Iahre sich gestalten werden, habe aber persönlich den herzlichen Wunsch, die vorliegende Angelegenheit zu einem erfreulihen Ende zu bringen; denn es liegt mir in der Tat am Herzen, darf ich wohl sagen, für die Unterbeamten, die gerade auf dem Gebiet der Fürsorge für ihre Wohnungen besonders hohe Aufwendungen zu machen haben, etwas zu tun. Sie wissen ferner ja alle, meine Herren, daß ein solher Schritt nur in der Uebereinstimmung mit dem Neiche geschehen kann, und daß die Finanzlage des Reichs es leider unmöglih gemacht hat, wie ih gewünscht hätte, {on in den Etat für 1905 diese Mittel einzustellen. Ich muß pari passu mit dem Reiche vorgehen und kann daher meine Erklärung nur mit einer gewissen Reserve abgeben. Ich wiederhole aber: ih stehe auf dem Standpunkt des Beschlusses der Budgetkommission, die uns er- freuliherweise einen Weg gezeigt hat, auf dem wir uns, glaube ich, alle verständigen können. Jch kann deshalb nur bitten, dem Beschluß der Budgetkommission ihre Zustimmung zu erteilen, und werde nah Kräften dafür eintreten, daß diesem Beschlusse baldmöglichst auch die Verwirklihung zuteil wird. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Kop\ch (frs. Volksp.) gibt seiner Genugtuung Ausdruck, daß sein Antrag wohlwollende Aufnahme bei allen Parteien und bei der Regierung gefunden habe. Leider mit einer gewissen Beschränkung auf die Unterbeamten, aber die Regierung werde niht umhin können, in eine gründlihe Reform des Wohnungsgeldzuschusses aller Beamten bald cinzutreten. Wenn es sich dabei au um große Summen handle, fo käme doch für den einzelnen Beamten nur sehr wenig beraus. Man fköônne doch dem einzelnen Beamten keinen Vorwurf daraus machen, daß fo viele seiner Kategorie dem Staate nötig seien. Hier hâtte Preußen zeigen können, daß es im Reithe voran sei, aber andere Staaten seien Preußen zuvorgekommen und hätten ohne Rück- sicht auf das Reich die Wünsche ihrer Unterbeamten erfüllt. Auf weitergehende Anträge wollten feine Freunde heute verzihten; möge nur auf Grund des Kommissionsantrages bald etwas gesehen.
Abg. Shmedding (Zentr.) spriht sch im Sinne der Be- messung des Wohnungsgeldzushusses nach der Zahl der Familien- mitglieder aus; er bedauert, daß die Kommission die Anträge auf die Unterbeamten beschränkt habe, ist aber doch erfreut, daß wenigstens der Grundgedanke Anklang gefunden habe. Hoffentlich würden die Finanzen es bald ermöglichen, au die mittleren Beamten zu bedenken.
Abg. Pallaske (konf.): Heute können wir einmal unter voller Wahrung unseres grundsäßlihen Standpunktes zur Frage der Beamtenbesoldung ausdrücken, daß wir einmütig dem Beschluß zustimmen, welcher gerade den Unterbeamten, die eine Ver- besserung threr ökonomishen Verhältnisse »ötig und verdient haben, den niht unerbeblihen Zuschuß zu teil werden lassen will. Wir reden au nit zurück vor den finanziellen Wirkungen dieses Beschlusses. Die Erklärung des Minifters war natürlih etwas zurück- haltend, aber er ist doch damit einverstanden. Damit wird den Unterbeamten eine kleine Weihnachtsfreude bereitet.
Abg. Frit sch (nl.): Meine Freunde haben wiederholt darauf hin- gewiesen, daß die Grundsäße für den Wobnungsgeldzushuß in Preußen den beutigen gestiegenen Mietéverbältnissen nicht mehr ent!vrechen. Die Erklärung des Ministers if erfreulih, daß er für seine Person für den Kommissionsbes{chluß eintreten wolle. Die Berehnung des Wohnungsgeldzushufses nah der Zahl der Familienangebörigen darf aber nicht auf die Unterbeamten beschränft bleiben. Gerade die höheren Beamten find in dieser Hinsicht oft in s{hwierigen Verhält- niffen. Es muß ih alfo um eine organishe Neform handeln, mit den Unterbeamten foll nur ein erster Schritt gemacht werden. Jn dieser Vorausseßung stimmen wir für den Kommissionsantrag.
_ Abg. Oeser (fr. Volksp.) legt Wert darauf, daß diese Auf- besserung der Unterbeamten auf dem Wege der Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses erfolge und nicht etwa durch Gewährung von Kleidergeldern. Die weiteren Erwägungen würden ergeben, daß auch für die mittleren Beamten eine Erhöhung des Wohnungsgeldzushusses eintreten müsse. Aber wenn nit diese Eri 3hung sofort wieder durch Erhöhung der Mieten absorbiert werden solle, müsse au eine allcemeine Wohnungsreform eintreten, die das verhindern könne.
__4U4bg. Peltafohn (fr. Vgg.) bedauert, daß die Kommission zur Zeit nicht habe weiter gehen können, will aber bei der ganzen Sach- lage ebenfalls auf weitergehende Anträge verzihten.
Abg. Freiherr von Zedliß (fr. kons.): Die Resolution der Kommission hat eigentli keinen Wert, solange die Herren niht auch die Mittel bewilligen. Wir können uns in dieser Hinsicht niht vom Neich emanzipieren. Wer hier so dringend wünscht, daß möglichst bald Preußen den Wohnungsgeldzushuß verbessert, muß zunächst dafür sorgen, daß im Reiche die Finanzlage so gestaltet wird, daß dort die gleihe Maßnahme mêöglich ift. Die Herren, die gegen jede Ver- esserung der Finanzlage im Neich sind, sind es elbít die eine Er- höhung des Wobnungsgeldzushusses verhindern. Ich hoffe, daß der Finanzminister möglichst bald die Erhöhung herbeiführen fann. A0, Strosser (konf.): Wir können nur das Erreichbare er- streben. Jch bitte ebenfalls, den Antrag möglichs\t einstimmig anzu- nehmen. Ich könnte aus meinem Wahlkreise Breslau Beispiele anführen, wie außerordentlih \{lecht es mit dem Wohnungsgeld- zushuß bestellt ist, und wie er nit einmal ausreiht, auch nur die Hälfte der Miete zu decken. Die Bemessung nach der Zahl der Familien- glieder halte ich für einen guten Gedanken und möchte nur wünschen, daß dieser {hon bei der Bemessung des Gehalts Play griffe; aber das ist natürlih nicht zu erreihen. Jch bitte das Haus, den Antrag einstimmig anzunehmen, und den Finanzminister, zu bedenken : bis dat, qui cito dat.
__Damit s{licßt die Diskussion. misfion wird angenommen.
Schluß 41/4 Uhr. Nächste Sißung Montag 11 Uhr. (Petitionen.)
