1927 / 46 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Feb 1927 18:00:01 GMT) scan diff

irgendiwelcher rechtlichen Konstruktion anders beurteilt werden föunen, Das ist shlechterdings ausgeschlossen, und jeder ver- nünftige Mensch wird uns das zugeben. Aber wir gehen diesen Fällen durchaus nah und seyen uns zu dem Zweck mit den Fustizverwaltungen der Länder in Verbindung. (Zuruf links: Aber das nütßt nichts!) Das hat shou genüßt, und wird auch weiter nüßen. Sie übershäßen nur das Maß von solhen Fällen, weil Sie immer übertreiben. (Sehr richtig! rechts.) Wir sorgen für Aufklärung, es sind ernstliche Versuche, die wir fortgeseßt auf diesem Gebiete machen, und unter meinex Autsführung werden diese Versuche durhaus in demselben Sinne fortgeseßt werden.

Aber da ergibt sich sofort die Kehrseite. Wenn wir so für die objektive Wahrheit sorgen, indem wir auch solchen Fällen, wo etwas nicht ganz Befriedigendes- vorliegt, nahgeher, dann müssen wir um derselben Objektivität und Gerechtigkeit willen dort, wo wir Uebertxeibungen, Unwahrheiten, Lügenhasftigkeit und leidenschaftlihhe Hete feststellen müssen, und leider ift das doch vielfach der Fall, zugunsten unseres Richterstandes Stellung nehmen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Es haudelt sich doch immer nur um Einzelfälle, und für mich als neuen Reichsjustiz- minister war es außerordentlih anschaulih, die Verhandlungen der leßten Fahre in den Ausschüssen und hier im Plenum einmal daraufhin durchzulesen, was eigentlich an positivem Material über solche angeblichen Fehlsprüche, übex ein falsches Verhalten des Richterstandes vorgebracht worden ist. Es sind immer und immer wieder dieselben Sachen, dieselben Fälle, die wiederkehren, vor vier Fahren, vor drei Fahren, vor zwei Fahren, vor einem Jahre und heute wieder. Fch habe mich dabei doch wirklich fragen müssen, ob das niht beweist, daß das Angrisss- und Beweis- material der Linken recht s{wach fein muß, wenn sie niht imstande ist, neue Fôlle vorzubringen, sondern immex wieder auf diese alten Fälle zurückgehen muß. (Zuruf links: Das ist nicht richtig!) Das ist doch richtig! Fch darf daran erinnern, daß zum Beispiel der sattsam bekannte Fall Wandt vou Herrn Dr. Rosenfeld im Aus\{huß wieder zitiert worden ist, von dem von irgeudeinem anderen Abgeordneten früher einmal der Aus- druck „alter Ladenhüter“ gebraucht worden ist. (Abgeordneter Dr. Rosenfeld: Nur gestreift!) Gewiß, Sie haben ihn nur gestreist. Sie streifen eben den Fall Wandt, weil Sie außer diesem Fall andere Fälle niht vorbringen können. Wir wenden uns gegen diese leidenschaftliche Hege und gegen die Venrallge- meinerung. Hier liegt also nit eine wirkliche Vertrauenskrise vor, sondern eine gemachte, eine künstlih fabrizierte Vertrauens- krise (sehr richtig! rechts), und gegen diese müssen wix uns wenden. Da stelle ih mich allerdings zum Schuye vor die Richter, vor das Reichsgericht und vor die Richter in ganz Deutschland. Lebhafter Beifall rechts und bei dexr Bayerischen Volkspartei.) Das isst die zweite Aufgabe des Reichsjustizministeriums, eine solche Propaganda der Wahrheit zu unternehnren.

Jut Zusammenhang damit steht ein Drittes. Jch sehe mit tiesem Bedauern, wie von einer gar nicht fo unprominenten Stelle aus ein Spiel mit dem Gedanken der Beschränkung odex der Aufhebung der Unabhängigkeit dex Richter getrieben wird (hört, hört! rechts), nach meiner Meinung ein ganz außerordent- lich gefährlihes Spiel. Man nimmt da Bezug auf einea fran- zösischen Vorgang vom Jahre 1883, wo man einmal auf drei Monate so etwas getan hat. Romanische Verhältnisse sint nicht deutsche Verhältnisse. (Wiederholte Zustimmung.) Füc uns in Deutschland ist es ein Ding der Unmöglichkeit, auf dieses Selh- ständigkeitsgefühl, auf die Unabhängigkeit der Richter zu verx- zichten. (Lebhafter Beifall.) Sie, meine Herren von dex Linken, erwähnen doch so etwas gerne, daß wix in cinem demeckratischen Verfassungssystem leben. Nach meiner Ueberzeugung ist es unter der’ Herrschaft einer solchen demokratishen Verfassung ein notwendiger Ausgleich, daß gegenüber der allgemeinen Freiheii, gegenüber der Omnipotenz der Vertretungskörper des Boklke®, mag es im Reichstag oder draußen im Lande sein, auf der anderen Seite eine Unabhängigkeit der Richter da sein muß. (Sehr richtig! rechts.) Wenn sih die alten Monarchien diese Unabhängigkeit, manchmal wohl recht unbequen empfunden, haben gefallen lassen müssen, dann sollte auch die deutsche Republik stark genug sein, diese Unabhängigkeit zu ertragen. Dieses Spiel mit dem Gedanken tis bei der psychologischen Einstellung unseres Volkes so außerordentlich gefährlich. Einzelne Fälle unberechtigter Kritik in der Zeitung wirken für das Ver- trauen in die Rehtsprechung schon shädlich genug; aber sie wirken doh nicht so unmittelbar, als wenn nun gleich ein ganzer Stand in Grund und Boden kritisiert wird, wie es durch solhe An- deutungen geschieht, als könnte man dem Richkerstand die Unab- hängigkeit nehmen. Die Regierungserklärung hat gerade diesen Punkt in den Vordergrund gestellt, und ih darf namens der ganzen Reichsregierung erklären, daß sie niemals daran denken wird, irgendwie die Unabhängigkeit der Richter zu beschränken. (Bravo! rechts.) Sie will nicht die Politisiecung der Richter haben, und sie wird sich mit allet Energie gegen derartige Versuche wenden. (Bravo! echts.)

