der zuständigen Amtsstellen, ihnen in die näheren Um- stände des Einzelfalles Einblick zu gewähren, wird leider nur in den seltensten Fällen entsprochen. Als Begründung wird angegeben,

daß die Mietervereine nicht befugt seien, Namen und Adressen der von der Kündigung betroffenen Mieter beianntzugeben. Jh kann sagen, daß fih hierüber insbesondere ein Bericht des Regierungs- präsHenten in Magdeburg beklagt, der, wenn ih nicht irre, An- gehöriger der Demokratischen Partei ist. (Hört, hört! bei der Wirts schaftlichen Vereinizung. Widerspruch links.) Daß hiecdurch den Behörden die wünschenswerte Vermittlertätigkeit erschwert wird, liegt anf der Hand.

Des mweiicren werdeu gzahlreihe Verbände von Handel und Gewerbe, insbesondere in Berlin angeführt, die sich der Protest- aïtion angeschlossen haben sollen. Eine Liste dieser Verbände ist in der allen Mitgliedern des Hauses zugegangenen Eingabe des Bundes deutscher Mietervereine vom 18. Fanuar enthalten. Es handelt sih dabei aber lediglich um örtliche Vereine, während die Spivenorganisationen der Wirtschaft durchweg den bekannten Standpunkt vertreten, es müsse weiter abgebaut werden. (Sehr richtig! bei der Wirtshastlihen Vereinigung.) Die Forderung des weiteren Abbaues der Zwangswirtschaft wird von den Spißzen- organisationen auch in dieser neuen Entschließunz, die nah der Verordnung vom 11. November 1926 veröffentlicht worden ift, auf- rechterhalten. Jch habe auch in den leßten Tagen eine Entschließung der Handwerkskammer Düsseldorf bekommen, die sich ebenfalls für Ausrechterhaltung der Verordnung einsezt. Jnteressant ist dabei, daß die Vertreter der gleichen Verbände, die fih in öfjentlihen Versammlungen angeblih für sofortige Wiedereinführung der Zwangswirtschaft einsezten, kurze Zeit naher sich mit den Haus- besizern über die Einrihtung von Schlichtungsstellen geeinigt und deren Unterstüßung zugesagt haben. Mit welcher Vorficht die zahl- reihen Protestentschliezunzen zu beurteilen sind, dafür ein Bei- spiel, das auch der Herr Berichterstatter heute angeführt hat, näm- lih die Malerinnung zu Berlin, die eine große Rolle in den Ver- handlungen gespielt hat. Sie {reibt mir unter dem 20. Fanuar des Jahres ih bedauere, daß Herr Stolt nicht anwesend is —i

„Jn einem Rundschreiben des Bundes deutsher Mieter- vereine, in dem auf eine Versammlung am 29. November 1926 Bezug genommen wird, und in deren Entschließung der Herr Wohlfahrtsminister ersucht wird, die Freigabe der gewerblihen Räume zurückzunehmen, befindet fich als erfte zustimmende Er- Hlärung die der Malerinnung zu Berlin.“

Wir haben Gelegenheit genommen, dem Bund deutscher Mietervereine wiederholt zu erklären, daß die Malerinnung zu Berlin der Entschließung völlig fernsteht

(hört, hört!), daß sie in der Versammlung offiziell nicht vertreten war, und daß sie gerade den gegenteiligen Standpunkt, wie in der Ent- \chließung angegeben, cinnimmt.

Troy wiederholten Ersuchens hat dex Bund deutscher Mieter- vereine unseren Einspruch sowie die Frage, wer widerrehtlich die Erklärung für die Malerinnung zu Berlin abgegeben hahe, niht beantwortet.“

Fn gleicher Weise hat der Verband deutscher Motorradhändler, der in der genannten Protesterklärung ebenfalls aufgeführt wird, inzwishen erklärt, daß er an weiteren offiziellen Schritten an der Seite der Mieterorganisation kein Jnteresse habe, Auf eine An- frage bei seinen 600 Mitgliedern seien nur 26 Antworten ein- gegangen, von diesen 26 hätten nur 15 eine Kündigunz erhalten,

