1904 / 270 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Nov 1904 18:00:01 GMT) scan diff

ab a ITeN und haben am 24. Oktober eine Patrouille von 5 Mann bei Kunjas angegriffen. 4 Mann sind gefallen, nur einer gerettet. Die Ber)sabaer und Veldschoendrager Hottentotten waren am 26. Oktober noch treu, Ge- rüchte, betreffend den Abfall eines Teiles, laufen jedoch nah einer Meldung aus Bethanien von 2. November um. Mo- renga hat am W. Oktober die Farm Heinabis südli Keetmannshoop geplündert. Nach Eintreffen der Pferde von Kapstadt sind marschbereit bei Kubub etwa am 23. No- vember ein Jnfanteriezug der 3. Ersaßkompagnie und ein Zug Eisenbahnbaufkfompagnie, im ganzen 100 Gewehre, und am 28. November die 2. Gebirgsbatterie.

Oefterreich-Ungarn.

In einer gestern in Budapest abgehaltenen Konferenz der liberalen Partei sprah der Abgeordnete Szentivanyi, wie „W. T. B.“ meldet, im Namen seiner Partei seine be- sondere Genugtuung über die am Sonnabend abgegebene Erklärung des Ministerpräsidenten Grafen Tisza über die Schaffung von Artillerie als ergänzenden Béestand- teil der Honvedshaft aus, wodurch die falshe Vor- stellung vollsiändig ausger1erzt werde, als ob etwa ein egen die Nation gerichtetcs Mißtrauen verhindert hätte, daß ie Honvedtruppen mit Artillerie ausgerüstet würden. Die ganze Versammlung erhob sich und brach in stürmische Hochrufe auf den König aus. Der Ministerpräsident erklärte, er habe sih niht der Jllusion hingegeben, daß die Bekanntgabe dieser Reform auf die Haltung der Opposition bezüglih der Revision der Hausordnung von irgend welhem Einflusse sein werde. Es werde durch diese Errungenschaft jedoh der Beweis erbraht, daß die Nation, wenn fle das Gebiet positiver Tätigkeit betrete, keinerlei Hindernisse bei Erfüllung ihrer nationalen Wünshe und Jdeale be- gegnen werde. Der Ministerpräsident beantragte hierauf, es möge im Abgeordnetenhause eine provisorishe Haus- ordnung, die eine schr wesentlihe Einschränkung der Debatte bezwecke, durchgeführt werden. Mit Hilfe dieser Haus- ordnung sollten bis zum 1. Januar das Budget, der kroatische Ausgleih und andere unaufshiebbare Angelegenheiten er- ledigt werden. Ferner solle eine in mäßigen Grenzen gehaltene endgültige Hausordnung während der Geltung der provisorischen Bestimmungen über die Debatte geschaffen werden. Die Partei- fonferenz nahm unter großem Beifall diesen Antrag einstimmig an und betraute die Parteileitung im Abgeordnetenhause, einen Antrag in diesem Sinne einzubringen.

Großbritannien und Frland.

Jn einer Ansprache, die der Erste Lord der Admiralität Earl of Selborne in London gestern bei einer Feier hielt sprach er, „W. T. B.“ zufolge, die Zuversicht aus, daß das inter- nationale Schiedsgericht die Schuldigen der Hull-Angelegen- heit feststellen werde. Der Kaiser von Rußland werde die von der Kommission verantwortlih Befundenen bestrafen. Balfour gebühre großes Lob für seine Lösung der Frage, betreffend die Landesverteidigung. Er habe das Reichsverteidigungs- komitee geschaffen. De die Verteidigung des Heimatlandes bedürfe man feiner Armee. Deren Stärke müsse vielmehr nah den Anforderungen derechnet werden, die außer- halb Englands an sie gestellt würden, in Südafrika, in den Kohlenstationen und vor allem in Jndien. Bezüg- lich Indiens förne man sich niht verhehlen, daß Rußland in der Tat einen großen Schriti auf die indishe Grenze zu gemaht habe. Die Kaiserreihe Jndien und Rußland seien nur durch Afghanistan getrennt. Rußland besize zwei Eisenbahnpunkte an der Grenze von Afghanistan. Die Stärke der indishen Armee sollte von dieser wichtigen militärishen Tatsahe abhängig gemaht werden, und was diese Tatsache bedeute, das könne man erkennen, wenn man erwäge, was Rußland mit einer Eisenbahn in der entfernten Mandschurei zu leisten vermöge.

Frankrei.

Bei einem Diner, das der König von Portugal dem portugiesishen Gesandten in London Marquis de Soveral, den Militär- und Zivilbehörden, sowie englishen und französishen Secoffizieren an Bord der Jacht „Victoria and Albert“ in Cherbourg gab, brachte der Konig, wie die „Agence Havas“ meldet, einen Trinkspruch auf den Präsi- denten Loubet aus. Hierbei feuerten sämtliche englishe Schiffe auf einen Signalshuß einen Salut von 21 Schuß. Als der Marinepräfekt von Cherbourg darauf auf die Souveräne trank, hosen die französishen Schiffe ebenfalls Salut.

Rußland.

Ein Telegramm des Generals Kuropatkin an den Kaiser vom 12. November meldet: Gestern vor Sonnenauf- gang unternahm eine Freiwilligenabteilung eine Erkfundung in der Rihtung auf das Dorf Huanmitsan, zwei Werst oöstlich von Bianinputsi. Eine Streifwache von acht japanishen Dragonern floh aus dem Dorfe in südlicher Richtung. Zwei Reihen von Schanzen, die von einer feind- lihen Kompagnie beseßt waren, wurden festgestelt. Nachdem der Angriff durch Feuer unserer Truppe vorbereitet und ein Teil dieser ausgeschickt worden war, den Feind zu umgehen, wurden die Schanzen genommen. Darauf kam von der Hauptstellung der Japaner her rasch ein herbei. Die zwei ersten Kompagnien des Feindes zogen ih vor unserem Salvenfeuer zurück, wobei sie Es Toten und Verwundeten mitshleppten. Als die anderen feindlihen Kompagnien einen Umgehungsversuch machten, zog sih die Freiwilligenabteilung auf unsere Stellung zurück. Auf unserer Seite ein Mann gefallen, einer schwer, vier leiht ver- wundet. Jm Laufe des 12. November fand ein shwacher Artilleriekampf auf der ganzen Front statt. Ueber Zusammen- stöße an diesem Tage sind Meldungen nicht eingelaufen.

Ein weiteres Telegramm Kuropatkins meldet unter dem

verlaufen ist und Meldungen über Kämpfe nicht einge- |

gangen sind.