Der Antrag der Kom-
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstag ist folgende Denkschrift über Ein- eborenenpolitik und Hereroaufstand in Deutsh- Südwestafrika zugegangen:
Eingeborenenbevölkerung und Kämpfe der Eingeborenen unter etnander.
Weder der Volksstamm der Herero noch derjenige der Nama- Hoitertotten kann als Urbevölkerung des südwestafrikanishen Schußz- ebiets angesehen werden. Die Herero mit den nahverwandten Vvabandjeru stammen wahrscheinlich aus den jeßt unter dem Namen Mashonaland bekannten Landstrihen und dürften gegen Ende des 18. Jahrhunderts über den Okavango eingewandert sein. Sie fanden bei ihrem Eindringen die sogenannten Bergs- damara vor, welche von ihnen unterjocht, des Landes beraubt und zu Sklaven gemacht worden sind. Als solche sind leßtere von den Herero mit brutaler Willkür behandelt worden, bis sie im Jahre 1894 die Schutzgebietêverwaltung von der drückenden Herrschaft befreite und in einem Reservat tei Okombahe als selbständige Eingeborenengemeinde anfiedelte. In Erinnerung an diese Wohltat haben sihch die Berg- damara dem Hereroaufstande ferngehalten und uns währene des Krieges gute Dienste geleistet.
__ Die Einwanderung der Hottentotten erfolgte aus dem südlichen Afrika über den Orangefluß und zwar geraume Heu früher als die der Herero. Auch von ihnen wurden die angetroffenen Bewohner des Landes, als deren Reste vielfah die sogenannten Buschleute bezeichnet werden, vertrieben und geknehtet. Im Gegensaß zu den zuerst ein- ewanderten Hottentotten, zu denen die „Note Nation“ (Hoakhanas), Soanbiican-Cottentotien (Gokhas), Veldschoendragers (Koes) und
Bondelzwarts (Warmbad) gehören, werden die Afrikaner-, Bethanier-, Bersabaer- und Witbooi-Hottentotten, welche erft Anfang des 19. Jahr- hunderts aus der Kapkolonie eingewandert sind, als . Orlam bezeihnet. Bei dem Erscheinen der leßtgenannten Stämme im Schuß- gebiete war die Rote Nation auf Grund langer Kämpfe mit den übrigen Hottentottenstämmen das gebietende Volk. Wenn s\ich die Note Nation au der neuen Zuwanderung nicht widerseßte, so be- durfte es doch mancher harten Kämpfe mit den bereits vorhandenen, der Roten Nation botmäßigen Stämmen im Süden, ehe die Orlam ihre derzeitigen Wohnsige ungestört behaupten konnten. : Als anfangs der vierziger Jahre des vorigen. Jahrhunderts die Gerero aus dem nördlihen Kaokofelde. nah dem Süden drängten und ch der Häuptling der Roten Nation niht stark genug fühlte, es allein mit ihnen aufzunehmen, wandte er sich an den im Süden bei Warmbad sißenden Kapitän der Afrikaner-Hottentotten Jonker Afrikaner, welcher wegen seiner Verwegenheit und Erfolge als Räuberhauptmann \ich im Lande großer Berühmtheit erfreute. Beiden gelang es, die Herero zu untecjochen und zu Sklaven der Hottentotten zu machen. Jn diesem Zustande verblieben die Herero bis zu Beginn der sechziger Jahre, welher Zeitraum durch blutige Kämpfe der Hottentotten unter einander ausgefüllt wurde. Durch den Tod des efürhteten Jonker Afrikaner ermutigt, erhoben sih die Herero unter ¿Führung eines Engländers und eines Schweden und brahten den Hottentotten bei Otjimbingwe eine {were Niederlage bei. Sieben Sahre dauerte die blutige Fete zwischen den Herero und Hottentotten, ehe es zum Frieden kam. Nachdem sich das Land in zehnjähriger Ruhe von den Wechselfällen des Krieges etwas erholt hatte, brah auf Grund von Streitigkeiten zwishe Herero- und Hottentottenviehwächtern aufs neue der Kampf aus. Er begann mit der Niedermetzelung sämtlicher Hottentotten auf Okahandja und endete mit der Besiegung Jan JIonkers, der die Hottentotten führte, Es trat aber bald in der Person des Kapitäns von Gibeon, Moses Witbooi, ein neuer Rächer auf. Er strebte gleich Jan Jonker nah der Oberherrschaft über die Nama. Aber auch er wurde von den Herero geschlagen, die in der Folgezeit aus Angegriffenen zu Angreifern wurden. In diese Zeit fällt das Auftreten Hendrik Witboois. Er war mit seinem Vater Moses in Differenzen geraten und hatte sih von ihm losgesagt. Unter Berufung auf eine Mission Gottes, die er zu erfüllen habe, zog er im Jahre 1884 gegen Kamaharero, den Oberkavitän der Herero. Ohne daß es jedoch zu nennenswerten Feindseligkeiten kam, wurde Frieden geschlossen. Aber shon im nächsten Jahre bewog ihn eine weitere göttlihe In- spiration zu einem erneuten Zuge gegen die Herero, der jedoch mit einer völligen Niederlage der Hottentotten endete. Als er ih kurze Zeit darauf bei den Herero abermals einen blutigen Kopf holte, ver- legte er si, . wie seiner Zeit Jan Jonker, auf Raubzüge, wobei er jahrelang mit großem Geschick die Herero brandschaßte. __ Während Hendrik Witbooi nach der Herrschaft im Hererolande strebte und seine Eroberungs- und Raubzüge dorthin unternahm, be- kämpft:n sih die Hottentotten im Süden unter einander. Hier war es der Vater Hendriks, welcher mit einem seiner früheren Unter- fapitäne und dessen Anhang in blutiger Fehde lag. In diese griff Hendrik selbst ein, nachdem ihm vom Vater die Kapitäns- würde übertragen worden war. Der Streit fand sein Ende durch die meuclerisWe Ermordung des Gegners seitens der Witboois. Im Anschluß hieran zog Hendrik gegen die Veldschoendrager unter dem Vorwande, sie hätten gegen ibn Partei ergriffen. Auch ein Vor- wand, die Rote Nation zu bekriegen, fand sich. Manasse, der Kapitän dieses Stammes, wurde geshlagen und, wie auch der Veldschoen- dragerkapitän, des größten Teils scines Viehs beraubt. Eine gleihe Behandlung erfuhr Jan Jonker, der sein Leben im Vertrauen auf das Wort Headriks einbüßte. Als Hendrik Witbooi Ende des Jahres 1889 gerade im Begriff stand, auch die Bondelzwarts seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen, erreihte ihn in Keetmanshoop die Nachricht, daß die Herero einen erneuten Angriff gegen seine Leute unternommen und circa hundert Menschen, meist Frauen und Kinder, aa hingeshlachtet hätten. Dies veranlaßte ihn, vorerst seinen Plan aufzugeben. Er begab sich nah Hornkrans zurück, wo er sih in einer Proklamation zum Oberherrn von ganz Namaland erklärte.
