1927 / 22 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Jan 1927 18:00:01 GMT) scan diff

demokraten. Es bleibt bei der Fassung zweiter Lesung. Auch der Rest des Geseyes bleibt unter Ablehnung sozialdemo- iratischer und kommunistischer Anträge im wesentlichen un- verändert.

Vor dex Schlußabstimmung gibt Abg. Dr. M o se s (Soz.) folgende Erklärung ab:

Die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion legt diesem Geseß- entwurf aus volksgesundheitlihen und wohlfahrtspflegerischen Gründen die allergrößte Bedeutung bei; fie bedauert deshalb um jo mehr, ihm nicht in ihrer Gesamtheit zustimmen zu können. Die Ablehnung der Unentgeltlihkeit der in diesem Gesey vorgesehenen Behandlung sowie die-Einbeziehung aller Krankheiten oder Leiden der Geshlechtsorgane in den lediglich den für das Deutsche Reich approbierten Aerzten zustehenden Behandlungskreis macht es einem Teil der Fraktion unmöglich, seine Zustimmung zu dem Geseßentwurf zu geben. Auch die übrigen Abgeordneten bedauern aufs Tiefste, daß heute erneut unser Antrag abgelehnt wurde, nah dem ein über den Rahmen der Geschlehtskrankheiten hinaus- gehender Zwang verhindert werden sollte. Diese Abgeordneten glauben jedoch nicht die Verantwortung dafür übernehmen zu fonnen, daß durch ihre Ablehnung das ganze Gesey fällt. Seit Fahrzehnten kämbvfen große Kreise der Bevölkerung, namentlich die Frauen, Aeczte, Sexualforscher, Abolitionisten, zusammen mit der \ozialdemokratishen Partei für die Beendigung der nur noch in ivenigen Staaten aufrecterhaltenen Kulturshande der Bor- dellierang und Kasernierung. Durch dieses Geseß wird endlich dieses alte und veraltete System der O ver- lassen und an Stelle der bisherigen polizeilihen Maßnahmen die reihsrechtliche Grundlage für fürsorgerishe und wohlfahrtspflege- rishe Aufgaben gegeben. Gerade die Tatsache, daß täglich E iteue durch die große Erwerbslosigkeit und Wirtschaftsnot zahlreiche Frauen und Mädchen in Gefahr kommen, der Prostitution anheim- ‘ufallen, läßt uns diese Maßnahmen und deren Durchführung in den Ländern und Gemeinden für unbedingt notwendig erscheinen, da wix in einer rechtzeitigen Fürsorge das alleinige Mittel einer wirklihen Bekämpfung der Prostitution sehen. Alle diese Gründe veranlassen einen Teil der sozialdemokratishen Fraktion troß der erwähnten Bedenken dem Geseß zuzustimmen. Die gesamte sozial- demokratische Fraktion ist sich aber einig dárin, daß, wenn heute dieses Geseß angenommen wird, sie niht ruhen wird, um daraus sih ergebende Mängel oder unnötige Härten so s{hnell als möglich abzustellen, und sie behält sich deshalb vor, Verbesserungsanträge sowohl in sozialex als in gesundheitliher Hinsicht jederzeit im Reichstag einzubringen.

Das Geseh als Ganzes wird darauf gegen die Fommu- nisten, Völkischen, Bayerische Volkspartei, Wirtschaftspartei und einzelne Sozialdemokraten und Angehörige anderer Fraktionen verabschiedet.

Es folgt die zweite dein

Beratung der vou Abg.

von Guérard (Zentr.) beantragten Novelle zum Geseß über Grundschulen .und lte die Aufld]

j der Vors- sollte die Auflosung odex der Abbau von privaten Vorschulen erst dann erfolgen, wenn die Entschädigung der Lehrkräfte und Unterhaltungsträger geseßlich geregelt und durchgeführt ist. Der Bildungsaus\chuß beantragt, daß da, wo eine baldige Auflösung oder ein baldiger Abbau erhebliche wirtschaftliche Härten für die Léehrkräfte oder die Unterhaltungsträger mit sich bvingen würde, oder aus órtlihen Gründen untunlich ist, die völlige Auflösung auf- geschoben werden kann. Dann soll aber dafür gesorgt werden, daß die Schülerzahl den bisherigen Umfang nicht übersteigt. Wenn sich Härten evgeben, so soll aus öffentlichen Mitteln eine Entschädigung gewährt werden. Vorher darf der Abbau oder die Auflösung der privaten Vorschulen nicht exfolgen.

Abg. Creußburg (Komm.) beantragt anderihalb Stunden Redezeit. (Lachen bei der Mehrheit.)

Präsident be: Jch kann mir nicht denken, daß maun über diesen Gegenstand anderthalb Stunden sprechen kann! (Rufe bei den Kommunisten: Abwarten !) :

Dex Autrag wird abgelehnt, die Redezeit auf eine Halbe Stunde beschränkt.

Abg. Rädel (Komm.) beantragt, den Reichsfanzler zu zitieren, damit er zu diesem Gejsey Stellung nehme.

Auch dieser Antrag wird gegen Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt.

Abg, Dr. Löwenstein (Soz.): Dey Ausshußantrag ist ein typishes Produkt des shwarz-blauen Bürgerbloc(s. Man wili hier auf dem Gebiete des Schulwesens ein Privilegien- und Klassen- geseß schaffen. Obendrein widerspricht es der Reichsverfassung. Dieser Entwurf verschleiert nux. unvollkommen die Absicht der Schwarz-Weiß-Roten, die Privatshule als die monarchistische Gesinnungsschule zu erhalten, und die Absicht des Zentrums, be- sondere Gesinnungsschulen für die katholische Kirche zu erhalten. Die Entschädigungsansprüche werden ins Ungeheuerliche gehen, wie wir es bei den Auslandsdeuishen und im beseßten Gebiet erlebt haben. Dieser Antrag greift übrigens dem Entshädigungs- geseß vor, daß die Regierung angeblich vorbereitet. Die Lehrer- vereine und der Deutsche Städtetag lehnen diese Verschleppung der Aufhebung der Vorschulen ab. (Hört, hört! links.)

Darauf wird die: Weiterberatung auf Donnerstag 2 Uhr vertagt.

