1884 / 65 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Mar 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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in Bezug auf beginnende Kurzsictigkeit; ärztlihes Handeln. Mit der Controle der Sehfraft beschäftigt sich im Speziellen die zweite Broschüre; dieselbe enthält zwei Sehproben- Tafeln, von denen die eine zur Auffindung der Kurzsichtigkeit, die andere zur Bestimmung des Grades derselben dienen soll. Der diesen Tabellen angehängte Text ift die „Gebrauchs- onweisung“. und zwar wird zunähst der Zweck der Sehproben- Tafeln auseinandergeseßt und dann Anweisung gegeben, wie die Kurzsicbtigkeit bei Schülern vermittelst der erwähnten Tafeln auf- zufinden und dem Grade na genauer zu bestimmen ist. Sbließlih wird gezeigt, wie man die Tafel T anwenden kann zur Festftellung, ob die Sehkraft Erwachsener zum Zweck einer bestimmten Verrich- tung, welche gute Sebschärfe für die Ferne erfordert, genügend set.

VonDr. E. Goeßingers „Reallexikon der deuts ch en Alterthümer“ ift eine neue illustrirte und sehr erheblih vermehrte Auflage in Vorbereitung. Das vortrefflidbe Nachschlagebuh, welches aleih bei seinem ersten Erscheinen vielen Beifall fand, erscheint bei Woldemar Urban in Leipzig.

Im Verlage von Julius Springer in Berlin ersien soeben die „Chronik des deutschen Forstwesens im Jahre 1883“ (IX. Jahrgang), bearbeitet von W. Weise, ordentlichem Professor am Polytecbnikum zu Karlsruhe und Forftrath. Die Chronik bringt sahgemäß an erster Stelle Personalnachrichten aus dem Gebiet des Forfiwesens aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz ; an zwei- ter Stclle folgt dann ein kurzer Witterungsberiht und eine Darstellung der Wirkung der Jahreêswitterung auf den deutschen Forstbau. Weiterhin findet man interessante, immer an die einshlägigen neu erschierenen Schiiften und wissenschaftlihen Arbeiten geknüpfte Mittheilungen, welcbe sich durch folgende Kapitel-Ueberschriften kennzeibnen: Aus Wirthschaft und Wissenschaft; aus der Geseßgebung; aus der Ver- waltung, dem Versuchêwesen, der Statistik; aus dem Forstunterrichts- wesen; Vereinswesen und Ausftelungen; aus der Literatur. Spezieller beschäftigt si das Kapitel Wirthschaft und Wissenschaft mit dem Waldbau, dem Forstschuß, der Forstgeshichte, der Forftbenußzung und dem Waldwegebau, der Forsteinrihtung, der Holzmeßkunde und der Waldwerthberechnung. In einem besonderen Kapitel wird ferner die „forstlibe Geräthekammer“ in der Weise bearbeitet, daß neue Maschinen, Apparate, Werkzeuge und Instrumente, welhe auf das Forftwesen Bezug haben, aufgeführt und beschrieben werden. Das Büchlein, welches gewiß allen Fahmännern willkommen ist, wird auch anderen Freunden des Forstwesens, besonders durch die literarischen Hinweise, lesenëwerth und nüßlih erscheinen. Der Preis be- trägt 1,20 M

Der Rechtsanwalt Dr. R. Jacobson hat eine mit Anmerkungen verschene Textausgabe des Reichs8geseßes über den Mar kensch{chutz vom 30. November 1874 herausgegeben, welche in dem selben Verlage erschienen ist. Das gedachte Gese hat den Zweck, den Schuytz der Waarenbezeihnungen in ershöpfender Weise zu regeln. Die von dem Verfasser gegebenen Erläuterungen berücksichtigen insbesondere die Materialien des Gesetzes, die einschlagenden sonstigen geseßlichen Bestimmungen sowie die Judikatur des Reichégerichts bezw. des vor- maligen Reihs-Ober- Handelsgerichts. Die von dem Bundesrath zur Ausführung des Gesetzes erlassenen Bestimmungen werden in cinem Anhang dem Wortlaut nah mitgetheilt. Ein kurzes Register erleich- tert die Uebersicht über den Inhalt der kleinen Schrift, welche den rihterlihen Beamten und den betheiligten Kreisen des Publikums ein erwünschtes Hülfsmittel für die Anwendung der Vorschriften des qu. Gesetzes bieten wird. : Veterinärwesen.

Wie aus Stockholm mitgetheilt wird, ist laut Bekanntmachung des Königlib s{wedischen Kommerz- Kollegiums, vom 4. d. M., die Provinz Schlesien als von Rinderpest ni cht mehr befallen erklärt

worden. Gewerbe und Handel.

In der ordentlihen Generalversammlung der Hibernia & Shamrodck, Bergwerksgesellschaft, vom 14. d, M. wurde auf Verlesung des Gescbäftsberich18 pro 1883 verzichtet. Die vor- gelegte Bilanz gab zu Erörterungen keinen Anlaß. Bei der erforder- lihen Neuwahl von Aufsichtsrathsmitgliedern wurden die aus- sceidenden Herren, Präsident Wm. T. Mulvany, Kommerzien-Rath Pfciffer und General-Konsul Kreismann wiedergewählt.

Dem Geschäftebericht der Sächsischen Bank zu Dresden entnehmen wir folgende Mittheiluncena: Von den seit dem 31. De- zember 1875 präkludirten Banknoten auf Thalerwährung lautend, waren am 31. Dezember 1882 noch nicht zur Einlösung präsentirt 35 940 Thaler, am 31. Dezembcr 1883 waren noch 35220 Thaler in Cirkulation. Der Durchschnitts\saß für den Wecseldiskonto betrug 4,05 gegen 4,54% im Jahre 1882, wodurch die in diesem Jahre gegen 1882 um F % gesbmälerte Dividende herbeigeführt worden ist. Von Banknoten, auf Reichswährung lau- tend, bestand 1883 im Durchschnitt eine Cirkulation von 40 270 675 4 gegen 40 766 152 im Jahre 1882, und an Banknotensteuer waren 1433,10 Æ zu zahlen. Das Gewinn- und Verlust-Conto ergiebt für das Geschäftéjahr einen Reingewinn von 1 776060 4, zuzüglich des Géwinnvortrages vom wvcrgangenen Jahre 1783627 4 Der Verwaltungérath der Bank beantragt, denselben wie folgt zu vertheilen: 43% ordentlibe Dividende für 1883 auf 30 000000 6 Aftienkapital 1350009 A Von den danach übrig bleibenden 433 627 Ff werden abgesetzt, nah Abzug des Ge- winnvorirages vom vergangenen Jahre im Betrage von 7568 M, mithin von 426 060 M, 2009/0 für den Reservefonds mit 85 212 M, 6 9/0 als Tantième für den Verwaltungsrath mit 25 563,60 M4, 3 9% als Lantième für die Direktion mit 1278180 #6 und von dem Reste im Betrage von 310 069,65 A wird eine Superdividende von 1% mit 300 000 t. vertheilt, während die übershießenden 10 069 auf die Kosten für in der Herstellung begriffene neue Banknoten ab- A M sollen.