Bemühungen zur Herbeiführung friedlicher Zustände unter den Eingeborenen.
So lagen die Verhältnisse, als die deutsche Verwaltung aus ihrer abwartenden Stellung beraustrat und daran ging, dem Zerstörungs- werk der eingeborenen Stämme ein Ende zu bereiten. An Versuchen hierzu von britischer Seite hatte es während der Jahrzehnte dauernden Kämpfe der Eingeborenen nicht gefehlt. Im Jahre 1876 wurde ein gewisser Palgrave, 1882 Missionar Hugo Hahn von der Kapregierung als Vermittler entsandt. Ihr Eingreifen hatte aber keine nennens- enen Sig Au die deutsche Mission hatte sih dieser Aufgabe gewidmet.
Die ersten Anfänge der Missionstätigkeit fallen in das Jahr 1905, wo von der Londoner Missionsgefellshaft die Station Warmbad im Bondelzwartgebiet gegründet wurde. Unter Führung der Missionare vollzog sich die Einwanderung der Orlam. ieraus erhellt, daß die Mission shon damals nabe Fühlung mit den Eingeborenen gewonnen hatte. Troßdem feblte es niht an {weren Schiksalsschlägen, die ihr aus den zerrütteten politishen Verhältnissen der Eingeborenen er- wuchsen. So wurde nah kaum sechsjährigem Bestehen die blühende Station Warmbad von den Leuten des Jager Afrikaner zerstört. Ein gleides Gesdick erfubren später die Missionsniederlassungen in Schep- manéêdorf und Klein-Windbhuk, während wegen der bedrobliden Haltung der Eingeborenen die Stationen Grootfontein, Gibeon, Gobabis, Otji- fondjupa und Dtjiseva geräumt werden mußten. Troß dieser {weren Schläge gab die Nheinishe Mission, die seit Beginn der vierziger Jahre als Nalhfolgerin der Wesleyaner im Schugzgebiete tätig war, ihre Bemühungen nit auf, das Land dem Frieden und der Zivilisation näher zu bringen. Die ih hierbei herausstellenden Schwierigkeiten schienen insbesondere im Hererogebiet fast unübersteigbar, wo die Mission in zehnjähriger Arbeit kaum nennenswerte Erfolge erzielen konnte. Erst in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre gelang es ihr, dort einigermaßen festen Fuß zu fassen, und so seben wir sie dann au bier bemüht, das Land für die wirtshaftlihe Ershließung vor- zubereiten. Zutreffend sagt über diese Seite der Missionstätigkeit von Frangçois in seinem Buche „Nama und Damara“ (S. 300):
„Dhne die Pionierarbeit der Missionare wäre die Besitz- ergreifung des Landes ein völlig illuforisher Akt auf dem Fier gewesen; was Händler, Industrielle und Gelehrte, zumal Holländer und Engländer zur scgenannten Erforshung und Kultivierung getan haben, fällt gar nit ins Gewicht neben den positiven Ergebnissen der Missionsarbeit.“
In den Jahren 1883 bis 1885 hatte inzwishen der Bremer Kaufmann F. A. E. Lüderiß folgende Gebiete in Südwestafrika erworben:
1) einen Landftreifen an der Küste in der Breite von zwanzig Meilen vom Oranjefluß bis zum 26. Grad südlicher Breite, die Bai von Angra Pequena einbegreifend, gekauft von dem Kapitän Josef Frederik von Bethanien laut Verträgen vom 1. Mai und 295. August 1883;
2) einen nôrdlih an den vorgenannten anschließenden Landstreifen längs der Küste von 20 Meilen Breite, vom 26. bis 22. Grad süd- licher Breite, mit Aus\{chluß des britishen Walfischbaigebiets, gekauft f Pas Topnaer Kapitän Piet Haibib laut Vertrag vom 19. August
3) den nöôrdlich an vorgenanntes Gebiet anshließenden Küsten- strih bis zur portugiesischen Grenze, das fogenannte Kaokofeld, gekauft von den Kapitänen Cornelius Zwartbooi auf Otjitambi und Jan
Uichimab auf Zesfontein, laut Verträgen vom 19. Juni und 4. Juli 1885;
4) das Gebiet des Kapitäns Jan Jonker Afcikaner, öftlich an das Gebiet Piet Haibibs anschließend und del bis gegen Windhuk erstreckend, gekauft durch Vertrag vom 16. Mai 1885.
Auf Lüderiß Antrag wurden die Erwerbungen vom Reiche an- erkannt und unter den Schuß des Reichs geftellt. hieran erfolgte im Jahre 1884 die Besizergreifung. Dur Vertrag
Im Anschluß |
vom 3. April 1885 ging der Landbesit Lüderiß? käuflich ins Eigentum der Deutschen Kolonialgesellshaft für Südwestafrika über.
Mit der Besigergreifung erwuchs nun auch für das Reich die flicht, der gegenseitigen Vernichtung der Eingeborenen ein Ziel zu egen. Im Hinblick auf dele Aufgabe erfolgte 1885 die Entsendung des Reichskommissars Dr. Goering. Sein Eintreffen im Schutzgebiete fiel zusammen mit dem ersten Auftreten Hendrik Witboois. Die poli- tishen Verbältnifse lagen zu dieser Zeit besonders s{hwierig, außerdem war zur Eingeborenenfrage die Europäerfrage hinzugetreten. ;
__ Es hatten fich in den leßten Jahren eine größere Anzahl weißer S niedergelassen, die aus den Kriegszügen der Eingeborenen als zaffen- und Munitionskieferanten Vorteil zogen. Da das Geschäft bei dem hohen Wert dieser Artikel und dem Reichtum des Landes an Vieh ein sehr lobnendes war, dabei häufig auch weitgehende Land- und Minenkonzessionen beraus\prangen, fand der Vertreter des Reichs bei den genannten Weißen niht_ nur keine er Neid! sondern geheim und ofen betriebene Opposition. Die ehrzabl der Händler hatte fein Interesse an dem Eintritt friedlicher Verhältnisse, denn der Krieg brate Beute an Vich und Zahlungs- mittel für Schießbedarf und Schnaps. Eine persönlihe Gefahr für sie stellte er niht dar, da die Eingeborenen allen Grund hatten, ihre Lieferanten zu \{chonen. Ueber gelegentlichße Vergewaltigungen tröstete man sih im Hinblick auf die stets winkende Schadloshaltung bei anderer Gelegenheit. Diese Hintanseßung der NRasseüberlegenheit seitens der Mee war geeignet, den Gegensaß zwishen den Ver- tretern des Reichs und den Eingeborenen zu vershärfen und führte dazu, daß einige der Händler einen großen Einfluß auf die eingeborenen Kapitäne gewannen. Dies war um fo leiter möglich, als die Reichs- Er ug „ über nennen8werte Machtmittel im Schußzgebiete damals nicht verfügte.
