1857 / 21 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Bekanntmachung vom 19, Januar 1857 betref- fend die Errichtung eines neuen Versuchs-Gebäu-

des zur Prüfung der Heizkraft vaterländischer Brennmaterialien.

Zur Fortseßung der von dem Vereine zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen begonnenen Versuche über die Heizkrafst vaterländisher Brennmaterialien ist auf Kosten des Staates ein neues E ebäude erbaut, und die fernere Leitung der Ver- suche dem Dr. phil. W. Brix übertragen worden. Jm Auftrage des Königlichen Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten bringen wir dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntniß, daß das neubegründete Justitut in den Stand gesett ist, die Prüfung der Heizkraft von Brennmaterialien jeder Art zu übernehmen. Desfallsige Anmeldungen sind an den Techniker des Instituts zu richten, welher die näheren Bedingungen angeben wird, unter welchen Anmeldungen berücksi{tigt werden könuen, Im Allgemeinen bemerken wir, daß

1) dem Techniker des Instituts die Vefugniß zusteht, aus dem Anmeldenden anzugebenden Gründen die Prüfung abzu- lehnen ;

2) der Ursprung des Materials jedesmal glaubhaft nachgewiesen werden muß;

3) das zur Untersuchung nötbige Quantum des Materials etwa 2500 bis 3000 Pfund kostenfrei zu dem Versuchs- Gebäude zu liefern ist;

4) der Anmeldende seine Zustimmung dazu zu geben hat, daß die Ergebnisse der Untersucbuna, wie dieselben auch ausfallen mögen, durch die Verhandlungen des Vereins zur Beför» derung des Gewerbefloißes in Preußen veröffentlicht werden,

Die Kosten der Untersuchung selbs! werden aus der Stkaats- kasse bestritten,

Berlîn, den 19, Januar 1857.

Die Königliche technisde Deputation für Gewerbe, Oesterreich.

Justiz - Ministerium. 28 Köoniglihen GerihtShofes zur : Kompeténz -Konflilte vom 4. Ok k, wenn eine Stadtgemeinde sich der Regierung genehmigten Be- {luß des Gemeinderaths verpflibtet hat, die fämmtliven Koften des städtishen Schulwesens aus der Kämmereikasse zu bestreiten und diesel- ben als eine von den Mitgliedern der Gemeinde zu tragende Kommunallast in den Stadtshaus- dalts - Etat aufzune hmen, die Forensen eine Be- sretiung von der Verbindlichkeit, zu diesen Abga- den beizutragen, im Wege Recbtens nicht geltend ma chen Tfônnen.

Auf den don der Königlicden Regierung zu Arnsberg erbobenen

ctenz-Konflift in der bei dem Königlicben Kreisgericht zu Hamm an- Die a@e 2c. 2c, ertennt der Röniglie Gerichtshof zur Ent- er Kompetenz-Konftlitte für Recdt: daß der Rechtsweg in dieser e mzuilinig, und der erdobene Kompetenz-Konflikt daber für be- det zu eradten. Von Neebts wegen. Gründe.

Set 1532 find die Kosten des Schulwesens- der Stadt S. in den Kemmunal-Savébaits-Etat aufgenommen, - und durch Zuschläge zu der STun2= umd der KlaNen-, refp. der flasfifizirten Einkommenstener auf- gedratt mert. Net dicdem bon der Staats-Verwaltung genehmigten Steuer-Metx® ffnd zu den gedabten Koften auch diejenigen Personen mit derangezogen, melde, chne in dem Gemeindebezirk zu wohnen, nur Grundstückde in demjelben befisen. Diese Forensen, 143 an der Zahl, wodnhaft in 2) bemadbartizz Gemeinden, in denen fie an den dortigen Schulverbänden Tbeil nebmen, balten fid eben deshalb nicht für ver-

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| u den Schulkoften in S. beizutragen. Sie behaupten: früher- bin babe jede Kirchengemeinde daselbft ibre eigene Schule gehabt und znterbalten ; erst 1822 seien für sämmtliche evangelishe Gemeinden in S. me: Schulgebäude auf städtis®e Koften, für die fatholisde Gemeinde aber 2m jolhes auf Kosten des Fiéfus errichtet, und die Besoldungen der brer aus den einkommenden S&ulgeldern bestritten worden ; im Jahre aber dabe der Stadtvorstand die S&bulgelder abgeschafft, und hbier-

der Stadtkasse die Pfliht zur Beso!tunag ter Lebrer aufgebürdet;

a #2lae defsen im städtischen Hausbalt bervoraetretene Defizit aber e Bs E, wie es doch so nahe gelegen, dure Wicdereinfübrung Émiaelbzre, sondern dadurch zu decken gesut, das man ibnen, den

