1884 / 55 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Mar 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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niéts geändert werden. Der Antrag behalte nur der freien e Uns der Regierung vor, nach welcher Richtung hin ste eine Einheit in der Geseßgebung und in den Verhältnissen des Lotteriewesens der einzelnen Staaten herbeiführen solle, und in diesem Sinne könne er annehmen, daß der Antrag von Minnigerode der Staatsregierung acceptabler erscheinen werde, als der andere.

_ Der Abg. Schmidt (Stettin) spra sich gegen den Antra

Windthorst aus. Schon auf dem allgemeinen Bien Landtage habe man sih mit Petitionen beschäftigt, welche die Aufhebung der Königlich preußischen Klassenlotterie gefordert hätten. Die Vorwürfe der Jmmoralität und des Sünden- geldes, welches für diese verausgabt würde, hätten jedoch feinen Eindruck gemacht. Ein Redner habe an -den Hund des Jean Paul erinnert, welcher erstere. nur Knochen und Kar- toffeln verzehrt habe, wenn man ihm etwas Butter auf die Nase gestrichen gehabt habe. Lasse man doch dem Volke das bischen Butter, habe ein Redner vom Rhein ausgerufen, und erziehe man nicht lauter Dukmäuser, die jeden ersparten Groschen nach der Sparkasse tragen sollten. Auch in den verschiedenen Legislaturperioden des preußishen Landtages sei die Lotterie- frage zur Sprache gekommen. Das Klagerecht für Lotterie- looje sei schon 1841 aufgchoben und Collecteure auf den Dörfern dürften nicht mehr angestellt werden. Nach der Annexion von Hannover und Frankfurt a. M. seien neben den Spielhäusern 2c. auch die Osnabrücker, die Hannoversche und Frankfurter Lotterien aufgehoben. Die Osnabrücker sei von einem bekannten deutschen Patrioten, dem Hannoveraner Justus Möser, im FJnteresse des armen Volkes, wie derselbe geglaubt Habe, begründet worden und sie habe circa hundert Jahre bestanden. Auch ia der vorigen Session habe beim Etat eine Besprehung der Lotterie- frage stattgefunden, ein Mitglied des Centrums, Dr. Peters, habe sich für eine Vermehrung der Lotterieloose erklärt und auch der Abg. Dr. A. Neichensperger habe gemeint, man solle sich wegen der Klassenlotterie niht zu sehr erhizgen. Noch in dieser Session have Frhr. von Fürth gesagt, scine Moral sei doch keine so politish gefärbte, daß er das Lotteriespiel als so etwas Entsehliches ansehe. Was sei denn so ein Spiel von 1/4, 1/16, 1/32, 1/64 L008. Es sei im deutshen Reichstage am 13. Juni 1881 eine Resolution Seitens des Reichskanzlers, auf die Aufhebung der noch bestehenden Staatslotterien der deutschen Bundesstaaten hinzuwirken, inzwischen jedenfalls ciner Erweiterung der bestehenden vorzubeugen, verworfen. Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Finanz-Rath Girth, habe ausgeführt, daß die Staatslotterie und die Einnahme daraus einen erheblihen Theil der Einnahmen mehrerer Bundeéëstaaten bildeten, ihre Aufrehterhaltung oder Aufhebung stehe seines Erachtens lediglih in der Kompetenz der Landes- regierungen und Landesvertretungen, und möchte er deshalb nicht unterlassen, zur Erwägung zu geben, ob die Resolution nit einen Eingriff in Gegenstände der Landesverwaltung enthalte, die nicht unter die Kompetenz des Reichstags fielen. Durch Privatlotterie sei zum Theil der Cölner Dombau unter- ¡tüßt worden, durch dasselbe Mittel würden jeßt Kirchen, wie in Ulm und Stettin, restaurirt resp. neu erbaut. Prinzipiell wären au die Privatlotterien zu verbieten, wogegen jedo shwere Bedenken vorlägen.

Die Diskussion wurde geschlossen. Es folgten persönliche O Ÿ

er Abg. Pr. Neichensperger-Cöln bemerkte (persönlich),

der Abg. Wagner habe das Lotteriespiel für ein Laster, nit also die Beförderer des Lotteriespiels für Beförderer des Lasters erklärt. Nun stehe sein Name auf Hunderttausenden von Lotterieloosen, und er fühle sich gedrungen, diese Hunderttausende gegen den Vorwurf der Lasterhaftigkeit in Schuß zu nehmen.

e ‘Der Abg. Dr. Wagner erklärte, seine Aeußerung habe ih im Zusammenhang nur auf die Prostitution bezogen.

i Der Abg. Dr. Reichensperger bemerkte, er habe geglaubt, der Abg. Wagner hätte gegen die Lotterie gesprochen, jeßt hôre man auf einmal, daß derselbe gegen die Prostitution gesprochen habe. Das sei ihm neu, und er bitte um Ent- shuldigung, wenn er den Abg. Wagner mißverstanden habe. ___ Der Abg. Dr. Wagner erklärte, er habe die Frage der -Prostitution nur mit einigen Worten erwähnt, und im An- {luß daran Mohl citirt, welher sage, der Staat könne keinen Pakt mit dem Laster mahen. Jn diesem Zusammen- hange habe er die Sache erwähnt.

__ Dex Abg. Dr. Windthorst bemerkte, der Abg. Schmidt (Stettin), der sich auf das dissentirende Votum einiger seiner politischen Freunde berufen habe, und annehme, daß er (Redner) gleich sprehen müsse, wenn ein Fraktionsgenosse etwas gegen seine Ansicht behaupte, bemerke er, daß er dazu keine Pflicht habe. Uebrigens sei er einfaches Mitglied der on und von einer Führerschaft sei ihm nichts

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Der Antrag Windthorst-Löwe wurde abgelehnt, der An- trag von Minnigerode dagegen angenommen.