Erst im Jahre 1888 finden wir die ersten Spuren einer deutschen Schußtruppe. Sie wurde auf Kosten der Deutschen Kolonialgesell-
schaft für Südwestafrika errihtet und sollte, nachdem dieser Gesell- haft vom Reiche das Bergregal übertragen worden war, dem Schutze der Bergwerksunternehmungen dienen. In ihrer Zusammenseßung von zwei Offizieren, fünf Unteroffizieren und 20 Eingeborenen war sie jedo nit in der Lage, den deutshen Beamten das fehlende Ansehen zu verschaffen. Jedenfalls konnte sie nit verhindern, daß im September 1888 der Reichskommifsar infolge der Umtriebe des zu großem Einflusse bei den Herero gelangten englischen Händlers Lewis aus dem Schhuyz- gebiete flühten mußte. So war die Durchführung der bis dahin vom Reichskommissar getroffenen Anordnungen, die fi der Puplane nah gegen die Vershleuderung von Land- und Minenrehten durch die Cingeborenen, gegen den Mißbrauh von Spirituosen und die Waffen- einfuhr richteten, ledigliß von dem guten Willen der Eingeborenen abhängig. \ Schußverträge mit den Eingeborenenstämmen.
__ An den guten Willen der Eingeborenen war auch zu appellieren bei Abschluß der Schußverträge, welhe in den Jahren 1884—1890 mit dem größten Teil der Herero- und Namastämme zustande kamen. Sie lösten die Frage der Uebernahme der E ED gewalt auf rein friedlihem Wege, ohne daß dabei die Ab- tretung der Hohbeitsrehte von seiten der beteiligten Kapitäne in den einzelnen Verträgen vorgesehen werden konnte. Diese Hobeitérechte fanden eine Beschränkung lediglih darin, daß dem Reiche die Gerichtsbarkeit über Weiße vorbehalten wurde. Erst mit dem Wachsen der deutschen Machtmittel konnte man darangehen, den Ver- trägen diejenige Handhabung zuteil werden zu lafsen, die im Interesse einer gedeihlihen, wirtshaftlihen und politishen Entwickelung des Landes geboten erschien.
Bildung einer Kaiserlihen Schußztruppe.
_Die erste Möglichkeit hierzu bot die ihm Jahre 1889 gebildete Kaiserlice Schußtruppe. Aber au sie- konnte in ibrer ersten Zu- sammensezung — fie zählte nur 21 Mann — als Mathtfaktor den Eingeborenen gegenüber niht angesehen werden. Jhre Entsendung war auch nicht zu fkriegerishen Zwecken erfolgt. Sie sollte lediglih Fühlung mit den Kapitänen suchen, den Frieden nah Möglichkeit aufrecht erhalten und nur gegen einzelne Per- sonen bei Zuwiderhandlungen gegen bestehende Anordnungen einshreiten. Die Schußtruppe, die nach einem Jahre auf 90 Mann verstärkt wurde, führte ihre Aufgabe mit Geduld und Geschick durch. Troßdem fie bei den bis zum November 1892 an- dauernden Kämpfen zwishen den Witboois und Hereros ihrer Instruktion gemäß strikte Neutralität übte, gelang es ihr, nah und nach doch Einfluß zu gewinnen. So ward es ihr ungeachtet ihrer Geri Stärke mögli, eine gewisse Kontrolle über die Ein- ubr von Waffen, Munition und Schnaps auf dem Seewege auszuüben. Einen entsheidenden Wandel zum Bessern vermochte diese Kontrolle aber insbesondere binsihtlich der beiden erst- genannten Artikel nit zu schaffen, da die Eingeborenen aus früheren Zeiten reihlich über moderne Feuerwaffen verfügten und da bei der großen Ausdehnung der weit abgelegenen Landgrenzen dem Schmuggel auf diesem Wege nicht wirksam begegnet werden konnte. Au wurde in zahlreihen Verhandlungen mit Hendrik Witbooi versuht, diesen zur Einstellung seiner das Land verwüstenden Raubzüge und zum Ab- {luß eines Msberirages mit dem Deutschen Reiche zu bewegen. Wenn auch diese Verhandlungen erfolglos blieben, so gelang es doch, den kühnen Räuber von manchen Streichen abzuhalten.
_Je mehr nun der Einfluß der deutschen Verwaltung im Schuß- gebiete stieg, um so näher rückte die Gefahr, einer Herero-Witbooi- Verbrüderung zur Beseitigung dieses Einflusses, der von den Ein- ‘ente in Sachen der Grs{hwerung des Waffen- und Munitions- bezugs besonders hart empfunden wurde. In diesem Gefühle trafen sih die beiden einander feindlihen Stämme. Bei dieser Sach- lage konnte sich _das Reih der weiteren Verstärkurg seiner Machtmittel im Sghuggebiete um so weniger entziehen, als es im November 1892 auf Rehoboth zum Frieden zwishen den Witboois und Hereros gekommen war, der seine Spitze deutlich gegen die deutsche Verwaltung rihtete. Nachdem Anfang April 1893 eine Truppenverstärkung von 215 Mann in Windhuk ein- ere war, ents{lß man sich zur Se gegen Hendrik Zitbooi, um einerseits seinen Naubzügen ein Ziel zu seßen, anderer- seits die Herero und Bastards dem deutshen Interesse zu er- halten. _Es folgten nunmehr die Kämpfe gegen Hendrik Witbooi, die im September 1894 damit endeten, daß Ücfer seine Unterwerfung anbot. Das Anerbieten wurde von dem damaligen Landeshauptmann Major Leutwein angenommen und Hendrik Witbooi unterwarf ih im Vertrage vom 15. September 1894 der deutschen Schußherrschaft. Dieses Ereignis bedeutet in der Geshihte des Schutzgebiets einen wichtigen Wendepunkt.
_ Während wir bis dahin lediglich geduldet und bei Durchführung unserer auf die Beruhigung des Landes gerihteten Maßnahmen meist auf den guten Willen der Eingeborenen angewiesen waren, hatte uns der Erfolg über den weitgefürhteten Witbooi-Käpitän der Stellung als Regierende erbeblich näher gebraht. Die günstigen Folgen dieses Wandels zeigten fich insbesondere gar bald im Namalande, dessen Stämme durch die jahrzehntelangen Kriege unter sch und mit den Herero verarmt, verwildert und an den Rand des Abgrundes gebracht waren. Der Witbooi - Stamm sammelte sich unter der wohlwollenden Führung der Regierung und ließ sich in Gibeon nieder. Angesichts seiner völligen Verarmung ermöglihte ihm die a Ml Crwaltg durch Abgabe von Vieh eine neue Grund- lage für feine Eristenz. Die Khauas-Hottentotten, welche die durh den Witbooi - Krieg geschaffene Lage durch Gewalttätigkeiten und Räubereien gegen Weiße und Eingeborene zu ihren Gunften ausgenußt hatten, wurden unter Mithilfe der Witboois bestraft „und unter Aufficht gestellt. Gbenso ließ man den nicht minder räuberishen Fransmann-Hottentotten den erstarkten Arm fühlen, was zu dem Erfolg führte, daß si diese als leßter Namastamm dazu verstanden, sih unter den Schuß und die Ober- herrshaft des Reichs zu stellen. Seinen Abschluß fand das Bestreben,
(Schluß in der Dritten Beilage.)