Der Kommandeur des 1. General Zerpißfi ist „W. T. des X. Urmeekorps ernannt

turkestanishen Armeekorps,

Der Abteilungschef im Generalstab, Generalmajor Alexezew wurde zum Genecalquartiermeister der dritten Mandschurei- armee ernannt.

Bataillon |

beiden |

__ Ein Tagesbefehl an die Mandschureiarmee. gibt die Zahl der vom 8. September bis zum 24. Oktober nah Mukden und weiterhin geshafften Verwundeten auf 828 Offiziere und 28 479 Mann, die Zahl der Kranken auf 198 Offiziere und 3827 Soldaten an.

Ftalien.

Die drei bisher fehlenden Wahlergebnisse find nunmehr festgestellt worden. Jn allen drei Bezirken wurden Ministerielle gewählt, unter ihnen der frühere Minister Fortis.

Der Pa pst hielt, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, gestern ein geheimes Konsistorium, in dem er mehrere Bischöfe ernannte. Unter ihnen befindet ch der bisberige Erzbischof Kohn, der zum Titularerzbishof von Pelusio, Bauer, der zum Erzbischof von Olmüßg, und Kirstein, der zum Bischof von Mainz ernannt wurde. Der Papst hielt eine Ansprache, in dèr er von dem Konkordat mit Frankreih sprach, die gegen- wärtige Lage bedauerte und aufforderte, zu Gott für das Wohl der Kirche und Frankreihs zu bitten. Zum Schluß \sprah der Papst sein Bedauern aus, daß er jeßt franzöfische Bischöfe nicht ernennen könne.

Spanien.

In der Deputiertenkammer trat, „W. T. B.“ zufolge, Moret gestern für den Antrag Villaverdes, betreffend die Ver- besserung des Wechhselkurses, ein. Der Finanzminister Osma erflärte sich für Durhführung einer folhen Maßnahme, hielt es ed-ch für nötig, einen dazu geeigneten Zeitpunkt abzuwarten. Der Meister des Innern Guerra erklärte, die Regierung billige den Plan Osmas. Villaverde zog darauf seinen Entwurf zurü.

Niederlande.

Die Regierung hat von neuem den Gesetzentwurf über den böberen Unterricht, dessen Ablehnung zur Auflösung der ersten Kammer geführt batte, eingebraht. Ferner gibt fie den Kammern bekannt, daß ein Auslieferungsvertrag mit Japan fertig ift, und daß die Flotte in den osthinesiihen Gewässern ver- rinaert werden wird.

Türkei.

Wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel meldei, liegt der Leiter der protestantishen Missionsanstalt in Urfa, Ecard, der von türkfishen Soldaten mißhandelt worden war, im Hospital in Urfa krank darnieder. Die Genugtuung, die der deutshe Botschafter verlangt hat, besteht 1) in Bestrafung der Soldaten, 2) Absezung des Majors, vor dessen Augen die Mißhandlungen vorgekommen find, und 3) Entschädigung an Eckard.

Griechenland.

Der König Georg ist wieder in Athen eingetroffen. Die Regierung hat ein neues Programm auf der Grundlage strengster Sparsamkeit aufgestelt, um der Finanzlage des Landes gercht zu werden.

Serbien. .

Die Skupschtina is gestern zusammengetreten und Tat Stanojewitsch wieder zum Präsidenten gewählt. Die feierliche Eröffnung der Skupshtina durch den König mit einer Thronrede erfolgt am 16. d. M.

Amerika.

Das „Reutershe Bure&u“ meldet aus Washington von gestern: Prinz Fuschini, der Adoptivbruder des Kaisers von Sapan, wurde heute von dem stellverixetenden Staatssekretär Loomis im Namen des Präsidenten Roosevelt begrüßt. Der Präsident wird den Prinzen morgen empfangen, worauf am Mittwoch Loomis ein offizielles Frühstück geben wird. Bot- schafter Graf Cassini bat den Vertreter Mexikos, während des Besuchs des Prinzen als Doyen des diplomatishen Korps zu fungieren.

Asien.

Nach ciner Meldung des „Reutershen Bureaus“ verlautet in Tokio, der zum Wladiwostokgeshwader gehörige Kreuzer „Gromoboi“ sei auf einen Felsen gestoßen und \{chwer beshädigt nah Wladiwostok zurückgekehrt. Der Unfall joll sih ercignet haben, als der „Gromoboi“ nah Beendigung seiner Ausbesserungen eine Probefahrt unternahm. Der „Gro- moboi“ kehrte, so wird berichtet, in sinkendem Zustande von einer Flottille kleinerer zur Hilfeleistung bestimmter Fahrzeuge umgeben, nach dem Ankerplaß zurück und wurde wieder ins Do geseßt. Wenn sih die Nachricht bestätigt, ist es sicher, daß das Wladiwostokgeshwader noch längere Zeit untätig bleiben muh.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Die Zwangsversteigerungen von Grundfstücken Ausfälle von Hypotheken in Dresden.

Nach einer amtlihen Schäßung betrug der Wert der in den Jahren 1900—1902 in Dreéden subhastierten Grund- stüdckde etwa 140 Millionen Mark. Seitdem sind diese Ver- fäufe nicht wesentlich seltener geworden; der Wert der 1903 und 1904 gerihtlich versteigerten Grundstücke bezifferte sh in Dresden und der nächsten Umgebung regelmäßig monatli auf 3—4—5 Millionen Mark. Vielfah find die Grundstücke höher mit Hypotheken belastet, als sie geshägßt sind: so war bei 59 im legten August gerihtlih versteigerten Grundstücken die Hypothekenlast, ohne rückständige Hypothekenzinsen und Kosten, um 414 135 Æ höher als die Schäßung. Bei einer derartig

und die

| hohen Beleihung ist es natürlich, daß unter den heutigen Verhältniffen

bei einem Verkauf große Hypothekenbeträge ausfallen. Im August belief sich dieser Ausfall auf 1 816 709 4 bei 4 907 600 G Hypotheken- huld. Aehnliche Ausfälle sind nicht selten; über eine Million betragen sie faft in jedem Monat! 7

„Diese Ziffern ter gerihtlihen Grundstücksversteigerungen“, bemerkt dazu die „Sozialkorrespondenz*, deren Ausführungen mindestens

| zum Teil noch für manche andere deutshe Großstadt zutreffen dürften,

war | Jabren herrschenden Baukrise nicht erkennen.

