1905 / 23 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

aus dem alten Dotationsgeseß entwickelt haben, und wie wir sie ja beute vor uns sehen, daß einzelne Provinzen ganz erheblihe Summen bekommen ich will hier gar nicht eine einzelne Provinz anführen —, daß z. B. die eine Provinz die ganze Hälfte des Westfonds bekommt. Das sind die Konsequenzen, zu denen die Herren kommen, wenn wir überhaupt allen Provinzen gleihmäßig das- selbe zuwenden wollten. Diese Frage, meine Herren, wird uns im nächsten Jahre beschäftigen. Ih kann aber nur fagen, wenn die Herren glauben, diesen Weg der Gleihmäßigkeit gehen zu sollen, so muß von dem Moment an die Finanzverwaltung ihre Mitwirkung versagen, dann kommen wir auf einen Weg, auf dem wir keine Aus- sicht haben, irgend cinen Erfolg zu erringen.

Ich kalte mich aber auch noch für verpflihtet, hier auf die Wanderlehrertätigkeit kurz einzugehen. Meine Herren, die Wanderlehrer sind cine Notwendigkeit; aber ihre ganze Ausbildung, ihre Ausfendung is niht Sache der Zentralinstanz, sondern fie ist Sache der einzelnen Landwirtschaftékammern. Ich erkenne voll und ganz an, daß sie von der höchsten Bedeutung für die ganze landwirt-

schaftlihe Entwickelung sind.

Meine Herren, ih möchte dann noch auf einen Punkt zurück- kommen, den Herr von Woyna vorhin berührt hat, als er von der Gründung von Ansiedelungen auf mindergutem Boden \prach. Nach meinen persönlichen Erfahrungen und diese stüßen sih niht etwa bloß auf meine jeßige Tätigkeit, sondern sie stüßen sh auf die Summe dessen, was eine ganze Reihe in der Landwirtschaft beroährter Männer gesagt haben —, kann ich nux immer wieder davor warnen, auf s{chlechten Böden anzusiedeln. Es sind vielmehr entshieden diejenigen Böden vorzuziehen, auf denen noch auf einen Ertrag zu rechnen ift, auf denen der Mann fih wirkli erhalten kann. Etwas anderes habe ich auch in den vorigen Tagen nicht gesagt. Ich muß nah dieser Nihtung bin die Grfahrungen der landwirts{haftlißhen Verwaltung in den Vordergrund stellen, und diese hat unendlih viele Beweise dafür, daß alle Ansiedler auf RNRentengütern mit \{lechten Böden immer wieder zu Grunde gehen, weil ein einziges {lechtes Jahr die Leute einfach umwirft.

Abg. Barthold (frkons.) spriht gleichfalls seine Freude über die Verstärkung der Mittel für das ländlihe Schulwesen aus und betont den Wert der Wintershulen und der Fortbildungsshulen als Vorgänger der ersteren sowie der Wanderlehrer, äußert aber besonders den Wunsch, daß auch für die landwirtshaftlihe Mittelshule noch mehr geschähe, und namentli die Lehrer an diefen Anstalten müßten Sli gestellt werden. Das Besie wäre die Verstaatlichung dieser

ulen.

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) widerspricht der Ansicht des Ministers, daß die Mittel nur nach der Leistungéfähigkeit verteilt werden follten; man müsse doch auch bedenken, was die Provinz felbst leistet. Der ganze Unterricht auf den Schulen müsse einen landwirt- \chaftlihen Charakter erhalten, -die Lehrer müßten in besonderen Kursen vorbereitet werden, damit sie mit Erfolg und Interesse erweckend den Fortbildungsunterriht erteilen könnten. So erfreulich die Zunahme der ländlihen Fortbildungs\{ulen und die Verwendung höherer Staatemittel dafür sci, fo blieben diefe Mittel doch noch weit hinter dem zurück, was der Staat für die gewerblihßen Fortbildungsschulen tue. Wenn die Gemeinden überlastet seien, solle der Staat die ganzen Kosten übernehmen. -

Abg. Ernst (fr. Bgg): Wir stimmen allen Maßnahmen zu, welche dazu dienen, die theoretishe und praktische Ausbildung der ländlihen Bevölkerung zu fördern. Im Osten sind die Fortbildungs- schulen zugleich witig für die Erhaltung des Deutshtums und müssen daher möglichst vermehrt werden. In der Provinz Brandenburg gibt es nur zwei ländlihe Fortbildungsshulen; wenn man bedenkt, wie groß die Zahl in anderen Provinzen is, muß man die Frage auf- werfen, woher diese gecinge Zahl im Mittelpunkt unseres Landes kommt. Das Sthulgeld spielt dabei keine große Rolle, und ih möchte deshalb bitten, es ganz fortfallen zu laffen. Ich empfehle auch mciner- seits, daß die Volksschullehrer durch besondere Kurse als Lehrer der Fortbildungsschulen vorbereitet werden. Ih fürchte niht, daß ih dadurch ein gewisser Dilettantismus herausstellen wird, denn es ist nicht zu vergessen, daß die Lehrer ja selbst auf dem Lande aufge- wachsen sind. Den Religionsunterriht {äße ih außerordentlich boch, aber er muß; da erteilt werden, wo er bingehört, in der Volksschule oder den Sonntagsschulen, aber niht in den Fortbildungêëschulen. Der Lehrplan der Fortbildungs\hulen darf nit bloß dem der Volks- schule angegliedert werden, diefe Schulen müssen vielmehr von der Volksschule gänzli loscelöst werden und eine eigene Methode haben, um in den Lehrern das Verständnis zu wecken, daß sie für das ganze Leben arbeiten. Außerordentlih wichtig ist, daß au für die Mädchen auf dem Lande Foribildungéschulen eingerichtet werden.

Die Etatstitel werden bewilligt. Die Resolution der Kom-

mission wird angenommen.

Jn dem Kapitel „Tierärztliche L auen und Veterinärwesen“ sind an Besoldungen für die 35 Depar- tementstierärzte und 468 Kreistierärzte 914400 A6 aus- geworfen, d. h. 456 200 M mehr als im Vorjahre. Zu Amts- unkostenentishädigungen an die Kreistierärzte sind 99 600 M neu ausgeworfen.

