1927 / 41 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Feb 1927 18:00:01 GMT) scan diff

mäßig fortgeseßt. Es \ind daher auch die im Nachtrag8haushalt für 1926 durch diejes hohe Haus zunächst gestrihenen Anfsäye wieder angefordert.

Jm Haushalt der Reichsshuld mußten für die Eintösung der Auslosung3rehte der Anleiheablösungsshuld 135,6 Millionen mehr als im Vorjahre eingestellt werden, da nah den neuesten Schäßungen, die allerdings auch noch nicht endgültig sind, - der Einlösung ein Gesamtbetrag von 900 Millionen Auslojungs- rechten zugrunde zu legen ist, dem eine Summe von Altbesitz- anleihen in Höhe von 36 Milliarden entspriht. Die Arbeiten für die Ablösung der alten Reich8anleißen werden, wie ih be- stimmt hoffe, um die Mitte des Jahres abgeschlossen sein Bis jest sind bereits % der Altbesiß- und Vorzugsrentenanträge entschieden. Der zweite Teil der ersten Ziehung der Auslosungs- rechte wird im Laufe des Jahres durchgeführt. Die Ablösung der Neubesißanleihen wird in der nächsten Zeit beginnen. Diese Neubesißzanleihen werden gemäß den Vorschriften des Ablösungs- geseßes in die Anlciheablösungsshuld umgetauscht.

In der Aufwertungsfrage ist noch immer keine völlige Be- ruhigung eingetreten. Wenn ih es auh nicht als meine Aufgabe anschen kann, im Rahmen der Etatsrede das Aufwertungsproblem in Ausführlichkeit zu behandeln es wird sih für die Regierung hierzu bei der Beratung des Antrags Dr. Best im Rechtsaus\{chuß Gelegenheit geben —, so wird do bei jeder Erörterung des Prob- lems davon auszugchen sein, daß an den Grundzügen der jeßigen Regelung festzuhalten ift.

Wollte man die aus der Anleiheablösung hervorgegangenen sogenannten Auslosungsscheine in eine verzinslihe Anleihe um- wandeln, das heißt die für die Auslosung vorgesehenen Mittel ganz oder zum großen Teil für cine sofort zahlbare Verzinsung verwenden, so müßte eine verzinsliche Anleihe im Ausmaß von mehreren Milliarden Reichsmark geschaffen werden, die auf unab- sehbare Zeit als s{chwerer Druck auf den Finanzen des Reiches lasten und die Ausgabe neuer Anleihen hemmen würde. Denn wenn sih auf diese Weise für die Gegenwart auch einige Erspar- nisse für das Reich erzielen ließen der Antrag aber mit einer 9 prozentigen Verzinsung würde sogar eine 1ährlihe Mehrbelastung bedeuten —, so darf mich das nicht zu einer anderen Beurteilung verleiten, denn diese eventuellen Ersparnisse würden ohne er- hebliche Vorteile, insbesondere auf die Dauer betrachtet, für die kleineren Eigentümer der Auslosungssheine für das Reich außerordentli teuer erkauft fein und seine Lage erneut ver- shlehtern. Jch habe dabei noch gar niht der schweren Gefahren gedacht, die sich aus einer derartigen Regelung in ihrer Rück- wirkung auf die Länder und Gemeinden und innerhalb des ganzen Anleiheablösungssystems überhaupt ergeben würden.

Ih befinde mich in dieser Stellungnahme in voller Ueber- einstimmung mit der Leitung der Reidbsbank (hört, Hört! rechts) die schwere Bedenken gegen cine Umwandlung der Auslosungs- scheine in eine verzinslihe Anleibe geltend gemacht hat. (Hört, hört!)

Im Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung ist als Zu- s{chuß des Reichs zu den Polizeikosten der Länder für 1927 ein Betrag von 190 Millionen gegen 210 Millionen im Vorjahr vor- geschen. Dieser Ansay is} allerdings nur ein vorläufiger, da zurzeit die Unterlagen für die genaue Berehnung des Bedarfs noch fehlen. Er muß nach den tatsächlich zu leistenden ÄAuésgahen der Länder bemessen werden. Jh möchte aber hoffen, daß er bei sparsamer Bewirtschaftung ausreiben dürfte.

Zur Deckung von Ausfällen, die dem Reih aus ven von ihm in einer Reihe von Fällen übernommenen Ausfallbürgschaften unter Umständen zur Last fallen werden, ist bei den einmaliger Aus- gaben eine Rücklage von 15 Millionen eingestellt worden. Da ein großer Teil der Kredite, für die das Reich die Garantie über- nommen hat, im Fahre 1927 fällig wird und sich hierunter Kredite mit erheblichen Beträgen befinden —- ih erivähne nur die Düngemittelkredite in Höhe von 30 Millionen, den Winzerkredit, den Landkraftmaschinenkredit, den Kredit an die Flahs- und Leinenindustrie —, habe ih mich niht entschließen können, der vom Reichsrat beschlossenen Herabseßung der Garantiesumme auf 7,9 Millionen zuzustimmen.

Im außerordentlichen Etat dex allgemeinen Finanzverwaltung sind wiederum Mittel zur Fortführung begonnener Eisenbahn- bauten, und zwar in Höhe von 30 Millionen, eingestellt.

Gemäß dem Jhnen vorliegenden Entwurf des Spiritus- monopolgeseßes ist zur Schaffung eines Betriebsmittelfonds für die Reichsmonopolverwaltung ein Betrag von 25 Millionen vor- gesehen.

Für die Entschädigung der Liquidations- und Gewaltschäden sind 60 Millionen eingeseßt. Dieser Betrag ist für die Durch- führung der geltenden Entschädigungsbestimmungen vorgesehen, insbesondere für die Gewährung von Sachentschädigungen, Wie- deraufbaudarlehen und Härtebeihilfen.

