1905 / 27 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Jan 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Sciedsgeri{tsverträge müfse Frankrei stark bleiben wie seine Nach- barn, und erwähnte dann die jüngsten Reden Giolittis, Balfours und Noosevelts. Durch die zweijährige Dienstzeit werde man eine aktive Armee von 540 000 Mann s{haffen. Sodann trat er für die Ver- mehrung der Zabl der Unteroffiziere ein, die fapituliert hätten. Es sei möôglih, aus einem Manne einen tüchtigen Soldaten innerhalb zweier Jahre zu machen; das habe auch der preußiscke Kriegs- minister anerkannt. SghließliÞh verlangte er die Ablehnung der von der Kammer beantragten Abänderungen, betreffend die Dauer der Uebungszeit und die Rekrutierung der Reserveoffiziere. Mezières glaubte, daß der Entwurf die Armee nicht stärker mahen werde; er verlangte, daß man, um seine Besorgnis zu beschwitigen, den obersten Kriegsrat befrage. Vicomte de Montfort unterstüßte die Be- merkungen Mezières. Der Admiral de Cuverville tadelte den Entwurf, weil er die Lasten des Landes vermehren und die Armee \{chwächten werde.

Die sozialistische Gruppe der Deputiertenkammer wird heute eine Sißzung abhalten, um endgültig über die Frage zu entscheiden, ob ihre Vertreter an den Versammlungen der republikanishen Gruppen teilnehmen sollen.

In der gestrigen Vormittagésizung der Enquetek omission über den Zwischenfall in der Nordsee sagte der Kapitän des \chwedischen Schiffes , Aldebaran“, Jonss on, aus, er habe an Steuer- bordseite, etwa §8 Meilen nach vorn, ein Licht wahrgenommen ; bei weiterer Annäherung habe er festgestellt, daß dieses Licht von einem Scheinwerfer berrühre, und habe alsbald Kanonenfeuer gebört, obne zu wissen, wobin das Feuer gerihtet worden sei. Das betreffende Schiff habe, näher kommend, fcinen Steinwerfer auf den „Aldebaran“ gerihtet. Etwa 20 Minuten sväter habe er von dem Kartenbaus aus wiederum Geschüßfeuer vernommen und sei daraufhin auf die Kommandobrüdcke etreten. Nun seien zablreide Geshcsse um das Schiff herum ge- allen, sodaß die Matrosen und Offiziere des „Aldebaran* sich bâtten büden müssen, um nit getroffen zu werden, und in dem Kartenhaus Zuflucht gesucht hätten. Der „Aldebaran“ sei an der Balbort seite von einer Kugel getroffen worden, das Schießen habe etwa 15 Minuten gedauert. Die Scheinwerfer bätten es ihm unmögli gemacht, die Vor- gänge auf dem unbekannten Schiffe zu erkennen. Als die Kanonade aufgehört habe, seien die Scheinwerfer erloschen. Da der „Aldebaran“ Feine Havarie erlitten, habe er seinen Lauf fortgeseßt. Wegen der berrshenden Dunkelheit habe er die von dem Krieas’chiffe ein- ges&lagene Fahrtrihtung niht wahrnehmen können. Der russische

Botschaftêrat Nekendorff sagte: Da die Tatsachen, von denen Kavitän SJIonfson berichte, fich außerhalb der Ge- wässer zugetragen hätten, in denen die Fischerboote si befunden, so bâtten sie keinen Bezug auf den Gegenstand,

der die Kommisson beschäftige. Er werde keine Frage an den Zeugen rihten und feinen Kommertar zu seinen Angaben maten, behalte fih aber die erforderlihen Erklärungen vor. Das englische Mitglied der Kom- mission O’ Beirne seßte auseinander, warum er Jonfson als Zeugen habe vernehmen lassen. Er vermute, daß das Torpedoboot, das nah der russishen Erklärung das russise Kriegsschiff „Kamtschatka" angegriffen babe, der „Aldebaran“ gewesen sei. Die „Kam- tíhatfa®* habe dem Admiral Roschdjestwentky durch drahtlose Telegravbie gemeldet, daß sie von einem Torpedoboote angegriffen worden sei: dies sei nach seiner Meinung die Ursache des Zwischen- falls. Der Maswinist des „Aldebaran“ Stromberg bestätigte seinerseits die Aussagen Jonfsons. In der Nachmittagësizurg wurde der Besitzer des Fischerboots „Costella“ vernommen. Er sagte aus, er bate während der Beschießung der Boote einen schwarzen Gegen- stand bemerkt, den er für ein Torvedoboot gebalten babe, er h1be es später als ein Missions\&if erkannt. Vor der Kanonade babe er keinen {warzen Gegenstand auf dem Meere bemerkt. Ueber die Aussage des Besitzers der „Costella“ entspann f eine lange Erörterung. Aus der Ausfage dieses Zeugen ergab si, daß er erft nah 8 Tagen erfahren habe, daß der \{warze Gegenstand das Missionsschiff „Alpbha“ gewesen sei. Er erklärte, daß er einen s{chwarzen Gegenstand gesehen babe, aber er habe nit das Scwbif „Crane* gesehen. Der Zeuge wurde dann den zwei Fischern seines Fahrzeugs Green und Sbirke gegenübergetient. Stirke glaubte ein Torp-dcboot nah der Beschießung zu seben, aber er sah vor der Beschießung keine Fisherboote ohne Licht. Der russis{e Kommissar bemerkte, daß diese Aussage der des Zeugen yor dem Handelzamt widerspreche. Die russishen Offiziere werden beute vor- mittag ihre Ausfagen in russisher Sprahe machen. Die Ausfagen werden dann am Nachmittag überseßt werden.

