denen man uns Grundsablosigkeit vorwarf, Tür und Tor. Wir haben n Rube den Tag abgewartet, an dem die Regierungserklärung und as, was wir bei loyalster Beachtung aller getroffenen Abreden dazu u fagen haben, die volle Klarheit erbrinçcen würde. Jm übrigen ist ine Binsenwahrheit daß eine Regierungsgemeinschaft auf Kom- vromissen beruht. bei der feine Partei ihr Programm in vollem Um- ‘ange durhsezen fann. Fast nech schwieriger und für uns opfer- reicher gestalteten sih die Verhandlungen bei der Beseßung der Ministerien. Es wird noch viel guten Willens von allen Seiten be- dürfen, um auf der Grundlage vertrauensvollen Zusammengehens zu der nôticen Festigkeit der neuen NRegierung8gemeinshaft zu gelanzen. Wir sind bereit zu dem Versuch, auf dem Wege vertrauensvoller Zu- ‘ammenarbeit das Vergangene auszuräumen. Wir haben alles das niht aus Parteiinteresse auf uns genommen, sondern in dem Gefühl der Pflicht und Verantwortung dafür, daß wir alle Möglichkeiten er- ¡chöpfen müssen, um auf dem von uns für rihtig erkannten Wege der inneren und äußeren Not von Volk und Reich entgegenzuwirken. Der Redner wendet sich dann der Außenpolitik zu und erklärt: Wir aben volles Verständnis dafür, und wollen aub unsererseits nicht, daß die deutshe Außenpolitik unter dem Wechsel innerpolitischer Kon- ‘tellationen leidet. Dazu ist nit erforderli, daß wir von unferen Grundsäßen etwas preisoeben. Aufgabe einer ieden deutschen Regierung ist es, deutsche Politik zum Schuße der deutschen Nation und zur Förderung deutscher Freiheit zu treiben. Einen besseren Dienst kann Deutschland von seiner Seite dem Frieden und Wieder- aufbau der Welt nicht leisten, denn nichts verleßt und gefährdet den [gemeinen Frieden, die Weltwirtschaft und ihren Fortschritt, nichts "vergrößert die revolutionären Gefahren mehr, als Gewalt und Aus- eutung. Daß bei Deutschlands Wehrlosiakeit eine Politik der Ge- valt, der Revanche, nicht möglih if wissen wir so gut wie jeder ndere. Auch bei Aus\{{luß jedes Gedankens dieser Art bleibt freilich Naum für, Meinungsverschiedenheiten über die Mittel Von uns ift idt verlangt worden, unsere bisberigen Auffassungen über die deutsche E der lebten Jahre preiszuceben. Da es uns andererseits iht auf rechthaberischen oder agitatorishen Streit um die Ver- zangenbeit ankommt, is es möal:ch geworden, hinsihtlich der politisben Zukunfisaufgaben eine Grundlage für eine gemeinsame Arbeit zu finden Das Vertragswerk von Locarno und die Mitglied- ‘haft Deutschlands im Völkerbund sind die rechtlidbe und politische Brundlage der deuts{en Politik geworden. Wir macben uns ferner rür die weitere deutsbe Außenpolitik das Ziel friedlicher Verständi- zung. zu eigen. Wir müssen aber mit besonderem Nachdruck betonen, daß die Verständigung eine gegenseitige sein muß, wie das auch in der Regierungserklärung oesagt ist Der Streit darüber, ob in der Ver- gangenheit von Deutschland Vorleistunçcen ohne erforderlihe Siche- rungen gemabt worden sind, mag ruhen. Für den weiteren Gang der Dinae kommen weitere Vorleistungen Deutschlands, darüber besteht wohl kein Zweifel nit in Betracht, bis Deutscblands klare NRechts- ansvrüche erfüllt find. Moralisch aleihberechtigt wird das deutsche Volk erst dann im Rate der Völker sein, wenn die unwahre Be- hauptung seiner Schuld am Kriege und die anderen unwahren Be- ¡huldigunçen des Versailler Vertrages von ihm genommen sind. Mag :m Augenblick ein amtliher Schritt in dieser Beziehung nicht am Plate sein, wir behalten das Ziel fest im Auge. Wir erwarten, daß alles geschieht um die fortshreitende Aufklärung der Welt weiterhin zu fördern, wir halten auch an der Absicht fest die Schuldfrage einer iciedsgerihtlihen Neaelung entgegenzuführen. Die Militärkontroll- ‘ommission hat Deutschland endlich verlassen. Es wird niemand in Deutschland geben, der beim Verschwinden dieser Gäste niht auf- eatmet hätte. Eine sachblihe Stellungnahme zu den vor Eintritt inserer Minister in das Kabinett getroffenen Abmachungen der leßten Tage über die Ostfestunaen und das Kriegsgerät, mit denen dieser Er- folg erzielt worden ift, is zurzeit nicht möglich, da wir de Verlauf und Inhalt der Verhandlungen noch nicht genau genug fennen. Auch in dieser Frage werden wir auf den ceschaffenen Unterlagen hier unsere befannten Auffassungen hinsichtlich des voll- ständigen Aufhörens jeder Kontrolle, auch derjenigen der Militär- attabees und binsichtlich der Investigation durchzuseßen versuchen. Xm Vorderorund der außenvpolitiswen Aufgaben des Jahres 1927 steht auch für uns die endliche Räumung des Rheinlandes und Saaroeb!ets. Hier licat, nabdem di Erfüllung aller Verpflichtungen dur Deutscbland nun wirkli nit mebr aud nur mit einem Sein ck28 Rechts bestritten werden kann, ein klarer und unbedingter Rechts- 17svrud Deutscblands vor. Hier muß wenn cine Quelle unendliBen Streites und Hasses verstopft werden soll, wenn das Wort 90on aeaenseitioer Verständigung zur Tat werden soll, endlih einmal @ud der gute Wille der Gegenseite in Erscheinung treten. Solange ein fremder Soldat auf dem Boden des Deutschen Reiches steht, solange in iroendeiner Form die beseßten Gebiete unter fremder Dberhobett und fremdem Einfluß leben, solange diese Zustände immer iviedet aufs neue Gewalttaten und Demütigungen, Rechtswidrigkeiten aegen wehrlose Deutscbe cermöalichen, kann von einer wirklih geaensertigen Nerstärdiauna nicht die Rede sein. Unserer Auffassung entsprict daß die Politik . geaenseitiger Verständigung mit den