Dem „NRügenschen Kreis- und Anzeigeblatt“ wird aus Stettin u. d. 8. März geschrieben: Bei den augenblicklih billigen Preisen von Schweine fleisch exportirt der Fleischermeister Lüdke in Alt-Torncy via Hamburg nah London hier geschlahtete Schweine. Cin Transport von 60 Stück ging am Montag bereits ab und wird morgen {on in London eintreffen. Kopf und Pfoten wrden von den Thieren abgetrennt, die übrig bleibenden Seiten \{chwach mit Salz eingerieben und kommen so frisch auf den Londoner Markt. Am Montag nächster Woche geht der zweite Transport ab,

Wien, 14. März. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Desterreichischen Boden-Kredit-Anstalt beschloß heute die Vectheilung einer Dividende von 25 Fr. oder 12 %, gleich derjenigen im Vorjahr. Der Reingewinn beträgt 1 572 537 Fl. in Gold.

Prag, 14, März. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Böhmischen Unionbank genehmigte die Reduktion des Aktienkapitals und die Hinausgabe von 27450 neuen Hundert- Gulden-Aktien, welhe von der Länderbank vertragêmäßig al pari übernommen werden. Für 20 alte Aktien werden 11 neve cinge- tausht. Der Reingewinn von 178 349 Fl. wurde dem Spezial- Reservefonds überwiesen.

London, 14 März. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll- aukftion waren Preise unverändert,

New-York, 14. März. (W. T. B.) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 48 000 B,,

Ausfuhr nach Großbritannien 62000 B., Ausfuhr nab dem Konti- nent 32000 B., Vorrath 847 000 B.

Verkehrs-Anftalten.

Bremen, 14, März. (W. T. B) Der vierte Swchnell- dampfer des Norddeutschen Lloyd, „Eider“, matte gestern seine Probefahrt mit ciner Geschwindigkeit von 184 Knoten. Die „Eider ist gestern nach Bremen abgegangen, von wo sie am 19, März ibre erste Reise nah New-York antreten wird.

Hamburg, 14, März. (W. T. B.) Der Postdampfer e,„Saxonia“ der Hamburg-Amerikanishen Padletfahrt- Uktiengesellschaft hat beute, von Westindien kommend, Kap

New-York, 14. März. (W. T. B.) Der Dampfer „Jtaly“ von der National-Dampsschiffs-Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.

Berkin, 15. März 1884.

Der aus dem bisherigen „Anzeiger für Kunde der deuts{ben Vor-

zeit“ bervorgegangene „Anzeiger des Germanischen Natio- nal-Museums* in Nürnberg liegt nunmehr in seinem ersten Doprelheft für die Monate Januar Ee 1884 vor (Verlags- Eigenthum des Germaniscen National-Museums, in Kommission bei F. A. Brockhaus in Leipzia). Das in Druck und Papier würdig ausgestattete Heft (groß 8°) leitet Hr. Direktor A. Efsenwein mit einem Rükblick auf die Gescbichte der Anftalt ein. In großen Zügen “werden die wichtigsten Momente ihrer Orga- nisation, von der ersten Anregung durch den fränkis{hen Edelmann Frhrn. Hans von und zu Aufscß, welcher auf der im August 1852 zu Dresden unter dem Vorsitz des Prinzen Johann, späteren Königs von Satfen tagenden Versammlung deutscher Geschihts- und Alter- thumsforscher und -Freunde den Antrag zur Gründung des Museums stellte und zur Annahme brachte, bis ‘zu ihrer heutigen er- freuliben Entwickelung dargelegt. Nachdem die Stadt Nürnberg dem Museum das nöthige Territorium außerhalb der Karthause, die Stadtmauer und Thürme, den Zwinger und Stadtgraben abgetreten hat, steht dem projektirten vollständigen Ausbau des Museums nichts mehr im Wege. Wie sih derselbe einst darstellen wird, davon giebt eine dem Hest beigefügte, von Hrn. Direktor Effenwein selbst ge- z:ihnete und dann sehr sauber ia Kupfer gestochene malerische Vogelshau- Ansicht ein hö&st anzieher.des Bild. Dieses Projekt hat übrigens, so wie cs die Tafel zeigt, die leßte Redaktion {on im Jahre 1877 erhalten, ist aber, wenn auch kleine Modifikationen bei den inzwishen erbauten Theilen stattgefunden haben, in allem Wesentlichen der Ausführung zu Grunde gelegt worden. Zwei andere Tafeln zeigen die Grundrisse des Erdgeschosses und des erslen Stocks der Karthause, mit den nöthigen Situationserklärungen zur Orientirung über die Lage der cinzelnen Museumsabtheilungen. Diese beiden Grundrisse untersheiden in graphisher Markirung das, was schon fertig ist von dem, was noch der Herstellung harrt. Auch davon sind bereits wesentlihe Theile dadurch gesichert, daß das Reich versprodea hat, die für die Entwickelung der Anstalt bis zum Jahre 1892 nöthigen Bauten auszuführen. Neben den vielen großen und kleinen Gaben, welche aus öffentlichen und privaten Kassen gespendet wurden, welcbe Fürsten und Volk dar- brachten, ist es vor Allem ein beträchtliher jährliher Beitrag, den seit sciner Begründung das Deutsche Rei der Anstalt zuwendet, und zu welwem noch außerordentliche Unterstüßungen zur Förderung des Baues hinzukommen. Das Reich hat an diese Beiträge die Pflicht geknüpft, die Finanzverwaltung der Arstalt untec die Aufsicht der Königlich bayerischen Regierung zu stellen, die sich dazu bereit erklärt hat, um jede Möglichkeit auszuschließen, daß, sei es durh einen wach- senden Schuldenstand, sei es in Folge zu großer dauernder Belastung ohne Deckung, in irgend einem Augenblick der Anstalt eine Gefahr drohen könne. Die Grundrifse zeigen 63 Lokale, welche jeßt mit den darin aufge- nomn enen Sammlungen dem Publikum übergeben sind. Dazu kommen die nur für Studirende zugängli&en Räume dc3 Kupferstich- kabinets, der Siegel-, der Münzsammlung, der Bibliothek, deren Vändezahl bald 10090 erreichen wird, und der Urkundensammlung. Den Räumen entspricht der Umfang der Sammlungen, deren manwe einzelne heute s{chon zu den bedeutendsten ihrec Art gehört. Die Schuldenlast ist bereits jeßt soweit verringert worden, daß sie in Kürze ganz getilgt scin wird. Wenn dann in einem Jahrzehnt, Dank der freundlichen Mitwirkung aller Freunde der Sache, Dank vor Allem der Untersiüßung des Deutschen Reichs, der Bau im Wesent- lichen beendet sein wird, wenn die Sammlungen annähernd ihre programmgçemäße Abrundung erhalten, dann wid die Nation in der That ftolz sein können, dur freiwillige Gaben solches Resultat er- zielt zu haben, Dem Abriß der Geschichte der Anstalt sind die „Saßungen“ des Germanischen Nattional-Puscums und die Dokumente über ihre Genehmigung sowie Auézüge aus den Geschäftsordnungen und Inftruktionen angehängt.