Schluß 5 Uhr.

¡chulen. Nach dem Antra

Preußischer Staatsrat.

Sißzung vom 26. Januar 1927, (Berichi des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Staatsrat bestätigte in seiner heutigen Sißung zunächst den bisherigen Vorstand mit der Aenderung, daß an die Stelle des ausgeschiedenen Mitglieds Justizrats Hallensleben, der bekanntlich in den Landtag eingetreten ist, Oberbürgermeister Böß als zweiter Vizepräsident in den Vorstand eintritt. Zuvor hatte Freiherr von Gayl für die Arbeitsgemeinschaft die Erklärung abgegeben, daß fie sih an der Wahl nicht be- teiligen werde, da die Nechte der Arbeitsgemeinschaft als stärtster Fraktion bei der Beseßung der Vorstandsämter von der Mehrheit mißachtet würden. :

Der Staatsrat erledigte sodann eine Reihe von Vorlagen, ohne Widerspruch zu erheben. der Landesgrenzpolizei mit der Landeskriminalpolizei, die Auf- wertung von Versicherungsansprüchen gegen öffentlihe Feuer- versicherungsansialten, wonah eine analoge Anwendung be- stehender Vorschriften auf diese Anstalten vorgeschrieben wird, die Ausführungsanweisung zum Fischereigeses jowie eine Verfügung über die Uebertragung einzelner richterlicher Ge- schäfte an Notare, worin bestimmt wird, daß die Ueber- wachung von Unterredungen eines Verhafteten mit jeinem Verteidiger nicht Referendaren durch den Amtsrichter über- ragen werden darf.

Die nächste Sizung 6 Uhr festgeseßt.

wurde auf Donnerstagnachmittag

ret

Sie betrafen die Verschmelzung -

Breußfscher Landtag. 244. Sißung vom 26. Januar 1927, vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger *)

Abg. G ieseler (Völk.)-gibt folgende Erklärung gußer- has der Tagesordnung zu dem Beleidigungsprozeß des Ministers Hirtsiefer ab: it

„Fm Oktober 1925 hatte von der Tribüne des Landtags einen Angriff gegen den Wohlfahrtsminister Dircefer aus Anlaß seiner Wiener Reise gerichtet. m Angriff lag folgender Tak- bestand zugrunde, wie ex am gestrigen Tage gelegentlich des

rozesses gegen den Redakteur Dr. Lippert gerichtlich durch eugenaussagen festgestellt wurde. Fn den Waudelgängen des Landtags erzählte man sih im Sommer 1925 von derx angeblichen Entgleijung des Ministers, worauf der Abg. Wulle in Anbetracht der ungeheuren Schwere des Vorwurfs nah Wien an Professor Otte {rieb und um Auskunft bat. Dieser oniwortete, daß er ih bei zwei Tatzeugen, und zwar einen dieren Ministerial- eamten, welchecr dem Minister zeitweise als Begleiter zugeteilt eivesen sei, und ferner unabhängig davon bei dem zuständigen S Rats, A Ernor Mayer, erkundigt habe Beide bestätigten den Vorgang genau so, wie ex in Berlin er- n wurde. Darauf machte ih schon im September 1925 ge- egentlih dex Beratung des Wohlfahrtsetats gewisse Andeutungen im Plenum. Bald nachher kam Herr Prof. Otte persönlich nach Berlin und bestätigte hier im Landtage in Gegenwart zahlreicher Zeugen nochmals ganz ausdrücklich seine brieflihen Angaben. Er erklärte, an dem Tatbestand sei gar nicht zu rütteln, “und er trete voll und ganz für die Richtigkeit seiner Angaben cin. Ganz ‘ausdrüdcklich autorisierte er mich in Gegenwart vieler Zeugen, von féinen Angaben nach jeder Richtung hin Gebrauch zu machen. Darauf hielt ih es als Abgeordneter im Einver- nehmen mit meiner Fraktion für meine Pflicht, die Angelegenheit im Plenum gelegentlich der Beratung des Etats des Jnnecn zur Sprache zu bringen. Auf méinen Wunsch gab mir darauf Herr Prof. Otte absolut freiwillig in Gegenwart ebenfalls zahlreicher Beugen beifolgende eidesstattliche Erklärung, deren Entwurf aus seiner cigenen Feder stammt, Sie lautet: „Eidesstattliche Er- klärung. Fch habe über Vorgänge aus Anlaß des Besuches des eie Wohlfahrtsministers Hirfsiefer von völlig einwand- Jreier Seite erfahren und dem Abg. Gieseler Mitteilung gematht. Jch halte: meine Angaben aufrecht in dem Sinne, wie sie der Abg. Gieseler geschildert hat, und bin bereit, dieselben vor Gericht zu vertreten. Berliit, den 22. Oktober 1925. gez. Prof. Viktor Otte. Wien 19, Sieveringer Straße 160" Später erklärte Prof. Otte, daß er seine Zeugen auf keinen Fall preisgeben würde, weil sie Beamte seien, die dadurch den größten Unannehmlih- keitew ausgeseßt sein würden. Er würde daher statt deren Zivil- zeugen besorgen. Fch erklärte mih auf Vorschlag des Majors v. Krogh damit einverstanden, für die von Otte geleitete Organi- sation „Bund déx unterdrückten Völker“ 500 Mark zu fen ivie Otte wünschte, wenn er statt der Beamtenzeugen tauglihe Zivil- zeugen stellen würde; denn ih wollte mich natürlih nach jeder Seite hin sichern. Soweit der am gestrigen Tage gerichtlich fest- gestellte Tatbestand. Die Darstellungen der Linkspresse sind un- rihtig. Als es nun zux Gerihtsverhandlung kam, ist Prof. Otte umgefallen. Jh will nicht erörtern, ob der Umfall aus freien Stücken oder auf einen erna ggen Druck von irgendeiner Seite her erfolgte. Es genügt mir die Tatsache, daß mein Gewährs- mann, den ih für absolut siher halten mußte, uicht mehr als solcher existiert. Jch ziehe daraus die Folgerung und nehme meine Anschuldigungen gegen den Minister Hirtsiefer mit dem Ausdrucke Bedauerns zurcück“, (Großes Gelächter links, Quas des Abg. Falk [Dem.]: Das ist dann das Ende einer \chamlosen Verleumdung, seien Sie ruhig!)