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“n, 7e rer Besißungen in der Stadtflur, eine Beifteuer zu

pflichtet, zu den Séul?of

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e Zv tram af ne Rommunallast auferlegt babe. Dies sei zu Un- T gten. temm geielid feien die Kosten der Schulen nit von ten Miitolietery ter politischen Gemeinde, sondern von denen der Schul- Zagutbten ber Etats ju tenen fe, die Kläger, nicht gebörten, zu tragen. Aue dieiem Grüinten feomtragten die Kläger, da ihre“ Beschwerden bon

| den Verwaltungsbehörden zurückgewiesen worden sind, im Wege Rechtens auszusprechen, daß sie mcht für verpflichtet zu erachten, als Besiyer von Grundstücken in der Feldmark der verklagten Stadt zu dem Schul-Defizit derselben bcizutragen, und daß die Verklagte daher schuldig, ihnen die seit 1852 eingezogenen, in separato zu ermittelnden Beträge zu erstatten.

Nach erfolgter Klagebeantworiung hat die Regierung zu Arnéberg

schriftlihen Entgegnung, so wie auch die betheiligten Gerichtsbchörden für nicht begründet erachten. Diese Ansicht ist indessen nicht richtig, viel- mehx muß der Nechtsweg in dieser Sache für unzulässig erklärt werden. Gestüßt auf die von den Klägern nicht bestrittenen Thatsachen, daß durch auedrüdcklihe, in deu Jahren 1822 und 1848 gefaßte und vom Etaate genehmigte Beschlüsse des Gemeinderaths die Stadt S. sich verpflichtet habe, die sämmtlichen Kosten des städtischen Schulwesens, welche aller- dings geseßlich eigentli den betreffenden Schulsozictäten oblägen, aus der Kämmereikasse zu bestreiten, und dieselben, wie es auch seit 1852 ge- schehen - sei, als eine von den Mitgliedern der politischen Gemeinde zu tragende Last in den Kommunal-Haushalts-Etat aufzunehmen, führt die Negierung aus, daß hiernach die Schulkosten in S. jeßt eine, alle Mit- glicder der Gemeinde treffende Kommunallast scien, gegen deren Tragung die Kläger nach den hier anwendbaren Vorschriften der §Y. 78 und 79

Tit, 14 Th. 11. des Allg. Landrechts im Wege des Prozesses nur dann ankämpfen könnten, wenn sie, was nicht der Fall fei, ihre Befreiung von dieser Last auf Grund eines speziellen Titels (Vertrag oder Privilegium) beanspruchten.

Dieser ganz fonkludenten Begründung des Kompetenz-Konflifts hat der Mandatar der Kläger im Wesentlichen nur eine Nechtsaus führung entgegengeseßt, durch die er zu zeigen sucht, daß die Beschlüsse der städtischen Behörden, wodurch die Schulkosten den ESchulsozietäten abgenommen, zu Kommunallasten erklärt und auf diese Weise den kla- genden Forensen mit aufgebürdet worden, widerrechtlih und für die Kläger nicht verlindend seien. Es leuchtet indessen ein, daß auf diese

| Ausführung hier nicht näher eingegangen werden kann, da es sich vor- llegend nicht um eine Entscheidung des sachlichen, sondern nur erst des

(ompetenzstreites handelt. Diesen leßteren hat der klägerische Mandatar in seiner Erklärung nur beiläufig durch zwei Aeufterungen berührt, ohne im Uebrigen auf die bon der Negierung für ¿hre Kompetenz gelt; nd ge- machten Argumente näher einzugehen. „Wenn sagt er an einer die-

| ser Stellen nach der Entscheidung des Gerichtshofes zur Entscheidung

der Kompetenz- Konflikte vom 10, März 1855 selbst dann, wcun mehrere Gemeinden zu einem Schulverbande gehören, und unter den Mitgliedern desselben über die Aufbringung und Vertheilung der Schulabgaben Streitigkeiten- entstehen, dieselben dem Nechtswege unterworfen siud, so