Der Etat der Berg-, Hütten- und Salinenver- waltung, der Etat der Eisenbahnen, der Etat des Staats-Ministeriums mit einer Neihe von Spezialetats, l uttide des Deutschen Reichs- und König- ih Preußischen Staats-Anzeigers | Debatte bewilligt. A

Beim Etat des Ministeriums der öffentlichen Ar- beiten erklärte der Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer-Alit, daß jeine Partei in Betreff der eFahrpreis-Ermäßigungen auf Staats-Eisenbahnen von der Stellung eines besonderen An- trags in der Hoffnung Abstand genommen habe, daß der Minister bei dem Rezepte verbleiben werde, das der Minister bei der zweiten Lesung angekündigt habe, das heiße, daß Baan fortan niht mehr gewährt werden

Zu Kap. 7 Tit, 3 des Extraordinariums der Bauver- waltung lag folgender Antrag der Abg. Büchtemann und Genossen vor:

_Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Staats- regierung zu ersuben, die Ausladung von Kähnen entlang dem Set Marl ee toader zu E soweit nicht in einzelnen

erkehr der angrenzenden i Äs- ger Wale gestört wird, grenz traßen dadurch in unzuläf\

_ Der Abg. Büchtemann fragte, ob die Regierung bei dem Beschlusse beharren wolle, den sie bei der zweiten Lesung an- gekündigt habe. Durch das Verbot, Ausladungen am Kanal wie früher vorzunehmen, sei eine Reihe von Geschäften {wer geschädigt. Es sei au bei Bewilligung der Summe für den Bau des Kanals nicht daran gedacht worden, daß ein der- artiges Verbot ergehen würde, Technishe Gründe könnten

frage si, ob straßenpolizeilihe Gründe die Ausladungen ver- böten, Früher hätten dieselben fast an allen Stellen des Kanals stattgefunden, jeßt würden sie auf der ganzen Strecke desselben inhibirt. Es sei möglih, daß an einzelnen Stellen der Verkehr dur die Ausladungen ershwert werde, aber diese Fälle könnten nur ganz vereinzelt dastchen. Sein An- trag bezwecke nur, daß die Auëladungen wieder in der Weise wie früher gestattet würden, soweit der Verkehr niht durch dieselben in unzulässiger Weise gestört werde. Dieser Zustand habe früher niht zu Bedenken Veranlassung gegeben, derselbe möge also au fernerhin aufreck{t erhalten bleiben.

Der Regierungskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath Golß bedauzrte, den Antragstellern eine befriedigende Auskunft niht geben zu können. Redner ging auf die Geschihhte des Landwehrkanals ein, welhe im Abgeordnetenhause verhandelt worden sei. Die Stadt Berlin sei seiner Zeit aufgefordert worden, die Kosten für den Umbau des Kanals mit tragen zu helfen. Dies habe sie abgelehnt und erklärt, daß sie in feiner Weise sich mit einem Beitrage betheiligen könne. Die Staats- regierung könne, ohne durch das Haus hierzu veranlaßt zu werden, keine Schritte in dieser Beziehung thun. Sollte das hohe Haus den Petenten entgegen kommen, daß also die Stadt Berlin besser gestellt werde als andere Orte, so würde dies der früheren Ansicht des Hauses widersprehen. So wie die Sachen zur Zeit lägen, glaube die Staatsregierung, sih zu dem Antrage ablehnend verhalten zu müssen.

__ Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, er halte es für bedenklih, durch einen Antrag, wie der vorliegende sei, die Regierung zu veranlassen, in die Verwaltungsmaßregeln einzugreifen. Da die Angelegenheit aber nun durh den Antrag einmal eine solche präzise Form und Bedeutung er- halten habe, so möhte er sih und seine politischen Freunde vor jeder Mißdeutung bewahren, und er sage deshalb, daß sie das Vorgehen der Königlichen Staatsregierung für ein gerehtes hielten. Wenn das Haus darum den Antrag, wie er hoffe, mit Hülfe des Centrums ablehnen werde, so möchte ex den Herren auf der Linken von vornherein den Vorwurf, den sie der Rechten machen könnten, abschneiden, daß sie mit diesem ihrem Votum beweise, kein Fnteresse für Berlin zu haben. Die Linke möge sich vielmehr an die Berliner Stadtverwaltung wenden, und diese zu bewegen suchen, daß sie die nöthigen Zufahrtstraßen herstelle. Daran möge man festhalten: der Staat regulire die große Wasserstraße, und die Stadt Berlin jorge für die nöthigen Ausladepläge und Zufahrtsstraßen.

Der Abg. Löwe (Berlin) erklärte, es handele si hier gar nit um die Anlage neuer Ladestraßen, sondern nur darum, ob ein altes Neht aufrecht erhalten oder durch die Regierung ver- nichtet. werden solle. Nachdem man den Kanal mit Aufwen- dung großer Mittel erbaut habe, dürfe man fih doch auch die Ausnußung desselben niht entgehen lassen. Man sage, die Stadt Berlin müsse die Kosten für die Anlage von Ladestellen tragen. Aber Berlin habe durch die Veränderung der Straßen- linien, die durch den Umbau des Kanals nöthig geworden sei, son Kosten genug gehabt, und die Herstellung von Auslade- straßen falle selbstverständlich der Behörde zu, welche die Flüsse regulire. Aber, wie er bereits bemerkt habe, durch den An- trag Büchtemann würden der Negierung keine Kosten er- wachsen, denn der Antrag wünsche niht die Anlage von Ladestellen, sondern nur, daß der frühere Zustand wiederher- gestellt werde.

Der Regierungskommissar bemerkte, daß man dem Staate nicht zumuthen könne, die Kosten für die Herstellung von Ladestraßen zu tragen. Das sei Sache der Stadt Berlin, da auh der Verkehr, um den es si handele, lokaler Natur sei.

__ Der Abg. Büchtemann hob hervor, daß der Antrag gar nicht verlange, daß der Staat neue Ausgaben machen solle. Es frage sich allein, ob die Ausladungen in der früheren Weise am Kanal vorgenommen werden dürften, was die Uferbefestigungen zuließen. Vielleiht wolle die Regierung mit ihrer Zurückhaltung nur einen Druck ausüben, und die Stadt Berlin zwingen, Ladestellen und Ladestraßen anzulegen. Das sei eine verkehrte Anschauung, daß der Verkehr auf dem Kanal lokaler Art sei. Mehr als die Stadt Berlin, würden die Fnteressenten draußen, die Ziegelbrenner und Landwirthe, geschädigt.

Der Regierungskommissar betonte, der Abg. Büchtemann habe dieselbe Nede shon 1880 einmal gehalten, aber fkein Glüd damit gehabt. Die Regierung habe in loyaler Weise das Bauprogramm ausgeführt, für welches ihr vom Hause das Geld bewilligt worden sei.