Ein interfraktioneller Antrag, in das Sofori-Programm für die produktive Erwerbslosenfürsorge im Juteresse des Hochwassershußes und der Landeskultur den Bau von Talsperren und Wassernußungsanlagen im Wesiharz -aufzunchmen und die Mittel dafür durch An- leihen aufzubringen, geht an den Hauptausschuß.

Dex bekannté Runderlaß des Ministers des Funern über die Regelung des Schießsports geht an den Hauptausschuß, ebenso die Denkschrift des Ministers des Fmnern unter dem Titel „Wegweiser durh die Polizei“.

Annahne findet ein Antrag des Rechtsausschusjses, der au Stelle der von den Völkischen gewünschten Wieder= einführung der freien Wahl der Gerichtsvollzieher das Staatsministerium exsucht, nah wie vor im Dienstaufsichts- wege auf eine Abstellung der bei der Durchführung dev Zwangsvollstreckung hervorgetretenen Mängel und Mißstände hinzuwirken.

Dann wixd die zweite Beraiung des Wohlfahuis- etats fortgeseßt mit der weiteren allgemeinen Ausfprache zum Kapitel „Wohnungs-undSiedlungswesen“.

Abg. Ladendorff (Wirtféehaftl. Vereinig.) bezeichnet die Wohnungszwangswirtschaft als das größte Uebel, was von allen Uebeln jeit der Revolution zutage getreten sei. Sie erfordere jährlich Hunderte von Millionen für unproduktive Zwecke und fördere durch Aufheßung der Mieter gegen die Vermtieter einen Klassenkampf, wie er vor der Revolution jedenfalls nicht be- tanden habe. Tatsählich bleibe die Uecen i neuer Wohnungen ständig zurück gegenüber den immer höherèn Beträgen, die dafür aus der Hauszinssteuer bereitgestellt werden. Troy ständig steigender Hauszinssteuer sei sogar die Wohnungsnot immer größer geworden, ein Beweis dafür, daß das System verfehlt sei. Der Redner begründet Anträge, die mehr Mittel für den Schuß des Altwohnraums und eine bessere Entschädigung des Haus- besißes verlangen. (Als er in Ausführungen gegen die Tätigkeit der gemeinnüßigen Siedlungsgesellschaften die Mietskasernen lobt, wird er von der Linken mit lebhaften Laa und dauerndem Gelächter unterbrochen.) Fede weiiere Erhöhung der Hauszins- steuer lehne die Wirtschaftlihe Vereinigung ab. Bei Verteidi-

ung der Verordnung über die Sag, der gewerblichen Räume aus der Zwangswirtschaft - gibt der Redner seiner Ver- wunderung darüber Ausdruck, daß jogar dig Deutschnationalen, die im Ausschuß jede Aenderung der Verordnung abgelehnt hätten, jevt selbst Milderungsanträge vorlegten. Dieser Partei, die der Wirtschaftlihen Vereinigung doch mehr oder weniger olitisch nahestehe (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), hätten fich andere Parteien zum Ma Vorgehen E en. Die höchsten Forderungen stellte nahweislih- der fiskalische Sausbesiu. Die Stadt Elberfeld z. B. fordere. als Miete für gewerbliche Räume 8 % vom Jähresumsaß. Hoffentlih werde der Minifter ‘stark genug sein, gegenüber dem rein sozialistishen Mieterbund und gegenüber den Anträgen der Parteien, die aus Attgst vor der Rache der AMETDaE gestellt seien, die Verordnung aufrechtzu- erhalten. Der Rednex zahlt dabei Einzelfälle zum Beweije datür auf, daß die weitgus großte Mehrzahl dér Vermiéter auf dem Boden der Grundsäße der Hausbesißerorganisation “stehen und keine wucherischen Forderungen erheben. um Schluß erklärt dec Redner, wenn sein Antrag auf völlige Gu ebung der Wohnungs- givangooietiait jeßt keine ie i finden sollte wie {on im Reichstage, hätte die Wirtschaftlihe Vereinigung nichts dagegen, da wenigstens ein Teilgebiet, die gewerblichen Räume, befreit seien. (Gelächter links und Aha-Rufe!)

Abg. Me yerx - Solingen 0s) führt aus, daß mai in den leßten K eren des öfteren Gelegenheit gehabt hätte, den Führer der E eE bb Vereinigung, Ladendorff, über das gleiche Thema reden zu hören. Niemals habe er si aber \o gequäkt aus-

des

" *) Mit Ausnahme der dut& Sperrdruck bervoraebobenen Reden

der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben find. gedrückt wie Heute; das komme daher, daß er die Schattenseiten