muß das gewiß; doppelt stattfinden, wo die Gemeinden nicht einmal zu einem Schulverbande gehören, eine Schulgemeinde die Beitragslast ih | rer Mitglieder durch Heranziehung der zu einem anderen Echulverbande

gehörenden Mitglieder einer fremden Gemeinde erleichtern will 2c.“ Diese Bemerkung mag an sih was dahin gestellt bleiben kann richtig sein, sie paßt aber auf die vorliegende Klage nicht, welche nicht von einer Schulgemeinde oder von einzelnen Mitgliedern derselben gegen eine andere Schulgemeinde oder deren Mitglieder, sondern vielmehr von einer gewissen Anzahl von Forensen dcr politischen Stadtgemeinde S. gegen diese Gemeinde als Korporation gerichtet, und daher durchaus nicht einem Rechtsstreit vergleichbar ist, der, wie in dem Falle, auf welchen

| fich das von dem flägerischen Mandatar angeführte Erkenntniß vom

10, März v. J. bezieht, zwischen Betheiligten einer und derselben S chul-

| sozietät über die Art der Vertheilung der gemeinschaftlichn Last unter

| thnen geführt wird.

Die zweite mit der Kompetenzfrage in Berührung tretende Bemerkung

des klägerischen Anwalts findet fih am Schlusse seiner Erklärung, und

lautet wöôrtlih dahin: „Daß die Beschlüsse der Vertreter der Stadt S. den Forensen keine Verpflichtung, die ihnen der Natur der Sache nach nicht obliegt, auferlegen können, ist ebenso klar, als daß die Staats- Regierung nicht berufen sein kann, die für ihre Schulin steuernden Fo- rensen auch für die Echulen der Stadt S. steuern zu lassen, was bisher nie geschehen. Eben weil dies nie geschehen, wie bereits in der Klage angeführt, stebt den Klägern allerdings auch ein spezieller Titel, die Ver- jäbrung, zur Seite 2c.“

Unverkennbar soll dies Leßtere ein Einwand gegen die Behauptung der Negierung sein, daß die Kläger keinen speziellen Nechtsgrund für ihre Befreiung bon der in Nede stehenden Abgabe, der sie nah §. 79 a. a. O. des Allg. Landrechts zum Rechtswege autorisirte, angeführt bättev. Allein dieser Einwand ist unbegründet. Wäre auch wirklih, was nicht einmal der Fall ist, in der Klage ausdrücklih behauptet, daß die Kläger niemals früher zu den Kosten der städtischen Schulen beigetragen hätten, so ließe sich diese Behauptung doch noch keinesweges als eine Berufung auf Ver- jäbrung charafterisiren; denn dadurch allein, daß Jemand eine gewisse Abgabe zu keiner Zeit geleistet hat, erwirbt er noch nicht ein Net auf Befreiung von der Verbindlichkeit dazu; diese Wirkung tritt vielmehr nur erst dann ein, wenn er zu der Leistung aufgefordert worden ist , dieselbe aber verweigert hat, und seitdem mindestens 50 Jahre lang davon frei peblieben ist (vergl. §. 656 Tit. 9 Thl. 1. des Allg. Landrechts ). Eine- jolche usucapio libertatis baben die Kläger nirgends behauptet, und sie konnten dies aub nit, da seit 1822, wo zuerst die Schulkosten in S. als Kommunalsache behandelt worden sind, noch nicht 50 Jahre ver- flossen sind. ‘eute h

Durch die Entgegnungen der Kläger sind also die Gründe, auf welche die Regierung den Kompetenz-Konflifkt gestüht hat, nicht widerlegt. Eben- sowenig aber find die bon dem Kreiëgeriht zu Hamm, im Einverständ- nisse mit dem dortigen Appellationsgericht, aufgestellten Gegengründe durchgreifend. Danach soll der §. 79 Tit. 14 Thl. 11. des Allg. Land- rechts hier anwendbar und der Nechtêweg also zulässig seiu, weil die be- hauptete Besreiung der klagenden Forensen von den städtischen Schulbei-

| trägen aus den §§. 29 und 34 Tit. 12 Th. 11. des Allg. Landrechts

folge, und diese allgemeinen geseßlichen Vorschriften denselben als Privi-

den Kompetenz-Konflikt erboben, den de: Mandatar der Kläger in seiner -

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legien in ähnlicher Art zur Seite ständen, wie dies z. B. in Ansehung des §. 283 Tit. 11 Th. 11. des Allg. Landrechts für die Befreiung der Staatsdiener vom Parochialzwange in dem Urtheil des unterzeichneten

logie paßt indessen nicht. e : i : Allerdings ist nicht blos in dem eben angeführten, jondern schon in