Vor einer Frage von ganz besonderer Schwere, die für einen Teil unseres deutschen Volkes eine Schiksalsfrage bedeutet, steht die deutsche Regierung bei der Entscheidung darüber, was geschehen kann, um die Schäden nah Möglichkeit auszugleichen, die durh die Liquidation deutschen Eigentums und durch ähnlihe Maß- nahmen seitens der ehemals feindlihen Regierungen Deutschen gegenüber zugefügt worden sind. Deutschlands Bemühungen, die Reste des deutshen Eigeutums zu retten und die Freigabe zu er- langen, sind hinlänglih bekannt. Ebenso bekannt ist auch, wie zögernd der übrige Teil der Welt sih diesen Bemühungen gegen- Über verhält. Soweit dieses Eigentum als endgültig verloren angesehen werden muß, bleibt dem Deutschen Reich kein anderer Weg als der, nah besten Kräften für Ersay des Schadens zu sorgen. (Sehr richtig! im Zentrum.) Die Schwierigkeiten unserer Staatswirtschaft, die Notwendigkeit, mit shmalsten Mitteln den Haushalt ausrechtzuerhalten, nötigt Hier zu einer \{merzlichen Zurühaltung. Die Summe selbst, die 100prozentig den Schaden abgelten fönnte, erreicht viele Milliarden. Wir haben versucht und daran als an unser gutes Recht geglaubt, daß der entschei- dende Teil dieser Last, die durh den Vertrag von Versailles be- gründet ist und deren alsbaldige Abtragung den deutshen Haus- halt vernichten würde, in irgendeiner Form aus den Annuitäten des Londoner Pakies abged-ckt werden müßte. Das Schiedsgericht im Haag hat sich dec deutshen Auffassung nicht angeschlossen. Alle Gründe des Rechts, die wir meinten, anführen zu können, alle

Gründe an3 den leßten wirtshaftlißen Zwecken des Londoner Paftes sind mit der Begründung zurückgewicsen worden, daß der Wortlaut des Londoner Paktes und des Sachverständigengut- achtens die Einbeziehung der Entschädigungen nicht vorsehe und darum auch nicht gestatte Allerdings fügte das Urteil selbst hinzu, daß die Frage damit noch nicht enschieden sei, ob Gutschristen, die Deutschland nah dem 1. September 1924 für den Wert der liqui- dierten Güter gegeben worden scien oder fünftig gegeben würden, von den Jahresleistungen nah dem Londoner Pakt abzuziehen sind. Die deutshe Regierung prüft zurzeit, welhe Möglichkeiten sih hier bieten. Sie wird immer wieder auf die Unerträglichkeit eines Zustandes hinweisen, der für Deutshland unerwartet neben den Lasten aus dem Londoner Pakt überaus große andere Kriegs- lasten mit sih bringen würde. Deutschland hat vor dem Haager Schiedsgericht darauf hingewiesen, daß ihm die Mittel dazu fehlten, hier aus eigener Kraft etwas hinzuzufügen. Das Wort gilt be- sonders angesichts der Lage des Haushaltes, die ich Jhnen ge- schildert ‘habe.

Vor uns aber wächst die Frage auf, wie wir wenigstens dringendster Not der Geschädigten steuern können. Die Reichs- regierung ist hier noch zu keinem endgültigen Entschluß gekommen. Sie wird aber in aller Beschleunigung mit dem gebotenen Ernst alle bestehenden Möglichkeiten prüfen und Fhnen dann ihre Vor- \chläge unterbreiten.

Wenn ih mit diesen Ausführungen den Etat verlassen könnte, so möchte mir doch noch eine Bemerkung gestattet sein zu den Aenderungen, die der Reichsrat an dem Haushaltsplan vor- genommen hat. Die Höherschäßungen des Reichsrats haben der Reichsregierung Anlaß gegeben, die Frage aufzuwerfen, ob nah geltendem Verfassungsrecht dieser Weg für den Reichsrat über- haupt gegeben ist. Der Haushaltsplan is zwar der Form nah Gese, seinem wesentlihen Fnhalt nah aber Verwaltungsäkt. Dies gilt jedenfalls, soweit die Shäßung der Einnahmen in Frage fommt. Der Reich8minister der Finanzen und nur er kann auf Grund des bei ihm vollständig vorhandenen Materials und der in seinem Amt ruhenden Erfahrungen ermessen, mit welchen Ein- nahmemöglihkeiten aus den bestehenden Steuerquellen gerechnet werden darf. Diese Feststellung ist Akt seiner verantwortlichen Vecwaltung, die er nach parlamentarischen Grundsäßen diesem hohen Hause gegenüber zu vertreten hat.

Die Rechtsfrage scheint mir indessen niht entscheidend. Fm Grunde handelt es sich um eine staatspolitishe Frage ersten Ranges. Es bedeutet eine in ihrer Folge kaum übersehbare Be- lastung einer verantirortlihen Leitung der Reiclsfinanzen, wenn der Reichsrat, dem die Verfassung Recht und Pflicht zu besonderer Ueberwachung der Ausgaben gegeben hat, die Ausgaben seinerseits erhöht und glaubt, durch Hößershäßung der Einnahmen entgegen der Auffassung der Reichsregieruna Ausgabewünsche decken zu föónnen. Wie wenig ein solches Vorgehen traditionell geb lter Arbeit im parlamentarischen Staate entspricht, zeigt die Praxis des englishen Parlaments, die grundsäßlich Einnahmeerzöhungen ohne Zustimmung der Regierung ablehnt, Fch wage nicht, daran zu denken, daß wir auch im Deutshen Reiche einmal zu einer ähn- lichen Bestimmung kommen könnten. Die Reichsregierung kann nur dem dringenden Wunsche Ausdruck geben, daß, wie intmer die Rechtslage sein mag, nicht durch Einbürgecrung von Vorgängen dieser Art dem Reichshaushalt das unerläßlihe Maß an Sicer- heit seiner zahßlenmäßigen Unterlagen entzogen wird.