Im Ausfchuß ist im Zusammenhang mit dieser ganzen Frage die Begnadigungspraxis, soweit es sich um die Vorschläge des Oberreichsanwalts und um die Vorschläge des Reichsjustiz- ministers beim Herrn Reichspräsidenten handelt, einex Kritik unterzogen worden. Man tut da gern so, als ob wix gax nichts anderes zu tun hätten, als nun in aller Härte die einkommenden Begnadigungsgesuche abzulehnen, als ob es nit eine shöne, stolze, glüclihe Aufgabe wäre, Mitleid zu üben, Großmut zu üben, das Familienleben wiederherzustellen, jemand wieder die Existenz zu geben. Es is do selbstverständlih für jeden Mann, der [ein Amt menshlich auffaßt, daß er, wenn solhe Gesuche eingehen, zunächst einmal auf den . Gedanken kommt: Wie kann ih helfen? und daß er erst in zweiter Linie sih fragen muß: Erlaubt es die Rechtsordnung, daß überhaupt etwas getan wird? Läßt das die Rechtsordnung zu, dann gehen wir an diese Begnadigungsfälle heran. Die Einzelheiten gehören in den Ausshuß. Jch habe nach Antritt meines Amtes in den verschiedensten Besprechungen mit meinen Referenten versucht, einen Gesamtüberblick übex die gzurüliegenden Fälle bis in die Jahre 1921 bis 1923 und der- gleichen zu befommen, diese Fälle von damals, [soweit heute noch die Strafverbüßung im Gang ist, daraufhin zu untersuchen, sb es sih etwa um Gruppen handelt, wo nach Art und Jnhalt der Siraftat ihre Bedeutung nicht hincinreicht in die heutige Zeit, wo niht Bedenken bestehen unter dem Gesichtspunkt, daß so etwas wieder geshehen kann und wieder eine Zersezung dex wichtigsten

Einrichiungen unseres Stäates eintreten könnte oder ob es sich um andere Fälle handelt. Diese Untersuhung ist noch nicht abgeschlossen, sie wird aufs gründlichste geführt. Aber ih kann doch mehreres aus Anlaß diesex Untersuchung. feststellen, zunächst einmal, wie sih da herausgestellt hat, in welch außerordentlihem Umfange gegenüber der Zahl von Straftaten überhaupt bei politischen Straftaten die Begnadigungen erfolgt sind. Mein Herr Vertreter hat hon im Auss{huß solhe Zahlen mitgeteilt, und ih glaube, daß sie auch das Plenum hier interessieren.

Ich bitte, sich nux ganz wenige Hahlen einmal vorzuhalten. -

Bon den außerordentlihen Gerichten des Reihs aus 1921 und 1923 sind insbesondere 3818 Vecrurteilungen erfolgt. Davon sind 3036 mit Einzelgnadenerweisen bedaht worden. (Hört, hört! rechts.) Nebenher gehen zahlreihe Fälle von Straffreiheit durch ‘Amnestie. Auf diese will ih nicht eingehen. Beim Reichsgericht und beim Staatsgerichtshof zum Schuße der Republik sind die entsprehenden Zahlen folgende: insgesamt 761 Verurteilte, denen Einzelgnadenerweise und Straferlasse oder Strafkürzungen dur Amnestie in 458 Fällen gegenüberstehen. (Hört, hört!) Sie sehen, wenn man die Dinge erst einmal nachprüft, stellt fich heraus, daß diese Vorwürfe außerordentlih: übertrieben sind. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Wir haben heute diesen Wunsch von Jhnen zum erstenmal im Auss{huß gehört. Bitte, stellen Sie sih vor, was. das für eine statistishe Arbeit bedeutet, wenn wir in jedem einzelnen Straffall uns berichten lassen, um wieviel Monate usw. der Erlaß stattgefunden hat. Es sind über 2000 Fälle! (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Abex, Herx Dr. Rosenfeld, ih habe heute morgen sofort erklären lassen, daß Sie diese Statiftik, soweit nur irgend möglih, bekommen. Mir liegt daran, daß das ganze. Haus volle Aufflärung über diese Begnadigungspraxis bekommt, damit endlih einmal dieses Miß- trauen gegen die Reichsjustizverwaltung, gegen die Reichsregierung aus der Welt geschasst wird. (Zurufe links.)

Jch habe bei Gelegenheit . dieser Vorträge ein Zweites fest- stellen können. Wenn in den länger zurückliegenden Fällen noch Reste von Nichtbegnadigungen, also von Fortsezung der Straf- haft, vorliegen, dann handelt es sich immer um Fälle, bei denen Komplikationen vorgelegen haben. (Zuruf von den Kommunisten: Die liegen bei Jhuen vöc!) Es handelt sich um Fälle, bei denen [hwerste Zersezungsunternehmungen, s{hwerste Dynamitverbrechen odex s{chwerste Straftaten anderer Art in Betracht kamen. Das sind die Fälle, die heute noch von der Begnadigung ausgeschlossen sind. Ich muß gestehen, daß ih bei Kenntnis dieser Fälle selbst meistenteils sofort zu dem Ergebnis kam und kommen mußte, daß hier eine Begnadigung bisher überhaupt nicht möglich sein konnte. Sie wissen, daß für jede Begnadigung ein gewisser Zeitablauf erforderlich ist. Diesex Zeitablauf ist vielfach noch niht da. Aber ih kann Sie versichern, daß im Reichsjustizministerium auf Grund besonderer Aktennotizen in vielen Fällen die Möglichkeit gegeben ist, nah Ablauf eines gewissen Zeitraums an die Begnadigung derx hierfür reifen Fälle heranzugehen.

Meine verehrten Damen und Herren! Sie sehen, glaube ih, daß diese Begnadigungspraxis des Reichsjustizministeriums vor JFhrer Kritik durchaus bestehen kann. Jh versihere Sie, daß ih mich bei der Handhabung dieser Begnadigungspraxis lediglich von den Gesichtspunkten dex Gerechtigkeit und der Objektivität leiten lasse und leîten lassen werde.