westlicen Locarno- und Völkerbundmächten guten und freundschaftlichen Be- ziehungen nad anderer Seite hin niht im Wege stehen darf. Wir bill’aen es inébesondere, wenn die durch den Berliner Vertrag ge- Thcfffenen Beziehunoen zu Rußland weiter sorgsam gepflegt werden. Mir betonen besonders, daß aerade auch im Hinblick auf die durch unsere finanzielle und wirts{Gaftlihe Lage unauswveichlih gewordene endaültiae Reoelung der Reparationélast wie aud im Hinblick auf die Abrüstunosverhandlungen, eine eno Fühlung mit den Ver- einigten Staaten von Amerika keinen Augenblick außer Acht gelassen werden darf. Die Verhältnisse an unserer Ostarenze bedürfen forg- samster Beachtung. Ein Sicberbeitsvakt wie für den Westen ist 5elanntlid für den Osten nit abges{lossen und kann auch weiterhin ait in Frage kommen. Im übrigen gibt nab unserer Meinung das Verhalten des polnischen Nachbarn allen Anlaß zu ernstester Auf- merksamkeit. Hier liegt Deutschland die Pflicht ob, mit aller Ent- ¡chiedenheit für die Rechte sowobl des Deutschen Reichs wie der “ deuten Minderbeiten einzutreten; bier kann unmögli eine Einigung iber die Handelspolitif erfolaen, wenn niht Polen die politishen Noc- wendiakeiten zu erfüllen bereit ist, die die Grundlage jedes Handels- vertrags sein müssen. Im Vordergrunde der Erörterung steht seit (anaer Zeit unser Verhältnis zur Verfassung. Namentlih in der Oeffentlichkeit batte es einen besonders weiten Naum eingenommen, wobei es nit an den üblihen Entstellungen und Verdrehungen urd nicht an der Anwendung aller Mittel gefehlt hat, die unseren Geanern geeignet erscienen, die Einioung der Mitte mit uns zu ver- hindern. Jn den Verhandlungen hierüber ist ein Gesinnungs- hekenntnis, wie das Zentrumsprogramm es enthält, ins- besondere eine Preisgabe unserer Ueberzeugung, daß die monarchische Staatsform für unser Volk die geeignetere
d von uns weder verlangt noch abgegeben worden. ir haben feinen Hehl daraus gemacht, daß ein solches Bekenntnis für uns nicht in Frage kommt; gerade aus solhen An- fchauungen beraus stellen wir uns ohne jeden Rülhalt in den Dienst des Staates. Ein Bekenntnis zum Staat ift nicht aleihbedeutend mit dem Bekenntnis innerer Zustimmuna zur Staatsform oder zu vem Spstem parlamentarisher Parteiherrsbaft. In jeder Staats- form, maa sie unsere innere Billigung finden oder nit, is das Deutiche Neich unser Staat dem mit allen Kräften zu dienen uns beisline Pflicht ist. Für die Ausübung unseres Rechtes, für unsere Auffassunoen einzutreten und für die Verbesserung der Verfassung in dem von uns oewollten Sinne zu wirken, aelten nah wie vor eine Reibe von Grundsäben, deren Formulieruna Gegenstand der Merhardlungen und der Regierunoserkläruna gewesen ift und zu denen id darum aub hier unsere Zustimmuna orundsäßlih aus\fbre ben will. Die Recbtsgültiakeit der in der Verfassung vom 11." August 1919 bearündeten republifanisben Staatsform erkennen wir an und nd mit der Reaierung der Meinung, daß der bestehenden Verfassung, aa sie uns aefallen oder nit, der unbedinate Schuß der Staats-
tor!tät zu aecmäbren ist. Dieser Scbuß gebührt aub dem Symbol, on Farben und Flagaen des Reiches, die im Artikel 3 der Ver- fassuna voraeseben sino. Nibt minder treten wir ein für den Schuß der Verfassuna in ihrer Gesamtheit, also auc ter in ihr garantierten persönliden Recbte, und wir erklären anaesidbts von Ereian!ssen in der lebten Zeit, daß rir es als die Pflicht gerade der in unserer Hand befindlichen Ministerien betraten, auf Beseitigung all der
behördlihen, aus politischen Gründen übernommenen Guter durh Verhaftungen und Festnahmen, Haussuhungen und Dur- subungen hinzuwirken, die bei fozialdemofkratisch beeinflußten Re- gierungen der Linder an der Tagegordnung sind. Die Verfassung wird, wie au biëher, noch viele Abänderungen und Verbesserungen erfahren. Wir wissen, daß Anträge auf Aenderung der Verfassung in unserem Sinne in diesem Reichstag keine Aussicht auf Erfolg baben Abgesehen aber hiervon ist es für iede NRegierungskoalition selbstverständlich, daß einzelne Regierungsparteien Anträge von allge- meiner utung iricht ohne eine écherine Verständigung mit den anderen Regierungsparteien stellen. Einverstanden find wir ferner mit dem Bekenntnis der Regierungserklärung dazu, daß der Kampf- der Meinungen um Sc{warz-Rot-Gold und Schwarz-Weiß-Rot, um alte und neue Verfassung, um monarchische Ueberlieferung und republifanisbe Gegenwart niht nur in den Grenzen des geseßlich Erlaubten, sondern darüber hinaus sachlich und ohne persönliche Schärfen geführt werden soll. Wir begrüßen, daß — soweit ih übersehen Ffann, zum erstenmal — eine Regierung auêdrülih sich zu der Ahtuna der historishen Vergangenheit und ihren Symbolen bekannt hat. Wir wünschen, daß der Ueberlieferung früherer aroßer Zeiten auch in Schule und Jugenderziehung der thr aebührende Plab wieder eingeräumt wird. Ein Volk, das feiner Veberlieferung untreu geworden, hat feine Wi. Das alles ift für uns nichts Neues. Bereits jeßt vor zwei Jahren, bei Vorstellung der Regierung Luther, sind mit genau demselben Jnhalt die gleihen Gedanken ausgesproben worden, und zwar fowohl in der Regierungs- erklärung, an der unsere Minister mitgewirkt hatten, wie von mir namens der Fraktion von dieser Stelle aus am 20. Januar 1925. Auf diefer ‘Grundlage haben damals die aleihen Parteien wie jeßt in immer enger werdender politischer Gemeinschaft mit uns praktis und mit Erfola gearbeitet. Wir haben uns auf unserem Kölner Partei- tag bei Anmeldung unseres Anspruchs auf Teilnahme an der Regierung darauf berufen, und ih darf auch heute darauf Bezug nehmen. Fu den wenigen Machtmitteln, die uns verblieben sind, um die