An den Schluß meiner Darlegungen möchte ih die Frage der Steuerverteilung, des Finanzausgleichs, stellen einer der vor- dringlichsten Fragen auf dem Gebiet der inneren Politik, deren Lösung uns auf den Nägeln brennt. Gerade hier sind an den Wechsel in der Regierung und an die Neubeseßung des Finanz- ministeriums die verschiedenartigsten Kommentare geknüpft worden. Bald wurde ih als wilder Partikularist bezeichnet, dessen nächster Aft es wohl sein werde, das Reich in eine Unzahl von Ländern aufzulösen, bald als gemäßigter Föderalist, bald als ein im Prinzip doch unitarisch eingestellter Mann.

Und wie ist meine Stellungnahme in bezug auf den Finanz- ausgleih nun in Wirklichkeit? Jch stehe hier durhaus auf dem Boden des Staatsgrundgeseßes von Weimar. Das - Reich steht über den Ländern, deren Eigenleben aber in streng festgelegten Formen durchaus garantiert ist. Einigkeit und Geschlossenheit des Reiches ist auch mir erste und Hauptau’gabe. Nie werde ich die Hand dazu bieten, daß dieser Fundamentalsay auch bei der Arbeit des täglichen Lebens in der Finanzverwaltung irgendwie geschädigt werde. Die reihseigene Finanzverwaltung, so wie sie in ihren Grundzügen von Erzberger geschaffen und con seinen Nachfolgern fortgeführt worden ist, halte auch ich für erforderlich. Nicht nur, daß sie cine der festen Klammern für die Reichseinheit abgibt, niht nur, daß ihr ein Hauptverdienst an der Stabilisiecung unserer Währung zukommt ih halte sie auch für die Zukunst für durchaus erforderlich îm FJnteresse des Reiches sowohl wie unserer gesamten öffentlichen und privaten Wirtschaft. Aber unter diesem shübenden Dach des Reiches, innevhalb des Rahmens der großen Finanzverwaltung des Reiches, sollen die lebensfähigen Länder ein Eigenleben führen, wie es deutsher Art entspricht, ganz abgesehen davon, daß es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung sein kann, staatspolitishe Probleme, deren Lösung in der Ver- fassung von Weimar in Weg und Ziel festgelegt ist, ihrerseits vor- wegzunehmen. (Sehr richtig! în der Mitte.)

Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet ¡sst der Finanz- ausgleich für mich. in der Hauptsache eine volk8wirtshaftlihe An- gelegenheit, -die in ihren Auswirkungen selbstverstindlih auch staatspolitishe Fragen berührt und beeinflußt. Reichsregierung, Reichsrat und Reichstag bemühen sih um die endgültige Lösung der Frage des Finanzausgleichs, nämlich um die Trennung der Aufgaben und die Regelung der. Einnahmen bereits seit Fahren Von jeher war klar erkannt, daß an eine besriedioende Lösung des Finanzausgleihs erst gedacht werden fann, wenn die Ent- schlzungen auf dem Boden feststehender Tatsachen erfolaen fönnen, wenn über Einnahmen- und Ausgabengcbarung niht nur des Reitdhes, sondern auch der Länder und Gemeinden durch statistishe Erhebungen volle Klarheit geshaffen ist. Die richtige Verteilung der Steuermittel seßt Kenntnis des echten Steuer- bedarfs und damit auch einen Einblick in alle Möglickkeiten der Ersparnis voraus, die noch auf dem Gebiete der öf entlichen Ver- waltung gemacht werden kann. Der FinanzauZzgleih kann in seinen endgültigen Formen nur für eine rationalisierte öffentliche

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Wirtschaft gefunden werden. (Sehr richtig!; in der Mitte. und rehts.) Da diese notwendigen und wertvollen statistischen Un:er- lagen vershiedenster Art noh nit bestafît sind, ist es im-gegens wärtigen Augcnblick ganz unmögli, endgültige Vorschläge | für den Finanzausgleih zu maten.

Neben dem Zuschlagsreht für Länder und Gemeinden drängen noch andere Fragen zur alsbaldigen Entscheidung; ins- besondere die so außerordentli notwendig" werdende reihsgeseß- liche Rahmenregelung der Realbesteuerung in Verbindung mit einer erneuten Stellungnahme des Reichstags auch zur Haus- zinssteuer, dem Geldentwertung8ausgleih bei bebauten Grund- stüden, bedarf alsbaldiger Jnangriffnahme und Klärung. Das ganze Problem der Vereinfachung der öffentlichen Verwaltung muß in diesem Zusammenhang gelöst werden, niht zuleßt auhch das der festeren Zusammenfassung der Veranlagungsbehörden.