Berichterstatter Abg. von Arnim berichtet, daß die Mehrkosten dadurch entstehen, daß die Kreistierärzte in bestimmte Gehaltsflafsen eingeteilt würden, und zwar von 1200, 1650 und 2100 4

Abg. von Neumann-Großenborau (kon\.): Ich verstehe es voll- Tommen, wenn der Minister zu den Kreistierärzten sagen würde: Ih habe {on fo viel für heute getan, daß mir zu tun jeßt nichts mehr übrig bleibt. Die Bitte der Kreistierärzte um Rangerhöhung ist eigentlih an eine falsche Adresse gerichtet, denn das ist ein Kronreht, und es untersteht Seiner Majestät, darüber zu entsheiden. Ein Teil meiner politishen Freunde und, wie ich hoffe, auch die Mehrheit des Hauses hegt den Wunsch, daß der Herr Landwirtschaftsminister das Gesuch der Kre1tierär;te um Verseßung in die 5. Rangklasse der Räte unterstüßen möchte. Wir haben durchgeseßt, daß tie Kreistierärzte die Maturitätsprüfung bestanden haben müssen, das Reichsfeuchen-

eseß wird neue Anforderungen an sie siellen, da ist ihre Bitte wohl erechtigt. Die Herren haben betont, daß es ibnen mehr um diese Rangerhöhung als um eine Gehaltsverbefserung zu tun ist. Auch besteht der Wunsch, daß für die Gebühren eine Pauschalsumme aus- geseßt wird.

Abg. Dr. von Savigny: Im vorigen Jahr hat das Haus ein- stimmig zwei Resolutionen angenommen, die auf diese neue Gehalts- ordnung hinzielten. Möchte nun auch der Wunsch auf Nangerhöhung der Tierärzte erfüllt werden. Das ganze landwirtschaftliche Gewerbe wird mit gehoben, wenn die Stellung des mit der Landwirtschaft fo eng verbundenen Standes der Tierärzte gehoben wird. Die um ein Geringes höheren Gebühren, die die Folge einer Rangerhöhbung sein würden, würden wohl getragen werden können. Für die Grhöbhung des Gehalts hat sich das Abgeordnetenhaus auch \{chon im vorigen Jahre in einer Resolution ausgesprohen, aber troßdem sind diese Wünsche noch nicht erfüllt worden.

Die Titel werden bewilligt. :

Bei dem Fonds von 80 000 Æ zur wissenschaftlichen Erforschung von Tier krankheiten weist

Abg. Graf von der Groeben (konf.) darauf hin, daß in mehr- achen Fällen der Verdacht entstanden sei, daß durch das Serum des

ofefsors Loeffler in Greifswald die Maul- und Klauenseuche her- Vorgerufen per Cin Beweis dafür sei allerdings nicht gegeben. Dieser Deus müsse erhöht werden, um weitere Untersuhungen vornehmen zu können.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Die Uebelstände erkenne ih gern an; die Landwirtschaftsver- waltung hat fie vershiedentlih zur Sprache gebracht. Jh muß aber dem Herrn Vorredner sagen, daß die Sache zum Ressort des Kultus- minifteriums und nicht zu dem meinigen gehört; ich habe mit der Sache nichts zu tun.

Abg. Dr. Da r. wert sh über die Höhe der Fleis Sha ebl n e) asg A ha Leith be dei worden seien. Zu diesen Gebühren kämen noch die Reisekosten der Tierärzte hinzu. Die Landwirtschaftskammer von Nafsau habe sich für die Aufhebung der P nd von 1892 ausgesprochen, welche einen Ausnahmezustand für die Provinz Hessen-Nafssau geschaffen

abe, da sie auch für Hausshlachtungen die Fleishbeshau vorschreibe.

elbst wenn man die Trichinenschau beibehalten wolle, so rehtfertige das niht die Beibehaltung der übrigen Fleishbeschau für die Hauss \{lachtungen. Und au die Trichinenshau sei in Nafsau überflüssig, da dort nit ein trihinöses Schwein vorkomme. Warum follten die kleinen Bauern in Nafsau mehr bezahlen als in anderen Bezirken ?

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Das nassauische Land kann seinen Herren Ab- geordneten sehr dankbar dafür sein, daß fie ihre örtlihen Beschwerden mit solchem Eifer hier zur Sprache bringen Jahr aus, Jahr ein! Die Zeit des hohen Hauses wird dadurch freilich recht stark in An- \spruch genommen. Ob ferner die Antwort, die ich zu erteilen ge- zwungen bin, den nafsauishen Landwirten angenehm sein wird, be- ¿weifle ih.