„lassen aber die ganze Schwere der im Dresdner Bezirk seit einigen Um ibren ganzen unheil-

| vollen wirtshaftlihen Einfluß zu ermessen, muß man auch die Opfer

| gerihtlihen Versteigerung zu vermeiden. | \chwindelhafte,

in Rechnung stellen, die gebracht werden, p? i i Planlose Produktion und

zügellose Spekulation rächen sih jeßt an gewissen

i D l | Kreisen empfiadlich. gestrigen Datum, daß die Nacht zum 13. November ruhig f

| | l

B.“ zufolge zum Kommandeur ;

ck 0 G j Ed . 7 . . an Stelle des Generalleutnants | Stadtgrenze, die einen wirkliten Wert vonwenigen hundert Mark besaßen,

Slutschewsky, der Kuropatkin zur Verfügung gestellt wurde. ;

Es gab eine Zeit, in der in Dresden und nächster Umgebung | steht, nit i | samtheit auf der Basis des Kollektiveigentums gewirtshaftet wird. Ein | fsolher Gesellshaftszustand fonnte sich bei den Moslems nach den | Grundlebren ihrer Religion und Weltanshauung gar nicht {hafen

geradezu ein Baulandhunger herrschte. Jeder dürre Sandwinkel wurde als goldspendende Baustelle g-\chäßt, der Maßstab für den wirflihen Wert des Bodens war tatsählich verloren gegangen.

Wer einige tausend Mark besaß oder zusammenborgen fonnte, der kaufte |

Baustellen oder Häuser zu lächerlich hohen Preisen. Sandäter an der

wurden mit Hunderitausenden bezahlt. Es gibt beute in Dresden noh

| genug Leute, die früher als Gärtner und kleine Gutsbesißer das

Quadratmeter Land mit 10—20—50 4 bezahlt haben, das in der Bau- fieberzeit von Spekulant zu Spekulant bis auf 30 4 und höher hinauf-

um die Katastrophe der | | ; e | Gottes, aber zu allen Zeiten nur mit äußeren Angelegenheiten befaßt.

getrieben wurde. Natürlih türmte man dabei Hypothek auf Hypothek: 10000 A und oft noch viel weniger genügten, um für 100 0C0 A Bauland oder Häuser zu fkaufen. Vorsihtige und geriebene Spekulanten haben sh rechtzeitig zurückgezogen. Sie haben in der Tat Sand in Gold umgewandelt, und fie erfreuen \sich jeßt ihres großen Besißes und eines ruhigen Schlafes. Einen Verzweiflungskampf um Vermögen und Ansehen führen aber beute jene fleinen Svefkulanten, die einen dürftigen Familien- spargroshen, Mitgift, Erbe oder geliehenes Geld benugen wollten, um auh aus dem ihnen uners{chöpflich erscheinenden Goldborn der Häuser- und Baustellenspekulation reichlich zu \{öpfen. Sie kauften zu den böhsten Preisen ter leßten ¡ehn Jahre und blieben, einen immer grêßeren Wertzuwahs erwartend, fchließlich auf ibrem hobelafteten Besiß hängen. Derart waren Beamte, Krämer, Portiers, Bierausgeber, Handwerker und kleine Rentiers unter die Spekulanten gegangen; sie rafften zusammen, was sie konnten, gingen die drückendften Verpflichtungen ein, um ja auch an dem großen Rauk- und Fischzuge teilnehmen zu können. Diese kleinen Leute leiden seit einigen Jahren am meisten; ihnen ist ihre Gewinnsucht sehr vers bängnisvoll geworden. Da sie die wirtschaftlichen Wetterzeihen nit verstanden, kauften fie, als Vorsichtige ibren Grundbesitz bereits ver- äußerten. Die Krife brah dann über sie berein, als infolge des allge- meinen geschäfflihen Niedergangs die Bevölkerungsvermehrung ih sta:f verlangsamte und das ebenfo allgemein gesunkene Einkommen besonders auch die bürgerli@e Mittelshiht zwang, sh in den Aufwendungen für die Wohnung Beschränkungen aufzuerlegen. Jeßt ¿zeigte si Pplöulih, daß eine bedeutende Ueberproduktion an „Wohnungen für Herrschaften“ vorhanden war, und daß der dur wahnsinnige Spekulation, opulente Bauweise, Steigerung der Material- preise usw. binaufgeveitschte Mietzins nur von Netchen gezahlt werden konnte. Während es an kleinen, gesunden, woblfeilen Wohnungen für die ärmere Bevölkerung derart fehlte, daß man die für Wohnungs8hygiene wichtigsten Besiimmungen der städtishen Wohnung8ordnung nicht an- wenden founte, standen Tausende herrs{aftlitcer Wohnungen leer. Krampfhaft suchte man ihren Preis auf der alten Höhe zu halten, weil nach dec Höôße des phantastishen Mietzinses der sogenannte Wert des Hauses bemessen war und jede Herab- minderung des Zinses auf den Verkaufspreis des Hauses ge- drüdckt hätte. So hielt man denn den kostbaren Besiß mit den leeren Wohnungen in der Hoffnung auf eine baldige Wendung. Die hartnäckige Krise fegte die Kapitalshwacben unter diesen Besißern dann doch s{chließlich hinweg. Aber vorher baben diefe Leute, um ihr in dem Besitz angelegtes cigenes Vermögen nicht zu verlieren, Hunger und Kummer gelitten, etwaigen eigenen leßten Besiß noch daran geseßt, bei Verwandten und Freunden Anleiben gemacht. Bei der gerichtlihen Versteigerung bleibt der Verkaufspreis fast regelmäßig . fo tief unter dem Anfaufspreise, daß alle diese Ferderungen wohl für immer ungedeckt bleiben müssen: der ehbe- malige spekfulative Besizer ist meistens für immer ruiniert. Das ist das Schicksal der kleinen Leute unter den Spekulanten ; die grcßen, fapitalkräftigen balten sich meistens. Viele diefer Haus- und Bau- stellenbesizer werden seit geraumer Zeit nur noch mit dem Ver- mögen der Verwandtschaft durchgehalten, anderez find noch im Besiß durch die Nachsicht der Hypothekengläubiger, die troß Nicht- zablung der Hypothekenzinsen nicht zum gerichtlihen Verkauf drängen, da fie das Haus oder Bauland dann höcchftwahrscheinlich selbst erwerben müßten. So hoffen fie, daß der gegenwärtige Besißer ih noch durcharbeiten und fie in befserer Zeit voll befriedigen wird. Natürlich haben diese mißlihen Verhältnisse auch auf den Preis sowohl der sogenannten berrshaftlihen wie auch der mittelgroßen Wohnungen gedrüdckt, aber nit fo stark, wie man bei der großen Zahl der leer- stehenden Wohnungen dieser Art erwarten könnte. Das erklärt ih aus dem fast allgemeinen Wunsche der Besißer derartiger Häuser, zu verkaufen. Da aber, wie gesagt, der Verkaufépreis mit dem Miets- preis der Wohnungen eng zusammenhängt und man natürli einen Berlust möglichst zu vermeiden suht, so läßt man die Wohnungen zu hoben Preisen lieber leer steben, als sie zu billigen Preisen zu ver- mieten, solange man das nämlich durhsezen kann.