_Die Monats{ronik des Muscums berichtet über mehrere neue Stiftungen. So hat die evangelische Linie der Grafen Henckel von Donnersmarck dem Muscum 500 mit dem Wunsch übergeben, daß dur Anbringung eines glasgemalten Wappens ihr Intcresse an der Anstalt bezeugt werde. Ferner wurden Stiftungen für Ankäufe und zur Abformung des Brüggemannschen Altars in Schleswig und ein Gescenk von zwei schr merkwürdigen Geschüßen des 15, Jahrhunderts sowie cinem Ciscnhut aus Florenz gemacht. Daran reihen si die Listen der neu angemeldeten Jahreébeiträge, der einmaligen Geld- geschenke, der Zeichnungen von Antheils\{cinen für das Handels- mufeum. Auch die Samnilungen, die Bibliothek und das Archiv haben durch Geschenke und Ankäufe erfreuliden Zuwachs erhalten. Für das Archiv sind angekauft worden; Autographen des Kardinals Albredt von Brandenburg, des Herzogs Albreckt von Preußen, Dr, Martin Luthers, Philipp Melanchtbons, des Erasmus von Rotterdam, Staupits und Rolings. Unter der Rubrik „Fundchronik“ werden alle wichtigeren Ergebnisse neuerer Ausgrabungen und zufälligen Ent- deckungen und Funde deutscher Alterthümer verzeichnet. :

Der literaris&e Theil der elegant ausgestatteten Zeitschrift bringt sodann von Hrn. Direktor Essenwein die Beschreibung eines interessanten Kästckens aus dem 12. Jahrh., welchcs aus der Samm- lung des Frhrn. Eelking in Bremen in ten Besiß des Germanischen Museums Übergegangen ist. Dasselbe besteht aus mit dünneu ver- goldetem Kupferblech überzogenem Holz und ist mit farbigen Steinen und eigenarligen, vergoldeten Büchertragenden Bronzefiguren mit Cmails{muck verziert. Eine sorgfältige Abbildung ist beigegeben. W. Waitenbach in Berlin theilt sodann zwei Indulgenzbriefe aus Avignon (aus dem Archiv des G. M.) mit. Eine Facfimiletafel rcproduzirt die Verzierung des cinen derselben, des Indulgenz- briefs für die Pfarrkirhe in Herlaßzhofen, aus dem Jahre 1343. Es folgen ferner urkundliche Mittheilungen von Hans Bösch in Nürn- berg über die Windsheimer im Burgunderkriege (1474—1475) sowie über ‘das deutsche Kriegëwesen im Mittelalter und endlih der erste Theil einer eingehenden Schilderung mittelalterliher Apotheken, von H. Peters in Nürnberg. Das Direktorium des Germanischen Museums beabsichtigt nämlich, einer Anregung aus dem Apotheker- stande folgend, den pharmazeutishen Alterthümern und damit der Geschichte der Pharmazie überhaupt besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zu diesem Zweck wurde bereits vor einiger Zeit von der An- talt ein Aufruf an den Apothekerstand erlassen, der sofort allgemeine freudige Aufnahme fand und zunächst dadur beantwortet wurde, daß die Besißer älterer Apotheken eine große Zahl aus der Vorzeit crhal- tener Gegenstände, die da und dort unbeachtet im Winkel standcn, cinsandten. Durch diese Schenkungen, welche sih noch tägli mehren, ist, vereint mit den Stücken, welche das Germanische Museum son besaß, bereits eine ziemli ausgedehnte pharmazeutische Sammlung entstanden. Namenilich die historish-pharmazeutische Bibliothek, welche die Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert umfaßt und neben dem gedruckten Material zuglei manchen handschriftlihen Ersatz und viele interessante Urkunden enthält, ist niht mehr unbedeutend. Dem Aufsaß find 6 sorgfältig facsimilirte Holz;schnitte aus dem („H. Ortus sanitatis“ von 1486 und des Hieronymus Brunschwygk „Nüv Buch der rechten Kurst zu distilliren“ vom Jahre 1505 eingedruckt. 4 Die Absicht, an Stelle solcher Aufsäße, welde nicht direkt das Interesse an dem Museum fördern, mit der Publikation der Kataloge für die einzelnen Abtheilungen vorzugehen und diese dem „Anzeiger beizulegen, findet bereits in dem ersten Doppelheft der neuorganisirten Zeitschrift ihre Verwirklichung und zwar durch den Beginn der Ver- öffentlihung des „Katalogs der Glasgemälde aus älterer Zeit“, verfaßt von Hrn. Direktor Essenwein. Die Sammlung der Glasmalereien des Germanischen Nationalmuseums ift eine der bedeutendsten ihrer Art über- haupt. Wenige Abtheilungen der Anstalt erfreuen si einer solchen Voll-