Meine Herren, zunächst muß ih konstatieren: die Untecsuhung der Hauss{hlachtungen bestand in den nafsauishen Landen {on vor dem Inkrafttreten des Fleishbeshaugeseßes und ist niht etwa erst durch dieses eingeführt worden. Ich verstehe deshalb niht recht, wes- wegen gerade jeßt die Aufhebung des Beshauzwanges so hartnätig verlangt wird. Ferner befindet sich der Herr Vorredner im Irrtum, wenn er anzunehmen scheint, daß die zum Hauêsgebrauh ges{chlachteten Schweine im Regierungsbezirke Wieéëbaden auh der Trichinenschau unterliegen. Das ift nicht der Fall, wie ih bereits vorgestern bemerkt habe. Jh möchte daher bitten, die allgemeine Fleishbeschau und die Trichinenshau nit immer aufs neue dur{h- einander zu werfen. Wenn nun die Herren eine Beseitigung von Mißständen verlangen, die durch zu große Beschaubezirke und zu hohe Fleishbeschaugebühren hervorgerufen sein follen, so kann ih mitteilen, daß ih den Negierungépräsidenten angewiesen habe, in eine Prüfung der Berechtigung der Beschwerden einzutreten und ihnen wenn irgend möglich abzuhelfen. Zu einer Aufhebung des Fleishbeschauzwanges bei Hausshlahtungen kann ih mich aber nicht verstehen. Denn die bei der Beshau gewonnenen Erfahrungen sprechen nicht für eine sole Aufhebung. Allerdings liegt eine Statistik über die Beschauergebnifse nur für das erste Jahr nah dem Inkrafttreten des Fleischbeschavgesetzes vor und ih bin keineswegs so voreilig, hon hieraus bestimmte Folgerungen zu ziehen. Aber das darf ih sagen, daß, wenn ih diese Ergebnisse ver- allgemeinern müßte, ih mich dafür aussprehen müßte, daß die Haus- \hlachtungébeschau überall eingeführt würde. Nur ein Beispiel, meine Herren: die Beschau bei Hausschlachtungen hat zur Entdeckung von 9 milzbrandkranken Tieren geführt; und in fünf von diesen Fällen war die Seuche vorher nicht zur Anzeige gebracht. (Hört! hört!) Ja, meine Herren, das gibt doch zu denken! Die anderen Zahlen will ich hier niht im einzelnen anführen; aber auch sie sind geeignet, meine Meinung zu unterstüßen, daß die Beschau bei Haus\s{lachtungen sehr nüglih ift. Die Beanstandungsziffern sind zum teil sehr hoch! (Hört! höut!)) Ih bitte die Herren, dies wohl zu berück- sichtigen und dafür einzutreten, daß man sich auch in den land- wirtschaftlichen Kreisen in Nafsau mit der Beschau bei Haus- schlachtungen mehr befreundet, die allein eine Gewähr dafür bietet, doß nur gesundes Vieh zur S@lahtung kommt; denn wirkli, man bekommt förmlih einen Schreck, wenn man ih sagen muß, daß in einem so kleinen Bezirke wie Nassau 9 milzbrandkranke Tiere zur Schlachtung gebraht und daß 5 Milzbrandfälle vorher niht angezeigt waren. Also ih möchte den Herren raten: rühren Sie bitte nicht weiter an der Sache. Jh werde mihch davon fern halten, aus den Ergebnissen eines Jahres endgültige S{lüsse zu ziehen. Aber ih muß wiederholen: würde es in unserem ganzen Vaterlande nah dieser Nichtung hin ebenso wie in Nafsau aussehen, dann würde ih dafür eintreten müssen, daß wir überall die Haus\{lachtungen unter Kontrolle stellen. Denn ih hoffe, daß auH in der Landwirtschaft daß Be- streben vorhanden sein wird, nur gesundes Vieh zur Shlahtung zu bringen, und ich bin überzeugt, daß milzbrandkranke Tiere dem Land- wirt genau fo \{ädlich sind wie den Städiern. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Dahlem: Die Milzbrandfälle erledigen si{ch dadur, daß der Milzbrand von selbst angezeigt werden muß. Der Minister möge das Material geben für die Betauptung, daß in Naffau die Verhältnisse so {leckcht sind. Die Bevölkerung von Naffau wird gegen diese Aeußerung des Ministers entschieden Verwahrung einlegen.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Ih muß auf meine vorigen Ausführungen zurück- tommen.

Ih habe gesagt, nicht nur, daß milzbrandkranke Rinder zur St{lachtung gckommen sind, fondern auch, daß man es unterlassen hatte, Seuchenfälle zur Anzeige - zu bringen. (Zuruf : Kommt überall vor!) Nein, das ist meiner Ansicht na ein sehr \{hwerer Vorwurf, der die Herren dort trifft. Außerdem kann ih dem Herrn Vorredner erklären, daß die Zahlen, deren nähere Angabe er wünscht, bereits dem Herrn Oberpräsidenten in Caffel mit- geteilt find, und daß dieser darübec mit der Landwirtschaftékammer in Verhandlungen treten wird. Jch hatte bisher keine Veranlassung, diese Statistik hier im Detail auseinanderzuziehen; denn wie der Herr Vorredner ganz richtig sagt, ift es sehr {wer, hier über Einzelheiten zu Gerihht zu fißen. Aber die Landwirtschaftskammer wird ih ja mit der Sache noch zu beschäftigen haben. Herren zugeben müssen, daß in einem Regierungsbezirk, in dem oder in dessen Nähe so große Städte wie Frankfurt, Wiesbaden, Mainz usw. liegen, erhöhte Anforderungen an die sanitären Verhältnisse geftellt werden müssen. Sie haben viel günstigere Absatzverhältnisse als andere Bezirke, z. B. im Osten, haben dafür aber auch die Verpflichtung, besondere Sorgfalt zu beobachten. Zum mindesten ift die Sahlage nicht dazu angetan, einen s\anitär befriedigenden Zustand zu beseitigen, der nicht etwa erst durch das Reichsfleishbeshaugeseß eingeführt, fondern, wenn ich mich recht erinnere, durch eine Verordnung von (Abg. Dr. Dahlem: 1892!) zuleßt 1892 aufgefrisht worden ift, aber auch {on vorher faft 100 Jahre lang dort gegolten hat. Neben den Zahlen für Milzbrand könnte ich Ihnen auh weiter diejenigen für Rotlauf und Sc@hweineseuche anführen. Auch diese lassen erkennen,

Jedenfalls werden mir die | | wertung der Produkte seiner Tierzüchtung. Jch bin der Meinung, die

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daß die Fleishbeschau bei Hausschlachtungen häufig zur Feststellung von Seuchen führt, die sonst unentdeck bleiben würden. Ich bitte, alles das bei der Landwirtschaftskammer näher zu prüfen. Jch hoffe, die Herren werden zu der Ueberzeugung kommen, daß gerade die Haus- s{lachtungen ein wesentlihes Mittel bilden, um die Seuchen mit Erfolg zu bekämpfen.

Abg. Hofmann (nl.) wendet sh gegen die Behauptung, daß gerade in Nassau die Verhälinifse so ungünstig lägen. Das ershzine nur so durch die Feststellungen der AuêsnahmeuntersuGhung bei den Hauss{lahtungen. Er wünsche eine gleichmäßige Behandlung.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Ich habe immer den Wunsch gehabt, die Sache erst zu Hause noch prüfen zu laffen und die Debatten einzuengen, aber die Herren provozieren mich immer weiter. Ich bin bereit, weiteres Material zur Verfügung zu stellen. Ih will hier nur hervorheben, es Liegen zwei Bezirke diht nebeneinander, nämli Wiesbaden und Cassel; in beiden unterliegen die Hausschlachtungen der Untersuchung und es sind in Wiesbaden 27 9% und in Cassel 13 9% der Rinber beanstandet worden. Diese Zahlen find doch wirklih bedenklich. Wollen Sie aber noch weiteres Material haben, so stehe ih den Herren noch weiter zur Verfügung. Glauben Sie mir, daß ich das, was ih vorher gesagt habe, niht leihtfertig gesagt habe, sondern daß ich mich hierbei nur auf Tatsachen ftüße.

Der Titel wird bewilligt.

Als Dispositionsfonds zu Prämien für Pferde- rennen find im Ordinarium 231 000 s (wie im Vorjahr). ferner im Extraordinarium zur Verstärkung dieses Fonds 500 000 M (ebenfalls wie im Vorjahr) eingestellt.

—— bg. Gyßling (fr. Volksp.) spricht für seine Partei wie bisher eine ablehnende Haltung zu diesem Fonds aus, ohne auf die prin- zipiellen Fragen näber eingehen zu wollen.; -

Nbg. Rogalla von Bieberstein (kons.) emp8eht die An-

nahme. Die Rennen seien im Interesse der Prüfung der Leistungs- fähigkeit des Pferdematerials durhaus notwendig.

—— Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Gyßling und Kreth (kons.) wird der Titel angenommen.

—Bei “dem Fonds zur Förderung der Viehzucht bespricht

Abg. Heckenroth (kons.) die Verhältnisse der Viehzuht in seinem -Heimatkreise Altenkirhen-Neuwied. Die Bevölkerung habe lebhaft darüber zu klagen, daß ihr nit das geeignete Zuchtmaterial zur Verfügung stehe. Es feien nun Genoffenschaften zur Förderung \hwerer Tierrassen zugelassen worden. Man solle der Bevölkerung nicht bestimmte Naffen aufoktroyieren, sondern fib mit den Gemeinde- behörden darüber verständigen. Hätte man das getan, dann wäre viel bôses Blut niht erzeugt worden. Die Zuchtgenossenschaften hätten ihre Statuten nah den vom Minister genehmigten Normalstatuten aufgestellt, aber die Genehmigung des Ministers sei noch nicht erfolgt.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Die von dem Herrn Vorredner vorgebrachten Beschwerden betreffen nur lediglich ein Internum der Rheinprovinz, und da muß ich immer wieder hervorheben, sowohl auf dem Gebiete der Körordnung, wie auch ebenso auf dem Gebiete der Pferdezucht erahte ich die Landwirtshaftskammern als die einzige maßgebende Instanz. Mêeine Herren, es ift leider ein augenblicklich sehr beliebtes Verfahren, daß man die Selbstverroaltung einrihtet und ausgestaltiet und sowie einem die Sache niht paßt, dann wird nah dem Büttel aèrufen, der einshreiten foll. (Heiterkeit. Sehr ritig! rechts.) So ist es auch mit den Landwirtschaftskammern gegangen. Meiue Herren, wählen Sie doch die Herren, die Ihnen das fo ausgestalten, wie Sie es wünschen; denn ih muß doch die Landwirtschaftskammer als das allein Vertrauen verdienende Organ in einer Provinz ansehen. Ich muß das nach dieser Richtung hin immer hervorheben: niht ih bin für diese oder jene Zuchtrihtung verantwortlih, sondern es ift das die aus der Selbstverwaltung, aus Wahlen innerhalb der Provinz hervorgegangene Landwirtschaftskammer.

Zur Klärung aber für das hohe Haus möchte ih die Verhält- nisse in der Rheinprovinz kurz \kizzieren. Zunächst haben wir in der Rheinprovinz ein Bullenhaltungsgeseßy, welches vorschreibt, daß für 100 Kühe ein Bulle gehalten werden soll. Weiterhin haben wir eine Körordnung, die nit für die Provinz, sondern für die Kreise aus- gestaltet ist, und diese Körordnung enthält die Bestimmung, daß der betreffende Bulle zur Zucht tauglih sein muß. ODrittens haben wir eine Einteilung nach Zuchtgebieten, die von der Kammer aufgestellt ist und die auch meine Billigung ecfahren hat. Nun ist es ja ganz naturgemäß, daß diese drei Faktoren zusammen wirken müssen, sons läuft die ganze Sache auseinander, und ich freue mi, daß die Kammer nah Möglichkeit darauf sieht, daß ihre guten Absichten auh durchgeseßt werden. Jh möchte die Herren, die in landwirtschaftlichen Dingen beroandert und erfahren sind, einmal fragen: Glauben Sie, wenn Sie 20 Dörfer abstimmen laffen, daß jedes Dorf über die ein- zuhaltende Zuchtrihtung fo abstimmt wie das Nachbardorf ? Nein, meine Herren, sie würden alle etwas anderes wollen Der eine bält diese Richtung für beffer, der andere jene. Nach meiner Ansicht muß hier lediglich das als Grundsatz hingestellt werden: ftaat- lihe und provinzielle Mittel können nur da zur Verfügung geftellt werden, wo man sich in den Rahmen hbineinpaßt, der von der Land- wirtshaftskammer wvorgezeihnet ist. Will jemand seinen privaten Weg gehen, fo mag er ihn gehen, aber er hat dann keinen Anspruh auf Staatsprämien und Staatshilfe. 6

Ich erinnere nur daran, welhen Schwierigkeiten wir heute be- gegnen, ein einheitlißes Material zu beschaffen. Der Herr Vorredner hat selbst angeführt, wie notwendig es für die ganzen Absatzverhältnifse ist, daß man möglichst einen Schlag in der Gegend hat. Läuft alles auseinander, und hat der Händler nicht die Ausficht, in dem Gebict viele gleihartige Tiere kaufen zu können, so kann ich mit Sicherheit dem betreffenden Gebiet sagen, es hat keine Aussiht auf gute Ver-

Kammern tun gut, einheitlihe Bezirke zu {hafen für die Viehzuedt und nit zu viel Velleitäten zu gestatten.

Darin kann ih dem‘ Herrn Vorredner nicht folgen, daß man noh eine zweite Instanz in diesen Sachen s{haffft. Wo - kommen wir hin, wenn wir immer noh auf eine Sache eine andere setzen! Wir haben die Kammern, die Kammern sind zuständig und müssen das Vertrauen haben. Es wäre ein s{chlechtes Zeichen für die Bevölkerung, wenn fie fih nicht eine Kammer wählte, zu der sie Vertrauen hat. Zu dem Präsidenten der rheinischen Landwirtschaftskammer, den ih sehr hoch achte, der Großes geschaffen hat, sollten die Herren in der Provinz doch das Vertrauen haben, daß der Manu mit seiner ganzen Person dafür eintritt, daß etwas Gutes geshaffen wird.

Meine Herren, ich muß diesen Beshwerden gegenüber immer wieder darauf verweisen, niht bei der landwirtshaftlihen Verwaltung liegt die Entscheidung, sondern bei den Landwirtschaftskammern. Die Wahlen zu den Landwirtschaftskammern beruhen auf Gesetz, paßt den Herren das Geseß nicht, dann müssen wir das Geseg ändern, und den Wahlmodus, nah dem gewählt wird, umgestalten. Darüber läßt sich reten, aber im einzelnen Falle kann ich nur die Kammer allein als die einzig zuständige Instanz ansehen. Ih kann nur den Herrn Vorredner und die Kreise der Bevölkerung immer wieder darauf hinweisen : wenn diese Kammer niht nah ihrem Sinne ift, dann follen sie das nächste Mal andere Leute wählen. Aber ih möchte bitten, niht immer die Landwirtschaftsverwaltung anzurufen, daß sie gegen die Kammer losgehen foll, wenn irgend jemand mit den von der Kammer ergriffenen Maßregeln nit ein- verftanden ist. Das geht nicht, meine Herren, die Landwirtschafts- kammern haben über diese Dinge die Entshzidung und an sie müssen fih die Herren halten.

Abg. Stackmann- Weßlar (konsf.) bestätigt, daß die Klagen d Abg. A berechtigt seien, G A deshal die Dga Ab, hilfe. Die Landwirtschaftskammer ist allerdings formell zuständig, aber hier handelt es sich darum, daß die Leute dur die Polizei ges ¿wungen werden, anderes Vieh zu züchten, als sie selbst wollen. Jch möchte daher anheimgeben, die Sache wohlwollend zu prüfen.

Abg. Knie (Zentr.) {ließt fich den Beschwerden der Abgg. Heckenroth und Stackmann an.

Abg. Dr. von Woyna (freikons.) weist darauf hin, daß in der B Hannover Fälle vorliegen, daß die einen Leute gar nit ihre

ühe dur den Gemeindebullen decken lassen wollen. Da niemand dazu ezwungen werden kann, zahlen diese Leute auh keine Beiträge mehr, sodaß es Bet kleinen Gemeinden unmöglich wird, einen Gemeinde- en zu halten. Auf eine Bemerkung des Abg. Grafen von Spee (Zentr.) bezüglich einer anderen Zusammensetzung der Landwirtschaftékammern erklärt der

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Jh wiederhole: ih bin ein unbedingter An- häuger der völligen Selbständigkeit der Kammern und möchte gerade diese Selbftändigkeit erhalten und stärken. Die Kammern follen da, wo sie zuständig sind, auch die volle Verantwortung fir alle Maßregeln haben, die von ihnen ergriffen werden. Meine Herren, ih bin ein Anhänger der Selbstverwaltung ; daraus find meine vorigen Aeußerungen hervorgegangen. Ich wünsche, daß die Kammern mit vollem Verständnis und mit ganzem Interesse an die ibnen obliegenden Fragen herangehen und sie so lösen, wie das den Bedürfnifsen der Bevölkerung entspriht. Der Herr Vorredner hat mir zugerufen: ih sollte auf die Landräte einwirken. Meine Herren, ih frage Sie: halten Sie das für rihtig? Nein, meine Herren, darauf kann ich nur erwidern : diese Zumutung lehne ich von meinem Standpunkt auf das allerentschiedenste ab. (Sehr richtig !)

Der Titel wird bewilligt.

Um 47 Uhr fragt der Vizepräsident Dr. Por \ch das Haus, ob es zur Erledigung des Landwirtschafteetats eine Abendsizung abhalten oder noch weiter sißen wolle, bis dieser Etat fertig beraten sei.

Die Mehrheit entscheidet sih für die Fortsezung der Sizung.

Bei den Ausgaben zur Förderung der Fischerei weist

Abg. Dr. Lotichius (nl.) darauf hin, daß dur die Rhein- Torrektion die Fischer ges{hädigt worden seien, und verlangt, daß in solhen Fällen eine Entshädigung gezahlt werde.

Abg. von Böhlendorff-Kölpin (kons.) wünscht eine Revision des Fischereigeseßes und trägt eine Reihe von Wünschen aus Fischer- kreisen dafür vor. Gegen die ausländischen Fischer an der Ostseeküste innerbalb der Hoheitszone, welhe jene eigentli überhaupt nit be- treten dürften, müßten Verordnungen erlassen werden. Die Küste

Mee in verschiedene Reviere eingeteilt werden, da eine einheitliche izeiverordnung für die ganze Küste niht angebraht sei. Die

0 Ea ina müsse bei den Baggerungen in den Haffs den

Fishern freundliher entgegenkommen. Eine Petition der Fischer

des Greifswalder Boddens wünschte Vereinbarungen mit Mecklen-

ais f die Bestimmungen in Preußen und Mecklenburg ganz ver- eden seien.

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) maht auf den Nükgang des Salm- sanges im Rhein aufmerksam, der auf die Maßnahmen der holländi- hen Regierung zurückzuführen sei. Das Auswärtige Amt habe Ver- handlungen mit Holland zugesagt, aber es sei notwendig, daß bei Fluß- regulierungen unser landwirtschaftliches Ministerium mitwirke. Es handle sih hauptsählich um kleine Leute, die sh von dem \{chwierigen Salmfange ernähren.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikons.): Nach der Strombauordnung werden alle beteiligten Behörden vor Fluß- regulierungen gehört, und dann werden erst die Pläne festgestellt. S E „werden sehr erheblihe Entschädigungen an die

isher gezahlt.

