1884 / 113 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 May 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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jagdamts-Jagden ergaben vier Standtreiben, eine Streife zu Fürslen- wald bei Dhlau am 27. Dez. 288 Fasanen, 23 Hasen; zus. 311 Stü. Vier Kessel im Feld-Jagdgehege Kiekebusb bei Berlin erzielten 228 Hasen und 2 Füchse. Vier Standtreiben, ein Kessel im Feld- jagdgehege Canne bci Berlin am 2. Jan. 1884 erzielten 116 Hasen, 1 Fuhs. Zwei Standtreiben in der Fasanerie Entenfang bei

otsdam am 7. Jan. ergaben 207 Fasanen, 1 Hasen, 1 Fuchs.

wei Standtreiben, zwei Kessel im Feltjagdgehege Bornim bei Potédam am 12. Jan. ergaben 316 Hasen. Zwei Standtreiben, vier Kessel im Feldjagdgehege und Fasanerie bei Cassel erzielten 90 Fasanen, 426 Hasen, 16 Strichvögel, 2 Fücbse, 4 Wiesel. Auf der Pürsche und Suche, bei kleineren Treib- und Uebungs-Jagden, sowie in der Administration und durch Farg in Hocbwildgehegen wurden erlegt an Rothwild 65 Hirsche, 27 Spießer und 141 Stück Wild; an Damwrild §88 Schaufler, 141 Spießer, 295 Wild; an groben Sauen 44, an geringen 47. Ferner 134 Rehe, 2 Fasanen, 799 Hasen, 132 Rebhühner, 220 Strichvögel, 535 Reiher und Cor- morane, 200 Füdse, 15 Marder, 12 Iltisse. 6 Wiesel, 114 Raukb- vôgel, 579 verscbiedene Thiere während der Saison. Ferner in den Jagd- bezirken bei Potsdam 9 Hicsbe, 9 Spießer, 23 Wild Rothwild, an Damwild 1 Schaufler, 2 Spießer, 1 Wild, Ferner 6 Rehe, 141 Fa- sanen, 297 Hasen, 414 Rebhühner, 168 Strivögel, 41 Fücbse, 7 Marder, 20 Iltisse, 26 Wiesel, 96 Raubvögel und 332 Stück ver- s(iedene Thiere. Im Feldjagdgehege bei Berlin, Ohlau, Cafsel wurden während der Saison 3372 Stück Thiere erleg:. Die Summe aller in der Saison erlegten Thiere beläuft sih an Rothwild auf 180 Hirse, 73 Spießer, 474 Wild; an Damwild auf 385 Schaufler, 301 Spießer, 1015 Wild. Grobe Sauen wurden erlegt 421, geringe 337. Rehe gab es 147, Fasanen 814, Hasen 2873, Rebhühner 1936, Gänse, Enten, Schnepfen 2c. 425, Rether und Cormorane 541, Füchse 293, Marder 33, Iltisse 72, Wiesel 155, Raubvögel 803, verschiedenes Zeug 1127; zusammen 12405 Stück. Hiervon entfallen auf die Strele Sr. Majestät des Kaisers, Allerhöcbstdessen Gesammtstrecke an Hochwild bis beute 369 Hirsche, 435 Wild, 798 Schaufler, 595 Damwild und 1884 Sauen beträgt, für die heurige Saison 35 Hirsche, 54 Wild, 91 Schaufler, 37 Damwild, 84 grobe und 49 geringere Sauen oder 350 Stück Hochwild.

Gewerbe und Handel.