, Der Abg. Dirichlet verwahrte das Haus gegen eine der- artige Kritik, zu welcher der Negierungskommissar nicht befugt sei. Was würde man am Ministertishe sagen, wenn von seiner Partei Jemand sage: der Minister oder Kom- missar habe früher einmal zu dieser Angelegenheit gesprochen, aber das Haus habe seine Meinung nicht gebilligt. Es scheine fast, als ob die Herren am Negierungstish der Reihe nach das Verlangen spürten, ihr Müthchen an dem Hause zu fühlen. Dagegen erhebe er Protest. Der Antrag des Abg. Büchtemann liege weniger im Jnteresse der Stadk Berlin, als der Landwirthschaft. Der Regierungskommissar habe sich übrigens merkwürdig harthörig gezeigt. Derselbe spreche immer von Ausgaben, während der Antrag Büchtemann Ausgaben gar nit verlange.

Der Abg. Bachem {lug vor, den Antrag Büchtemann an die Budgetkommission zu verweisen.

Die Diskussion wurde hierauf geschlossen und der An- trag Büchtemann an die Budgetkommission verwiesen.

Der Rest des Etats des Ministeriums der öffent- lichen Arbeiten, sowie der ganze des Ministeriums für Handel und Gewerbe wurden ohne Debatte unver- A 8

eim Etat der Justizverwaltung brate der Abg. Berger eine Beschwerde über die Handhabung ba Grundbuh- ges2ßes im Bezirk von Ehrenbreitenstein vor.

Der Justiz-Minister Dr. Friedberg erklärte, daß er von der Beschwerde keine Kenntniß habe, aber die Provinzial- behörden zur Untersuhung veranlassen werde.

Der Abg. von Wierzbinski bedauerte, daß so viele Re- dacteure polnischer Blätter verurtheilt würden ; es scheine fast, als ob man in Posen nah Jnstruktionen von oben her An- klage erhebe, verhandele und verurtheile. Mit Ausnahme zweier Blätter hätten alle in Posen erscheinenden Blätter ihre Redacteure im Gefängniß. Außerdem beständen auch vielfache Klagen Über die Behandlung der Redacteure, namentli über die Heranziehung zur Arbeit ; man habe sie mit Dütenkleben und ähnlichen Arbeiten beschäftigt.

Hierauf ergriff der Justiz-Minister Dr, Friedberg das

jür das Verbot der Ausladung nicht erbracht werden. So

Wort:

Da der Herr Abgeordnete, welcher die Tribüne eben verlassen hat, feine Rede beim Juftizetat angebracht, so muß ih wohl glauben, daß er eine Beschwerde gegen die Rebtsprechung in der Provinz

ib diese Beschwerde als eine unbegründete zurückweise. Jch kann mich mit dem Herro Abgeordneten nicht in eine Diskussion über die literar- historische Entstehung des sogenannten Nationalliedes einlassen, ih kann mich au darauf nicht einlassen, ob eine geftickte Decke, weil sie in einer Kirche angebraht worden, den Frieden zu stören geeignet ci oder nicht. Ich beschränke mih darauf, die Behauptung, daß von oben her die Staatéëanwälte und die Gerichte zu einer besonderen strengen Verfolgung der polnischen Presse angewiesen sein müßten, hiermit als eine falsche zurüdzuweisen. Eine solde Verfügung ist niemals vom Ministerium ausgegangen, und wenn die Staats- anwälte, die Gerichte in dem Großherzogthum Posen eine geritliche Verfolgung einleiten, so thun sie das wie der Herr Abgeordnete mir mit Recht glaubt imputiren zu sollen auf Grund des Ge- seßes und auf Grund ihrer Ueberzeugung.

__ Was beabsichtigt der Herr Abgeordnete mit diesen Klagen hier ?! will er mi etwa bewegen, daß ich in die Nechtsprehung eingreife ; soll ich den Staatsanwälten gebieten, da, wo ste eine strafret-

lide Verleßung des Geseßes finden, die Augen zuzudrücken, und foll ich den Gerichten insinuiren selbs wenn ih das wollte, ich föônnte es ja gar niht sie möcbten doch in

solhen Fällen möglichst milde urtheilen? Nein, die Staatsanwälte und die Gerichte sind an das Gefeß gebunden, und wer das Gefetz nicht erfüllt, der würde pflihtwidrig handeln, am pflichtwidrigsten aber der Minister, der auf die Richter einzuwirken suchen wollte. Seien Sie also überzeugt, daß Jhre Reden weder mich in meiner Amtsführung beirren, noch daß Sie damit cine andere Recbtsprechunga in der Provinz Posen herbeiführen werden! Sie sagen, ganz unge- wöhnlih viel Redacteure Jhrer Zeitungen sitzen im Gefängniß. Ich antworte hierauf : Das ift der Fall, weil ganz ungewöhnlich viel Redacteure in der Provinz das Gesetz verleßt haben; denn sonst säßen sie eben nicht im Gefängniß.

Damit glaube ih diesen Gegenstand verlassen zu können und dem Herrn Abgeordneten genügend geantwortet zu haben.

Der Abg. von Wierzbinski citirte cine Bemerkung des „Berliner Tageblattes“ zu der Zusammenstellung polnischer Blätter über die zahlreihen Verurtheilungen von polnischen Redacteuren; das Blatt habe bedauert, daß nicht aus allen: Landestheilen derartige Zusammenstellungen gemacht würden ; dann könnte das Volk sehen, welhen Drangsalen diejenigen N seien, welche muthig für das Recht des Volkes ein- räten.

Der Abg. von Uechtriß-Steinkirh regte die Frage der Vermehrung der Meineide an. Die Vermehrung der Mein- eide sei größer, als nah der Publikation des Geheimraths. Starke angenommen sei. Das liege daran, daß ein großer Theil der Meineide niht mehr verfolgbar sei, weil die Grund- lage der Verfolgung fehle. Die Protokolle nämlich in den öffentlihen Gerichtsverhandlungen seien durchaus mangelhaft, da die detaillirten Aussagen nit verzeichnet seien, so daß man später nicht genau fesistellen könne, wie eine Aussage gelautet habe. Er richte daher an den Justiz-Minister die Bitte, dafür sorgen zu wollen, daß die Protokolle cine genaue Auskunst über die Aussagen der Zeugen gäben.