Lizard passirt.

ständigkeit und nur wenige Schwesteranstalten eines ähnlichen Meich-

thums an Glasmalereicn. Vom 12. Jahrhundert, also fast vou der Entstehung dieses Kunstzweiges an bieten die Hunderte von ganzen Tafeln oder Bruchstücken, welhe das Museum aufzuweisen hat, eine zusammenhängende Jllustration der Geschichte der Giasmalerei, so- wohl threr aufsteigexden Entwickelung als ihres Verfalls und zuleßt der Verwahrlosung bis zum vollständigen Erlöschen, welbes merk- würdiger Weise mit dem Wiederaufleben zusammenfällt. Das letzte vorhandene Stü der älteren Glaëmalerei datirt aus dem Jahre 1805, worauf die Kunft verloren ging und durch Franck wieder erfunden, in der Folge aber durch Sauterleute u. A. neu und weiter entwick-lt wurde. Der Katalog is muúüstergültig illustrirt. Außer mehreren Abbildungen im Text liegen dem ersten Bogen vier Tafeln mit sorgfältig facsimi- lirten Darstellungen einiger der \{önsten Stücke der Sammlung bei, nämlich von vier Medaillonfenstern aus romanishen Kirchen mit biblischen und anderen Darstellungen (davon zwei wahrscheinlich französishea Ursprungs) und 4 Glastafeln aus der österreichischen Schule (13. Jahrh.) mit figürlihen Darstellungen (Heiland, hl. JIunefrau mit dem Kinde, hl. Mauritius, hl. Agnes).

_ Der „Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums“- erscheint in feiner neuen Form jährlih 12 Mal. Ausnahmsweise werdea au Doppelnummern auêgegeben. Er bringt nebst seinen Beilagen im Ganzen jährlich 24—30 Bogen nah Bedarf illustrirten Textes und 12—15 einfache Blätter Bilderbeilagen. Außer diesen leßteren werden als Beilagen - gegeben werden: 1) die „Mittheilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum“, kleinere Aufsäße enthaltend; 2) größere Aufsäße als selbständige Broschüren oder Bücher, die in einzelnen Bogen einzelnen Nummern beigelegt werden. Je 36 Nummern des Anzeigers bilden einen Band; ebenso je 36 Bogen der Miithei- lungen; alle übrigen tertliten Beilagen, je nah Umfang der be- treffenden Arbeit, kleinere und größere Bände. Der Pränumerations- preis beträgt jährlich 6 Bestellungen wollen je bei der nächsten BEENOORE oder Buchhandlung, nit aber bei dem Museum gemacht werden.

Zunächst ist nun für morgen, Sonntag, Abend noc eine Vorstellung des Luth er-Festspiels in Aussicht genommen. Ob weitere folgen werden, ift noch zweifelhaft, da die freiwilligen Kräfte, welche dabei mitwirken, vielfach in anderer Weise in Anspruh genommen sind und es theilweise {on jeßt nur {wer ermöglichen können, regelmäßig Theil zu nehmen. Die Reichstagsscene war bei der gestrigen Auf- führung gegen sonst etwas anders arrangirt ; zum Theil waren auch A emen Kostüme neu. Sie gewährte ein überaus imposantes

ild.

New-York, 14. März. (W. T. B.) Bis jeßt konnte keine der Leichen der in der Kohlengrube bei Pocahontas verun- glücckten Bergleute geborgen werden, da die Zeche noch brennt. Bes hufs Erstidung des Feuers ist die Einfahrt der Zeche geschlofen worden. Es steht nunmehr fest, daß kcin einziger der in der Grube befindlich gewesenen Arbeiter entkommen ist.

__ Das Repertoire des Deutschen Theaters bringt în der nächsten Woche Wiederholungen von „Romeo und Iulia“, „Probe- pfeil“ und „Richter von Zalamea“. Am Sonntag, den 23., beginnt sodann Hr. Franz Schönfeld vom Hof- und National-Theater in Mannheim sein auf Engagement abzielendes Gastspiel als „Richard von Kerbriand“ in Scribe's „Feenhände“. Vie nächste Vorstellung des „Don Carlos“ findet am Montag, den 24. ftatt.

Neues Friedrih-Wilhelmstädtishes Theater. Ein bedaucrliher Unfall, von welbem Hr. Broda bei der Generalprobe zu „Hoffmanns Erzählungen“ betroffen wurde, nöthigt die Direktion, da derselbe cine der Hauptrollen in dem Offenbacbschen Werke innehat, die erste Aufführung der Novität bis zur nächsten Woche aufzuschieben. Die bereits gelöften Billets behalten ihre Gültigkeit, werden aber eventuell an der Kasse des Theaters zurückgenommen. Morgen, Sonntag, und Montag finden Wiederholungen des ,„Bettel- studenten“ ftatt.

Im Belle-Alliance-Theater erfreut sid der Schwank „Nur Amerikanish“ allabendlih einer so beifälligen Aufnahme, daß derselbe auch für die nächste Woche auf dem Repertoire bleiben wird.

