1927 / 112 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 May 1927 18:00:01 GMT) scan diff

geübt wird, für eine Ehrenpflicht und für im Jnteresse der repu- blikanishen gesunden Fortentwidcklung Preußens ansehen, wenn Preußen derartige Beamte in seinen Staatsdienst aufnehmen würde. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum. Zurufe und Unruhe rechts.) &

Fm übrigen möchte ih zu dieser Sache nur no eins sagen. Als eine Brüskierung der Reichsregierung kann doch dieser Schritt Preußens nit aufgefaßt werden. (Lachen und Zurufe rets.) Denn die Reichsregierung hat doch selber durch den Mund des Herrn von Keudell erklärt, daß ihr daran liege, den Mann nicht auf die Straße zu seßen, sondern ihm eine ent- sprechende Tätigkeit zu geben. Leider hat sie ihm nicht gegeben werden können, und ih glaube, sie muß uns dankbar sein, daß wir für ihn eine geeignete Tätigkeit gefunden haben (sehr gut! und Heiterkeit links), um so dankbarer, da wir damit einen allgemeinen Wunsch der Reichsregierung erfüllt haben. Fm vorigen Jahre ist dur ein Rundschreiben des Reichsministeriums des Jnnern, unterzeichnet Külz, den Länderregierungen ans Herz gelegt worden, mehr als bisher Beamte der Reichsverwaltung wieder in Staatsdienst zu nehmen, damit ein gewisser Wechsel stattfindet (Heiterkeit), damit die Herren nicht gar zu sehr im Reichsdienst einseitig werden. (Erneute Heiterkeit.) Als wir die Anstellung des Herrn Brecht beschlossen haben, haben wir geglaubt, im Sinne dieser Aufforderung der Reichsregierung zu handeln. (Große Heiterkeit. Lebhafter Beifall und Hände- kflatshen links.)

Herr Abgeordneter Schlange hat eingangs seiner Rede gemeint, er wolle hier ein abschließendes Urteil über meine Tätigkeit als Ministerpräsident fällen. Das Urteil ist sehr mager ausgefallen. Jch möchte aber dagegen einwenden, daß es doch jeyt meiner Ansicht nah noch zu früh ist, ein abschließendes Urteil über meine Tätigkeit zu fällen. (Sehr richtig! links.) Fch bin bereits sehr lange preußischer Minister und leite au jahrelang die Staatsgeschäfte. (Zurufe rets: Leider!) Aber ih bitte do die Herren auch von der Deutschnationalen Volkspartei, mit dem abschließenden Urteil zu warten, bis ih meine Tätigkeit an dieser Stelle abschließe. Erst dann können Sie doch ein abschließendes Urteil fällen. Es ist ja möglich, vielleicht bietet sich im nächsten Jahre, wenn ih mein 10 jähriges Ministerjubiläum feiere, die Gelegenheit, einmal über dieses erste Fahrzehnt meiner Tätigkeit ein abschließendes Urteil zu fällen. (Heiterkeit.) Wenn Herr Abgeordneter Schlange dann unter den Festrednern sein sollte mit seinem Urteil mag es auch noch so herbe ausfallen, wenn er sich nur bemüht, es mit ruhiger Sachlichkeit auszusprechen wird ex mir große Freude machen. (Anhaltender stürmischer Beifall bei der Sozialdemokratishen Partei, hei den Deutschen Demokraten und im Zentrum.)

Die Entgegnung des Ministerpräsidenten auf die Aus- führungen des Abg. Dr. Leidig (D. Vp.) lautet:

Meine Herren! Nux noch wenige Wort zu den Aus- führungen des Herrn Abgeordneten Leidig! Herr von Campe wird mir zugeben, daß ih recht habe, wenn ih ihm jeßt unter Hinweis auf diese Ausführungen des Herrn Kollegen Leidig sage: sie waren ein Musterbeispiel dafür, wie, wenn von zwei Männern dieselbe Sache vertreten wird, doch ein ganz anderer Ton zum Ausdruck fommt. Wenn ih in demselben Ton mit der Reichsregierung ver- handelte, wie ihn der Herr Abgeordnete Leidig beliebte, und wenn der Erfolg vom Ton abhinge, dann würde ih bei dex Reichs- regierung noh sehr viel weniger erreichen, als bis jeßt erreicht worden ist. (Abg. Dr. Leidig: Jch habe Sie gar nit ausgefordert, in meinem Ton mit der Reichsregierung zu verhandeln!) Jh will Jhnen bloß darstellen, daß ih nicht immer den überaus kon- zilianten Ton des Herrn Dr. von Campe treffen kann, wie Sie, sein engerex Parteigenosse, ihn auch nicht immer treffen. Wir sind also im Ton verschieden, und damit müssen wix shon rehnen.

Wenn der Herr Abgeordnete Leidig, in einer doh rechti durh- sichtigen Spekulation auf die Empfindungen der Herren vom Zentrum meinte, ih hätte hier den Herrn Reichskanzler ange- griffen, so, glaube ih, hat er doch meine Rede nicht richtig gehört oder zum mindesten nicht richtig aufgefaßt. Jh bitte ihn, mi auch nur eine Stelle zu nennen, die als ein Angriff auf den Herrn Reichskanzler ausgelegt werden kann. Jch muß diesen Vorwurf deswegen zurückweisen. Es ist mix gax nicht eingefallen, den Herrn Reichskanzler im Zusammenhange mit dieser Aussprache irgendwie anzugreifen. :

