1905 / 24 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Postgehilfen, wenn sie in den Postdienst eintreten, das einjährig-frei- willige Zeugnis beibringen.

Abg, von Gerlach (fr. Vgg.): Der Abg. Böckler hat nicht nur eine Herabsezung des Wohnungs8geldzushusses für die Telepho- nistinnen verlangt, sondern auch, daß man reinen Tish mache mit der

rauenarbeit. Das zeugt von einem niedrigen Stand der Beurteilung. ch halte es für wünschenswert, daß die Postverwaltung au beim Scalterdienst den Versuch matte, weiblihe Beamte einzuführen. Die Frauen haben denselben Anspru, in Stellungen zu kommen, die ihren Fähigkeiten entsprechen, wie die Männer. Es ist ein Herren- standpunkt, wenn man sagt, daß die Frauen den Männern die Stellungen wegnehmen. Von Dreéden ift mir ein Notschrei zu Ohren ekommen, daß man den alten Telephonapparat durch einen neuen \{lechter funktionierenden Apparat erseßt hat. Vielleiht schafft der Staatssekretär Abhilfe. Die Statistik über die Sterblichkeits- und Krankheitsfälle ist niht sehr beweiskrästig. Es müßten auch die Todesfälle der pensionierten Beamten aufgenommen werden. In bezug auf die Beamtinnen \cheint mir die Statiitik ein falsches Bild zu geben. Eine 60 jährige Postbeamtin ist mir nicht. bekannt. Es sind bisher sehr viele Kleinigkeiten beim Postetat vorgebraht worden. Das liegt daran, daß diese Dinge durh eine große Or- ganisation noch nicht vorbereitet werden. Ih möchte den Staats- sekretär fragen, ob er nicht geneigt ist, einen F für das ganze Deutsche Reih zuzulassen. In früheren Jahren hat man sich tagelang mit den Beshwerden der Postassistenten be- schäftigt. Das ist jeßt fortgefallen, weil alle diese Beschwerden von den Postassistenten vorweg geordnet werden. Wie es heißt, sollen erst am 1. Juli die neuen höheren Verkehrsstellen eingerichtet werden, die {on am 1. April eingericktet werden sollten. Die Post- assistenten fühlen fich dadurch beunruhigt. Der Staatsfekretär hat die Entziehung der Stellenzulage nah vorgängiger Ordnungsstrafe als verstärkte Strafe bezeihnet. Ih glaube, es müßte auch hier beißen: ne bis in idem. Was die Befkleidungsfrage betrifft, so ist mir der Wunsch ausgesprochen worden, die Landbriefträger möchten ein Sturmband für die Müten erhalten. Wichtiger ist der Wunsch nach Bewilligung von Regenmänteln. Wenn die Landbriefträger wünschen, daß ihr Höchstgehalt von 1000 auf 1200 4 erhöht wird, so ist das durchaus gerehtfertigt. Mit einem Gehalt von 1000 A und einem Woßhnungsgeldzushuß von 72 Æ fkann ein Mann mit seiner Familie nit, auskommen. Die Mißstimmun der Unterbeamten über \{chlechte Behandlung if sehr gro und ihre Klagen darüber um \o berechtigter, als fie feine Organisation haben, um ihren Beshwerden Nachdruck zu geben. Die faufmännishen Beamten haben ja auch eine lange Arbeitszeit, aber sie haben wenigstens die Möglichkeit der Selbsthilfe durch ihre Organisation, sie haben das Streikreht, was den Beamten nicht zu- steht. Die Forderungen des Abg. Trimborn waren wirklich so be- scheiden, daß eine etwas freundlihere Autkunft von der Verwaltung zu erwarten gewesen wäre. Die Vorgeseßten mishen sich in wenig angenehmer Weise in die Verhältnisse der Beamten und Unter- beamten ein. Die Oberpostdirektion hat an die Aemter dritter Klasse die Frage gerichtet, ob fie einen Aufruf nebst Denkschrift erhalten und ob fe diesen Folge gegeben hätten. Wie kommt die Oberpost- direktion zu solcher Frage? Handelte es sich um eine ungebörige Eingabe, fo könnte man auf andere Weise vorgehen. Die Oberpoîst- direftion in Erfurt rügte es, daß die Postbeamten ohne Erlaubnis des Amtsvorstehers nah Erfurt reisten, um fih zu bes{chweren. Die Beschwerde richtete sih aber gerade gegen die Amtévorsteher. Die Postverwaltung sollte nicht im militärishen Sinne geführt werden, fondern es müßten die Postbeamten au als Staatsbürger behandelt werden.

Abg. Raab (wirtsch. Vag.): Die Frage der Frauenarbeit ist noch viel zu sehr Problem, als daß man darüber ein endgültiges Urteil fällen könnte. Ich habe auch Telephonanshluß und kann sagen, daß ih mit dem weiblichen Telephondienst nicht sehr zufrieden bin; ih stand längere Zeit auf dem Standpunkte, daß ich am Montag das Telephon nit in die Hand nahm; am Montag zu telephonieren, war einfa unmöglich. Woran es lag, die Gründe dafür will und fann ih nicht untersuhen. Der Staatssekretär muß diesmal hier recht lange fißen, um sein Gehalt endli bewilligt zu erhalten, aber solange es noch vorkommen kann, daß von deutshen Gerichten angeflagten Postbeamten aus ihren unzureihenden Besoldungen mildernde Umstände bewilligt werden, werde auch ich es mir nicht nehmen laßen, meine Beschwerden vorzutragen. Vor einiger Zeit bin ih in Schlesien Landbriefträgern- begegnet, die eine unförmliche Ohrenklappenmüße trugen. Ich weiß nit, ob die Verwaltung diese Tracht eingeführt hat; jedenfalls sollte sie diese durhaus unmilitärisch wirkende, unschôöne Tracht wieder beseitigen. Die Einrichtung des Briefmarkenheftes sollte auf ihre Durhführbarkeit geprüft, das Bestell- geld für Geldfendungen abgeschafft werden. Auch im internationalen Verkehr follten die Gewichtsgrenzen für einfahe Briefe auf 20 Gramm heraufgeseßt werden. Im Fern'sprehverkebr wäre die Herbeirufgebühr von 25 A im reinen Ortsverkehr zu ermäßigen. Hamburz gegenüber benimmt ih die Postverwaltung nit sehr coulant; es müßte statt 30 Postämter 42 haben, wenn es mit dem Berliner Maß gemessen würde; dabei ist Hamburg viel weitläufiger gebaut als Berlin. Winterhude hat noÿ heute kein Postamt; die Fabriken müssen nah Uhlenhorst bezw. bis in die Stadt hinein ihre Postsendungen s{chicken.