nabhängigkeit und Autorität des Reiches nah außen und innen zu waren, gehört die Reihswehr. Die Gefaÿc, daß unsere kleine aber festaefügie Webrmaht dem agitatorischen Ansburm und den Plänen der sozialistischen Partei ausgeseßt war, war für uns ein besonders starker Antrieb, um einen unmittelbaren Einfluß auf die e age lQâste zu erringen. Wir werden mit aller Entschiedenheit dafür eintreten, daß die Reihswehr nit ciner unabhängigen militärishen Führung beraubt und nicht poli- tishen Parteiinteressen ausgeliefert wird. Das Vertrauen zu unserer Wehrmacht, das in der Regierungserklärung ausgesprochen wird, und der Wunsch, daß dieses Vertrauen immer mehr All- gemeingut der Nation werde, machen wir uns voll zu eigen. Unsere Zustimmung zur Loslösung der Reichswehr von politischen Vereinen und Wehrverbänden bedeutet nicht, daß wir den hohen Wert der vaterländ:\{hen Bewegung verkennen oder verleugnen. - Jn den Kulturfragen tritt das Zusammenwirken der jeßigen Re- gierungsptrieien und ihr Gegensaß zur Sozialdemokratie vielleicht am deutlihsten in Ersheinung. Der hierauf bezüglihe Teil der Regierungserklärung findet unseren vollen Beifall. Mit Genug- tuung vermerken wir, daß auch die jeßige Regierung das Christentum ausdrücklid alé die Grundlage der Kultur und Er- neuerung anerkennt. Bei dem zu erwartenden Zustandekommen des Schulgeseßes, das s{hwerlich mit der Sozialdemokratie hätte gemacht werden können, geht es um die Erneuerung des Volkes, um unsere Jugend und unsere Zukunft. Auf dem Gebiete der Wirtschafts- und Sozialpolitik glauben wir, mit den hinter uns stehenden Kräften des Ünteriéiüterttins und der Arbeiterschaft wertvolle Arbeit leisten zu können. Unser Programm einer in engster Verbindung miteinander stehenden Wirtshafts- und So- zialpolitik ist bekannt Wir fordern, durch Stärkung des Binnen- marktes die deutshe Landwirtschaft in die Lage verseßen zu können, das deutsbe Volk mit den eigenen Erzeugnissen zu er- nähren. Die Erwerbslosigkeit muß von innen heraus durch Steigerung besonders der landwirt en Produktion und durch Siedlung und Wohnungsbau geheilt werden. Das Be- roußtsein dexr Verantwortung für die, Lösung der gewaltigen innen- und außenpolitishen Aufgrben muß, wie bereits bei den Vorverhandlungen, über Parteistreit, Parteiempfindlihkeit und Parteiegoismus hinweg den erforderlichen es fihern. Die Grundlagen dafür sind nur zwishen der Mitte und der Rechten, dagegen mcht mit der Sozialdemokratie zu schaffen. Aus diesem Grunde scheint uns der heutige Tag ein Wendepunkt der innerpolitischen Entwicklung auch von dem Ge- fichtspunfte aus zu sein, daß es endlich wieder gelungen ist, die Mitte einschließlich des Zentrums von der Sozialdemokratie zu lösen. Das Werk wird aber erst vollendet sein, und die Re- gierung des Reiches wird erst zu voller Wirkung gelangen, wenn auch im größten der Länder die Lösung von der Sozialdemo- kratie erfolgt fein wird. Deutschland kann sich nur dur eine «Fnnen- und Außenpolitik aus der Not der Zeit emporringen, die im bewußten und entschiedenen Gegensaß zu den sozialdemo- fratishen Grundsäßen der proletarishen Fnternationale und des Klassenkampfes der Msi Hi rae Parteien steht. Wenn die heute gebildete RKegierung3mehrheit als eine solche von bürgerlihen Parteien bezeihnet wird, wie das auch in dem Brief des Reichs- präsidenten geschehen ist, so ist daran zu erinnern, daß auch der verstorbene Reichsprästdent Ebert versuht hat, ein überparte1- liches Kabinett . zu bilden. Er hat dabei, ebenso wie es jeßt ge- sehen ist, dem Sprachgebrauch Rechnung getragen, der feit langem den Ausdruck „bürgerli e Parteien“ als Sammelbegriff [ur die nihtsozialistishen Parteien benußt. Es muß von vorn-
erein entschieden etwaigen Mißdeutungen En e gens etreten wer- den, als set die jeßige Koalition ein unter Aus\s{hluß der Arbeiter- {haft und im Gegensay zu ihr gebildeter Bürgerblock oder gar Besißbürgerblock. EZ3 is eine - maßlose Ueberhebung : der sozia- listishen Parteien, wenn sie sich mit der Arbeitershaft identi- fizieren oder als die einzigen Vertreter von Arbeiterinteressen aufspielen. Hinter den Parteien der jeßigen NRegierungsmebr- heit stehen mehr Wähler aus dem Stande der Fabrik- und Land- arbeiter als hinter den sozialistishen Parteien. Das heutige Regierungsprogramm und die Tatsache, daß der aus dem Ar- Bee hervorgegangene Dr. Koh in der Regierung sibt, beiveisen zur Genüge, wie man bestrebt gewesen ist, der Mahnung des Reichspräsidenten die berehtigten Jnteressen der breiten Arbeitermassen zu wahren, in diesem Punkte gereht zu werden. Kampf gegen dîe Politik der internationalen Klassenkampfpar- teien, wohlvercstandene wirtschaftlihe und gese Fürsorge für das ganze Volk — vornehmlich der handarbeitenden Massen —, das wird die Parole sein, unter ‘der sih die jeßige Regierungs- mehrheit immer fester zusammenschließen wird, um auf dem Wege fachliher und verantwortungsbewußter Arbeit im Dienste un Ae gebeugten Vaterlandes voranzuschreiten. (Lebh. Beifall rets.)
Präsident Löbe teilt mit, daß ein sozialdemokratischer Antrag eingegangen ist, die Rede des Abg. Graf Westarp in allen Gemeinden des beseßten Gebietes öffentlich auf Reichs=- kosten anzuschlagen. (Heiterkeit.) Ferner haben die Sozial- demokraten ein Mißtirauensvotum gegen das Gesamtkabinett eingebracht.