Ein endgültiger Finanzausgleih seßt aber niht nur die rationalisierte Staatswirtschaft, sondern auch eine nicht von Krisen ershütterte private Wirtschaft voraus. (Sehr richtig! im Hentrum und rets) Gerade wenn man die Einkommensteuer zum Ausgangs8punkt selbstverantwortliher Steuerbeshlüsse in Land und Gemeinden machen will, darf dies erst für eine Zeit geschehen, in der die Einkommensteuer tatsählih die Grundlage solcher Entschließungen abgeben kann. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Die Notlage der Landwirtschaft, die ungenügende Beschäftigung einer Reihe wesentliher Fndustrien läßt die Ein- fommensteuer für nicht unerhebliche Teile des Deutschen Reichs im Augenblick aber zu einem durchaus ungeeigneten Träger der Haushalte werden. Das Zuschlagsrecht zur Einkommensteuer würde in dieser Lage für die Gemeinden, deren Steuerkraft von der Krise besonders. schwer betroffen ist, keine Abhilfe bedeuten. (Sehr wahr! in der Mitte.) Jede Reform des Finanzausgleihs ist in ihrem Ergebnis bedeutungslos, wenn sie nicht die Steuerlast in ihrer Gesamheit, in der sie dem Steuerpflichtigen fühlbar wird, zu regeln unternimmt. Die Gewährung des Zuschlagsrehts zur Einkommensteuer bedeutet daher nur dann einen auch der Wirtschaft dienenden Fortschritt in der Lösung des Finanzausgleihsproblems, wenn sie aufs engste verbunden ist mit einem Ausgleih der Steuerlasten innerhalb der . Wirt- schaft. Der Finanzausgleih ist nicht denkbar nur als reiner Ausgleich zwischen den Geldbedürfnissen der verschiedenen Steuerberechtigten. Er kann nur seiner endgültigen Regelung zugeführt werden, wenn er zugleih für den Steuerpflichtigen einen Ausgleih des Steuerdvucks bedeutet, wenn er wenigstens im groben und großen einen Lastenausgleih für die verschiedenen Teile der Wirtschaft sichert. Die Finanzverwaltung ist in vollex Arbeit, die Vorarbeiten für diesen endgültigen Finanzausgleich zu beschaffen; ein Teil der eben genannten vorbereitenden Geseys entwürfe wird Fhnen noch im Laufe dieses Jahres zugehen. Meine Darlegung hat Jhnen aber, wie ih hoffe, gezeigt, daß es heute ganz unmögli ist, einen endgültigen Finanzausgleih vor- zulegen. Es scheint mir sogar sehr zweifelhaft, ob dieser Aus- gleih aus den eben angegebenen Gründen {hon am 1. April 1928 erfolgen kann. (Hört, hört!)

Alle Sachkundigen stimmen darin überein.

Jn dem Grundgedanken, die gegenwärtige Ordnung des Finanzausgleihs für die Uebergangszeit im wesentlihen unver- ändert beizubehalten, sind Reichsrat und Reichsregierung einig. Eine Aenderung des Beteiligungsverhältnisses an den Haupt- steuern ist daher auch_ nicht vorgesehen. Eine Divergenz in der Auffassung besteht allerdings hinsihtlich der Behandlung der Umsaßsteuer. Die Reichsregierung glaubt, nah Sachlage die bisherige Sondergarantie staatswirtschaftlich nicht vertreten zu können. Ste war vielmehr der Meinung, daß den berechtigten Finanzbedürfnissen der Länder durchaus dadurch Rechnung g2- tragen werde, daß ihnen als Gesamtgarantie ein Betrag gesichert werde, der von bisher 2,1 auf künftig 2,4 Milliarden erhöht wird. Jh hielte es für vertretbar, daß angesichts der Lage der Länder uns insbesondere der finanziell wenig günstigen Situation vieler Gemeinden dieser Gesamtgarantiebetrag noch um einen ént- sprehenden Betrag auf etwa höchstens 2,6 Milliarden erhöht wird, Dabei könnte auf die besondere Lage noch dadur besonders Rücksicht genommen werden, daß ein der bisherigen Umsaßsteuergarantie entsprechender Betrag an- der Gesamtfumme nit nach dem Schlüssel für die Einkommensteuer, sondern nah demjenigen der Umsaßsteuerregelung ausgeshüttet wird. Wenn ih mit dieser Anregung über die bisherige Regierungsvorlage hinausgehe, so geschieht es, wie gesagt, zunächst, um der Lage insbesondere vieler Gemeinden Rechnung zu tragen. Anderer- seits möchte ih aber auch annehmen, daß durch diese erhöhten Ueberweisungen verschiedenen Ländern und Gemeinden doch die Möglichkeit gegeben wird, ihre zurzeit zum Teil zweifellos über- spannten Realsteuern alsbald zu senken, um so mehr als ins- besondere den Ländern vom gleichen Zeitpunkt an auch die unter- stüßende Erwerbslosenfürsorge voll abgenommen werden soll und damit der wesentlihste Unsicherheitsfaktor dem Haushalt . der Länder und Gemeinden ferngehalten wird.

Das Bestreben, die zwischen dem Reih und den Ländern bestehenden Meinungsverschiedenheiten nah Möglichkeit zu be- seitigen und eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens zu schaffen, könnte auch dadurch gefördert werden, daß die schon jahrelang währenden Auseinanderseßungen zwischen den drei süddeutscher Ländern und dem Reih über die Anteile dieser Länder an dem Ertrag der Biersteuer durch eine andere, den wirklichen Verhältnissen mehr Rechnung tragende Verteilung be- endigt würden. Ebenso möchte ih auch die übrigen zwischen dem Reih und den Ländern auf verschiedenen Gebieten noch shwebenden Erörterungen mit Beschleunigung abschließen.

(Fortseßung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlich für den Angele: Mnn Ee Mengering In erun.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin. Druck der Preußischen Druckerei- und Verlags-Aktiengesellschaft. Berlin Wilhelmstr 32. -

Fünf Beilagen

(einsbließlich Börsen-Beilage) - und Erste und Zweite Zentral-Handelsregister-Beilage.

um Deutschen Reichs

Ir. 41.

Erste Beilage

Verlin, Freitag, den 18. Februar

anzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

1927

(Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Aus diesem Grunde sind Verhandlungen mit Bayern und Würt- temberg über die endgültige Lösung der Postabfindungsfrage und Verhandlungen mit allen Ländern über die Entschädigung der nach dem Abkommen von Weimar ‘dem Reiche für die Zwee der Reichssteuerverwaltung überlassenen Grundstücke und Gebäude eingeleitet worden mit dem SBiel, baldigst zu einem afl diese Fragen endgültig . befriedigenden Abschluß zu kommen und dadurch den Weg zu gemeinsamer Arbeit für kommende Dinge freizumachen.