Des weiteren hat der Herx Abgeordnete Leidig gemeint, ih hätte die Bevölkerung des Ostens gegen die Reihsregierung erst aufgepeitsht. Das ist ein Frrtum von ihm; das stimmt niht. Jh habe vielmehr aus einer ganz begreiflihen Erregung der Ost- bevölkerung heraus eine Unzahl von Protesten aus dem Osten erhalten; Deputationen haben sich bei mir angemeldet. Jh habe zu exkennen gegeben, es sei zweckmäßiger, zur Reichsregierung zu gehen und dort vorstellig zu werden. Sie haben mir erklärt, sie wollten bei mix vorstellig werden, denn sie verlangten, daß au ih mich für die Interessen des Ostens bei der Reichsregierung ein- seßte. So kann also keine Rede davon sein, daß ih den Osten auf- gehebt hätte, ih habe nur meine Pflicht erfüllt und mih zum Für- sprecher für die östlihen Jnteressen gemacht. Diese Empörung ist erst ausgelöst worden, als bekannt wurde, welche Pläne die Reichs- regierung für die Verteilung der 25 Millionen aufgestellt hatte. (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Demgemäß muß ih auch die Belehrung des Herrn Abg. Dr. Leidig über das, was meine Pflicht sei, zurückweisen. Was meine Pflicht als Minister- präsident ist, muß ih selbst beurteilen. (Abg. Dr. Leidig: Jh au!) Sie können Fhr Urteil haben, können aber nicht ver- langen, daß ih Jhr Urteil für mih als maßgebend betrachte. Meine Beurteilung ist entscheidend, und ih habe bei meiner lang- jährigen Tätigkeit doch immerhin wohl bis zu einem gewissen Grade bewiesen, daß ich in der Beurteilung und der Erfüllung meiner Pflichten shließlich im wohlverstandenen Juteresse unseres Landes gehandelt habe. Denn so leicht ist es nit gewesen, in den leßten Jahren, den preußischen Staatskarren, da eine Gruppe rück- \värts, eine andere vorwärts 309, immerhin in einer konstanten Vorwärtsbewegung im Gleise zu halten, so daß wir vor Krisen, wie sie oft im Reiche und in anderen Länder vorhanden gewesen waren, bis zu einem gewissen Grade verschont geblieben sind (sehr wahr!), und konstatieren können, daß wir eben durch diese Politik bei uns in Preußen ruhige, konstante Verhältnisse geschaffen und erhalten haben, die uns die Möglichkeit gegeben haben, auch unserer Wirt=- schaft zu einem Ausstieg zu verhelfen. Jn diesem Sinne werde ih

auch weiter meine Pflicht erfüllen, (Bravo!) Jch glaube, damit auf dem rehten Wege zu sein. Jch nehme gern Nailschläge an, Be- lehrungen aber in der Form, wie sie mir heute vorgetragen worden sind, muß ih ablehnen. (Bravo!)

985. Sißung vom 13. Mai 1927, vormittags 11 Uhr 15 Miu. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.*)

Auf der Tagesordnung steht die zweite Beratung des Haushalts des Finanzministeriums. Mit der Beratung verbunden wird die Besprechung einer großen An- zahl von Anträgen. Sie betreffen die Höherstufung und Neu- schaffung von Beamtenstellen, staatliche Arbeitgeberdarlehen bei Wohnungsbauten für preußische Staatsbedienteste, Reform der Besoldungsgeseße und Aenderung des Gefeßes aur Ergänzung dexr Abgabengeseße, Berücksichtigung der Katholiken bei Einstellung von Beamten, Anwärtern und Hilfsarbeitern, Schaffung eines neuen preußischen Disziplinar- geseßes und Beamtenrets, Beteiligung des Staates an wirt- schaftlichen Unternehmungen. Auch fommunistische Anträge gegen die Hauszinssteuer, gegen das Geseß über die Ber- mögensauseinandersezung mit den Hohenzollern und die Ab- findungs- und Aufwertungsforderungen der ehemaligen Fürsten und Standesherren stehen mit zur Besprechung, ebenso die große Anfrage über die Zahlung der staatlichen Bei- A an die Stadt Hannorer anläßlich der Typhusepidemie und die kommunistische Fnterpellation, die sich gegen die Rül- kehr des früheren Kaisers richtet.

Abg. Rhi el - Fulda (Berit erstattet den Bericht über die Verhandlungen des Hauptausshu ses.

Finanzminister Dr, Höpker-A \chof f: Meine Damen und Herren, der Haushalt des Finanzministeriums ist im Haupt- ausschuß eingehend besprochen worden. Jch kann es heute nicht als meine Aufgabe betrahten, noch einmal auf alle die Fragen einzugehen, die dort zur Erörterung gestellt und von mir beant- wortet worden sind, sondern ich glaube, mich heute auf die wichtigsten Fragen beschränken zu sollen, die im Hauptaus\{chuß aufgeworfen worden sind, zunächst auf die Frage der Be- soldungsreform.

Der Herx Berichterstatter ist bereits auf diese Frage einge- gangen. Es liegt dem Landtage auch eine Resolution des Haupt- ausschusses vor, welche sich mit der Frage der Umgruppierung und dex Schaffung von neuen Stellen beschäftigt. Endlich steht heute auf der Tagesordnung auch ein Urantrag, der die Reform der Besoldungsgesetze fordert.

Jm Laufe der Beratung über die einzelnen Etats waren zuU- nächst vom Hauptausshuß zahlreihe neue Stellen und außer- ordentlich zahlreihe Umgruppierungen beshlossen, neue Stellen in einex Gesamtzahl von 6275, Umgruppierungen in einer Gesamt- zahl von 83 497. Der Hauptausschuß hat auf Vorschlag des Unter- aus\{chusses beschlossen, von der Bewilligung solcher neuen Stellen und von solhen Umgruppierungen mit Rücksicht auf die Erklärung abzusehen, die ih im Hauptauss{huß über die bevorstehende Be- soldungsreform abgegeben habe. Fh hobe im Hauptauss{chuß ge- sagt, daß ih mit dem Herrn Reichsfinanzminister eine Verein- barung darüber getroffen habe, daß noch im Laufe dieses Rech- nungsjahres das Geseß über die Aenderung der Besoldungsbezüge der Beamten unter allen Umständen verabschiedet werden soll. (Abg. Schwenk [Oberhausen]: Die Presse berichtet anders!)

Es is die Frage aufgeworsen worden, mit Wirkung von welchem Tage an diese neuen Besoldungsbezüge in Kraft treten sollen. Auf diese Frage kann ih ohne vorhergehende Ver- ständigung mit dem Herrn Reichsfinanzminister keine Erklärung abgeben. Wenn aber in der Oeffentlichkeit berichtet wird, daß, als ob dexr Herr Reichsfinanzminister bereit, zu einem sehr frühen Zeitpunkt solche Besoldungserhöhungen zuzugestehen, und daß dieser Plan nux an dem Widerstand des preußishen Finanz- ministers scheitere, so ist diese Darstellung eine glatte Unwahrheit. (Lebhaftes Hört, hört! links.)