7- tätigkeit erhöht wird, und- zwar

nicht-erhe

einer Hausbesißerpolitifk jevt kennengelernt habe, uru bg. Ladendorff: Jh habe keine Schattenseiten leinene Dann will ich Sie daran erinnern, wie Sie vor wenigen Tagen in einer Versammlung vor den Mieterdeputationen ausgerüdckt sud. Lachen und Beifall links; Händeklatschen auf den Trib; nen.) er Redner fordert, daß nunmehr unbedingt die Wohnungsbauy- den Programmen der Gewerk, haften und der kommunalen. Spivenorganisationen entsprechend auf 250 000 Wohnungen im Reich pro Fahr. Die Sozialdemo- fraten würden erst dann die Beseitigung der Wohnungszwangz- wirtschaft gutheißen können, wenn Angebot und Nachfrage si die Wage biellen und die Ausnugzun der Mieter unmö lid Auch Herr Ladendorff müsse wissen, daß im Gefolge des“ Erlasses des ohlfa E Mietss\teigérungen für gewerbl he Räume in allen großen und mittleren preußishen Städten bis f mehr als 500-% durchgeführt worden Bien Und wenn erx er- lâre, zah der organisierte Hausbesiy solhe Wucherforderungen be, so müjse man dem entgegenhalten, daß die Wohnungs. zwangswirtschaft niht nur für den organisierten Hausbesiy auf- gehoben werden könne, sondern entweder für alle oder überhaupt nicht. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ursa sei, daß die Deutsche Ee die vorige Woche im Aus\chuß einen ozialdemokratischen tilderungsantrag zur Verordnung des ohlfahrtsministers mit abgelehnt habe, jeßt in einem eigenen Antrag dieselben Milderungsforderungen erhebe. Ebenso be- zeihnend wäre, daß die Deutschnationalen, die durch den Mund es Abgeordneten Howe von einem deutshnationalen Reichstags- abgeordneten abgerüdckt seien, der sich gegen die Hirtsiefer-Verord- nung ausgesprochen habe, ebenfalls -nun- selbst eine für die Mieter günstigere Ausgestaltung dieser Verordnung verlange. Auch in absehbarer Zeit sei keine Möglichkeit - gegeben, die Wohnungs- ivangswirtschaft abzubauen oder den- Mieterschuß einzus ränken. Deshalb habe die sozialdemokratische Fraktion lar ind eindeuti beantragt, den Erlaß des Wohlfahrtsministers vollinhaltlic, zurückzuziehen, für den Fall der Ablehnung die Wirksamkeit der Verordnung um cin Fahr hinauszuschieben. Um zu sehen, wo die wahren Freunde des Mittelstandes säßen, verlangten die Sozialdemokraten namentliche - Abstimmung über ihren Antrag. (Beifall links; Händeklatshen auf den Tribünen,) __ Abg. Kölges (VBentr.) exklärt, daß eine große Zahk rheinisher Städte, wie Duisburg, Düsseldorf, Essen, Mülheim, Oberhausen, Homburg, Dortmund, hiusichtlih der Zahlungen aus dem Ausgleichsfonds noch schlechier gestellt seien als Berlin. Seine Partei ‘habe volles Verständnis dafür, daß- sich durch die lange Dauer der Zwangswirtschaft teilweise unerträgliche Ver- jältnisse zwishen Mietern und Vermietern exan he haben. 58 set ja doch so gewesen, daß eine Ehe leichter hätte geschieden werden fönnen als ein Mietverhältnis. (Heiterkeit) Die Wohnungszwangstvirtschaft sei eine unangenehme Zeiterscheinung, die nur vorübergehend sein dürfe, solange der Shub der Schwachen nötig sei; eine Verewigung der Zwangswirtschaft sei Sozialismus in Reinkultur! Der Rednex empfiehlt den Antrag jetiner Fartes, größere Wohnungen zu teilen und die neu geschaffenen Räume von der Zwangswirtschaft Nen, _Die demokratische E sollte dem Zentrum und jeinem Minister nicht jedesmal nüppel M die Beine werfen, wenn eine für notwendig erkannte Maßnahme durchgeführt werde. Wenn die LERIOTEI Le Fraktion das Verhalten des Ministers nicht billige, dann sollte ste das ganz offen erklären. Der preußische Finanzminister spricht im „Berliner Tageblatt“ von einer abgestufien Erhöhung der Mieten auf 130 vH, sein Parteifreund Hoff lehnt aber jede Mieterhöhung überhaupt ab. Der Finanzminister spricht, fährt Redner fort, von einer 4 igen Verzinsung der Hypotheken. Jun seinen Artikeln scheint exr aber ganz zu vergessen, daß der Hausbesiber Hypotheken Hat aufnehmen müssen, die exr zu einem Zinssab von 8 bis 12 vH verzinsen muß! Der Abbau der Zwangswirtschaft ist erfolgt, nachdem die Spißenorganisationen, wie Fndustrie- und Hardels- kammern, sich für den Abbau ausgesprochen haben. Auch der Reichsverband des Deutschen Handwerkts, der Verband des Einzelhandels und der Verband der Geschäfts- und Fndustriehaus- besißer haben feine ablehnende Stellung „eingenommen. Härteit iverden nie zu vermeiden sein. Wen die Kündigung trifft, der wird meistens in cine schwierige Situation Hhineinkommen. Mancher aber der Mieter erntet jeßt, was er selbst gesät hat! (Sehr richtig! bei der Wirtschafstl. Vereinig.) Unterstreichen möchte ih auch die Bemerkung des Herrn Ladendorff, daß die Reichsbahn 6- bis 8 fache Friedensmiete auf ihrem Gelände für Ladenräume usw. genommen hat. Das N will nah wie vor die Schwachen shüßen und hofft, daß der Hausbesiber für sie Verständnis hat und daß im übrigen gegen Schädlinge rüdcksihtslos vorgegangen wird. Der Zeitpunkt für die Lokerung dexr Zivangswirtschaft is gerade bei der gegenwärtigen Wirtschafts- lage der allergünstigsie!

Abg. Spiekernagel (D. Vp.) erklärt, daß es bedentlih sei, die Erledigung der Auträge zur Verordnung des Wohlfahrts- ministers hinauszuschieben. Es müsse dafür gesorgt werden, daß die Auss{hußberatungen in der Pause erfolgen, damit der Landiag sogleich beim Wiederzusammentritt über die Anträge Beschluß fassen könne. Der Abgeordnete Hoff von den Demokraten häbe im Ausschuß und im Plenum ausdrücklih erklärt, daß er grund- äblich auf dem Boden der Verordnung des S ee tche. Noch am 12. Fanuar 1927 habe er fih dahin geäußert, aß, wenn gewisse Schußbestimmungen angenommen würden, die Verordnung aufrehtzuerhalten sei. (Hört, hört! rets.) Die Demokraten hätten also kein Recht, anderen Parteien eine Aenderung ihrer Haltung vorzuwerfen. Bei der Hauszinssteuer dürfe niht vergessen werden, daß der Hausbesizer durch die Abnugzung seines Hauses erhebliche Einbuße erlitten habe. Dies müsse, auch wenn man die Hauszinssteuer als eine rznflatións- steuer gelten lassen wolle, abgerechnet werden. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Zur Förderung des Privatwohnungs- baues beantrage seine Fraktion eine längere Befreiung als bisher von der staatlihen Grundvermögenssteuer für Neubauten aus privater Jnitiative. Dem Neubauprogramm des . Ministers fônne man zustimmen. Die Schaffung eines besonderen Zentral- kreditinstituts zur Ayangierung des Baumarktes sei abzulehnen, weil dadurch die Bürokratisierung nicht aufgehoben, sondern nur zentralijiert werde. Die Belebung des Baumarktes werde ein gutes ittel sein, einem großen Teil der Arbeitswilligen, die bisher keine Arbeit hätten finden können, Arbeit zu vershaffet. Der Redner wandte sih gegen eine einseitige Bevorzugung der gemeinnützigen Baugesellshaften bei der Vergebung der Haus- zinssteuer. Unbedingt zu wünschen sei, daß man sich bei den Neubauten die Raumausnußung der Holländer. (eingebaute Schränke usw.) zum Vorbild nehme. Das Schlagtoort vom Unfug des Bauens sei glückliherweise verstummt. Zwishen Wohnungs- wesen, dem Wirtschaftsleben und der Sozialpolitik bestehé ein enger naue dang. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirt- haft hänge in hohem Maße davon ab, ob und inwieweit es Uge, E die breiten Aen der Bevölkerung gesunde und illige Wohnungen, herzustellen. Die Belebung des Bäumarktes erxspare Krankenhäuser und Arbeitslosenunterstüßung. (Beifall rechts und in der Mitte.)