So rächt sich in Dresden an dem Baugewerbe, seinen Speku- lanten und Geldgebern die falshe Richtung der Wohnungserstellung. Man hat in üúüberreihster Weise Wohnungen für Herrschaften gebaut, die nicht vorhanden find, man hat ganze Straßen von palastartigen Zinsvillen erstehen lassen, die leer stehen, aber die Lösung der Kleinwohnungsfrage strafbar ver- nahlässigt. Diese Aufgabe hat die Spekulation auch in Dresden der Gemeinnüßigkeit überlassen, die mit verstärkfter, aber immer noch unzulängliher Kraft einsegte, als sich die Unzulänglichkeit der bis- herigen Wohnungsfürforge immer mehr berausîtellte,*

Zur Arbeiterbewegung.

In der großen Weberei von H. Boetzelen jun. in München- Gladbach haben, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, am Sonnabend fast säâmtlihe Arbeiter des Werkes die Kündigung eingereiht, weil einem Mitgliede des Arbeiteraus\{chusses gekündigt worden war.

Zur Lohnbewegung der belgischen Bergleute (vgl. Nr. 265 d. Bl.) erfährt die „Köln. Ztg.*“, daß bei der Frühshiht am Sonn- abend fast sämtlihe Bergleute des Mittelbeckens die Einfahrt verweigerten. Für die nähsten Tage wird der Ausftand in dem ganzen Been befürchtet.

1500 Karrenführer im Hafen von Havre sind, wie ,W. T. B.“ meldet, in den Ausftand eingetreten. Sie verlangen Lohnerhöhung.

Aus Fall River (Massachusetts) wird dem ,W. T. B.“ tele- graphbiert: Der Versu der Baumwollfabrikanten, den Betrieb der Spinnereien, die wegen des Arbeiterauestandes seit 4 Monaten gesch{lofsen sind, wieder f eröffnen, ist fehlgeschlagen; nur wenige Arbeiter haben sich zur Wiederaufnahme der Arbeit eingestellt (vgl. Nr. 265 d. Bl.).

Kunft und Wissenschaft.

A. F. In der leßten Sißung der Vorderasiatishen Ge- sellschaft sprah Professor M. Hartmann über das Thema „Zur Wirtichaftsgeshihte des ältesten Islams3“. Veranlaßt war dieser Vortrag, wie einleitend erläutert wurde, durh eine nah der Ansicht des Redners, der als einer der besten Kenner des Ortents gilt, irrige Auffassung der Stellung des Islams in der Kulturgeschichte, die in einer neueren Veröffentlihung von hervorragender Seite ent- halten ist. Davon wurden einige bezeihnende Stellen verlesen. Die Kontroverse betrifft die Frage: War der Islam, wie von jener Seite behauptet wird, jemals, besonders in seinen ersten Anfängen, von demofkratisch-sozialistishen Ideen beherrscht? Der Vortragende stellte dies entschieden in Abrede und begründete seine An- sicht dur einen geschihtlihen Rüdblick: Der islamitishe Staat hat ¡u keiner Zeit eine theofratishe Verfassung gehabt, von der solche Tendenzen mittelbar hätten ausgehen können, wenn man unter Theokratie ein Gemeinwesen versteht, an dessen Spiye der Prophet oder der hôchste geistliche Würdenträger und das Recht Goites steht, niht der König. Man darf nur an das Kalifat Omars oder Harun al Raschids oder die heutige Türkei erinnern, um das einzu- sehen. Die Nachfolger des Propheten waren zwar Hüter des Nechts

Gbensowenig hat die Verfassung des islamitischen Staats jemals ent-

| fernteste Aehnlichkeit mit Sozialiëmus gehabt, wenn man darunter cinen

Zustand versteht, bei dem in weitem Umfang- mit Mitteln der Ge-

und halten lassen, ja es ergab sich aus diesen Prämifsen ganz von selbst, daß die Moslems, wenn sie es niht von Anfang an waren, doch im Laufe der Euntwickelung die ärgsten Feinde aller und jeder fozialistishen Tendenzen werden mußten, die so vollständig in Widerspruch stehen mit der Grund-

| anshauung des „Kismet“, dem unbedingten Glauben an und der unbe- | dingten Unterwerfung unter das von Gott unabänderlih vorgezeichnete

und gewollte Schicksal jedes Einzelnen. Mit der Lehre, die gepredigt und geglaubt wurde, daß Gott gebe, wem er wolle, daß a auch der Aermste mit seinem Los zufrieden fein müsse, weil Gott das so ewollt, waren Bestrebungen, die auf gerechte Verteilung der irdis{en