2) Diese Pflicht wird ihrem Umfange nach bedingt dur den

Umfang des Rechtes, sie erstreckt sich also niht weiter als dieses,

vielen anderen Urtheilen des unterzeichneten werichtshofes anerkannt wor- |

den, daß die Privilegien, auf welche sich vor Gericht klagende Personen we- „em 1 j i Mans “auch diese, jeder für seinen Bezirk, diese Functionen zu üben.

gen ihrer behaupteten Befreiung von gemeinen Lasten oder Abgaben nah §. 79 a. a. O. des Allg. Landrechts berufen, auch in allge- meinen geseßlichen Vorschriften ausgesprochen sein können. Dies ist namentli zu Gunsten klagender Staatsdiener angenommen , die sich we- gen behaupteter Befreinng vom Parochialzwange oder von Gemeindelasten resp. auf den §. 283 Tit. 11 Th. 11. des Allgemeinen vandrects , oder auf die Vorschriften des Gejeßzes vom 11. Zuli 1822 berufen. Diese eben angeführten Geseße tragen aber auch in der That den Charakter von Privilegien und Ausnahme-Vorschristen kenntlich an sich, denn hie |pre- chen die Staatsdiener positiv und auodrücklich von gewissen darin näher bezeichneten Verpflichtungen, die ihnen sonst obliegen würden, frei. Nicht eben so aber verhält es sih mit den Vorschristen, auf welche für die Be- freiung der Kläger von den städtischen Schullasten Bezug genommen wird. Die §§. 29 und 34 Tit. 12 Th. 11. des Allg. Landrechts verord- nen im Wesentlichen nur, daß die Unterhaltung der Lehrer an gemeinen Schulen den sämmtlichen Hausbvätern des Orts oblicge, und die der Schul- 2c. Gebäude von allen zu einer solhen Schule gewesenen Ein- wohnern getragen werden müsse. Ungeachtet aber offfenbar dicse Para- graphen sich durch keines ihrer Worte als Ausnahme-Vorschristen oder Privilegien zu crkennen geben, glauben die Gerichte zu Hamm dennoch sie als Privilegien für die Kläger bezeichnen zu können, weil diese, als Forensen, nicht zu den Hausväkern und Cinwohnern der Stadt S, mit- hin nicht zu den nach diesen Paragraphen zu den Schulkosten - Verpsflich- teten, vielmehr zu den danach Nicht-Verpflichteten gehörten. Eine folche Jnterpretation ist aber nicht zu billigen, nah ihr würde die Sphäre der sogenannten geseßlichen Privilegien eine unüberjehbare Ausdehnung erz halten, und jedes Geseß, das einer gewissen Klasse bon Personen eine Verpflichtung auferlegte, als ein Privilegien- und Ausnahme-Geseß jür alle zu dieser Klasse nicht Gehörenden betrachtet werden müssen. Es würde hieraus folgen, daß der Nechtsweg nach Y. 19 Tit. 14 Thl. 11, des Allg. Landrechts stets zugelassen werden müßte, wenn Jemand einfach behauptete, daß das Steuer- oder Abgaben-Ges)eß, welches die Qeyyrve gegen ihn angewandt habe, auf ihn nicht passe. Prozesse dieser Art aber, bei denen der Kläger eigentlich nichts weiter “als seine Abgaben- Verpflichtung negirt, sind, wie bereits anderweit vielfach von dem unter- zeichneten Gerichtshofe erkannt worden ist, nach jenen landrechtlichen Vorschriften unstatthaft, die Entscheidung so gestalteter Streitigleiten ge- bührt den Verwaltungsbehörden; nux wer zu behaupten vermag, daz seine Befreiung von einer Abgabe ausnahmsweise und positiv durch ein spezielles oder generelles Privilegium festgestellt fei, kann richterliches Ge- hör hierüber fordern. E. i