Demnächst nahm wiederum der Justiz-Minister Dr. Fri ed- E Wort: D i a

er Herr Abgeordnete hat allerdings cinen wunden Punkt au dem Gebiet des Prozeßverfahrens berührt, nämli die O Registrirung dessen, was in der mündlihen Verhandlung vorkommt... Ich will nicht darüber mit ihm streiten, ob manche Meineidéprozesse nur deshalb unterbleiben müssen, weil der Thatbestand des geleisteten Meineids nicht genügend aus dem Protokoll hervorgeht. Jedenfalls habe ih {on vor zwei Jahren mich zu der Verfügung veranlaßt gesehen, die Gerichte möchten die Protokolle über die mündlichen Ver- handlungen ausführlider aufnehmen, als dies oft geschieht, und ich glaube, daß die Erwähnung dieser Verfügung hier an diesem Ort vielleiht dazu beitragen wird, {sie von Neuem den Gerichten in Erinne- rung zu bringen.

Der Abg, Simon von Zastrow erklärte, der Abg. v. Wierz-- binsfi habe heute den Richterstand in unerhörter Weise an- gegriffen. Er glaube auc, derselbe sei nicht ganz der Trag- weite seiner Behauptungen bewußt gewesen. Was früher straflos gewesen sei, solle jeßt strafbar geworden sein. Der gesammte Nichterstand in Posen solle unter einem Einfluß: von oben her stehen. Es sei das etwas, was bisher nicht einmal gedacht, geschweige gesagt worden sei, den Richterstand einer ganzen Provinz in solher Weise zu verdähtigen. Natür- lih seien unter besonderen Umständen die Strafen härtere: als sonst; wenn man zu einer aufgeregten Volksmenge etwas sage, die dadurh noch mehr aufgestachelt werde, so müsse eine härtere Strafe erfolgen als sonst.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Vorredner irre,. wenn derselbe meine, daß die Unparteilichkeit des preußischen Nichterstandes zuerst in diesem Hause bezweifelt worden sei. Der Vorredner erinnere fih wohl nicht, daß sie von Nie- mandem schärfer angegriffen worden sei, als vom Reichs- kanzler selber, in jener bekannten Rede vom 3. März 1881,, worin derselbe den Richterstand wegen zu gelinder Beurthei- lung von Bismarckbeleidigungen angeklagt habe. Durch die- heutigen Ausführungen des Abg. von Uechtrig sei der Ein- druck, den er von der Objektivität der bekannten Rede: des Geheimen Raths Starke über die angeblihe Zunahme der Verbrechen gehabt habe, durhaus nicht erschüttert worden. Dem Abg. von Wierzbinski aber erwidere er, er stehe den Posener Verhältnissen zu fern, um beurtheilen zu können, wie- weit die Beschwerden der Polen berechtigt seien, jedenfalls aber wür- den die Klagen desselben über die Beschränkung der Preßfreiheit: auf ihn (den Redner) viel größeren Eindruck machen, wenn nicht eben jene Herren der polnischen Fraktion im Reichstage den Aus- {lag gegeben hätten für die Einführung einer neuen Beschrän- kung der Preßfreiheit gegen den Protest aller Liberalen. Nach- dem der Reichstag die polizeilihe Beschränkung der Druck- schriftenkolportage in zweiter Lesung abgelehnt gehabt habe, hätten jene Herren dur ihr zahlreiches Ecscheinen bei der: dritten Lesung eine Mehrheit für jene Beschränkung herbei-- geführt. Schon jeßt seien über die in Folge dessen von der- Polizei getroffenen Maßregeln in vielen Theilen Deutschlands. Klagen laut geworden; eine sächsische Polizeibehörde habe die- Werke des Dichters Theodor Körner von der Kolportage aus-- geschlossen, „weil sie zu sittlihem oder religiösem Aergerniß: Anlaß geben Tönnten“. Wenn der Abg. von Wierzbinski also: wolle, daß seine Beshwerden mehr * Beachtung finden sollten, dann sage derselbe seinen Kollegen im Reichstag, sie sollten aufhören, dort reaktionäre Bahnen zu wandeln.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski bemerkte .dem Minister- gegenüber, daß es in verschiedenen Gegenden der Provinz. Posen heiße, daß der Minister von dem Chef des dortigen Ober-Landesgerichts Bericht über die einzelnen Urtheile ein-- gefordert habe, in welchen die Gerichte gegen die Redacteure zu milde verfahren seien, Au der bekannte Muster-Präsident von Kunowski solle sich derartige Berichte erfordert haben,

und die Namen der betheiligten Richter sich haben nennen lassen.

Sawsen hat anbringen wollen. Nur darum ergreife ich das Wort, weil:

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Er frage den Minister, ob demselben hiervon etwas bekannt sei? Dem Abg. Richter erwidere er, daß die polnische Frafk- tion nur deshalb und zwar mit s{werem Herzen den die Kolpartage einshränkenden Beschluß im Reichstage gefaßt habe, weil Posen vielfach durch eine Kolportage heimgesucht worden sei, die die Gefühle beleidigt habe, und bestrebt ge- wesen sei, die polnische Literatur durch eine s{lechte deutsche Literatur zu verdrängen.

Der Justiz-Minister Dr. Friedberg erwiderte:

Meine Herren! Es kann {on zweifelhaft sein, ob es die Auf- gabe am Regierungstis{he sein muß, unrichtige Thatsachen, die be- hauptet werden, jedesmal zu de8avouiren; denn mit dieser Form fann man allerdings sehr leiht die Regierung in Verlegenheit bringen, ohne daß sie gerade in dem Augenblick im Stande wäre, das, was als thatsächlich behauptet wird, zu widerlegen. Aber, meine Herren, wenn man nun gar so weit geht, zu sagen: in unserer Provinz giebt es ein on dit, ih weiß ¿war nicht, ob es wahr ift, aber „es heißt so“, und es wäre doch erwünscht, wenn der Herr Minister das widerlegte fo erkläre ich Ihnen, daß ic eine solche Widerlegung einem solchen: on dit gegenüber, für unwürdig eines Ministers halten würde.