__ Am Freitag veranstaltete der erst seit einem Jahre bestehende Liturgis che Chor der Dreifaltigkeitskirche cin geistliches Concert. Musikalish gebildete Dilettanten dieser Gemeinde, an- geregt durch den Superintendenten Dryander, bilden diesen Chor und zeigten in dem Concert, wie durch gemeinsamen Cifer * und durch Liebe für die angeregte Idee auch in kurzer Zeit sehr Erfceu- lies gefördert und selbst vom rein künsilerishen Standpunkt aus Anerkennenswerthes geleistet werden kann. In besonderer Pflege des altitalienischen Kirchengesanges, wie sie die musica sacra enthält, führte der Chor zunächst das für Doppelchor komponirte Miserere von G. Allegri aus, ein Werk von tief ergreifender Wirkung. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden, wurde seine Niederschrift vom Papste verboten, Bekanntlich fixirte es Mozart aus dem Ge- däcbtniß und veranlaßte die weitere Verbreitung, Von Su- riano (1549 geboren) hörten wir die vierstimmige Motette: „Wir Toben Christus mitt Freuden", cin Werk reinster Begeisterung. S. Bachs dsstimmige Kantate: „Jch weiß, daß mein Erlöser lebt“, mit dem Cantus firmus: „Christus, der ist mein Leben“, bei aller ktontrapunktiftishen Feinheit doch fo natürlich und verständlih durch- gearbeitet, brachte besonders die männlichen Stimmen des Chors zur Geltung, wie dies auch in den beiden {ören Chören: beati mortui und periti autem von Mendelsfohn der Fall war. Zwei Motetten von Klein sowie der 109. Psalm von Mendelssohn machten den würdigen Beschluß der Chorleistungen. Frau Müller-Ronneburger unterstüßte das Concert dur 2 geistlihe Arien von Cherubini und Rheinberger mit ihrem vollen, wohlklingenden Organ und edelster Vortragsweise. Hr. Franke hatte die Orgelvorträge zu Anfang und Ende des Concerts übernommen und führte sie mit bekannter Meister- haft aus. Der Dirigent des Chors, Hr. Ernst Wolff, verdient nicht allein für feine sichere, energishe Leitung des Ganzen, sondern auch für die sinnreihe Anordnung des Programms die vollste An- erkennung. Die Leistungen des Chors nach so kurzer Zeit des Ve- stehens sind entschieden zu loben, und es läßt ih erwarten, daß er durch Hinzutreten weiterer tüchtiger Kräfte an Wohlklang und Sicherheii noch gewinnen werde.

Sr, Amalie Joachim giebt morgen, Sonntag, ihr letztes Concert im Krollschen Theater. Das reichhaltige Programm bringt diesmal 6 Lieder aus der „Winterreise“ von Schubert, von Schumann „Sonntags am Rhein“, „An den Abendstern“, „Marien- würmchen“ und „An den Sonnenschein“, von Brahms 3 Lieder („Mätchenflub“", „Spanisches Lied“ und „Sandmännchen“); ferner 3 s{chwedishe Volkélieder, „La Serenata“ (Der Engel Lied, auf der Violine von Frl. Eißler begleitet), „Stille Sicherheit“, von Robert Franz, 2 Lieder von Erik Meyer-Helmund, Bohms „Was hab’ ich arme Dirn denn gethan“ und Weyrauchs „Frühling-Liebster*. Frl. Marianne Eißler spielt Gade’s Violin-Concert (Romanze und Finale) und Léonards „Fantaisie militaire“, während die Klavier- Solovorträge (Chopins Nocturne in Des-dur und cin Impromptu, Schumanns „Warum“ und ein Walzer von Rubinstein) diesmal von Frl. Bruno, welche auch die Lieder der Concertgeberin zu begleiten pflegt, Übernommen worden \ind.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kes\\ el). Fünf Beilagen (eins{ließlid Börsen-Beilage).

Berlin:

Druck!: W, Elsner.

T S E T T E Ga S T T T R E E E m S L EARR T Ax A H S 2 a B R Oi N i Mick in B RE B G ini i: ibu Ie

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M 65. Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 15. März. Die gefirige (5.) Sißung des Reichstags, welher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, der Staats-Minister von Boetticher, sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom- mifsarien desselben beiwohnten, wurde von dem Präsidenten von Leveßow um 1 Uhr 20 Minuten eröffnet. Das Haus seßte die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über die Unfallversiherung der Arbeiter fort.

Der Abg. Lohren betonte, die Redner der Parteien, die gestern zum Worte gekommen seien, hätten zu der Vorlage eine verschiedene Stellung genommen. Alle hätten an der- selben Ausstellungen gemacht, die auch schon gegen die früheren Vorlagen erhoben seien. Diesem Festhalten an Fraftions- grundsäten stelle das neue Gesetz ein beherzigenswerthes Moment entgegen. Die Regierung habe sich entschlossen, vollberehtigte Prin- zipien aufzugeben in der rihtigen Erkenntniß, daß sie ohne Opfer niht zum Ziele komme. Wie {wer diese Konzessionen ge- wesen seien, namentlih die Preisgebung von Prinzipien, die dem Reichskanzler zugeschrieben würden, das könne nur der ermessen, der wisse, mit welcher Krast der nationale Gedanke in dem Kanzler lebendig sei. Der Gedanke eines starken, alles shirmenden Deutschen Reichs habe in vollster Klarheit dem ersten Gesey zu Grunde gelegen. Die verbündeten Re- gierungen hätten eine Reichsversihherung vorgeschlagen, welche den Arbeitern zeigen sollte, daß der Staat nicht allein zum Schutze der besser situirten Klassen da sei, sondern auch für die Armen und Hülflosen. Und in dem Reichszuschuß sei dem sozialwirthschaftlihen Reichsgedanken eine sihtbare Gestalt ge- geben. Man kenne das Schicksal jenes Geseßes. Der Glanz des Reichsgedankens habe nicht den Nebel partikularistisher Sonder- interessen zu durchdringen vermocht, Auch die zweite Vorlage sei ab- gelehnt, weil der Reihsgedanke noch nicht vollständig eliminirt gewesen sei. Gegen den Reichszushuß, den die Vorlage ver- langt habe, hätten die verschiedenen Parteien mit blanken Waffen angestürmt: die Fortschrittspartei mit der Selbst- hülfe, das Centrum mit der Kirche, und die Partikularisten mit den Landesfürsten. Jn der neuen Vorlage werde die Last der Versicherung allein auf die Schultern der Betriebsunter- nehmer geladen. Dieselbe komme nah allen Seiten den Wünschen Derer entgegen, welche die beiden früheren Vorlagen bekämpft hätten. Fhr wesentlihster Fortschritt bestehe darin, daß die zu bildenden Berufsgenossenshaften auch wirklich Berufsgenossenshasten im wahren Sinne des Wortes seien. Auf dem Wege freier Vereinigung sollten sie von den Betriebsunternehmern gebildet werden, und die Hauptsache sei, daß alle Mitglieder der Genossenshast gemeinsame Berufs- interessen hätten. Die Frage, ob das Unfallgesey richtig an- gelegt sei, richte sih niht danach allein, ob der Zweck, Ar- beitern im Falle der Verunglückung genügende Unterstüßung zu gewähren, erreicht sei. Das Geseß müsse auch dafür sorgen, daß Unfälle verhindert würden. Jn diesem Punkt habe das vorige Geseß seinen Zweck nicht erfülit. Die Kommission habe deshalb verlangt, daß eine Remedur in dieser Beziehung geschaffen werde. Feder einzelne Betrieb sollte nah seiner Ünfallgefährlichkeit besonders eingeshäßt werden. Dieser Wunsh sei in der lebigen Vorlage erfullt worden. Den Genossenschafstsvorständen sei die Vollmacht bei- gelegt, Vorschristen zur Verhütung von Unfällen zu ertheilen. Dieselben hätten indessen nur dann Werth, wenn auch die Mitwirkung der Arbeiter bei dieser Angelegen- heit gefichert sei, und auch das sci geshehen. Gegen die Arbeiteraus\s{hüsse seien Bedenken erhoben, niht wegen der Funktionen, welche denselben übertragen seien, sondern weil man die Organisation, den pyramidalen Aufbau der Arbeiter- toalitionen fürchte. Die Arbeitgeber glaubten, daß in kritischen Zeiten die Arbeiterauss{hüsse die Offiziere für die Lassalle’schen Arbeiterbataillone bilden würden ; sie glaubten au, daß die Institution niht absolut nothwendig sei, ohne dieselbe werde das Geseß ebensogut oder noch besser marschiren. Unstreitig kónne von einer organischen Verbindung der Jnstitution mit dem Gesetze nicht die Rede sein. Dadurch, daß die Arbeiter von jedem Beitrage befreit seien, gewinne es den Anschein, als ob dieselben nicht das geringste Recht auf eine Theilnahme an den Verwaltungskörpern der Unfallversiherung hätten. Aber man dürfe niht übersehen, daß die Arbeiter durch das Kranken- kassengeseß verpflichtet seien, 13 Wochen lang alle Unfälle zu unterstüßen. Seines Erachtens würde nichts gejährlicher sein, als ein Arbeitergesez, in welchem die Arbeiter keine Stelle hätten. Sollten die Arbeiterausschüsse troßdem beseitigt wer- den, so könne auch er nicht bestreiten, daß die Erbitterung der Arbeiterklassen nah Erlaß dieses arbeitersreundlihen Gesetzes größer sein werde, als zuvor. Es würde dann aber auch kein Arbeitergeseß, sondern ein Bourgeoisgeseß sein. Nach seiner