üter gerichtet find, s{lechterdings unvereinbar. Weder Mohammed noch seine Nachfolger haben in Wahrheit jemals eine gerehtere Ver- teilung der Güter geplant noch planen können. Widerstritt eine solche Absicht doch der Anschauung. daß die ungleihe Verteilung der Güter von Gott gewollt, daher völlig in Ordnung sei und der Aermste Alla wärmsten Dank zu sagen habe. Mit Tendenzen der gedahten Art war auch die Eroberungspolitik der Moslems gänzlih unvereinbar. Denn wenn auch der Jilam stärker fast als irgend eine andere Religion den Anspruch auf Allinbesitz der Wahrheit erhebt und die Ungläubigen als Gögzendiener völlig ver- loren und der Verdammnis preisgibt, so mußte er in der Praxis doch von der Auérottung der Ungläubigen durch Feuer und Schwert absehen, fie dulden und sich mit den Unterworfenen vertragen. Aber Rechte fonnte er ihnen _nicht einräumen, am wenigsten eine Gleich- berechtigung im Sinne sozialistisher Tendenzen. Wie durch die Geschichte erhärtet is, wurde gerade unter den Regierenden, ebenso wie bei den Buthleuten, d. i. den Auslegern des Korans, um- gekel;rt wie bei anderen Bekenntnissen von exzentrisher Richtung, ver Vergewaltigung aller Ander8gläubigen, besonders der Cbristen und Juden, widerstrebt. Aber sie zu demütigen, und war es auch nur durch den als Zeichen der Demütigung ihnen verabreihten Schlag, fie zu großen Leistungen an Geld und Naturalien heranzuziehen, das war Taktik der Moslems. Schon Mohammed legte den Christen von Mekka die Lieferung von 2000 vollständigen Anzügen auf (woraus zuglei die Existenz einer ziemlich entwidckelten Textilindustrie in Südarabien hervorgeht), und Omar und seine Nalhfolger legten den widerstandsïos unterworfenen Ungläubigen in den eroberten Ländern Syrien, Aegypten, Babylonien Kopfsteuern von 48, 24 und 12 Dramen jährli (= 382, 197 und 9F H) auf, die eigentlich nur für die Armen drückend waren. Wurde bewaffneter Widerstand geleistet, dann erhöhten sih wohl die Besteuerungen und wurden zu Be- drückungen, au batten in folhem Falle die Araber das Recht, Beute ¡u machen, aber selbst dann war der Regel nah von der Wegnahme d:5 Grund und Bodens nicht die Rede. Betrachtete Mohammed ¡war alles Land als Besiy der Gläubigen, so war doch \{on Omar der Anschauung, daß die Wegnahme von Grund und Boden unheilvoll auf die Entwickelung der Länder einwirken müsse, und ließ die Masse der ungläubigen Befiegten unter Auferlegung bober Landsteuern, dazu bestimmt, die Subgabon der islamitischen Verwaltung zu decken, im Besiß ihrer Grundstücke. Auch Gewerbe- steuer, die in Aegypten {hon vor dem Islam bestand, wurde auf- erlegt. Als die s{chlimmste Abgabe ergab sich mit der Zeit aber die Grundsteuer, weil fie bis zur Hälfte des Ertrages gesteigert werden fonnte. Den Hauptteil batten die Bauern aufzubringen, und es erwies ih für sie als ein {chlechter Trost, daß sie unter mohammedanisher Herrschaft nicht zu Pächtern herabaedrückt waren, sondern Besitzer bleiben durften. Das Ergebnis dieser Entwickelung war naturgemäß die Herstellung von Klafsengegensäßen s{hreckliher Art, gesteigert durch die maßlose Ueberhebung der Moslems in Wort und Tat, die Haß und Verrat auf seiten der Unterdrückten erzeugte. Daß diese Heloten ein ver- gleihsweise glüdlihes Leben führten, wie zum Beweise der den ilamitishen Staaten angeblich innewohnenden sozialistishen Ten- denzen behauptet wird, ist so wenig zutreffend, daß ih viele unter jenen zum Abfall von ihrem Glauben veranlaßt sahen, weil fie es vorteilhaft fanden, die Rolle der Ausgebeuteten mit derjenigen der Ausbeuter zu vertauschen. Das hatte aber gesell- schaftlih die Entstehung neuer Klafsengegensäße zur Folge. Denn die Stellung der zum Jflam Neubekehrten war nah beiden Seiten feine angesehene. Ihren alten Glaubens8genossen galten sie als ver- ächtlihe Abtrünnige, den neuen erschienen fie als unbesheidene Ein- dringlinge, unberechtigte Mitefser aus der großen Schüfsel. Kein Wunder, daß fich diefe Neubekehrten dur großen und übertriebenen Eifer für den Jslam zu empfehlen trahteten und hierdurch die Trennung nah rechts und links nur weiter vershärften. Die Gegen- säge konnten in der mohammedanischen Gesellshaft, auß zum Schaden der wirtshaftilihen Entwickelung, gar nicht schroffer fein, sie erwiesen sich auch für die Gemeinschaft der Gläubigen als unbeilvoll. Wäre noh ein Zweifel daran gestattet, daß in Mohammeds Tagen und später von soztalistischen Tendenzen im iflamitishen Staat feine Spur vorhanden war, so müßte er verstummen bei der Betrachtung der fühnen Art, wie Mohammed fast dogmatisch die hervorragende Stellung seiner Familie und seines Stammes für alle Zeit zu sihern wußte, während andererseits nirgends ein Versuch sichtbar ist, die angefachte Bewegung zu benußen, um den Gegensaß von Reich und Arm zu mildern oder aus der Welt zu hafen. Auch die von Mohammed getroffene Regelung der TEA des Sklaven zum Herrn, der Frau zum Mann, die zur Zerrüttung des Volkslebens führen mußte, ist doch nichts weniger als im Einklang mit den behaupteten Tendenzen. Ja, es darf gesagt werden: Daß es dem Propheten gelang. die Geshlechtsabstammung mit dauernden Vorrechten in der islamitishen Welt auszustatten, war nur möglich unter der Herrschaft der entgegengeseßten Tendenzen in der damaligen arabischen Gesellshaft. Deren vornehmste Träger, ge- wisse alte Fornisien und Geshlehter Südarabiens, sahen auch ihre Stellung gewahrt dur den Wert, der im besonderen Falle zwar, aber doch mit nabeliegender Verallgemeinerung auf die , Abstammung“ gelegt wurde. Es ift ja bekannt, welhe Wirkung heute noch in der mohammedanischen Welt die Abstammung vom Propheten übt und wie die Mitglieder des Hauses Osman, die türkischen Sultane, den größten Wert darauf legen, „Stherifs*", d. i. Abkömmlinge des Propheten zu sein. Mohammed wußte damals flugerweise den Kreis feiner bevorrechteten Ver- wandten nicht allzu eng zu ziehen. Die Sippe Haschim als die Träger der Hauptvorrechte ging bis auf Mohammeds Ururgroßvater ¿urüd, und einen noch erbeblih weiteren Verwandtenkreis umfaßte der Stamm Kuraisch, in dem das Kalifat erhalten bleiben sollte und mit vorübergehenden Ausnahmen auch erhalten blieb. Während fo Mohammed einen großen Kreis Bevorrechtigter um sich {huf, verstanden er und seine nähsten Nachfolger es zugleich trefflih, einen neuen, ihnen ergebenen Adel zu hafen, wozu die Kriegs- und Eroberung8züge die beste Gelegenheit boten. So war also der islamitishe Staat von Anbeginn an mit allen Zügen des deépotischen Staates ausgerüstet, der vor wie nah nicht das Geringste mit den ihm untergelegten fozialifti- schen Tendenzen zu tun hatte. Professor Hartmann wies dann im einzelnen nach, wie der so in seinen Grundzügen auch dogmatisch festgelegte Staat sich 13 Jahrhunderte hindurch in dem Sinne entwidelt bat, daß soziale Gedanken ihm ferner liegen und liegen müssen als irgend einer anderen menshlichen Gemeinshaft. Stets hat nur der Sâbel oder das Geld den Ausschlag gegeben. Und wenn es in der langen Zeit auth nicht an ftaztlihen Umwälzungen mannigfaher Art in der mohammedanishen Welt gefehlt hat, Ideen haben dabei nie- mals mitgewirkt, es sei denn die Idee der Ausbreitung des Islam, aber niemals Jdeen, die sih in Widerspru gegen Grundanschauungen des Korans segten. Die Volksbewegung als folhe, nit die von je- weiligen Machthabern angefahhte, lag den islamitischen Gemeinschaften allezeit fern und sheint es bleiben zu wollen. Mit dieser Gebunden- heit der Gedanken Koran und Sunna gelten der über- wiezenden Mehrheit der Moslems heute noch so kanonisch denn je hängt ebenso der wirtshaftlihe Stillstand, das „Drohnen- tum“ weiter Kreise, wie die ganz äußerlihe Beschäftigung mit den Wissenschaften, das Daniederliegen des Schulwesens, das Zurücktreten der Städte gegen das Land und nit zuleßt der unent- widelte Zustand der Künste zusammen. Für das leßtere Manko ist allerdings eine falsh:, den frühesten Zeiten des Islams entftammende Vorstellung verantwortlih, für die es im Koran niht einmal Be- weise gibt, die Meinung nämlich, es sei von Gott verboten, lebende Wesen darzustellen. Aus allen diesen Betrachtungen folgerte Profeffor Yartmann, daß die Bilanz des Islams als einer Kulturmacht nicht günstig abshließe. Es möge sein, daß er eine Zeitlang Bewegung in die Geister gebraht, manche Kulturwerte erhalten, viel mehr habe er freilih ver- nihtet und jedenfalls keine neuen geschafen. Der Islam sei seinem