(Fortsezung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg. Verantwortlich für den Anzeigenteil : Rehnungsdirektor Men gerins n

erlin. Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. : Druck der. Preußishen Druckerei- und Verlags-Aktiengesellshaft.

Berlin, Wilhelmstr. 32, Vier Beilagen (einshließlih Börsen-Beilage) A und Erste bis-Dritte Zentral-Handelsregister-Bèéilage

Erste Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

N

(Fortsegung aus dem Haupiblatt.) :

Abg. Heym (Komm.) bekämpft heftig die Lockerung der Bwangh rtschaft, die angesichts der Siehe namoi iein sei. Ava: Merxten (Dem.) verteidigt die Haltung der Demo- kraten und die von ihm eingebrachten Anträge zur Verordnun des Ministers und weist Angriffe des Abg. Dr, Spickernage zurück. Gerade die Haltung der Deutschen Volkspartei sei doh eigenartig: Dr. lz habe öffentlih erklärt, die Verordnung musse ogt Dr ‘Spickernagel r sage hier, feine Fraktion stehe auf dem Bödén der Verordnung: (Zuruf des Abg. Buchhorn (D. Vp.): Dr. Falz a doch niht für uns maßgebend!) Vorwürfe des Abg. Kölges gegen die Demokraten seien gleichfalls nicht stihhaltig. Die emokraten seien Anhänger des privaten Eigentums und der Privatwirtschaft. (Zuruf des Abg. Laden- dorff (Wirtschaftl. Vereinig.): Das haben Sie nicht bewiesen!) Sie fie ri aber die Art des Ueberganges zur freien Wirtschaft nit fir S 2e E E gerechte Dns der Stadt erlin, o viele Fremde Untershlu inden, i Wohnungsnot erheblih vergrößere. aren “T ae wenn Berlin einen so geringen uückerstattet erhalte. Herrn

Um so ungerechter sei es, Anteil an der Hauszinssteuer l t ? adendorff seien cin Dorn im Auge ie Siedlungen mit sozialer S ihtung. Berlin habe sich ent- s{lossen, ganze. Häuserblocks zu bauen für Straßeunbahner. Die Häuser so ten so liegen, daß bis zu einer Stunde gespart werde, R fit e O zu errei E: Auch die Siedlungen in r a. d. L». seièn eine Kulturtat (andauernde - Dreaton des Abg. Ladendorff). : L S Hausbesiver gehe nit rigoros vor. gekündigt wordén, der bisher 3000 Mark ekostet habe; er solle eht Mark E dazu solle noi die ommen. Und wer sei der Vermieter? Es sei der

des Haus- und Grundbefißervereins in Halle!

den Demokraten. Zurcu

Jn Halle sei ein Laden

er Vorsiyende t (Hört, hört! bei e l . Burufe der Wirtschaftspartei.) Der Redner Ce Fe ia E rigoroses Vor usdbestpern zu erweisen, und verliest Säße mit R IEartes, in R der ie i reibenden un ieter au8gefprohen wird. (Lebhaftes ört, Dis bag R un us priGe, der Redner dio Li i; estimmun Harte 5 ; 5 mildern, cine Mehrbeit “vas ie die Härten des Uebergangs g. Dergmann (Zeutr.). betont, daß bei der diesmalige1 Beratung des Wohlfahrtshaushalts die G eind nah völliger Aufhebung der Wohnungs iwangswirtshaft ganz in den Hinter- rund. getreten sei, Das sei die Folge der äußerst bedenklichen rfahrungen, die in Verfolg der Verordnung vom 11. ovem 1926 hien M worden seien. U Schuy der in ihrer Existenz n

Schuß der kleinen Gewerbe-

bedrohten Miéter sei eine. Aenderung der durch die Verordnux eshaffenen Rechtslage unbedingt S iceabie Que febigen Er: ahrungen seien aber auqh eine. eindringlihe Mahnung, den Abbau

r Wohnungszwangswirtschaft im allgemeinen nur mit größter Vorsicht und erst dann durhzuführen, wenn Angebot und Nach- {rage auf dem Wohnungsmarkt sich einigermaßen ausglichen. ur verstärktier Ian tönne uns ohne Erschütterungen aus der Zwangswirtschaft herausführen. Eine Er öhung der Friedensmieten jei nur dann tragbar, wenn ein voller Ausgleich dur Lohn-, Gehalts- und Unterstüßungserhöhungen geschaffen würde. Die Angriffe gegen die Zentrumspartei wegen isen Wohnunigspolitik und die wüste Heße gegen den Wohlfahrts- minister Hirtsiefer müßten mit aller Entschiedenheit gewiesen werden. Ein ‘abstoßendes Beispiel dieser Sebe Fro gegen Se Le U