Treten Sie mit Thatsachen hervor, dann werde ih die That- fachen zu widerlegen suchen; aber auf Ihr bloßes „es beißt“, „man sagt in der Provinz®*, „wir haben gehört“, darauf gebe ih feine Antwort.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, diese Fragen seien allerdings epinöser Natur. Er nehme aber an, daß in der ersten Erklärung des Ministers zugleich aber auch eine Desavouirung der Behauptung habe liegen sollen, als ob auf preußishe Richter der Provinz Posen irgend welcher Einfluß von oben her ausgeübt würde. Jndessen bitte er den Minister, sich noch über die Frage der Behandlung der Redac- teure in den Gefängnissen zu äußern. Dem Paragraphen betreffs der Beschränkung der Kolportage habe er zugestimmt, aber in dem vollen Bewußtsein, damit nihts Neaktionäres zu thun. Erstens stehe den von den polizeilihen Beschränkungen Betroffenen der Beshwerdeweg offen, zweitens seien so viele unsittliche und unreligiöse Bücher kolportirt worden, und habe der Kulturkampf in Preußen auf Religion und Sitte bereits so verderblich eingewirkt, daß seine Partei genöthigt gewesen sei, der Beschränkung zuzustimmen. Helfe man die Freiheit der Kirche herzustellen, und man werde viel weniger Polizei und Gensd’armen nöthig haben,

ai Hierauf ergriff der Justiz-Minister Dr. Friedberg das ort:

Meine Herren! Ich muß dem Hrn. Abg. Windthorst erwidern, daß die Gefängnisse in Posen unter der Aufsiht der Justiz stehen. Wenn der Herr Abgeordnete meint, daß die zu Gefängnißstrafe ver- uriheilten Redacteure dort in einer unangemessenen Weise in den Gefängnissen behandelt würden, so tritt diese Er- klärung und diese Beschwerde mir hier zum ersten Male entgegen. Denn mir ift nicht erinnerlich, daß ein Redacteur selbst sich über die Behandlung, die ihm in dem Gefängnisse zu Theil geworden i}, beschwert hätte. Würde er sich besbweren, fo wäre es meine Pflicht, die Beschwerde zu untersuhen, und wenn sie begründet ist, ihr abzuhelfen. Die Thatsache aber, daß ein zu Ge- fängnißstrafe verurtheilter Redacteur in dem Gefängnisse zu einer Arbeit angehalten wird, die in dein Gefängnisse hergebracht ift, diese Beschwerde würde ih freilich als eine niht begründete zurül- weifen müssen, weil das Sirafgeseßbuch ausdrücklih bestimmt, N die zu Gefängnißstrafen Verurtheilten in einer Gefangenenanfstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden müssen. (Ruf links: Düten kleben!) Au ich glaube, daß wenn gerade von Dütenkleben, als eine den Redacteuren angesonnene Arbeit, die Rede gewesen ist, i eine solche Bcschäftigung, einem Redacteur angesonnen, nicht billigen möchte, vielmehr annehme, daß, wenn eine Beschwerde darüber an mich käme, ih cs wohl der Erwägung der Gefängnißverwaltung anheim geben würde, ob man einen Mann von diesem Bildungsstand nicht besser in einer anderen Weise als mit Dütenkleben beschäftigen könne. Damit würde aber auch der Kreis dessen, was ich auf Beschwerden thun könnte, voraus- sichtlich ershöpft sein. Jedenfalls aber und vor allen Dingen bitte i, solhe Beschwerden nicht hier nachträglich anzubringen, sondern rechtzeitig, nämlih dann, wenn der Betreffende selber sich noch im Gefängnisse befindet, weil ich möglicherweise dann noch Abhülfe \chaffen kann, während nachträglich angebrachte Beschwerden dem Betheiligten nichts helfen. -

Der Abg. Götting warnte davor, den Protokollen der Schwurgerihte und Straskammern bei der Beurtheilung etwaiger auf sie gegründeter Meinecidsanklagen einen zu hohen Werth beizulegen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, daß der Abg. Windt- horft der Beschränkung der Kolportage im Reichstag zugestimmt habe, sei leider wahr. Er habe dem Abg. Windthorst die Folgen damals voraus“ gesagt. Jene vorhin erwähnte sächsische Polizeibehörde habe auch bereits das Kolportiren katholisher Gebetbücher verboten. Nach den Erfahrungen, die das Centrum bereits mit diskretionären Vollmachten der Regierung gemacht habe, hätte das Centrum ihr um so weniger neue disfretionâre Befugnisse geben sollen. Nah der Erklärung des Abg. von Jazdzewski hätten die Polen die Kolportage beschränkt, um so die Polizei für das polnische Nationalgefühl anzurufen. Sie könnten sich niht wundern, wenn sie so aus Gefühlspolitik nah Polizei riefen, daß sich dann auch vielleiht hier und da Gefühlspolitik in die Richter- sprüche mische. l i

Bei Kap. 74 Tit. 18 (Hülfsarbeiter bei den Landgerichten) beschwerte sih der Abg. von Strombeck über die Nothlage der gerichtlichen Lohnschreiber und richtete an die Gerichtspräsi- denten die Bitte, sih der Lohnschreiber anzunehmen.

__ Bei Kap. 75 (Gefängniß-Verwaltung) kam der Abg. Dr. Windthorst auf eine Bemerkung des Justiz-Ministers zurü, wonach derselbe behauptet habe, daß ihm keine Beshwerde über s{lechte Behandlung der Redacteure im Gefängniß vor- gelegt worden sei. Diejenigen, welche im Gefängniß säßen, seien nicht in der Lage, sih zu beshweren, und darum sei es doppelt Pflicht der Justizverwaltung, diese Verhältnisse zu

untersuchen, Die Behandlung der Redacteure sei in dem A durchaus niht immer ihren Fähigkeiten ent- prechend.

Der Abg. Dr. Majunke that in einem Beispiel aus dem Ge- fängniß zu Plößensee, einer Anstalt, die als eine Muster- anstalt hingestellt werde, dar, daß der Abg. Windthorst mit seinen Behauptungen Recht habe. Er (Redner) habe einen längeren Aufenthalt dort nehmen müssen, jedoch sei dies ein steter Konflikt zwischen ihm und dem Direktor gewesen. Jhm als Redacteur sei nicht erlaubt worden, dreiZeitungen halten zu dürfen, nur eine Zeitung sei ihm gestattet worden. Seine Beschwerde an die Beschwerdekommission, welche allmonatlih einmal in der Anstalt zusammentrete, sei erfolglos gewesen, und auf seine Bemerkung, sich an den Minister wenden zu wollen, habe man ihm gesagt, hiex im Hause sei die Kommission die oberste Behörde. Darüber hinaus gebe es keine Appellation. Redner konstatirte, daß es unter diesen Umständen kein Wunder

se ann der Minister keine Kenntniß von den Beshwerden erhalte. Der Rest des Etats des Justiz-Ministeriums wurde ge- nehmigt. S

* gs vertagte \sih das Haus um 4°/, Uhr auf Dienstag 11 E.