Ansicht habe die zahlreichste Klasse der Bevölkerung ein An- ret auf eine geordnete und legale Vertretung ihrer Jnter- essen. Nur durch eine solche Arbeitervertretung werde es möglich sein, die Gegensäße auf friedlichhem Wege auszugleichen, und darum begrüße er eine solhe Fnstitution mit Freuden. Wenn ihm nun das Prinzip des Gesehes im höchsten Grade sympathisch sei, so wolle er do nicht unterlassen, einige wich- tige Punkte hervorzuheben, denen er niht zustimmen könne. Vorerst sei ihm unerklärlih, weshalb man den Versicherungs- zwang niht auch auf den sehr gefährlihen Beruf der Bau- handwerker ausgedehnt habe. Gerade sie hätten unablässig um die Aufnahme petitionirt, in ihnen finde sich auch noch am häufigsten ein genossenschastliher Geist vor; nur wenn auch sie einbezogen würden, werde die Vorlage einen hohen Werth erhalten. Bezüglich der land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter könne er Namens seiner politishen Freunde erklären, daß ihnen für dieselben die fakultative Versicherungsmöglich- keit außerordentlich wünschenswerth erscheine. Das große Ziel, dem man zustrebe, nah und nah alle Arbeiter der Wohlthaten dieses Geseßes theilhastig zu machen, er- scheine seiner Partei dann nur erreichbar, wenn alle Para- graphen desselben darauf geprüft würden, ob auf Grund der- selben auch die Arbeiter aufgenommen werden könnten. Zum Schlusse no einen Punkt, den er in diesem und dem vorigen Gesetze vermisse. Es sollten die Genossenschaftsmitglieder auf-

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußisheu Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 15. März

gemuntert oder verpflihtet werden, theilweis erwerbsunfähig

gewordene Arbeiter in der einen oder der anderen Weise zu

beschäftigen. Solche Einzelheiten ausgenommen, könne er der

Vorlage seine volle Anerkennung zollen, und da fast alle Ein-

wendungen berüdsichtigt seien, die gegen die früheren Vorlagen

erhoben seien, so dürfe er hoffen, daß alle Parteien mit gleicher

Liebe an dem Zustandekommen der Vorlage arbeiten würden,

zum Wohle der Arbeiter und zum Segen des Vaterlandes.

__ Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, so sehr er sich in

seinen Anschauungen von dem Vorredner unterschcide, so

müsse er doch mit ihm konstatiren, daß, so weit er es über-

sehen könne, keine Partei im Hause sei, die nicht wünsche,

daß dieses Geseh zu Stande komme. Aber die gestrigen Ver-

handlungen hätten doch im Gegensaß zu dem Bilde, daß der

Vorredner vor dem Hause entrollt habe, gezeigt, das mit

Enthusiasmus bis jeßt noch Niemand für dieses Geseß ein-

trete. Selbst der Abg. Lohren, gewiß ein Enthusiast für das

Geseh und Enthusiasmus sei immer eine bedenkliche

Eigenschaft, wenn man als Gesetzgeber Kritik ausüben

solle selb er habe wichtige Ausstellungen an dem Gesetz

zu machen und werde gewiß für eine Verweisung an

eine Kommission stimmen, Also auch für den Abg.