Aus diesen Gründen erscheint es denn auch hinfällig, wenn die Ge- richtsbehörden zu Hamm si für ihre abweichende Meinung noch auf den Ç. 3 der Gemeinde - Ordnung vom 11. März 1850 berufen. Er spricht allerdin gs zu Gunsten der llagenden Forensen den Saß aus: „daß, wer in der Gemeinde Grundbesi hat, aber nicht in derjelben wohnt, nur

Grundbesiß oder auf das daraus fließende Einkommen gelegt sind‘““, und es mag —— worüber hier nicht zu entscheiden ift zugegeben sein, daß die Kläger nicht ohne Grund über eine Verleßung dieser geseßlichen Vorschrift bei ihrer Heranziehung zu den städtischen Schullkosten Beschwerde führen. Jm Nechtswege aber können sie nah Y. 7) a. a. V. des Allg. Landrechts mit diesen Beschwerden nicht gehört werden, denn auch diese Vorschrift der Gemeinde - Ordnung trägt nicht den Charafter eines zu Gunsten der Forensen der Gemeinden ertheilten Privilegiums und Aus- nahme-Geseßes an sich, sondern stellt vielmehr nur eine allgemeine Negel für die Behandlung der Forensen bei der Vertheilung der städtischen La- sten und Abgaben auf. Darüber, ob diese Regel im vorliegenden Falle auf die Kläger unrichtig angewendet sei oder nicht, sind nicht die Ge- richte, sondern die Verwaltungsbehörden zu entscheiden berufen.

Es war daher, wie geschehen, zu erkennen.

Berlin, den 4. Oktober 1896. @óniglicher Gerichtshof zur Entscheidung der (ompetenz-Konflikte.

Ministerium des Zunneru.

Cirkular-Verfügung vom 15. September 18560

betreffend die Wahrnehmung der polizeianwalt-

lihen Funktionen und die Tragung der Kosten derselben,

Verordnung vom 13. Juni 1853. (Staats-Anzeiger Nr. 146. S. 1005.) Circular-Verfügung vom 12. Juli 1855, (Staats - Anzeiger Nr. 169. S. 1318.)

Nachdem die Frage wegen der Kosten der Polizeianwaltschaft in den westlichen Provinzen und in ten Städten ihre Regelung ge- funden hat, finden wir uns veranlaßt, auf Grund der bestehenden Bestimmungen und zur Ausführung derselben zur Erledigung dieser Frage, so weit sie das platte Land in den \cchs öóstlihen Provinzen der Monarchie berührt, Folgendes anzuordnen: N vat

1) Die polizeianwaltlihen Funktionen sind, als ein Theil der Polizei - Verwaltung, von denjenigen zu üben, welchen die Polizei- Verwaltung in Gemäßheit des Geseßes überhaupt zusteht.

a gei | und kann mithin von jed ( i s Gerichtshofes vom 20. Oktober v. J. anerkannt worden sei. Diese Ana- | h jedem Jnhaber der polizeiobrigkeitlichen Ge

walt nur für den Umfang des besonderen polizeiobrigkeitlichen Be- zirkes gefordert werden.

3) Da die polizei-obrigkeitlihe Gewalt überhaupt nur zustehen kaun dem Staate, dem Fiskus oder einem Dominium, so haben

4) Soweit der Staat hiernach lerechtigt und verpflichtet ist, bedarf es bejonderer Vorschriften niht, Die ihm obliegenden polizei - anwaltschaftlichen Functionen sind nah wie vor durch die zu bestellenden Polizei - Auwalte zu üben, und die Kosten hierftir sind vom Staate zu tragen.

Iit das Recht der Polizeigewalt dagegen an den Besiy eines

“bestimmten Gutes geknüpft, so sind die polizei - anwaltschaftlichen

Vunctioucn an sich von dem Gutsbesißer zu üben, und zwar ohne Unterschied, ob es sich dabei um den Fiskus oder um cinen Privat- besiver haudvelt.

Nur in Bezug auf den Domainen-Fiskus behält es aus Zweck- mäßigkeitsgründen bis auf Weiteres bei dem bisher beobachteten Verfahren dahin sein Bewenden, daß die bestellten Polizei-Anwalte auch für den Bereich der dem Domainen-Fiskus zustehenden Polizei- Berwaltung diese Functionen zu üben haben, und daß die hieraus entstehenden Kosten aus der Staatskasse zu berichtigen sind.