Gestern abend fand eine von Sozialisten einberufene Versammlung in dem Hause der Avenue de la République Nr. 13 statt, in der gegen die Ereignisse in ST Peters- burg protestiert wurde. Rubanowitsch sprach über die Lage der russishen Proletarier. Jaurès legte

istorish die soziale Entwickelung in Rußland dar. Pressensé emerfte, die Ereignisse in Rußland drängten darauf hin, daß dort demnächst die soziale Demokratie ans Ruder kommen werde. Die Versammlung nahm eine Resolution an, in der der Sympathie mit dem russishen Volke und dem Unwillen über die Vorgänge vom22. Januar lebhafter Ausdruck gegeben wurde. An der Versammlung nahmen etwa 6000 Personen teil. Als die Teilnehmer der Versammlung die Sißung verlassen hatten, wurde gegen das Haus eine Bombe geschleudert, die mitten unter eine Gruppe Polizisten und republikanishe Garden fiel. Durch die Explosion wurden vier Personen, darunter zwei Munizipalgardisten ziemlich erheblih verwundet. Jn der im Erdgeschoß des Neben- hauses gelegenen Wirtschaft richtete die Explosion großen

Schaden an. Sämtliche Spiegel und Fenstersheiben wurden ertrümmert. Die Polizei nahm gegen 2 Uhr in einer

leinen Kaffeeschänke in der Avenue de la République, die als Versammlungsort der Anarchisten gilt, mehrere Ver- haftungen vor. Unter den Verhafteten befinden sich ein den Behörden seit langer Zeit bekannter Anarchist namens Me L ferner ein Angestellter der Zementfabrik namens

ailly und der Student der Rechte Chevalier, der cine kleine Brandwunde an der Hand hat. Die Verhafteten leugneten entschieden, irgend welchen Anteil an dem Anschlag gehabt zu haben. Gegen 3 Uhr früh wurde der Sekretär des Arbeiter- verbandes für die Nahrungsmittelbranhe Autourville als verdächtig in Haft genommen.

Um 21/5 Ühr in der leßten Nacht entdeckten Polizisten in dem vom Prinzen Trubeßkoi, einem der russischen Botschafts- sekretäre, bewohnten Hotel Long ein Gefäß von brauner Farbe, aus dem eine Röhre herausragte, die eine brennende Lunte enthielt. Die Polizisten löschten die Lunte und benachrihtigten den Polizeikommissar. Die Bombe war klein und mit Glas gefüllt. Sie hatte die Form einer Flashe und zwei Röhren, pon denen die eine von Metall, die andere von Glas war und eine Säure enthielt. Die Bombe war sehr mangelhaft kFonstruiert; man ist der Meinung, daß fie feinen großen Schaden hätte anrihten können. Die Polizei vermutet, daß die Bombe von irgend einem exaltierten russischen Flüchtling hingelegt worden sei, der das Hotel Long für seinen Anschlag ausgewählt habe, weil das Gebäude der russischen Botschaft zu jorgfältig bewacht werde.

Rußland.

Ueber die Lage in den größeren Städten Rußlands liegen heute folgende Mitteilungen des „W. T. B.“ vor:

In St. Petersburg haben gestern die Arbeiter der Newsky-Maschinenfabrik, der Jutemanufaktur Lebedew, der

Sampsonjew-Manufaktur, der Fabrik James Beck und der Mechanishen Schuhfabrik die Arbeit aufgenommen. Auf den Putilowwerken arbeiten mehr als die Hälfte der An- gestellten, in kleineren Werkstätten über drei Viertel. Jn der Fabrik vón Nikolksi nahmen 1000 Mann die Arbeit wieder auf, legten sie jedo bald wieder nieder. Es sind noch 20000 Arbeiter von Privatfabriken ausständig. Jn der Petersburger Waggonfabrik haben die Arbeiter die Arbeit gestern eine Stunde früher, als ihnen vorgeshrieben war, eingestellt und erklärt, sie würden heute eine Stunde später beginnen und eine Stunde früher aufhören.

In Moskau isst die Arbeit überall wieder auf-

genommen worden, ausgenommen in den Fabriken Bromley und Prokhoroff. Im allgemeinen haben die Fabriken Zu- geständnisse gemaht. Am Sonnabend hat eine Versamm- lung von 500 Studierenden der Ackerbauakademie statt- gefunden, um Kundgebungen für Sonntag vorzubereiten. Aber die zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Maß- nahmen verhinderten die Kundgebungen, zumal Schneefall sich einstellte. Mehrere Gruppen wurden durch die Polizei erstreut. y In allen Mühlen und in einigen Fabriken von Saratow ist die Arbeit wieder aufgenommen; die Pferdebahn verkehrt wieder. Vermutlih werden die Eisenbahnarbeiter heute oder morgen wieder anfangen zu arbeiten.

Der Verkehr in Warschau ist vollständig eingestellt. Sämtliche Restaurants und Cafés sowie die Läden sind ge- schlossen. Jn vielen Läden, Jnstituten und Bureaus sind die Fenster eingeshlagen. Die Zahl der Opfer bei den vorgestrigen Unruhen ist niht genau bekannt; man |chäßt sie auf 160 Tote bezw. Verwundete.

Durch Anordnung des Generalgouverneurs von Warschau sind das Gouvernement Lodz und das Gouvernement Petrokow unter verstärkten Schuß gestellt worden. Die Regierungsgebäude und die großen Fabriken werden militärisch bewacht; die elektrishen Leitungen sind zerstört.

In Mitau dauert der Ausstand fort. Von der Garnison ist eine Kompagnie nah Windau geschickt worden. Bei den in Mitau vorgekommenen Unruhen wurde ein Polizeibeamter verwundet. Die Truppen haben von der Waffe noch keinen Gebrauch gemaht. Von Wilna wird ein Bataillon Jn- fanterie und eine Batterie nah Libau geschickt werden.

Die Arbeit ist in Libau in einigen Fabrilen wieder auf- genommen worden; ernstliche Ruhestörungen haben sich nicht ereignet.

Infolge des Streiks der Arbeiter ist in Windau die Beladung und Löschung der Dampfschiffe eingestellt worden. Bisher sind keine Ruhestörungen vorgekommen, obgleich die Ar- beiter einen Umzug durch die Stadt hielten.

Die Arbeiter der Flahsmanufaktur in Nar wa sind gestern in den Ausstand getreten.

Das Hofgericht in Abo hat dem Senat einen Bericht überreiht, nah dem der Gouverneur von Nyland, General: major Kaigorodow wegen Uebertretung der Amtsgemwalt vor Gericht gestellt werden solle. Ein ähnliher Bericht liegt dem Senat vom Wiborger Hofgericht gegen den Gou- verneur von Wiborg, Staatsrat Mjasojedow vor.

Ftalien.

In Beartwortung der, Fnfragen Bentinis und neun anderer sozialistisher Deputziigziten üher das Verbot der Volkëkund- gebung, die in Rom.+organt}siert war, um gegen die Ereignisse in St. Veteréburg zu Protestieren und die Sympathie mit dem ruffishen Volke auszudrüdcken, erklärte, dem ,„W. T. Bi“ zufolge, in der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer der Unterstaatssekretär im Mini- sterium des Innern di San? Onofrio, Gründe des internationalen An- stands gegen eine Regierung, mit der Italien durch freundsaftlihe Beziehungen verbunden sei, und Gründe der öffentlihen Ordnun rehifertigten das Verbot, das nicht allein gesezmäßig, sondern us dur die Unordnungen geboten gewesen sei, die sich vorgestern infolge der Beteiligung gefäbrliher Elemente ereignet hätten. Diese Unordnungen seien lediglih infolge des taftvollen Verkaltens ter Polizeibeamten nicht in {were Rubestörungen ausgeartet. Wenn shwerere Unruhen si ereignet bâtten, würde die Verantwortung dafür auf die Veranstalter fallen. Der Unterstaaté#sekretär fügte hinzu, zwei Polizeibeamte seien verwundet, zehn leihter verleßt worden. Gr glaube, dies genüge, um zu zeigen, welche shlechten Elemente unter den Manifestanten gewesen seten.