esen und seiner Weltanshauung nach kulturfeindlih und werde es bleiben, solange er Islam sei.

In der \ih ans(hließenden Diékussfion wurde dem Vortragenden entgegengehalten, daß er in -der Verneinung einer Befähigung der Moslems zur Kunst und ebenso in der Geringshäßung ihrer wissen- schaftlichen Leistungen zu weit gehe. Es sei doch an das 700 Jahre lang blühende Araberreich in Spanien, an die Befruhtung des abend- ländischen Kunstgewerbes durch das morgenländische zur Zeit der Kreuz- züge, an die mathematishen und astronomishen Großtaten der Araber zu erinnern. Profefsor Hartmann gab in seiner Erwiderung zu, daß die ¡pauigzen Araber eine Ausnahmestellung einnähmen, in der Wissen- haft aber die lezten Jahrhunderte und die ebenso unfruhtbare Gegenwart von ihm ins Auge gefaßt worden feien. Das Kunstgewerbe anlangend, fo sei einzuräumen, daß der Islam ja von vielen, in ihrer Abstammung sehr verschiedenen Völkern angenommen worden sei, und daß sich unter ihnen etlihe befänden, die, wie die !/2e der Gesamtheit bildenden schiitishen Perser, manhe Kunstübungen der Teriil-, Metall- und Holzverarbeitungsgewerbe sowie der Keramik zu einer gewissen Höhe gebraht, auc unvergängliche Schäge der Literatur gesenkt haben ; aber die ersteren Leistungen erböben fs nirgends über das Gebiet des Kunstgeschicks, die eigentlihe \chöpferische Kunst dagegen sei den Mos- lems versagt. Sub specie aeterni oder doch wenigstens einer 6000 Jahre alten Geschichte des Orients betrahtete Professor Dr. H. Winckler die aufgeworfenen Fragen. Ihm erscheint der Islam als eine der vielen Entwickelungsphasen auf dem alten Kulturboden, der so viel bat entstehen und vergehen sehen. Ob der Jilam sfi in unserer Zeit anschicke, seine Rolle auszuspie]en, ob er unwiderbringlih von der einstigen großen Höhe berabgestiegen sei, oder ob ihm eine An- passung an den vorgeschrittenen Gedanken der Kulturmenshheit und neue Erhebung mögli sein werde, vermöge zur Zeit niemand zu be- jahen oder zu verneinen.

A. F. In der gestrigen Sißung des Archhitektenvereins wurden die neuen Schinkelpretis8aufgaben (Prämiierung am 13. März 1906), wie folgt, endgültig festgestellt: Auf dem Gebiet der Architektur „Marktanlage mit NRathaus für eine mittelgroße Stadt“, auf dem Gebiet des Wasserbaus „Entwurf zu einem Fischerei- und Sale an der deutshen Nordseeküste* (die Küste bei Büsum im Kreise Dithmarshen, Provinz Schleswig - Hol- stein ist ins Auge gefaßt), auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues „Anlage eines Rangierbahnhofes zwischen Potsdamer und Weßlarer Bahn, unter Berücksichtigung einer zukünftigen Bahnlinie Wannsee— Königs-Wusterhausen und deren Kreuzung mit den genannten Bahnen und dem Teltowkanal“. Der sich anfchließende Vortrag des Dom- baumeisters Arng.Cöln „Die Bewertung der Baustoffe* hatte cine ungemein angeregte und interessante Debatte zur Folge, weil er Vorschläge brachte, die sich des einmütigen Beifalls von Architekten und Ingenieuren erfreuten. Diese Vorschläge gipfelten in der Empfehlung, eine Sammlung von Bausteinen, die man bei Abtragung oder Reparatur alter Bauten gewinne, vorzu- legen, um an ihnen Studien über die „Wetterbeständigkeit" der von der Natur dargebotenen Baumaterialien zu machen. Bisher kennt man wohl die „Festigkeit“ von Granit, Kalkstein, Sandstein, Basalt, Trachyt, Lava, ihre für den Wert des Materials mindestens ebenso bestimmende und wichtige „Wetterbeständigkeit*“ aber kann nur durch die Zeit einigermaßen sicher ermittelt werden. Dies Kriterium wurde bisher übersehen, obgleih wir an der Saal- burg, der rômishen Wasserleitung bei Karlsrube und vielen mittel- alterlihen Bauten Proben für die Wetter- und Bodenbeständigkeit fast aller deutshen Fel8arten, die als Baumaterialien in Betracht kommen, besißen. Jn Bausteinen, die an solchen Bauten den Jahr- hunderten getroßt, liegen bangeshichtlihe Urkunden vor, ein Kapitel gesammelter ge\chichtliher Erfahrung, an dem wir bisher achtlos vorübergingen, das wir aber endlih gebührend verwerten lernen müssen.