Staatssekretär des Neichspostamts Kraetke:

Mir if nicht bekannt, ob von Winterhude jemals der Anirag gestellt worden ift, daß ein Postamt notwendig sei, und welche Ent- scheidung die Oberpostdirektion in Hamburg getroffen hat. Jch werde mir aber die Akten vorlegen lassen und sehen, welhe Gründe entsheidend gewesen sind. Sonst kann man, glaube ich, nicht tavon \prehen ih glaube, daß die Handelskammer Hamburg das nie zum Ausdruck gebraht hat —, daß die Neichspost- und Telegraphen- verwaltung Hamburg vernachlässige.

Was den Wunsh wegen der Herbeirufungsgebühren im Fernsprechverkehr anbetrifft, so wolle der Herr Abgeordnete doch berücksichtigen, daß es sich um eine neue. Maßnahme handelt, daß man eine gleichartige Gebühr geschaffen hat, gleihviel ob es sich um Herbeirufung einer Person im Ortsbezirk oder im Landbezirk handelt. Es wird von der Erfahrung abhängen, ob es möglich sein wird, diese Gebühr herabzuseßen. Jedenfalls kann der Herr Vor- redner überzrugt sein, daß wir dem Wunsche, wenn angängig, Rehnung tragen werden.

Das Porto für Briefe nah dem In- und das Ausland gleich- mäßig nach gleihen Grundsäßen festzuseßen und besonders das Zwanziggrammgewicht überall durchzuführen, ist ein Wunsch, der von niemand mehr geteilt wird als von mir, und ih hoffe, daß es beim nächsten Postkongrcß möglih sein wird, dem Rechnung zu tragen. VFedenfalls sind wir darin mit von den anderen Staaten abhängig.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf einen Wunsch zurück- kommen, den, glaube ih, der Herr Abgeordnete Dove zum Ausdruck gebracht bat, nämli, daß auch seitens der Vereinigten Staaten von Amerika für eingeschriebene Briefe Ersay geleistet werden möge. Dieser Wunsh if der Postverwaltung der Vereinigien Staaten wiederholt übermittelt worden. Wir haben aber immer nur die Antwort erbalten, daß man noch nicht in der Lage gewesen sei, ein diesbezüglihes Gese durchzubringen.

Es ist dann von mehreren Herren der Wunsh ausgesprochen worden nach Abschaffung des Bestellgeldes. Jch verstehe diesen Wunsch vollständig ; au ih finde es nicht {öôn, daß an zwei Stellen Geld erboben wird, vom Absender und vom Empfänger. Aber ich habe mir bereits gestattet auszuführen, daß augenblicklich eine Aende-

rung sehr \{chwierig ist; denn das Bestellgeld steht in unserem Etat mit ungefähr 19 Millionen Mark. Nun ift die Sache -auh nicht so einfa zu lösen, wie der Herr Vorredner anführt; denn viele Leute bolen ihre Sendungen selbst ab, und die würden sih darüber beklagen, wenn das Porto erhöht würde.

Der Frage der Einführung von Briefmarkenheftchen und von Post- fartenblocks stehen wir sympathisch gegenüber. Es findet augenblidlich eine Prüfung stait, ob ein Bedürfnis dafür vorliegt. Doch wollen die Herren bei diesen Fragen gütigst eins berüdsihtigen: es handelt sih bei der Einführung solcher Hefthen oder Blocks immer darum, daß sie bei sämtlichen Postanstalten eingeführt werden und daß bei einem Wechsel der Beamten zum Zwecke der Uebergabe die einzelnen Sachen alle nahgezählt werden müssen. Liegt nun kcin dringendes Bedürfnis vor, so sind wir deshalb vorsichtig mit der Vermehrung der Wertzeichensorten, um den Beamten die Uebergabe nicht zu er- \chweren. Sie können dagegen einwenden: stellt mehr Beamte an! Aber das if bei kleinen Orten nicht ausführbar. Sie wissen, daß wir da nichti überflüssige Beamten haben. Wir haben übrigens betreffs der Briefmarkenhefte uns bereits an die Handelskammern gewendet, um festzustellen, ob dazu ein Bedürfnis vorliegt und ob von dieser Einrichtung ein allgemeiner Nugen zu er- warten ift.

Bezüglih der vielen Wünsche auf Gehaltsverbesserung von Beamtenklassen dieser und jener Gattung kann ich nur sagen, daß niemand mehr als der Chef der Reichspostverwaltung den Wunsch hat, daß die Beamten mit ihrem Gehalt zufrieden sein können. Aber ih glaube auch, daß darüber, daß nicht alles mit einem Mal er- ledigt werden kann, unsere Meinungen nicht vershieden sind. Vor allen Dingeu muß man ja zunächst wünschen, die Beamten mit dem geringsten Gehalt aufzubessern. Wir haben im vorigen Jahre das Minimalgehalt der Landbriefträger erhöht. Bei unserer Finanzlage fönnen wir aber nur in langsamem Tempo vorgehen. Es hat mich gefreut, daß es dieses Jahr wenigstens mögli gewesen ist, für die unteren Beamten etwas zu tun durch die Erhöhung des Meistgehaltes für die gehobenen Postshaffner. Die Verbesserung der Lage der höheren Beamten und die Herbeiführung der Auëgleihung mancher Härten und wenig wünschenéwerter Unterschiede ist auch mein sehn- lihster Wuns, vnd ih hoffe, daß es mir allmählich gelingen wird, auch nach dieser Richtung hin einen Ausgleih herbeizuführen.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) weist darauf hin, daß der