Der Deputierte Scipion Borghese hat die Mit- glieder der Deputiertenkammer aufgefordert, eine Re- jolution zu unterzeichnen, in der der Wunsch ausgesprochen wird, der Menschheit möge die s{hmerzliÞze Unbill erspart bleiben, daß Gorfi und seine Genossen zum Tode verurteilt würden. Die Resolution, die bereits von sechzig Deputierten unterzeihnet ist, soll der Regierung zur Mitteilung an die russishe Regierung, oder wenn der Minister des Aeußern hle zurückweise, der russishen Botschaft direki übermittelt werden.

Serbien.

Wie das Wiener „Telegr.-Korr.-Bur.“ aus Belgrad meldet, hat die Regierung in einer Bekanntmachung erflärt, sie besiße niht anzuzweifelnde Versicherungen, daß die an der Tat vom 11. Juni 1903 beteiligten Offiziere zu der von dem früheren Chef der Preßverwaltung Balugdschitsch ins

Werk gesezten Kampagne gegen die Regierung in feiner Beziehung ständen, daß dise Offiziere die Kampagne

sogar verurteilten, weil sie das Vertrauen in die konstitutionelle Ordnung, untergrabe und auf die großen durch die Tat vom 11. Juni erworbenen Errungenschaften einen Schatten werfe. Die Offiziere hätten sich bisher weder in politische Fragen, noch in die Verwaltung des Landes eingemisht und würden dies auch in Zukunft niht tun. Jndem sie ihr Leben für die Rettung Serbiens vor der Anarchie und dem Unter- gange eingeseßt, hätten sie ein von ganz Serbien gebilligtes Werk vollbracht. Sie hätten nach der Tat die Verwaltung des Landes einer aus allen Parteien gebildeten Regierung übergeben und sih seither in keine Staateangelegenheiten ein- gemischt. Dänemark.

In der gestrigen Sizung des Folkething wurden, wie „W. T. B.“ erfährt, bei der Wahl des Präsidenten 96 Stimmen abgegeben, von denen 61 auf den bisherigen Präsidenten Trier fielen, während 35 Zetiel unbeshrieben waren. Trier er- flärte, daß er, da die Lage sih niht verändert habe, seitdem er das Folfething gebeten habe, ihm den Posten des Prähdenten abzunehmen, es ablehne, die Wahl anzunehmen, und seßte sodann die Wahl des Präsidenten auf die Tagesordnung der heutigen Sißung.

Amerika. Der Prôöfident Roosevelt hat, wie das „Reutersche

Bureau“ erfährt, dem Kongreß eine Botschaft übersandt, in :

der er sagt, daß seit dem Jahre 1886 keine Statistik über Ehescheidungen aufgestellt worden sei. Die An- sicht sei weit verbreitet, daß die Ehescheidungsgeseße zu lax seien und in einzelnen Staaten mangelhaft gehandhabt würden, worunter die Achtung vor der Heiligkeit der Ehe leide. Er hoffe, daß die vershiedenen Staaten gleichmäßig am Ausbau der Gesetzgebung über die Ehescheidung tätig sein würden, um den Schuß des Familienlebens zu sichern. Eine derartige Gesehgebung werde durch eine zuverlässige Statistik gefördert werden.

_ Bei einer Besichtigung der Marineakademie sagte gestern der Präsident Roosevelt, keine Nation sei so frei von der Gefahr des Militarismus, wie die amerikanische, Jeder Friedensfreund werde herzlih wünschen, daß die dem Senat vorliegenden Schiedsgerichtsverträge Geseg würden, Amerika wünsche den Frieden niht aus Furcht vor dem Kriege, sondern weil das amerikanishe Volk die unveränderlichen Geseße der Gerechtigkeit liebe. Der Präsident machte dann die Schüler darauf aufmerksam, daß es ihre Pflicht sei, gut schießen zu lernen; in den modernen Kämpfen zur See seien die Besicgten niht aus Mangel an Mut,’ sondern aus Mangel an Vorbereitungen oder aus Mangel an Verteidigungsmaß- regeln unterlegen.

Die qilenische Regierung beabsichtigt, dem V. D. B“ ufolge, im Parlament verschiedene Maß- nahmen durchzuführen. Der Finanzminister wird seine

Tätigkeit hauptsählich auf die Umwandlung der aus- wärtigen Schuld und die Verbesserung des Zoll: dienstes rihten, während der Minister des Aeußern die Frage der Einwanderung behandeln wird; er s{lägt vor, solchen Kolonisten, die Kapital besißen, Ländereien in den landwirischaftlihen Distrikten anzuweisen.

Asien.

Der General Kuropatkin hat, wie „W. T. B.“ be- richtet, unter dem 29. d. M. gemeldet :

Am 28. Januar um 7 Uhr Abends- griffen die Japaner au beiden Seiten der Eisenbahn an; nach einer Stunde wurden fie des Artillerie, und Gewebrfeuer zum Rüdckzug genötigt. Auf unserer Seite wurden drei Soldaten getötet, drei Offiziere und 32 Mann vers wundet. Zur gleichen Zeit rückte der Feind auf der Mandarinen- straße gegen Sandioza vor, stellte das Vorgeben aber später ein. Um 54 Uhr Abends an demselben Tage wurde der Angriff auf Santaigze und Labatay östlih von Sandepas eröffnet. Nach vorbereitendem Artilleriefeuer wurde Santaiße vollständig, Labatay zur Hälfte ein-

enommen. Unsere Verluste waren unbedeutend, die Haltung der Truppen ausgezeichnet. In der Dämmerung zogen fich unsere Abs teilungen, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt batten, nah Ch ouandi zu- rück. Die Japaner verfolgten uns nicht. Am 27. Januar stieß

eine unserer Kolonnen bei Khbeigoutay auf feindliche In- fanterie, von der sie beshossen wurde. Die Japaner zogen sich in fluhtarligem Rüdzuge nah Südwesten zurück. Wir

verfolgten sie und zwangen sie, \sich aus einigen Dörfern zu- rückzuziehen. Unsere Kolonne näherte sich dann Landugou, das von einer Abteilung Japaner mit Artillerie besezt war. In dem Kampfe, der sih entwickelte, griffen die Japaner eine unserer Batterien unter dem Feuer der Artillerie an. Ein Kavallerieregiment griff die Japaner an und zog die Aufmerksamkeit des feindlichen Artillerie- und Infanteriefeuers auf sh; wir erhielten Verstärkung und zogen uns darauf zurüd.