Der Erfolg der Auéftellung der Themsebilder von Claude Monet veranlaßt den Salon Paul Ca fifrer, die jeßige Ausstellung bis zum Sonntag, den 20. ds.,, zu verlängern. Am Dienstag, den 22. ds., findet die Eröffnung der neuen Ausflellung statt, die Sammlungen von den Berliner Künstlern Hans Baluschhek, Martin Brandenburg, Robert Breyer, Ulrich Hübner und Emil Pottner zeigen wird. Im fkleinen Oberlichtsaal wird der selt- same, holländishe Künstler van Gogb, von dem bisber in Deutsch- land rur einzelne Proben seiner Kunst gezeigt wurden, durch eine Reibe seiner Werke vertreten sein. Von Plastikern erscheint F. Kolbe zum ersten Male vor dem Berliner Publikum mit einer Reibe von Werken.

Anläßlih der Wiederkehr des 400. Geburtstages des Land- garafen Philipps des Großmütigen nahm die Universität Marburg, wie „W. T. B.“ meldet, zablreiße Ehren- promotionen vor. Seine Majestät der Kaiser verlieh dem Marburaer Gymnasium den Namen Gymnasium Philippinum. Die „Münchener Neuesten Nachrichten“ melden, daß auch der Bildhauer Professor Adolf Hildebrand anläßlich der Gedenffeier für Philipp den Großmütigen von der medizinis{hen Fakultät in Marburg zum Ghrendofktor ernannt worden ift.

Schulwesen.

Das Statistishe Amt der Stadt Barmen hat vor kurzem eine Uebersicht über die Steigerung des Barmer Volksschuletats in dem Zeitraum 1885—1904 und ihre Ursachen veröffentliht (Bei- träge zur Statistik der Stadt Barmen 1904, Heft 1), nah der in diesen zwei Jahrzehnten der Barmer Volkss@uletat si mehr als verdreifaht hat; er stieg von 535435 auf 1655332, also um 1119897 #, die gesamte Volks\chullast (eins{ließlih der Unterhaltungskosten der Schulgebäude und des ge- \häâßten Mietpreises der eigenen Schulgebäude) von 729 815 auf 2 043 052, somit um 1313237 Æ, auf den Kopf des Einwohners von 7,11 auf 13,31, d. i. um 6,20 X Von dieser Gesamtzunahme find nur 361 570 Æ oder 27,5 9/9 auf die Bevölkerungszunahme und 951 6687 e oder 72,5 9/6 auf ‘die Steigerung der Kosten der Schulen zurückzuführen. Dabei ist die Zahl der Volksschüler im Ver- bältnis zur Bevölkerung nicht größer geworden: im Gegenteil, es hat, wie im ganzen Königreich Preußen, eine fast ununterbrochene relative Verminderung der Schülerzahl stattgefunden: leßtere betrug in Barmen 1885 auf je 100 der mittleren Bevölkerung 17,65, 1904 15,02. Im ganzen preußishen Staate war der Prozentsaß der über 6 bis 14 jährigen in der Bevölkerung nach der „Preußischen Statistik“ 1885 20,3, 1900 16,8. Diese bedeutende Abnahme der Volks\schüler- ¡abl im Verhältnis zur Bevölkerung ist dem Volks\chuletat zugute ekommen; fie bedeutet, wenn man die Kosten eines Volks3- shülers im Jahre 1885 der Berehnung zu Grunde legt, eine Etatsersparnis von 160 300 4, um die sih der Anteil der eigentlihen Kostensteigerung der Schulen an der Gesamt- ¡unabme der Volks\hullast von 951 667 auf 1112000 4 erböht, d. \. auf den Kopf der Bevölkerung 7,27 A Diesen Betrag würde die Bevölkerung Barmens 1904 weniger auszugeben gehabt haben, wenn die durhscnittlihen Kosten eines Volksschülers dieselben geblieben wären wie 1885. 8 sind aber die durchshnittlihen Kosten eines Volks\hülers ständig (bei einem kleinen Rüdckgang nur im Jahre 1904) gestiegen. Die gesamten Schulausgaben betrugen nämlich, auf den Kopf des Volksschülers berehnet, 1885 40,58, 1904 89,01 Was noch niht 2 Schüler 1885 kosteten, kostet jeßt einer. Die Ursache dieser ge- waltigen Kostensteigerung liegt in erster Linie in der Herabsezung der Klassenfrequenz der Volksschulen, die übrigens nicht erst mit dem Jahre 1885 begonnen hat. Es kamen nämlich Schüler auf 1 Klasse im Jahre 1872 96, 18385 746, 1895 63,1, 1904 54,1; das Jahr 1904 zeigt gegenüber 1903 wieder eine kleine Erbêhung (um 1,5). Von der Gefamtsteigerung der Kosten der Volks\{ulen (bei Elimination des Einflusses der Volksvermehrung) im Betrage von 1112 000 Æ find 353 000 4 oder 31,74 9/9 auf die Frequenzherabsetzung der Klassen zurückzuführen,

die übrigen 759 000 A (33,06 G auf den Kopf des Schülers), also der größere Teil, auf eine wesentlih teurere Unterhaltung der Klassen, und zwar 666700 Æ oder 59,96 °/% auf die Steigerung der persönlihen Ausgaben (Lehrerbefoldungen und Beiträge zu den vershiedenen Kassen) und 92 300 M oder 8,30 9/9 auf die Steigerung der übrigen Etatspoiten (Reinigung, Heizung, Beleuhtung der Klafsen, Unterhaltung der Schulgebäude, Unterrihtsmittel und Sonstiges). Die bedeutende Steigerung der persönlihen Ausgaben ift nicht identisch mit dem prozentualen Wachstum der Lebrergebälter, die im Durchschnitt noch nicht um 40 9/6 gestiegen sind. Verhältnismäßig noch viel mehr erhöhten fch die Beiträge zu staatlihen Kassen (zur Rußhegehalts-, Alterszulage-, Witwen- und Waifenkasse, Pensionen und Unterstützungen), diejenigen zur Ruhegehaltskafse allein in den Jahren 1894 bis 1904 um mehr als das 32 fache.

Land- uud Forftwirtschaft.

Maßnahmen zur Unterstüßung der Ansiedler in Porto Alexandre und Tigerbai, Bezirk Mossamedes.