Die in der gestrigen (57.) Sißung des Hauses der Abgeordneten bei der dritten Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr vom 1. April 1884/85, nach dem Regierungs- fommissar, Unter-Staatssekretär Meinecke, resp. nach dem Abg. Batem vom Minister der öffentlihen Arbeiten Ma y- bah gehaltenen Reden hatten folgenden Wortlaut :

Der Antrag, meine Herren, der Ihnen unter Nr. 137 der Druck- sachen vorliegt, bezieht sich auf sämmtliche Etats und, wie ih an- nehmen darf, na den Worten tes Herrn Mitantragstellers insbeson- dere auf den Etat der Eisenbahn- und der Bergwerkëverwaltung. Ich fühle mi aufgefordert, um so mehr auf diesen Antrag etwas zu er- widern, als son bei den früheren Diskussionen leider in meirer Abwesenbeit ich konnte richt gegenwärtig sein auf diefen Theil meines Ressorts besonders Bezug cenommen und besondere Vorwürfe daran geknüpft worden sind. Ich muß vorauss{chicken, meine Herren, daß der Brauch, den tich in der Verwaltung vorgefunden und bis jetzt konservirt habe, sowohl in der Eifenbahn- wie in der Bergwerks- verwaltung ein sehr alter ist, daß er, wenn ih nicht irre, {on 20 Jahre vielleicht besteht, und daß cs, wie Sie anerkenuen werden, für cinen Verwaltungschef außerordentliß \{chwierig sein wird, einen sol@&en Brauch, mag er nun nach diesen oder jenen Prinzipien gehandhabt werden, zu beseitigen, Aber, meine Herren, wie in vielen anderen Dingen würde ih mich davon nicht abhalten lassen, sobald mir nachgewiesen wird, daß ih mich auf einem ver- ehrten Wege befinde. Das erkenne ih indeß ait an. Es ift richtig, meine Herren, daß in der Eisenbahnverwaltung Remunera- tionen und Unterstüßungen, und ins8bescndere Remunerationen zu Weihnachten in größerem Maße gewährt werden. Dasselbe gilt für die Bergwerksverwaltung. Daß sie gerade zu Weihnachten in größerem Umfange gewährt werden, hängt zusammen mit dem früheren Rech- nungsjahr. Als mit dem 1. Januar das Rechnungsjahr be- gann, hatte man eine genaue Uebersicht Über diejenigen Mittel, welche zu außerocdentlichen Remunerationen zur Verfügung standen. Das hat sih nun geändert; wir haben den 1, April als Beginn des Rechnungsjahres angenommen, und gleihwohl ist man bei dem Weihnachtsfest stehen geblieben. Die Summen, die in dem Etat ausgebracht sind bei der Bergwerksverwaltung, wie bei der Eisen- bahnverwaltung, sind nah denselben Grundsäßen bemessen, wie in den übrigen Etats, Die formelle Berechtigung, an diesen Summen theilnehmen zu lassen innerhalb der zulässigen Grenze auch die höheren Beamten, werden Sie nach Lage des Etats nicht bestreiten können, weil dort nicht blos von den Sukbalternkeamten und Unter- beamten der Centralbehörden die Rede ist, sondern von Remune- rationen und Unterstüßungen für Beamte, und wenn Sie nun die Etats der übrigen Verwaltungen durchgehen, so werden Sie finden, daß sih unter demselben Ausdruck Summen ausgeworfen finden für Beamte in dem Etat des Herrenhauses, in dem Etat des Abgeord- netenhauses, in dem Etat der direkten Steuern, in dem Etat der indirekten Steuern, in dem Etat der Lotterieverwaltung, in dem Etat der Münze, der Forstverwaltung, der Domänen, der Forsten, des Zeughauses, des Handels- Ministeriums, des Statistischen Bureaus, der Auseinanderseßzungs-Behörden, überall ift nit blos von Sub- alternbeamten, sondern von Beamten im Allgemeinen die Rede, und daraus wird man die Befugniß \{chöpfen können, in außergewöhn- lichen Fällen nicht blos an die Subalternbeamten, sondern an alle Beamte Remunerationen zu gewähren. Wollen Sie dem Anirag, wie er vorliegt, näher treten und nicht bei den früheren Beschlüssen bleiben, dann wlirde es meines Erachténs richtig sein, den Äntrag der Budgetkommission zu überweisen.

Gehe ih nun zurück auf das, was schon bei früheren Berat=un- gen von Seite des Herrn Finanz-Ministers erwähnt worten ift, \o werden Sie mir und ich glaube, der Hr. Abg. Rickert wird auch der Meinung sein das zugeben müssen, daß so wenig wie für Unterstüßungen, so wenig auch für außerordentliche Remunerationen eine Verwaltung, insbesondere eine Betricbsverwaltung, Fonds ent- behren kann, und zwar sowohl für Subalternbeamte, als für höhere Beamte. Das Anerkenntniß, daß ein Bedürfniß für außerordentliche Remunerationen für höhere technisbe Beamte vorliegt, glaube ih daraus entnehmen zu können, daß Sie im vorigen und in diefem Fahre im Etat der Bauverwaltung für außerordentliche Dienstleistungen besoldeter technisher Beamten cine besondere Summe bewilligt haben, und, meine Herren, gerade bei den technischen Be- amten ift es doch von großer Wichtigkeit, daß man ihre Leistungs- fähigkeit in einem möglichst hohen Maße anspannt, daß man ihnen die Freudigkeit an dem Beruf erhalte und fie nicht blos auf das leider zu karge Gehalt verweist. Wir haben auch Konkurrenz in der Heranziehung tüchtiger technischer Beamten durch die Privatindustrie und durch das Ausland, und wenn wir nicht etna; dafür thun fönnen, um diesen Beamten ihre außerordentliche Mühwaltung und ihre besonderen Autlagen zu vergüten, dann wird cs nicht möglich sein, auf die Dauer gute Beamte zu erhalten, wie wir es doch wünschen müssen. :

Damit ist nit gesagt, daß man diese Gratifikationen oder Remunerationen, wie Sie es nennen wollen, als pars gsalarii überweisen soll, diese Bedeutung soll die Gratifikation nicht haben, und darin stimme ih dem Hrn. Abg. Rickert bei. Sind die Gehälter nicht ausreichend, dann joll man darauf Bedacht nehmen, sie zu verbessern, aber eine Remuneration foll cine Anerkennung besonderer Verdienste, besonderer Leiflungen sein. Wenn über diesen Rahmen hinaus gegangen ist, so ist es’ vielleiht hier und da im Drange der Verhältnisse geschehen, aber grundsäßlich ist das, wie ih anerkennen muß, nicht korrekt.