M 286.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
im Namalande Ruhe zu gaffen, in dem Zuge des Landeshauptmanns nach dem Süden, wo bislang nit einmal Spuren einer deutschen Verwaltung vorhanden waren. Noch unter dem frischen Eindruck des Witbooi-Erfolgs ausgeführt, war die Expedition von nachaltender Wirkung. Es zeigte sih dies insbefondere in der Haltung der Berfaba- [eute, deren neu gewähler Kapitän Christian Goliath aus eigenem Antriebe in Keetmanshoop ersien und das Gelübde seiner Treue gegen die deutshe Herrschaft erneuerte. Durch Einseßung von militärishen Stationen und Errichtung eines Bezirksamts in Keet- manéhoop wurde dafür gesorgt, daß au in diesem Teile des Schutz- anv den Zeiten der Unruhe und Verwirrung ein Ende gemaht wurde.
h das Eingreifen der deutschen Verwaltung zur Beseitigung der blutigen Peeen unter den Eingeborenen von gutem Erfolge be- gleitet war, hat auch die Folgezeit gelehrt. Seit dem Jahre 1894 weiß die Geschichte des Schußgebiets über Kämpfe der Eingeborenen unter sh nichts mehr zu berihten. Dagegen liegt es in der Natur der Sache begründet, daß die Eingeborenen die Macht der Ver- waltung mit Mißbehagen fühlten und sich manchmal nach den Zeiten des “ fröhlihen Raubens, des ungebundenen Kriegslebens und der woblgefüllten Branntweinfässer zurücksehnten. Die erften, die den Versuch machten, diese verlockenden Zustände wieder herbei-
führen, waren die Ovbvabandjeru-Herero unter Führung des Nikodemus, ‘dem sich die Khauas-Hottentotten unter Kahimema angeshlofsen hatten. Der Schauplaß ihrer Tätigkeit, die in erster Linie auf Viehraub ausging, war das Gebiet um Gobabis im Osten des Schußtzgebiets. Da man bei Ausbruch der Unruhen die Möglichkeit niht außer Betracht laffen durfte, daß fih die übrigen pee der Erhebung anschließen und für diesen Fall die vorhandenen Machtmittel nicht ausreihen würden, erfolgte die Verstärkung der Schußtruppe um 400 Mann. Als diese îim Junt 1896 im Schußgebiet eintrafen, war es jedoch Gouverneur Leutwein bereits gelungen, der Erhebung Herr zu werden. Die befürhtete Anteilnahme der übrigen Herero am Aufstande war nicht eingetreten. Der Oberkapitän Samuel Meakharero hatte es vorgezogen, sich auf die Seite der Deutschen zu ftellen und zur Bekämpfung des Nifkfodemus Hilfstruppen zu entsenden. Auch die Witboois waren ihrem Heeresfolgevertrage getreu zur Unterftüßung der deutshen Truppen herbeigeeilt, und selbst der vershlagene, im Innern keineswegs deuts{chfühlende Kapitän der Franêmann-Hotten- totten Simon Kopper war diesem Beispiele gefolgt.
Die Niederwerfung des Aufstandes bedeutete nur eine kurze Unter- brehung der ruhigen, günstig fortschreitenden Entwickelung des Schußz- gebiets. In Verbindung mit der durch die Verstärkung der Truppe mögli gemachten Ausdehnung der Verwaltung vermehrte der über Nikodemus und Kahimema erzielte Erfolg das Ansehen der deutshen Regierung. Dieses gesteigerte Ansehen kam in der Folgezeit den zur Beseitigung der Rinderpest erforderlihen Maßnahmen, welche zum Teil sehr tief in die Interessen der Eingeborenen einschnitten, im hohen E zu ftatten. Es ermöglichte, der D ederana des Landes durch Weiße näher zu treten und die Zügel in Ansehung der Spirituosen-, Waffen- und Munitionskontrolle \straffer anzuziehen.
‘Kontrolle über Waffen- und Munitionsbezug.
Die Schutzgebietéverwaltung hatte von Anbeginn an die hohe Wichtigkeit, welche der Waffen- und Munition®frage im Nahmen der Gingeborenenpolitik beizumessen war, umso weniger verkannt, als ihr niht entgangen war, über wie große Mengen moderner Feuerwaffen die Eingeborenen verfügten. Es war für sie nicht schwer gewesen, fest- zustellen, daß {on Mani der siebziger Jahre, als die Diamantfelder in Kimberley zablreihe Abenteurer und Geschäftsleute heranzogen und den Bedarf an Vieh steigerten, die Händler aus British-Süd- afrifa nah Südwestafrika strômten, um das lohnende Geschäft des Auêtaus{s von Waffen und Munition gegen Vieh zu betreiben. *) Dakei kam Munition in sollen Mengen zur Einfuhr, daß einzelne reihe Kapitäne sich große Munitionslagerhäuser anlegen konnten. Diesen Verhältnissen gegenüber ey sih die deutshe Regierung während der ersten Jahre nah der Us mangels irgend welcher Machtmittel im Schußgebiet darauf beschränken, im Wege wieder- holter Vorstellungen bei der britishen Regierung auf Besserung dieser Ra N hinzuwirken. Wenn sih die Kapregierung au dazu verftand,
re Mitwirkung zeitweilig zu leihen und die Einfuhr von Schieß- bedarf aus der Kapkolonie nah Deutsh-Südwestafrika von der vor- herigen Genehmigung durch das deutsche Generalkonsulat in Kapstadt oder den Reichsfommissar abhängig zu machen, so wurde da- durch eine Beschränkung der Einfuhr böchstens bei Beförderung auf dem Seewege erreiht, da hierbei eine gewisse Kontrolle, namentlich während des Landtransports von der Küste immerhin möglich war. Ausgeshlossen war_ und blieb die Kontrolle ax den Landgrenzen im Süden, Often Und Norden; hierzu ftand weder englisher-, noch port agiesisher-, noch deutscherseits Aufsichtspersonal mit genügenden Machtmitteln zur Verfügung. So bot der Waffen- und Munitionsersaß in den Kriegen zwischen den Herero und Witboois den Gingeborenen um so weniger Schwierig- keiten, als den weißen Lieferanten nicht selten weitgehende Land- und Minenkonzessioren als Entgelt winkten. Solche Konzessionen sind im späteren Verlauf der Dinge verschiedentlih geltend gemaht worden. Sie fanden aber seitens der deutshen Regierung die gebührende Zurückweisung. - j
Die erste gegen den Waffen- und Munitionshandel gerichtete Verordnung des Reichskommissars fällt bereits in das Jahr 1888. Sie war eine Folge ter Einrichtung einer Gurte durch die Deutsche Kolonialgesellhaft für Südwestafrika, welche ihre Durchführung bis zu einem gewissen Grade gewährleistete.