Staatssekretär die Beshwerden der Polen hinsichtlich der Beförderung ihrer Briefe fast regenaNa zurückgewiesen habe. Die Schwierigkeit entstehe daraus, daß die Poitverwaltung Beamte, die der polnischen Sprache mächtig seien, in das Reich hinauésshicke und im Osten Be- amite anstelle, die die Sprache des polnischen Volkes nit verständen. Es sei zuzugeben, daß mitunter zu viel polnishe Titel auf die Briefe eshricben werden, es gebe aber sehr viele Fälle, in denen die Dennuioa sehr wohl wüßten, an wen die betreffenden Briefe adressiert scien, und sie doch an die ‘Ucbersezungéstelle \{chickten. Jeder auf der Post seines Heimatsortes wisse, daß der Titel Propst im Polnischen ungefähr dem Deut'hen entsprehe, und daß sein, des Redners, Name der einzige fei, der in jenem Orte vorkomme. Die kleinen polnishen Leute seien rit imstande, deutshe Adressen zu schreiben, sie würden aber ges{hädigt, wenn ihre Briefe wegen Erteilung von Bescheinigungen, die sie vor Gericht brauchten, ‘erst an die Uebersetzungéstelle gesendet würden. Solche Verzögerungen empfinde man als eine Schikane. Die Absicht einer Schikane wolle er nit behaupten, aber die Beamten seien - wohl falsch informiert. Die Aenderung vieler Ortsnamen werde zwar durch die Amtsblätter veröffentlicht, gelange aber niht zur Kenntnis der kleinen Leute. Briefe mit der alten Ortsbezeihnung würden aber rit befördert. Die Post- verwaltung sollte ein größeres Entgegenkommen zeigen, als unter dem Staatssekretär von Stephan, und beide Ortsbezeihnungen zulassen. Es follte allen Postämtern ein Verzeichnis der alten Ortsbezeihnungen zugängig gemacht werden. Der Abg. Wallau habe es als eine polnische Ueberhebung bezeichnet, daß die polnishe Sprache als gleich- berechtigt behandelt werde. Auch wünscke man, daß die Polen beide Sprachen lernen; aber das \ci nun vorläufig noch nicht möglich, und diesem Umstand müsse die Verwaltung Nechnung tragen. Die Pofts verwaltung sollte doch nicht Politik treiben, sondern dem Verkehr dienen. Noch vor drei, vier Jahren habe fih kein Mensch beklagt über die Schwierigkeit der Beförderung polniscker Briefsendungen, ein Beweis, daß dre Vebersetzungsstelle ganz überflüssig sei. Vielleicht entshlöfsen sih die Postverwaltungen, nach Erlaubnis der preußischen Verwaltungen, solden Postbeamten, die die polnische Sprache ver- ständen, eine persönlihe Zulage zu gewähren.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Ich bin nicht der Ueberzeugung, daß alles das, was die Polen vorgebracht haben, richtig ist ; ich werde aber auf weitere Ausführungen verzichten.

Damit {ließt die Diskussion. Die Resolution Hize (Er- mäßigung der Fernsprehgebühren für Arbeitsnachweise) wird fast einstimmig angenommen. Ebenso gelangt die Resolution Gröber in ihren drei Nummern (Beschränkung des Sonntags- bestelldienstes, Herabsezung der Maximalarbeitszeit, statistische Erhebungen) mit dem Amendement Eickhoff zur Annahme.

Gegen Nr. 1 stimmen Nationalliberale und Freisinnige.

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Geheimkanzleisekretäre und anderen subalternen und Unterbeamten im Reichspostamt wünscht der

Abg. Erzberger (Zentc.) Besserstelung der Telegraphen- mechaniker im Gehalt und hirsichtlich ihrer gesundheitliGen Ver- hältnisse. Es müßten gute Räume füx sie hergestellt werden.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraectke:

Fh möchte dem Herrn Vorredner erwidern, daß wir die größte Sorgfalt darauf verwenden, für die Mechaniker gute Räume zu hafen, und daß in allen Neubauten vorzügliche Näume hergestellt werden. Es muß aber bei dieser Frage berücksihtigt werden, daß wir eine Dezentralisation vorgenommen haben und daß es darum nicht möglih gewesen ist, überall solche Räume zu stellen, wie wir es wünschen. Was die sonstizen Wünsche des Herrn Vorredners an- betrifft auf Anrehnung der Dienstzeit und tie Zusammenlegung der Arbeitszeit, so bin ih über die Sachlage nicht unterrihtet und muß mir erst Bericht von der Oberpostdirektion einfordern. Die An- gelegenheit wird wohlwollend behandelt werden. (Bravo!)

Bei den Ausgaben für die Betricbsverwaltung (Oberpost- direktionen) führt der

Abg. Kunert (Soz.) Beschwerde über die Verleßung des Brief- eheimnisses im Oberpostdirektionsbezirk Cassel. Der betreffende Brief sei zweifellos von dem Postagenten geöffnet worden, weil der Brief Belastungématerial gegen ihn enthielt. Die Oberpostdirektion habe nicht einmal Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt, obgleich es sich hier um ein Verbreen im Sinne des Strafge!eßbuchs handele. Die Findigkeit der Poft lasse mitunter zu wünschen übrig. Ein nah Mülheim (Ruhr) gerichteter, unbestellbarer und mit dem Namen des Absenders versehener Brief sei diesem nah 16 Tagen noch nicht zurück- gesendet worden. Redner bemängelt zum Schluß das Strafporto.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Mir ist nicht recht klar geworden, welchen Vorwurf der Herr Vorredner gegen die Reichêpostverwaltung richten will durch die An- gabe, die er zuerst gemacht hat. Er hat bier berichtet, daß in einem kleinen Ort im Rhöngebirge ein Brief angekommen ist, von dem ver- mutet wurde, daß er widerrechtlichß eröffnet worden sei, daß die Sahe dann der Casseler Oberpostbehörde vorgetragen ift, und daß die Postbehörde die Sahe weiter untersucht hat. Die Untersuhung Hat ergeben, daß ein Beamter verdächtig, daß die Angelegenheit jedenfalls nit klar war. Die Caffeler Posibehôrde hat die Sache infolgedessen an den Staats- anwalt abgegeben. Die Akten liegen mir augenblicklih nit vor, ih habe sie selbst nit gesehen. - Nun irrt aber der Herr Vorredner, wenn er annimmt, die Oberpostdirektion in Cassel bätte versäumt, einen Antrag zu stellen, und deéhalb sei der Sache von der Staats- anwaltschaft keine Folge gegeben worden. Es if nicht nötig, daß hierbei noch ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt wird; die Straf- verfolgurg tritt ohne Antrag ein. Wenn der Herr Borredner si den 8 354 ansieht, wird er das selbst finden. Nun if der Beamte naher eñútlafsen worden, weil der Verdacht ein so starker war, daß der Betreffende als Beamter nicht belassen werden konnte. Daß ein Beamter einmal gegen das Geseß verstößt, daß ein solher Fall einmal vorkommen fann, darüber wird kein Zweifel sein, aber aus solchem Fall, wie der Herr Vorredner getan, den Vorwurf gegen die Reichspostverwaltung zu erheben, daß fie nicht das Briefgeheimnis achte, ist doch ungerechtfertigt.

Wenn der Herr Vorredner weiter von Strafporto gesprohen und gesagt hat, gegen solhe Schnorrerei müsse eingeshritten werden, fo muß ih gegen diese Ausdrucksweise protestieren. Wenn er sagt, Strafporto sei Schnorrerei, so vergißt er dabei, daß dieses Porto auf Grund von Gesetzen erhoben wird, die der Reichstag und Bundesrat gemeinsam beschlossen haben. Ih meine, es ist wohl nicht rihtig, eine dem Gese entsprehende Handlung eine Schnorrerei zu nennen. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Eickhoff (fr. Volksp.): Gewiß Be bei einer fo großen Verwaltung Disziplin herrshen, und es müssen Beamte wegen Bergehen bestraft werden. Aber au bei der Postverwaltung muß der Grundsaß gelten: ne bis in idem. Der Staatssekretär hat diesen Grundsatz selbst übertreten bezüglich der doppelten Bestrafung eines Beamten. Der Staatssekretär kann eine Höchststrafe von einem Monatsgehalt verbängen, die Oberpostdirektion von höchstens 30 #4 Die Oberpostdirektion in Oppeln hat einen Beamten, weil er den Sglüfsel des Geldschranks niht abgezogen hatte, mit 10 4 bestraft, aber außerdem mit der Zurückseßzung der etatsmäßigen Anstellung um ein Jahr. Das bedeutet eine Einbuße von 2000 (A Eine solche Strafe für ein Dienstvergehen ist viel zu hoh, zu hart.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke :

JIch muß zunächst dem Herrn Vorredner erwidern, daß er mich fals verstanden hat, wenn er aus meiner gestrigen Bemerkung her- leitet, ih bâtte ausgefüßrt, daß Beamte, die bestraft seien, nit be- fördert werden. Darum hat es sih gestern garniht gehandelt, fondern darum, daß eine Zulage dem Beamien, kurze Zeit nahdem er bestraft war, gegeben werden sollte. Die Oberposidirektion hatte es für nötig gehalten, nicht unmittelbar, nahdem diese Bestrafung eingetreten war, und zwar eine {were Bestrafung, eine Zulage zu erteilen. Dazu habe ih besonders angeführt, daß der Beamte kein Recht auf die Zulage hat, daß diese etwas ist, was er niht beanspruhen kann, aber von dem Ausfluß einer Beförderung ist nie die Rede gewesen, und das würde am allerwenigsten meinen Arschauungen entsprehen. Was den zweiten Fall anbetrifft, den der Herr Vorredner erwähnt hat, so höre ih eben, daß der Fall tatsählich vorgekommen ist, er liegt mehrere Jahre zurü; als die Zentralstelle davon Kenntnis erhalten hat, bat sie fich voll- ständig klar gemacht, daß in der Saße etwas weit gegangen ist (hört! hört ! links) und wir sind eben dabei beshäftigt, zu prüfen, ob es fih ermöglichen lafsen wird, eine Milderung eintreten zu lafsen. (Bravo!)

Abg. Kunert meint, daß der von ihm erwähnte Fall kein Unikum sei. Verleßungen des Briefgeheimnisses durhch die Post seien zur Zeit des Sozialistengeseßes wiederholt vorgekommen, als es sih um die Verfolgung der „Autonomie“ und andere Fâlle handelte. Das zeige die Literatur, die man naclesen sollte.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ich muß dem Herrn Vorredner erwidern: ih weiß au jeßt noch nicht, was er eigentlich gewollt bat. Gr hat hier einen Fall, wo eine Verleßung des Briefgeheimnifses vorgekommen sei, vorgetragen ; sobald die Postverwaltung davon Kenntnis bekommen hat, ist eingeshritten worden. Also welher Makel soll an der Post- verwaltung haften? Dch gar keiner. (Sehr richtig! rechts.)

Ich muß mich au dagegen verwahren das ist in dem hohen Hause niht Usus —, daß man, wenn man fo \chwere allgemeine Be- \{uldi gungen wegen Verleßung des Briefgeheimnifses erhebt, keine bestimmten Fälle anführt. Das ift doch keine Art, daß man sagt: lesen Sie die Schrift von Liebknecht, lesen Sie die Märchengeshihlen von König! (Lebhafte Zustimmung rets.) Das ist keine Art, eine Verwaltung, die rein ift von solchen Sachen, öffentlich zu beschuldigen! Wenn Sie folhe Fälle baben, bringen Sie sie an: Sie werden stets finden, daß die strengste Bestrafung eintritt, wenn ein Beamter etwas versehen hat. Das fönnen Sie au aus dem Falle am besten erkennen, den Sie aus dem Rhöngebirge angeführt haben, daß nämlih die Postverwaltung gar kein Interesse daran hat, einen Beamten zu s{ligen, der folche Verstôöße begeht. (Bravo!)