Aus diejen Gründen kann ih erklären, daß ih an fih kein

reund von diesen sogenannten Weihnachtsgratifikationen bin. Ich in der Meinung, daß die Gratifikation gegeben werden soll, wenn der besondere Anlaß eben hervorgetreten ift, und nit zu bestimmten Jahreszeiten. Daß ich dieser Meinung bin, kann ih belegen durch Erlasse, die ich im vorvorigen Jahre habe ergehen lassen an die Direktionen und in welchem ih ausdrücklih Folgendes gesagt habe :

„Die unter Ausgabe Tit. 8 des Betriebsetats vorgesehenen Mittel sind soweit sie niht zur Unterstüßung bedürstiger Beamten in Arspruch genommen werden vorzugsweise dazu bestimmt, tüchtigen Beamten, welche sih bei guter Führung durch hervorragende dienstliche Leistungen auszeichnen, eine Anerkennung zu gewähren. Dieser Zweckbestimmung entspricht es, die ‘Bes willigung von Remunerationen für außergewöhnliche Mühe- waltungen und Anstrengungen s\chon im Laufe des Jahres, fobald die Veranlassung dazu vorliegt, sofort eintreten zu lassen bezw. wenn die im einzelnen Falle als angemessen er- abteten Beträge die Kompetenz der Königlichen Direktionen über- schreiten, bei mir in Antrag zu bringen.

Im Uebrigen finde ich nichts dagegen zu erinnern, daß Remu- neralionen, welhe mit Rücksiht auf fortdauernd gute Dien stleistungen und treue Pflichterfüllung gewährt werden sollen, wie bisher zu bestimmten Zeitabschnitten, in welchen den Beamten eine finanzielle Beihülfe besonders erwünscht zu sein pflegt, in größerem Umfange gleichzeitig erfolgen. Bisher ift als ein für dergleichen Bewilligungen besonders geeigneter Zeitpunkt das Weihnachtsfest, welches früher nahezu mit dem Abschluß des Rechnungsjahres zusammenfiel, angesehen worden. Nachdem hierin inzwischen dur die Verlegung des Etatsjahres auf die Zeit vom 1. April bis Ende März eine Aenderung eingetreten ist, bedarf es der Erwägung, ob mit der Bewilligung von Remunerationen der gedachten Art nicht zweckmäßiger zu einem andern Zeitpunkte,

etwa bei Beginn des Winters, wo die Beamten zu mannigfachen

Aufwendungen behufs Beschaffung der Bedürfnisse für die winter- liche Jahreszeit genöthigt find, vorzugehen sein möchte.

Die Königliche Direktion wolle hiernach, sofern niht besondere, eventuell sofort einzuberihtende Bedenken geltend zu machen sein follten, künftig verfahren

Fch babe am 29. August 1882 dann wiederholt hervorgehoben und gesagt: ihr sollt im Laufe des Jahres, wenn Veranlaffung vorliegt, diese Anerkennung in Form von Remunerationen gewähren und hinzugefügt:

„Soweit hierüber hinaus noch Beträge vorhanden sind, um mit Nücksicht auf fortdauernd gute dienstliche Leistungen und treue Pflichterfüllung Remunerationen zu gewähren, will ih es dem pflibtmäßigen Ermessen der Königliten Direktion überlassen, die Vertheilung derselben zu dem von ihr nach Laae der Verhältnisse für geeignet erachteten Zeitpunkte (Anfang des Winters, Weihnachts- fest, Jahres\{luß u. #. w) vorzunehmen.“

Die Sache liegt nach der Organisation so, daß Beträge bis zu 390 M der selbständigen Vertheilung der Direktionen unterliegen und nur für böbere Beträge meine Genehmigung einzuholen ist; die Ent- scheidung liegt also na diescn Grundsätzen in der Hand der Pro- vinzialbehördz. Daß dabei, wie behauptet worden ist, mit Willkür verfabren sei, ist mir bis dabin nicht zu Ohren gekommen.

Ein spezieller Fall, der fih der Remedur entzöge, is mir nicht mitgetheilt worden, noch weniger ein so!%-z wo ich Remedur hätte eintreten lafsen können, Indessen, meine Herren, ift es bekannt: wenn Remunerationen zum Weihnachtsfest oder zu anderen Zeiten vertheilt werden, so werden alle Diejenigen, die überaangen sind. unmfrieden sein. Sehr selten, meine Herren, ist gerade Derjenige, dessen Leistunfen die am wenigsten befriedigenden \ind, in der Lage, dies anzuerkennen; er glaubt, daß ex auch Anrecht auf Anerkennung hat, und diese Un- zufriedenen werden in der Regel auch nach außen ihre Unzufriedenheit kund geben. Diese Unzufriedenheit werden sie nie aus der Welt \{afen.

Die Anregung, die unter Nr. 3 des Antrages gegeben ist:

Das System der Weißnachtegratifikation zu beseitigen und den

dafär bisber zur Verfügung gestellten Betrag zu einer ausreichen-

deren Befoldung der Beamten mitzuverwenden, Tönnte ih ja etwa in der vorerwähnte Beziehung acceptiren, aber

ih möhte doch nun fragen: wie soll denn dieser Dis-

positionsfonds verwendet werden? Soll er allen Beamten gleihmäßig zugelegt werden ? Dann würde nach meiner

Kenntniß z. B, der Eisenbahnverwaltung das Maximum, was man den Beamten an Gehaltszulage gewähren könnte, vielleicht 1 9e sein, vielleiht nur # °/o. Oder foll er einzelnen Kategorien zugewiesen wer- den? Dann würde ich bitten, mir diejenigen Kategorien zu bezeichnen, bei denen das besonders angezeigt ift. Richtiger ift es, die Angelegen- heit zu regeln, wenn wir zu der allgemeinen Gehaltsaufbesserung kommen. Ich möchte deshalb, meine Herren, Ihnen nicht sagen, daß ih nicht mit manchen dieser Prinzip:2n: nicht einverstanden wäre, aber ich glaube nicht, daß die jelzt vorliegende Veranlassung gerade die geeignete ist, die Angelegenheit auf dem Wege zu reaeln, der JIbnen da vorgeschlagen ist. Wollen Sie ihr aber hier näher treten, meine Herren, darn möchte ih anheimgeben: prüfen Sie die Ange- legenheit in der Budgetkommission bei jedem Etat besonders, und Sie werden sih überzeugen, daß die Angelegenheit richt so leicht zu regeln ist, wie man sh vorstellt. Im großzn Ganzen möchte ih Sie bitten: bleiben Sie bei den Beschlüssen der zweiten Lesung.