Zusammenfassend darf ih feststellen, daß die Darstellung über die Wirkungen der Verordnung vom 11, November als er- heblih übertrieben bezeihnet werden muß. Jn diesem Sinne äußern sich auch die Berichte der nahgeordneten Stellen, soweit mir solhe biëher zugegangen sind. Als Beleg hierfür möhte ih aus dem Beriht eines Mecierungspräsidenten folgende Ausführungen, die bezeihnend für die wirklihe Sachlage sind, anführen. Es handelt sich um eine mitteldeutsche Großstadt, über die der Regierungspräfident wie folgt berichtet:

„Jh habe den hiefizen Mieterverband ersucht, die in dem dorthin gerihteten Telegramm aufgefiellte Behauptung, daß in- folge der Herausnahme der gewerblihen Räume aus der Wohnungszwangëwirts{haft „Hunderte von Existenzen“ in N. vernichtet werden würden, dur genaue Darlegung der tatsächlih vorliegenden einzelnen Fälle zu beweisen. Jn der nunmehr ein- gegangenen Antwort hat der Vorstand des Mieterverbandes mit- geteilt, daß dem Ersuchen, die Namen der Mitglieder bekannt- zugeben, deren gewerbliche Räume gekündigt scien, niht ent- sprocen werden könne. Die Mitglieder hätten dazy ihr Ein- verständnis nit erteilt. Zur vertraulichen allgemeinen Unter- rihtung hat mir der Mieterverband jedoch eine Liste überreicht, die die Namen von 90 gekündigten Gewerberaummietern enthält. Bei einem Teil dieser Fälle ist anscheinend Eigenbedarf des Ver- mieters der Kündigungsgrund. Bei den übrigen Fällen ist die Kündigung offenbar erfolgt, um ein neues Vertragsverhältnis unter Festseßung einer höheren Miete zu vereinbaren. Nur in fünf Fällen ist der Betrag der geforderten neuen Miete an- gegeben, Die Forderungen bewegen sih auf der Höhe von 50 vH bis 400 vH der bisherigen Miete. Fh verkenne nicht, daß dies, die Richtigkeit der Angaben vorausgeseßt, sehr hohe Fordecungen find. Es handelt sih aber nach der Liste offenbar um verhältnis- mäßig nur sehr wenige Ausnahmefälle.

(Sehr richtig! rechts.) Die in der Eingabe des Mieterverbandes fürhtungen vermag ich nicht zu teilen sagt der Herr Negierungspräsident in ‘hört! rechts.) Irgendwelhe ernste Störungen des Wirtschaftslebens sind m. E. infolge dec Aufhebung der Zwangswirtschaft für gewerbliche Räume nicht zu befürhten, Die Zaht der von dem Mieterverbande mit- geteilten Kündigungen stellt nur einen sehr geringen Prozentfaß der in der Stadt vorhandenen Gewerbetreibenden bezw. der Mieter gewerbliher Räume dar, Auch wird bei einem Teil dieser Fälle wahrscheinlich die Möglichkeit einer gütlihen Einigung gegeben sein. Sofern die von dem Hansbesitzerverband ançestrebte Zu- fammenarbeit zwischen Vermietern und Mietern in der Ausgle:hs- stelle zustande kommt, werden m. E, Schädigungen einzelner Mieter infolge unberehtigt hoher Mietforderungen vermieden werden können. Mit derartigen unberehtigten Forderungen wird ‘zudem m. E. nux in einer verhältnismäßig kurzen Uébergangszeit zu rechnen sein. Das ist das Entscheidende, meine Herren und Damen; die Dinge werden sih çenau so einstellen, ob wir die Aufhebung der Zwangs- bewirtshaftung gewerbliher Näume zum 1. April 1927 odex 1928 oder 1930 vornehmen. Es ist ausgeschlossen daß jemals eine Zeit kommt, in der das nicht der Fall sein würde, (Sehr richtig! rets.)

dargelegien Be-

seinem Bericht. (Hört,