Abg. Kunert: Ih habe bestimmte Fälle angeführt.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ich muß noch eininal wiederhclen, daß die ganze Ausdrucksweise, deren der Herr Abgeordnete sich bediente, dahin ging, der Posft- verwaltung den Makel anzuheften, das Briefgehcimnis sei nicht genügend gewahrt. Mit allgemeinen Behauptungen ist nihts getan ; soweit solde in früheren Sißungen aufgestellt sind, find fie von meinen Vorgängern sicherlih in derselben Weise abgewiesen worden, wie ih sie zurückweise. (Bravo!)

Bei den Ausgaben für die Kassenbeamten der Oberpost-

direktionen empfichlt der Abg. Erzberger, den Rendanten der Oberposikafsen die Mög- lihkeit zu geben, in Postratêsstellen aufzurücken.

Der Titel 19: „419 Unterbeamte“, wird auf Vorschlag des Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) von der Tagesordnung abgeseßt, um später mit den entsprehenden Titeln erledigt zu werden, mit denen sih die Budgetkommission beschäftigt hat.

Bei den Ausgaben für die Oberpostassistenten usw. bittet

Abg. Brubn (Reformp.), den in den Ostseebädern angestellten Beamten gleihmäßig eine Pensionszulage zu gewähren. In Norderney werde eine Gratififation von 200 M gegeben. Die Anstrengung der Beamten sei sehr groß.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ich möchte dem Herrn Vorredner nur kurz erwidern, daß, wie er rihtig ausführte, die nit angeftellten Beamten, welche dorthin gesandt werden, Zushüfse erhalten. Ob und in welher Weise die dort dauernd beschäftigten Beamten von den Oberpostdirektionen be- rücksihtigt werden, wissen wir nicht. Es ist aber sehr wohl mögli, daß die dauerad dort wohnenden Beamten wegen der Teuerung Unter- stüßungen aus denFonds erhalten, die zu geben dieOberpostdirektionen völlig berechtigt find. Wir können von Hier aus nit gut übersehen, wie Die Zahlen, welche der Herr Vorredner anführte als Preise für Fleisch im Sommer, mögen richtig sein; aber es kommt in Betracht, wie die Leben8mittelpreise im ganzen sind, und ob nit die Beamten dort im Winter sehr wohlfeil leben. Viel- leiht sagen \sih die Oberpostdirektionen: die Beamten haben neun Monate lang den Vorteil und nur drei Monate ift es dort cin wenig teurer.

Starke Beschäftigung if dort wohl zweifellos; Herr Vorredner wolle daraus nit ableiten, wir {ickten nicht die ausreichende Zahl an Beamten zur Badezeit hin. Zweifellos is aber Es melden \siŸ sehr viele Beamte nah diesen Badeorten, weil sie gleichzeitig dort die gute Luft baben und die Bâder dort benugzen können.

Abg. Bruhn: Eine Teuerungs83zulage wird nit gewährt; die Zentralinstanz sollte einen Druck CuBiden E O

Bei den Ausgaben für die Vorsteher von Postämtern

odenberg (Zentr.) den Wunsch aus, da ostanstalten II1. Klasse s s

die Verhältnisse dort liegen.

die Tätigkeit dort sehr intensiv.

1ITI. Klasse spricht der

Abg. Freiherr von in den hannoverschen Beamten mehr angestellt werden.

Bei den Ausgaben für die Landbriefträger tritt

Abg. Zubeil (Soz.) für eine Erhöhung des Maximalgehalts der Undbriefträger von 1000 auf 1200 4 ein.

Abg. Dr. Müller - Sagan bittet, auch über diesen Titel nit weiter ¡u debattieren ; er gehöre zu denen, mit denen si die Budgetkommission beshâftigt habe.

Abg. Patzig (nl.) glaubt, daß man diesen Titel jeßt glei - erledigen könne; es handele sih hier um den inneren Dienst. bg. Dr. Müller -Sagan hält seinen Antrag auf Abseßung des Titel3 aufrecht.

Abg. G röber (Zentr.) weist darauf hin, da fommission heute über den Titel handelt habe.

Die Diskussion über den Titel wird von der Tagesordnung

keine weibliden

man in der Budget-

Bei den Ausgaben für Postbeamte und zu Entschädigungen für Dienstunkosten befürwortet

Abg. Graf von Oriola (nl.) eine Aufbesserung der Dienstbezüge Das Marimalgehalt von 750 bezw. 1000 Æ fei zu Man sollte die Postagenten bezahlen je nah dem Umfang Für die alten ausgedienten Agenten könnte vielleiht Mindestens s\ollte man

dieser Beamten.

der Geschäfte. eine Verforgungékasse eingeführt werden. diesen Beamten bei der Invalidenrente mehr entgegenkommen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ih möchte dem Herrn Vorredner nur von neuem für Interesse danken, vaß er dieser Kategorie von Beamten bekundet hat. Ih habe bei früheren Gelegenheiten hier bereits zum Ausdruck ge- braht, daß die Verhältnisse bei den Agenten sehr verschieden liegen, daß die Herren diese Besoldung bäufig gar nicht nötig haben, sondern das Amt gleihsam als ein Ehrenamt mit übernehmen und es ver- Deshalb läßt sih die Saße auch niht s{hematisieren. Ih stimme dem Herrn Vorredner bei, daß einzelne Agenten wenig erhalten und daß

walten lafsen. Agenten betreffs der Räume obliegenden Ausgaben bauen. Ich habe dem Vor- gehen, welches seitens der Postverwaltung jeßt eingeschlagen ift, mich der Zustimmung dieses hohen Hauses erfreuen zu können, weil ih bei früherer Gelegenheit bereits bei Darlegung der Verhältnisse gesagt habe, betreffs des Gehalts werde \sich nit viel machen laffen, es werde sh mehr empfehlen, da die Verhältnisse so ganz verschieden durch Vergütungen für Räume und dergleichen einzelnen Agenten Unterstüßungen zu geben. Nun wollen die Herren nicht glauben, daß wir mit den 150 000 Æ sämtlihe Agenten aufbessern wollten, sondern das ift ein prafktiswer Versuch, der einmal gemacht Wir werden auf dem Wege weiter fortshreiten, und ih hoffe, daß die verbündeten Regierungen dem auch zustimmen werden, wenn sich der Weg als gangbar und praktisch erweisen wird. Bei den Ausgaben für Posthilfsftellen empfiehlt ufbesserung dieser sehr s{lecht bezahlten