Abg. Drewiy (Wirtsch. Vereinigg.) gibt im Namen seiner Fraktion eine Erklärung ab, in der es heißt: Die rehtliche An- erkennung der Weimarer Verfassung ist für die Wirtschaftliche Vereinigung keine Streitfrage. Die Fortseßung der bisherigen Außenpolitik îm Sinne der Verständigung wird unsere Unter- stüßung finden. Auf dem Gebiete der Kulturpolitik erwarten wir nunmehr endlich von seiten der Reichsregierung den Ent- wurf eines Reichsshulgesezes nachdem unser Antrag auf diesem Gebiete hier im Hauje bislang leider keine Unterstüßung ge- funden hat. Jm übrigen nimmt unsere Fraktion davon Kennt- nis, daß die Reichsregierung und die hinter ihr e ia ar- teien den ernsten Willen bekunden, ihre hohe Au nare im Ein- vernehmen mit möglichst weiten Volfskreisen zu lösen. Unsere Fraktion verkennt aber andererseits nit, ivelis Schwierigkeiten ih daraus zweifellos ergeven werden in Anbetraht der ge- pannien Finanzlage des Reiches. Die Lasten, die dem beaitben
Volk, insbesondere unserem Mittelstand, durch den neuen Neib3- ushalt agg werden, sind untragbar. Mit starkem Be- remden haben wir tn der Regierungserklärung me Haupts aufgabe, nämlih Herabseßung der Ausgaben, vermißt. it allem Nachdruck machen wir darauf aufmerksam, daß unjere Stellung ¿ur Regierung davon abhängig sein wird, daß zunächst die Aus- aben im Reichshaushalt ta herabgesebt werden, und daß ferner urch einen neuen E ch der einseitige Steuerdruck, der auf den Kreisen der Wirtschaft lastet, wesentlih gemildert wird, Wir haben diese Wün bei den- wehselnden Regierungen zum Ausdruck gebracht. darauf erfolgten Vers cbliiaen fink leider niht eingelöst worden. Für unsere Fraktion ergibt sih daraus die Folgerung, daß sie mit allen parlamentarishen Mitteln auf Ecfüllung ihrer Forderungen hinarbeiten wird. Die neue Regierung hat es daher selbst in der Hand, sih die Unterstüzu unserer Fraktion zu itbern Solange wir diese Gewähr ni haben, werden wir eine abwartende Stellung einnehmen. Abg. Dr. Scholz (D. Vp.): Der Stur der Regierung vom Gnde des Jahres 1926 roar ein ganz ähnlicher Vorgang wie der von 1923. Jh habe damals {hon von einer Verantwortungslosigfkeit der Con cesprogen . Zu meiner großen Freude fann ih beute fest- stellen, daß wenigstens eine der beiden großen Oppositionsparteien bereit ist, die Verantwortung mit uns zu tragen. Das ist ein winn für unsere parlamentarishen Verhältnisse. Damals mußte ih leider auch noch auf das bekannte Straßenbahnplakat- hinweisen: Springe niht ab während der Fahrt! Jch glaube, ih habe alle Ver- anlosung, diesmal meinen Freunden von den Deutschnationalen Glü i wünschen zur cemeinsamen Fahrt. (Beifall rechts.) Allerdings cheint mir die Regierungserkflärung sogar ein Boden zu sein, auf dem nicht nur die Parteien der augenblicklihen Koalition, fondern alle inm wahrsten Sinne staatserhaltenden Parteien sich zusammenfinden könnten, wenn sie wollten. (Zustimmung rechts.) Ziel jeder deutschen Außenpolitik muß die Befreiung deutschen Bodens sein. Deutschland hat heute hon ein Recht auf vorzeitige Näumung des beseßten Ge- biets. (Erneuter Beifall E Wilson, Clemenceau und Llo George haben schon 1919 gemeinsam eine authentishe Interpretation des Friedensvertrags ge-eben, in der fie zum Ausdruck bringen, daß die Räumung {on vor Ablauf der 15 jährigen Frist erfolgen müsse wenn Deutschland {hon zu einem früheren Termin Beweise feine quten Willens und Garantien gegeben haben würde. (Hört, hört! rets.) An unserem guten Willen fairn niemand mehr zweifeln. Der Reparationsagent betont in seinem Bericht, daß Deutschland seine Verpflichtungen im eilen ebenso wie im ersten Reparationsjahr prompt erfüllt Hat. Aus seinen Ausführungen wird man den Schluß ziehen dürfen, daß Deutschland alle. Garantien für die Reparationew geceben hat. Die Sicherheit unserer früheren Gegner ist gleichfalls gewährleistet, und die Abrüstung Ea ist beendet; das be, weist die Zusvepung dex Militärkontrolle. Der Eintritt Deutschs lands in den Völkerbund bedeutet die stärkste Bindung an die Politik des Friedens und der Verständigung. Deutschland wollte dadur eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen. Es muß nun aber Vertrauen gegen Vertrauen verlangen. Mit gegenseitigem Vertrauen ist abex ie Fortdauer der Beseßuna nicht verträglich. (Sehr richtig! rechts.) Wir Es der Bevölkerung der beseßien Gebiete, daß wir nicht ruhen und rasten werden, bis das Ziel erreicht ist. Wir danken der rheinischen Bevölkerung für die unershütterlibe Geduld, mit der sie alle Leiden ertragen hat. (Beifall rechts.) Die Anerkennung des geschichtlichen Unrechts der Grenzziehung im Osten kann niemand von uns verlangen. Die Ostpolitik der Regierung hat deshalb die Zu- stimmung niht nur meiner Freunde, sondern auch wachsendes Ver- ständnis im Lande gefunden. Daran führend mitgearbeitet zu haben, ist der Stolz der Deutschen Volkspartei. Unserem Freunde Dr. Curtius i p wir Dank aus für die selbstlose und opfervolle Tätigkeit, die dazu Cuvet hat, daß die heutiae Regierung ih heute vorstellen konnte. (Abg. Wels f Soz.1): Der Dank scheint aber ehrlich zu n Sie selbst baben ihm Knüppel zwischen die Beine ge- worfen!) Die Finanzpolitik des Ministers Reinhold haben rir leb- haft begrüßt. Allerdings haben wir immer gefordert, daß gerade für die mittleren Einkommen eine Senkung auch der direkten Steuern notwendig 6 Q. Zalgtoirialt muß restlos beseitigt werden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Also freie Wohnungswirtschaft!) Davon habe ih niht gesprochen. Es ist selbstverständlich, daß das nicht von heute auf morcen ges{ehen kann, daß dur eine verständnis- volle Besecldungspolitik für die freie Wohnungswirtschaft erst freie Bahn geschaffen werden muß. Die Deutsche Volkspartei ist als Regierungspartei ftets für die Interessen der Landwirtschaft ein- getreten und wird es weiter tun, Der Ausdruck „Besißbürgerblock“ triff für diese Reaierung wirklich nicht zu. Wenn die Sóozial- demokraten soziale Richtlinien aufgestellt hätten, wären sie \siherlich nicht fozialer ausgefallen, Hinter dieser Regieruna stehen Millionen von deutschen Arbeitern. (Gelächter links.) Die Richtlinien erkentten durchaus die Notlace weiter Kreise der Beamtenschaft an. Wir nehmen an, daß die bisherige Beamtenpolitik fortgesebt werden folk. Jedenfalls- legen wir Wert darauf, daß die Besoldung8reform baldiast durchgeführt wird. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Befonders für die höberen Beamten) Wir können jeßt das Schulgeseß bald er- warten. Bei dieser Gelegenheit rufen wir die Bestimmung der Ver- fassung ins Gedächtnis zurü, daß die Schule eine staatliche Ein- riQtung ist. Die demokratisde Presse hat uns Verrat am liberalen Gedanfen und andere s{chöne Dinge vorgeworfen. Wir hätten sehr cewünscht, daß die Demokraten mit uns den liberalen Gedanken ver- teidigt hâtten, indem sie sih an diefer Regierung beteiligt hätten. Jedenfalls hätten wir das mehr gewünscht, als daß sie als erste Partei mit einem Mißtrauensvotum auf den Plab treten, Aber wir werden nun in der Regierung allein den liberalen Gedanken vertreten müssen. Zu meiner Freude kann i{ch felteilan, 1 eine grundsäkliche Einigkeit aller staatserhaltenden Parteien zum Schub der Verfassung, ihrer Symbole erzielt worden ist. So sebr wir jede gewaltsame enderung der Verfassung verurteilen, müssen wir uns doch vor- behalten, Aenderunçen auf verfassunasmäßigem Wege zu erstreben, wo wir sie für nötig halien. Ohne Vertrauen auf die Führer ist die Demokratie undenkbar. legen vielleiht die Erfahrungen der leßten Zeit den Gedanken nahe, die Autorität des Reichspräsidenten zu stärken. Die von ihm ernannte Reichsregierung kann beute z. B. eider noch dur einfahe Mehrheit des Reichstags gestürzt werden. Wir wünschen aber, daß solche Dinge, wie sie. sih im Laufe der lebten Negierungskrisis ereignet - haben, nicht wieder vorkommen. Die Richtlinien und die Erklärung der Reichsregierung kann man zu- sammenfassen in dem Schlagwort: Entpolitisierung. Das entspricht durchaus unserer Auffassung. Wir billigen nit alles, was in lekter Zeit vorgekommen ist, aber wir müssen anerkennen, daß in außer- ordentlih kurzer Zeit in unserer Reichswehr ein zuverlässiges Snstrument des Staates geschaffen worden ist. Dafür danken wir dem General von Seecktt. Gegenüber den Angriffen, denen die Deutsche Volkspartei wegen ihrer Haltung während der lebten Reoierungs- Frisis ausgeseßt aewesen ist, verliest der Redner den Bescbluß seiner Fraktion vom 12, Januar des veraangenen Jahres und fährt fort: Was wir damals ausgesvrochen habén, ist heute die Grundlaae der Negierunasbildung geworden. Wir haben uns niemals arundsäulih der Großen Koalition versact, aber wir haben in der praktis parlg- mentarischen Arbeit die Ueberzeugung oewonnen, daß die bürgerliche Mehrheitsregierung die Form des geringsten Widerstandes sein würde, Darum haben wir diesen Wea verfolgt, nit im Interesse unserer Partei, sondern des Volkes. Wir haben Opfer auf diesem Wege ae- bracht. Wir haben unserer Wünsche zurückaestellt oegenüber einem Avpell des Reichspräsidenten. (Lebhafter Beifall bei der Deutschen Volkspartei.) i (Fortsezung in der Ersten Beilage.)
Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr Tyrol. Charlottenburg. Verantwortlich für den Migetgeutil: Ang rNtar Mengering in Berlin.
Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.
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Vier Beilagen (eins{lizßlich Börsen-Beilage) und Erste md Zweite i
zum De
(Fortsezung aus dem Hauptblatt.) ‘
Fnzwischen ist ein kommunistisher Antrag eingegangen, der den Austritt aus dem Völkerbund verlangt.
Abvg. Heckert (Komm.) nennt die neue Regierung ein merk- würdiges Gebilde, dem keine lange Lebensdauer beschieden sein fönne. Der Redrer behauptet, daß von dieser Regierung nichts Nügliches kommen könne. Den Sozialdemokraten stehe es s{chlecht an, jept über den Reichsbannerkameraden Marx zu klagen, dessen Politik sie ja bis jezt unterstüßt hätten. Die Soztialdemotratie habe aa ertannt, daß daé Hern ebensowenig die Interessen der Arbeiterschaft verireten könne, wie die Partei der Börsenjobber die demokratische Partei. Der Völkerbund sei eine Gemeinschaft, in der jedes Mitglied mit Kanonen, Gasgranaten und anderen schönen Dingen der christlihen Kultur gegen ein anderes Mitglied vorgehen könne. Jn diese feine Gesellschaft sci Deutschland jeßt Ben Dr. Scholz sei das Sprachrohr der Kapitalisten.
uch Hindenburg sei nur das Werkzeug der Finanzkapitalisten. Fn der reaktiopären deutshen Republik stecke kein fozialer Sinn.
oseph Wirth sage jevt zur Arbeiterschaft: „Macht die Arme auf!
ie Deutschnationalen kommen jeyt zur Republik!“ Graf Westarp
be aber gesagt, auch in Menn werde die Sozialdemokratie
Ins Die demokrati}he Reichs annerregierung arx habe ein reaftionäres Acbeitszeitgeseß hinterlassen. Der {Fustizskandal, der zum Himmel stinke, sei unter der Reichsbannerregierung Marx nicht kleiner, sondern größer geworden. Das Programm der neuen Reichsregierung enthalte nur leere Phrasen. Die Arbeiterïlasse müsse aufgerufen werden zum Kampf gegen das Arbeitszeitgeseß. Die Hantatenilien wollten den Klassenkampf.
Abg. v. Kemniß (D. Nat.) bemerki persönli dem Ab- eordneten Müller-Franken (Soz.) gegenüber, niht der {Fnhalt der ogenannten Mexiko-Depesche habe aufreizend wirfen fönnen, ondern die ungeshickte Form ihrer Veröffentlichung. Der bgeordnete Müller, der wieder einmal bewiesen habe, daß er nicht
imliaive ei, bei einer sahlihen Aussprache das persönliche Moment
auézuschalten, sei im übrigen ein Führer der Sozialdemokratie,
anti artei, die Schuld habe am deutshen Zusammenbruch und ndesverrat treibe. (Der Redner erhält einen Ordnungsruf.)
Abg. Müller - Franken (Soz.) erwidert in persönliher Be- merkung, er fei dem Abgeordneten v. Kemniß dankbar, daß er wiederum den Beweis seiner diplomatishen Unfähigkeit erbracht habe
Hierauf vertagt fih das Haus auf Freitag 12 Uhr: Fort- Feßung der Besprechung der Regierungserklärung.
Schluß nah 64 Uhr.
Parlamentarische Îachrichten.
Der Hauptausschuß des Preußishen Land- tages beriet am 2. d. M. den Gestütsetat. Abg. von Plehwe (D. Nat.) erklärte, dem Nachtrichtenbüro ‘des Ver- eins deutsher Zeitungsverleger zufolge, den vorliegenden Etat für nicht annehmbar, da die Abstrichhe des Fimanzministers die staat- lihe Gestütsverwaltung zu dauerndem Siehtum verurteilen. Der eng ie habe einen Zuschuß von 3 439200 Mark errechnet.