Zu diesen kommenden Dingen rechne ih außer den eben bereits erwähnten steuerlihen Aenderungen insbesondere die Vereinfachung der öffentlihen Verwaltung. Von ihr bitte ih doh noch mit einigen Worten sprechen zu dürfen, obwohl sie hon mehrfach in ‘der Vergangenheit als das Kernstück größer2r Reformen bezeichnet, aber nie auch wirklich durchgreifend an- gefaßt worden ist. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Gewiß, die Bemühungen um eine Ausgestaltung der Arbeit, die es gestattet, das Höchstmaß der Leistung mit dem geringsten Verbrauch an Kräften zu erreichen, wird gerade in der Reich8- verwaltung seit Fahren angestrebt. Fn meinem eigenen Ministerium ist von meinem Herrn Vorgänger in den leßten Monaten eine zum Teil recht stark angefohtene Umgestaltung durchgeführt worden; auf den 1. März dieses Fahres werde ih eine weitere Abteilung meines Minifteriums, die Friedens- vertrag8abteilung, auflösen und die Geschäfte auf die anderen Abteilungen verteilen. Fch werde mit Vereinfahungen für die gesamte Verwaltung fortfahren. Bezüglih der Reichsbau- verwaltung z. B. sind die erforderlichen Maßnahmen dieser Tage eingeleitet worden. Selbstverständlich ist, daß auch andere Ver- waltungen diesem Beispiel, wo immer es möglih und noh nicht geschehen ist, folgen. Meine Erfahrungen als Länderfinanz- minister und das Land Baden hat gründlih abgebaut und vereinfacht berechtigen mich aber zu der Ansicht, daß eine solhe Reform durch dickleibige Denkschriften und allzu umfang- reich ausgestattete Kommissionen nicht besonders gefördert wird. (Sehr gut! im Zentrum und rechts.) Fe kleiner hier der Kreis und je größer die Ermächtigung zu durchgreifenden Maßnahmen, desto schneller und wirksamer der Erfolg. Es ist sicherlich kein unbefugtes Hineinreden in die Verhältnisse der Länder und Gemeinden, und es wird, wie ih hoffe, auch nicht als solches empfunden werden, wenn der Erwartung Ausdruck gegeben wird, daß das da und dort nur recht zögernde Anfassen durchgreifender Reformén in Ländern und Gemeinden einem s{chnelleren Tempo Plaß machen sollte. Es geht eben auf die Dauer einfach nicht mehr an, daß zwei und drei Behörden, also doppelte und drei- fache Arbeit, sich mit ‘dem gleihen Gegenstande beschäftigen. (Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Unsere gesamte deutsche Wirtschaft kann sih diesen Luxus nicht mehr gestatten.

Es verdient an’ dieser Stelle ausdrücklih festgestellt zu werden, daß nicht zum wenigsten der Herr Reichssparkommissar auf dem Gebiete rationeller Betrieb3- und Arbeitsführung in umfang- reicher: Weise Auregung und Förderung gegeben hat, und zwar sowohl für das Reich wie für die Länder. Daß nicht alle Länder seinen Anregungen entsprechen, liegt nicht in seiner Amtsführung. Jh lege auf die Arbeit dec Herrn Sparkommissars den allergrößten Wert und werde seine Tätigkeit nah Kräften fördern und unter- süßen. (Zuruf rehts: Wir auch!) Gewiß, manche organisatorische Aenderung wird. sih nicht gleih finanziell auêwvirken. Es ist oft eine Arbeit auf weite Sicht. Das darf aber die Verantwortlichen nicht von ihr abshreckden. Fm Gegenteil, eine reibungslos inein- andergreifende, auf höchsten Wirkungsgrad abgestellte Verivaltung unter Ersparnis alles Ueberflüssigen an Personen und Sachmitteln bereit zu haben, wird dann ganz besonders notwendig sein, wenn es gilt, den Reichshaushalt unter dem Gesichtspunkte der Lasten aus dem Londoner Pakt aufzustellen, ohne die Wirtschaft zu er- drücken, Jh werde alsbald das Erforderliche veranlassen, um ein Benehmen der für die Zusammenfassung und Vereinfahung der öffentlichen Verwaltung in Betracht kommenden Jnstanzen herbei- guführen.

Auf dem Gebiete der Drosselung der Ausgaben bin ih ent- schlossen, entshieden durhzugreifen, nicht durch umfassende Reden, sondern dur feste Tat. Dabei hoffe ih auch auf Jhre tatkräftige Unterstüßung. Fch weiß, daß eine etwaige Popularität durch ein derartiges Vorgehen nicht gefördert wird, aber s{hließlich kann die Aufgabe eines Finanzministers .nicht in Popularitätshascherei (sehr richtig! im Zentrum und rets), sondern nur in der strengsten Er- füllung der ihm obliegenden Pflicht liegen.

Die Aufgaben, die uns in den nächsten Fahren gestellt sind, gehören zu den schwersten und härtesten. FJnnere und äußere Lasten werden außerordentlichen Druck ausüben. Fn dem Tätigkeitsgebiet des -Reichsfinanzministers sind die Tage, da der Minister Segen und Geld spendend durch die Lande ging, endgültig vorbei. Fahre der Einschränkung, des Ringens um das Gleichgewicht ziehen her=- auf. Doch troßdem scheint mir kein Raum zu pissimistisher Auf- fassung zu sein. Der Weg des deutshen Volkes ging auch in der Vergangenheit nicht immer auf der Sonnenseite. Härter und [hwerer hat es stets um feine Existenz kämpfen und ringen müssen, und Leid war ihnWzchr beschert als allen anderen in Europa. Doch ir werden unsere Pflicht tun! Wissen wir doch, daß all unsere Arbeit, all unsere Mühen und Sorgen, all die Entbehrungen unseres Volkes nur dem einen großen Ziel dienen: unserer Heimat, unserem Vaterland, das wieder in alter Freiheit vor uns erstehen soll. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.)