Ein Telegramm des Generals Grippenberg an den Kaiser vom 29. d. M. jagt:

Teile der zweiten Mand)\chureiarmee ergriffen am 25. Januar egen den linken Flügel des Feindes die Offensive, nahmen die be- festigten Dörfer Hudsigoutse, Tshitaiße, Namykey, Khailotoza und Kboanagantan; um 11 Uhr Abends, na einem blutigen Kampf, wurde Kheigouta i in Besitz genommen. Am 29. Januar bescßten wir Santaitze und Labatav; es gelang uns aker nit, Landepas ju nehmen, da die Japaner, teilweise verstärkt, die Offensive ergriffen. Auf der ganzen Front zwisben Kbeigoutay und Sandepu dauerte der Kambvf zwei volle Tage. Alle Angriffe wurden durh die Truppen zurüdckgeshlagen. Die Tapferkeit ist über jedes Lob erhaben. Die Generale Mischtschenko und Kondratrowitsh sind leicht ver- wundet, die Haltung der Trupven ist ausgezeichnet.

Der „St. Petersburger Telegraphen-Agentur“ wird aus Sachetun vom 29. d. M. gemeldet:

Der Angriff der Japaner bei Landugou wurde zurüd- geshlagen, doch wurde die Kavallerieattade des Dagestan- regiments, das gegen eine japanische Batterie vorgegangen war, durch feindlih:s Strapnell- und Gewehrfeuer zum Stehen gebracht. Die Verluste auf russischer Seite in der Zeit vom 25. bis 28. Januar betrügen 10000 Mann, dies sei nur ein geringer Teil der an den Kämpfen beteiligten Truppen. Die Verluste der Japaner seien sehr roß: mebr als 300 Japaner seien gefangen genommen worden.

Die japanishe Gesandtschaft in London ver- öffentliht die Antwort der japanishen Regierung auf die jüngste Mitteilung Rußlands an die Mächte, betreffend die Neutralität Chinas. Es heißt darin, es sei nicht die Pfliht der japanishen Regierung, China gegen die Beschuldigungen Rußlands zu vertetdigen. Da aber die Beschuldigungen die Loyalität Japans seinen Verpflichtungen gegenüber in Frage zögen, so sehe fi die japanische Regierung genötigt, fie zurückzuweisen. Das Com- muniqué weist die Beschuldigungen sodann einzeln zurück und führt einige echeblihere Fälle der Verlegung der Neutraliiat Chinas seitens Rußlands an.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gefirigen Sigungen des Neichstags und des vuie) ág der Abgeordneten befinden sich in der Érsten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (130.) Sißung des Reichstags, welher der Staatssekretär des Reichsshaßamts Freiherr 098 Stengel beiwohnte, wurde die Spezialberatung des zweiten Nachtragsetats zum Etat für die Shußzgebiete für 1904 Gas Ausaaben für das südwestafrikanisht Schußgebiet) fortgeseßt. n

He08 Summe von 85 031 000 /& für Ausgaben infolge Verstärkung der Schußtruppe zur Unterwerfung des Ein- aeborenenaufstandes ist gestern bereits bewilligt worden. Die dritte Rate von 11/2 Millionen zur Wieder? erstellung der Eisenbahn Swakopmund—Wind- hut usw. wird ohne Debatte bewilligt. Zur

eshleunigung -des Baues der Otavi-Bahn bis Omarurs sind 13// Millionen angefordert. Die Kommission hat die Bewilligung empfohlen, aber gleichzeitig folgenden Zusa zum Dispositiv vorgeschlagen:

„Soweit aus dieser Summe Au?gaben bestritten worden sind, welche nicht ledigli dur die Mehrkosten der Beschleunigung dt Baues verursacht sind, sondern zu dauernden Anlagen verwez wurden, sind dieselten zurü djuerstatten,“ @

Der Berichterstatter Abg. Prinz von Arenberg B 1 refapituliert die Kommissionsverhandlungen über diese Position.

Abg. Dr. A rendt (Reihëp.): Wenn das Geld noh nit ver- ausgabt wäre, würde ich wahrscheinlich zur Ablehnung der Forderung gelangen müffen, weil ih der Ueberzeugung bin, daß im Vertrage mit der Firma Koppel die Interessen des Reichs nicht genügend gewahrt fu und der Vertrag den beabsichtigten Zweck nicht erreichen

ilft. Da es sih aber um bereits verau2gabtes Geld handelt und wir Indemnität bewilligen wollen, so kann ih niht zur Ablehnung gelangen; ih kann aber au nicht zugestehen, daß eine besondere Nots- lage die Stipulation gutheißt. Der General von Trotha hat aller- dings im Juli 1904 telegrapbiert, daß die Herstellung der Otavibahn mindenstens bis Omaruru mögli bis November sichergestellt werden sollte. Heute stehen wir vor dem 1. Februar, die Fertigstellung ist für Mai in Aussicht genommen, also das Ziel des Vertrages, die Fertigstellung bis Ende Dezember nicht erreiht. Denn im Juli 1904 fonnte man nicht siher voraussegen, daß im Sommer 1905 noch ein militärisches Interesse an diesem Bahnbau vorliegen würde. Daß die Fertigstellung nicht rehtzeitig erfolgte, daran sind die Stipulationen s\{uld, die lediglih die Interessen der Firma Koppel sichern. Ehe ih den Verirag kannte, hatte ih angenommen, daß die Bestimmurg, nach der eine Konventionéstrafe von 2500 für jeden Tag Verspätung seitens der Firma verwirkt sein solltz, wenigstens ein fleiner Ersaß sein würde; jeßt zeigt es sich, daß au diese Bestimmung nur zu Gunsten der Firma stipuliert ist, weil jeder weitere Schadenersaganspruchß gleichzeitig ausgeshlossen ift. Die Bedingungen sind im übrigen aber so formuliert, daß eine wirk- lie Strafzahlung nit eintritt, auch wenn die Bahn noch \o spät fertig wird. Jch muß also mein Bedauern über den Vertrag wieder- bolen, wie au darüber, daß er die Billigung des Kolonialamts gefunden hat. Die hier verausgabten Summen sind vollkommen nußlos tuengegeven; daß der Bau an sich für die Verproviantierung des Nach- \{hubes an Truppen unerläßlich ist, dieser Erkenntnis verschließe ih mi keineswegs. Ich bedauere ferner, daß nicht wenigstens diese Gelegenheit benußt worden ist, um nach allen gemahten Erfahrungen die Frage der Spurweite wenigstens einigermaßen ge- nügend zu regeln. Hätte man 1 m Spurweite und niht die Shmal- spur genommen, so würde bedeutend zu sparen gewesen sein und die Be- wältigurg des Aufstandes wäre bedeutend erleihtert worden. Müssen doch noch Haupttruppen neben der Bahn zu Pferde von Swakopmund ins Innere befördert werden. Der Einwand, daß das Kolonialamt auf die Otavibahngesellshaft in dieser Beziehung keinen Einfluß babe, kann nicht stichbalten; in der Konzession ist die -Meterspur vor- esehen, daran konnte au bei sonstigen Vertragsmodifikationen das