Um den portugiesishen Anfiedlern in Poxto Alexandre und Tigerbai Erleichterungen zur Errihtungen von Wobnhäusern und Arbeits\{uppen zu gewähren und insbesondere das Zubereiten und Trocknen der Fische, das den Haupterwerbs8zweig der dortigen Be- völkerung bildet, zu fördern, hat der portugiesishe Kolonialminister, wie das „Deutsche Kolonialblatt* berihtet, am 17. September 1904 ein Dekret erlafsen, das über die Verpachtung und den Verkauf von Regierungsland an den genannten Orten im wesentlihen folgende Bestimmungen trifft :

Der jährlite Pachtzins beträgt 5 Reis für je 10 qm. Dem Pächter wird die Verpflihtung auferlegt, binnen Jahresfrist die ge- pachtete Bodenflähe in Benußung zu nehmen. Mehr als 4000 qm Bodenfläche wird an einen einzelnen Pächter nicht abgegeben. 5

Am Meeres\trande behält sich die Regierung einen Streifen von 80 m Breite vor. In diesem Streifen verpahtet fie Land zur Er- rihtung von Baulichkeiten für die Fischbereitung zum Preife von 10 Neis für je 10 qm. In den Ortschaften Porto Alexandre und Tigerbai darf die dem einzelnen Ansiedler abzugebende Bodenfläche der von der Regierung reservierten Zone nit mehr als §00 qm, im übrigen Teil der Tigerbai jedoch bis zu 1600 qm betragen.

Das Dekret bestimmt ferner, unter welhen Bedingungen die Pächter später Eigentümer des bebauten Grund und Bodens werden können. Endli verfügt dasselbe, daß 9009/6 der Lizenzabgaben für die verpateten Grundstücke den Ortschaften Porto Alexandre und Tigerbai ¡ukommen sollen zur auss{ließlicen Verwendung für Verbesserungen an diesen beiden Plägen.

Weinernte, Saatenstand und Getreidebandel in Bulgarien.

Der Kaiserlihe Konsul in Nufst\ch uk berichtet unterm 7. d. M.: Auch der Oktober d. J. bat sich dur eine der Landwirtschaft besonders günstige Witterung ausgezeichnet. Die im September ausge\säten Winter- früchte sind allenthalben kräftig aufgegangen und die bier und da noch rüdckitändige Auésaat hat bei ausreihender Feuchtigkeit des Bodens ohne Störung nachgeholt werden können. Das gleiche gilt für die Feldbeftelung zur Ausfaat der Sommerfrüchte. Bemerkenêwert ift, daß auch der Stand des Rapses diesmal das Beste erboffen läßt; es hat ih jedoch herausgestellt, daß diese Frucht unter der Nahwirkung der übelen Erfahrungen der beiden leßten Jahre doh nit in dem erwar- teten und von der Regierung gewünschten Umfange angebaut worden ist. Die Weinernte war in der Menge befriedigend, indessen haben die dem Ackerbau fo förderlichen starken Negengüsfe gegen Ende August und in der ersten Hälfte des Monats September d. J. die Güte der Reben merklich beeinträchtigt, sodaß der Zuckergehalt des Mostes 15—17 9% nirgends überschritten haben dürfte.

Die Zufuhren zu den Donauhäfen waren im Oktober d. I. geringer, dies ift zum Teil der Feldbestellung, zum Teil wobl auch der leiht weihenden Preisbewegung zuzuschreiben. Nur der Mais hat ich infolge der Mißernten, die Numänien und Ungarn in dieser Frucht zu verzeichnen hatten, auf der alten Preishöhe behauptet.

Die A usfuh r wies im Oktober folgende Ziffern auf (in Tonnen):

aué Weizen MNoggen Gerste Mais Widdin 1500 i: 100 200 Lompalanka 1500 : RNachowa 1000 Nikopol i L, ; Sistow 4500 1000 1500 Ruftschuk . 1000 : 750 G Tutrakan . 100 50 100 : 400 Silistria . 2500 1000 500,

Die Preise standen am 1. November d. I., wie folgt: Weizen 14}—15 Fr., Noggen 10—10} Fr., Gerste 9—9X Fr., Mais 124 bis

Do

13 Fr. für den Dovpelzentner.

1500

Verkehrsanftalten.

Laut Telegramm aus Cöln hat die dritte englische Post über Ostende vom 13. d. M. in Cöln den Anschluß an Zug 13 nah Berlin über Hannover nicht erreicht.

In Liverpool fand gestern unter ‘dem Vorsiß des Präsidenten des Schiffahrtstrusts, Jêmay, eine Versammlung von Vertretern der nach den Vereinigten Staaten und Canada Dienst tuenden Dampfer- linien statt, in der die bei der vorgestrigen Berliner Zusammenkunft vereinbarten Bedingungen angenommen wurden. ¡ie Fahrpreise wurden wieder auf die normale Höhe festgeseßt.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus,

Mit einer im ganzen und in allen Einzelheiten vortrefflichen Neueinftudierung von Nicolais komisher Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ hat gestern das Königliche Opernhaus seinen zablreihen Besuchern eine große Freude bereitet: die musikalish, gesanglich und darstellerisch überaus gelungene Wiedergabe des Werks, die seinem Stil wie seiner Stimmung gleih gerecht werdenden Dekorationen und Koslüme kurz, alles was den kom- vlizierten Apparat einer Opernaufführung ausmacht, vereinigte ih zu einer Gesamtwirkung, der man seine volle Anerkennung nicht versagen fann. Schon die Duvertüre bewies, daß Dr. Strauß, der das Werk leitete, völlig bei der Sache und bestrebt war, alle Schön- heiten der anmutigen Nicolaishen Musik in die Erscheinung treten zu lassen. Hier und da fiel im Verlauf der Aufführung ein ungewohnt verlangsamtes Zeitmaß auf, aber s{ließlich entshied der Erfolg auch für diese Auffaffung. Für die Frau Fluth brachte Frau Herzog den erforderlihen Uebermut mit, der bei ihrer teŒnischen Meistershaft von den Schwierigkeiten der Partie nirgends gedämpft wurde; in Fräulein Rothauser ftand ihr eine gleich muntere und musifalisch zuverlässige Frau Reich zur Seite. Ebensogut waren die Rollen der beiden Ehemänner mit Herrn Hoffmann, der den eifer- süchtigen Fluth temperamentvoll spielte und sang, und Herrn Möd- linger, der den rubigeren Reih in bebäbigerer Art verkörperte, beseßt. Herr Knüpfer wuchs als John Falstaff darstellerish erst allmählich in den Humor feinèr NRalle hinein, so, als fehlte ibm zuerst das Selbst- vertrauen für diese Aufgabe. Gesanglih bot er freilich von Anfang an eine vortrefflihe Leistung, die ihren Höhepunkt in der Trinkszene und in dem Duett mit Fluthb-Bach hatte. Eine weitere böchst erfreuliche Leistung war der poetishe Fenton des Herrn Naval, auf den wirklich einmal die Shakespeare\{he Charakteristik zu vassen \cien: