1904 / 286 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 Dec 1904 18:00:01 GMT) scan diff

rechtlide Erwägungen baben damals dazu geführt, die Stundungs- ermächtigung auf das eine Jahr zu beschränken, dessen Haushalttetat durch das Etatêëgesey zur Fefistellung gelangte.

Daß der Etat eines in lebendig aufstrebender Entwicklung bes griffenen Gemeinwesens, wie das Deutsche Reich ist, auh in Zeiten \chlechter Finanzlage den steigenden Bedürfnissen Rechnung tragen muß, wird kaum einem ernften Einwande begegnen. Jeder Stillstand wäre hier ‘ein verbhängniëvoller Nückschriti. Mit Rücksicht auf die un- günstige Finanzlage find aber selbstverständlih alle Forderungen auf das notwendigste eingeshränkt, was, wie ih vertraue, au eine strenge Kritik {ließli anerkennen wird. Trotzdem hat si der Eiat nicht ohne Zubilfenahme eines Zuihusses zur Anleibe balanzieren lassen. Wenn übrigens die Etatsdenksrift den Nachweis führt, daß trot sparsamster Bemessung der Ausgaken zu ibrer Deckung doch noch die beträhtlibe Summe von fast 75 Mill. Mark fehlt, so ist damit das eigentliche Defizit des vorliegenden Etats noch keineswegs in seiner vollen Höhe angegeben. Ich will tas ohne Umschweife von vornherein hervorheben, denn ich glaube ter Sache, die uns gegenwärtig ke- schäftigt, am besten dadur zu dienen, daß ih die Finanzlage mit vollster Offenheit darlege. (Bravo!) Nichts würde hier verderbliher sein als Selbsttäushung und Schönfärberei. (Sehr richtig !)

Die verbündeten Regierungen baben \sich nämli, wenn au im Hinblick auf die vor einigen Jahren aufgestellten Grundsätze nur mit Widerstreben, entschlossen, gewisse einmalige Ausgaben der A ain des Reichsheeres, die nah jenen Grundsäßen das Ordinarium zu tragen gehabt hätte, in Anknüpfung an die Gepflogenheiten weiter zurückliegender Zeiten ausnahmsweise für 1905 auf den außer- ordentlichen Etat zu verweisen. Es sind das die Ansäte für die Er- gänzung der Bewaffnung des Heeres mit einem Gesamtbetrage von 464 Mill. Mark, ein!chließlich der baverishen Quote. Wäre das nicht gesheben, so würde sih der ungedeckte Bedarf des vorliegenden Etats auf rund 121 Mill. Mark belaufen baben. (Hört, bört !) Die wirkliße Lage ift also noch erbeblih s{chlechter, als sie der Etatseniwurf erkennen läßt.

Von dem Etatsdefizit von 75 Millionen Mark haben die Bundes- staaten auch diesmal wieder die für die Leistungsfähigkeit der Mehr- zahl von ibnen die äußerste Grenze bildende Summe von rund 24 Mill. Mark als ungedeckte Matrikularbeiträge übernommen, sodaß auf den Anleihezushuß der Rest von 51 Millionen Mark entfällt. Der Ge- samtanleihebedarf erreicht bierdurch diz Höôke von 293 Millionen Mark.

Ein erbebliher Teil dieser gewaltigen Summe, und zwar ein Betrag von 48} Mill. Mark, ist zur Deckung des außerordentlichen und {wer zu übersehenden Bedarfs bestimmt, der dur die beklagenêwerten Ereignisse im südwestafrikmmishen Schutgebiet entstanden ist. Die bisher etatêmäßig bereitgestellten Mittel zur Unterdrückung des Ein- geborenenaufstandes haben nah Entsendung weiterer Trupvennahshübe hon im laufenden Jabre bei weitem niht ausgereiht. Es ift Ihnen daber ein ¿weiter Nachtragsetat zu dem Etat der Scbußtgebiete und zu dem Neichsbauéhaltéetat für das Jahr 1904 vorgelegt worden, der, mit rund 76 Mill. Mark abscließend, zunähst Deckung schaffen soll für die Kosten anläßlich der in der Zeit vom 25. März 1904 bis Ende Oktober d. J. entsandten Nachshübe eins{ließlih der nah der Lüterißbuht geshickten Gebirgsdatterie. Wegen der weiteren Truppennahshübe muß, weil die Kosten bierfür s noch in keiner Weise übersehen lassen, die Ausbringung weiterer Kredite vorbebalten werden. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Bis jeßt beziffern sih die anläßlih des Aufstandes erfolgten Bewilligungen und gestellten Forderungen auf insgesamt 135 Millionen Mark.

Was ih von den Einzelheiten des Etats des Fahres 1905 nit unerwähnt lassen mêöhte, das will ich nun in tunlihste Kürze fassen. Zunächst die Ausgaben! Für die Verwaltung des Reichéheeres be- trägt das Mehr einsließlich der bayerischen Quote bei den fort- dauernden Ausgaben rund 164 Millionen Mark, wovon mebr als die Hälfte auf die Naturalverpflegung entfällt und zum weit überwiegenden Teile der neuerdings eingetretenen Preiésteigerung zuzuschreiben ist. 1 300 000 A sind den trei Kontingentgetats aus Anlaß der Heeresverstär- kung, und deégleichen 1 600 000 aus Anlaß der dauernden Festlegung der zweijährigen Dienstzeit binzugetret:n. Für alle übrigen Ausgabe- zwede des weitshihtigen Heerezetats stellt sich somit die Mehbrforde- rung nur auf 4 Mill. Mark. Ein Minderansaß von 34 Millionen bei den einmaligen Ausgaben erklärt sich durch Fie bereits erwähnte Uebernahme von bisher aus den ordentlihen Mitteln bestrittenen Heereéauégaben auf den auferordentli&en Etat. Unter der fo reduzierten Summe der einmaligen Ausgaben sind für die Bedürf- nisse infolge der Heereéverstätkung 104 Millionen und aus Anlaß der dauernden Festlegung der zweijährigen Dienstzeit etwa 4 Million

enthalten. Die gesamten Erfordernisse für diese beiden Zwecke sind in der Begründung zu den vorliegenden Gesezentœwürfen nahgewiesen und belaufen sich einshließlich des baycrishen Anteils für das Rechnungsjahr 1905 auf rund 164 Millionen.

Für die Kaiserlihe Marine werden im ordentlihen Etat fortdauernd nicht ganz 6 Millionen und einmalig fast 13 Millionen mehr gefordert, während die den kbergebrahten Grundsäßen ertspreGende Belastung

des außerordentlichen Etats um 4 Millionen gestiegen ift. Me Dem Marineetat binzugefügte Vorbemerkung ergibt, daß die Gesamtauëgabe, wenn auch niht bescnders für

das Jahr 1905, so doch im Zusammenhang mit den Ausgabe- etats der Vorjahre sich in den Grenzen der Geldbedarfékerehnungen des Flottenplans bält.

Aus dem Etat des Reich8amts des Jnnern möchte ih anmerken, daß der Zuschuß auf Grund des Invalidenversiherungsgesetzes mit einem dicsmalizen Zugang von 3} Millionen die noch immer fort- schreitende Belastung des Reiches auf die Höhe von annäkernd 50 Mill. Mark gebracht hat.

Eine verbältnismäßig sehr bedeutende Steigerung haben im Etat der Neichéschuld die Zinsen erfabren (sehr richtig !), die bei einem bisherigen Jahresbetrag von 104 180 000 um 8} Mill. Mark höher angesetzt sind, darunter 14 Mill. Mark für die Diskontierung von Schaganweisungen, die zur Verstärkung der Betriebsfonds der Reichskasse ausgegeben werden, wodurch für diese Zwecke im ganzen 3 Mill. Mark zur Verfügung stehen. Daß dieser leßtere Betrag zur Deckung des Bedarfs für 1905 autreihen werde, ist für mich nach den Erfahrungen der leßten Zeit und im Hinblick auf die Verhältnisse in Südwestafrika weit mehr eine Hoffnung als eine Gewißheit. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Der auf fast 113 Millionen angeschwollene Zins- betrag für das Reich sollte vor allem eine ernste Mahnung sein, mit

lich im Reihe die aus den Anleiben entnommenen Mittel zu direkt werbenden Anlagen Verwendung, aus denen dann unmittelbar die Zinsen herausgewirtschaftet werten können. Von der Anleihesumme des vorliegenden Etats in Höhe von 293 Millionen sind nur die rund 44 Millionen Mark für die Post- und Telegraphen- verwaltung und für die Reichéeisenbahnen zu unmittelbar werbenden Zwecken bestimmt.

Aus dem Postetat verdient es Erwähnung, daß auch in diesem Jahre der auch von dem Neichêtag lebhaft gewünschten Vermehrung der etatsmäßigen Stellen erheblihe Mittel gewidmet werden sollen. Neben 1711 neuen Stellen für Assistenten sowie für Ober-Post- und Telegraphensekretäre sind 350 neue Stellen für weiblihe Hilfékräfte und 3032 folcher für Unterbeamte vorgeseßen. Für Unterbeamte in gehobenen Stellen ist eire besondere Besoldungéklasse mit erhöhten Gehaltsfäßen gebildet. Die Gesamteinnabme des großen Betriebszweigs konnte um fast 27 Mill. Mark und der Ueberschuß der Postverwaltung um fast reihlich 7 Mill. Mark höher als im Vorjahr angeseßt werden.

Auch im Etat der Eisenbahnen mußten die Betrieb8ausgaben zur Befriedigung der mit der Verfehrszunahme wahsenden Bedürfnisse sowie zur Erböhung der Betriebssicherheit nambaft erhöht werden. Bei einer um 8 Mill. Mark gestcigerten Einnahme is hier der Veberschuß nur mit einem Mebr von etwas über 2 Mill. Mark in Anfatz gekommen.

Die Ausgaben des allgemeinen Pensionsfonds sind infolge der fort- shreitenden Personalvermehrung, namentlih bei dem Heer und der Marine, naturgemäß in andauerndem Steigen “begriffen. Der Mehransaß stellt fich auf 2} Mill. Mark und errei&t damit die Höhe von mehr als 73 Mill. Mark. L

Auch die Veteranenbeihilfen sind in fortgeseßgter Steigerung begriffen. Tie Bedarfssumme, die 1904 ers um 2} Millionen erhöht worden war, hat für 1905 s{hon wieder um weitere 24 Mill. Mark höher, das ist auf 14 Mill. Mark, angeseßt werden müssen. Es dürfte noch eine Reibe von Jahren dahingeben, bis bier die Höchsigrenze erreicht ist.

Es ist in dem vorliegenden Etatentwurf vorges{lagen, diese Aus- gabe auch für 1905 wiederum auf allgemeine Reichéfonts zu über- nehmen. Aber ungeactet der beträhtlißen Entlastung, die der

Jahr immer bederkliher. (Sehr rihtig! in der Mitte.) Noch im vorigen Jahre glaubten wir, nah Entlastung des Fonds von den Veteranenbeibülfen mit einer Abminderung der Unterbilanz von 290 auf 170 Mill. Mark und mit einer Verlängerung der Lebentdauer des Fonds bis 1913 rechnen zu können. Inzwischen haben sih die Wirkungen der Kriegsinvalidennovolle vom 31. Mai 1901 aber derart füblbar gemacht, daß die Unterbilanz wiederum auf annähernd 280 Millionen Mark gestiegen ist, und wir mit der vollständigen Aufzehrung des Fonts im Jahre 1910 rehnen müssen. (Hört, hört! in der Mitte.) Die JIahreslast wird nah den aufgestellten Berehnungen \ih dann noh auf rund 35 Millionen Mark Pensionen beziffern. (Hört, bört! in der Mitte.)

Die neuen Militärpensions-Geseßentwürfe, die doch aub auf den Inbvalidenfonds nit ohne Rückwirkung bleiben können, sind dabei noch gar nit in Betraht gezogen. Welche Kalamität es

für unferen Reihshaushalt bedeuten müßte, wenn wir eine so erhebliche neue Jahreélast im Jahre 1910 ganz unvermittelt auf allgemeine Reichsfonds übernehmen müßten, bedarf wobl

feiner näheren Darlegung.

Leider gestattet die augenblicklihé Finarzlage es nit, die im laufenden Jahre begonnene Entlastung des Jnvalidenfonds {on im nähften Jahre weiter auszudehnen. Wir werden hiermit über das Jahr 1906 hinaus kaum zu waiten dürfen; denn wie die Dinge liegen, muß ih betonen: es is bier in der Tat Gefahr im Verzuge. (Sehr richtig! rechts.) Dann aber werden die beiden Invalidenfondsgeseze vom 22. Mai 1895 und 1. Juli 1899 einer erbeblih durhgreifenderen Aenderung bedürfen, als der Reihs- tag in seiner Resolution vom 20. April d. F. befürwortet bat.

Mit Rücksicht hierauf ersien es au nit geraten, der Ausführung jener Resolution des Reichstags schon jeßt näher zu treten. Fn- ¿wischen foll indessen versucht werden, wenigstens auf eine tunli&st gleihmäßige Berücksichtigung der unterftütungsbedürftigen Veteranen in den vershiedenen Bundesstaaten hinzuwirken. Es entspriht das au einem Verlangen, das wiederholt in diescm hohen Hause an die verbündeten Regierungen gerihtet worden ist. Der Entwurf des- fallsiger einkeitliher Grundsäße unterliegt augenblicklih der Beschluß- fassung des Bundesrats.

Meine Herren, man entrüstet sch über die wiederbolte Zubilfenahme von Zoschußanleiben zur Balanzierung des Etats, und ih erkenne ohne weiteres an, daß ein solches Verfabren an si nicht unbederklih ift, und daß davon nur im äußersten Notfalle bei einem momentanen, rasch vorübergehenden Defizit Gebrauch gemacht werden follte. Aber als weit bedenklicher ersheint mic tie Tatsache, daß das Reih nun {on seit Jahren nicht mehr in der Lage ift, feinen Haushalt balancieren zu können (sehr rihtig! rechts), ohne

einen Fonds, den eine weitauéshauende Gesetzgebung frükerer Jahre zur Sicherstellung der Versorgung unserer Invaliden und deren Hinterbliebenen aus dem Jahre 1870/71 sozusagen

gestiftet hatte, für andere Neihszwecke anzutasten und vorzeitig aufzubrauhen. Diese eine nackte Tatsache, meine Herren, spricht für das dringende Erfordernis einer gründlihen Sanierung der Reichs- finanzen eine beredtere Sprache, als ich es in Worten je vermötte. (Sehr richtig !)

Der Gesamtbetrag der Ausgabeetats der Schutzgebiete stellt sich für 1905 auf 914 Millionen Mark, und nach Abrechnung der dabon auf die militärishen Maßnahmen in Südwestafrika ent-

fallenden Beträge auf fast noch 45 Millionen. Die hauptsä- lichste Deckung hierfür wird nach wie vor durch die Zu- schüsse aus der Reichskasse gewonnen, welhe zusammen 294 Millionen betragen, und welche diejenigen des Vor-

jahres um etwa 24 Mill. Mark übersteigen. Den Hauptanteil an diesem Mehrbedarf hat mit 2 Millionen der Etat für Kiautschou erfordert, in welchem die Armierungsausgaten um diesen Betrag höher in Anfaß gebraht werden mußten. Daneben sind die Fehlbeträge aus

der Kontrahierung von Schulden nicht in der bisherigen Weise (hört,

der Schußgebietverwaltung früherer Jahre mit 3} Millionen, das

hôrt! bei den Sozialdemokraten) niht in ter biéherigen Weise fortzufabren (schr richtig! rechts) und vielmehr an die baldige Ein- rihtung einer planmäßigen Tilgung unserer Schulden zu denken. (Sehr richtig! rechts.) Denn nur zum geringsten Teile finden bekannt-

NReichsinvalidenfonds dadurch erfährt, wird seine Lage von Jahr zu |

jedoch |

sind etwa 1 Million mehr als das Jahr vorber, auf den Reichs- baushaltsetat übernommen. s

Uebergehend zu den Einnahmen des Etats, möchte ih bervorheben, daß nach den in der Anlage XVI1 des Hauptetats gegebenen Ausweisen die Zölle nur auf kaum 1} Millionen höher als im Vorjahr ver- ans{lagt werden konnten. Inwieweit es möglich sein wird, die dur die Einführung des neuen Zolltarifs zweifellos bedingten zeit- weisen Verschiebungen in der Wareneinfuhr für eine etwaige Gr- böbung des Voranschlages der Zölle zu verwerten, lasse ich vorläufig dabingestelkt.

Die Zuckersteuer konnte, entsprehend der son vorhin beleuchteten günstigen Lage des Zukerverbrauls, um 14? Millionen , und au die Salzsteuer um fast 2 Millionen böher veranschlagt werden. Bei den Einnahmen aus dem Bankwesen sind aus denselben Gründen, die auch für die Et-tsverbesserung im laufenden Fahre vorhin von mir angeführt wu “en, gleichfalls fast 24 Millionen in Zugang gestellt worden. 4: Uebers(üsse bei den Betriebs- verwaltungen, die bier auch als Einnahme in Betra&t kommen, habe ih bereits gedaht. Die den Bundeéstaaten zu übeiweisenden Steuern, die son für das laufende Jahr, wie hen bemerkt, gegen den Etats- entwurf zurückbleiben, ershcinen deswegen au in dem neuen Etat mit Beträgen, die durchweg die Ansäge des Vorjahres niht erreichen. Im ganzen sind die Ueberweisungen bei einem Rückzanze um 65 Millionen mit 189 Millicnen Mark ausgebracht, denen 213 Millionen Mark Matrikularbeiträge gegenüberstehen. Von diesen bleiben wiederum rund 24 Millionen ungedeckt.

Meine Herren, wir würden uns dem niht unberechtigten Vorwurf ausseßen, von der Hand in den Mund zu leben, wenn wir in der Lage, in der wir urs gegenwärtig befinden, nit unsere Blicke auch etwas weiter über das Jahr 1905 hinaus in die Zukunft richten wollten. (Sebr rihtig) Ich kann nicht bergen, daß fich dabei eine recht trüke Perspektive eröffnet

| (böôrt, böôrt!); denn wenn auch erwartet werden darf, daß nah

Niederwerfung des Aufstandes in Südwestafrika der Anleibebedarf eine wesentliche Minderung erfahrca wird, so bedeutet das doch noch keine Verbesserung des ordentlihen Etats, der vielmehr durch die Verzinsung der fraglichen Kolonialanleihben eine \{were, dauernde Mehbrbelastung erfäht. JIch s\teke ni6t an, hier offen zu erflärn, daß es mit der Bewirtshaftung unseres Haushalts in der bisherigen Weise unmöglich weiter gehen kann (hôrt , bört! links; sehr rihtig! rechté), und daß wir alles daran seßen müssen, um unseren Hauthaltsetat wiederum auf eine solide Basis zu stellen. (Sehr richtig! rechts) Wir baben in dieser Be- ziehung dur das Geseß vom 14. Mai d. I. bereits den erften ein- leitezden Schritt getan, wir haben sozusagen das Fundament gelegt für eine künftige rationellere Haushaltéführung, wir baben die Trümmer weggeräumt, die hindernd im Wege lagen. Wir werden aber auf der nun einmal betretenen Bahn fortschreiten müssen, wenn wir zum Ziele gelangen wollen. (Sehr wahr!) Eins ter vor- nebmsten Mittel, seine Finanzen zu bessern, ist ganz zweifellos das ist eine alte Erfahrung die Sparsamkeit in den Auêëgaben. (Leb- hafte Zustimmung.) Ich kann dem hoben Hause versichern, daß ih von dem ersten Tage an, an dem ih in dieses mein Amt eingetreten war, es für meine erste Pflicht erahtet habe, hinzuwirken auf Sparsamkeit in allen Zweigen ter NReichêverrvaltung. Ater in den Haushalten der Staaten und insbesondere in dem Haus- halt des Reichs mit seinen großen verfassungémäßigen und sonstigen geseßliGen Aufgaben sind der Sparsamkeit auch Grenzen gezogen, unter die nicht beruntergegangen werden fann, wenn nit das Ganze

Schaden leiden soll. Das gilt nicht zum mindesten von den fogenannten Machtausgaben des Reichs, d. b. von dem Aufwante für die Erhaltung umd für tie not- wendige Fortentwicklung unserer Wehrkrafi zu Wasser und ju

Lande, und unbedate Sparsamkeit an diesem Punkte könnte ch in der Stunde der Gefahr aufs bitterste rähen. (Sehr richtig! rcchts.)

Anlangend unsere Kolonien, so mögen die Meinungen darüber aus- einandergehen, ob und inwieweit ihre Erwerbung seinerzeit veranlaßt war. (Sehr richtig! links.) Aber wir baben sie einmal erworben, und jeßt wird sih das Reich der verfassungsmäßigen Verpflichtung nicht entziehen können, in Ansehung jener Kolonien \cine Kulturmission zu erfüllen.

Was aber den übrigen Reichshaushalt betrifft, so babe ih die Empfindung, daß diz Negicrungen und das RNeichéshaßamt unter dem Druck der Finanzlage in ihrer Sparsamkeit vielfah {on weiter g’hen, als es der Mebrheit des Reichsiags lieb ift. Der Neichs-

schaßsekretär, dem die undankbare Aufgabe erwähst, dem Drange na Mehrausgaben, der auch in diesem boben Hause nicht zu den Seltenheiten gehört (sehr wahr !), ent- gegenzutreien, kann hier avs eigenster Erfahrung sprechen. IchG

babe überhaupt auf Grund meiner langjährigen Erfahrungen den Eindruck gewonnen, daß in der Veranlagung zur Sparsamkeit die

Regierungen dem Parlamente mindestens nit nachstehen. (Heiterkeit) Mit Sparsamkeit allein werien wir also das angestrebte Ziel der Gesundung unseres Nerchéhausbaltes faum

zu erreihen vermögen. Wir werden vielmehr auf die Dauer dazu einer Verbesserung der Reihéeinnahmen nicht entraten können. In der Tat baben wir ja auch von einer unserer Einnahmequellen in Bâlde {on Mebreinnahmen zu erwarten, und zwar aus den Zöllen; aber ih möte doch erneut davor warnen, si in dieser Hinsicht allzugroßen Hoffnungen hinzugeben. (Sehr rihtig!) Nächstens werden sih ja ohnehin die Schleier bereits lüften, und Sie werden selbft in der Lage sein, si in dieser Richtung ein binlänglih klares Bild zu vershaffen. Ih babe mich in dieser Hinsicht niemals sanguinischen Erwartungen hingegeben. Eine Verfolgung finanzpolitischer Ziele hatte sih das neue Zolltarifwerk programmgemäß von Anfang an nicht zur Aufgabe geseßzt. Der Neichétag hat dann diesen programmatischen Gedanken selbst noch weiter ausgebaut, indem er einerseits bei den eigentlichen Finanzzöllen, die nah der Regierungévorlage unverändert bleiben soliten, einige Ermäßigungen vornahm, und indem er anderer- seits beschloß, etnen von der Erböbung der landwirtschaftlichen Zölle zu erwartenden, nit unerbeblihen Mebrertrag zum größten Teile für einen neuen sozialpolitishen Zweck, nämli für die Versorgung der Arbeiterwiiwen und -waisen zu verwenden. Ih möchte nur hoffen und wünschen, daß der Fonds, der vorläufig hier zu diesem Zwecke thesauriert werden soll, nidt ein âhnlihes Schicksal tereinft erleiden möchte, wie der Reichsinvalidenfonds. Vestigia terrent! (Sebr richtig! und Heiterkeit.)

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staaksanzeiger.,

¿ 286.

Berlin, Montag, den 5. Dezember

1904.

(Schluß aus der Ersten Beilage.) Jedenfalls weiß ih aber das eine nicht, wo nun plößlich für die Reichskaffe das viele Geld berkommen foll, das man sih vom neuen Zolltarif erwartet. Wie Manna fällt bekanntlich das Geld niht vom Himmel. Vorläufig ift für uns nur das eine ficher, daß zu dem teils latenten, teils offenen Defizit, mit dem wir seit längerer Zeit zu kämpfen haben, im nähsten Jahre noch be- trähtlihe neue Aufwendungen hinzutreten werden. Jh will dabei Fragen, die zur parlamentarischen Erörterung gegenwärtig noch nicht bereift sind, wie beispielsweise die Vermehrung der Auslands- schiffe, ganz außer Betracht laffen; ich will deshalb bier auch nit sprechen von dem dringenden Erfordernis einer baldigen Verstärkung der Betriebsmittel der Reichskasse und von der endlihen Inangriffnahme einer erganishen Schuldentilgung. Erinnern möhte ich aber an die bereits vorges{lagene Erhöhung der Militärpensicnen, die doch auch von dem Reichstag selbst dringend gewünscht ift, welche aber wie ich einshaltend bemerken möchte in dem vorliegenden Etatsentwurfe noch nicht in Erscheinung tritt. Ich will weiter erinnern an den Bedarf aus Anlaß der ebenfalls Ihnen bereits vorgeschlagenen Erböbung der Friedenspräsenzstärke und der dauernden Festlegung der zweijährigen Dienstzeit. Ich will des weiteren erinnern an die wachsenden NReichszushüse zu den Invalidenrenten, an die wachsenden Veteranenbeihilfen und die sehr beträhtlihe Steigerung

der Zinsenlast, an die von Ihnen selbst dringend geforderte Erböhung der Wobnungsgeldzushüsse, an die Notwendigkeit,

den außerordentlichen Etat sobald als möglich von den weiteren Raten der sogenannten Waffenforderungen wieder zu entlasten, an das nicht minder dringende Erfordernis, an eine weitere Entlastung des Neichs- invalidenfonds heranzugehen. Es sollte mich ja aufrihtig freuen, wenn wir bei demnächstiger Schäßung des der Reichskasse verbleibenden Mehrertrages der Zêlle zu dem Ergebnis gelangen sollten, daß damit

das vorhandene Defizit und was außerdem noch hinzutreten wird, auch nur annähernd gedeckt werden kann. Vorerst aber fehlt mir dazu der Glaube, und ih bin eher geneigt,

anzunehmen, daß auch dann noch ein gewaltiger Fehlbetrag verbleiben wird (hört, hört! bei den Sozialdemokraten), von etwaigen Ueber- \hüfsen, deren wir zur gelegentlihen Verminderung unserer beträht- lihen Reihs\{huld dringend bedürften, hon gar nit zu reden. Wenn wir aber, wie ich mit Grund besorge, zu diesem Ergeb- nisse gelangen sollten, dann, möchte ich glauben, wäre es au unsere ernste, der Woblfahrt des Reichs ges{uldete Pflicht, ohne Zögern diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur endlichen Sanierung unserer Finanzen unerläßlich sind (sehr rihtig! rechts), und ih weiß mich im vollen Einklang mit der Auffassung der Gesamt- beit der verbündeten Regierungen, wenn ih {hon heute aufs bestimm- teste erkläre, daß wir nicht glauben würden, eine weitere Ver- tagung der s{chon aus Nücksicht auf das Ansehen und die Würde des Reichs dringend gebotenen, gründlihen Ordnung seines Haushalts verantworten zu fönnen. Bei allen Maßnahmen aber, die in Frage kommen mögen, um zu einer nahbaltigen Besserung unserer Finanzen

zu gelangen, wird und daran werde ich unentwegt fest- halten namentlih eines nicht außer aht gelassen werden dürfen: Schonende Rücksichtnahme auf die wirtshaftlich

Schwachen! (Bravo! rets, in der Mitte und bei den National- liberalen. Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler:

Meine Herren! Gelegentlih der Beratung meines Etats in der Budgetkommission habe ih im Februar dieses Jahres Erklärungen über diejenigen Forderungen abgegeben, welche nah meiner Meinung die ver- bündeten Regierungen für ein kommendes Quinguennat würden fteller müssen. In dem jeßt vorliegenden Etat finden die Herren diese Forderungen genau so wieder, wie ich sie damals ffizziert hatte, mit dem Unter- \chiede nur, daß wir niht mal alles das gefordert haben, was ih da- mals {on in Aussicht gestellt hatte.

Meine Herren, ih sehe hier Nachweis

davon ab, den

zu führen, daß Deutschland nach wie vor eine starke, s{lag- fertige Heereëmaht haben muß, denn ich denke, wir sind alle darüber einig, daß das Deutsche Reih seine Aufgaben in der Welt mit Sicherbkeit nur wird erfüllen und lösen können

mit cinem frieg8bereiten starken Heere. Ih sehe auch davon ab, die Forderung zu rechtfertigen im Hinblick auf die starken Kräfte der uns benabbarten Militärstaaten; denn diese Kräfte find so erheblich, daß wir sie zahlenmäßig nie erreihen können. Wenn dem aber fo ift, meine Herren, so müssen wir mit zwingender Gewalt darangehen, den inneren Wert der Armee zu vergrößern, ihre Organisation zu be- festigen und ibre Ausbildung zu verbessern. Diefen beiden Forderungen sollen beide Gesetze, * das, betreffend Friedenspräsenz, sowohl wie das, betreffend die zweijährige Dienstzeit, dienen. Das Gesetz über das Quinquennat will und erstrebt nichts weiter, als die Schwächen und Lücken unserer Armee zu beseitigen. Es will die Or- ganisation des Heercs verbessern und ausbauen und sie zu einer solchen gestalten, daß die schwierige und komplizierte Mobilmachung vereinfacht wird, und daß es vermieden werden fann, in die Linientruppenteile, also die Truppenverbände erster Linie, irgend welhe Reserveformationen aufzunehmen, so gering folhe auch sein mögen.

Meine Herren, es handelt \sih also nur um eine organische- Fort- entwickelung zur Beseitigung derjenigen Unzuträglichkeiten, welche aus der Organisation der früheren Jahre der Armee anhaften. Gewiß wird man sehr vorsichtig sein müssen, jeßt {hon Schlüsse aus den Erscheinungen und Ergebnissen des russish-japanishen Krieges zu ziehen, da Ursahe und Wirkung „noch nicht genau festgestellt find, um zu

einem richtigen und sicheren Urteile zu gelangen. Aber eins scheint mir doch siher zu sein, was auch im übrigen von der Kriegs- geshihte bestätigt wird, daß diejenige Armee, welche in fest-

überlegen ist, eine Ueberlegenheit, die sih sofort in gewonnenen Ge- fehten und Schlachten ausdrüdckt, und was es beißt, gleich ¿zu Anfang Sieger zu sein, das brauche ih hier niht auseinanderzuseßzen, das [ehrt die Kriegsgeshihte auf jedem Blatt.

Wie ist nun die Organisation unseres Heeres beschaffen ? Im wesentlichen ist ja an den von mir sfizzierten Gesichts- punkten festgehalten; wir Haben aber doch im Jahre 1899

Verbände geschaffen, die zwar den Namen von Divisionen führen, aber solche in der Tat niht find. Unsere Divisionen follen für den Krieg strategishe und taktishe Operations- und Gefechts-

einheiten sein, die imstande find, selbständig zu operieren und zu s{lagen. Sie müssen zu diesem Zweck aus allen Waffen bestehen und müssen diese Waffen {hon im Frieden besißen. Aus diesem Grunde haben wir damals die Organisation

der Artillerie verändert und die Artillerie den Divisionen’ zugewiesen,

um diesen inneren Zusammenhang zu erhalten. Nun haben wir aber Divisionen, und zwar hauptsächlich an den Grenzen, welhe den Be-

dingungen einer gesunden Organisation durchaus nicht entsprechen, die weder an Infanterie die nôötige Stärke haben, sondern erheblich, bis zu einem Drittel, binter dieser Stärke zurückbleiben, und denen es zum Teil oder ganz an Kavallerie fehlt. Hier muß Abhilfe geschafft werden, und zwar durch Formation von neuen Verbänden. Wir haben uns wohl überlegt, ob es möglich fei, die Bataillone zu bilden unter Aufre{terhaltung der jeßigen Präsenzziffer, wir haben aber

diese Frage verneinen müssen. Wir hatten gewissermaßen noch eine Forderung ausstehen von 7000 Mann. (Heiterkeit.) Dio

Meine Herren, ih glaube, ih sage niht zu viel! (Sehr gut!) Die Regierung hat damals erklärt, sie würde sie fordern, wenn die Not- wendigkeit sih zeige, und das hohe Haus, glaube ih, hatte zugesagt, sie zu bewilligen, wenn ihm die Notwendigkeit nachgewiesen würde.

Meine Herren, wir haben davon abgesehen, diese 7000 Mann zu fordern, da im Laufe der Zeit Erfahrungen dahin gehend gemacht

sind, daß die nötigen Verbesserungen nicht einseitig auf dem Wege der Etatserhöbhung betrieben werden dürfen. Das ift der Grund gewesen, warum wir die Erböhung niht fecr-

derten, aber wir können jeßt unter feinen Umständen darin willigen, die Etats der Infanterie herabzuseßen, um etwa Neuformationen, die an anderer Stelle nôtig find vorzunehmen, denn hierdurch würde eine Shwähung unserer Infanterie für den Krieg eintreten, und gerade da gilt es, die Infanterie zu konsolidieren und zu ver- bessern.

Meine Herren, es gilt also, durch das Quinquennat die Verbände zu fkonsolidieren und zu verhindern, daß an irgend einer Stelle in der ersten Linie neue Formationen auftreten, weil diese unter allen Umständen die Leistungen des Gesamtver- bandes \{wächen müssen, und man nie idifsen kann, welcher Truppens- teil zuerst an den Feind kommt.

Meine Herren, was nun die so enthält fie meines Erachtens ja eigentlich nichts wesentli Neues für das hohe Haus, denn daß ein Kavalleriemangel besteht und die Notwendigkeit vorhanden ist, diesen Mangel zu beben, das hat das hohe Haus ja \chon anerkannt durch die Swhaffung der Eskadrons der Jäger zu Pferde. Nun habe ich in der „Freisinnigen Zeitung“ gelesen, daß die Erfahrungen des russish- japanischen Krieges und überhaupt der ganzen jeßigen Zeit mehr darauf binwiesen, die Kavallerie zu vermindern, als se zu vermehren, und nur der Umstand, daß sie eine Lieblingswaffe sei, bätte dazu ge- führt, die Regierung zu bestimmen, Ihnen eine Kabvalleriever- mehrung vorzuschlagen. Meine Herren, ih muß diesen Gedanken weik von mir weisen. Ich bin mir vollkommen bewußt, daß wir nur das Wesentliche fordern dürfen, daß unsere Finanzlage jeßt und fünftig es dringend gebietet, uns vor Feblgriffen in aht zu nehmen, nits zu fordern, was unscre Etats belastet, ohne tatsächlih einen Gewinn zu erzielen. Ich bin aber auch der Meinung, meine Herren, daß cine Militärverwaltung durhaus die Pflicht hat, dieses Wesent- lihe zu fordern und es zu vertreten.

Kavalleriefrage anbetrifft,

Ich bin ferner der Meinung, daß allerdings in einem künftigen Kriege der Kavallerie sehr wichtige und bedeutende Aufgaben zufallen werden, und daß wir weder für diese Zwecke nocch für die Ausbildungszwecke im Frieden die not- wendige Kavallerie wirklich besißen. Jh weise nochmals darauf hin, daß wir Divisionen haben, die keine Kavallerie be- sien, daß der Mangel si infolgedessen erbeblich fühlbar gemaht

hat und daß er besonders hervorgetreten ist, nahdem wir in Sachsen ein zweites, in Bayern ein drittes Armeekorps formiert haben. Ich halte es nicht für angängig, diesem Mangel fortgeseßt durch Ab- kfommandierungen von Brigaden und Regimentern abzuhelfen, die

ibrerscits ibren Verbänden entzogen werden, ein Verfahren, das viele Kosten verursaht und schließlich auch auf dem Gebiete der Ausbildung manhe Schädlichkeiten zur Folge hat.

Meine Herren, ich möchte mich heute hier enthalten, des näheren darauf einzugehen . oder meine Gedanken darzulegen über die Not- wendigkeit einer weitgehenden Verwendung der Kavallerie im Kriege und ihre Bedeutung für die Operationen. Ih werde ja wohl noch Gelegenheit haben, im Laufe der Diétfkussion hierauf zurückzukommen. Die Notwendigkeit der Vermehrung der Kavallerie hängt anderseits so innig zusammen mit ihrer Verteilung im Mobilmachungsfall, mit der Aufstellung der Formationen im Kriege, daß ih gar niht in der Lage bin, hierauf im speziellen in der Oeffentlichkeit ein- zugehen. Ich werde aber in der Kommission in der weitgehendsten Weise ohne irgend welche Zweideutigkeiten die entsprehenden Daten vorlegen, und ih hoffe, daß die Kommission daraus ersehen wird, daß wir in einer geradezu unzulässigen Weise unsere gute Kavallerie zer- splittern und verwässern in dem Augenblicke, wo wir die höchsten Leistungen von ihr verlangen müssen.

Meine Herren, ich möhte noch ein Wort sagen über die Jäger zu Pferde. Der Gedanke bei der Schaffung der Jäger zu Pferde war der, eine

ausgebildet, ein vorzüglihes Personal liefern sollte für die Ver- wendung im Melde- und Ordonnanzdienst. Dieser Zweck ist in der Tat vollkommen erreiht. Das ist auch verschiedentlich von meinem Herrn Amtsvorgänger aus8gesprohen worden. Wenn wir nun ge- nügende sonstige Kavallerie besäßen und- au sonst luxuriss leben könnten, nicht sparsam zu sein brauckten, so wäre es gewiß sehr hübsch und sehr s{ön, - wenn man von. vornherein jedem Infanterie- führer eine Anzahl ausgezeichnet autgebildeter Kavalleristen zur Ver-

fügung stellen könnte. Aber, meine Herren, in unsern Verbältnifsen

kann man fich einen derartigen Lurus nit leisten, und

wir sind infolgedefsen {hon längst davon abgegangen, die d 5

Jäger zu Pferde so zu gebrauchen; wir verwenden sie in ganzen Esfa- drons bei den Infanteriedivisionen. Ih meine, es muß das leßte stellen, gute, Regi-

Ziel immer das sein, gute Regimenter zusammenzusteller menter auszubilden, die gleichzeitig verwendet werden fönnen bei den Kavalleriedivisionen wie bei den

Infanteriedivisionen. Die Jäger zu Pferde wären gewiß ein vortreflihes Mittel gewesen, zu einer

Kavallerievermehrung zu gelangen, dann bâtten wir fie aber in etwas

größerer Zahl und etwas schnellerem Temvo formieren müssen. Jeßt aber müfsen wir sie aufgeben; ich stehe niht an zu er- flären: wir müssen Regimenter haben.

Nehnlih wie bei der Kavallerie handelt nch um die Vermehrung der Spezialwaffen, der Fußartillerie, der Pioniere und der Telegraphentruppen. Sie in der vorhandenen Zabl einfah nicht mehr für den er uns îim Kriege bliegt. Auch dieses werde ich in nission des näheren

nachzuweisen nötig haben. Ih wende mich nun z C europäishen Heere haben fh seit Jabren

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fortgeseßt vermehrt.