Meine Damen und Herren, davon kann gar keine Rede sein. Es herrscht auf diesem Gebiet bei dem Herrn Reichsfinanzminister und bei mir derx entshlossene Wille, volllommen einheitlih vor- zugehen und auf diesem Gebiet eine Verständigung zwischen dem Reich und Preußen herbeizuführen, (Bravo! links.) Anders ist es ja auch kaum möglih. Wir können unsere Besoldungsgeseße niht anders aufzichen, als es das Reich tut, und wic können ins- besondere Besoldungserhöhungen nicht zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft treten lassen als das Reich. Also ein gemeinsames Vor- gehen von Reich und Preußen ist notwendig und wird, wie ih niht bezweifle, in Vereinbarung mit dem Herrn Reichsfinanz- minister erzielt werden. Da aber diese Verhandlung noch nit zum Abschluß gekommen ist, kann ih übex den Zeitpunkt noch nihts sagen, sondern kann ih nur wiederholen, daß der Herr Reichsfinanzminister und ih entschlossen sind, diese Besoldungs- geseße noch im Laufe dieses Rehnungsjahres unter allen Um- ständen zur Verabschiedung zu bringen. (Lebhaftes Bravo! links und im Zentrum.) Wenn das aber so ist, daß diese Besoldungs- reform noch im Laufe dieses Rechnungsjahres zur Verabschiedung gebracht werden soll, wird es unmöglich sein, noch vor dexr Ver- abschiedung der Besoldungsreform Besoldungs8änderungen für ein- zelne Beamtengruppen vorzunehmen. (Zuruf im Zentrum.) Jh habe das im Hauptaus\shuß dargelegt und kann feststellen, daß der Hauptausshuß sih dieser Auffassung angeschlossen hat. Fh glaube auch, daß diese Auffassung rihtig ist. Wir sind uns doch alle darüber klar, daß unsere Besoldungsgeseße manche Spannung, um nicht zu sagen Ungerechtigkeit, enthalten (schr richtig! tinks), und daß das alles nur durch eine planmäßige Umgestaltung aus- geglihen werden kann, daß einer solchen planmäßigen Um- gestaltung aber zugunsten und ungunsten einzelner Beamten- gruppen vorgegriffen werden würde, wenn man hon jeyt mit Wirkung vom 1. April ab auf den verschiedensten Gebieten Um- gruppierungen vornehmen würde. Darum würde ih dem Hause schr dankbar sein, wenn es sih dem Beschluß des Hauptausschusses, vorläufig keine Umgruppierung vorzunehmen, anschließen würde.

Sodann eine zweite große Frage, die im Hauptauss{huß ein- gehend behandelt worden ist und auf die soeben der Herr Bericht- erstatter noch einmal eingegangen ist, nämlich die Frage der Ge- staltung der Steuerverwaltung im Reich, in den Ländern und in den Gemeinden. Als ih diese Frage im Haupt- auss{chuß angeschnitten habe, hat sich daran gegen meinen Willen

eine Debatte über die Verfassung des Deutschen Reichs überhaupt geknüpft, Einheitsstaat oder Bundesstaat. Wenn ih heute noch

*) Mit Ausnahme der dur Sperrdruk hervorgehobenen Reden der Herxen Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

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einmal Hier auf diese Frage eingehe, so tue ich das ganz gewiß nit in der Absicht, der Debatte, die gestern eine große Rolle ge- spielt hat, neue Nahrung zu geben, sondern ih tue es, weil der Hauptausschuß mir zur Pflicht gemacht hat, den Landtag über die Entwicklung au diesem Gebiet auf dem laufenden zu halten, und weil sich inzwishen Dinge ereignet haben, die sicherlich das Juteresse des Landtags finden werden. Der Herr Reichsfinanz- minister Köhler hat jüngst in einer Rede im Verein der Berliner Kausleute seine Pläne in großen Zügen dargelegt und darauf hingewiesen, daß die Reichsregierung den parlamez:1tarischen Körperschaften noch im Laufe des Sommers zwei Rahmengeseße über die Grundvermögenssteuer und die Gewerbesteuer, ein Reichsgeseß über die Hauszinssteuer und ein Geseh über die Zu- sammenfassung und Vereinheitlihung der Steuecverwaltung vors- legen würde. Jch habe bereits im Hauptauss{chuß auf diese Pläne des Reichs hingewiesen und im Zusammenhang damit dargestellt, wie die Rechtslage heute im Reich, in den Ländern und den Ge- meinden ist.