olonialamt festhalten. Der von der Kommission beshlosfsene Zusaß [es mir nit angemessen, weil er praftisch ganz unausführbar t. Das Zentrum hatte in der Kommission zuerst eine sehr scharfe Sprache gegen den Vertrag geführt und ihn sogar für rehts- ungültig erklärt; über Nacht trat cine Erleuchtung ein, und man lenkte ein. Der galus, der uns jeßt vorliegt, ist noch aus der feindlihen Zeit stehen geblieben; man hat ihn wohl steben lassen, weil man sich überzeugt hat, daß er keinen Schaden anrichten kann. Wie soll nun aber festgestellt werden, was Mehrkosten sind zur Be- s{leunigung des Baues und was nicht ? Wie soll festgestellt werden, welches Interesse die Firma Koppel daran hatte? Solche Aufgaben sollten wir dem Rehnungsbof nicht stellen, an deren Lösung er gar nicht herantreten kann. Nimmt man die Indemnität an, so ann man auf solche unzulänglichen Handhaken zur Einrenkung des det “véngi des Hauses verzichten. Ich bitt: dahzr, den Zusay ab- zulebnen.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Direktor der Kolonial- abteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel das Wort.

Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (129.) Sißung, welcher der Justizminister I bei- wohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1905 im Etat der Justiz- verwaltung und zwar im Kapitel der Landgerichte und Amtsgerichte bei den Besoldungen der Landrichter und der Amtsrichter fort.

__Abg. Krause- Dawillen (kons.) erklärt sich gegen die Bildung größerer Amtsgerichte auf dem platten Lande, durch welche dessen Bewohnern die Rechtspflege ershwert werde, da besondere Gerichtstage angeseßt würden und die Rechtsuhenden weite Wege zurücklegen müßten. Die Amtsrichter müßten auf dem Lande längere Zeit festgehalten werden, um in der Bevölkerung praktishe Erfahrungen fammeln und praktishe Rechtsprehung üben zu können. Ferner bittet der Redner um die Errichtung eines Amts- gerihts in Dawillen und bemängelt die Höbe der Gerichtskosten, unter denen der kleine Mann s{hwer zu leiden habe.

Justizminister Dr. Schönstedt: Ein Antrag von Dawillen ist uns bisher niht zugegangen, sodaß wir noch gar nit in der Lage ge- wesen sind, die Frage zu prüfen. Die Notwendigkeit der Errichtung neuer Amtsgerihte wird ‘von Fal zu Fall erwogen. Wir ftehen ins- besondere dem WuÄ-sh nach Errichtung einstelligzger Amtsgerichte wohlwollend gegenüber. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß in einz-lnen Orten die Einrichtung folher Amtsgerichte seine Schwierizkeiten hat. Wir tun jedoch alles, was möglich ist, um der Bevölkerung entgegenzukommen; denn wir verkennen nit, daß es sehr erwünscht ist, daß der Nichter in nähere Beziehungen zu den Ein- gesessenen tritt und deren Anschauungen kennen lernt.

Bei den Besoldungen der Staatsanwälte empfiehlt

Abg. Schiffer (nl.) eine Entlastung der staatsanwalt|chaftlichen Beamten vom Shreibwerk durch Uebertragung von Arbeiten an die Bureaubeamten.

Justizminister Dr. Schönstedt erwidert, daß über diese Frage bereits Erwägungen \{chwebten. Allerdings kämen hier niht nur rein mechanishe Arbeiten in Betracht, aber hoffentlich werde doch ein Weg zur Erleichterung der Staats8anwälte gefunden werden.

Bei den Besoldungen der Amtsanwälte bittet

Abg. Krau se- Waldenburg (fr. kons.), die Kosten der Stell- vertretung der Amtéanwälte auf die Staatskasse zu übernehmen.

Regierungskommissar, Geheimer Oberjustizrat Friße: Ein Teil der Amtsanwälte ist etatsmäßig angestellt und hat die Vorteile etats- mäßiger Beamten. Der andere Teil, den der Vorredner im Auge hat, erhält eine Remuneration, und diese hat nicht den Charakter einer Vergütung für die persönlihe Tätigkeit, sondern für die Gesamtkosten des Amtsanwalts einshließlich der Bureaukosten, also auch der Stellvertretungskosten. Nur einige Amtsanwälte, die besonders stark beshäftigt sind, werden ebenso behandelt wie ständige

iâtare. ger die übrigen, die nur nebenamtlich tätig sind und nur etwa eine halbe Stunde täglih in Anspruch genommen werden, von den Grundsäßen der Remuneration abzuweihen, würde Schwierig- keiten mahen. In einigen Fällen sind aber die Stellvertretungskosten ihnen billigerweise erseßt worden.

Abg. Kir \ch (Zentr.) bemängelt eine Verfügung des Landgerichts- präsidenten in Trier, durch welhe de Grundbu riter ezwungen würden, eigenhändig stundenlang Eintragungen in die Grundbuch- pabellen vorzunehmen. In der Rheinprovinz komme es Bug vor, kleine, wertlose Parzellen eingetragen werden. Eine solche Arbeit ei sehr zeitraubend und widersprehe dem Grundsaße, daß Richter dom Schreibwerk möglihst zu entlasten sud, :

Geheimer Oberjustizrat Frige: Eine solhe Verfügung ist uns niht bekannt, sie würde auch nit den Intensionen des Justizministers entsprehen. Der Fall wird geprüft und das Geeignete veranlaßt werden, um die Grundbuchrichter zu entlasten. Die Verfügungen hat f Grundbuchrichter allerdings eigenhändig zu entwerfen, aber es ist b t nôtig, daß er jede Eintragung mit eigener Hand in die Grund- udtaktellen bewirkt. :

Bei den Ausgaben für die Bureaubedürfnisse bittet j Abg. Freiherr von Willisen (kons.), bei den Lieserungsverträgen nit nur einige große Firmen zu bedenken, sondern au den mittleren

und kleinen Gewerbetreibenden Aufträge zu geben. Es sei von großer sozialpolitisher Bedeutung, auch den kleinen Leuten 4 Ruben s Staatslieferungen zugänglih zu machen.