Jn diesem Zusammenhang ein Wort über den im Haupt- auss{chuß so heftig angegriffenen Herrn Staatssekretär Dr. FJoël. Zu meiner großen Befriedigung ist es niemand im Ausschuß ein- gefallen, etwa die ungeheuer reihen Erfahrungen, die Sach- kenntnis, die Leistungsfähigkeit des Herrn Staatsseïkretärs Dr. Joël irgendwie in Zweifel zu ziehen. Von keiner Seite ist nah dieser Richtung eine Bemängelung erfolgt. Wohl aber hat man ihm vorgeworfen, daß er einseitig vorgehe, daß ex gewisse Teile der Bevölkerung bevorzuge, daß er gewissermaßen die Klassenjustiz in das Reichsjustizministerium hineingetragen habe. (Zuruf von den Kommunisten: Das ist {hon so!) Jch kann Sie versichern, daß ich aus der genauen Nachprüfung der Fälle, die von Herren Staatssekretär Dr. rFoël zu bearbeiten waren, das gerade Gegen- teil festgestellt habe. (Rufe links: Oho!) Fawohl! JFch halte es als eine Ehrenpflicht des neuen verantwortlichen Reithsjustiz- ministers, hier mit ller Deutlichkeit festzustellen, daß er feinen Stellvertreter, den Staatssekretär Dr. Joël, auf diesen Gebieten als voll bewährt erfunden hat (hört, hört! rechts Unruhe links), daß er an dex Unparteilichkeit und Sachlichkeit des Herrn Staats- sekretär Dr. Joël zu zweifeln nicht die geringste Veranlassung hat.

Bei den Ausschußberatungen wurden auch gegen den - Ober- reichsanlvalt Angriffe erhoben, und weil ih heute alles, was die Praxis des Reichsjustizministeriums angeht, aufdecken und klar- legen möchte, so lassen Sie mih auch darüber ein Wort sagen. Der Oberreichsanwalt stammt aus dem Reichsjustizministerium. Durch die lange Erfahrung, die er dort gesammelt hat, steht er mit uns natürlih in einem ganz außerordentlich engen Konnex. Er kennt die Praxis des Reichsjustizministeriums aus der Ver- gangenheit. Er kennt die Auffassungen, die heute noch dort zu Hause sind, und ex trägt uns seine eigene Auffassung zu. Fch denke nicht daran, wie das im Auss{chuß manchmal dem Fustiz- minister zugemutet worden is, den Herrn Oberreihhsanwalt in seiner Selbständigkeit nah irgendeiner Richtung hin zu beein- trächtigen. (Sehr richtig! bei den Deutschnationalen.) Er handelt nah dem Legalitätsprinzip, und es wäre ein Ding der Unmög- lichkeit, daß die Verantwortung, die er bei der Strafverfolgung und bei seinev Vorschlägen wegen der Begnadigung zu tragen hat, sich im einzelnen auf das Reichsjustizministerium verschieben könnie. Es wäre ein Unding, -daran überhaupt nux zu denken. Also so ift es niht. Fh halte aber darauf, daß die Auffassung zwischen- ihm und uns übereinstimmt. Das geschieht durch un- endlich häufige Ausfprachen, die im Reichsjustizministerium fstatt- finden. Jch habe nah dieser Richtung hin schon allerhand Fest- stellungen machen können. Jch habe schon heute vormittag im Ausschuß den Herren gesagt, ih sei in der Lage, auch einc kleine Statistik über das Versahren des Oberrcichsanwalts in bezug auf Sirafverfolgungen gegen die Herren von der Kommunistischen Partei vorzulegen. Man hat ja wiederholt eine solhe Statistik von uns verlangt. Dex Bericht ist mir nunmehx zugegangen, ex ist sehx interessant. Von Februar 1926 bis Februar 1927 sind beim- Herrn Oberreichsanwalt gegen Angehörige der Kommu- nistishen Partei Deutschlands 723 Strasfälle wegen Hochverrats anhängig gemacht worden, (Hört, hört! rechts, Zurufe links.)

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Entshuldigen Sie mal, das kommt ja ers. Von wem die Anzeigen stammen, weiß ih doch niht. Denn nim kommt ja die Hauptsache. Der Herr Oberreich8anwalt berichtet weiter: Fn dem gleichen Zeitraum sind gegen Angehörige der Kommunistischen Partei Deutschlands nur 44 Anklageschriften wegen Hochverrats eingereiht worden, (Hört, hört! rechts.) Alle anderen Sachen sind dur Einstellung des Verfahrens, durh Außerverfolgung- seyen, Abgabe an andere Behörden unter Verneinung der Zu- ständigkeit des Oberreichsanwalts, jedeufalls ohne Anklage- erhebung erledigt worden, Ja, das ist au eine Statistik, die Ihnen wahrscheinli ebenso überraschend komuit wie die Statistik, die ih die Ehre hatte, Jhnen vorhin vorzutragen. (Zuruf links: Wieviel UntersuhungZhaft wurde da verhängt?)

Was die Strafverfolgung des Herrn Oberreichsanwalts an- langt, so darf ich noch’ einmal darauf verweisen, daß es Grenz» fälle und Zweifelsfälle gibt, bei denen die rechtlichen Konstruk= tionen verschicden sein können. Weder der Herx Oberreich8- anwalt, mit dem ich nah dex Richtung durchaus übereinstimme, noch ich haben das geringste Interesse daran, in solhen Grenz- und Zweifelsfällen durh- eine künstliche kriminalpolitishe Kon=- struktion eine Strafverfolgung herbeizuführen, die unter Umstän- den zu Bedenken Veranlassung geben könnte: Jch glaube, das ist ein Zeichen daflir, wie außerordentlich vorsichtig, mit welcher peinlichen Sorgfalt von diesen Stellen verfahren wird.

Jh glaube, die Handhabung kann, wie gesagt, vor ZJhrex Kritik bestehen. Aber ih weiß, daß zur Behebung dex Vertrauens- krise das niht genügt, was wix etwa tun können. Da müssen die Juteressenten selbst helfen, und zu diesen Fnteressenten ge- hören die Richter, dazu gehört die Presse und das Publikum und dazu gehört das “Parlament. Darüber lassen Sie mich noch einige Worte sagen. Fch habe zu meiner großen Freude fest- stellen können, wie noch bis in die leßte Zeit hinein, aber auch schon in der Vergangenheit die Richter selbst die eigene Fnitiative dazu ergriffen haben, um das etwas gestörte Verirauensverhältnis zwischen ihnen und dex Bevölkerung wiederherzustellen. (Rufe links: Etwas gestörte?) Sie hören, was ich gesagt habe. Jch habe die Beweise dafür zu bringen, bringen Sie die anderen Be- weise. (Rufe links: Wird {hon kommen!) Diese eigene Fnitia- tive ist außerordentlich erfreulich. Fch habe mit dem Deutschen Richterbund und dem Preußishen Richterverein Fühlung ge=- nommen, und ih wiederhole: ih habe das vollste Verständnis dafür gefunden, daß auch die Richter selbst auf dem Plan sein müssen, und die Regierungserklärung hat ja gerade diesen Punkt auch mit in den Vordergrund geschoben.