Ih darf mit einigen Worten auf diese Ausführungen zurüdf- kommen weil sie zum Verständnis der weiteren Darlegungen über die Pläne des Reih s erforderlich sind. Das Reich verwaltet nicht allein die Reichésteuern, sondern es verwaltet auf Grund des 8 19 der Neichsabgabenordnung in weitem Umfange auch Landes- und Gemeindesteuern. Insbesondere ist das in Süddeutschland der Fall, Dort gehen die Kompetenzen der Neichsfinanzverwaltung sogar noch weiter; dort werden niht nur Landes- und Gemeindesteuern von der Reichsfinanzverwaltung verwaltet, sondern es ist dort auch die Vermögensverwaltung und das Nechnungs- und Kassenwesen der Reichsfinanzverwaltung übertragen. Jm Gegensaß hierzu hat sih Preußen bisher noch eive verhältnis- mäßig selbständige Landessteuerverwaltung erhalten. Von den preußishen Steuern wird nur eine Steuer, nämlih die Stempelsteuer, durch die Reichsfinanzverwaltung auf Grund des § 19 der Neichsabgabenordnung verwaltet. Bei der Gewerbesteuer allerdings haben wir zwei Möglichkeiten. Unser Gewerbesteuergeseß sicht die Verwaltung durch die Neichsfinanz- verwaltung, die Finanzämter, vor, sofern nicht die Stadt- und Land- kreise die Verwaltung der Gewerbesteuer übernehmen. Auf Grund dieser Bestimmung wird dann auch tatsächlich die Gewerbesteuer in einer ganzen Reihe von preußischen Gemeinden durh die NReichs- finanzbehörden verwaltet; insbesondere ist dies in Berlin der Fall. Aber abgesehen von diesen Fällen der Verwaltung der Stempelsteuer durch NReichsbehörden und der Verwaltung der Gawerbesteuer in einigen Gemeinden durh Reichsbehörden wird die preußische Steuer- verwaltung noch als selbständige Verwaltung geführt. So wird die Gewerbesteuer, abgesehen von den obenerwähnten Ausnahmen, durch Landeébehörden veranlagt, und daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich hierbei das Land der Kreise als einer Auftragsverwaltung bedient, und daß diese Steuer den Gemeinden selber zugute kommt. Die Erwerbssteueraus\hüsse der Stadt- und Landkreise sind, soweit sie die Gewerbesteuer verwalten, Beauftragte des Staates; sie führen hier eine Auftragêverwaltung. Allerdings wird die Steuer, wie ih hon sagte, von den Gemeinden eingezogen, und die Gemeinde als Steuergläubiger entscheidet über Erlaß, Stundung und Nieder- \{lagung der Steuer. Bei der Grundvermögens- und Hausgzins- steuer liegen die Dinge so, daß sie als eigentlihe Landessteuern von staatlichen Behörden niht nur veranlagt, sondern auch verwaltet werden, nur daß sich der Staat bei der Einziehung dieser Steuern der Gemeinden bedient und daß die Gemeinden darüber hinaus wenigstens zur Grundvermögenssteuer noch Zuschläge erheben können. Alles dies ändert nihts daran, daß es sich um Landessteuern handelt, die durch Landesbehörden verwaltet werden.

Menn man diese Verhältnisse im Reich miteinander vergleicht, insbesondere auch die Verschiedenheiten betrachtet, die în Preußen und in den süddeutschen Staaten herrschen, so ergibt sich, daß auf diesem Gebiet eine außerordentlih große Zersplitterung besteht. Welches Ziel verfolgt nun das Reich auf dem Gebiet der Zu- \sammenfassung der Steuern und insbesondere der Steuerverwaltung? Es ist mir in der Erörterung dieser Frage eine gewisse Zurül- haltung dadurch auferlegt, daß die Entroürfe der Reichsregierung dem Preußishen Finanzministerium war bereits mitgeteilt worden sind, aber doch nur gzu einex vertraulichen Behandlung, und daß ih daher in der Erörterung nur von dem ausgehen kann, was der Reichsfinanz- minister selber der Oeffentlichkeit bereits fundgetan hat, und was au sonst durch Ausführungen von anderer Stelle der Oeffentlichkeit bekanntgeworden ist. Das Reich will also Nahmengeseße für die Realsteuern schaffen und wird natürlih in diesen NRahmengeseßen nit nur die subjektive und objektive Steuerpflicht abgrenzen, sondern auch Bestimmungen über die Höhe des Steuergrundbetrags aufs nehmen, so daß also den Ländern und Gemeinden bei diesen Real» steuern nux noch die Befugnis bliebe, alljährlich zu bestimmen, wieviel Steuereinheiten sie von diesen Steuergrundbeträgen erheben wollen. Bei der Hauszinssteuer wird die Regelung nah den Er- klärungen des Reichsfinanzministers noch weitergehen, und das ent- spricht auch, dem Gesetzentwurf über die Aenderung des Finanz- ausgleids insofern, als in ‘diesem Gesehentwurf von der Neichs- egierung die Vorlage eines Reichsgeseßes über die Hauszinssteuer verlangt wird. Die Hauszinssteuer wird also in Zukunft eine Landessteuer sein, die nah Maßgabe eines besonderen MReichsgeseßes erhoben wird. Ih glaube annehmen zu dürfen, daß die Grund- gedanken dieses Hauszinssteuergeseßes etwa den Grundgedanken ents sprechen werden, die ih seinerzeit vor Weihnachten bei der ersten Lesung des Etats hier dem Landtag gegeben habe.

Nun aber, meine Damen und Herren, ‘die Frage der Steuerverwaltung! Jh habe auf die grofe Zers splitterung hingewiesen. Wer diese Zersplitterung verfolgt und außerdem dabei im Auge hat, welche Reichssteuern und Landes- steuern erhoben werden, der wird sih der Tatsache nicht ver- shließen können, daß die großen Reichs- und Landessteuern auf bestimmte Steuergrundlagen zurückzuführen sind, also beispiels: weise auf den Einheitswert des Vermögens und als Teile davon auf den Einheitswert des landwirtschaftlihen Vermögens, des Gewerbekapitals und der Grundstüdcke, zweitens auf den Umsaß, drittens auf das Einkommen und als Teil davon auf den Ges- werbeertrag, viertens auf die Lohnsumme und fünftens auf das Grundvermögen oder die Friedensmiete bei der Hauszinssteuer,

je nachdem, welcher Maßstab gewählt wird. Nach den Auss führungen des Herrn Reichsfinanzministers is nun offenbar der Gedanke der, daß diese Besteuerungsgrundlagen, welche bei den Reichs- und Landessteuern wiederkehren und beiden Steuerartien

Zweite Beilage

zum Deutschen ReichSanzeiger und Preußischen StaatSanzeiger

ITr. 112.