Geheimer Oberjustizrat Fritze: Die Justizverwaltung ist mit diesen Ausführungen durchaus einverstanden. Für sie gelten keine besonderen Vorschriften, sondern die allgemeinen Vorschriften für die ganze Staatëverwaltung. Die Ausschreibungen sollen danach so erfolgen, daß au die kleinen Gewerbetreibenden \ih beteiligen können. Das findet natüulich seine Grenze darin, ob besonders die kleinen Lieferanten zu demselben billigen Preise liefern können. Es muß in jedem einzelnen Falle der rihtige Ausgleich gefunden werden.

__ Abg. Pallasfe (fons.) wünscht, daß die Gerichte mehr als bisher mit telephonishen Anschlüssen versehen werden.

Justizminister Dr. Schönstedt: Daß die Einrichtung von Telephonanschlüssen bei den Gerichten nüßlich ist, daran ist kein Zweifel. Die Verwaltung steht diejer Einrihtung wohlwollend gegenüber. Die betreffenden Anschlußgesfuhe bedürfen der Ge- nehmigung des Oberlande8gerihts. Es sind mir Klagen nicht be- S a daß solhe Gesuche nicht berücksihtigt worden seien.

| bg. Dr. Beer (Zentr.) unterstüßt den Wunsch des telepho- nishen Anschlusses sämtliher Amtsgerichte. Für die Feuersihherheit der Gerihtsgebäude müsse besondere Vorsorge getroffen werden.

Abg. Peltasohn (fr. Vgg.) äußert sih in ähnlihem Sinne.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Eisenbahnen in PIEuTO My Dessen Provinzen Ende ärz i

_ Nah dem beiden Häusern des Landtags unterbreiteten „Bericht über die Ergebnifse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessishen Staatseisenbahnen im Rechnungsjahre 1903“ betrug die Bahnlänge der dem ôffentlihen Verkehr dienenden voll- spurigen Staat3eisenbahnen in der Betriebs8gemeinschaft Ende März 1904 33 262,52 km, ohne die i. J. 1903 vom preußischen Staate erworbenen Privateisenbahnen (958,97 km) 32 303,55 km, gegen 31 987,23 km Ende März 1903. Die preußischen voll- spurigen Staatseisenbahnen für öffentlichßen Verkehr in der Betriebs- gemeinshaft also ohne die von der Großherzoglichen Eisenbahn- direktion in Oldenburg verwaltete vollspurige preußische Wil- helmshaven - Oldenburger Eisenbahn (52,38 km), ohne die dem preußischen Staate gehörenden obershlesishen und die thbüringishen Schmalspurbahnen für den öffentlihen Verkehr (184,84 km) und ohne die nicht für den öffentlihen Verkehr bestimmten voll- und s{chmalspurigen Anshlußbabnen (389,88 km) hatten eine Bahnlänge von 32 051,35 (Ende März 1903 30 788,87) km, die hessischen eine Babnlänge von 1172,39 (Ende März 1903 1139,58) km, und 38,78 km find badischer Besiy (Anteil an der am

1, Oftober 1902 in die preußische he\ssische Verwaltung übergegangenen Main-Nedckar- Eisenbahn). Von den dem öffentlihen Verkehr dienenden Vollspurbahnen in der Betriebsgemeinshaft waren 20 867,95 km = 62,74%/ Haupteifenbahnen (davon 20 050,62 km preußischer Besiß), 12394,57 km = 37,26% Nebeneisenbabhnen (davon 12 000,73 km preußischer Besiß), 20 129,49 km = 60,52% ein- gleisig (19 318,60 km preußisher Besiß), 12 943,70 km = 38,91 9/9 zweigleifig (1254370 km m A Besi), 50,53 km =— 0,15% dreigleisig (50,25 km preußisch) und 138,89 km = 0,42 9/% viergleisig (auss{ließlich preußisher Besiß). Die Gesamtlänge aller Gattungen von Bahnstrecken in der Betriebsgemeinschaft, also einschließli der s{hmalspurigen Staatseisenbahnen für öfent- lihen Vz:rkehr und der voll- und chmalspurigen Anshlußbahnen ohne öffentlihen Verkehr, betrug am 31. März 1904 33 842,65 km, die Länge der preußischen Staatseisenbahnen aller Gattungen innerhalb und außerhalb der Betriebsgemeinshaft, also auch ein- ließli der Wilhelmshaven - Oldenburger » Eisenbahn, allein 32 678,45 km (1281,07 km mehr als Eade März 1903).

__ Von der Bahnlänge der vollspurigen, dem öffentliten Verkehr dienenden preußischen und hessishen Staatseisenbahnen in der Betrieb8gemeinshaft und des übrigen preußishen Staats- besiges für öffentlihen Verkehr (zusammen 33493,74 km) entfallen auf die Provinzen: Schlesien 394272 km (im Vergleih mit der Ende März 1903 vorhanden ge- wesenen Bahnlänge + 11,21 km), Rheinprovinz 3761,05 (+ 94,83) km, Brandenburg einshließliß Berlins 3170,82 (+ 137,24) km, Sachsen 2582.37 (+ 0) km, Hannover 2543,93 (+ 35,95) km, Westfalen 2483,70 (+ 120,47) km, Ostpreußen 2272,42 (+ 295,52) km, Posen 2034,55 (+ 0) km, Pommern 1922,64 (+ 326,97) km, Westvreußen 1919,09 (+ 139,21) km, Hessen-Nassau 1731,11 (+2,93) km und Schleswig-Holstein 1243,50 (+ 80,72) km, auf die sechs ôöstlihen r ogen zu sammen 15 262,24 km (+ 910,15 km, zum größten Teil infolge des Uebergangs von Privateisenbahnen in Staatseigentum) und auf die sechs westlihen Provinzen (mit Sachsen) 14 345,66 (+ 334,90) km, auf das ganze Königreich Preußen 29 607,90 (+ 1245,05) km, auf außerpreußishe deutshe Staaten 3879,31 (+ 50,67) km, darunter 1142,50 (+ 32,75) km bessishes Eigentum, auf das Ausland (Oesterreih und die Niederlande) 12,53 (+ 0) km.