Meine Herren! Nur wenige Worte zur Ergänzung dessen, was ih vorher die Ehre hatte, Ihnen vorzutragen; zum Theil auch zur Erwiderung auf die Bemerkungen des Hrn. Abg. Büchtemann. Ich habe vorher angeführt, daß spezielle Fälle, die mih davon über- zeugt hätten, daß bei der Vertheilung von Remunerationen und Unterstüßungen ungerecht verfahren sei, daß ohne genügende Er- mittelung der vorliegenden Verhältnisse, ohne genaue und gerechte Prüfung der Bedürfnißfragé und der Würdigkeitsfrage Nenumerationen und Unterstüßungen vertheilt oder versagt seien, nicht zu meiner Kenntniß gekommen sind. Jch glaube auc die Anschuldigung, daß bei den Provinzialbehörden die Vorschläge für solche außerordentliche Anerkennungen rwoesentlih in den Händen von Subaltern- Beamten lägen, nicht als begründet zugeben zu können. Fch muß annehnen bis zum Gegenbeiweise, daß jeder Beamte, der in dieser Angelegenheit ein Urtheil abzugeben hat, das nur nach forg- fältiger Prüfung der Umstände thut. Würde mir ein anderer Fall zu Ohren kommen, so würde ih niht anstehen, Remedur eintreten zu lassen. Die Gunst oder Ungunst eines Subalternbeamten darf bei der Entscheidung darüber, ob eine Remuneration oder Anerkennung zu gewähren ist oder nit, niht tie entscheidende Rolle spielen. Wir müssen versuched; soweit mensliche Kräfte reichen, fo gerecht zu ver- fahren wie möglih. Ih würde etwaige Bestrebungen, die dahin zielen sollten, von diesem Wege abzuweichen, mit allen Nadrud zurücweisen. i;

Dann, meine Herren, ist hingewiesen worden auf das Bedürfniß, auch böheren Beamten in Form von Remunerationen außerordentliche Anerkennungen zu gewähren. Der Hr. Abg. von Heydebrand hat bereits die Güte gehabt, darauf hinzuweisen, daß es in der gegenwärtigen Zeit, wo die Eisenbahnverwaltung durch die Organisation, durch außerordentliche Aufgaben zur Verbesserung der Verkehrseinrihtungen so schr in Anspru genommen ist, wahrlich gerechtfertigt erscheint, den Beamten, die sich um diese Entwickelung besondere Verdienste erwerben, auch in der Form von Remunerationen eine Anerkennung zu gewähren. Jh will noch hinzufügen, daß in vielen Fällen diese form gewählt werden muß, um eine Ausgleichung eintreten zu laffen ur Verluste, für unkillige Schäden, die den Einzelnen treffen, ih will mal sagen bei Umzügen, gerade bei der Ueberführung der Privat- verwaltung in die Staatsverwaltung, und daß dazu diese Form für den Augenblick es ift dies ja nur vorübergehend nicht entbehrlich ift, Ich kann au zugeben, daß man die Bezeichnung dieser Fonds vielleicht besser anders wählt, daß man ihnen vielleiht noch eine weitere Fas- sung dahin geben könnte, daß man sagt: „zu Unterstüßungen, Bei- hülfen und außerordentlihen Remunerationen 2c.“ Also, ih glaube, daß si infofern éine Verbesserung herstellen läßt, aber zu entbehren sind die Fonds für diese Zwecke niht; und wenn Bezug darauf ge- nommen ist, daß beispielsweise einem Güterdirektor eine Remune- ration von 2000 f gegeben sei, so mae ich darauf aufmerksam, daß eine solhe Remuneration in der eigentlichen Staatseisenbahn- verwaltung nicht herkömmlich ist; namentlich nicht für einen solchen Beamten dieser Kategorie, sie wird auf vertragsmäßiger Verpflich- tung beruhen, das ift unzweifelhaft. ;

Es ist bei den verstaatlichten Bahnen vielfah üblich gewesen, zum Theil fehr hoße Remunerationen zu geben, worauf diese Beam- ten quasi ein Ret hatten, ihnen diese Remunerationen nun zu ent- zichen, das würden wir sür unrecht gehalten haben. Aus diesen Gründen sind Remunerationen in solhen Beträgen vertheilt worden, wie das sonst in der Staatseiseabahnverwaltung nicht üblich ift, Denn sonst wird selbft den Präsidenten, den Direktionen, wenn sie sich besondere Verdienste um die Organisation, um die Befriedigung be- sondererVerkehrsbedürfnisse erworben haben, nur eine Remuneration bis zu 1200.M gegeben und wie wollen Sie es halten ohne solche Remunerationen, wenn es sich um die Bewältigung bcsonderer Verkehrs\chwierigkeiten um die Beseitigung von Kalamitäten handelt, wie z. B. vor nicht langer Zeit am Rhein? Wenn da den Beamten die E ges währt wird, zu sagen, mein Vorgeseßter hat auch in Form einer Remuneration freundlich meiner gedacht so ist das dem Dienste nur förderlich; ih glaube, ohne solhe Summen würden wir niemals im Stande sein, auszukommen. Und was dke Techniker angeht, so ist ja dort nit eine pcrmanente verdienstliche Leistung zu konstatiren, sondern fine vereinzelte Arbeit, und gerade dafür ihnen eine Aner- kennung zukommen zu lassen, halte ih für durchaus nöthig. z

Nat dem allen kann ih Sie nur bitten, es nah den Beschlüssen zweiter Lesung zu belassen.