ieser Zuschuß sei daraus zu erklären, daß der Erlös aus de Verkauf von i irie und aus dem Verkauf von Wirtschaft3- vich ohne Grund um 272 000 Mark herabgeseßt sei. Ebenso sei der Erlós an Sprung- und Füllengeldern um 346 800 Mark herab- gelegt Außerdem habe der Finanzminister durch Mehrbewertaung r Weide und höhere Futterpreise eine Mehrausgabe von 700 000 Mark herausgetecet. Infolge der geringen Benußung der Be- s{äler habe der Finanzminister es für notwendig gehalten, daß bon den 2700 ftaatlihen Hengsten 500 ausrangiert werden follten, und daß der Pferdeankaufsfonds von 2300000 Mark auf 1 500 000 Mark R werde. Diese Maßnahme bedeute eïn dauerndes Siehtum der Gestütsverwaltung. Der Stæatsrat habe obgeraten; die Reichsvereinigung deutscher Pferdeinteressenten, sämt- Lihe Landwirtschaftskammern und die der Pferdezucht nahe- stehenden Kreise hätten schärfsten Protest erhoben. Der Reich3- wehrminister habe erklärt, daß durch dieje Maßnahmen die Schlag- ertigfeit des Heeres in Zweifel gezogen werden würde. Der inanzminister möge seine unmöglihen Maßnahmen zurüdckzichen. er Redner wies auf die Notwendigkeit der preußischen Landes=- pferdezuht hin und betonte, daß der Rückgang der Bededungs- giffer Der Stuten nur vorübergehend sei. Er hob die Wünsche der llblutzuht hervor und wies Angriffe gegen den Oberlandstall- meister, die in der Presse erhoben A als unberechtigt zurü. Graf Stolberg (D. Vp.) sprah über die Notwendigkeit der Gestiüite und ber die Bedeutung der Rennvereine für die Er- ltung der Pferdezucht, seute sich für die Gestütsbeamten ein und ründete den Antrag, die zu weitgehende Einschränkung des Zuchthengstbestandes im Etat æbzulehnen und die dort gestriGenen #90 000 Mark wieder einzuseßen. Abg. Roeingh (Zentr.) wandte ch gegen einen stärkeren Abbau der Séatliden Hengsthaltunag, [lte fest, daß die Haltung der Arbeitspferde trob gestiegener otorisievrung niht nachgelassen habe, begründete Anträge auf Wiederherstellung der Etatspositionen wie im Vorjahr und empfahl einen Antrag auf Verwendung des gesamten Aufkommens der Renntivettsteuer im Gestütshaushalt. Er wünschte stärkere Förde- rung der privaten Hengsthaltungsgenossenshaften und sere taatliche Unterstützung der erdezuht und erhöhte Zuchtprämten. ltóbuthengste müßten möglichst im Fniand angekauft werden. Der Redner bat um Auskunft in der Frage der Bekämpfung der Anenie und der Ten Mißstände in Altefeld und forderte er- hte staatlice Aufmerksamkeii für die Bekämpfung der Pferde- uchen. Abg. H oes ch (D. Nat.) hob hervor, daß nah dem Kriege r Appell an die Landwirtschaft ergangen sei, den ferdeausfall wieder gutzumachen. Dies jei geschehen, und nun ließe man die Pferdezuht zerschlagen. Der Bedarf an Pferden werde immer groß sein. Auch in der Großstadt sei die Benußung von Motoren i Lastfuhrwerken und kleinen Kaufleuten zurückgegangen. Abg. Peters- Hochdonn (Soz.) tadelte die hohen Ankaufspretse für Hengste und erklärte weiter, die Züchtung des Kaltblutpferdes sei noch lohnender wie die des Warmblutes. Die Kaltblutzuht müsse gefördert werden. Abg. Heesch (Dem.) hob hervor, die Kritik iegen der Abstriche des Finanzministers sei unberehtigt. Die Mittel zur Hebung der Pferdezucht seien genau so hoh wie für Schweine-, Rindvieh- und Schafzucht zusammengenommen. Be- dauerlih sei, daß der Holsteinishe Marschverband seinen Hengst- bestand an den Staat verkauft habe, um seine Schulden abzu- stoßen. Von den 2500 Bauern hätte man wohl Zuschüsse zur Veberwindung der Schwierigkeiten fordern können. Landwirt- s{haftsminister Dr. Steiger erklärte, die Depe jei gegen- Über dem Kriege auf die Hälfte zurückgegangen. Auch die Zahl der Pferde Q sich vermindert; sie betrug 1925 2712 763, 1926 2 668 389. Das eingetretene Vakuum werde sih bei der Ver- sorgung der Wirtshaft mit Pferden bald wieder bemerkbar machen. Fm Etat sei eine Verminderung um 500 Hengste vor- genommen. Fm Falle der zu erwartenden Zunahme der Deck- iffer werde von einer weiteren Verminderung abgesthen werden. ine Aufhebung von Gestüten sei nicht beabsihtigi. Die Gestüts- verwaltung bemühe sich um eine Umgestaltung der Pferdezucht,
i: Pferdezucht werde angestrebt.
: Erste Beilage utschen ReichSanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger
Berlin, Freitag, den 4. Februar
Ss werde cine Vecstärkung des Pferdes angestrebt. Die usfuhr der Pferde nah dem Auslande zur Erleichterung der Verschiedenen landwirtfchaftlihen rganisationen und Zuchterverbänden seien Staatsmittel gegeben weden der Auslandspropaganda, des Studiums der Abfaynröglichkeiten im Auslande, der Beschickung von Pferde- ausftellungen und dergleihen. Das Rennwesen müsse im Fnter- esse der Pferdezucht gefördert werden. Dasselbe gelte auch von den Warmblutleistungsprüfungen. 1921 seien 231 Veranstaltungen, 1925 401 Veranstalinngen gefördert worden. Ein - besonderes e verdiene die HengftprüfungsSanstalt in Zwion bei
orgenburg Hier würden die Hengste auf ihr Temperament und ihre fonftigen Eigenschaften geprüft und untaugliches Material ausgesondert. Die private Hengsithaltung werde dur Gewährung zinsloser Darlehen zwecks Ankaufes von Hengsten unterstüßt. Diese Darlehen belaufen sich zurzeit auf insgefamt dreiviertel Millionen. Jn der Frage der Bedeutung des Pferdes mit Beziehung auf die Bestrebungen zur Motorisierung der Land- wirtschaft ' seien die Meinungen fehr verschieden. Auch in Amerika habe man erkannt, daß es für den Motor Greuzen der Leisiungs fähigkeit gebe, und daß denx Pferd wie bisher auch in Zukunft eine Tralte Bedeutung beizumessen fei. Die Gestüts- verwaltung habe felbst eine Prüfung diefer Angelegenheit vor- genommen; das Ergebnis werde in etwa zwei Monaten mit- geteilt werden fönnen. Die deuishe Kaltblutzucht könne die Ein- fuhr von Zuchtmaterial aus dem Auslande noch nicht entbehren. Das Fundament der preußischen Pferdezucht sei in der preußischen Gestütsverwaltung zu erblicken; die Gestütsverwaltung müsse deshalb noch weiter gefördert und ausgebaut werden, Abg. Möricke (Komm.) bekämpfte besonders die Pferderennen. Abg. Biester (Wirtschaftl. Vereinig.) wandte sih dagegen, daß dèr Hengstbestand noch weiter abgebaut würde. Bei Ankäufen sei auf bestes Material zu sehen. Die Prämien seien zu erhöhen. Die Deekstellenvorsteher in Hannover müßten höhere Bezüge erhalten. Oberfinanzrai Bang erklärte, eine Schädigung der Gestütsver- waltung liege niht vor. Es sei derselbe Betrag eingeseßt für die Unterstüßung der Rennvereine. Das Finanzntinisteruum habe den Etat aufgestellt nwmach den bei der Aufstellung des Etats vor- liegenden Anträgen. Die heutigen Erträge seien etwas höher. Der Oberlandstallmeister trat für die Wünsche der Lande3- pferdezucht ein und gab die Erklärung ab, daß im Gestüt Altefeld keine Seuche herrshte. Abg. Heymann (D. Vp.) trat für das Landgestüt Wickerath ein und betonte, daß eine weitere Verminde- rung der staatlichen Zuchthengste für die rheinishe Kaltblut- zuht namentli in den gebirgigen Gegenden und im -Saargebiet verhängnisvoll sei. — Im übrigen wurden in der Aussprache Wüns:be für Besserstellung der Gestütswärter und fonstige Einzelivünsche vorgetragen. Annahme fand der Anirag, - die Einnahmen ent- sprechend den Vorschlägen des Landtivirtschaftsmiwisteriums zu er- es und von den erzielten Mehreinnahmen die Mittel zum An- auf von Pferden in Höhe von 2300 000 Mark zu bewilligen. Die Mehrheit des Ansfchusses sprach sih gegen eine weitere Verminde- rung der staatlichen Hengste aus. Angenommen wurde auch der Antxag auf Einstufung der Landstallmeister in Gruppe XI. Damit war man mit der Beratung des Gestütshaushaltes zu Ende. Heute soll die Beratung der Justizverwaltung begonnen werden.