erleumder 6 Monate ängnis, einem anderen 2000 Mark Geldstrafe gebracht habs. Der ‘eine ‘Verurteilte habe gesGrieben wenn er auch wegen formaler Beleidi j dic Hauptfaché sei, „dert s{chwarzen Bru des Prozesses zur Strecke zu bringèn“. Bedauerlich sei, daß der Verbreiter der s{mutigen Verleumdung, Abg. Gieseler, nit gerihtlich gepackt werden könne. Heute sei Gieseler gezwungen gewesen, die Verleumdung mit Bedauern zurückzunehmen, nach- dem sie 1% ane e moralischen Verheerungen im Lande angeritet habe. Dieser Vorgang sei eine vernihtende Kenn- geihnung der völkishen Kampfesweise, die als politische Gift- mischerin der {limmsten Art entlarvt sei. Minister für Volkswöhlfahtt Hirtsicfer: Meine sehr

geehrten Damen. und Herren! Auf: Grund der Debatte fehe ich mich doch genötigt, nachzuweisen, daß ich mich mit aller Macht

urüdcks- ei der

(egen die Herausnahme der gewerblihen Räume

aus dem Mieterschubß gewehrt Habe. Jch habe hier in allen meirfen Reden auf die Wirkungen hingewiesen, und ich bitte, ohne ruhmredig sein zu wollen, auf meine Ausführungen in diesem Hause mit allem Nachdruck hinweisen zu dürfen. Jch habe stets und ständig dgrauf hingewiesen und gesagt: es wird eine erhebliche Verteuerung der Mieten eintreten; sie kann nicht von den Mietern getragen werden, sondern muß wieder auf die Produkte abgewälzt werden. Es ist fast keine einzige Rede hier von mir gehalten wordén, în der ich nicht mit allem Nachdruck darauf hingewiesen habe. Jch bin erst daran gegangen, prüfen gu lassen, ob die Herausnáhme mögli sei, als ich nirgendwo mehr eine Stüße fand. Jh bitte, das unter allen Umständen fesizustelen. (Lebhafte : Zurufe bei der Wirtschaftlichen Ver- einigung und Unruhe.) Keine Handelskammer, keine Handwerks- kammer, weder die zuständigen Minister noch irgendeine andere Instanz haben sich irgendwie dafür ausgesprochen (Zurufe bei der Wirtschaftlichen Vereinigung und rechts), weil wir von allen Seiten in die“ entgegenfeßte Richtung gedrängt wurden. (Sehr richtig! rechts und: bei der Wirtschafilichen Vereinigung.)

Ich darf mir doch in diesem Zusammenhang erlauben, ein klein wenig auf die Eniwicklung der lebten Jahre hinzuweisen, In den verflossenen Jahren. ist keine Beratung des Haushalts des Wohlfährtsministeriums voritbergegangen, ohne daß von den ver- sciedensten Parteien der alsbaldige Abbau der Wohnungs- zwangstwirtschaft in s{härfster Form gefordert worden ist. (Zurufe bei der Sogialdemokratischeu Partei: Aber niht von links!) Das muß ih zugeben. Jn gleiher Weise sind fast in jeder Sibung des Wohnungs- und Heimstättenaus\{husses Anträge der einzelnen Parteien in der gleichen Nihtung gestellt worden, Jch

A muß es mir versagen, die Ausführungen der Herren, die damals

xesprochen haben, im eingelnen anzuführen. Als besonders be- merkenwert möchte ich mir aber döch erlauben, auf folgendes hinzutveisen. Von der Wirtschaftspartei brauche ich nicht zu sprechen, es ist ja bekannt, wie sie zu den Dingén steht. Jch muß jedoch feststellen: in den ersten Jahren hat auch die Wirtschafts- partei den Standpunkt eingenommen; keine Herausnahme der gewerblihen Räume, sondern, ‘tvenn schon, dann allgemein. Jn den leßten Fahren aber hat die Wirtschaftspartei ihren Stand- punkt nicht aufrechterhalten, sondéën sich ebenfalls für die Heraus-

Die .

Man sage, der organisierte

auszinssteuer :

ehen von rogramm

Verleumdungszentrale, die einem

ung verurteilt würde, er durch ‘dei Verlauf :

Berlin, Donnerstaa, den 27. Januar

nahme der gewerblihen Räume eingeseßt. (Sehr richtig l) Am- 20. Februar 1924 erklärte der damalige Abgeordnete Engber- ding von der Deutschen Volkspartei am Schlusse einer längeren Rede hier im Plenum des Landtags:

„J wiederhole ganz furz, wir fordern, daß ein: vollfommener

Abbau der Wohnungszwangswirtschaft eintritt,“

Das find beinahe drei Jahre her,

In der Plenarsißung am 2, Oktober 1924 erklärie der Ab-

geordnete Sonnenschein von der Deutschnationalen Volkspariei:

Wir halten es für die höchste Zeit, daß nan mit dem gegen-

wärtigen System briht und endlich flax und deuilich den Weg

gur freien Wirtschaft wiederfindet. (Hört, hört!) Das war im Jahre 1924, In der gleihen Sibßung am 2. Oktober 1924 hat Herr Abgeordneter Dr. Grundmann von der Deutschen Volkspartei hier erklärt:

Dáß wir die Zwangswirtschaft nicht auf einmal abbauen

können, habe ich ‘vorhin schon gesagt. Aber warum joll man

nicht planmäßig mit dem Abbau vorgehen! Nun fragen Sie,

wos soll der Anfang beginnen? Da sage ich: Jch könnte mir

denken, daß man bei den gewerblichen Räumen anfängt. (Hört, hört!) Herr Dr. Grundmann, dann muß ih mich aber doch mit. allem Nachdruck dagegen verwahren, wenn sih Herr Ab- geordneter Heidenreich hier hinstellt und von den plöblißhen Maß nahmen des Wohlfahrtsministers spriht, (Sehr rihtig!) Das ivar bereits im Jahre 1924, wo das von mir gefordert ist. Jch habe in allen diesen Jahren mich entschieden dagegen gewandt, und ih wiederhole: als ich keinerlei Stübßen mehr fand, blieb mir nicht. anderes übrig, wie diese Maßnahme zu machen. Aber hierbei von den plößlihen Maßnahmen des Wohlfahrt8ministers au sprechen, ist ebenso wenig richtig wie die Wiederrücbgängig- machung der 20 vH Rabatt für die Aerzte eine plößliche Maß=- nahme war, die über ein Jahr spielte dagegen muß ich mit allem Nachdruck Verwahrung einlegen. Jn der Plenarsizung vom 26. September 1925 hat der Abgeordnete Howe von der Deutschnationalen Volkspartei hier erklärt:

Wir müssen die Wohnungszwangswirtschaft aufheben, um durch die Aufhebung eine zweckmäßige Verteilung der Woh- nungen zu erreichen.