Bei dem Zuschuß zu den Kleiderkassen für Beschaffung der der Unterbeamten bittet erger, bei der Vergebung dieser Arbeiten das Hand-

Ee Held (nl.) eine

Dienstkleidun

werk zu berücksichtigen. Der Rest des Ordinariums und die Einnahmen werden

ohne Debatte bewilligt. Das Extraordinarium liegt noch der

Budgetkommission vor. Schluß nah 6 Uhr.

Nächste Sizung Montag, 1 Uhr. (Nachtragsetats für Südwestafrika.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 126. Sißung vom 26. Januar 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Haus scht die zweite Beratung des Staatshaus- haltsetats für das Rechnungsjahr 1905 und zwar nächst die Besprechung des Etats der landwirtschaftlichen erwaltung bei den einmaligen und außerordent- lihen Ausgaben fort.

Zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft in den west- Provinzen (als sogenannter Westfonds) sind 745 000 f, . 000 Æ mehr als im Vorjahre, zur Förderung der Land- und Forstwirtshaft in den östlichen stfonds) 1 120 000 M, d. s. 200 000 V me jahre, eingestellt.

Ueber den Anfang der Besprehung dieser Ausgabetitel bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berihtet worden.

rovinzen (als r als im Vor-

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forften von Podbielski:

Meine Herren! Einer der Herren Vorredner hat die Handels- verträge gestreift und hat angeführt, daß sie angeblih von Wien aus publiziert worden seien. Mir is nihts davon bekannt, und es fehlt mir natürliß auch eine Erklärung dafür, daß diese Publikation von Wien aus erfolgt sein soll. Meine Herren, ich halte mih aber doch verpflihtet, da diese Frage in den leßten Tagen auch in einzelnen agrarishen Blättern gestreift ist und der Staatsregierung dieserhalb verschiedene Vorwürfe gemacht sind, folgendes zu erklären.

Die Vertragêverhandlungen sind naturgemäß von der Reichs- regierung geführt worden und es ist niht allein ein Akt der Courtoisie, sondern auch eine gleichsam staatêrechtliße Ver- pflichtung, daß, ehe dem Bundesrat die Vorlage vorgelegt wird- den einzelnen verbündeten Regierungen diese Verträge zu- gehen, damit sie im Bundesrat Stellung nehmen können. Es liegt also hier nit ein Hinhalten, sondern eine Pflicht der Reichs- regierung vor, nicht eher mit den Publikationen vorzugehen, als bis die einzelnen verbündeten Regierungen Kenntnis von diesen ganzen Veriragsverhandlungen erhalten haben. Ich hoffe, daß diese meine Ausführungen klärend nach dieser Richtung hin wirken werden.

Nun, meine Herren, haben verschiedene der Herren Redner den Westfonds und zuleßt auch Herr von Strombeck dea Ostfonds gestreift. Die allgemeinen Grundsäße gehen dahin, daß Staat und Provinz

Meliorationen niht allein durchführen können, sondern nur für

Meeliorationszwecke Beihilfen gewähren können, und daß zweifellos

die Interessenten in erster Reihe verpflichtet sind, auch ihrer- seits dazu etwas beizutragen. Würde man diesen all- gemeinen Grundsaß verlassen, dann könnten ja gewissermaßen Meliorationen Leuten aufgezwungen werden, die sie niht haben wollen. Ih muß schon aus diesem Grunde daran festhalten: es können nur Beihilfen von seiten des Staats und der Provinz in Frage kommen, und das Projekt als folches muß von den

Interessenten ausgehen.

Nun hat der Westfonds einen wesentlich anderen Charakter als der Ostfonds. Beim Westfonds stehen die Verhältnisse fo, daß Staat und Provinz grundsäßglich ih zu gleichen Teilen an den Beihilfen beteiligen; bei dem Ostfonds liegt die Sache insofern anders, als es fh tatsählich um eine staatlihe extraordinäre Ergänzung des Dis- vositionsfonds handelt, wie er im Ordinarium in den einzelnen Titeln dargelegt isi. Daraus ergibt sh auch, daß im Ostfonds die Beitrags- vfliht nicht die Hälfte beträgt wie in den westlihen Provinzen? sondern daß dort, weil die Dotationen niht genügen, etwas mehr vom Staat aufgewendet wird. Die östlichen Provinzen unter sh werden

ganz gleih behandelt.

Nun, meine Herren, erkenne ih vollständig die Berehtigung der Aus- führungen des Herrn von Savigny und der anderen Herren an, daß in West- falen, in der Rheinprovinz ih glaube, der erste Herr Redner streifte auch das Eichsfeld zweifellos ein Bedürfnis nah Wasserleitungen in den Dörfern aus sanitären und wirtschaftlihen Gründen vorliegt ; es kommt nur in Frage: reihen die Mittel, die wir dafür zur Ver- fügung haben, aus? Zunächst können Mittel durch Erhöhung des Westfonds zur Verfügung gestellt werden ; die Provinz Westfalen z. B. batte vor drei Jahren noÿ einen Staätszuschuß von 120 000 4, im vorigen Jahre 240 000 A, in diesem Jahre 300 000 A Wenn diese Fonds nach Ueberzeugung der landwirtschaftliYßen Verwaltung nit ausreihen, so werde ich mich für verpflihtet halten, bezüglihe An-

träge an den Herrn Finanzminisier zu stellen.