Daß bei den Richtern dieses vokle Verständnis für die Pflichten, die sie selbst dieser Vertrauenskrise gegenüber haben, da ist, bes weisen ja auch ihre eigenen Maßnahmen aus derx Vergangenheit, insbesondere des leßten rFahres, positive Maßnahmen gerade dieser Richterbünde, auf die ih doch hinweisen möchte. Der Richtertag in Kassel hat die absolute Verfassungstreus des gesamten Richterstandes deflariert, Sie wissen, daß man den Richtern vorgeworfen hatte, daß sie dexr Neu- ordnung gegenüber doch sehx stark ablehnend wären, daß sie sih zu Einseitigkeiten aus dieser threr Einstellung heraus ver- leiten ließen. Und nun hat der Vertretertag in Kassel 1926 absolute Verfassungstreue dekkariert.

Dann ein weiteres! Die Richtex haben fih für die Not- wendigkeit eines genügenden Ehrenskubes“ ausgesprohen, mit starken Worten dafür ausgesprochen, daß es die Ehrenpfliht d28 deutschen Richters wäre, in Anwendung der geltenden Geseße für den erfordlichen Ehrenshuy zu sorgen. Jch habe eben erst im „Vorwärts“ eine Notiz gelesen, daß wegen Verlezung dex Ehre ein Kommtnist zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden wäre, und es wurde gefragt: wie steht das im Verhältnis zu früheren Fällen, wo sogar von hoher Regierungsstelle aus darüber Klage geführt werden mußte, daß ein solher Ehrenshuy nicht da sei. Jch kenne den Fall nicht, ih kann ihn im einzelnen nicht untersuchen, und so lange soll man zu dem Fall selbst nichti Stellung nehmen. Aber wohl könnte sich der „Vorwärts“ die Frage vor- legen, ob niht gerade die von ihm besprochene Verurteilung auf neuere Auffassungen des Richterstandes über die Notwendigkeit éines erhöhien Ehrenshußes zurückzufsühreu ist. (Sehr richtig! rechts. Rufe links: Unerhört!) Die Richter tragen selbst zur Bekämpfung von Entgleisungen, wenn sie vorkommen, bei. Sie haben eine ständige Kommission für diese Aufgabe eingerihtet. Natürlich vollziehen sih diese Untersuhungen innerhalb der Organisationen selbst. Sie treten öffentlich niht in die Erscheinung, wie das ja ganz selbstverständlich und durhaus notwendig ist.

Jch habe ebenfalls in den leßten Tagen erst gelesen, daß einige Landgerichtsdirektoren als ständige Pressekommission eingeseßt worden sind, die der Presse zux Versügung stehen, um sofort, wenn irgendwelche Beanstandungen erfolgen, die notwendige Aufklärung zu geben, die sih fortgescßt zu Berichtigungen, zur Aufklärung zur Verfügung stellen. Kurz und gut, die Richter sind auf dem Plan, und ih wiederhole: ih stelle mit Besriedigung fest, daß wir hier zux endlichen Beseitigung der Vertrauenskrise diese wertvolle Unterstüßung des Richterstandes zur Verfügung haben.

Es tvird dann auch manches andere von allein kommen, so die erforderliche Zurückhaltung in Richterkreisen, (Zuruf von den So- zialdemokraten: Abwarten!), die wix vielleiht manchmal noch in verstärktent Maße hätten schen mögen. Mancher Vortrag im Ge- rihts\aal könnte vielleiht unierbleiben, manches Herausireten aus der Reserve des Richters in schriftstellerisher Tätigkeit könnte unterbleiben. Das alles ist auf die Nervosität zurüekzuführen, die alle diese Umwälzungen dex Vergangenheit in allen Kreisen Deutschlands hervorgerufen habcn, vielleicht auch manche andere materielle Sorge im Richterstande selbs. Das wird sich wieder ganz von allein einrenken. (Sehr richtig! bei den Deutschnatio- nalen.) Jch darf erklären, daß ih nach jeder Richtung hin für die Befreiung des Richterstandes von politishen Sorgen und ander- seits auch für die Befreiung des Richterstandes von materiellen Sorgen für die Hebung des Ansehens des Richterstandes eintrete. (Bravo! rechts. Zuruf von den Sozialdemokraten: Und die Opfer der Justiz?) i

Um nicht etwa den Eindruck entstehen zu lassen, als ob ich nun die anderen Teile der Juristenwelt, die Staatsanwälte, die An- wälte vollkommen unter den Tisch fallen ließe, will ih hinzufügen: Was ic hier zu Chren des Nichterstandes gesagt habe, gilt ebenso zu Ehren des Staatsanwaltstandes, und ih erahte den Anwalt-

stand, wie er heute da ist, für eine absolut notwendige Staaisein- rihtung, und ih würde mich. nur freuen, wenn dieser Anmwalt- stand, dèm wir so unendlich viel auf dem Gebiete der Rechts- forshung verdanken, fih recht als Kollegenshast gegenüber dem Richtertum fühlen wollte, so daß auch .nach der Richtung wieder völlig normale, geordnete Verhältnisse eintreten. (Sehr gut: rets.)

Meine Damen und Herren! J sagte vorhin, daß wir aber auch einen Appell an andere Interessenkreise richten follien; das tf Presse und Publikum. Gewiß, es ist unbedingt notwendig, daß auch îin der Oeffentlichkeit Kritik geübt wird. Wie soll das leben- dige Volksempfinden den Richtern zugetragen werden, wenn es niht auch aus der Presse heraus ertönt? Die Richter müssen dankbar dafür sein, wenn sih die Presse mit ihren eigenen An- gelegenheiten beschäftigt. Aber diese Beschäftigung der Presse, die notwendig und gut ist, für die wir dankbar sein sollea, ist nicht identish mit manhem anderen, was wir aus den Pressespalten da erleben. Fn zunehmendem Maße sehen wir ein gewisses Sensa- tionsbedürfnis in den Spalten der Presse Befriedigung suchen. (Sehe wahr! rechts.) Das Kapitel Skandalprozesse in unseren Zeitungen nimmt einen übergroßen Raum ein. Die richterliche Verhandlung wird zum Schaustück, wird vielfah zum Theater. Jh weiß nicht, ob das Publikum die Presse zu dieser salshen Ein- stellung der Geister treibt oder ob die Presse das Publikum treibt. In jedem Fall wären wir dankbar, wenn da doch eine Aenderung eintreten könnte. (Zuruf von „den Sozialdemokraten: Heben Sie die Oeffentlichkeit auf!) Jn alle Stadien der Gerichtsverhand- lungen wird hineingeleuchtet, vom ersten Stadium der beginnenden Untersuchung an bis zum Schlußstadium des Urteils; mit Schein- werfern wird da in jeden Winkel hineingeleuhtet. (Zurufe links.)