Nach den Bestimmungen dieser am 1. Januar 1888 in Kraft ge- seßten Verordnung war der Handel mit Waffen und Munition nur gegen Lösung eines gebührenpflihtigen Lizenzscheins gestattet. Die im nächsten Jahre erfolgte Bildung einer Kaiserlihen Schußtruppe, in der eine weitere Stärkung der deutschen Machtmittel lag, führte zu einer Nevision der genannten Verordnung und zum Erlasse neuer Bestimmungen, welche das Strafmaß erhöhten und hinsichtlih der geseßwidrig vertriebenen Waffen und Munition die Einziehung vorfahen. Zur leihleren Durch- führung dieser Bestimmungen wurde am 17. ‘Mai 1891 eine Ver- ordnung für die Frahtfahrer von und nah Walfishbai erlafsen, wo- durch insbesondere den militärishen Posten und Patrouillen das Recht der Revifion der Frachtwagen zugesprohen wurde. Im Hin- blick auf diese Kontrolle wählte die Schußtruppe als ihren ersten Stütpunkt Tsaobis, welcher Ort die Verkehrwege nah der Küste am besten beherrschte. l i :
Die Beschlüsse der Brüsseler Antisklaverei-Konferenz vom 2. Juli 1890 gaben sodann den Anstoß zu einer abermaligen Neuregelung der Waffen- und Munitionsfrage. In tunlihster Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Konferenz wurde die Berordnung vom 10. August 1892 erlassen. Sie enthielt eine weitere Vershärfung der Vor- \{chriften über die Einfuhr von Feuerwaffen und Munition. Der Handel mit diesen Gegenständen wurde nur zugelassen, sofern
*) Für ein gutes Gewehr wurden damals 20 bis 30 Rinder bezahlt.
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Dritte Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußishen Staatsanzeiger.
Berlin, Montag, den 5. Dezember
nihtgezogene Feucrsteingewehre und gewöhnlihes, grobkörniges Pulver (ogen. O dabei in Betracht kamen. Die Lizenz- gebühr für diesen Handel erfuhr eine Erhöhung ‘von 100 Á& auf 200 # Die Einfuhr moderner Feuerwafffen und Munition zum eigenen Gebrauch wurde nur solchen Personen zugestanden, die eine hinreichende Sicherheit dafür gewähren, daß eine Weitergabe an Dritte nicht erfolgt. Außerdem werden bei Einholung der Geneb- migung hinsihtlich der einzuführenden Waffen und Munition gewisse Angaben verlangt, welche auf eine Identifizierung hinzielen. Für das Tragen der Wasen werden Legitimationssheine ausgegeben. In den Strafbestimmungen tritt eine weitere Erhöhung des Strafmaßes in- sofern ein, als das Maximum der Geldstrafe von 1000 H auf 5000 M gesteigert, und daneben eine Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten angedroht wird. M8
Mit Rükfsiht auf die große Ausdehnung des Schußgebieis erwies es sich als notwendig, an Stelle einiger Bestimmungen der Brüffeler Akte andere, z. T. strengere Vorschriften treten zu lafsen. So war die Einrichtung von öffentlichen, der Aufsicht der Verwaltung unterstellten Lagerhäusern für Waffen und Munition wegen des Umfangs des Gebiets niht durchführbar. Es wurde daher bestimmt, daß die Einfuhr von Waffen und Munition an die vorher einzuholende \{riftlihe Genehmigung der Schußzgebietsbehörden gebunden bleibt. An Stelle der Stempelung trat die genaue Bezeichnung der Waffe in dem Er- laubnisshein. Die erwähnten Maßregeln erstreckten fich niht nur auf den in die Zone des Artikels VIII der Brüffeler Akte fallenden Teil von Deutsh-Südwestafrika, sondern auf das ganze Schußgebiet. Man versuchte, hierdurh auch den Vorschriften des Artikels XI[IT der Akte, betreffen die Verhinderung der Waffeneinfuhr über die Inlandgrenzen der Waffenzone, Genüge zu leisten. . u
Aber alle diese Maßnahmen vermochten nit, die Hauptquelle der unerlaubten Waffen- und Munitionszufuhr, nämlich die über die Landgrenzen, zu verstopfen. Eine merkliche Seelierung in dieser Be- ziehung trat erst ein, als die E boerwa tung nah der ean im Jahre 1896 in der Lage war, die Süd- und Ostgrenze mit Zoll- und Polizeistationen zu versehen. Diesen gelang es im Einvernehmen mit den britischen Nachbarbehörden in kurzer Zeit, dem Waffen- und Munitionsshmuggel einen wirksamen Damm zu seßen. Es blieb diesem dama, daber als leßtes und einziges Einfallstor die Nordgrenze, deren Absperrung mit Rücksicht auf die noch nit aufgerollte Ovambofrage bisher nicht durhgeführt werden konnte, wenngleich durch die Schaffung der Stationen in Zesfontein, Okaukwejo und Amutoni das, was in dieser Nihtung überhaupt zu erreichen war, gesehen ift. Daß auf dem Wege über die Nordgrenze aus Angola Waffen und Munition in das Schußgebiet einges{muggelt worden sind, dürfte zweifellos sein. Ob es sich dabei um erhebliche Mengen gehandelt hat, bedarf noch des Nachweises. 4
Bei dieser Sachlage hätte lediglih die völlige Entwaffnung der Eingeborenen zum Ziele führen können. Sie wurde daher bereits im Jahre 1896 von der Regierung ernfstlich in Erwägung gezogen. Eine solhe Maßnahme hâtte jedoch nach Ansicht des Gouverneurs wie auch der Mission und sonstiger zuverlässiger Landeskenner nichts geringeres als die Erhebung der ceiaitles Eingeborenen im Gefolge haben müssen. Angesichts dieser chwerwiegenden Befürhtung hatte man si daher darauf zu beshränken, dem Gouverneur zur Erwägung zu stellen, ob nicht die Eingeborenen oder gewifse Stämme derselben mit Aussicht auf Erfolg angehalten werden könnten, ihre Waffen in fstaatlih be- aufsihtigten Magazinen niederzulegen, aus denen fie ihnen im Bedarfs- falle (z. B. zu Jagdzwecken) zeitweilig zur Verfügung zu stellen wären. Wenn das Gouvernement: auch diesen Weg für noch niht gangbar er- achtete, so waren seine Bestrebungen in der Folgezeit doh darauf ge- rihtet, die Entwaffnung in einer den eren des Landes nicht \tôörenden Weise vorzubereiten. Dies tritt bei der im Jahre 1897 erfolgten Neuregelung der Waffen- und Munitionskontrolle bereits zu Tage. Während nach den bisherigen Bestimmungen ein Handel mit Shieß- bedarf wenn auch nur für Feuersteingewehre und Negerpulver, noch ugelafsen worden war, untersagt die Verordnung vem 29. März 1897 Brivaten jeglihen Handelsbetrieb mit Bezug auf Waffen und Munition, indem fie diesen aus\{ließlich dem Gouvernement vorbehält. Zu diesem Behufe wurden an den größeren