Die zur Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft seitens der einzelnen Parteien gestellten Anträge sind so zahlrei, daß ih sie hier unmöglich alle anführen kann. Jch verweise nur auf die Uranträge der Deutschnationalen Volkspartei Nr. 3415 und 3416 vom 10, Mai 1926, in denen gerade die Aufhebung der Zwangs- wirtschaft für gewerblihe Räume gefordert wird. (Hört, Hört!)

Insbesondere ist zu erwähnen der von der Deutschuationalen Volkspartei zusammen mit dex Volkspartei und dem Zentrum am 12. Oktober vorigen Jahres im Wohnungsauss{chuß gestellte An- trag auf Aufhebung der Zwangswirtschaft für Geschäftsräume. Unter dem Antrag stand auch zunächst dex Name des Herrn Abgeordneten Hoff. Ex hat seinen Namen aber nahher zurück- gezogen. (Hört, hört!) Das muß ih ausdrücklich feststellen. Fn diesem Antrag ist mit kéinèm Wort davon die Rede, daß die Befreiung von der Zwangswirtschaft etiva exst nach Ablauf einer längeren Frist eintreten solle. Die Aufhebung wird: vielmehr sofort gefordert. Trovdem habe ih es für zweckmäßig gehalten, eine Frist von vier Monaten zu gewähren vom 11. November bis zum 1. April —, die länger ist als die Fristen, die seinerzeit bei der Aufhebung in anderen deutschen Ländern festgeseßt worden sind. (Sehr gut!) Jch darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen: es gab außer Sachsen kein Land - mehr, in dem nicht diese Aufhebung füx die gewerblihen Räume bereits durchgeführt war. Da ist mir in verschiedensten Versammlungen vorgeworfen ivorden: der einzige, der noch mit dem roten Sachsen zusammen- ginge, wäre der preußis&e Wohlfahrtsminister. (Hört, hört! Zuruf bei den Kommunisten.) Jn Hamburg, ‘ist das längst auf- gehoben, verehrter Herr!

Zu dem Entschließ::ngsantrag Nr. 4904, der jeßt dem Hause vorliegt, möchte ich im einzelnen folgendes bemerken:

Zu 1. Jch habe mir bereits im Wohnungsauss{chuß und im Hauptauss{uß auszuführen erlaubt, daß der Landesregierung die geseßliche Handhabe fehlt, um nach Aufhebung des Mieterschußes SchiedsstellenmitZwangsbefugnissen einzurichten. Jch habe dafür keine geseßlichen Unterlagen, Wenn irgendwo derartige freiwillige Stellen geschaffen werden, so begrüße ih das natürlih, aber eine geseßlihe Unterlage, um. meinerseits derartige Schiedsstellen einzurichten, besteht niht, Es erscheint mix auch widersinnig, auf der einen Seite die bisherigen Miet- einigungsämter auszuschalten, um sie auf der anderen Seite mit gléichen Befugnissen, aber unter anderem Namen wieder ein- zuführen. F kann auch nit einsehen, was das heißen soll. Es ist auch. nach Ansicht des zuständigen Zustizressorts überhaupt zweifelhaft, ob eine Verabschiedung des Termins zulässig ist, da dadurch eine beachtlihe und niht von der Hand zu weisende Rehtsunsicherheit in die Dinge hineinkommt. Auf die Schwierig- keiten, die oiner Hinausschiebung des Termins für die Auf- hebung der Schußbestimmungen etwa auf den 1. Juli oder 1. Ok- tober d. J. entgegenstehen, habe ih bereits hingewiesen. Zunächst wird der vorbiegende Antrag praktis s{chon dahinführen, daß die . gütlihe Einigung zwishen Vermietern und Mietern, die dur die Schiedsshellen herboigeführt werden sollte und die von hier aus stets besonders unterstüyt worden ist, verhindert wird. (Sehr richtig!) Denn die Aussicht auf Hinausschiebung des Ter- mins wird die Geneigtheit zur gütlihen Einigung auf allen Seiten vermindern, Jch kann vor solhen Maßnahmen auch wegen der unübersehbaren Folgen in zivilrechtliher Hinsicht nur dringend warñèn. Sie würde gerade für diejenigen eine schwere Schädi- gung bedeuten, die sich bisher bereits geeinigt und zum 1. April dieses ahres neue Verträge abgeshlöóssen haben. (Sehr richtig!) Dáß solche rehtswixksam abgeschlossenen Verträge auch bei einer etwaigen Hinausschiebung des Termins bestehen bleiben, ist außer

jedem Zweifel.

1927

4 Was soll fernèr mit denjenigen Verträgen geschehen, durch die gewerblihe Räume zum 1. April d. J. auf Grund der Lockerungsverordnung bereits audèrweit rechtsgültig vermietet sind, wenn der derzeitige Fnhaber infolge Hinausschiebung des Termins am 1. April nicht zu räumen braucht? Die Belastung der Gerichte ist unabsehbar und nicht zu verantworten.

Zu 3. Die Verordnung gibt durchaus klare Bestimmungen dahingehend, daß die Schußvorschriften für alle diejenigen Räume aufgehoben werden, die am 1. Dezember -1926 niht Wohnräume ivaren. Sie ist daher niht auf den Begriff der gewerblichett Räume abgestiellt. Eine sinuwidrige Ausdehnung dieses Begriffs, wie sie in dem Urantrag behauptet wird, kann daher auch nicht eingetreten sein.

Die gemeinsame Beraiung aller zu der. Verordnung vour 11, November gestellten Anträge wird, wie schon gestern hier an« geregt worden ist, zweckmäßigerweise im Wohnungsausschuß €r- folgen. Jh bin dessen sicher, daß sich bei dieser Beratung ein Weg finden wird, die unvermeidlichen Uebergangsschwierigkeiten in zweckmäßiger Weise zu überwinden, ohne daß weitere un- erträglihe Recht8unsicherheit geschaffen wird.