Den erneuten Beschluß der Provinz Westfalen, von dem ge-

\prechen worden ist, in der Wasserleitungsfrage energischer vorzugehen,

kenne ih noch nit; ih behalt? mir vor, ihn zu prüfen und nah Prüfung Stellung zu nehmen. In der Budgetkommission habe ih bereits au8gesprochen, daß, wenn man im landwirtschaftlihen I nteresse die Anlegung von Wasserleitungen in den Vordergrund \chiebt, andere, vielleiht nicht ganz so wihtige Aufgaben, zurückgestellt werden

müssen.

Gegenüber den wieder beantragten Zuwendungen an Bauern- vereine möchte ih auf die mit dem Finanzministerium vereinbarten Grundsätze, betreffend die Fonds zur Förderung der Land- und Forst- wirtschaft in den westlihen Provinzen, erinnern. Diese Grundsäße werden den Herren in den Provinzialausshüfsen bekannt sein; in

Passus 5 heißt es ausdrüdli:

Die Ueberweisung von Geldbeträgen -mit der Maßgabe, daß ihre Verwendung und Verteilung nah der freien Verfügung Dritter

erfolgt, ist ausgeshlofsen.

Meine Herren, ih wüßte au niht, wie ich die Verantwortlichkeit der Oberrechnungskammer gegenüber übernehmen sfollte, wenn ih einem einzelnen Verein einen Fonds zur Verfügung stelle, während ih die Verwendung nicht kenne. Ich kann den Bauernbereinen nur empfehlen, ein Projekt aufzustellen, z. B. für die Fohlenweide, wie einer der Herren Vorredner erwähnte; die Provinz prüft das Projekt und befürwortet es, wenn sie es für rihtig hält, und aus dem West- fonds werden Mittel für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Das ist der allein richtige Weg. Den Vereinen direkt können jedoŸ nie- mals Mittel gegeben werden, sondern sie müssen den Landwirtschafts- fammern gegeben werden. Diese sind doch die Steuerträger und au die Verwalter des Geldes, und Sie, meine

Herren, können unmöglich verlangen, daß man aus all- gemeinen Steuererträgen speziellen Vereinen Zuwendungen macht. Ih habe {hon darauf hingewiesen, wie leiht an anderen Stellen Forderungen mit dem gleihen Net erhoben werden könnten. Es

würde z. B. der Bund der Landwirte, wenn er in irgend einem Bezirk

Hervorragendes leistet, mit dem gleichen Nehte \olche Zuwendungen verlangen können; aber ein Sturm der Entrüstung würde im Lande entstehen, wenn ih darauf einginge. I kann also den Herren immer nur empfehlen, Sonderaufgaben für solhe Vereinigungen in klaren Projekten zu fubstantiieren; ih habe volles Vertrauen in die Einsicht der Kammern, daß sie dann auch Mittel zur Verfügung stellen werden, die Verwendung dieser Mittel wird dann allerdings bis ins kleinste kontrolliert werden; denn die Landwirtshaftskammern sind zu einer sorgsamen Nehnungélegung verpflichtet und müssen der Oberrehen- kammer und mir den Nachweis liefern, daß das Geld für den im Etat festgelegten Zweck verwendet ist. Wo immer Aufgaben für die landwirtschaftliche Verwaltung entstehen, trete ih dafür ein, und ih glaube, das in den vergangenen Jahren betätigt zu haben. In Rheinland und Westfalen sind die Verhältnisse wesentlich anders als in Schlesien und Pommern; wir müssen daher die Zuwendungen provinziell ausgestalten, aber immer dafür sorgen, daß alles öffentliche

Geld unter einer klaren und dur{hsihtigen Kontrolle fteht. Ich wiedérhole also, nur den Landwirtschaftskammern, niht aber den einzelnen Vereinen können Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Abg. von Oldenburg (kons.) dankt dem Minister für seine leßten Ausführungên. Das Geld werde am besten durch die Land- wirtshaftskammern verwendet. Es würde die Bedeutung der Land- wirtshaftékammern wesentlich heruntersegen, wenn es anders wäre und die landwirtshaftlihen Vereine die Verfügung darüber erhielten.

Abg. Bus\ch (Zentr.) erwidert, daß die rheinische Landwirtschaft8- kammer nicht dieselbe Einrihtung habe wie die in Westpreußen. Deshalb sei die Hinzuziehung der Bauernvereine angebracht. Damit

s Buy gesagt, daß nur deren Mitglieder den Vorteil davon haben ollten.

Nach einigen weiteren Bemerkungen des Abg. von Strombeck (Zentr.) werden die beiden Fonds bewilligt.

Zum Ausbau der hohwassergefährlihen Gebirgsflüsse in den Provinzen Schlesien und Brandenburg, zu Verbesserungen an der mittleren Oder und der schiffbaren Strecke der Glaßer Neiße, des Bobers und der Lausißzer Neiße werden als 5. Nate 2 Millionen Mark, das heißt - 1 Million mehr als im Vor- Ia iert S Shmidtlei i M

. Baensch - midtlein (frkonf. spri - wassershubgeseß für S(lesfien. Die Dit liever E a S mission würden sih entsinnen, welche ganz besonderen Schwierigkeiten das Zustandekommen des Gesegzes bereitet habe. Der Redner tritt früheren Ausführungen entgegen, daß die sog. Wassersteuer zu hoh sei. Die Schäßungen erfolgten jedesmal im Einverständnis mit den Gemeinde- vorstehern, und zwar nach dem Zwanzigfachen des Wertes bei Ge- bäuden und dem Sechzigfachen des Grundsteuerreinertrags bei Grund- üen. Die Einschäzungen seien durhaus loyal und mäßig, eine Steuer sei es überhaupt niht. Die Stauweiher nütßten wohl den Unterliegern, könnten aber die oben liegenden Ortschaften, wie z. B. Krummhübel, Schmiedeberg usw., schädigen. Hoffentlih finde die Regierung Mittel und Wege, um einen Ausgleich zu finden.