Lohren sei die Sache nicht so \{hlechthin gut, daß

derselbe wünschen werde, der Reichstag möge sie mit der Schnelligkeit des Volkswirthschastsrathes in wenigen Tagen

absolviren. Uebrigens wolle er mit dem Enthusiasmus des

Abg. Lohren nicht reten, nur sollte derselbe nicht „plus roya-

liste que le roi“ die erste Vorlage von 1881 vertheidigen, welche die Reichsregierung selbst als einen Jrrthum fallen gelassen habe, und ihr Scheitern bedauern, das der Abg. Lohren irrthümlih dem Umstande zuschreibe, daß die Reichs- Versicherungsanstalt durch das Votum dieses Hauses in eine Landes-Versicherungsanstalt umgewandelt worden sei. Er könne darüber um so unbefangener sprechen, als er mit dem Abg. Lohren für die Reichs-Versicherungsanftalt gestimmt habe. Der wahre Grund des Scheiterns der ersten Vorlage habe in dem Fehler gelegen, den die Regierung selbst in ihr gefunden habe, in dem Uebermaß bureaukratischer Centralisation. Dieser Fehler würde in einer Reichs- Versicherungsanstalt seine Wirkung stärker ausüben, während Landes - Versicherungsanstalten, denen er als treu - reihs- gesinnter Abgeordneter niht zustimme, den Fehler eher korri- giren würden. Also habe der Vorredner Unrecht gehabt, einer gewissen Kategorie von Gegnern das Scheitern der ersten Vorlage zur Last zu legen. Aber auch die zweite habe der Abg. Lohren mißbilligt, woraus für alle weiteren Ver- handlungen in diesem Hause sehr wichtige Folgerungen zu ziehen seien. Ein sinnreicher Zufall habe es gefügt, daß dem Hause gestern in dem Vorspiel vor der Tagesordnung wieder einmal das Verderblihe und Verwerfliche jeder Opposition auseinandergeseßt sei. Nun könne es doch keinen Patlamenta- rismus geben ohne Opposition, und diese wirke jür das Zu- standekommen der Geseße gerade so gut mit, wie die, welche bei- stimmten, unter Umständen noch mehr, und gerade der vorliegende Fall dreimaliger wesentlicher Korrektur des ersten Gedankens be- weise die Nüßlichkeit der Opposition, deren Verdienst jene Kourrektu- ren in erster Linie seien. Hätten alle Parteien die Ansicht des Abg. Lohren getheilt, so wären alle in den Rachen des Jrr- thums des ersten Geseßes gelaufen und hätten dem „herr- lichen, staatsrettenden Reichsgedanken“ durch Führung auf einen falshen Weg wahrlich keinen Dienst geleistet. Fm vor- liegenden Fall müsse auch ein harter Gegner die Nütßlichkeit und den Patriotismus einer Opposition anerkennen. Nun wolle er mit der Billigkeit, deren er sich um so mehr be- fleißige, je weniger er davon auf der anderen Seite sehe, an- erkennen und dankbar begrüßen, daß die Regierung in dem Wunsch, etwas zu Stande zu bringen, sich den Ein- würfen aus den verschiedenen Sessionen akklommodirt habe. Nur sei im Laufe dieser dreifahen Wandlung nach seinem Eindruck die Vorlage nicht gerade so unendlich viel geändert worden, der Grur.dcharakter des ersten Geseßes sei auch im zweiten und dritten beibehalten. „Je mehr es wechsele, desto mehr sähe es sh ähnlih.“ Jhr gemeinsamer Charakter sei eine gewisse Künstlichkeit in ihrer Durcharbeitung und Ausdehnung, fie röhen nah der Lampe und er finde das natürlich. Wenn man, wie die Reichsregierung, von der Grundlage der bisher bestehenden Gesellschaft und des bisher bestehenden Verkehrs- lebens abstrahire und absehe, und etwas ganz Neues aufbauen wolle, so werde man gezwungen, aus der hohlen Hand auf das weiße Papier etwas zu schaffen, was mit dem Leben bis jeßt noch gar keine bewährten Verbindungspunkte zeige; es müsse ein un- endlich künstlicher Bau entstehen, von dem sih Niemand ein Bild machen oder sagen könne, wie derselbe fich bewähren werde, und die Zweifel, die sih von allen Seiten an ihn hingen, entstammten eben aus der Natur dieser künstlihen Shöpsung, die auf un- bekannten Wegen und mit unbekannten Mitteln zu erreichen suhe, was auf viel einfahere und natürlihe Weise zu er- reihen gewesen wäre. Allen drei Geseßen sei der Zug und

listishe Element, in die Geseßgebung eingeführt werden solle, daß man in gewiß ehrlih gemeintem Bestreben darin ein Verdienst sehe, einen großen Ruhmesanspruch damit zu be-

Dienst zu leisten glaube. herigen alten in eine

gen.

Momente in die Gesetzgebung einzuführen.

national geregelt werde. Wenn man denke, daß

etwas Bedeutendes erreichen werde, sei dies eine Utopie.

theiligten Kreise in Erscheinung trete, habe Maßen niemals Bestand. Genossenschaften seien abex nur

sie sih entschlössen, freiwillig zu gehorchen.

insofern frei,

Charakter gemeinsam, daß durch sie etwas Neues, das sozia-

friedigen, und der Gesellschaft im Deutschen Reiche einen großen

Bei diesem Uebergang von der bis- neusozialistishe Gesellschaftsunterlage komme man natürlich auf unkontrolirbareGebiete und Schöpfun- Es gewinne vielmehr den Anschein, als ob es sih in der ganzen Vorlage nur darum gehandelt hätte, gewisse sozialistische Aber ein prak- tisher Erfolg sei von diesen sozialen Bestrebungen gar nicht zu erwarten, wenn die Frage der Versicherung niht inter- l Le, man mit der hier gebotenen schablonenhaften Organisation der idi tas

n Alles, was nicht aus der freien Jnitiative der zunächst be- bekannter Die hier konstruirten E als Man habe ja an