Abg. Dr. Lotichius: Die Salmfisher am Rhein baben vor den Korrektionsarbeiten darauf ausdrücklich aufmerksam gemacht, daß ihr Gewerbe ruiniert werden würde. Man hätte die Arbeiten au so vornehmen können, daß die Fischer niht ges{ädigt wurden. Wenn der Minister die Sache prüft, wird er sehen, daß die Leute entshädigt werden müssen.

Abg. von Böhblendorff-Kölpin weist auf Fälle hin, wo das landwirtshaftlih2 Ressort von Wasserbauten überhaupt nicht in es geseßt sei. Er müsse deshalb dem Abg. von Zedlitz ent- gegentreten.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch hält seine Aus- führungen aufrecht; er habe die geseßlihe Lage ae, die natürli eie. ausschließe, daß einmal ein Fehler in einem Ressort gemacht werde.

Abg. Stockmann (freikons.) vermißt in diesem Etat die all- seitig erhoffte Gründung einer Fischereiversuhsftation und wen: den Wunsch und die Hoffnung aus, daß der nächste Etat dies nah- holen werde. :

Gin Negierungskommissar erklärt, daß die Verhandlungen darüber unter den Refsorts noch nicht abgeschlossen seien, aber vor- ausfihtlich im nähften Etat die Station gefordert werden könne.

Die Ausgaben für die Fischerei werden bewilligt.

i Bei den Ausgaben für die Landesmeliorationen pricht

T Kreth (konf.) seine Freude über die Vermehrung der T \.) spriht sich für eine Regulierun

. Dr. a ns. der Ruß aus; die Genossenschaft ci niht leistungéfähig deaia p bedürfe der Unterstüßung dur die Regierung.

Bei den allgemeinen Fonds bittet

Abg. Dr. Dahlem’ (Zentr.) um namhafte, ständige Beihilfen fr die Bauernvereine.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Ich habe schon Gelegenheit gehabt, privatim dem Herrn Antrag- teller gegenüber mih dahin auszusprechen, daß ih bereit bin, mit dem Vorsißenden der Landwirtschaftskammer, der in den nähsten Tagen gelegentlih der Beratungen des Landeëökonomiekollegiums nah Berlin kommt, Rücksprache zu pflegen. Aber, meine Herren, ih möchte Sie do bitten, im allgemeinen daran festzuhalten, taß es nit richtig ift, wenn die Staatsregierung aufgefordert wird, solchen Vereinsbildungen

besondere Zuwendungen ¿u mahen. Meine Herren, rwoo soll das hin- führen? Denken die Herren einmal daran: wenn nun z. B. der Bund der Landwirte mit demselben Recht sagte: Regierung gib uns Zu- \{huß! meine Herren, was würden Sie sagen, wenn ih das täte ? (Zuruf rechts: einverstanden! und Heiterkeit.) Jawohl, die Herren sagen: einverftanden! Aber ih glaube, weite Kreise dieses hohen Hauses würden mich dann angreifen, und das mit vollem Recht. (Sehr rihtig! links.) Darum, meine Herren, glaube ih: es ist richtiger, immer daran feftzuhalten: die Träger der Steuerkraft, die Träger der Interefsen der Landwirtschaft find geseglich geregelt und festgelegt durch das Gesey über die Landwirtschaftskammern. Ich kann und werde diese nie ausshalten, sondern ih glaube immer: wir müssen gerade nah der Richtung hin sorgen, daß wir ihre Selbst- ftändigkeit erhalten und taß sie sh wirkli zu dem ausbilden, was, wie ich vorhin {on sagte, sie sein sollen, zu wirklihen Vertretern der Landwirtschaft. Meine Herren, jedenfalls muß ih daran festhalten, daß Gelder für die Landwirtshaft nur den Landwirtschaftskammern gegeben werden. (Sehr rihtig! rechts.)

Abg. Wolgast (fr. Volksp.) regt die Frage der Regelung der Gehalts- und Pensionsverhältnifse der wissenshaftlihen Beamten der Landwirtschaftskammern an. Diese Beamten seien als Staatsbeamte anerkannt und vereidigt, es sei ihnen auß der Steuernahlaß be- willigt worden, aber ihre Gehalts- und namentlich Pensionsverhälts- nisse seien noch ganz verschieden in den einzelnen Provinzen und un-

enügend. Wenigstens nach einer Reibe von Jahren follten fie Penftonsberechtigung erhalten. (Abg. von Pappenheim: Zur

de!) Das überlassen Sie dem Herrn Präsidenten. (Abg. von Pappenheim lacht.) Ja, lachen können Sie, das sieht man. Diese Angelegenbeit liegt im Interefse der gesamten Landwirtschaft, nit bloß der Beamten.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Wenn ih den Ausführungen des Herrn Vor- redners folgte, so, glaube id, würde ih tief in die Autonomie der Landwirtshaftskammern eingreifen. (Abg. Frhr. von Zedliß: Sehr rihtig!) Er selbst führt an, daß, wenn die Gehälter verbessert würden, ein Zehntelprozent mehr von den betreffenden Bewohnern der Provinz aufzubringen wären. Ja, meine Herren, wenn die Land- wirtschaftskammern das nicht allein entsheiden sollen was würde denn die Folge sein, wenn ih den Anregungen des Herrn Vorredners folgte? Nehmen Sie einmal an, ich dekretierte an eine Kammer: du mußt sämtlihe Beamte auf Lebenszeit anstellen, sons gebe ih kein weiteres Geld. Meine Herren, ein Sturm der Entrüstung würde mit vollem Reit mir entgegenbrausen. Die Herren würden mir ein- fach alle sagen: wie kannst du überhaupt in unser inneres Besteuerungs- recht, in unsere Autonomie derart eingreifen! Meine Herren, würden ¿- B. aus den Kreisen der Städte dem Minister des Innern solche Sachen entgegengebraht werden, würden sich dann nicht, wenn der Minister des Innern dem Folge geben wollte, die Städte mit Hand und Fuß dagegen wehren? Sie wehren sch manhmal \{on bei Sachen, wo man sagen muß: hier ist die Behörde im Recht, wenn sie von ihrem Aufsichtsreht Gebrauh macht. Aber, meine Herren, wenn wir diefen Anregungen folgen sollten, wo kommen wir dann hin? Die Herren sollten doch wirklih den Kammern und den Be- wohnern es überlafsen, diese Sahen in ihrem eigensten Interesse zu ordnen, die Herren sollten nicht an wich das Verlangen stellen, daß ih die Kammern zwänge, diesen oder jenen Beamten anzustellen; das müssen die Herren in den Landwirtschaftskammern selbst ent, heiden. Ueberlassen Sie das, bitte, den Kammern; ih habe immer das volle Vertrauen gehabt, daß diese Organisation ihre Schuldigkeit tun wird. Wenn heute was ih gewiß nicht .verkenne hier und da noch Ausstellungen und Beshwerden erhoben werden, so können die Herren sich darauf verlassen, wenn die Sache hier zur Sprache