Abg. Geisler (Zentr.): Die Hoffnungen in meiner Glater Heimat, die sih an die Revision des Flußkatasters knüpften, haben fih leider nit erfüllt. Es sind massenhaft Proteste gegen das Kataster eingelaufen. Ich habe in den Weihnachisferien die Leute aufklären und beruhigen wcllen. Aber es müssen doch Mißstände vorhanden sein, sonst würden die Leute nicht so gegen die Wassersteuer vorgehen. In der Landwirtschaftskammer is die Wassersteuer zur Sprache gekommen, und man hat volles Vertrauen zu dem Herrn Ober- prâsidenten und dem Landeshauptmann bezeigt. Der Oberpräsident hat anerkannt, daß die Grundstücke kleiner Landwirte durch eine jährlihe Wassersteuer von 80 bis 90 Æ erheblih entwertet würden. (Der Redner verliest die längeren Ausführungen des Oberpräsidenten in der Landwirtschaftékammer.) Der Minister möge alle die einzelnen Beschwerden noch einmal einer Nachprüfung unterziehen und ent- scheiden, ob in derselben Weise auf dec Durchführung des Hochwasser- \hußtzgeseßes weiter bestanden werden soll. Vielleicht läßt fh ein Weg finden, daß wieder Ruhe und Frieden in die betroffenen Landes- teile einfehrt.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Den beiden Herren Vorrednern kann ich nur dankbar dafür sein, daß sie beide bestrebt gewesen sind, die Verhältnifse, wie sie in Sglesien liegen, klar zu beleuGten und von ihrer Seite nah Möglichkeit dazu beizutragen, die meiner Ansicht nach unberechtigte Ecregung in weiten Kreisen zu bekämpfen. Ich glaube, meine Herren, daß auf die Zusage, die ih im vorigen Jahre dem hohen Hause gemaht habe, daß ih auf die Provinzialverwaltung nah der Richtung einwirken würde, erneut in eine Prüfung der Katasterveranlagungen zu treten, respektive die Frage der Ueberbürdung zu prüfen und anders zu regeln, daß darauf die Provinzialverwaltung bereitwilligst eingegangen ist. Ich möchte hier nur nochmals, damit es auch in der Provinz Schlesien verstanden wird, klar legen, daß betreffs der Katasterveranlagung die endgültig leßte Instanz der Provinzialrat ist, daß aber anderseits, wenn die Herren darüber klagen, sie seien durch die Wasserabgaben zu sehr belastet, die leßte Instanz ih bin. JIch kann heute hier nur konstatieren, daß bis jeßt noch feine dieser Klagen bis zu mir ge- kommen ist. (Hôrt! bört!) Jch werde aber und das kann ih dem Herrn Vorredner auch bereitwillig zusagen gern nah Möglichkeit die Sache eingehend prüfen und die Verhältniffe darlegen. Der Herr Vor- redner hat {hon eine Sache angeführt, die mir vorliegt, die von dem Herrn Oberpräsidenten eingereiht ift, und da bekommt man doh wirkli einen ganz eigenen Begriff. 90 Besizer beschwerzn sich über zu hohe Veranlagung; von diesen zahlen 56 unter einer Mark halb- jährlich und 28 unter 48 „g jährlih. (Heiterkeit.) Wenn Sie diese Zahlen zusammenhalten, so sind das einmal 56 und dann 28, also zusammen 84 Besigzer, die überhaupt unter einer Mark bezahlen, und nur 6 zahlen mehr! Sie sehen aus diesen Zahlen, wie die Verhält- nisse liegen. Auh scheinen die {betreffenden Bewohner sich nicht darüber völlig im klaren zu sein, daß auf der einen Seite Staat und Provinz 49 Millionen zinslos für ihre Interessen gegeben haben und sie nur die Unterhaltung übernehmen follen. Denn das kann man nicht zulassen, daß der Staat das Geld hergibt und nahhber alles wieder verfällt und dann wieder neue Katastrophen eintreten. Nach meiner Ansicht liegt also die Pflicht für die Beteiligten, die solche großen Summen erhalten haben, vor, nacher wenigstens die Sachen in Ordnung zu erhalten, und daß man bei folchen großen Melioration8aufgaben zweifellos niht jedem Einzelnen das Stückchen Ufer überweisen kann, was er in Ordnung hält, sondern die Allge- meinheit cintreten und dazu beitragen muß, ist ganz klar. Ih glaube also, dieser Pflicht können sich die Anlieger unmöglih entziehen, und für die landwirtschaftlihe Verwaltung tritt, da sie betreffs der Katafter selbst nicht in Frage kommt und nicht zuständig ift, lediglich der § 39 des Gesetzes ein, der ausdrücklich sagt:

Fn Fällen der Ueberbürdung der Verpflichteten hat der Pro- vinzialverband einzutreten und den entsprehenden Teil des fkataster- mäßigen Jahresbeitrages aus eigenen Mitteln zu decken. Darüber, ob eine Ueberbürdung vorliegt, beschließt der Provinzialauss{chuß nach Anhörung der Interessentenvertretung. Gegen diesen Beschluß findet innerhalb 6 Wochen die Beschwerde an die zuständigen Minister statt.

Also so liegt die Sache, und ich kann auch nur sagen, au bez treffs der Ueberbürdung.

Wie einer der Herren Vorredner {on angeführt hat, foll die Ueberbürdung angenommen werden, wenn die Abgabe mehr beträgt als 3 vom Tausend seiner im Kataster geshäßten Werte, oder wenn die Abgabe übersteigt 509% seiner sämtlichen veranlagten direkten Staatssteuern. Nah Mitteilungen, die mir aus der Provinz felbst zugegangen sind, will .man sogar dem Landeshauptmann noch weiter- gehende Vorschläge in, einzelnen Fällen mahen. Ich meine, die Provinz zeigt ein sehr weitgehendes Entgegenkommen. (Sehr richtig !) Fch habe mih gefreut, daß die Herren das Eintreten des Herrn Oberpräsidenten Grafen Zedliß dankbar anerkennen, der hat si

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