Außerdem befanden \sich in Preußen am 31. März 1904 2671,37 km der preußishen Staatéauffiht unterstehende Strecken von Privat- und fremden Staatseisenbahnen (im Ver- leich mit Ende März 1903 773,60 km weniger, in- folge des Uebergangs einer Reihe von Privateisenbahnen in das Eigentum des preußischen Staates). Von diesen waren 425,01 km Haupt-, 1917,53 km bvollspurige Nebeneisen- bahnen und 328,83 km Schmalspurbahnen. Auf die sechs öftlihen Provinzen entfallen davon 1018,25 (— 655,56) km nur Voll- \purbahnen —, auf die sechs westlichen 1653,12 (— 118,02) km, darunter die 328,83 km Schmalspurbahnen. Die Länge der in Preußen belegenen Kleinbahnen endlih betrug Ende März 1904 6716,42 km nebenbahnähnlihe Kleinbahnen und 2261,77 km Straßenbahnen, im ganzen 8981,19 km (im Verglei mit der Länge am Schluß des Geschäftsjahres 1992/3, in dessen Statistik jedoh auch [ediglih genehmigte und dem Betriebe noch nit übergebene Strecken schon eingerechnet waren, während in der Statistik für 1903/4 die noh nicht betriebenen Strecken unberüdsihtigt geblieben finde +- 521,49 km). Von den Kleinbahnen entfallen auf die sechs östlichen Provinzen 4751,86 (+ 182,27) km, darunter 4026,79 km nebenbahnähnliche Kleinbahnen und 725,07 km Straßenbahnen, auf die westlihen Oen 4229,33 (+ 339,22) km, darunter 2689,63 km nebenbahns-

hnlihe Kleinbahnen und 1539,70 km Straßenbahnen. Die meisten Kleinbahnen, auch die meisten nebenbahnähnlichen, finden E in den Feten Pommern (1241,80 Fm, darunte: 1211,52 km nebenbahn- hnliche), Brandenburg, Rheinland, Sachsen, Posen und Ostpreußen (in leßtgenannter Provinz 695,31 km, darunter 645,72 km E ähnlithe), die wenigsten (abgesehen von Hohenzollern) in Hessen-Naffau und Westpreußen.

Im ganzen waren demnach am 31. März 1904 in Preußen 18 631,06 km Haupteisenbahnen, 1318254 km vollspurige Nebeneisenbahnen, zusammen also 31 813,60 km Vollspur- bahnen, ferner 465,67 km Schmalspurbahnen, 6716,42 km nebenbahnähnlihe Kleinbahnen und 2264,77 km Straßen- bahnen, somit an Eisenbahnen überhaupt. 41 260,46 km (fei Ende März 1903 +4 992,96 kma). für den öffentlihen Ver-

ehr vorhanden; das sind auf 100 gkm Flähe 11,83 ( nde März 1903 11,55) km und auf 10000 Einwohner

1,50 (11,40) km. avon entfallen auf die sechs östlichen Provinzen 21 032,35 (seit Ende März 1903 + 436,86) km, d. \. aus

100 qkm Flähe 10,42 (Ende März 1903 10,20) k d 10 000 Einwohner 12,18 (12.08) km, auf die westlichen iablnzèn

20 228,11 (seit Ende März 1903 + 5586,10) km, d. \. auf 100 qkm Fläde 13,78 (Ende März 1903 13,40) km und uf 15600 Ein- wohner 10,87 (10, 76) km. Nicht eingerehnet sind hier die Privat- anshlußgleise ohne öffenilihen Verkehr mit im ganzen 395,29 km.

Der Beirat für Arbeiterstatistik war vom 23. bis 26. Ja- nuar im Kaiserlichen Statistis@en Amt unter dem Vorsitz des Präsi- denten Dr. van der Borght zu einer Plenarsizung versammelt, um L D: D _Auskunftspersonen aus der Fischindustrie zu vernehmen. Bon den Fischindustriellen, welhe frishe Seefishe räuhern, braten, marinieren oder fonst verarbeiten, werden Klagen darüber erhoben, daß sie mit den Bestimmungen dec Gewerbeordnung über die Arbeitszeit der Arbeiterinnen niht auszukommen vermögen, weil ihnen die un- regelmäßige Gewinnung und die leite Verderblichkeit der Fische keine gleihmäßige und an bestimmte Tagesstunden gebundene Beschäftigung der Arbeiterinnen gestatte. Es handelte \sich darum, festzustellen, inwieweit diese Klagen begründet sind. Zu diesem Zwecke waren Auskunftspersonen sowohl Arbeitgeber- als Arbeitnehmer aus allen Haupiplägzen der Fischindustrie der Ost- und Nordseeküste sowie aus einigen binnenländischen Orten geladen, welche über die besonderen Bedingungen, unter denen die Fischindustrie arbeitet, über diz Arbeits- zeit der Arbeiterinnen und die Einwirkungen der beshränkenden Bestimmungen der Gewerbeordnung sowie über die Notwendigkeit und Möglichkeit ihrer Abänderung gehört wurden. Die Sitzungen dauerten regelmäßig von 10 Uhr Morgens mit einer kurzen Unter- E Es las R S Ueber die Ergebnisse der B ungen wird demnächst in einer n Sitz Bei E U u euen Sitzung des Beirats

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Ruhrort wird dem „W. T. B.* gemeldet, daß die Hütt „Phönix“ ihrer gesamten Belegshaft von g 2 Met kündigte, weil es ir nit möglih sei, troß großer Anstrengungen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Kündigung wird zurückgezogen, wenn es der Hütte gelingt, die nôtige Kohlenmenge aufzutreiben.

__Dex seit mehreren Wochen andauernde allgemeine Ausstand der Tischler in Osnabrück ist, wie das „Berl. Tageblatt® erfährt, gesiern infolge der Bewilligung eines Teils der Forderungen beendet.

Das Oberbergamt Breslau hat, nah einer von der „Vof}. Ztg." wiedergegebenen Meldung der „Volkswacht“, der Ausstands[eitung mas e Guse Me cute mitgeteilt, zwishen den Ausständigen

r Gräflich Magniës{hen Verwaltu i

(Bal, Ar 2 d Bl altung vermitteln zu wollen. "L Sn arleroi beschloß, dem ,W. T. B.* zufolge, der Aus- \chuß des Landesbergarbeiterverbandes ¿estern abend nach mehrstündiger Sißung, die Beschlußfassung über die Ausstandsfrage bis nächsten Sonntag zu verschieben. (Vgl. Nr. 26 d. Bl.)