Berlin, Gonnabend, den 14. Mai

1927

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

irregeführt, ohne sich ernsthaft um eine Be- foldungsneuregelung zu fümmern. Im Gegenteil Hätte die Deuischnationale Reichstagsfraktion Anträge in dieser Richtung niedergestimmt. Nun dürfe man aber die Beamten nicht länger warten lassen. (Sehr richtig! links.) Gehälter wie die der Gruppe 2 mit 103 Mark und auch Bezüge der folgenden Gruppen seien heute unmöglich und müßten wesentlich erhöht werden. Aber auch die mittleren und höheren Beamten seien heute in erschre&ender Weise verschuldet, was auch aus staatspolitischen Gründen nit angängig sei. Die Gehälter der höheren Beamten seien auch nicht ausreichend... Während früher, unter der Mon- archie, ein Staatsminister jährlich, über 52 000 Mark Einkommen gehabt habe, das steuerfrei gewesen sei, bekomme heute ein Staatsminister 836000 ‘Mark jährlih, von denen er 1eoh 5000 Maxk Steuern zahlen müsse. Die Bezahlung der crsten Beamten des Staates sei, namentlich wenn man auch die Ge- hälter der Privatindustrie zum Vergleich heranziehe, vollständig unzulänglich. (Sehr richtig! links.) Der Staat habe allerdings, wie der deutschnationalé Redner ‘erklärte, die Pflicht, die Ver- sorgungsanwärter unterzubringen. Es sei aber éine bewußte «rreführung der öffentlihen Meinung, wenn der deutschnationale Abg. König erfläre, die Zivilversorgungsberechtigten könnten nicht in erforderlichem Maße untergebracht werden, weil zuviel nah dem Parteibüuch gefragt würde. Das habe man früher getan, als man die Postbeamten zwáng, einen Nevers zu unter- schreiben, daß sie bei Strafe der Dienstentlassung keine \sozia- listische Zeitung lesen dürften. (Große Unruhe rechts.) Die Republik wäre vielleicht weiter gekommen, wenn sie auch mit etwas weniger Nücksichtnahme- vorgegangen wäre.

Damit s{liéßt die ‘allgemeine Besprechung. Das Haus unterbricht die Fortsezitng der Beratung um eine. Stunde.

Agitationsanträgen

Abendsitzung.

“Das Haus seßt -nach Eröffnung der Sißung um 7 Uhr die Beratung Des Haushalts des . Ftnanz- ministeriums - bei der Einzelberatung fort, die ohne wesentliche Aussprache erledigt wird.

Die einzelnen Kapitel und Titel werden bewilligt. Ein Antrag der Deutschen Volkspartei auf, Erhöhung der Auf- wandsentschädigungen der Obexrpräsidenten und Regierungs- präsidenten wird gegen die Rechtsparteien abgelehnt.

_ Damit ist die zweite Beratung des Haushalts des Finanzministeriums erledigt.

Hierauf stimmt das Haus ab über den Antrag des Haupt- ausschusses, die zum Haushalt 1927 gestellten Anträge auf Hv O und Neuschaffung von Be- amtenstellen abzulehnen. Der Antrag wird gegen die Stimmen “der Deutschnationalen, der Deutschen Volkspartei und der Kommunisten angenommen. Eine große Reihe von Anträgen auf Höherstufungen von Beamten usw. wird dem Beamtenausshuß überwiesen.

Angenommen ‘wird auch der Antrag, in der Ver- anlagung: der preußi schen Steuern keinerlei Maßnahmen, insbesondere keinerlei Vereinbarungen mit dem Reich zu treffen, über, die nicht vorher mit dem Landtag eine Verständigung erzielt ist, sowie dafür zu sorgen, daß über keinerlei Ümorganisation innerhalb der Zuständigkeit preußi- cher Behörden mit dem Reich verhandelt wird, bevor der Landtag seine Zustimmung gegeben hat.

__Das Haus nimmt hièrauf die restierenden Ab - stimmungen zu den-einzelnen Etats vor. Ohne erhebliche Aussprache werden nacheinander angenommen die Etats der Domänenverwaltung, der Forft- verwaltung, der Gestütsverwaltung und der [land wirtshaftlihen Verwaltung nach den Vor- {lägen des Hauptausshusses unter Berücksichtigung der vom fogenanuten „Köpfungsausshuß“ “vorgenommenen Strei- chungen von Titelerhöhungen. Beim Haushalt der Land- wirtschaftlihen Verwaltung wird in namentlicher Abstimmung mit 83 gegen 155 Stimmen ein Antrag Dermiegel (D. Nat.) abgelehnt, der für die Förderung der bäuerlichen Forstwissen- schaft, insbesondere der Waldbauvereine einen neuen Titel von 500 000 Mark einsezen wollte.

Ohne Debatte werden dann dié Etats - dék Lotterieverwaltung, Münzverwaltung, des Landtags, des Staatsrats und des. Fuuen- ministeriums nah den, Ausschußbeschlüssen in zweiter Lesung bewilligt. Auch die Hauptausschußanträge zur zweiten Lesung des Kultusetat.s finden Annahme. Dabei werden n. a. bewilligt 400 000 Mark als erste Rate für den Neubau einer Augenklinik in Berlin, 40 000 Mark für die Schaffung einex religionskundlichen Sammlung an der Universität Marburg, 300 000 Mark für Erweiterungsbauten bei der Teth- nischen Wolqule Berlin und 450 000 Mark bei der Téch- nischen Hoch ule in Hannovex. Der Titel „Zux Verfügung für Kunstzwecke“ wird um 142 000 auf 500 000 Mark erhöht mit derx erweiterten Zweckbestimmung der Unterstüßung not- leidenderx deutscher Schriftsteller. i

2 Weiter wird cin neuer Titel angenommen, der 10 000 Reichsmark bereitstellt zur Beschaffung von Reichsfahnen für Shulgebäude besonders bedürftiger Shhulverbände.

Damit ist auch die zweite Lesung dieses Etats beendet,

Sodann werden noch die ausgeseßten Abstimmungen zur 2. Lesung des Wohlfahrtsetats vorgenommen. Dabei werden die Miitel für soziale Hilfe an fittlih und sexuell ge- fährdeten Personen um 60 000 auf 150 000 Reichsmark erhöht. Die Mittel zur Erforschung der Krebskrankheit werden um 10 000 auf 20 000 Reich8mark, die zur Unterstüßung der öffentlihen und privaten Wohlfahrtspflege um 100 000 auf 200 000 Reichsmark, die zur Unterbringung gesundheitlih ge- er und unterernährter Kinder um 100 000 auf 400 000 eihsmark erhöht. Schließlih wurde noch ein neuer Titel in den Wohlfahrtsetat eingefügt, der zur Förderung der Kinder- ili. 1 Million Reichsmark einseßt. Damit waren die Ab- timmungen zur zweiten Lesung des Wohlfahrtsetats beendet.