Verwaltungsplätzen staat- lihe Depots errihtet, aus denen Waffen und Munition auf Grund eines behördlih ausgestellten Erlaubniss{heins von Weißen und Eingeborenen käuflich erworben werden können. Um Eingeborenen den Bezug zu erschweren, werden für sie die Kaufpreise um das Doppelte höher berechnet als für die Weißen. Diese Anordnung erwies sih namentlih den verarmten Hottentotten gegenüber als eine wirksame Beschränkung. Hand in Hand damit ging das Bestreben der Soud- gebietêverwaltung, eine Ausscheidung der englishen Gewehrmodelle aus dem Besitze der Eten zu bewirken. Diese Gewehre waren iasofern in hohem Maße unerwünscht, als bei den Besißern die ständige Verlockung bestand, sich Munition dazu auf unerlaubtem Wege aus den englishen Nachbargebieten zu beschaffen. Der Umstand, daß die staatlihen Depots, abgesehen von Schrotpatronen, nur folche für das Gewehr-Modell 71 führen, erleihterte den Umtausch. Denn es bestand für die Eingeborenen die Hoffnung, für die eingetauschte Waffe auf Ersaß der Munition renen zu können. Auch eine liberale Bewertung des abzuliefernden Gewehrs, die nicht selten neben der Hingabe des Tauschobjekts zu einer Entschädigung in barem Gelde führte, förderte die Bestrebungen der Verwaltung in der er- wähnten Richtung. Dasjenige Mittel aber, welhes am meisten ge- eignet war, der Entwaffnung der Eingebornen die Wege zu ebnen, muß in der Gewehrstempelung erblidt werden. Da die Verordnung auf die unterlafsene Stempelung, abgesehen von anderweitiger Be- strafung, auch die Strafe der Einziehung seßte, begründete sie die Möglichkeit, in einzelnen Fällen die Entwaffnung der Eingebornen zwangsweise vorzunehmen. Es bedurfte jedoch, wie auch die Rund- verfügung des Gouverneurs vom 29. März 1897 ausweist, des vor- fichtigsten Verhaltens der Behörden, um bei Durchführung der er- wähnten Neuregelung niht Unruhen hervorzurufen. i:
Aber auch der weißen Bevölkerung gegenüber durfte man es in Sagen der Waffen- und Munitionskontrolle nicht an der erforder- lihen Aufmerksamkeit fehlen lassen. Wenn au den Weißen im all- gemeinen das Zeugnis ausgestellt werden kann, daß sie die Behörden bei Durchführung der genannten Kontrolle über die Eingeborenen unter- stüßten, fo lag do Veranlassung zur Annahme vor, E der Verlockung, dur Abgabe von Schießbedarf an Eingeborene auf billigem Wege zu Vieh zu gelangen, auf seiten der weißen Bevölkerung niht immer mit Erfolg Widerstand geleistet würde. Wahrnehmungen, die während des jüngsten Hereroaufstandes gemacht worden sind, haben diese Auffassung bestärkt. Auf Grund der vorstehenden Erwägung wurde daher den mit der Aufsicht über die Waffen- und Munitionsabgabe betrauten Behörden vom Gouvernement aufgegeben, die eingehenden Anträge mit besonderer Gründlichkeit zu prüfen und in der Regel dem einzelnen Antragsteller pro Monat nicht mehr als fünfzig Patronen zu verstatten. Als spâter Klagen über unzureichende Versorgung der Weißen mit Munition laut wurden, vershloß die Schußgebietsverwaltung diesen nicht ihr Ohr, sondern ordnete an, daß zuverlässigen Ansiedlern, ins- besondere solhen, welhe in größerer Entfernung von den Verkaufs- stellen wohnen, pro Monat bis zu 100 Patronen abzugeben seien. Teras war nah Ansicht des Gouvernements unter normalen Ver-
ältnissen dem Bedürfnisse der weißen Bewohner mit Rücksicht auf den Schuß ihrer Person und Habe vollauf gedient. Zu Zeiten kriegerischer Verwickelungen mit den Eingeborenen kann — wie die letzten Auf-
stände genügsam gezeigt haben — auf eine wirksame Verteidigung der einzelnen, zerstreut wohnenden Ansiedler durch ihre eigene Kraft selbft dann nicht gerechnet werden, wenn fie über die größten Munitions- lager verfügen. Den überraschend und stets in erheblicher Uebermacht angreifenden Eingeborenen gegenüber Fonnten die wenigen, in der Regel auf den einzelnen Farmen zur Verfügung ftehenden Verteidiger nicht lange stand- halten. Es werden daher die großen Munitionsvorräte niht nur nihts nügen, fondern unserer eigenen Sahe schaden, da fie in die nde der Eingeborenen fallen und deren Angriffs- oder Widerstands- raft erhöhen. Bezeichnend nad dieser Richtung sind einzelne Fälle, die sich während der Unternehmungen des Bandenführers Morenga im Süden des Schußzgebiets zutrugen, wo es mehrere Farmer ruhig mit anfahen, daß ihr ganzer Waffen- und Munitionsvorrat ihnen abs genommen wurde. __ Der Verhinderung des geseßwidrigen Erwerbs von Munition diente auch das Verbot, welches Privaten die Einfuhr der von der Schutßtruppe geführten Gewehrmodelle 88 und 98 untersagte. Nach der Ansicht des Gouverneurs mußte unter allen Umständen ver- mieden werden, daß Scußtruppenmunition in unrechte Hände kam; in dieser Richtung aber hätten angesihts der oben Preise für Waffen und Munition und bei der Schwierigkeit wenn nicht Unmöglichkeit der Kontrolle sowohl die Nechtschaffenheit von Ansiedlern als auch die Pflichttreue von vereinzelten An- gehörigen der Schußtruppe auf eine harte Probe gestellt werden können. Dieser Gefahr konnte nah Ansicht des Gouverneurs nur durch das erwähnte Einfuhrverbot in wirksamer Weise vorgebeugt werden. An Stelle des früheren Einfuhrverbots i| in der Zollverordnung vom 31. Januar 1903 für Gewehre der ge- nannten Art ein Prohibitivzoll von 150 Æ pro Gewehr und bon 10 F pro Kilogramm Brutto für Patronen dazu ein- geführt worden. Als fürzlih die Aufhebung dieses Zolls und die Freigabe der erwähnten Gewehre zur Frage stand, hat sich der Gouverneur erneut auf das Bestimmtefte dagegen ausgesprochen, wobei er durch den Oberbefehlshaber der süd- westafrikanischen Erpeditionstruppen unterstützt wurde. Durch die fraglihe Anordnung wird übrigens die weiße Bevölkerung Deu:sh- Südweslafrikas von der Wohltat moderner Repetiergewehre nit ausgeshlofsen, da diese nur insoweit vom Prohibitivzoll betroffen werden, als fie das bei der Schußtruppe gebräuhlichße Kaliber 7,9 mm aufweisen, während der Einfuhr von Repetiergewehren mit anderem Kaliber — und über solche verfügt. unsere moderne Waffen- tehnik — besondere Hindernisse niht im Wege stehen.