S4,

den Werth solcher „freien“ Jnstitutionen gehabt. Dann sei an der Vorlage zu rügen, daß eine ganze Reihe von Jndu- striekreisen, dann die Land- und Forstwirthschaft, also Ar- beiterkreise ausgeshlo}sen seien, die noch jeder Organisation entbehrten, und für die man doch eigentlich mehr sorgen müßte, als für diejenigen Arbeiterkreise, welche bewiesen hätten, daß fie für sih selbst sorgen könnten. Er bestreite au jeden praktischen Erfolg der hier geplanten Organisation. Glaube man denn, daß die Berufsgenossenschasten so funktio- niren würden, wie man es sich hier auf dem Papier vorstelle? Habe man es nicht an dem Alktien- gesey erlebt, daß die Praxis der Theorie, welche in Re- gierungsfreisen als maßgebend hingestellt werde, oft durhaus widersprehe? Redner besprach hierauf die über die Zweck- mäßigkeit und Unzweckmäßigkeit des Reichszuschusses laut ge- wordenen Ansichten und bemerkte, daß er für seinen Theil nichts gegen den Reichszushuß habe. Seltsam sei es aller- dings, daß diejenigen Kreise, welhe von der Versicherung aus- geschlossen seien, also die enörm überwiegenden Massen der Arbeiterwelt, für einen Bruchtheil der Arbeiter zahlen sollten, ohne daß man sie durch Gründe von der Zweckmäßigkeit der Bevor- zugung dieses einen kleinen Theils der Arbeiterwelt überzeugen könne. Er möchte da doch auf die früheren Ausführungen des Abg. Buhl hinweisen, der die Wege gezeiat habe, auf denen sich alle liberalen Parteien einigen könnten. Namentlich wünsche er auch eine Betheiligung der Nationalliberalen an den Be- strebungen, Man habe nun hier die Aufgabe des Staates namentlich durch das Umlageverfahren zu erleichtern gesucht. Aber es sei doch erstaunlih, daß man der Bevölkerung solche enormen Lasten zu Gunsten einzelner Bevölkerungsklassen auf- erlege. Anfangs scheine die Belastung der Jndustrie nur eine kleine, aber innerhalb der vorgesehenen 17 Fahre wachse dann die Belastung lawinenartig. Und was werde geschehen, wenn mal eine Krise eintrete, wenn die {wer belasteten Kreise niht im Stande sein würden, ihre Zahlungen zu leisten? Würden niht schon durch eine Krise in einem Theile der Jndustriewelt die anderen schon erschüttert und in Mitleidenschast gezogen. Würde da nicht leiht der Fall ein- treten, daß man die übernommenen heiligen Verpflichtungen überhaupt gar nicht würde erfüllen können? Bedenke man doch auch die schweren Verpflichtungen, die bereits durch den Krankenversiherungs8zwang existirten. Redner verwies dann darauf, daß die Frage der Unfallversicherung bereits in hohem Grade durch die Versicherungsgesellshaften Deutschlands ihrer Lösung näher gebracht worden sei. Allerdings werde dieser Standpunkt der privaten Hülfe von der Regierung jeßt nicht gern gesehen. Nur die Regierungsweisheit, wie sie sich hinter dem grünen Tische offenbare, solle maßgebend sein. Nun, er habe auch nach dieser Richtung keine Vorurtheile ; wenn ihm ein Shuhmacher ein paar passende Stiefel mache, so sei ihm sein Standpunkt gleichgültig ; er bezahle demselben seine Rehnung und sei demselben noch dankbar. Aber dagegen möchte er doch Einspruch erheben, daß dies Universum nur ein Objekt der Modelung nah den jeweiligen Gutachten von Professoren und Beamten in den Regierungskanzleien sein solle, Warum müsse man denn ein sozialistishes Ge- sey machen, wenn man auf dem Boden der alten Ge- jellshaftsordnung mit Uebereinstimmung der meisten Parteien hier etwas zu Stande bringen könnte? Unter Anderm des- halb, weil man glaube, durch solche staatssozialistishe Ein- richtungen den revolutionären Sozialismus auf die Seite zu drängen. Wenn es irgend etwas gäbe, was dieser Vorlage den Charakter eines chimärishen Unternehmens aufpräge, fo sei es gerade dieses Motiv. Er habe noch niemals einen von der revolutionären Sozialdemokratie gesehen, der dur die Bemühungen, wie fie durch diese Vorlage charakterisirt seien, von seiner Partei zur Regierungsparteìi, zur Bourgeoispartei herübergezogen wäre. Man habe vor etlihen Jahren einmal ein paar Sozialdemokraten ge- zühtet einen gewissen Grünberg, oder wie die LeUte . hien: es set ene Beit lang die Rede von diesen ausgezeihneten Sozialdemokraten gewesen; sie seien aber bald verdustet, und zwar mit einem Geruch, der, wenn er sih recht erinnere, nicht der beste gewesen sei. Der Abg. von Vollmar habe gestern sehr offen und sehr mäßig ausge- sprochen, daß nichts eitler fei, als sih zu bemühen, durch diese Konzessionen des konservativen Staats den revolutionären Sozialismus bekehren zu wollen. Der Effekt fei das Gegen- theil. Man befestige den revolutionären Sozialismus in seinen Ansichten, und wenn "nan es nicht von dem Abg. von Vollmar gehört hätte, müßte man es von sich selber sehen. Er halte diese Vorlage mit ihren Motivirungen für viel wirk- samer für die Entwilelung des sozial-revolutionären Gedankens in Deutschland, als umgekehrt das Sozialistengeseß im Stande sei denselben zurüclzudrängen. Wenn man das Gesetz in der Kommission prüfe, so prüfe man es unbefangen auf alle seine Theile. Lasse man sich nicht von dem Gedanken bestechen, daß man damit die revolutionär-\sozialistishe Partei zu si hinüberziehen, konservativ würde machen können. Wenn irgend Femand in dieser Frage konservativ sei, so seien es seine Freunde und er. Seine Partei stehe auf dem Boden der gegenwärtigen gesellshaftlihen Ordnung. Jndem das Haus in die Prüfung dieses Geseßes eintrete, shreibe man über die Thür das große Wort: Respice finem!

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats-Minister von Boetticher das Wort: i Meine Herren! es war nicht meine Absicht, das Wort in dieser Diskussion zu nehmen, bevor ich nicht den Standpunkt, den die ein- zelnen Parteien zu der Vorlage einnehmen, von den Rednern der- selben entwickeln gehört hätte. Jh wollte mit den Bemerkungen, die ih zu den Kritiken der verschiedenen Parteien zu machen hatte, warten, bis alle Parteien zum Worte gelangt wären. Wenn ic jeßt, nachdem dieser Moment noch nit eingetreten is, um das Wort gebeten habe, so bestimmt mich dazu die Wahrnehmung, daß der Gedanke des Aufbaus der Gesetzesvorlage die bei den Verbündeten Regierungen übereinstimmend Anklang gefunden hat, doch noch nicht in vollem Maße verstanden worden ift. a0

Meine Herren ! wenn ih dem Herrn Vorredner auf das politische Gebiet folgen wollte, welches er angeschlagen hat, so würde es mir

den Handelskammern schon recht lehrreihe Erfahrungen über

nicht {wer werden, ihn einer ganzen Reihe s Sätze zu widerlegen; aber er irrt, wenn er annimmt, daß