Gegen 94 Uhr vertagt sih das Haus auf Sonnabend, 10 Uhr vormittags: Zweite Lesung des Haushalts der All- gemeinen Finanzverwaltung und Etatsgeseß.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Aeltestenrat des Reichstags bestimmte gestern die Geschäftsdispositionen des Plenums bis zu der Pause, die Ende der nächsten Woche wegen des sozialdemokratischen Parteitages vorgesehen ist. Heute soll die zweite Lesung des JFugendschußgeseßes zu Ende geführt werden und außerdem die fleinen Vorlagen über die Einfuhrscheine und den deutsch- bulgarischen Vertrag über den Rechtsverkehr beraten werden. Wann die dritte Lesung des Jugendschußgesebes stattfinden wird, steht noch nicht fest. Am Montag nächster Woche werden die An- träge zur Krisenfürsorge und in zweiter Lesung die Vorlage über den Verkehr mit Lebensmitteln auf die Tagesord- nung geseßt werden. Am Dienstag der Mittwoch kfemmt das Geses über das Zündholzmönopol an die Reihe wenn es bis dahin vom Ausshuß an das Plenum gelangt ist. Am Dienstag wird ferner der Abgeordnete Bell (Zentr.) einen Bericht über die Tätigkeit des Untersuchungsausschusjes für die Kriegsursachen erstatten. Am Mittwoch und Donnerstag sollen die Anträge der Demokratishen Partei übex die Beamten- besoldung zur Diskussion gestellt werden. Ob sodann noch das Republik\chußgeseß in Angriff genommen werden kann, ist noch nicht entschieden. Die Vorlage über die Portoerhöhung wird in der nächsten Woche noh nicht auf die Tagesordnung gestellt werden.

Im Recht sausschuß des Neichstags wurde gestern unter dem Vorsiß des Abg. D. ahl (D. Vp.) die Aussprache über die Entschließung von Richthofen (Dem.) über die Auf- wertung bei Lebensversicherungen fortgeseßt. Abg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) bedauerte die Willkürlichkeit, mit der die Versicherungsgesellschaften bei der Zahlung von Vorschüssen an die Versicherten vorgehen. Er empfahl, dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, die Aufstellung von Nicht- linien, wonach in erster Linie die Ansprüche aus der Leibrentenversiche- rung Bedürftiger und dann die fon fällig gewordenen Versicherungen berücksichtigt werden follen. Abg. Dr. Rademacher (D. Nat.) forderte gleichfalls in erster Linie die Erfüllung der Ansprüche der Leibrentner. Der Präsident des Neichsaufsihtsamis für Privat- versicherung Schar mer hielt die Zahlung barer Vorschüsse bei dem gegenwärtigen Liquiditätsstand der . Versicherungen für unmöglich, Sebt seien an Aufwertungsansprüchen bei den Nersicherungen rund 200 Millionen fällig, während nux 26 Millionen liquid sind. Die beste Lösung im Sinne des Antrags von Richthofen sei die Ausgabe bon Mobilisierungspfandbriefen, die bei Rentenversicherungen 80 vH, bei Ko vitalôversicherungen auf 60 vH des Anspruchs lauten könnten. Die Ausstellung besonderer Nichtlinien im Sinne des Vorschlags Wunderlich empfehle fich nit, weil die Prüfung der Bedürftigkert in jedem einzelnen Falle unmöglich sein würde. Der Präsident erklärte sih auf den Wunsch. verschiedener Ausschußmitglieder bereit, eine Auf- stellung über den Stand der Aufwertung bei den Versicherungsgejell- [haften demnächst zu geben, Abg. Dr. Wunderlich (D. Vp.) wünschte darüber hinaus von der Neichsregierung eine populär gefaßte Aufklärungsschrift, in der die Rechtslage und die praktische Erledigung der Aufwertungsfrage auf allen Gebieten dargestellt wird. Die Ent- schließung von Rich A da (Dem.) wurde dann in folgender vom Antragsteller abgeänderten Form einstimmig angenommen: „Die Reichsregierung wird ersucht, die Treuhänder der Lebensversicherungs- gesellschaften anzuweisen den aufwertungsberechtigten Versicherten, so- weit ihnen nicht Vorschußzzahlungen von mindestens 80 vH des ge- \häßten Aufwertungsanteils gewährt worden sind oder gewährt werden, auf Antrag eine Bescheinigung auszuhändigen, in der in recchtsveerbindlicher Form ein spätestens am 1. aFnli 1992 Zahlbarer Mindestbetrag der - zugunsten des betreffenden Aufwertungsberehtigten fällig gewordenen Aufwertungssumme festgestellt und anerkannt. wird. Weiter wird die Regierung ersuht, nach Möglichkeit Richtlinien wegen der vorzeitigen Ausschüttung der Aufroertungsbeträge im Benehmen mit den Versicherungsgesellschaften auszuarbeiten dergestali, daß a) in erster Linie die Leibrentenversicherung bedürftiger älterer Versicherter, b) in zweiter Linie die bisher schon fällig gewordenen Versicherungsbeträge aufgewertet werden." Der Ausschuß beschäftigte ih hierauf mit den Anträgen, die zum Anle iheablösungsgeseß geftellt worden sind. Abg. Dr. B e st begründete dazu einen von ihm eingebrachten Geseßentwurf, der die Anleiheablöfung auf ‘eine neue Grundlage \tellen wird. Der Entwurf verlangt die Aufwertung aller Markanleihen des Reiches “auf 50 vH des Erwerbspreises. Bei dexr vor. den! 1, Juli 1920 erwoxbenen Anleihen joll der Goldwért der Anleihe als Erwerbspreis gelten. Die Anleiheabkösungsschuld soll vom 1. Januar 1926 an mit 3 vH verzinst merden. Vis zum 1. Juli 1930 foll durch Geseh be- stimmt werden, ob eine höhere Verzinsung zu erfolgen hat. Be- dürftigen Anleihebesibern foll eine Vorzugsrente von 5 vH gewährt werden. Die Markanleihen der Länder und. Gemeinden sollen in @hn- licher Weise aufgewertet und verzinst werden. Bedürftigen, die aus Not ihren Anleihebesiß um einen Markbetrag veräußert haben, der um mindestens 50 Goldmark hinter der Hälfte des Wertes zurük- bleibt, soll für den erlittenen Währungsverlust durch Zuteilung von Schuldverschreibungen der entsprechenden Ablösungsanleihe Gr)aß ge- währt werden. Dr. Best berechnet den zur Durchführung seines Ent- wurfs erfordexlihen Betrag auf rund 717 Millionen Mark. Die Deckung werde möglih sein nah einer Revision des Dawes- abkommens, Nach Annahme des Aufrvertungsentwurfs werde: ‘sich diese Mevision erreichen lassen, denn Dawes selbst habe die hohen Deutschland auferlegten Lasten damit begründet, daß Uan feine innere Schuld mit einem Federstrih beseitigt habe. Falle durch An- nahme eines gerechteren Aufwertungsgesëeßes dieser Grund weg, dann sei damit auch die S für die hohe' Belastung Deutschlands im Dawes-Abkommen gefallen. Als weitere Deckungsmöglichkeiten \chlug Dr. Best eine wirkfsamere Besteuerung des Vermögenszuwachses und der Inflationsgewinne vor. Die Gemeinden seien _zu_ einer ge- rechten Aufwertung durchaus in der Lage angesichts der Steigerung ihrer Vermögen und der geradezu vershwenderishen Wirtschaft die von ihnen auf Kotten der geschädigten Gläubiger getrieben werde. Geheim- rat N orden vom Neichsfinanzministerium berechnete bei einer Durch- ührung des Bestschen Entwurfs die Jahresbelastung des Reiches auf

