1884 / 99 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Apr 1884 18:00:01 GMT) scan diff

wiesenen MReferendare bestimmt; es \ol1 denselben einecscits eine Ucbersiht über der Gesckäftskreis und die Thätigkcit dieser Behörde, andererseits die Möglichkeit gewähren, bei Erledigung der ihnen über- tragenen Arbeiten in mögli} einfacher und zuglei zuverlässiger Weise sih darüber zu unterrichten, welche geseßlichen u. s. w. Be- stimmungen zu berücksichtigen und wo dieselben zu finden siand. Daß ein Bedürfniß nach einer solben „Geschäftsinstruktion für die bei der Staatsanwaltschaft beschäftigten Referendare“, als welche der Verfasser das vorliegende Werken ursprünglich zum Gebrauche der ibm zur Beschäftigung überwiesenen Kollegen ent- worfen hatte, in der Praxis thatsäcblich vorhanden ist, dürfte einem Zweifel nicht unterliegen; denn nicht nur ift die Art und Weise der istaatêanwaltli# en Thätigkeit, deren Hauptgegenstand die Bearbeitung des tôgliden Decernates bildet, eine von der riterlichen sehr ver- schiedene, so daß dcr nab Beendigung seiner landgeri{tlichen Beschäf- tigung der Staatsanwaltschaft zur Ausbildung überwicsene Referendar sich zunächst in eine ihm in der Regel fremde Art der Geschäfts- thätigkeit einarbeiten muß, sondern es sind au die Gesetze, Ver- ordnungen, Verfügungen und Reskripte, welhe auf die Staats- anwaltshaft bezüglihe Bestimmungen enthalten, in so großer Anzahl vorhanden, daß es seclbst dem älteren Praktiker \{wer fallen dürfte, jede derselben stets im Gedöchtniß zu haben. Um den obengedahten Zweck zu erreichen, hat der Verfasser die ein- \clägigen geseßlichen u. s. w. Bestimmungen na Möglichkeit und soweit es erforderlich erschien, zu einem übersichtliben Ganzen zusammengestellt und zwar, soweit es sich um die Hauptthätigkeit der Staatsanwaltschaft die auf dem Gebiete der öffentlichen Strafrecht8pflege handelt, im Ans{bluß an das System der Straf- prozeßordnung. Er ist sich wohl bewußt, daß er mit dieser feiner Arbeit etwas absolut Vollständigis nit geleistet bat, cinmal um deshalb, weil in Folge des Umstandes, daß die die Staats8anwalts- schaft betreffenden Bestimmungen in den versciedensten Sammlungen zerstreut sich vot finden, ein Uebersehen dieser oder jener Vorschrift faft unvermeidlich war, sodann aus dem Grunde, weil auf manche Bestim- mungen überhoupt nur verwiesen, dagegen ibr Inhalt nicht mitgetheilt werden konnte. Allein, diese Mängel dürften die praktiswe Brauch- barkeit des Werkchens im Greßen und Ganzen nit beeinträchtigen. Das Werkchen wird sich auch den älteren bei der Staatsanwaltsast beschäftigten Juristen, sei es als Nabscblagebuh zum etgenen Ge- brau, sei es als Hülfsmittel bei der Leitung der Beschäftigung der ibnen überwiesenen Referendare, empfehlen.

Von den im Verlage von Orell, Füßli u. Co. in Zürich er- \Leinenden „Europäischen Wanderbildern“ sind wieder ¿zwei Doppelheste, Nr. 51/52 und Nr. 57/58 1) erscienen. Das crste Wanderbild führt uns in das Centrum des Touristen- verkehrs, an den Vierwaldsfiättersee. Dort steigt senkrecht aus den blauen Fluthen zwischen dem Pilatus und dem Rigi der Bürgen- sto ck hervor, eine Sommerfrische ersten Ranges, dcren Schönheiten von dem Verfasser mit Wärme beschrieben und von J. Weber in 8 tirefflihen Illustrationen und 2 Doppelbildern veranschaulicht sind. Das andere Heft bringt in 19 guten Illustrationen Chur und Umgegend, deren Geschichte, Meckwürdiakeiten und Vorzüge Dr. E. Killias mit Sachkenntniß, Treue und Lebendigkeit \{ildert. Das ansprechende Büchlein wird viele Kurgäste des Engadins und von Davos veranlassen, der alten Stadt und ihrer pittoresken Umgebung cinige Tage zu widmen. Die Auëéflattung beider Hefte, die auch mit Karten versehen find, ist so elegant wie die aller vorhergehenden.

Im Verlage von H. W. Müller in Berlin ist erscbienen : „Pandekten“ von HeinrihDernburg, ordentlichem Professor des Rechtes an der Universität Berlin. Erster Bandz erste Lieferung. (2 A) Den Jüngern und Freunden der gemeinrech{tlichen Wissenschaft übergiebt der Verfasser hiecmit die ersten Theile einer Darstellung der Pandeften, die er in kurzer Frist zu vollenden hofft. Seit Jahren stand der Gedanke dieses Werkes vor ihm. Aber zunächst nahm den Autor eine antere wihtiee Aufgabe in An- pru. Als diese im Wesentlichen gelö war, {hien es ihm kaum möglih bei der vielfachen Thätigkeit, die er auëübt, Zeit und Kraft zu gewinnen, um eine Darstellung der Pandekten würdig zu vollenden. Doch der Gedanke ift mächtiger geworden als die Bedenken, die ihm entgegenstanden. Sowie die Arbeit begonnen, war der Verfasser durch sie gefangen. Welche Befriedigung, den Stoff, den er oftmals vorgetragen hatte, nunmehr nach allen Rich- tungen m:t gespannter Kraft durchzudenken, Zweifel zu löfea, welchen er biéher nit auf den Grund gehen konute, Anschauungen feste Ge- ftalt zu geben, zie bisher nur unbesti:nmtere Umnrisse hatten ! Nicht wenige Grundgedanken konnte er in seinem Buche über preußis%es Privatrecht nur anteuten, Nun erft hatte der bekannte Rechtslehrer Gelegenheit, sie nähcr zu entwideln, hie und da richtiger zu bestimmen. Dern die Erörterung der Grundbegriffe kann zum großen Theile nur auf dem Boden des gemeinen Rechtes geschehen. Vor Allem war dem Herausgeber wichtig, daß er Manches weiter ausführen durfte, was cr in scinen Borlesungen über Pandekten nur kurz berühren konnte. Der \studirenden Jugend is|st dies Werk bestimmt. Gelingt es, sie Un SlUdiUm! zU [ordern |0 Ul sen Ziel errei! Sollte au in de Vraris [tebende Jurist in dem Buche Anregung und Unterstüßung finden, so wäre dies bocherwünfcht. Dreierlei scheint dem Verfasser erforterlib, damit ein Buch über Pandekten den Zweck der Förderung des wissenshaftlihen Studiums voll erreicht. Ein solches Buch soll eine Anleitung zum gründlichen Studium des corpus juris civilis, insbesondere der justiaianischen Pandekten geben. Sowie wir tiefer in dieses Werk einzudringen ver- suchen, scheiden fich die einzelnen Juristen, deren Aus\prüche ausgenommen find, {arf und bestimmt als Individualitäten. Auch dem Studirenden joUten wir die alten Meister des Pandecktenrechtes in ihrer Eigenart vorführen; er soll die cinzelnen einen Celsus, Papinian, Paulus und viele andere achten und verehren lernen. Um dies anzubahnen, sind in diesem Buche zahlreiche Kernsprücbe der klassishen Juristen abgedruckt, keineëwegs blos um als Belegstellen für unsere Aus- führursgen zu dienen. Sie sollen dem Studirenden vertraut werden, wie die Worte unserer literarischen Klassiker, sie mögen zu einem dauernden Besi derselben werden. Und wenn er sich der trefflichen Aussprüche freut, fo sollen ihm auch die Namen derer gecenwärtig sein, denen er sie verdankt. Aus diesem Grunde ist hier jedem vollstärdig abgedrucktten Spruch der Name feines Urhebers teigefügt. So wird mancher angeregt, Über das beschränkte Material, welches hier angeführt werden kann, hinauszugehin und die Quelle \selbsst in die Hand zu nehmen. Die Pandekten sollen ferner niht in einer dürren Dogmatik bestehen, die Rechtssäte, um die es sich hier handelt, haben eine Entwickelungs- geschihte, die Über zwei FJahrtausende hinausreiht. In einem zusammenfassenden Werk kann dies nicht in das Detail bincin durchgesührt werden. Aber bei jedem Schritt sollen wir bewußt blei- ben, daß wir auf historist;,em Boden stehen, daß es fich hier um die Geistesarbeit vieler Generationen handelt. Das Gewinnen dieser An- \chauung ist das wichtigste Nesultat, welches das juristische Universitäts- \tudium erzielen kann. Aus dem historishen Rahmen muß endlich das praktische Recht breit und konkret hervortreten. Denn die Pandekren sind nit eine blos historische Lehre. Sie haben von jeher das System des gelten- den Piivatre®tes dargestellt. Diese Aufgabe müssen sie festhalten. Da- her muß auch die Einwirkung des heutigen Reichsrehtes auf das System beachtet werden, nicht blos hier und da in mehr dilettantiscer Weise, sondern folgerecht und planmäßig. Dabei handelt es sich nit um Ansührung jeder Einzelheit, sondern um das, was für das System . von einschneidender Bedeutung is. Auch die Praxis des MReichs- gerichtes ist in den Bereich der Betrachtung zu ziehen, Hier tritt die Bedeutung der theoretishen Säte besonders lebhaft hervor. Es ift dies ein Element, welches, richtig gewürdigt, auch dem theoretischen Studium förderlich sein kann. Neben der Geschichte und dem praktischen Rechte darf die Leuchte der Philosophie niht fehlen. Aber Herrin darf sie auf dem Gebiete des positiven Rechtes nicht werden. Dies Buch ist nicht dazu be- stimmt, die ausgezeibneten Werke zu verdrängen, die wir auf dem Gebiete des Pandektenrechtes von den bedeutendsten Juristen der

sammecnstellung der neueren Literatur zu wiederholen, welhe Wind- {eid in so rortrefflider und fleißiger Weise giebt. Hier sollte vor- zugêweise hervorgehoben werden, was für den Studirenden von be- sonderer Wichtigkeit ist. Das Werk ist auf 2 Bände berechnet, von denen der erste (den allgemeinen Theil und die dinglichen Rete um- fassend) bis Ende d. J. vollständig vorliegen soll.j - F - Wn 25% Die Schletter’\{che Buchhandlung Franck Wet- gert in Breslau hat soeben ihren antiquarishen Anzeiger Nr. X1I1I. ausgegeben. Derselbe enthält ein alphabetisch geordnetes Verzeichniß von 564 Schriften (Nr. 450—1013), die den verschicden- sten Wissensgebieten angehören und des verschiedenartigsten Inhalts sind. Dieselben beziehen si auf die Geschichte (allgemeine, der deut- \{en Nation, einzelner deutscher Staaten, mehrerer deutschen Kaiser, einzelner Landschaften und Städte, die Geschichte Frankreichs, Eng- lands, einzelner Ereignisse der Geschichte, wie z. B. die Gescbichte der Kreuzzüge, ten deuts-französishen Krieg 1870 u. #. w.), Bio- graphien (Karls d. Gr., Friedribs d. Gr., Königin Luise, K. Katha- rina 11., Dalberg, Ariosto, Meudelssohn-Vartholdy u. st. w.); ferner auf die Geographie verschiedener Länder, auf Philologie, Juriëprudenz (allg. preuß. Landrecht, preuß. Privatrecht, röm. Recht), auf Völkerrecht, Handelsrecht, Religien, Philosophie (namentli Kant), Literatur, Naturwissenschaft überhaupt und Botanik, Mineralogie, Zoologie, Astronomie, Chemie insbes, Medizin eins{l. Chirurgie, Physiologie, Landwirthschaft, Baukunst, Eisenbahnen, Kunst Überhaupt und Musik und Malerei insbesondere, Numismatik, Novellen, Romane u. f. w.; und betreffen verschiedene Landschaften Deutschlands, wie Preußen, Bayzrn, Württemberg, Sdwlesien, die Grafschaft Glaß, mehrere Städte, wie Berlin, Wien, Breélau und andere s{lesisde Städte, Elsaß-Lothringen, Vesterreib-Ungarn, England, Frankreich, Florenz, den Kircenstaat, Spanien, Rußland, Polen, die Türkei, Amerika, China, Japan. Unter den aufgeführten Schriften befinden si viele interessante und werthvolle, sowie aub mehrere sehr seltene.

Gewerbe und Sandel.

Die Feuerversicherungsgesellschaft Colonia in Cöln hat von dem Betrage der Versicherungëprämien, welche im Jahre 1883 von den bei ihr versicherten Justizbeamten eingegangen sind, wiederum die Summe von Eintausend und Achthundert Mark der JIustizoffizianten-Wittwenkasse überwiesen. e Oanii0, 20 Ml (W. T B). Die Dividende derx Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn pro 1883 ist heute auf 59/9 für die Stammprioritäten und auf 2% für die Stammaktien festgestellt worden. : Antwerpen. 2 Adril, (W..L. B) Wollauktion. 696 B. Buenos-Ayres-Wollen angeboten, davon 375 B. verkauft, 1742 B. Montevideo-Wollen angeboten, davon 892 B. verkauft. Preise unverändert. : j : i Mad etd, 25 l, (W. L. B) - Dar Nogterung ind neuerdings mehrfach Anerbieten von Vorschüssen und Anleihen, in jüngster Zeit au von Seiten deutsher Bankiers, zugegangen. Doch lag angesichts der befriedigendenFinanzsituation kein Grund vor, diesen Anerbietungen näher zu treten. Die Regierung hat seit mehreren Monaten ein Guthaben von 43 Mill. Francs baar in der Bank, über welches troß der Erfordernisse des laufenden Dienstes noch nit disponirt ift. E S1, Pelerabura 26 April, (W. D G) Der FKaätserliche Ukas, betreffend die Emission der neuen d prozentigen konjolidirten Anleihe, wird heute veröffentlicht. Der Emisfionêcours ift 904 °/6 New-Vor, 20 Uhl, (W. L. B) Baumwollen Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 21 000 B, Ausfuhr na Großbritannien 19 000 B., Ausfuhr nah dem Kontti- nent 14009 B,., Vorrath 578 000 B.

Submissionen im AusíanDe.

I. Belgien. 1) Verwaltung der Staats-Eisenbahnen.

a. 7. Mai d. I. Mittags in der Börse zu Brüssel Vergebung der Lieferung von Drehbscheiben von 4,80 m und 4,80 m Durchmesser nebst Zubehör. Abshätßungssfumme ca. 24000 Fr. Vorläufige Kaution 1200 Fr. Auékunft beim Ingenieur, Direktor van Aelbroeck, rue Latérale Nr. 2 zu Brüffel, und bei der Commission de récep- tion des fers t bois, rue d’Idalie No. 38, zu Srelles bei Brüffel. Preis der autographirten Pläne Fr. 0,25 pro Exemplar. Lastenheft 58 in der Expedition des „Reichs-Axzeigers. 5

b. 7. Mai d. Is., Mittags, in der Börse zu Brüssel Vergebung von Dachdecker-, Glaser-, Anstreicher-, Maler- 2c. Arbeiten, der Liefe- rung von Backsteinen, Dachziegeln, Kalk, Zink 2c. auf verschiedenen Bahnstrecken, 12 Loose. Lastenheft Nr. 45 in der Expedition des „Meicbs Anzeigers“. Abs@äßung zusammen ca. 28960 Fr. Vor- läufige Kaution 1420 Fr. Auskunft bei den Ingenieuren Sartou zu Gent (Station) und van Aelbroeck, rue Latérale No. 2 zu Brüssel. Preis des Planes 0,90 Fr. .

2) Verwaltung für Wegearbeiten.

12, Mai d. Is., Mittags, im Provinzial-Gouvernementsgebäude zu Antwerpen. Vergebung der Bepflanzunzg eines Theiles des Weges von Hersselt nach Station Herenthals. Abshäßurg 4950 Fr. Vor- läufige Kaution 250 Fr. Lastenheft Nr. 14 käuflich bei der Admi- nistration des ponts et chaussées, rue de Louyain No. 24, zu

Brüssel. : II. Spanien.

Am 27. Mai d. Is. findet im Lokale der Hafenbau-Direktion zn Huelva die in Nr. 303 des „Reichs-Anzeigers“ von 1883 ange- kündigte Vergebung der dortigen Hafenarbeiten statt. Vorläufige Kaution: 87 520 Pesetas oder 5 9% des Betrages des offiziellen Kostenanschlags, baar zu deponiren bei der Staatskasse in Huelva. Definitive Kaution, zu zahlen von dem Unternehmer, dessen Offerte angenommen wird, bei der Staatskasse in Huelva oder in Madrid innerhalb eines Monats in Geld oder in spanischen Staatspapieren: 1009/9 des Ge- sammtbetrcages der Offerte.

Verkehrs-Anstalten.

In Albert Goldschmidts Verlagsbuchhandlung, Berlin W.,, Köthbenerstraße 32, ist von „Griebens Reise-Bibliothek“ der 6. Band: „Berlin, Potsdam und Umgebungen“, von Ernft Friedel, in 30, vermehrter und verbesserter Auflage erschienen (Preis geb. 2 (4) Dieser umsichtig entworfene, zuverlässige Führer wird in der neuen Ausfloge nit nur Fremden, sondern au Beriinern, denen er für den geschäftlihen Verkehr reiches Material bietet, will- kfominen sein. Der Führer is auch mit mehreren sauber ausgeführ- ten Plänen ausgestattet. :

Bremen, 25. April, (W. T. B.) Der Damyfer des Nord- Deut en Le C t De n S Une in New-York eingetroffen.

DAM Ola, 20. A W202 B) Der Postdampfeèr „Srtisia“ der Hamburg- Amerikanishen Pacetfahrt- Attiengesellscchaft ist heute Miltag 12 Uhr, von Newo-York kom- mend, auf der Elbe angekommen.

Verlin, 26. April 1884.

Der Centra lverein für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt hielt am Freitag Abend im BVürgersaale des Rathhauses seine diesjährige Generalversammlung ab. Der Gencralsekretär Dr. Rent sfizzirte in seinem Bericht zunächst kurz die Thätigkeit des Ausschusses. Mitglicder des Vereins sind z. Zt. 43 Magistrate, 39 Handelskammern, 33 Aktiengesellschaften und Vereine und 565 Cinzelmitglieder. Außerdem haben sih dem Verein 10 Zrweig- vercine angeschlossen, darunter der Rostocker mit 126, der Schlesische mit 138 und der Lübecker mit 120 Mitgliedern. Formale

zählenten Westdeutsben Fluß- und Kanalvereins als Zweigvereix. Vollzieht \ich dieser Eintritt, so wird der Verein ca. 3200 Mitglieder ¿ählen. Der Redner warf sodann einen übersichtlihen Rückblick über die Schiffahrtêverhältnisse des Vorjahres. Der Wasserstand war im vorigen Jahre in allen Flüssen im Großen und Ganzen ein normaler . Auch Fracht war genügend vorhanden, wenn auch der finan- ziele Erfolg den Wünschen der Schiffer nicht immer ent- \prach. Besonders gehoben hat sich der Verkehr auf dem Rhein und demnächst auf der Elbe. Jn Bezug auf die Re- gulirung unferer Ströme ist im leßten Jahre wieder Nennentwerthes gesehen. Der Ausbau der Weichsel ist gefördert, die Regulirung der Oder und Elke wird in 2 bis 3 Jahren vollständig beendet sein, die:Weserregulirung ift in Angriff genommen, und auch für den Rhein sind bedeutende Mittel zur Verfügung gestellt. Nur für die Donau ist so gut wie gar nichts gethan. Energisch bat man da- gegen nunmehr auch die Besseruag der Wasserverkältnisse in den Nebenströmen begonnen, Endlih is auch für die be- stehenden Kanäle, wenn auch nit in den gewünschten Di- mensioncn, Manches gesehen, während die Bcstrebungen des Vercins, soweit sie sich auf den Bcu neuer leistungsfähiger Kanäle bezichen, leider keinen Erfolg gehabt haben. Der Redner verbreitete ih eingehend üker die viel erörterte Frage tes Dortmund-Ems- Kanals und {loß dann mit dem Wunsche, daß der Verein, nahdem er fünfzehn Jahre emsig und fleißig gearbeitet und racbdem es ihm gelungen, die größeren Schwierigkeiten, den Indifferentismus und die Unkenatniß zu beseitigen, muthig weiter arbeiten möge, das, was ernste Männer in der Erkenntniß des Berechtigten und Nüßlichen er- streben, werde und müsse zum Grfolge führen. Reichstagsabgeordneter Sanitäts-Rath Dr. Thilenius sprach sodann über die Errichtung eines hydrograpbishen Instituts für das Binnerland. Zum Stluß wurden die üblichen Wahlen des ca. 130 Mitglieder zählenden Aus- {usses vorgenommen.

London, 24, April. (Allg. Corr.) Die internationäke Ausstellung im Krystallpalast in Sydenham wurde gestern Nachmittog von dem Lordmayor von London in Gegenwart eines überaus zahlreicen Publikums cröffnet. Den Glanzpunkt der Er- öffnungsfeier bildete ein Monstre-Concert auf dem Hâändel-O: ester, welches von cinem 250 Mitglieder starken Orchester und 2250 Sänger und Sängerinnen zählenden Chore unter Leitung des Hrn. August Manns auêsgeführt wurde. Die Ausstellung wird vermöge ibrer VBielseitigkeit zu den Attraktionen der Sommersaison zählen. Sie zerfällt in 33 Seltionen, an denen 800 britisce und 650 ausländische Aussteller betheiligt sind. Von den Staaten des Aus- landes ist Oesterreih am Besten vertreten; die österreibiswen Aus- stellungêgegenstände füllen einen Raum von 25 0C0 Quadratfuß. Deutschland ift ebenfalls gut repräsentirt, hauptsächlich in der Sektion für Musilinstrumente, wo fünfzig Klavicre deutschen Fabkrikats stehen. Die SGemäldegalezie ist von cinheimischen und fremden Künstlern un- aewöhnlich zablreih besickt, Bei einbrechender Dunkelheit wird die Rio von fünfzig Güicher"schen elektrischen Lampen faft taghell erleuchtet.

Das Deutsche Theater bringt in der nächsien Woche neu am Mittwoch, den 39, „Donna Diana“ von Moreto. Zugleich gastirt in diesem Stück zum e:sten Male Hr. Dr. Mox Pohl vom Deutschen Theatcxr in Moskau in der Nolle des Perin. Als ¿weite Gastrolle wird Hr. Dr. Pohl am Sonnabend, den 3. Mai, den Fran; Moor in den „Räubern“ spielen. Ferner tritt am Donnerstag, den 1, Mai, Frl. Marie Barraud, bisher am Hoftheater in Neu-Strelitz, zum ersten Mal als Prinzessin Etoli in „Don Carlos“ avf. Fr. Niemann, von einem kurzen Urlaube zurückgekehrt, spielt wieder am Freitag, den 2. Mai, in den „Journalistea“, und am Sonníag, den 4, în „Viel Lärm um Nichts*“.

Kroll s Theater. Die ncuengagirten Mitglieder sür die Oper sind jeßt vollzählig eingetroffen und die Proben zu der bevor- stehenden Eröffnung der Saison im Gange. Am 3. Mat findet die erste Vorstelllung statt, wie bereits gemeldet: „Die lustigen Weiber von Windsor“ mit Fr. Mallinger als Gast. Der treffliche Bari- tonist Hr. Heine vom Bremer Stadttheater singt auch dieêmal die Rolle des Fluth, den Fallstaff Hr. Biberti, dec hier früher {on an den Nibelungen- Aufführungen sich betheiligt hatte, Hr. Kommissions-Rath Engel hat ferner umfassende Vorberei- tungen getroffen, um in der neuen Saison dem Publikum auch außer den Opernaufführungen noch besondere musitalishe Genüfse zu be- reiten. Es sind zu diescm Behufe für die Garten-Concerte kontraktliche Abschlüsse mit den renommirtesten Militär-Kapellen er- folgt, wie mit den Kapellmeistern Hrrn. Selchow (Garde-Kürassier- Regiment), Noßberg (4. Gardc-Regiment z. F.), Meinberg (2, Harde- Regiment z. F.) und Neese (Garde-Ulanen-Regiment).

Belle-Alliance-Theater Die Gäste vom Wallner- Theater trcten nur noch an 4 Abenden auf, und zwar bleibt die Posse „Unruhige Zeiten“ mit den Herren Emil Thomas und Oskar Blenïe für diese Vorstellungen noch weiter auf dem Repertoire. Am Don- nerstag, den 1. Mai, findet sodann tie erste Ausfübrung des Lustspiels „Der Schelm von Bergen“ unter der Oberregie des Hrn. Emil Hahn ftatt.

Die Königliche Akademie der Künste brachte gestern in ihrem 6. und leßten Abonnements-Concert ein neues Oratorium von Friedr: Kiel: „Der Stern von BeTlhlehom* zur Als? führung. Die Geburt Christi, nah Worten der heiligen Schrift, bildet den Inhalt des Textes, und das Werk war daher zugleich eine Ergänzung zu dem bekannten Oratorium „Christus“ desselben Kom- ponisten, das dem Leben, Wirken und Leiden des Erlöfers geweiht ist. Die meisten Chôre sind auch in diejem neuen Werke in fugir- ter und kanonischer Form angelegt, in deren Beherrschung Kiel die Meisterschaft besitzt. Der Schluß des ersten Chors: „Die Himmel erzählen“, dann die Chöre: „Wo ist der cingeborne König“ und „Warum toben die Heiden“ waren in ihrer polyphonen Gestaltung von mächtigster Wirkung und erinnerten oft an die Größe Händelscher Werke, Cine freiere, mehr homophone Behandlung des Styls zeigten die beiden höchst s{chwungvoll komponirten Chöre: „Lasset uns frohlocken und „Jch kin die Wurzel der Geschlehter Davids“. Von den beiden Choralsäßen war im zweiten: „Jch stehe an deiner Krippe hier“ der Choral: „Es ist gewißlih an der Zeit“, jedoch mit veränderter Fassung zu Grunte gelegt. Das Werk wird gewiß als Weihnachté- oratorium popuvlâr werden, zumal es seiner kürzeren Form wegen sich au für fleinere Gesargvereine empfiehlt, Diesem Oratorium voraus gins die bekannte Symphonie von Spo hr: „Die Weihe der Töne“, in wel@er wieder der 2. und 3. Saß als Glanzpunkte hervoriraten. Die Kriegê- musik mit dem Dankgebet am Schluß, endlich auch die Begräbniß- musik mit dem hier eingewebten Choral „Lasset uns den Leib be- graben“ waren von ergreifender Wirkung. Fehlt nun auch dem ganzen Werte die kontrapurktische Kraft und der breite Periodenbau eines Beethoven, so bietet es doch tine Fülle interessanter und fein dur®- geführter Melodien. Hr. Direktor Prof. Joachim leitete den Chor und das Orchester der Hochschule mit gewohnter Sicherheit und Energie. Die Ausführung der Soloparthien dur Frl. Hilde- brandt und Hrn. van Medem war lobenswerth anzuerkennen, Der Saal war gefüllt.

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Sch olz). Druck: W. Elsne? Sechs Beilagen (cins{ließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Gegenwart besißen, Insbesondere war nicht beabsichtigt, die Zu-

Verhandlungen {weben noch über den Eintritt des 2106 Mitglieder

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger. M 99.

Berlin, Sonnabend, den 26. April

fw4.

Nichtamklich és.

Preußen. Berlin, 26. April. Die gestrige (18.) Sißung des Reichstages, welcher die Staats-Minister von Boetticher, von Scholz und Bronsart von Schellendorff nebst mehreren anderen Bevollmächtigten zum Bundesrath und Kom- missarien desselben beiwohnten, wurde vom Präsidenten um 21/3 Uhr eröffnet. : i

Der Präsident theilte mit, daß die vom 20. Oktober 1883 datirte Kaiserlihe Verordnuna, betreffend die Aus- dehnung der Zollermäßigungen in den Tarifen A zu dem deutsch-italienishen und dem deutsch-spanishen Handels- und Schiffahrtsvertrage eingegangen sei.

Das Haus trat in die erste Berathung des Geseh- entwurfs, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine ein.

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) erklärte: Der vorliegende Geseßentwurf enthalte eine große Anzahl von Spezialfragen, deren Behandlung besser in der Kommission als heute hier im Plenum erfolgen werde. Er erlaube sih daher zu beantra- gen, die Vorlage der gleichen Kommission, welche das Militär- pensionsgeseß zu berathen habe, zu überweisen, Einen Umstand föônne er hier aber nicht unerwähnt lassen, nämlich den, daß in der Vorlage die Ergebnisse der Kommissionsverhandlungen aus dem vorigen Jahre keine Berücksichtigung erfahren hätten. Es seien an der Vorlage des Vorjahres eine Reihe von redaktionellen Aenderungen gemacht worden, namentlih über den Rechtsweg, welche die volle Zustimmung der Vertreter der verbündeten Regierungen erhalten hätten, und doch seien die- selben für die neue Vorlage niht benußt worden. Darauf werde die Kommission zu sehen haben.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats: Minister Bro nsart vonSchellendorff das Wort:

Meine Herren! Ich habe auf diesen Vorwurf, daß die Resultate der Kommissionsberathung nicht Auêsdruck gefunden haben in der neuen Vorlage, daß sie - selbst in dententgen Fällen, in welhen ein Widerstand Seitens der Vertreter der wver- bündeten Regierungen niht geäußert wurde, nicht in die jeßige Vorlage aufgenommen worden sind hicrauf habe ich nur zu bemerken: es find ganz dieselcen Gründe, welche uns veranlaßt haben, auch in der Vorlage des Pensionsgeseßes ab- zusehen von der übrigens ja entgegenkommend behandelten Frage der rückwirkenden Kraft. Es lag kein Beschluß des Reichstages vor, \on- dern es sind nur Beschlüsse der Kommission; die Kommission hat nicht einmal Bericht an den Reichstag erstattet. Jch will mi also hier ganz bestimmt gegen den Vorwourf verwahren, daß irgend ein Mangel an Rücksicht gegen den Reichstag darin licgt, da dex Reichs- tag noch gar nicht gesprochen hat. S

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) erklärte, daß zwar von der späteren Kommission im Vorjahre kein Bericht an das Haus gelangt sei, wohl aber habe die erste Kommission einen Be- riht erstattet.

Demnächst nahm wiederum der Staats-Minister Bron - sart von Schellendorff das Wort:

Ich mache darauf aufmerksam, daß das, was der Hr. Abg. Dr. Meyer (Jena) eben ausgesprochen hat, eine Kommission berührt, deren ganzes Werk zu einer thatsächlichen Wirkung gar nicht gelangt ist, weil ja das Reliktengeseß gerade wie das Militär-Pensions- geseß an eine neue Kommission gegeben wurde, und von dieser neuen Kommission, deren Arbeit doch entschieden die Arbeit der voraufgegangenen Kommission, wenn ih so sagen soll, rechtlich aufgehoben hatte, ist kein Beriht an den Reichstag er- stattet worden, und vor allen Dingen, worauf ih den Hauptwerth lege, es liegt kein Beschluß des Reichstages vor, denn der Bericht der ersten Kommission, auf welchen der Hr. Abg. Dr. Meyer (Jena) eben Bezug genommen hat, hat ja bezüglich des Militär-Pensions- geseßes im vorigen Jahre auf Annahme gelautet, der Reichstag hat aber doch kein Bestreben gezeigt, diesem Kommissionsbeschlusse zu ent- sprehen. Warum nun die verbündeten Regierungen ohne Weiteres dem Kommissionsbeschlusse entsprechen follen, das vermag ih in der That nicht abzusehen.

Der Abg. Richter-Hagen bemerkte, wenn es sich nur um Fragen handelte, welche ledigalich in den Kommissionen ver- handelt wären, so könnte man es der Regierung nicht ver- argen. Aber die Regierung habe auch die Vorschläge unbeachtet gelassen, denen das Haus zugestimmt habe. Redner erklärte, daß er selbst in der Kommission ein Amen- dement gestellt habe, welhem auch Seitens des Kriegs-Ministers zugestimmt worden sei. Troßdem sei dies Alles pro nihilo gewesen. Unter solhen Umständen könne sih die Regierung nicht wundern, wenn so wenig Geseße zu Stande kämen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Vorwürfe gegen die verbündeten Regierungen könne er nicht als begründet an- erkennen. Vom Kriegs-Minister sei ganz richtig anerkannt worden, daß der Reichstag keinen Beschluß gefaßt gehabt habe, und wenn ein solcher nicht vorliege, so sei auch kein Antrag an die Regierung vorhanden. Den früheren in der Kom- mission gestellten Anträgen gegenüber werde . die Regierung auch später gewiß dieselbe Stellung einnehmen wie damals.

Der Abg. von Köller trat der Ansicht des Abg. Dr. Windt- horst bei, zumal die Wünsche, von tenen der Abg. Richter ge-

sprochen habe, in der zweiten Kommission verhandelt worden seien, von der nicht einmal ein Bericht an das Haus gekommen ei. Die Beschlüsse der Kommission böten der Regierung noch keinerlei Garantie, daß es auch im Hause so weit gekommen sei. Der Abg. Richter habe selbst einmal gesagt, daß das Haus nit an die Kommissionsbeschlüsse gebunden sei, worin derselbe natürlih ganz Recht gehabt habe. So könne die Re- gierung aber auh von den Kommissionsbeschlüssen kaum Notiz nehmen. Bei den nächsten Verhandlungen der Kommission werde die Regierung sicherlich den damaligen Beschlüssen gegenüber denselhin Standpunkt einnehmen.

Der Abg. von Bernuth wies darauf hin, daß die Kom- mission bereits bei Gelegenheit der Berathung des {hon im vorigen Jahre in derselben Form wie heute vorgelegten Ge- seßentwurfs dafür erahtet habe, daß 8. 2 eine dem Geseh nicht entsprechende Fassung habe. Redner bemängelte dann nament- lih den Umstand, daß die Kommunalsteuerpflichtigkeit der Of- fiziere erst von deren Verheirathung an beginnen solle.

Der Abg. Richter (Hagen) hielt es für auffällig, daß die Regierung sogar nicht mal insoweit eine Verbesserung des Gesetzentwurfs für nothwendig erachtet habe, um die Beseitigung

der zahlreich darin enthalten gewesenen Druckfehler vorzunehmen. Auch hätte die Regierung in formeller Beziehung auf die früheren Beschlüsse der Kommission und des Hauses Rücksicht nehmen müssen. Redner rügte die Schaffung eines Privile- giums der Offiziere, wodurch die leßteren in ungerechtfertigten Gegensaß zum ärmsten Beamten, dem man die Steuer ab- nehme, gestellt würden.

Hierauf nahm der Staats - Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Meine Herren! JIch muß nochmals ganz bestimmt Verwahrung dagegen einlegen, daß irgendwie Mangel an Rücksicht für den Reichs- tag es gewesen ift, wenn dieses Geseß in ganz derselben Form und demselben Wortlaut vorgelegt ist, wie im vorigen Jahre, Ich habe bereits gestern Veranlassung gehabt, davon zu sprehen, daß es eine besondere Nücksiht der Höflichkeit gewesen ist, in einer Frage, die möglicher Weise eine Verbesserung des Gesetzes herbeiführt, in der Frage der rückwirkenden Kraft, dem Reichstage die Initiative zu lassen und auf diese Weise ihm das Verdienst unges{chmälert zu erhalten, seinerseits eine Verbesserung des Gesetzes herbeigeführt zu haben. Im Uebrigen aber, wenn der Hr. Abg. Richter daraus, daß ih dem Passus in der Kommissionsverhandlung keinen Widerftand entgegengeseßt habe, ohne Weiteres nun eine Verpflichtung der ver- bündeten Regierungen deduzirt, das Geseß hier in einer ver- änderten Form vorzulegen, dann übershäßt er denn doch ganz erheblich die Stellung, welhe ich in den Kommissions- verhandlungen allein zu vertreten habe. Jch vertrete dort im Wesentlichen gerade wie hier nur die preußishe Regieruzg, und die verbündeten Regierungen sind nicht ohne Weiteres verpflichtet, meinen Aeußerungen, die ih in der Kommission gemaht habe, naher Folge zu geben, Also ist auch {hon aus diesem Grunde meiner Meinung nach die Deduktion nicht richtig, daß die verbündeten Regierungen darum, weil die Vertreter, die in der Kommission anwesend gewesen wären, nicht gegen eine Sache gesprochen hätten, bei der Wieder- vorlage des Geseßes ohne Weiteres diesen Gegenstand, der in der Kommission zu keiner Differenz Veranlassung gegeben hat, auf- zunehmen hätten.

Der Abg. Frhr. von Manteuffel erklärte, es hätten keine reht8verbindlihen Kommissionsbeshlüsse vorgelegen, wie der Verlauf der vorjährigen Verhandlungen beweise. Die Regie- rung sei nur korrekt verfahren mit der unveränderten Wieder- einbringung ihres Entwurfes.

Der Abg. Richter (Hagen) entgegnete, der Minister von Bronsart habe bei den vorjährigen Kommissionsberathungen verschiedenen Amendements niht nur keinen Widerstand ent- gegengeseßt, sondern sih, wie die Protokolle bewiesen, aus- drüdcklih mit ihnen einverstanden erklärt. Auch sei in der damaligen Kommission niht nur die preußische, sondern es seien die Militär-Verwaltungen sämmtliher größeren deutschen Staaten und die höchsten Reichsbehörden durch mehr als 15 Kommissarien vertreten gewesen; und da alle diese Herren zu den Erklärungen des Ministers von Bronsart geshwiegen hätten, so sei die Zustimmung der verbündeten Regierungen dazu wohl anzunehmen.

Die Vorlage wurde hierauf mit großer Mehrheit der Kommission für das Militär-Pensionsgeseß überwiesen.

Es folgte die Fortsezung der zweiten Berathung des der 7. Kommission zur Vorberathung überwiesenen Entwurfs eines Geseßes, betr. die Aenderung des Gesetzes über die ein- geshriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876,

Die Berathung wurde bei 8. 33 wieder begonnen, dessen erster Absaß nach den Kommissionsvorschlägen lautet:

__ Die Kassen und ihre örtlichen Verwaltungsstellen unterliegen in Bezug auf die Befolgung dieses Geseßes der Beaufsichtigung durch die von den Landesregierungen zu bestimmenden Behörden, mit der Maßgabe, daß mit den von den höheren Verwaltungs- behörden wahrzunehmenden Geschäften diejenigen höheren Verwal- tungsbehörden zu betrauen find, welbe nah Landesrecht die Auf- E oder Oberaufsicht in Gemeinde-Angelegenheiten wahrzunehmen aven.

Dieser §. 33 war bei der vorigen Berathung am Dienstag im ersten Theile angenommen worden, während die namentliche Abstimmung über den zweiten und von der Kommission hin- O Theil die Beshlußunfähigkeit des Hauses ergeben atte. gebt wurde dieser zweite Theil ohne namentliche Ab- ftimmung nah der Kommissionsfassung angenommen.

Der Absaß 2 des 8. 33 lautet :

„Die Kassen sind verpflichtet, der Aufsichtsbehörde auf Verlangen jederzeit ihre Bücher und Scriften im Geschäftslokale der Kafse L de vorzulegen und die Revision ihrer Kassenbestände zu gestatten.“

(Dieser Absaß wurde mit einer Abänderung nah dem Antrage Buhl : das Wort „Schriften“ zu erseßen durch „Ver- handlungen und Rechnungen“, mit 123 gegen 101 Stimmen angenommen.)

Ebenso der Rest des §. 33, welcher lautet :

„Die Aufsichtsbehörde beruft die Generalversammlung, falls E der durch §. 22 begründeten Verpflichtung nicht genUgt.

Sie kann die Mitglieder des Vorstandes und der örtlichen Verwaltungsstellen, sowie die im Falle der Auflösung oder Schließung einer Kasse mit der Abwickelung der Geschäfte betrauten Personen zur Erfüllung der durch dieses Gese begründeten Pflich- ten durch Androhung, Festseßung und Vollstrekung von Geldstrafen bis zu einhundert Mark, sowie dur die sonstigen nah den Landes- geseßzen ihr zustehenden Zwangsmittel anhalten.

Ein Zusatz zu §. 33, beantragt von den Abgg. Büchte- nan und Gen., wurde ebenfalls angenommen; derselbe autet:

„Gegen die Androhung und Festseßung von Geldstrafen bezw. Anwendung von Zwangsmitteln Seitens der Aufsichtsbehörden steht den Kassenvorständen der Rekurs zuz wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §8. 20 und 21 der Reichs- Gewerbeordnung.

8. 34 lautet nah der Regierungsvorlage :

Mitglieder des Vorstandes, des Aus\chufses oder einer örtlichen Verwaltungsstelle, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes zu- widerhandeln, werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark be- straft. Haben sie absibtlih zum Nachtheil der Kasse gehandelt, S E dias sie der Strafbeftimmung des &. 266 des Straf- ge|eBouMs,

Die Leiter von Generalversammlungen, sowie von Mitglieder- versammlungen (8. 19 b, §. 21 Absatz 2, 3) werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft, wenn sie in der Generalversamm- lung oder in der Mitgliederversammlung Erörterungen über öffent- liche Angelegenheiten zulassen oder niht verhindern, deren Erörte-

rung unter die Landesgeseze über das Vereins- und Versammlungs- recht fällt.

Die Kommission beantragte, den zweiten Absaßz dieses Paragraphen zu streichen.

Dagegen beantragten die Abgg. Frhr. von Hammerstein und Gen., den Absatz wie folgt zu fassen:

_ „Die Leiter von Generalversammlungen sowie von Mitglieder- versammlungen (§. 19 b, §. 21 Abs. 2 und 3) werden mit Geld- strafe bis zu 300 M bestraft, wenn sie in der Generalversammlung oder in der Mitgliederversammlung Erörterungen über öffentliche Angelegenheiten, welche mit der Organisation oder Verwaltung der Kafse nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen, zulassen oder nicht verhindern, wenn deren Erörterung unter die Landes8- geseße über das Vereins- und Versammlungsrecht fällt.“

Die Abgg. Löwe (Berlin) und Gen. beantragten, auch

gegen die Straffestsebung bezüglih §8. 34 Al. 1 den Rekurs nach S8. 20 und 21 der Gewerbeordnung zuzulassen. ___ Der Abg. Frhr. von Hammerstein befürwortete seinen Antrag. Die Stellungnahme seiner Partei zur Frage der Verhandlung öffentliher Angelegenheiten sei schon in der Kommission von verschiedenen Seiten als ein charakteristishes Merkmal der feindlihen Haltung seiner Partei gegen die freien Hülfskassen bezeihnet worden. Diese Art der Argu- mentation sei durchaus verkehrt, seine Partei wolle gerade die Kassen so ausgestalten, mit solhen Garantien umgeben, daß sie zweckentsprehend funktioniren könnten. Nachdem seine Partei im vorigen Jahre die freien Hülfskassen für berechtigt erklärt habe, der Zwangsversicherungspfliht zu genügen, müsse seine Partei sie auch vor Eventualitäten behüten, welche sie dieser Aufgabe entfremden könnten. Wie es scheine, sei hon seit langer Zeit die sozialdemokratishe Bewegung bestrebt, die Leitung der freien Kassen in die Hände zu bekommen, und sie zu Agitationsheerden für ihre Parteizwecke zu machen ; diese Thatsache gebe zu der Befürchtung Anlaß, daß die Kassen ihren Aufgaben in Zukunft niht ohne erhebliche Stö- rung gerecht werden dürften. Die freien Kassen seien ja ohnehin zum großen Theil Annexe weitverzweigter Organisa- tionen mit unzweifelhaft politisher Vorgeschihte; leßtere in Verbindung mit den Thatsachen aus jüngster Vergangenheit sprächen nur zu deutlih für seine Annahme. Jm Anfang dieses Monats sei die Leitung der Kranken- und Hülfskasse des ursprünglich eht fortschrittlihen Volksbildungsvereins in Hamburg auf überraschend plöglihe Weise in die Hände der Sozialisten gerathen ; die Generalversammlung habe eine Ma- jorität von 800 Sozialdemokraten gegen 200 sonstige Kassen- mitglieder ergeben. Daß dieses Beispiel Nachahmung finden möchte, sprächen die Sozialdemokraten ja mit unverhohlener Offenheit aus. Für die Verhinderung von Tumulten und Nachtheilen für die Kassenverwaltung, wie sie aus der Ver- handlung politisher Angelegenheiten zweifellos erwachsen müßten, und bereits erwachsen seien, wolle seine Partei eben dem Leiter der Versammlungen die Verantwortlichkeit auf- legen, und da die Judikatur den Begriff „öffentliche An- gelegenheiten“ sehr weit gefaßt habe, so habe er: den Antrag in der angegebenen Weise umschrieben, die jedem Unbefange- nen zweckmäßig und wohlbegründet erscheine.

Der Abg. Schrader betonte, der Antragsteller werfe, wie das jeßt fast Regel geworden zu sein scheine, politishe und öffentlihe Angelegenheiten durcheinander. Der Regierungs- vorschlag sei der Kommission viel zu weit gegangen, indem derselbe eben die Erörterung von öffentlichen Angelegenheiten ganz allgemein untersage, und die Leiter der Generalversamm- lungen mit Strafe bedrohe. Das heiße einen flagranten Rechtsbruch in Bezug auf die Gleichberehtigung aller Kassen begehen. Die Rechtsprehung begreife heute viel mehr unter dem Begriff „öffentliche Angelegenheiten“ nur politische; Alles, was niht dem reinen Privatrecht angehöre, falle unter diesen Begriff. Was unter der von den Konservativen vor- geschlagenen Einschränkung verstanden werden solle, wisse er niht; es heiße das etwa „solche öffentlihe Angelegenheiten, welche niht öôffentlihe Angelegenheiten seien.“ Der Antrag ließe s{lehterdings jede Besprechung eines Gegenstandes aus, der nit strikte zu den Kassenangelegenheiten zähle; jeder belehrende Vortrag über Gesundheitspflege, über allgemeine Organisation von Kassen, und dergleihen werde damit un- möglich, und die ganze Einrichtung dadur unkräftig zum Leben und zur Entwicklung gemaht. Zahlreihe Denun- tiationen der Leiter und eine Kette unliebsamer Prozeduren würden die Folge sein. Am meisten aber werde es als Un- recht empfunden werden, wenn man den freien Hülsfkassen versage, was den Ortskassen gewährt sei. Das Eindringen sozialdemokratisher Elemente werde aus ganz natürlichen Gründen durch keine Vorbeugungsmaßregel verhindert werden können. Auch in Berlin seien sie troß des Sozialistengeseßzes in den Kassen sehr stark vertreten, und der von Hamburg an- geführte Fall des Ueberganges der Leitung einer Kasse in sozialdemokratishe Hände werde durch den Antrag von Ham- merstein gar niht berührt. Hindere man die Arbeiter, in den Versammlungen ihre Angelegenheiten zu besprechen, sih über die einshlägigen Verhältnisse zu belehren, so hütte man das Kind mit dem Bade aus. Die ganze „soziale Reform“ kenn- zeihne sih an dem hartnädckigen Festhalten dieser Zwangs- bestimmung, die jeßt zum dritten Male wieder an das Haus gebraht sei, nahdem sie zweimal von der großen Mehrheit der Kommission verworfen sei. Er bitte den Antrag um des Prinzips der Gleichberehtigung willen abzulehnen, damit nicht den Arbeitern eine willklommene Handhabe zum Angriff gegen die Geseße dargeboten werde.

Der Abg. Stolle erklärte, die freien Hülfskassen würden, wenn eine Bestimmung, wie die beantragte, in das Geseß bineintomme, noch mehr leiden, als sie schon jeßt litten. Die Rechte würde bei der Annahme des Antrages von Hammer- stein noch reaktionärer sein als die „Kreuz-Zeitung“, denn leßtere halte die Verhandlungen über den Normalarbeitstag tür geseßlich gestattet, während die Rechte nah ihrem Antrage sie in den Versammlungen der Pülfskassen verbieten wolle. Uebereifrige Beamte könnten darin leiht die Handhabe zu unermeßlichen Chikanen finden. Der Reichskanzler hebe immer

hervor, daß er fich über die Bedürfnisse der Arbeiter am besten aus Arbeiterkreisen selbft informire. Wie solle ihm das