kommt, daß ih da, wo ein bißchen Rauch ift, mir ftets Klarheit zu |

verschaffen suche darüber, wie die Verhältnisse liegen.

Meine Herren, ih habe wirkli den Wunsch, daß diese Jn- stitution \fich voll einlebt, daß die Mitglieder in ihrem eigenen Hause Ordnung halten, und daß sie darüber befinden, ob fie diesen oder jenen Beamten dauernd anstellen wollen oder nicht. Wenn von mir verlangt wird, ih solle die Kammern an- weisen, dies oder jenes zu tun, so würde ich mich dann wobl erheb- lihen Vorwürfen ausseßen. (Sebr richtig! rechts.)

Meine Herren, ih kann nur wiederholt die Bitte ausspre&en, bringen Sie, wenn Sie glauben, daß eine Kammer den bere®tigten Wünschen nicht nahkommt, die Sache zu meiner Kenntnis. I kann dann eine Klärung der Verhältnisse herbeiführen, und das ist nah meiner Ansicht besser, als wenn wir hier einen Fall herausreißen, dem ih ohne Material gegenüberstehe. Der Herr Vorredner sagt selbft, er habe von diesem Untersuhungëamt in Kiel gehöct, daß es jeßt Geld verdienen solle. Ja, meine Herren, an und für ih freue ih mich, wenn die Institute einer Kammer Geld verdienen; denn die Kammer bekommt das Geld doch nit für sih oder für die Vorstands- mitglieder, sondern sie verwendet diese Gelder zu gemeinnüyigen Zweden, und sie brauht dann weniger Beiträge zu erheben.

Abg. Cahensly (Zentr.) empfiehlt die Förderung des nafsauischen Bauernvereins.

Abg. Wolgast: Die Erklärung des Ministers hat die SaHe prinzipiell geflärt. Einfluß auf die Besoldungen in den Städten übt der Minister wohl.

Zu Unterstüßungen für ausgeshiedene Beamte und für Witwen und Waisen von Beamten der landwirtschaftlihen Verwaltung find 87 000 4 au, wovon 12000 M als künftig wegfallend bezeichnet ind.

Abg. von Pappenheim (kons.) stellt und begründet den A ntrag, die Staatsregierung zu ersuchen, aus der an dieser Stelle im vergangenen Jahre eingestellten, künftig wegfallenden Verstärkung des Unterstütungs- fonds von 12 000 nit nur den auf Grund des §8 des Gesetzes vom 24. Juli 1904 pensionierten Kreistierärzten und deren Hinter- bliebenen, sondern au den früher aus dem Staatsdienst ausgeschie- denen Beterinärbeamten und deren Hinterbliebenen Unterstüßungen zu gewähren.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! JIch hoffe, daß ih der Anregung, die Herr von Pappenheim dur seine Resolution gegeben hat, werde Folge geben können. Jch glaube, daß einige schwierige Verhältnisse, die sich herausgestellt haben, auf diese Weise beseitigt werden können.

Aber ih möchte Herrn von Savigny bitten, aus meinem Schweigen auf seine Anregungen niht etwa meine Zustimmung ent- nehmen zu wollen. Jch habe im Gegenteil immer, auch son in der Budgetkommission, die erheblichen Bedenken hervorgehoben, die ih dagegen habe, bezüglih der Tierärzte seinen Vorschlägen zu folgen, und ih glaube auch nicht, daß, wenn Herr von Savigny solhe

Anträge uoch zur dritten Lesung einbringen würde, fie auf die Zu- stimmung der landwirtschaftlihen Verwaltung und meiner Person renen könnten.

Der Anirag wird angenommen.

Die allgemeinen Fonds werden bewilligt.

Damit ist das Ordinarium erledigt.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikons.) beantra nunmehr (es ist 5 Uhr), die Sitzung S rien und T 8X Uhr E g E, E

: . Ur. von Savigny (Zentr.): Das ist äleret. Wir figen seit 11 Ubr. Das ist lange O E San

Präsident von Kröcher: Ich glaube au, wir haben für beute genug. Es sind zum Extraordinarium noch 21 Redner gemeldet.

Darauf vertagt sih das Haus.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 11 Uhr. (Etat der landwirtschaftlihen Verwaltung, Gestüte, Donna und Forsten.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Sparguthaben bei den russishen Staatssparkassen im Jahre 1904.

In seinem dem Kaiser von Nußland unterbreiteten Beri&t über das Neichsbudget für das Jahr 1905 (St. Petersburg, Dur ctaca der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften) gibt der russische Finanz- minister au zifernmäßige Nachweise über die Lage Nußlands in finanzieller und wirtschaftliher Beziehung für die verflossene Periode des Krieges, unter denen namentlich die Mitteilungen über die Spar-

uthaben bei den russishen Staats\parkassen und deren Zunahme im ahre 1904 von Interesse sind.