2% Millionen, Mo auf 415 Millionen mehr als bei der jeßigen Regelung. Dabei falle noh die mit der jezigen Regelung verbundene Tilgung fort. Für die Länder würde sich eine jährliche Belastung von 110 Millionen ergeben gegenüber den jeßt erforderlichen 35 Millionen. Bei dem gegenwärtigen Stand der Neichéfinanzen sei die von Dr. Best erstrebte Neuregelung ganz undur{Gführbar. Gegen den Entwurf dén t au große verwa tungstehnishe Bedenken, denn die Ab- osung des Anlei ealtbefizes t: schon zum allergrößten Teil erledigt. Der Neichfinanzminister bitte dringend, es bei der bisheriaen Regelung der Anleiheablösung zu belasten. Auf die Frage des Vorsißenden wurde nach kurzer Geschäftsordnungédebatte von der Ausf ußmehr- heit gegen Dr. E die Kommunisten und Sozialdemokraten be- \{lossen, von einer Einzelberatung des Bestschen Entwurfs abzusehen. Abg. Freiherr von e (Dem.) begründete folgenden Antrag: „Die Reichsregierung wird ersucht, unverzüglich einen Ge- jagte vorzulegen, durch den im Wege einer vg verzinslichen mtauschanleihe oder auf andere geeignete Weise die Altbesiber von Neich8anleihen an Stelle von Anletheablösungs\{huld und Auslosungs- rechben in den Besiß eines Wertpapieres geseßt werden, du Wert einex mindestens 1214 prozentigen Aufwertung des ups ichen Be- trages der in Anleiheablösungsshuld um etauschien eichsanleihe ent- pricht und das laufend mit mindestens N Nrn verzinst wird.“ n der Begründung führte Freiherr von Richthofen aus, für den redit des Reiches ei es sehr bedenklih, wenn es seinen Schuldnern

jeßt cine 8 prozentige Aufwertung gewährk, während für andere Gläubiger durch Reichsgeseß eine roefentlih höhere Aufwertung vor- geschrieben sei. Die Annahme des E E Antrages werde füv die Reichskasse nur eine jährliche Mehrbelastung von, rund 25 Mil- sionen bedeuten, Der Wegfall der. schnellen Tilgung sei unbedenklich, denn es sei nicht E warum nicht auch die kommenden Ge- \hlechter der jeßigen chwerbedrängten Generation einen Teil dev SEIRE nehmen sollen. Auch der deutshnationale Fraktions- führer Graf Westarp habe sih in einem Artikel für eine Regelung ausgesprochen, die der Tendenz des demokratischen Antrags entspricht. Die Weiterberatung wurde auf heute vertagt. Reichstagsaus8s\cchuß für soziale An- gelegenes stellte gestern zunächst unter Vorsiß des {bgeordneten Esser (Zentr.) den Bericht über den - Geseh- entwurf zur Abänderung der Arbeitszeitverordnung fest. Bekannt- lich hat sich der schoa im Laufe des leßten Jahres unternommene Versuch, im Verwaltungsweg eine Einschränkung der Ueberarbeit und tine strengere Durchführung der Arbeitszeitvorschriften zu erreichen, nicht äls xus8reihend erwiesen. Unter diefen Umständen - soll - eine sofortige Abändexung der Arbeitszeitverordnung vor- genommen werden. Dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge soll aber nach Ansicht der Reichsregierung diese Notregelung nicht das geltende Arbeitszeitrecht völlig um- stürzen und die endgültige Regelung vorwegnehmen, die däs bereite dem Reichsrat vorliegende Arbeitsschußgesey bringen soll, Sie muß sich vielmehr auf die dringlichsten Abänderungen der Arbeitszeitverordnung beschränken, besonders auf die Beseitigung derjenigen Vorschriften, die in den bei Erlaß der Arbeitszeit- verordnung bestehenden Ausnahmeverhältnissen ihren Gruud hatten, unter den heutigen veränderten Verhaltnissen aber nicht mehr berechtigt oder erforderli erscheinen. Zugleich muß die strenge Durchführung des geltenden Rechtes starkex als bisher gesichert werden. Der Ausshuß wandte sih darauf der weiteren Beratung des Gesezentwurfes über Arbeitslosenver=- sicherung zu. Erledigt wurde der Abschuitt, der die Spruchs behörden der Arbeitslosenversiwerung umfaßt. Alsdann wurde der fünfte Abschnitt des Geseyentwurfs behandelt, der die Maßnahmen ur Verhütung und Beendigung der Arbeiislosigkeit zum JFnhalt at. Entsprechend einem Antrage der Regierungsparteien wurde der diesen Abschnitt exöffnende § 115 in folgender“ von der Regierungsvorlage veränderter Fassung vom Ausfcchuß an- genommen: „Arbeitslosigkleit wird in erstex Linie durch Ver- mittlung von Arbeit verhütet und beendigt. Für die Arbeits- vermittlung gelten die Vorschriften des zweiten Abschnittes dieses Geseßes.“ Es wurden dann noch einige weitere Paragraphen - diejes Abschnittes ohne wesentlihe Aenderungen entsprechend dent Wortlaut dèr Regierungsvorlage genehmigt. Weiterberatung heute. Dem Reichstagsausschuß für Bildungs=-, wesen, der unter Vorsiß des Abg. D. Mumm (D. Nat.) gestern tagte, lagen zunächst verschiedene Anträge, betreffend Lehrers bildung, vor. Ein Antrag der Sozialdemokraten vexlangte die Neuordnung der Lehrerbildung, wonach die an öffentlichen odex privaten Lehranstalten anzustellenden Lehrer und Lehrerinnen vor ihre r Ausbildung für das Lehramt eine Höhere Lehranstalt mit Erfolg besucht haben müssen oder dur eine besondere Prüfung nachgewiesen haben müssen, daß fie die auf einer Lehranstalt ver- mittelte Bildung besißen. Höhere Lehranstalten im Sinne dieses Geseßes sollen aber nux Vollanstalten sein, die zum oxdentlichen Studium an den Hochschulen (Universität und Technische Hochschule) berechtigen. Die Vorbildung i berufstehnishe Lehrer und Lehrerinnen an Berufsshulen soll an diese Bestimmung nicht gebunden sein. Zur Berufsausbildung soll der Besuch einer Uni- versität oder einer Technischen Hochschule und praktijch pädagogische Schulung erforderlih sein. Für technische Lehrkräfte können bè- fondere Hochschulen für die Berufsausbildung eintreten. Die näheren Anforderungen für den Bildungëgang der Lehrer follew im Wege der Verorduung durch die Reichsregierung mit Zus- stimmung des Reichsrats geregelt werden. Die bisherigen Anstalten zux Ausbildung von Volks\chullehrern und Volksschullehrerinnen sollen aufgehoben werden. Statt der Aufhebung soll aber auch ein Abbau zulässig sein, der klassenweise durchgeführt werden muß. Bis zum 30. September 1929 kann nah deèm Antrage die Befäht=, gung als Lehrer und Lehrerin an einer öffentlihen Lehranstalt noch nach den bisherigen von den Ländern. erlassenen Bestimmungen erworben werden. Nach dem 20. September 1929 soil indes die Lehrbefähigung nux nah den auf Grand der reihsrehtlich er lassenen Vorschriften erworbenen Kenntnisse erteilt werden. Volks \chullehrer und Volkss{hullehrerinnen, die die bisherigen Anstalten ur Aushrldung von Volksschullehrer und Volksschullehrerinnen esuht Haben, sollen nah bestandener Seminarabgangsprüfung gert Lehrerprüfung) an den Universitäten und F É