271. Sigung vom 17. Februar 1927, nahmittags 2 Uhr.

(Bericht. des Nccbrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.) Präsident L ö b e eröffnet die Sißung um 2 Uhr.

„_ Die erste Lesung des- Reichshaushaltsplans f ür 1927 wird fortgeseßt, | :

Abg. Neubauer (Komm.) stellt fest, daß feit Bestehen der deutshen Republik 15 Reichsregierungen sich betätigt hätten. Jedes Kabinett hätte also eine durhschnittlihe Lebensdauer von steben Monaten gehabt. Dieser Konjum an Regierungen sei einigermaßen groß. Es gab in diesen Sabctn 10 Finanzminister, und zwar 3 Demokraten, 3 Zentrumsleute, einen Deutschnatio- nalen, einen Deutschvolksparteiler und als besondere Perlé den Sozialdemokraten Hilferding. Die ersten Finanzminister brachten Deutschland mit Meisterschaft ‘in die Billicnen-Fnflation E, Dann kamen die Finanzminister der Stabilisierung. Dr. Luther war der Mann der brutalen Steuernotverordnungen, der Massen- ausfsaugung. Herr v. Schlieben brachte die ungeheuerlihen Steuer- ‘und HYollwuchergeseze. Es war eine Korruptions- und Subventionspolitik. Reinhold war der Mann des Mon as, der die ganze Finanzpolitik im Sinne des Truftkapitals leitete. Kein Ministerwehsel wird etwas am System -der Aktiengesellschaft „Deutsche Republik“ zur Ausbeutung des Volkes ändern. Die Kleinaktionâre, das Stimmvieh der Generalversammlungen, die Bayerischen Volksparteiler haben zugunsten dieser Aktiengesell- schaft für ihren Postministerposten sogar die bayerishen Bier- interessen verraten. (Heiterkeit.) Und Dr. Hertz, der Vertreter der Arbeiteraktien, vergicßt Tränen über das Defizit. Geßler hat einen stillen Fonds von 150 Millionen sogenannter „Uübertrag- barer“ Mittel. Die Finanzämter scheinen au solche Korruptions- fonds zum Ankauf unbequemer Akten zu haben. Mir wird ein

olher Fall aus Düsseldorf berichtet. (Hört! hört! links.) Die Sozialdemokraten haben die Subventionspolitik zugunsten der Schwerindustriellen mitgemaht. (Widerspruch bei den Sozial- demokraten.) Alles was Sie darüber sagen, ist Lüge und Schwindel! (Der Redner erhält einen Ordnungsruf.) Der Redner verlangt Stzeichung des Wehretats, der Polizei-, Geheim-, Subventionsfonds und der Dawes-Lasten.

Aba. Keinath (D. Vp.) weist darauf hin, daß die Ueber- schüsse der vergangenen Fahre eine günstige Finanzlage vor- taushten und zu zahlreihen neuen Ausgaben verführten. Heute fomme es darauf an, mit den zu erwartenden tatsächlihen Ein- nahmen zu wirtshaften. Die Zusage einer neuen Beamten- besoldungsregelung müßte unbedingt eingehalten werden. Auch in der Entschädigungsfrage müsse troß des Haager Spruches auf jeden Fall etwas geschehen. Die Deckung der bevorstehenden großen Reparationslasten sei nur durch umfangreiche Steuererhöhungen möglich Dent [eyt fue otéoner Fort, die eherne Lt» sache gegenüber, daß ncht nur eine weitere Erhöhung der Gesamtsteuerlast unmöglich ist, sondern, daß vielmehr eine wesentlihe Senkung eine kaum bestrittene Notwendig- feit ist Die Bedürfnisse der öffentlihen Hand müssen der tatsächlihen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung angepaßt werden. Die Grenze des Erträglichen ist bei den Steuern erheblich über- schritten. Unsere Steuerlast ist trop Verminderung der Be- völferungszahl und enormer Vermögensverluste um ungefähr das Zweieinhalbfache gestiegen, die Belastung des einzelnen infolae zahlreiher Sondersteuern um das Dreîi- bis Vierfache. Der Redner erörtert dann die Möglichkeiten von Ersparnissen in den einzelnen Etats. Bei unserer Wehrmacht wird man nicht darauf verzichten können, alle technischen Verbesserungen und Vorteile zu verwenden. JFrgendwe!che wesentlihen Einsparungen werden aber nicht möglich sein. Alle nur möglihen Ersparnisse im Gesamktetat können uns nicht aus dem Finanz- und Steuerelend herausbringen. Die Hauptaufgaben der Einsparunq müssen in erster Linie bei den Ländern und Gemeinden liegen. Es muß eine angemessene Ver- teilung der Steuern zwischen Reih und Ländern erreicht werden. Das Deutsche Reich mit seinen geshihtlich gewordenen Ländern stellt, als Gesamtheit betrachtet, ein außerordenlich s{werfälliges staatsrechtlihes Gebilde dar. Die Länder mit ihrer ganz ver- schiedenen -Größenordnung lassen sich {wer nach einen einheit- lihen Verwaltungssvystem verwalten. Sie führen zu vielen Un- zweckmäßigkeiten, insbesondere zu einer großen Verteuerung des gesamten Staatsapparates. Das muß offen ausgesprochen werden in einer Zeit gewaltiger Steuerlasten. Wir verkennen keineswegs die große Bedeutung der Länder, und es liegt uns fern, an gewaltsame Eingriffe zu denken. Auf der anderen Seite geht es niht an, auf Kosten der Gesamtheit des deutschen Volkes die Sonderstaatlichkeit kleiner Länder künstlich aufrehtzuerhalten. (Zustimmung bei der Deutschen Volkspartei.) Wir sind deshalb feine Freunde des § 35 des Finanzausgleihsgeseßes. An der Reichsfinanzverwaltung halten wir fest. Sie ‘sichert eine erheb- liche Vereinfahung der Verwaltung und eine gleihmäßige Be- steuerung der Bevölkerung. Eine Verminderung der Zahlungs- termine würde eine wesentlihe Enilastung herbeiführen. Das Reih muß an den Hauptsteuern angemessen beteiligt werden. Einer Verschiebung zugunsten der Länder und Gemeinden könnten wir nicht zustimmen. Bedauerlih ist, daß selbst der Finanz- minister eine Verschiebung des endgültigen Finanzausgleihs um zwei Fahre in Erwägung zieht. Der Ausgleih muß mit größter Beschleunigung geschaffen werden. Die für den vorläufigen Aus- aléih von den Ländern geforderte Umsabsteuergarantie lehnt die Deutsche Volkspartei ab, da sie einer Dotation gleichkäme. Das Beispiel der Umsaßbsteuergarantie zeigt, wie gefährlich es ist, iiberhaupt ‘Reich8garantien zu übernehmen. Bei der Verteilung der Steuern durch die Länder müssen Unterschiede gemacht werden

zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Gemeinden. Un-

erträgqlih L die Belastung der Gewerbebetriebe durh die Steuern, besonders durch die Realsteuern. Von Reiche her müssen hier Ausartungen verhindert werden. Die Angelegenheit duldet keinen zeitlihen Aufschub, und wir erwarten vom Finanzminister, daß er ofort die Entwürfe für ein Reichsrahmengeseß vorlegt. Eine Verewigung der Hauszinssteuer lehnen wir entschieden ab. Das ganze System muß geändert werden. Wir müssen den behördlichen Bau wieder dur den privaten Bau erseßen. Bei der Einkommen- stener steigen die Säße viel zu {nell an. Wir werden Anträge vorlegen, die eine Auseinanderziehung des Tarifs bei dem mittleren Einkommen bezwecken. Zusgmmenfassend erklärt der Redner, daß der Finanzausgleih nicht zu lösen sei ohne einen Ausgleich zwischen dem Steuerbedorf der öffentlihen Hand und der Leistungsfähigkeit der s\teuerzahlenden . Bevölkerung. Er

. werde nicht lösbar sein, wenn nicht die öffentlihen Körperschaften, 4+ wie das in früheren Staatskrisenzeiten der Fall war, ihr überaus

stark ausgedehntes Betätigungsgebiet wieder erheblich einshränken. Ein großer Teil dieser Aufgaben kann wieder der freiwilligen «Fnitiative des einzelnen überlassen bleiben. (Beifall bei der Deutschen Volkspartei.)

Abg. Dietrich -Baden (Dem.) erklärt, daß sowobl der Finanzminister wie der deutschnationale Redner gestern an der Tätigkeit des Ministers Reinhold Kritik geübt hätten, Diese Kritik sei vollkommen unberechtigt. Dr. Köhler habe gesagt, daß die Ausgaben in einigen Fällen zu knapp bemessen, während die Einnahmen zu hoh eingeseßt seien. Bei den Ausgaben sind vor allem die Beträge für die Erwerbslosenfürsorge gemeint. Es ist uns unverständlich, wie der Finanzminister behaupten kann, daß durch die etwaige Nichtberüsichtiqung eines Mehraufwandes von 150 Millionen Mark für die Arbeitslosen der Etat aus dem Gleichgewicht fommt, während der Minister. auf der anderen Seite mit den Ländern das bekannte Abkommen getroffen hat, vonach die Garantie im vorläufigen Finanzausgleih um 200 Mil- lionen Mark erhöht werden soll. Die Einkommensteuer für 1926 wird genau den Betrag einbringen, der veranschlagt ist. Die Umsaßsteuer 4 allerdings hinter dem Voranschlag zurückgeblieben. Die Zolle haben in den leßten Monaten steigende Beträge er-

braht. Alles in allem fann man annehmen, daß etwas mehr herausfommen wird, als im ganzen Etat veranshlagt war. Der Finanzminister sollte sih aber den Etat des Verfkehrsministeriums genau ansehen; die Kanalbauten könnten samt und sonders ge- strichen werden; dadur ließen sich hundert Millionen ersparen. Dagegen müßte dem Flugzeugwesen mehr Aufmerksamkeit ges shenft werden. Auch im Heeresetat könnte gespart werden, z. B. an den fostspieligen viel zu großen Pferdebeständen des kleinen Heeres, das wir haben. Die Ofkkupationslasten drücken uns beute vollkommen zu unrecht. Vor uns steht das große Gespenst der Reparationen; es ist fraglih, ob wir diese Summen aufbringen können. Der Dawes-Plan sagt selbst, daß wir nur leisten können wenn unsere Wirtschaft wieder in Ordnung fommt. Deshal müssen wir unsere Wirtschaft von Steuern ‘entlasten. Das Vor- gehen des Finanzministers Reinhold nach | dieser Richtung wax notwendig. Die Steuersenkungen haben exst die jeßige bessere Entwicklung der Wirtschaft herangebracht. Das ist ein Verdienst der Aera Reinhold. (Lebhafte Zustimmung bei den Demokraten.) Diese Segnungen werden wir noch zu spüren bekommen. Es ist sicherlih nicht die Absicht des Finanzministers Köhler gewesen, den Dienstbetricb der Beamten unter dem Minister Reinbold zu fritisieren. Eine Thesaurierung braucht man niht zu befürchten, weil die Kassen leer sind. Die Landesfinanzämter haven unter der Fülle der Geseze zu leiden gehabt. Dadurch haben sih die Statistilen auh verzögert und nah den neueren Anordnun werden sie noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wir Anträge eingebracht, die einmal fklarstellen jollen, wie

lastung des Großbesißes im Verhältnis zu der des kleinen Be- sies is. Der Abg. Oberfohren ist in feinen Ausführungen ziemlih zentralistish gewesen und sein Koalitionsgenosse Leicht hat dazu bedenklich das Haupt geshüttelt. Dem kleinen Mann des Mittelstandes in der Wirtshaft muß durch Beschaffung von