Der Richterstand, die Rechtspflege verträgt jedes Licht, auch das

hellste Licht; aber ein greltes Blenderlicht, ein giftiges Lichi ver- trägt sie allerdings niht, dagegen müssen wix uns mit aller Energie wehren.

Meine Damen und Herren! Was für falshe Notizen kommen doch manchmak in die Zeitung! Jch habe gerade in den leßten Tagen eine Notiz gelesen, daß ein Goethe-Vers „rufet die Arme der Götter herbei“, Sie wissen es ja alle als vorbereitende Handlung zum Hockverrat beanstandet worden wäre. So eiwas muß natürlich das Publikum ungeheuer aufreizen. Ein Klassiker wie Goethe foll Hochverrätex sein! Und was stellt sich herans? Jch habe mix fofort Bericht erftatien lassen. Niemand hat in irgendeinem Stadium der Verhandlungen von diesem Goethe-Vers Gebrauch gemacht. Die ganze Sache ist von Anfang bis zu Ende aus den Fingern gesogen. (Hört, hört! rechts.)

Meine Damen und Herren, ein Appell an das Parlament! Weun sih die Richter selbst so einstellen, wenn wir alle das größte Juteresse daran haben, daß diefe Vertrauenskrise des Richterstandes, die Vertrauenskrise der Rechtsprechung threm Ende zugeführt wird, dann müssen Sie auch helfen, dann muß das volle Ansehen der Richtertätigkeit auch vom Parlament wicder gewürdigt werden. Wollen Sie es mir nicht übelnehmen, wenn ich da zunächst an Sie den Appell rihte, dasür zu sorgen, daß der Nuf nach Sondergerihten nicht in dem Maße ertönt, wie das in der leßten Zeit der Fall war. (Sehe richtig! bei den Deutschnationalen.}) Wenn in einer Begründung dex Regierung darauf hingewiesen werden mußte, daß in den Kreifen der Be- vilkerung, ohne daß man das für richtig hielte, Mißtrauen geg-n die Rechtsprehung der Richter beskände, so wünschte ih, es könnte in abfehbarer Zeit gar niht möglich fein, daß eine solche Tatsache in eine Begründung aufgenommen wird. Jh habe zu meinex großen Freude in den Zeitungen einen Aufsaß des Vorsizenden des Preußischen Richtervereins, Herrn Pracht, g:lesen, in dem nach Erlaß des Arbeitsgerichtsgeseßes ausgeführt wird, wie die preußishen Richter nunmehr ihre Ausgabe auf- fassen, wie sie den Kampf, den fie von threm Standpunkte aus mit Recht gegen die Schaffung von neuen Sondereinrihtungen geführt haben, einstellen, um nunmehx auf Grund der vor- licgenden geseßgehberishen Bestimmungen zu beweisen, daß fie soziale Richter sein können, wie das hon vor dem Kriege und während des Krieges ihr oberstes Ziel gewesen ist. Gebt dem Richter, was des Richters ist! Das if auch die Aufgabe des Parlaments. t

Nun fomme ich in einem Sglußkapitel zu der Geseh- gebung selbst, die uns bevorstcht. Wenn so manchmal in Einzek- fällen, die da vorgekommen sind, eine gewisse Starrheit, eine gewisse Härte des Urteils herausgesprungen ist, dann ist häufig das Recht seltst, das nicht elastisch genug war, dîe Ursache dafür gewesen. Das Recht hat eben der Entwicklung dex Dinge nicht immer rechtzeitig nachfolgen können. Wir haben große Geseh- gebung8aufsgaben vor uns, Sie wissen, daß das Strafgesezbuch Dhnmen demnächst eingereiht werden foll, dent das Strafvollzugs- xccht nahfolgt. Tas sind ganz bedeutungsvolle geseßgeberische Ausgaben für den Reichstag. Sonst spielen politishe und wirt- schaftlihe Fragen in diesem hohen Hause die Hauptrolle. Fdeale Güter, wie eine gute Rechtsordnung, müssen aber mindestens ebenso zu ihrem Recht fommen. Wie man srüher diese hohe Ausgabe des Parlaments eingeschäßt hat, das erkennen Sie, wenn Eie sich in die Zeiten zurückverseyen, wo im Fahre 1871 das geltende Strasgesegbuh beschlossen worden ift, wo im Jahre 1877 die Prozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesey folgten, nachher im Fahre 1896 das Bürgerliche Geseybuch. Wie- hat man das als eine hohe Aufgabe der damaligen Parlamente aufgefcaß!! Wie ist das als eine Großtat gepriesen worden, als eine Großtat nicht in inteliektueller Bezichung, daß man überhaupt diese Tausende von Paragraphen hat shaffen können, daß man damit zu. Praftishen Erfolg gekommen ist, nein, unter einem anderen G-sichtspunkt, unter dem Gesichtspunkt einex nationalen Tat, eins nationalen Werkes! Die Thronrede damals hat ausdrüdcklich erflärt, daß diese nationale Tat der Schaffung eines solchen großen geseßgeberishen Werkes auf dem Gebiete der Rechtspflege volkêecinigend wirken würde. Meine Lamen und Herren, das ist heute genau ebenso noch Bedürfnis unserer Zeit. Wix brauchen heute genau ebenso wieder die Volkseinigung, wie wir sie damals nah dem Kriege von 1870/71 gebraucht haben. Wir müssen zusammengeshweißt werden innerhalb der Grenzen des d-ut[chen Vaterlandes, wir müssen aber auch durch gemeinschaft- liche fulturelle und gesehgeberishe Regelungen das Deutschtum mit uns zusammenschweißen, das jeßt jenseits unserer Grenzen lebt, das sih aber doch zu uns hingezogen fühlt, und das wix

|

| rechtsreform abwarten.

‘ivalt des Auslandes befindet.

Statistik der Entschädigungen für

| nestie in diesen Fällen.

innerlih unter keinen Umständen aufgeben dürfen. Meine Damen und Herren, denken Sie an Oesterreih, wenn Sie si vorstellen, was für Aufgaben Jhnen bei diesem neuen Straf- geseßentwurf und bei dem Entwurf der Strafprozeßordnung be- vorstehen. Die Wahlperiode, die jet noch vor Jhnen liegt —, roh 1% Fahre —, wird ausgefüllt sein mit solhen Aufgaben. Méêge sih der Reichstag der hohen Ausgabe bewußt sein; möge er dieses geseygeberishe Werk zu einem Erfolg sühren, wie ihn das deutshe Volk angesichts der Bedeutung der Aufgabe von ihm erwarten kann! (Lebhafter Beifall rechts.)