Im Jahre 1903 hatte der Zuwachs der Einlagen bei den Staats- sparkafsen seinen Höhepunkt für die ganze Zeit des Bestehens dieser Kassen erreicht: 102,3 Mill. Rubel im Jahr, mit Eins{luß der zu Ende des Jahres hinzugerehneten Zinsen für die Ein- lagen. Das Anwachsen der in den Kassen angelegten Volksersparnifse _sezte sch auh im FSJahre 1904 fort, wenngleich in geringerem Umfang und mit einigen Abweihungen vom normalen Gange des Spargeschäfts. Die vorläufigen Ausweise über Gerl peulagen für fe vis M A des Jahres 1904 im

gleich mit den en fur den entsprehenden Zeitraum der Vor- jahre stellen sih folgendermaßen dar : E 3 ;

Einlagenbestand bei den Staatssparkassen: im Durchschnitt 1904 1903

für das Jabrfünft 1899—1903 Millionen Rubel 920,1 755,7 961,1 791,4 983,2 809,3.

am 1. Januar . at L U am 1. November .

Zunahme dger Einlagen (nach Abzug der Rück- zahlungen):

in der Zeit vom Januar

B 10,7 41

in der Zeit vom Juni bis

D 26 221 17,9

j¡usammenin10Monaten 35,7 631 53,6,

Diese Zahlen ergebén, daß das Resultat der Umsätze in den Staatssparkassen des ganzen Neis für die ersten 10 Monate des Jahres 1904 ein Zuwahs der Einlagen im Betrage von 35,7 Mill. Rbl. war, um 17,9 Mill. Nbl. bezw. 33,4 °/% weniger, als der durschnittlihe Zuwachs für dieselben Monate - des vorher- gehenden JIahrfünfts ausmahte, und um 27,4 Mill. Rbl. bezw. 43,4 °/9 weniger, als diese Steigerung in 10 Monaten des für das An- wachsen der Einlagen ausnahmsweise günstigen Jahres 1903 betragen hatte. Dabei zeigte jedoch diese Bewegung des Spargeshäfts im ahb- gelaufenen Jahre folgende sehr charakteriftische CGigenlümlihkeit : Während im vorhergehenden Lustrum die ersten fünf Monate ih na dem durchshnittlihen Anwachsen der Einlagen am günstigsten ge- staltet hatten und in dem natfolgenden fünfmonatlihen Zeitraum dieses Wachslum um die Hälfte zurückgegangen war, trat 1904 eine entgegengeseßte Erscheinung zu Tage: von Januar bis Juni ergab der Zuwahs einen erheblich unter dem Durchschniit verbleibenden Betrag, stieg aber von Juni bis November um mehr als das Doppelte und übertraf niht allein den durh- \hnittlicen Zuwachs für dieselben Monate des vorhergehenden Jahre fünfts um 7,1 Mill. Rubel, sondern auch den Zuwachs von 1903. Nach den vorläufigen Ausweisen über den Zuwahs der Geld- einlagen allein (d. h. ohne denjenigen Betra der Ein- lagen, der dazu verwendet wird, für die Einleger Wert- papiere anzukaufen, die in den Kafsen zur Aufbewahrung verbleiben) seßte sih die Entwickelung des Spargeschäfts auch in den späteren Monaten des abgelaufenen Jahres fort ; der Zuwachs derGeldeinlagen über- stieg im November und in der ersten Woche des Dezember 9,1 Mill. RbL., während er in denselben fünf Wochen des Jahres 1903 nur 5,1 Mill. Rbl. betragen hatte und für dieselbe Zeit des Jahrfünfts 1899 —1903 im Durchschnitt eine noch geringere Summe darstellte. Was den Zuwachs der Einlagen in zinstragenden Papieren anbetrifft, die zu Gunsten der Einleger für Rechnung ihrer Geldeinlagen angekauft werden, so erscheint im Jahre 1904 bei den herabgegangenen Kursen der Wert- papiere dieser Zuwachs bedeutend größer als in den Vorjahren; er betrug nämlich für die ersten 10 Monate des abgelaufenen Jahres 28 Vtill. Rbl. gegen 22,1 Mill. Rbl. für dieselbe Zeit des Jahres 1993 und gegen 18 Mill. Rbl. an durhschnittlihem Zuwachs der Einlagen dieser Art in den ersten 10 Monaten des Jahrfünfts 1899 1903,

__ Die in den ersten fünf Monaten zutage getretene Verlangsamung in dem Anwachsen der Einlagen findet ihre Erklärung in UÜrsahhen einigermaßen exzeptioneller Natur. Nah den Ausweisen über die Bewegung des Spargeschäfts in den einzelnen Gegenden des Reichs entfallen von der Zuwachsverminderung zu Beginn des Jahres faft zwei Drittel der ganzen Summe auf das Westgebiet (die Ostseeprovinzen, die nordwestlichen, südwestlihen und Weichsel- gouvernements), wobei zu berüdsihtigen ist, daß dieser Rayon in den ersten Monaten des Krieges von der Mobilisation, die eine Zurückziehung der SULIRR N Ausrüstung der Reservemann- schaften und zu anderen damit verbundenen Bedürfnissen im Gefolge hat, unmittelbar niht betroffen worden war. In den Gegenden dieses Nayons trat nach dem Ausbruh des Krieges eine Agitation zutage, die darauf abzielte, unter den Einlegern Beunruhigung hervorzurufen und sie dadurch zur Zurückziehung threr Einlagen aus den Sparkassen zu veranlassen. Diese Agitation, die im Westgebiet einen vorübergehenden Erfolg hatte, ersheint als die Hauptursahe der Cerainglamung des Einlagenzuwachses in diesem Gebiet und sogar eines Abflusses der Einlagen, der übrigens in der zweiten Hälfte des Jahres aufhörte. Jn den übrigen Gebieten des europäischen Nußlands und im Kaukasus machte Fd im Jahre 1904 ein ununterbrochener Zuwahs der Volksersparnifse bemerkbar, wenn au in geringerem Maße als in Friedenszeiten; in Sibirien und in den zentralasiatishen Gebieten aber stieg der Einlagenzuwahs in den ersten 10 Monaten des Jahres 1904 auf das Dreifache gegen- über dem durhshnittlihen Zuwachs für denselben Zeitraum des vor- ger ebenden JIahrfünfts: 12,9 Millionen Rubel gegen 4,1 Millionen.

. 1 022,4 . 1 033,1 . 1 058,1

36,7