Eine zusammenfafsende Aeußerung zur Waffen- und Munitions- frage enthält der Bericht des Gouverneurs vom 16. August 1904. Diesem Bericht sind angeschlossen statistishe Mitteilungen über:
1) Waffen- und Munitionsausfuhr von Kapstadt nah der afrika- nishen Südwestküste über die Häfen Walfishbai, Angra Pequena, Sandwichhafen und Port Nolloth von 1882 bis 1893.
2) Die von einzelnen Händlern in den Fahren 1890 und 1891 nah dem Schußzgebiete eingeführten Waffen und Munition.
3) Die in den Jahren 1898 bis 1902 abgestempelten Hererogewehre.
4) Die im Hererolande während der Jahre 1898 bis 1902 amtlih verkauften Waffen und Munition.
Kontrolle über Spirituosenbezug.
Wie die Waffen- und Munitionsfrage so hat auch die Spirituosens frage die Regierung im Rahmen der Eingeborenenpolitik von frübester Zeit her beschäftigt. Man hatte sihder Erkenntnis nicht verschloffen, daß das Streben nach der richtigen Lösung dieser Frage als eine unerläßliche Vor- bedingung für die wirtshaftlihe und gesundheitlihe Förderung der Ein- geborenen zu erahten ift und daß den Bemühungen, das Land der Kultur zu ershließen, im Alkohol ein ebenso gefährliher Feind droht wie in der Feuerwaffe. Es bedurfte keiner langen Studien der Eigenart der ein- geborenen Bevölkerung, um festzustellen, daß diese stets gern bereit ist, das letzte Stück Vieh, die leßte Parzelle Landes dem Branntwein zu opfern, und daß der namentlih unter den Hottentotten ershreckend fortschreitenden Verarmung, nur durch möglichste Ershwerung des Spirituosenbezugs gesteuert werden kann. : :
Auf dieser Linie bewegte \sih die Schußzgebietsgeseßgebung seit dem Jahre 1888, in welhem zuerst der Handel mit Spirituosen von der Genehmigung des Reichskommifsars abhängig gemacht wurde.
Die durch die Verordnung vom 1. April 1890 vorgenommene Neuregelung der Materie weist eine noch weitergehende Fürforge für die Slideboreta insofern auf, als die Erlaubnis zum Handel mit Spirituosen demjenigen entzogen werden fkann, welher durch übermäßigen Vertri-«b an Cingeborene Anlaß zu Ausschreitungen gibt. Noch weiter geht die Verordnung vom 13. März 1893 indem fie ganz allgemein, also niht bloß im Handels- betriebe, die entgeltlihe oder unentgeltlihe Abgabe von Spirituosen an Eingeborene tim Uebermaß unter Strafe stellt. Daneben schreibt sie für jeglihe Art der Einfuhr von Spirituosen, sei es zu eigenem Bedarf oder zu Handel8zwecken, die behördlihe Erlaubnis vor und erhöht die Lizenzgebühr für den Handel im Einklang mit den Be- stimmungen der Brüsseler Akte.
Nah der Verordnung vom 21. Januar 1895, betr. Erteilung von Erlaubnisscheinen zur Einfuhr von geistigen Getränken usw., dürfen Eingeborene geistige Getränke nur in kleineren Mengen und auf Grund einer s{hriftlichen Erlaubnis der Behörde in das Schuy- gebiet einführen. Einer gleichen Erlaubnis bedarf es für Nichteingeborene zur entgeltlihen oder unentgeltlihen Abgabe von Spirituosen an Ein- geborene, und es soll diese Erlaubnis in der Regel auf niht mehr als eine Flashe lauten. Eine Ausnahme ist lediglich hinsichtlih der in Diensten Weißer stehenden, bei der Ortspolizeibehörde an- gemeldeten Eingeborenen zugelaffen, denen geistige Getränke in kleinen Quantitäten (gläserweise) ohne behördlihen Erlaubnisschein verabfolgt werden können. Doch darf die Abgabe derartiger Getränke nicht die Stelle des Lohnes vertreten. Dienstherrshaften, welche die bei ihnen bedientesten Eingeborenen durch Verabfolgung geistiger Getränke in den Ns der Trunkenheit f\eyen, bedroht die Verordnung mit Strafe.
Auch die Verordnung vom 27. Mai 1895, welche den Ausschank und Verkauf von geistigen Getränken regelt, wobei die Lizenzgebühren erneut erhöht und gewisse Gesichtspunkte für die Versagung der Er- laubnis zum Spirituosenvertrieb aufgestellt werden, läßt das Interesse der Eingeborenen nicht unbeahtet. Sie stellt die Verweigerung der Erlaubnis zum Vertrieb geistiger Getränke iu Aussicht, wenn eine genügende Kontrolle über die Abgabe an Eingeborene fehlt.
Die Regierung ließ es auch in den folgenden Jahren an Be- mühungen nicht fehlen, um die Einfuhr von minderwertigen Brannt- weinsorten, deren Abnehmer fast auss{ließlich die Eingeborenen sind, nach Möglichkeit einzuschränken. So legte sie in der Sollverordnung vom 10, Oktober 1896 auf Spirituosen (mit Ausnahme von Bier, Wein und Schaumwein), alkoholhaltige Parfümerien, Essenzen und Tinkturen einen Einfuhrzoll von 2 k auf das Liter, während die Brüffeler Akte nur einen folhen von 15 Franken für das Hektoliter vorsah. Die zur Zeit in Kraft befindliche Zoll- verordnung vom 31. Januar 1903 geht noch weiter, indem sie den alten Saß nur für Branntwein bis einsließlich 70 °/o Alkoholgehalt beläßt, bei höherem Alkoholgehalt jedoch einen Zoll bon 3 F für das Liter festseßt. R
Ebenso tritt in der Verordnung vom 18. Dezember 1900, be- treffend die Einfuhr und den Vertrieb von geistigen Getränken, das