276. Sißung vom 23. Februar 1927, nahmitiags 3 Uhr. (Bericht des Necbricbtenbüros des Vereins deutscber Zeitunasvertezer.)

Präsident be eröffnet die Sißung um 3 Uhr.

Ein Antrag Dr. Scholz (D. Vp.) über die Eihungs- gebühren, wird dem volkswirtschaftlihen Auss{chuß über- wiesen.

Das Abkommen zwischen Deutschland und der belgish-luxemburgishen Wirtschafts- union über den fleinen Grenzverkehx wird in allen drei Lesungeu angenommen.

Das Haus seyt dann die zweite Beratung des Haus - halts des Reihsjustizministeriums fort.

___ Abg: Dr. Everling (D. Nat.) spricht dem neuen Reichs- justizminister, dem bewährten Beamten der alten Schule, auf- richtige B für eine erjprießliche sachliche Arbeit aus. Es werde ihin heffentlih gelingen, die Rechtsprehung auch fernerhin von der Politijierung freizuhalien. (Lachen links.) Daß das bisher gelungen sei, verdanke man nicht zulegt dem Staatssefretär Dr. Joel, -gegen den man im Ausshuß Stucm gelaufen habe. Joel sei eine Persönlichkeit strengster und gleihmäßiagster Sach- lichkeit. Aus den Versuchen, seine persönlihe Ehrenhaftigkeir oder seine Amktseignung aus politishenu Gründen anzuzweifeln, fei er rein und ungetrübt hervorgegangen. Gegen den Reichs- gerichtspräsidenten Dr. Simons if gestern der unfachlihe Angriff der „Frankfurter Zeitung“ zitieri worden, das Dementi des Reichsgerichtspräsidenten hat man aber unter den Tisch fallen auen (Widerspruch bei den Sozialdemokraten. Ruf: Heute dex e-Borwärts“.) Die Beamten des Reichspatentamtes müssen den gleichartigen Beamten der anderen Ressorts vollständig gleich- gestellt werden. Dem sozialdemokratishen Redner, dex gestern unfere Gerichtsbarkeit anzweifelte, müssen wir zurufen: Hände weg vou der deutschen Gerichtsbarkeit! Die Falle, die ec an- sührte, wie z. B. den Fall Bullerjahn, gehören geradezu zum eisernen Bestand dex Sozialdemokraten. Dex sozialdemoktratische Nedner hat geskern an eine neue Fnstanz appelliert, die Presse. ‘Wir untershäbven die kultnrelle Bedeutung der Presse keineswegs; gerade eine Presse, für die das Nationale selbstverständlih ist, kann politisch aujstlärend wirfen, aber eine Richterin kann die Press2 nicht fein Oder will fich Herr Levi etwa dem Urteil dex „Kreuz-Beitung“ unterstellen, nein, ex appelliert nux an die Links- breffe. Die „Leipziger Volkszeitung“ {rieb am 16. Juli, es fei ein Großindustrieller, Haas, aus dem Lager der „Leipziger Neuesten Nachrichten“ in den Verdacht dex Steuerhinter- ziehun7en und des Mordverdachts gekommen; als dann aber sich heransftellte, daß Haas Jude ist, s{chwicg man in der Linkspresse. Zu den Aufgaben der Fustizverwaltung gehört die Reform des Eherechis. Wir sind grundsäblih gegen die Erleichterungen dex Ehescbeidnna. Eine wirklihe Reform kann nur den Mißbrauch des BVerschuldunasprinzips beseitigen. Wir sind auch geaen Ab- s{vächnng des Paragraphen 218 StGB. sowie gegen die Am- Das Schwert der Fustiz wird stumpf, wenn die Amnestie zu oft geübt wird. Die Fälle des Hochverrats

Und des Landesverrats hat man mal dex Linken mit geradezu

novemberliher Sachkenrntnis hervorgefuht. Solange der Denun- ziant seine Lumpereien an das Ausland, unter dessen Druck er steht, los wird, bedarf es durchareifender Maßnahmen gegen den Landes- verrat. (Zwisehenrufe links) Wir gebrauthen zwar dieselben

Worte, abex wir svrehen in diesen Dingen eine andere Sprache.