9) Was dagegen die Outsbesißer außer dem Domainen-Fisfus anbelangt, so steht den Herren Regierungs-Präsidenten die Ueber- tragung der polizeianwaltlihen Functionen geseßlich §. 28 der Allerh. Verorduung vom 3, Januar 1849 zwar auch sür die Polizeibezirke solcher Gutsbesißer zu, es ist aber bei Ausübung dieses, allgemein dem Staate vorbehaltenen Ernennungsrechts da- vou auszugehen, daß die Vereinigung der Polizei-Anwaltschaft und Polizei=Verwaltung in Einer Hand Gründe der sahlihen Zweck- mäßigkeit für sich hat, andererseits, daß diejenigen, welche das Necht

der Polizei - Berwallung haben, mit vollem Fug die Erwartung “hegen können, daß dieses Recht bei der Bestimmung über Wahr-

nehmung der Polizei - Anwaltschaft in ihrem Polizeibezirke so viel als möglih anerkfaunt und berücfsihtigt werde, Es können die

“Inhaber der polizeiobrigkeitlihen Gewalt die polizeianwaltlichen Func-

tionen sür ihren Bezirk entweder selbst oder durch ihre Stellvertreter in der Polizei-Berwaltung wahrnehmen, over zu diesem Behufe geeignete, besondere Stellvertreter in Vorschlag bringen, oder entlich ihre Vertretung durch den für den Gerichtsbezirk bestellten Polizei- Anwalt bewirken lassen; es können auch endlich m-hre Gutsbesiber, deren GQüter in einem und demselben Gutsbezirk belegen sind, es ihren Juteressen angemessen finden, einen gemeinsamen Polizei-= Anwalt in Borschlag zu bringen, Die in dieser Beziehung von den Juhabern der polizeiobrigkeitlichen Gewalt hinsichtlih der Wahrnehmung der polizeiauwaltlichen Funktionen für ihren Bezirk

| ckÓ , Í 7 » T S f 7 i I - verpflichtet sei, an denjenigen Lasten Theil zu nehmen, welche auf den | eingehenden Auträge und Vorschläge haben die Herren Regierungs

Präsidenten vorzugoweije zu berücksichtigen und, so viel es die Um- stände und Juteressen des Dienstes irgend gestatten, denselben zu entsprechen,

Wie aber auh die Wahl der Gutsbesißer ausfallen mas, immer ist der Orundsaß festzuhalten, daß sie antheilig für den Um- fang ihres Polizeibezirkes die Kosten der Polizei - Anwaltschast zu tragen haben, so daß der Staat in jedem Gerichtsbezirfe fortan diese Kosten nur so weit zu berichtigen verpflichtet ist, als ihm oder vem Domainen-Fiskus in demselben die Polizeigewalt zusteht.

6) Bei der Repartition dieser Kosten ist die Seelenzahl zum Grunde zu legen, dabei aber zur Vermeidung von Mißverständ- nissen festzuhalten, daß unter Gerichtsbezirk der Bezirk desjenigen Gerichts zu verstehen ist, welches, wenn ihm auch sonst die volle Kompctenz uicht zusteht, do berechtigt ist, in denjenigen Unter- suchungen zu befinden und zu entscheiden, in welchen die Polizei- Anwalte die Anklage zu erheben und durchzuführen haben.

7) Nach diesen Grundsäyen is vom 1, Januar k. Z. ab zu verfahren der Art, daß von - diesem Zeitpunkte ab die Sonderung der Kosten in Geinäßheit der Vorschrift zu 5 eintreten muß.

Zu diesem Behuse habeu die Herren Regierungs - Präsitenten

unverzüglih die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, und

namentlich die Gutsbesißer, welhen die Polizei - Obrigkeit zusteht, aufzufordern, schleunigst über die Wahrnehmung der polizeianwalt- lihen Geschäfte in ihrem Bezirke sih zu erklären. Geht innerbalb einer angemessen zu bestimmenden Frist eine Erklärung nit ein, so sind, worauf hinzuweisen ist, die bestellten Polizeianwalte mit der Vertretung zu beauftragen, was auch den Interessen der Inhaber der Polizei-Gewalt insofern entspricht, als diese Art ter Vertretung an sich die wenigst kostspielige sein dürfte. : Berlin, den 15. September 1856.

Der Minister des Jnnern. von Westphalen.

Der Finanz - Minister. Im Auftrage : Horn.

An die Königlichen Regierungs - Präfidien der sechs östlihen Provinzen,