Der Hauptausshuß des Preußishen Land- tags beriet am 3. d. M. den Haushalt der Fustizver- waltung. Zur Frage der Bescßung der Senate der Ober- landesgerihte mit 65 ftatt 3 Mitgliedern erklärte der Staats- sekretär im YJustizministerium Fritze, dem Nachrihtenbüro des Vereins deutsher Zeitungsverleger zufolge, daß der Fustiz- minifter sich aus diesem Anlaß mit dem Finanzminister in BVer- bindung ge}eßt habe. n mittel Ses Fustizbehörden sei im vexgangenen Fahre uit Nach- druck gearbeitet worden. Es seien Rechenmafchinen, Geldzähler, eine große Anzahl von Schretbmaschinen und andere technishe Hilfsmittel angeschafft worden. Der Staatssekretär gab dann Auskunft über die Verhandlungen, die im vergangenen Jahre über die Zusammenlegung der drei Berliner Landgerichte ge- führt worden sind, und erklärte, daß troy eifriger Beurthung der Justizverwaltung bisher wesentlihe Fortschritte niht gemacht worden seien. Zu der Eng e lg führte der Staatsfekretär aus, daß mit der Beratung des Gesegentwurfs im Reichstage noch in diesem Monat zu rehnen sei. Der Staats- sekretär berichtete {ließlich über die Neuregelung der Unfall- fürsorge für Gefangene und teilte mit, daß das Reichsarbeits- ministerium nunmehr einen Referentenentwurf fertiggestellt habe, der den einzelnen Ländern in diesen Tagen zugehen werde, Jm Verlauf der Debatte erwiderte Staatssekretär Friße dem Abg. Kuttner (Soz.), daß der Fustizminister das Bekenntnis Kuttners zur Unabhängigkeit der Gerihte dankbar begrüße, und daß er mit ihm darin übereinstimme, daß vereinzelt vorgekommene Mißgriffe von Richtern eine nicht zu nntershäzende Gefahr für die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Gerichte bedenteten. Die Disziplinaxunter}uhung gegen den Gerichtsafsessor Kußmaun sei soweit abgeshlofsen worden, daß die Sahe vorausfichtlih bald zur Verhandlung kommen werde. Der Forderung nach Ein- führung der Oeffentlichkeit in Disziplinarverfahren stehe die Justizverwaltung grundsäßlich sympathisch gegenüber. Der Staatssekretär gab dann auf eine Neihe von Fragen Auskunft, die der Abg. Kuttner gestellt hatte, uud teilte noch mit, daß das Disziplinarverfahren gegen den Gefängnisarzt Dr. Thiele wegen der Höfle-Sache sh bei dem großeu Umfang des Materials bishex nicht habe zum Abschkuß bringen kassen. Durch Verfügung des Justizministers vom 17. Januar d. J. sei erneut auf dos Érforderuis schneller Durchführung von Dienstaufsichts- und Difziplinarverfahren hingewiesen worden. Dem Abg. Deer- berg (D. Nat.) erwiderte der Staatssekretär, daß die Frage einer Reform des Wiederaufnahmeverfahrens vom preußischen Justizministertum mit dem Reichsjustizministerium anläßlich der großen Strafprozeßreform, die das Strafvollzugsgefeß erforderlich mache, erörtert werden solle. Zur Frage der Simultanzulassung der Amktsgerichtsanwälte bei den Landgerichten erklärte der Staatssekretär, daß das Justizministeriuum die Bedenken des Abg. Deerberg gegen die Simultanzulassung teile. Durch besondere Verfügung und durch Erhöhung der Zuschüsse habe der Justizminister auf die Bedeutung der Gertchtshilfe hingewiefen. Der Staatsfekretär teilte weiter mit, daß der Entwurf eines Ge- seat übex den Verkehr mit Grundstücken sich in der Ausarbeitung efinde und wohl in kürzerer Zeit dem S zugehen werde. Den in leßter Zeit vorgekommenen Fällen von Altenentwendungen wende das Justizministerium sein besonderes Augenmerk zu. Zur- zeit sei der Kammergerichtspräsident mit der Ausarbeitung von
orshlägen befaßt, wie der ag aag solcher pre L vorgebeugt werden könne. Der Staatssekretär hob hervor, daß, me au der Zahl der Beamten, die Fälle, in denen Beamte er Versuchung erkegen seien, sehr gering seten. Von der Be- deutung des Verkehrs mit der Prejje, auf die der Abgeordnete Schmidt-Lichtenberg (Zentr.) hingewiesen habe Æ die JFustiz- verwaltung voll durchdrungen. — Von den Au wertungssachen ata 82 Prozent vom Richter erledigt. Es sei zu hoffen, daß die ustizbehörden in abjehbarer Zeit die Aufarbeitung der Auf- wertungssahen beendet haben werdem. Auf Angriffe des Ab-
worden zu
An der Verbesserung der technts{chen Hilfs- |
1927
geordneten Ob u ch führte der Staatssekretär aus, daß nah der vom Kammergerichtspräsidenten zu Beginn des E emäß dem richisverfassungsgeses getroffenen Regelung die BVerhandlungsleitung in dem Srazeh gegen die Eheleute Fürgens3 dem Landgerichtsdirektoxr Bombe obliege. Es treffe nicht zu, daß der Landgerichtsdirektor Bombe irgendwelche dienstlichen oder außerdienstlicen Beziehungen zu dem Angeklagten Fürgens habe, Au gel es unrichtig, daß als weiterer Richter Landgerichtsrat Vormbaum an diejer Verhandlung teilnehme. Der Staatssekretär machte ferner Ausführungen über mehrere vom Abgeordneten Obuch angeführte Fälle. {Fm Falle Hölz habe die Staatsanwalt- schaft gegen die Persón, die sich nunmehr bezichtigt habe, den töt- lihen Schuß auf den Gutsbesißer Heß abgegeben zu haben, die Eröffnung der ger E Voruntersuchung wegen Totschlags beantragt. — Den Bestrebungen zur Bewahrung Fugendlicher, für die der Abgeordnete Eichhoff (D. Vp.) fich eingeseßt hat, wende das Ov Hs j 5 7 {51 A Mir F gy (ck, Fustizminijterium sein besonderes Augenmerk zu. Der Staats- ekretär gab dann noch Auskunft über den Umfang der Geschäfte es Fustizministeriums und die hierfür zur Verfügung stehenden Kräfte. — Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen sagte der Abgeordnete Grzimek (Dem.) dem Justizminister Dank für seine Tätigkeit auf dem Gebiete des Gnadenrehts, die cinen weiteren Fortschritt bedeute. — Die Beratungen des Ausschusses, an denen auch der Justizminister teilnimmt, sollen heute fortgeseßt werden.