(L-chen links.) Wir wollen für Aenderunger die qecfamte Straf- Zu einem nationalen Feiertag haben wir so lanae keine Veranlassung, als Deutschland fih in der Ge- Dex 11. August eignet {ich auf keinen Fall zn einer Einigung nnseres Volkes. Nur der Gedenk- inq an die Opfex des Krieges könnte und sollte eine eintigende Wirkung haben. Geaen die von den Sozialdemokraten verlangte unschuldig erlittene Unter- frumafhaft boben wir nichts: wir brauen die Klarheit har- iber nicht zu shenen. Gegen die Schaffung netter Sonderaerichte sind wix qrundfäßlih eingeîtellt. Die Zulessung der Rechtks- onwälte ofslgemêin bei den Landgerichten wollen wir duc ein Komvromiß zulassen, sofern sie dex Rechiäpflege nicht hinrderlih ist Wir wollen aber niht, daß die Simultanznlassung noch über die Landaerichte hinaus geht, sondern wir wollen die bevorzugte Stellung der Anwêélte an den höheren Gerichten aufrechterhalten. Das preußische Fustizministerium ist sehr scharf geen die Simnl- tanzulassung qaewesen, abex es wird vielleicht durch die Answir- Eitnaen des Knmyrowiffes aracnechm enitäusht werden. Gerade ans föderaliftishen Gründen sind wir gegen den demofratischen Antrag auf allgemeine Simultanzulassung, denn wix wollen die A»tonomie dor Länder a«frechterhalt-on. Richter und Arwalt sollen im Volke wurzeln, damit die Fustiz Veriraren im Volke findet. Eine {ere Versünrdianng an der Nechtspfleae ift es, wenn man dem Volke das Vertrauen zum Riechtex nimwt und dem Richter die Sicherheit seines Amtes entzieht. Die Richter sollen !rnabhänota fein und nicht auf die Strafe hören müssen. Der Ricltox mf fh obfeinieren, fckch von fi felbst los! aber anch Verständnis für dîe Motive eines Täters haben. Die Var- teien, die immer hon Klassenrirstiz reden, find anm wenigsten ae- eianet, objektive Richter zu stellen, weil sie imnrex nux an ibre KLlassoninteressen denken. Der Richter muß in aleiher Weise frei feîn von den Einflüssen der heute s{chwer verdienenden Kor- ruption wie dos erbitterten Hasses qeaen Andersdenkende. Wir wossen einen Richterstand, der den Rechtsqedarken wieder lebendig und aesund werden lkt und dom föntqalihen Gedanken zum Siege verhilff, der seinen klaren Ansdruck in der pre'?tishen Devise ge- fundon hat: „Fedem das Seine!“ (Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Dx. Bockius (Zentr.) erklärt, daß mit dex jevigen Aussprache die Frage der Vertrauenskrise in der Justiz endgültig erledigt sein müsse. Es habe nie eine Bart r aura Belle in der «zustiz gegeben. Wenn in unserem gesamten politishen Leben die Obzjektivität zu vergleihen wäre mit der unserer Richter, dann würde es besser sein in unserem Staatsleben. Man habe es vielmehr heute mit einer Rechtsprehungskrise zu tun, die begründet sei in den gewaltigen politishen und wirtschaftlichen Umwälzungen. Sowohl das Justizministerium wie die Richter feien ständig bestrebt gewesen, diese Krise zu beseitigen. Ein Gebiet der Kritik, das übrig geblieben wäre, seien die Urteile d°s Reichsgerichishofs. Aber auch hier könne man von einer Verttauenskrise nicht \prechen 5 handle sich hier um rêin juristishe Gesichtspunkte. Die deutshe Richterschaft verdiene für ihr Wirken unter den besonderen Verhältnissen der leßten Jahre ein positives Vertrauensvotum. Sie habe sich in dex Recht- sprehungskrise mehr als gut erhalten. Fm Gegensay zum Richter sei der Reht8anwalt ein freier Beruf. Er sei das Sprachrohr des Volkes, und er müsse die wirtshaftlihen Vorausfeßungen haben, um seinen Beruf ausfüllen zu können. Die r drit 1 lichen Momente dürften aber niht ausshlaggebend sein, fi müßten zurücktreten in demselben Augenblick. wo die Recht s- flege in Gefahr sei. Seine politishen Freunde träten daher fit die obligatorishe Simultanzulassung der Anwälte ein mit er Einshrönknng, daß die Ablehnung erfolgen müsse, wenn sie im Interesse der Rechtspflege erforderlih sei. ine weiter?2 Krisenexscheinung hätten wir auf dem GebiAe der Ehe. Es sei verstärtdlih, daß man heute von einer Ehjenot in Deut {h- lañd sprehe. Seine Fraktion vershlösse sich den Mängeln nicht;

rihtig!), für

sie sehe die Not und betrachte sie als eine Krise. : 3 daß wir auch dieser Krise wieder Herr würden, wie wir o vieler Kriscn Herr geworden jeien. Seine Fraktion halte es für ver- kehrt, èn dicser Krisenzeit Ehescheidung8erleih:erungs-Paragraphen einzuführen Sie lehne jede derartige Erleichterung ab, Dieje Ablehnung ergebe ls auch aus threr Einstellung zur Moral. Sie betrachte die Ehe in user Linie als eine christliche Ehe. Sie sei überzeugt, daß ihre Auffassung niht nur in den religiósen Kreisen, sondern auch in anderen wee lebhaste ustimmung finden, werde. Fede Erleichterung der Ehescheidung ei eine aßnahme

Sie hoffe aber,

zuungunslen der Frau. Seine Freunde

ehnten es au ab, die Schematisierung der Großstadtmoral auch dem Lande und den mittlecen Städten vorzushreiben. Dex Redner bespricht dann die Aufwertungsfrac.. Mangel müßten beseitigt werden, ohne daß an den Grundlagen der Aufwertungs- geicygebung gerüttelt werden dürfe. Jnsbesondere seien die sozialen estimmungen uiht genügend. Die Zentrumsfraktion werde deshalb bemüht bleiben, bei den fünftigen Verhandlungen be- sonders in fozialer Beziehung zu helsen. Hierzu sei Gelegenheit beim S INLLREI E S: Der Rentner müsse über die Fürsorge hinaus zu eincm Rechtsanspruh gebracht werden. Jn der Abireibungsfrage müsje mit Empörung festgestellt werden, daß wiederum Anträge auf Milderung der Strafbestimmungen vorliegen. Die neue Denkschrift über die Gesundheitsverhältnisse in Deutschland bezeihne diese Frage als ein besonders trauriges Kapitel. Der Mord am ungeborenen Menschen sei gleih- bedeutend mit jedew -anderen Mord, und dürfe nicht ungesühnt bleiben. Der Redner tritt zum Schluß für die baldige Wieder- herstellung der Rehtshoheit im beseßten Gebiet ein und richtet einen dringenden Appell in dieser Hinficht an die Reichsregierung. Solange nicht deutsches Reht und deutshe Richter wieder allein über deutsche Bürger im beseßten Gebiete hecrshten und rich- reten, fönne von Gleihberechtigung nicht die Rede sein. (Beifall) Abg. D, Dr. Kahl (D. Vp.) gedenkt mit Dankbarkeit des in diesem Jahre gefeierten fünfzigjahrigen Bestehens des Reich3- justizamtes. Er erinnert an die großartigen geseßgeberischen Leistungen des Amtes und bringt die Glückwünsche seinex Partei und des Reichsiages zum Ausdruck. (Beifall.) Mit ungewöhn- lier Sachkenntnis und hingetender Pflichttreue haben die leitenden Männer ihrex Aemter gewaltet. Leider stechen den acht Staatssekretären, die in den 40 Jahren bis 1918 gewirkt haben, seitdem bereits 15 verbrauhtie Justizminister gegenüber. Dex Redner bespricht sodann zu dem Haushalt derx «Sustizverwaltung den Anirag, den Titel des Staatssekretärs zu streichen. Diesex Antrag sei völlig unverständlich; diese Stelle sei für die Arbeiten des Fustizministeriums unentbehrlih. Es wäre falsche Sparsam- keit, wenn man diesem Antrag statigeben wollte. Dex Antrag habe einen persönlichen Hintergrund, Staatssekretär Joel sei der Stein d:s Arstoßes. Jm Haushaltsausschuß ist gesagt worden, fährt

| Redner fort, dex Staatssekreiär sei eine Gefahr für die Republik.