__ In Sofia beschlossen gestern, wie ,W. T. B.“ meldet, etwa 900 Seter und Druckereiarbeiter in einer Versammlung, in den Ausstand zu treten; man hofft jedo auf baldige gütliche Bei- legung des Streiks. :

L Kunft und Wissenschaft.

_ A. F. In der Januarsißzung der „Brandenburgia“, Ge- lellshaft für Heimatkunde, gab der Vorsitzende, Geheime Re- gierungsrat Friedel Kenntnis von einer Anzahl für die Mark Brandenburg interessanter Veröffentlihungen der jüngsten Zeit. Darunter ist für Berlin von Wichtigkeit die Au|findung eines Eremplars der ältesten Berliner Zeitung vom Jahre 1617. Es war dies dieselbe Zeitung, deren Privileg 1704 Johann Andreas Rüdiger vom derzeitigen Besißer Loren erwarb, und das ihn an Stelle der eingehenden Lorenßschen Zeitung zur Herauegabe einer „Diarium“ genannten Wochen]crift berechtigte, aus der in weiterer Folge die

ossishe Zeitung erwachsen ist. Während hier die älteste Berliner periodishe Zeitschrift ermittelt ist, konnte an einer anderen Stelle aus einer Landkarte vom Jahre 1501, die Berlin und Cölln ver- zeichnet, die älteste kartographishe Erwähnung der Reichshauptstadt nahgewiesen meen 66

_ Von Kustos Buchholz wurde ein Bild des Marktplaßes von Züllichau aus dem Anfang der 40er Jahre des vorigen C Lal vorgelegt, das diefen Markt um den hübschen Ratsturm herum noch an drei Seiten von überdahten bezw. überbauten Gängen, „Laube1* im Volkêmunde genannt, eingefaßt zeigt. Seltsamer Weise finden sich diese „Lauben“ in der Mark nur in Schwiebus und Züllichau vor, obglei sie in der Nachbarschaft, vor allem in Schlesien, Westpreußen und in Süddeutschland, in allgemeiner Uebung sind. In Züllichau sind die Lauben bereits vor 40 bis 50 Jahren vollständig verschwunden, in Schwiebus erst vor wenigen Jahren. Die Lauben haben si erst im 16 Jahrhundert in Nachahmung italienisher Vorbilder in Deutschs land eingebürgert.

__ Den Vortrag des Abends hielt Dr. M. Fiebelkorn über die fünstlihen Baumaterialien Berlins (Tonziegel, Kalk- sandstein, Z?mentmauerstein), ihre Geschichte und Herstellung: Durch eine _geologische Karte Deutschlands bewies der Vortragende zunähst, daß Norddeutschland, im besonderen die Mark Branden- burg, auf die Herstellung künstlihen Baumaterials durch den Mangel an natürlichem gedrängt worden sei. Denn die sogenannten Find- linge, deren unser Boden ja in ungeheurer Menge enthält, konnten dem Baubedürfnis niht mehr genügen, als höhere Ansprüche an die Bauwerke gestellt wurden und zugleich die Herbeishaffung von Hau- steinen aus den gebirgigen Gegenden unseres Vaterlandes \ih bei den \{lechten Tran®portverhältnissen als viel zu kostspiclig erwies. Wann zuerst der Backsteinbau in Norddeutshland zugleih mit der Bakstein- bereitung eingeführt wurde, ist niht ganz sicher. Das älteste Backstein- bauwerk ist der Lübecker Dom, zu dem 1173 Heinrich der Löwe den Grund- stein legte. Ob die Technik der Ziegelbereitung aus Holland oder aus Oberitalien bei uns eingeführt worden, ist ebenso wenig fest stehend; es spreben viele Gründe für die eine und die andere An- nahme. Jedenfalls fanden die Ziegeleien im Diluvium Norddeutsch- lands dat trefflich geeignete Rohmaterial in Form unershöpfliher Lehm- und Tonlager. So konnte es kaum fehlen, daß mit der Ein- führung dz8 gothischen Bausftils, der als eine Frucht der Kreuzzüge betrahtet wird und sehr bald von Nordfrankreih aus, wo schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die ersten gothishen Bauten entstanden, sih über das ganze Abendland ausbreitete, auch der Back- steinbau in unseren Landesteilea bedeutende Förderung erfuhr. Denn alle die Shmuckformen des gothishen Baustils, die in müh- famster Handarbeit der Steinmeß aus dem natürlihen Stein heraus- baut, konnten viek weniger fost]pielig durch Brennen aus geknetetem Ton hergestellt werden. Es bedurfte dazu nur der Formen, in die man den Ton hineindrückte, und mit denen man hunderte solcher Fassonsteine in kürzerer Zeit anfertigte, als einzelne aus Felêmaterial. So entstand durchaus naturrihtig und fich anlehnend an den romanishen Bau- stil, der zuerst sich des Backsteins bedient hatte, der märkische, gothische Bacdlsteinbau, dessen Blüthe auf das 13., 14. und 15. Jahrhundert zu seßen ist. Es ist niht vielen Bewohnern der märkishen Erde gegenwärtig, welche wundervollen gothishen Bauwerke dieser Art unsere Heimats- provinz besißt. Der Vortragende hatte die s{önsten unter ihnen in wohblgelungenen Illustrationen in einem Heftchen vereinigt und seinen ubhörerinnen und Zuhörern zur Erinnerung überreichen lassen: Kloster horin, die Katharinenkirhe in Brandenburg, das Friedländer, Star- garder, Treptower und Neue Tor in Neubrandenburg, die Marienkirche ebenda, die Kirche und einen Torturm in Prenzlau, das Neustädter Tor zu Tangermünde, die Nikolaikirhe zu Jüterbog x. Doch wie in allen Leistungen des Menschen, gab es auch im Backsteinbau niht immer einen Fortschritt. Mit der Ablösung des gothishen Baustils durch den Renaiffancestil, der ein Dekorationsftil ist und zur Jmitation von Sandstein und Marmor auffordert, kam der Pußbau in die Welt, und mit ihm und seiner gleißenden Verdeckung \chlechten Materials trat ein ersichtliher Verfall des Backsteinbaues ein. Auch die später

eingeführten Baustile, der Barock-, der Rokokostil, waren dem Pußzbau günstig und dem Balksteinbau abträglich. Erst in den 30er Jahren des