Ih besireiie nicht, daß dadurch eine Reiße von Schivierig« keiten eintreten. Aber ih habe mir bereits gestern den Hinweis gestattet: eine natürlihe Entwvicklung, die 13 Jahre unterbunden ist, muß naturgemäß Schwierigkeiten bringen, wein fie plößlich wieder einsebt, Jch habe die Frage aufgetvorfen darüber hätte ih in der Diskussion gern etwas gehört wann glaubt jemand den Termin gekommen, an dem. diefe Schwierigkeiten nit zu befürchten sind? (Sehr gut!) Es gibt feinen Termin; im Gegenteil, je länger die freie Entwicklung au3geschaltet ist, desto größer werden die Schivierigkeiten. (Sehr richtig!)

Es ift darauf hingetiviesen worden, daß ein Warenhaus einen zusammenhängenden Häuserblock gekauft hat und auf diesem ein Warenhaus errichten will, Jst das im Frieden etwa nicht der Fall gewesen? War im Frieden schon der Wertheim-Bau oder ivaren es einzelne Geschäfte? Nehmen Sie Tiehz, Althoff, Jandorf, überall da, wo heute die Warenhbäuser ftehen, waren früher einzelne Geschäftshäuser, diese Firmen sind jeßt iweg« gekommen. An die Dinge müssen wir un3 wieder gewöhnen. Wir find durch die lange Entticklung von diesen Dingen ents ivöhnt und sehen heute manches für unerträglich an, was darauf zurückzuführen ist, daß die geivaltisam unterbundene Eniwicksung mit einem Schlage wieder einsebt,

Jh bitte nohmals, bei den Dingen nicht nervös zu werden. Jch habe vor, die Regierungspräsidenten in ganz Preußen ers neut anzuweisen, mir über die Wirkungen der Verordnung genait zu berichten, und wir haben dann die Möglichkeit, im Wohnungs- ausschuß uns weiter über die Dinge zu unterhalten. (Lebhaftes Bravo!)

Abg. Ladendorff Wirtsch die Demokraten.

Abg. Per schk e (Wirtschaftil. Vereinig.) fühnt, wie er hervors

{. Vereinig.) polemisiert geaeit

bt, als Mieter aus, daß die Wirtschaftspartei infolge ihres Ei flusses auf die GtSG et Le die CORR Se “ae Lees Sina Verordnung verhindern könne. (Gelächier links.) :

_ Berichterstatter Abg. Stol t (Konmm.) empfiehlt in seimneu Schlußwort in eingehenden Ausführungen die Zurückziehung - der Hirtsiefer-Verovdnung. Als er dabei sih gegen die Hakiung namentlich der Wirtschaftspartei wendet, mahnt Präsident Bartels ihn wiederholt, keine polemishen Ausführungen zu machen.

_ Damit {ließt die allgemeine Besprechung zum Wohl« fahrtsetat. :

__ Auf Autvag des Abg. Dr. Grundmann (D. Vp. beschließt das Haus mit großer Mehrheit, die vou deu ver- schiedenen Parteien vorliegenden Anträge auf Milderung der Hirtsiefer-Berordnung bezw. Aufhebung dieser Verorduung sofort dem Wohnungs- und Heimstättenausshuß zu über- weisen, der sich in kurzer Zeit damit zu beschäftigen haben vird.

Um 3/4 Uhr vertagt sich der Landtag auf Dienstag, dei 15. Februar 1927, nahmititags 1 Uhr: Einzelberatung zuut Wohlfahrtsetat und zweite Lesung des Haushalts dey Domänenverwaltung.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags hat in seiner

gestrigen Sißung ael Ra t heute noch eine Stßung des Plenums

abzuhalten, um den Rest der gestrigen Tagesor nung, der gestern nicht mehr zur Erledigung gelangte, aufzuarbeiten. Alsdann wird eine kurze Pause eintreten. Die Regierungserklärung des neuen Kabinetts wird voraussihtlich am -3. Februar, vielleicht aber schon am 1. Februar, abgegeben iverden.

Der Ausschuß des Reichstags für die besets ten Gebiete behandelte gestern die Notlage der Ettet und Luxemburggänger. Abg. Hofmann -Ludwigs- hafen (Zentr) führte dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Sun g sue eger PERe dazu aus, daß jene Arbeiter, die aus dem eseßten Gebiete kommen und im Elsaß oder in Luxemburg tätig 0s: bittere Not leiden. Er verla1tgte die gleihe Behandlung dex ort arbeitslos gewordenen Leute, wie sie den Arbeitslosen inr Reichsgebiet zuteil wird. Er verwies darauf, daß gerade in dex Südpfalz mehrfache Menden für produktive Erwverbskloseu- er orge beständen. Mit Unterstüßung der Mehrheit der Parteien tellte Redner folgende Anträge: 1. Jum Falle dex Erwerbslosigkeik iverden dic sogenannten Elsaß- und Luxemburggänger in bezug auf Erwerbslosenunterstüßung den im Fnland beschäftigten Personen gretdgelte t. 2. Den sogenannten Elsaß- und Luxemburggängern [leibt die Anivartschaft in die deutshe Fnvalidenversicherung eï- halten. 3. Den exwerbslosen Elsaßgänger sollen die- bisher ge« währten AOBTGUNe für Fraukenlohnempfänger #o lange zue kommen, bis die Erwerbslosenfürsorge eintritt. 4. Bei Durch- sanrung des Arbeitsbeschaffungsprogramms sollen die elsaßs» othringishèn, luxemburgishen und belgishen Grenzgebiete mit woduktiver Érwerbslosenfürsorge besondevs bedacht - werden, Ein erxtreterdes8Reichsarbeitsministeriums erllärte, daß Arbeits8losenunterstüzung dann gewährt wird wenn es sich unt Personen handelt, die im Gebiet des kleinen Grenzverkehrs ans sässig sind, und wenn von den beteiligten Ländern entsprechende Anträge gestellt werden. Solche Anträge sind von Bayern für die Grenzbezirke gestellt worden. Ferner wird die Reichsregierung die Arbeiten der produktiven Erwerbslosenfürsorae im beseßten Gebiete

kräftig unterstüßen. Anf cinen Angviff des Abg, Bohl a (Komm.