So geht es doch nici. Konstruieren Sie doch nit tägli Gesahren für die Republik. Die Republik ist stark genug, fie zu überwinden. Wenn ihr Gefahr drohe, fomme sie von jenex Seite (zu den Kommunisten). Daß Herr Dr. Simons gesagt haben soli, die Sozialdemoiraten seien nicht geeignei zu Richtern, ist ja rihtig gestellt worden. Aber Richter, die nur Klasseninteressen vertre‘en, können wir nicht brauchen. Das Thema der Vertrauenskrise fängt allmählih an, langweilig zu werden. Jm Ziel sind wir alle einig, abex die hier geübten Methoden sind nicht geeignet, es zu erreichen. Das Reichsgericht wird für Dinge verantwortlich gemacht, für die es niht verant- wortlich ist, für die Gerichtsurteile. Und einzelne Fälle werden sofort verallgemeinert. Jh bin auch niht mit allen Gerichts» urteilen einverstanden; aber meine Unzufriedenheit liegt auf anderer G°bieten, richtet sih z. B. gegen allzu milde Strafen füL Kindermißhandlungen (Abg. Dr. Rosenberg [Kom.]): Sehr Diebereien und Räubereien. Für S*ndermißhand- lungen find Geldstrafen absolut niht angebracht, und da sollte man mit Reformen einsegen. Nicht die kommunistishe Gesinnung, nicht die Zugehörigkeit zur Partei wird bestraft (Widerspruch bei den

| Komm.), sondern die umstürzlerishe Tat im Auftrage der Partei.

(Lachen beî den Komm.) Der Begriff der Vorbereitung zum Hoth- verrat muß nah dem Gese weit gezogen werden. Es bestraft j e de vorbereitende Handlung. (Zwischeurufe bei den Komm.) Pläne zum Hochvecrat liegen massenhaft vor. Das Reih muß si da- gegen schüßen. An die parlamentarische Umwandlung dex Kom- munisten glaube ih nicht, sie sind keine „politishen Kinder“, wie sie einmal genannt sind. Die gestrige Beshimpfung des Reichs=- präsidenten durch den Abgeordneten Hoernle hat uns gezeigt, wohin die Reise geht, und N die Amnestieanträge der Kommunisten für Hochverrat unmöglich sind. Eine Vorausseßung für die vzustizresorm großen Stils is für mich der Uebergang der Juftizhoheit von den Ländern auf das Reih. Jch hoffe auch, mich mit meinen Freunden darüber verständigen zu können. v rede niht einem Unitarismus das Wort, abex die Weimarer Verfassung hat die Gewalten grundsatzlos verteilt. Jh habe bei der Weimarer Beratung über die Verfassung andere Vor- shläge gemacht, und der demofkratishe Abgeordnete Hausmann hat später bedauert, daß man meinen Vorschlägen nicht gefolgt ist. Die Rechtspflege ist ihrem Sinne nah nicht etwas, was parzelliert werden kann. Mein Freund Wunderlich hat in dex „Deutschen Furisten-Zeitung“ diesen Gedanken auch vertreten. Die Oberlandesgerichte haben in manchen Fällen dieselben Be- girle wie die Landgerichte; in Oldenburg besteht z. B. ein Ober- lande8sgericht, während sonsi alle anderen Behörden sih pyramiden- förmig aufbauen. Der Uebergang der Fustizhoheit auf das Reich würde viele Konjslikte zwischen den Gerichten beseitigen. Ein Teil der Strafrechtsreform ist besonders dringlich, und man wird fich darüber verständigen können, z. B. Über die Begrenzung des richterlihen Ermessens. Aber man muß allmählih auc die ganze Reform vorbereiten; es ist z. B. zu erwägen, ob man die Reform einem besonderen Ausschuß des Reichstags überweisen B der das ganze Fahr hindur tagen müßte, man müßie die Zertretung der Vorlage im U rechtzeitig vorbereiten durch Referenten, die mit dem ganzen Herzen dabei sein können, das Plenum des Reichstags müßte auf diesen Ausschuß Rücksicht nehmen. Ohne genügende Vorbereitung würde viele Arbeit unnüß werden, und es entstände die Gefahr ciner Gelegenheit8» gefeßgebung. Es müßte auch für den Fall vorgesorgt werden, daß dem Reichstag etwas Menschliches passiert. Bei einer Auf- lösung müßten die Arbeiten vom neuen Reichstag an dem Punkte fortgeführt werden, wo sie im vorhergehenden Reichstaq stehen geblieben sind. Vor allem müßte die Beratung des Strafrechts auch fFreigehalten werden von parteipolitishen Strömungen. In bezug auf das Ehescheidungsreht besteht ein Zwiespalt zwischen dem Recht und dem Geschehen. Jch gehe in dieser Frage ruhig den Weg meiner Pflicht weiter und hoffe, daß wir uns doch in einem Punkte verständigen können. Herr Levi hat an die Presse appelliert. Fch rufe die verantwortungsvolle, ihrer hohen Ausgabe sih bewußte Presse auf niht zum Kampf gegen, sgndern für die deutsche Fustiz. (Lebhafter Beifall rets.) /

Abg. Dr. ASlanbera (FKomm.): Man habe von den Kom- munisten eine Erklärung verlangt, daß sie den gewaltsamen Um- sturz abschwören sollten, und ihnen in Aussicht gestellt, daß dann vielleiht das Reichsgeriht von seiner Rechtsprehung gegen sie abgehen könnte. Die Kommunisten wollten aber gar nit in den Himmel kommen; ihnen sei doh die Hölle lieber als das Paradies der Herren Keudell, Hergt, Schiele und Koh. Den Deutch- nationalen habe man wenigstens vier Ministerstühle ongeboten, den Kommunisten biete man nichts. (Heiterkeit) Die Kommunisten blieben nah wie vor auf dem marxistischen Standpunkt. Die Anregung Dr. Levis sei daher vergebene Liebesmüh". Die Loms munisten würden auch weiterhin auf ihrem verfassungémößigen Rechte bestehen. Mit der Statistik könne man alles dewcLen. Justizminister Hergt habe aber nicht einmal das bewiesen, wak er habe beweisen wollen. Nach wie vor seien zehnmal mehr An- gehörige der Linken wegen Hochverrats verurteilt als Angetdörige der Rechten. Die Situation der Deutshnationalen Fei sehr fatal. Dr. Everling habe sein monamnhietreues Herz bekannt, das kei jedr