— Der Landtagsausschuß für die neue Lands gemeindeordnung beendete gestern die zweite Lesung dev Vorlage. Jn Abänderung der Beschlüsse der eriten Lesung wurds zu den Bestimmungen über die Staatsaufsicht, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, ein An4 trag angenommen, daß die Aufnahme einer Anleihe, die Ueber- nahme einer Bürgschaft, die Gründung von Gemeindebanken und die Beteiligung an Banken der Genehmigumg der Au ichtsbehörde bedürfen, und daß die Genehnrigung bezüglih der Banken 1vider- rufen werden kann. Die Bestimmungen über die Gutsbezirte [ind in der Fassung der ersten Lesung angenommen worden, was also die grundsablihe Aufhebung der Gutsbezirke bedeutet; nur in ganz seltenen Fällen sollen sie bestehen bleiben. Ferner ist die Bes4 stimmung aufrechterhalten geblieben, daß der Gutöbeißer a Grund seines Besiues nicht mehr Gutsvorsteher sein soll, § 159, der über die Beendigung des Amtes der geivählten und ernannten Beamten der Landaemeinden und Bürgermeistereien Bestimmungen trifft, ist dahin geändert worden, daß nicht allgemein alle Beamte, sondern die gewählten Ehrenbeamten von diesen Bestimmungen betroffen werden. Die Vertreter der Deutschgr Volkspartei und der Demokraten ziweifelten die Verfassungsntäyrakeit dieses Para- graphen an. Zum § 51, der die Frage der Anstellung von Beamten regelt, lag ein demofratisher Antrag vor, wonach die Lands, aemeinden die nicht vorübergehend oder auéshilfsweise bei ihr be« rufsmäßig vollbeschäftigten Personen, die bei entsprechenden Diensts oblieaenheiten im Staatsdienst Beamte wären, als Beamte anzu4 stellen haben. Von der Deutshen Volkspartei lag ein Anirag dahin vor, daß eine Beamtenstelle erforderlich sein soll, wenn die dienjts liche Tätickeit nah Umfang und Bedeutung cine solche ist, wie [ié in der Staatsverwaltung von Beamten vorgenommen wird. Beid€ Anträge wurden gegen Deutschnationale, Wirtschaftsparte Sozial demokraten und Konrmunisten abgelehnt. Angenommen wurde \chließlih noch ein Antrag der Deutschen Volkspartei, bei der Ver- waltungsreform die. Einrichtung r NLentralverwaltung83s beshlußbehörde vorzuschet.
Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperrungs maßregeln.
Der Ausbruch und dàs Erlöschen der Mauls und Klauenseuche ist vom Zentralviehhof in Berlin, der Ausbruch der Maul- und Klauen}euche vont S{lact- und Viebbok in Leipzig am 2. Februar 1924 amtlich gemeldet worden.
Nr. ò des „Ministerial-Blatts jür die Preußitche innere Verwaltung“ vom 2. FWuar 1927 hat folgenden JFnhalt: Kommunalverbände. NdErl. 26. 1. 27, Haus- baltsplan ländl. Gemeinden. — RdErl. 28. 1. 27, Gefamtrechnung8 anteile der Gemeinden 1926, — RdErl. 27. 1. 27, Aufbebung der Bd. über die Verzinsung gestundeter Abgaben. — Polizei- verwaltung. NèErl. 24. 1. 27, Beglaubigung von Zeugnis- abschriften. — RdErk. 24. 1. 27, Nichtbeamtete Hilfskräfte der Pol. — RdErl. 27. 1. 27, Geschäftsvereintachung bet der staatl. Pol. — NRdErl. 25. 1. 27, Dienstanweis. über die Führung von Fingerabdruck- ijamml. usw. — NdErl. 26. 1. 27, Rechnungsreviforen bei der staatl, Pol. — RèErl. 27. 1. 27, Oberlandiägermeister. — RdErl. 27. 1. 27, Polizeiknüppel für die Shuypol. — RdErl. 28. 1. 27, Bekleidungê-
nf ; ; MAnoro ehr prüf. bei den Polizeien. — RdErl. 25. 1. 27, Landiägereishullehr- gänge 1927, — RdErl. 29. 1, 27, Dberschlef. Polizeitag in Gleiwiß, — Bücherausgleichliste 1. — Neuerscheinungen. — Zu beziehen durch alle Postanstalten oder Carl Heymanns Ver- lag, Berlin W. 8, Mauerstraße 44. Vierteliährlih 1,890 RM tür Ausgabe A (zweiseitig bedruckt) und 2,40 RM für Ausgabe B (ein- seitig bedrudt),
Nr. 5 des „Reihsgesundheitsblatts“ vom 2. Februar 1927 hat folgenden Inhalt: A. Amtlicher Teil 1, Fortlaufende Meldungen über die gemeingefährlihen Krankheiten im JIn- und Auslande. — Zeitweilige Maßregeln gegen gemeingefährlihe Krank« beiten. — Gesetzgebung unw. — (Berlin.) Nahrungs- und Genuß- mittel tterisher Herkunft. — (Württemberg.) Deut)ich-österreichiiches Tierseuhenübereinkommen. — (Thüringen.) Prütungsordnung tür Frrenpflegeversonen. — (Saargebiet.) Untersuhung der eingeführten Einbufer. — Eintuhrstellen für Vieh und Fleisch. — Ein- und Du1ch- fuhr von Einhutern, Nindern usw. — (Schweiz.) Verkehr rnit Lebense mitteln und Gebrauchsgegenständen. — Tierteuhen im Auétlande. — Desgleichen in der Schwetz. — Zeitweilige Maßregeln gegen Tier« seuhen. (Schweiz.) Eintuhrverbot für Schweine aus Jtalien, — Verm! schtes. Grippeerkrankungen. — Aerztliher Rundfunk. — Tiere ärztliher Rundfunk. — B. Nichtamtlicher Teil. Abhand- lungen: Juckenack: Ueber Bestrebungen, deren Berücksichligung eine erheblißhe Einschränkung des bitherigen Umfanges der Nahrungs mittelkontrolle durch das neue Lebensmittelgeses zur Folge haben würde. — C. Amtlicher Teil 11. Wochentabelle über Ches« \hließuugen, Geburten und Sterbefälle in den deutshen Großstädten mit 100 000 und mehr Einwohnern. — Geburts- und Sterblichkeits« verhältnisse in einigen größeren Städten des Auzelandes. — Ero franfungen und Sterbefälle an übertragbaren Krankheiten in deutschen Ländern. — Witterung,