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Mitteln um so mehr geholfen werden, je weiter das Konzerns:

und Kartellwesen fortshreitet. Es fehlt an einem Zentralkredit- Institut, in dem alle Gelder zusammenfließen, und der Zinsfuß muß wieder auf einen Stand gebraht werden, daß man sein Geld wieder sicher anlegen kann. Wir müssèn auf jeden Fall so viel Mittel aufbringen, daß wir alle unsere Verpflichtungen er- füllen können und unser Etat wieder ins Gleichgewicht gebracht werden fann. (Beifall bei den Demokraten.)

Die weitere Debatte wird vertagt. Auf Vorschlag des Präsidenten wird jedoch hon, unbeschadet des Fortlaufs der Debatten, der Etat formell an den Haushaltsausshuß über- iviesen.

Nächste Sißung Freitag 3 Uhr. beratung. Schluß nah 4?# Uhr,

Fortsezung der Etats4

Preußischer Landtag.

246. Sigung vom 16. Februar 1927, NaMtr@g.

Die Reden, die der Finanzminister Dr. A schof f im Laufe der Beratung der restlichen Anträge des Hauptausschusses zur Typhusepidemie in Hannover gehalten hat, lauten nach den jeßt vorliegenden Stenogrammen, wie folgt:

Die erste Rede:

Meine. Damen und Herren! Fh habe die Pflicht, zu deu Anträgen des Hauptausshusses nochmals Stellung zu nehmen. Die Anträge, die hier ursprünglich vom Hauptausshuß dem Landtag vorgelegt wurden, sind zu einem Teil wiederum an den Hauptausschuß zurückverwiesen worden, io u. a. auch die Anträge Nr. 3, 4, 5 und 6. Auf diese Ziffern 3, 4, 5 und 6 nehmen uun- mehr die neuen Beschlüsse des Ausschusses Bezug. Die Staats- regierung muß an ihrer grundsäßlichen Auffassung zu den früheren Anträgen festhalten. Fch habe früher schon dargelegt, daß nach dem Geseß vom Fahre 1905, betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, eine Beihilfe des Staates bei folhen Gemeinden vorgesehen ist, die niht mehr als 5000 Einwohner haben, und daß in solhen Gemeinden nah dem Gese von 1905 der Staat ein Drittel der durch die Bekämpfung der Krankheit unmittelbar entstandenen Kosten übernimmt. Dieses Gesey würde an sih auf die Stadt Hannover, da sie eine größere Einwohnerzahl als 5000 hat, keine Anwendung finden. Fmmerhin glaubt die Staats- regierung, sih mit Rücsiht auf den großen Umfang, den die Krankheit in Hannover gehabt hat, über dieses Bedenken hinweg- seßen zu können (Bravo!), sie glaubt, daß das Geseß auch auf die Stadt Hannover in diesem Fall sinngemäß Anwendung finden kann. Sie glaubt aber, um so strenger an den übrigen Bestim- mungen des Gesetzes festhalten zu müssen, daß der Staat unter feinen Umständen mehr als ein Drittel der dur die unmittelbare Bekämpfung der Krankheit entstandenen Kosten beitragen kann. (Hört, hört!) Nun liegen die Dinge so, daß nach einer Abrehnung der Stadt, die vom Regierungs8präsidenten geprüft worden ist, der Stadt aus der unmittelbaren Bekämpfung der Typhuskrankheit rund 1,9 Millionen Kosten entstanden sind. Rechnen wir, daß der Staat hiervon ein Drittel zu übernehmen hätte, so würde der Staat 600 000 bis 700 000 Mark zur Bekämpfung der Krankheit aus diesem Gesichtspunkt beizutragen haben. Die Berehnung der Stadt geht allerdings über diese 1,9 Millionen, die durch die unmittelbare Bekämpfung der Typhuskrankheit entstanden sind, noch hinaus. Sie stellt nämlih weiter die Einnahmeausfälle in Rechnung, die nah ihrer Auffassung duxch die Typhuskrankheit der Stadt entstanden sind, und rechnet einen weiteren Betrag von 2,4 Millionen aus. Sie gibt an, daß bei der städtischen Steuer- fasse Ausfälle von 3 Millionen, bei der Stadtkämmereï von 30 000 Mark, bei der Stelle für Reklame 27 000 Mark, bei der Direktion der Stadthalle von 101 000 Mark, bei der Städtischen Badeanstalt von 48 000 Mark, bei dem Zoologishen Garten von 21 000 Mark, bei der Heilstätte Heide 14 000 Mark, bei der Des- infektionsanstalt von 9000 Mark, bei den offenen Märkten von 7000 Mark, bei den Städtishen Bühnen von 94 000 Mark, beim Schulamt von 1200 Mark und beim Rathausdienst von 1900 Mark entstanden sind. Worauf die Stadt ihre Berehnungen stüßt, ist mit keinem Wort angegeben. Außerdem handelt es sih hier ganz unzweifelhaft um Kosten, die niht unmittelbar durch die Be- kämpfung der Typhusepidemie entstanden sind, sondern bestens falls um Einnahmeausfälle, die nur mittelbar mit der Typhus-

Höpkers.

E E a t E C E