Die Massenverwendung is nun einmal eingetreten und vor- gesehen. Die rage du nombre ift fein leerer Begriff, und die Frage bei der zweijährigen Dienstzeit stebt einfach so: ist die Ausficht auf den Sieg größer mit einer Armee von 200 000 Mann mit dreijähriger Dienstzeit oder mit einer Armee von 300000 Mann mit nur zweijähriger Dienstzeit ? Man hat sich für die leßtere Ansicht entschieden. Das ift der

militärisGe Grund für die Beibehaltung der zweijährigen Dienstzeit. Nun, meine Herren, steht die Armee in dem Provisorium seit jeßt 11 Jahren. Es ift kein Geheimnis, daß viele Offiziere und zahls reiche böbere Führer mit einer gewissen Sorge an dieses Provisorium, an die Ausbildung der Fußtruppen im zweijährigen Dienst beran- gegangen sind. Aber ih glaube, niemand wird der Armee das Zeugnis

versagen, daß sie in dieser Zeit mit redlihem Eifer und ohne jeden Hintergedanken gearbeitet hat und bemüht gewesen ist, die ihr

zugefallene Aufgabe zu lösen. Die dabei erreihten Resultate sind, das muß anerkannt werden, durchaus befriedigende gewesen. Aber diese Resultate find doch nur erreiht worden durch Ueberanstrengung des Ausbildungspersonals auf allen Gebieten. (Sehr richtig! rechts.)

Ich glaube, das is eine ganz allgemein bekannte Tatsache. Daß die Aufgabe gegen früher s{chwerer geworden ist, liegt doch schon einfah im Zahlenverhältnis. schwerer, eine Truppe mit der Hälfte der Rekruten als mit einem starken Drittel auszu-

Fs ift

bilden. Es ist überbaupt s{chwierig, das liegt, glaube ich, auch auf der Hand, den Dienst zu leiten bei einer Truppe, die stets zur Hälfte

aus Rekruten besteht (sehr rihtig! rechts) und die überhaupt niemals in den ganzen 2 Jahren mit ihrer Ausbildung fertig wird. Meine Herren, es ist behauptet worden, und namentlich jeßt auh wieder bei

ihr babt ja

der Forderung der fogenannten Ausgleihmaßregeln :

die dreijährige Dienstzeit gar nicht gehabt, niemals! Meine Herren, das ist zum Teil richtig, für die leßten 20 Jahre, die dem Provisorium vorauêëgingen. Es trifft aber doch in der Tat

nit zu für die kritishe Zeit, die man zur Beurteilung hat, wie die dreijährige Dienstzeit im Kriege sch bewährt hat, nämlih für die Zeit in den ganzen 60er Jahren bis zum Jahre 1870. Dort haben wir in der Tat die dreijährige Dienstzeit gehabt. Der Mann diente nidt 36 Monate, aber doch 32, 33, ja fogar 34 Monate, immerhin 11 Monate mebr als jeßt. Infolgedefsen, glaube ich, waren wir durchaus berechtigt, in der Begründung zu sagen : Das Endurteil über die zweijährige Dienstzeit kann nur der Krieg geben, wie auch der Krieg das Urteil über die Zweckmäßigkeit der dreijährigen Dienstzeit gegeben hat.

Es wird ferner gesagt, die Leute des dritten Jahrganges, die zurückblieben, waren eigentliÞh nur Schlote, \{lechte Kerle, die sich nicht gut geführt hatten und die eigentlich der Kompagnie mehr zum Schaden als zum Nutzen gereichten. Das mag ja in diesem oder jenem Truppenteil vorgekommen sein. Indes nach den Akten des Kriegsministeriums find die dritten Jahrgänge bis etwa in das Jahr 1890 hinein doch immerhin von einiger Stärke gewesen, allerdings in den leßten Jahren, wo eine ziemlich bedeutende Be- urlaubung zur Disposition stattfand, {hon nur bis zu 30 Mann. Aber daß diese 30 Mann nur Schlote gewesen, ist kaum anzunehmen. Es fam noh ein anderer Umstand hinzu. Es wurde Nachersaß nur bis zum 1. Februar j. J. gestellt. Alles, was nach diesem Termin fehlte, wurde aus den Diépositionéurlaubern eingezogen, sodaß der

dritte Jahrgang für die Sommerperiode erhebliß wuchs. Immerhin gab der dritte Jahrgang der Truppe einen festen Halt. In ihm be-

fanden ih diejenigen Leute, welhe man verwandte zur Rekruten- ausbildung, zu Gefreiten, und ein solcher stellt in seinem dritten Jahre eine größere Autorität dar als im zweiten. Es befanden \ich unter diesen Leuten diejenigen, die man auswählte für die Kapitulation, für die Beförderung zum Unteroffizier. Das hatte den Borteil, daß man sie immerhin mindestens ein Jahr länger als heute ausbilden konnte für ihre Aufgabe als Erzieher und Ausbildener der Truppe. Ich habe dies angeführt, nur um zu zeigen, daß wir do Bedeutendes für die Ausbildung aufgegeben haben durch die dreijährige Dienstzeit. Das hat ja auch der Reichstag selbst anerkannt, daß es notwendig sei, gewisse Ausgleichmaßregeln zu schaffen und zu fordern, denn fonft bâtte er uns nit die vierten Bataillone bewilligt. Diese vierten

gegliederter Formation und Organisation in den Krieg geht, der- jenigen, die mit minder gefesteten Formationen ihr gegenübertritt,

Truppe zu haben, die, im innigsten Anschluß an die anderzn Waffen

Bataillone sind, wie die Herren ja wissen, dur zwingende Gründe