Der

Technishen Hoch- chulen des Deutschen Reiches als ordentliche Hörer zugelassen werden können, mit der Berechtigung zur Ablegung einer Mv f prüfung in Pädagogik. Eiæ anderer fozialdemokratischer Antrag, der die Vorbildung für die Lehrerbildung nah Artikel 143 Abs. 2 der Reithsverfassung betrifft, verlangt, daß als demenisprehende Vorbildung für die Lehrerbildung der erfolgreiche Besuch einer Vollanstalt, alfo die Reiteprüfnung, ie xar soll. Dem- gegenüber verlangten die Deutshnationalen it cinent Antrage folgende Fassung für den grundlegenden Paragraphen eines Geseßentwurfs, betreffend die Vorbildung für dié Lehrer=- bildung ‘nah Artikel 143 Abs. 2 der Reichsverfassung: „Die an öffentlichen Lehranstalten fest anzustellenden Lehrer und Lehres rinnen müssen eine höhere Tee ab mit Erfolg - besucht oder durch eine Prüfung nachgewiesen haben, daß fe die auf einex solchen Lehranstalt vermittelte Bildung besiuen. Fm Sinne dieses Gesetzes sind ohere Lehranstalten Schulen, deren Abschlußprüfung die Reifeprüfung ist. Auf Lehrer und Lehrerinnen für Tauhs stummenblinde findet dieses Geseß keine Anwendung, ebensowenig auf fest angestellte, bereits vorgebildete oder in der Berufs= vorbildung stehende Personen.“ Laut Bericht des Nachrichten- büros des Vereins deutscher Zeitungsverleger wurde seitens der Regierung um Vertagung der Beratung der verschiedenen Anträge geen, damit die Reichsregierung erst Verhandlungen mit dew ‘ändern darüber führen und eine E Regelung erreichen könne. Ucber diese Erklärung entspann sih eine ausgiebige Er örterung zur Geschäftsordnung, . die aber bereits der sachlichen Erörterung weit vorgriff. Schließlih wurde beschlossen, in die Beratung der Anträge erst im Spatherbst zu treten, um der Reichsregierung zu den vorbereitenden Verhandlvngen mit den Ländern Fi zu lassen. Es folgte die Beratung einer sozial» demokratishen Entschließung, betreffend Berufsfchulkursé für Schulentla E Die sozialdemokratishe Entschließung con zunächst fest, daß das große Ges der arbeitslosen Fugend“ ichen die zukün q Entwicklung der Jugend gefährde. Der Uebergang der Schulentlassenen aus der Gebundenhett der Bolkss a in die gesundheitlih und sittlih gefährdete trostlose Lage er Berufslosigkeit bedeute gerade in dem Alter von 14 bis en e! x für die soziale Und sitt- [iche Weiterbildung. Die Kurse, die für Erwerbslose, von dem Reichsarbeitsministerinm unterstüßt, von Ländern und Gemeinden eingerichtet worden sind, gäben Uar Gelegenheit zur Weiters bildung, sie genügten jedo nicht den Anforderungen einer syste- matischen und umfassenden Weiterbildung. Die Reichsregierung

16 Jahren eine verhängnisvolle lg

‘wird deshalb erzu im Zusammenwirken mit dem Reichsarbeits-

ministerium und im Einvernehmen mit den Ländern 1. ein- bis weijährige Berufs urs für Shulentlassene als Pfli Sig zu shaffen, die, wie die Volksschule, unentgeltlich sind, und sür die