Dortmund, 12. Mai. (Rhein.-Westf. Ztg) Im Eisen- geschäft dauert die bessere Beschäftigung der Werke bei ruhigem, dow stcetigem Verkehr an. Jn einigen Branchen haben sich daheî die Aufträge in fsolhem Maße vermehrt, daß e'ne weitere Befestigung der Notirungen und kleine Preisaufbesserungen eingetreten ind, während in anderen Geshäftëzweigen die matte Tentenz der Vors woe anhält. So ist die Loge des Roheisen geschäfts noch immer recht gedrückt. Jn Puddeleijen wird der Berkchr durch große Vor- räthe ungünstig becixflußt und Bessemcer- und Gießercieisen leidet wieder mehr unter der englischen Konkurrenz, die zu Schlcuderpreisen maßÿsenhaft anbietet, während Spiegeleisen geringerer Erport-Nacfrage begegnet. Die heimis@e Eisenirdustrie ift zwar immer noch ungleich besser fituirt, als dieicnige des Auslandes, mit Ausnahme Oesterreich, aber zu einem frischen fröhlichen Aufs&wunge wird sie wohl erst dann wieder gelangen, wenn die autwärtigen Märkte wieder belebter wer- den, da der inländishe Bedarf, in fo erfreulicher Zunahme derselbe auc immerfort ift, allein nicht der Leistungsfähigkeit unserer Eisen- wecke entspriht. Die eirgetretenc kleine Belebung kommt haupt- ählich der Walzwerkbrancbe zu gute und namentlich dem Stabeisen- und Trägereisengeshäft. Die Saar- und Moselmerke haben den Preis für Stabeisen von 4 # yro Tonne erhalten und im niederrheinisch-westfälishen Industriegebiet haben fich die No- tirur.gen weiter befestigt. Am meisten hat die Nachfrage in Facon- eisen zu Bauzwecken zugenommen, weshalb das betreffende Kartell auch dazu übergehen konnte, den Träger - Grundpreis um ® M. pro Tonne zu erhöhen. Eine weitere Steigerung ist wegen des leb- haften Baugeschäfts in vielen Orten und damit auch eine fernere Preissteigerung zu erwarten. In Blechen besteht eine ziemlich be- friedigende Thâ!igkeit bei unveränderten Preisen fort. Die Draht- walzwerke sind zwar in Folge cigenen Bedarfs des Jn- und A15- landes besser beschäftigt, doch tleiben die Preise wegen der grof;en Konkurrenz niedrig. Die Stalwerke sind noch immer um aus- reihende Aufträge in Eisenbahnmaterialien verlegen und daher viel- fa) ungenügend beschäftigt. Die Maschinen fabriken, Gießereien, Röhrenwalzwerke und Lokomotivfabciken haben für längere Zeit Auf- träge in Händen, erhalten au regelmäßig neue Ordres, während die Waggonfabriken solhe nur noch spärlih erhalten, aber auf Grund älterer Abschlüsse noch genügend zu thun haben.

New-York, 12. Mai. (W. T.B) Weizenverschtf- fungen der leßten Woche von den atlantischen Häfen der Ver- einigten Staaten nach Großbritannien 62000, do. nach Frank- reih 7000, do. nach anderen Hâfen des Kontinents 20 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 15 000, do. nach an- deren Hâfen des Kontinents 14 000 Qrts.

New-Vork, 13. Mai. (W. T. B) Der Werth der Pro- duktenausfuhr in leßter Woche betrug 4 806 000 Doars,

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 13. Mai. (W.T. B.) Der Dampfer des Nord- deutshen Lloyd „Rhein* ist heute Vormittag 11 Uhr in Southampton eingetroffen. /

Sanitäts8wesen und Quarantänewesen.

___ Die Königlich ungarische Regierung hai für alle aus Dft- indien kommenden Schiffe eine fünftägige Beobachtun gs- frist angeordnet.

Die Königlih \panische General-Direktion für Wohlthätig- keit und Gesundheitspflege hat mit Bezug auf die abgeänderten Art. 30 und 35 des Saritätsgesezes und die Ordre vom 10. De- zember 1874 unterm 21. April d. I. beschlossen, die Provenien- zen von ganz Indien, an welhem Tage dieselben jenes Land auch verlassen haken mögen, für unreiü zu erklären.

VBerlín, 14. Mai 1884.

Konsulatsbericte.

: Budape#, den 10 Mai 1884.

__ Der „Közgazdasägi értesitö“ (,Volkswirthschaftliher Un- zeiger“) vom 8. Mai 1884 Nr. 19 veïröffentliht den in Ueber- Jeßung. untenstehend mitgetheilien Saatenstandsberic.. Die Herbst-Weizensaaten stehen im Lande dort, wo sie in Folge der vielen Regen niht umgelegt wurden , be- friedigend.

Bezüglich des Noggens ist die Klage allgemein, daß dieser shütter geworden ist.

Die Frühjahrssaaten entwickeln sih im Allgemeinen schön Und berehiigen zu guten Hoffnungen.

Ueber Mangel an Fütterungsmaterial ist, insbesondere in Ober:Ungarn, die Klage allgemein.

Im Raps haben die Flöhe, namentlih in den Komitaten Hajdu, Kolozs, Weißenburg, größeren Schaden verursacht, im Komitat Bihar zeigt sih auch der Drahtwurm.

Im Allgemeinen kann man jedoch sagen, daß gegen die Verheerung der schädlichen Fnsekten die vielen Regen von guter Wirkung waren. ;

Maikäfer zeigen sich sehr viele, und wenn auch über positive Schäden bisher keine Meldungen einliefen, so ist doch zu sürchten, daß die Obstbäume Schaden genommen haben.

Breußiscde Klassenkotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 2. Klasse 170. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 30 000 # auf Nr. 64 295.

1 Gewinn von 12000 # auf Nr. 89173,

1 Gewinn von 6000 #( auf Nr. 69 283.

2 Gewinne von 1800 M auf Nr. 31 000. 60 365.

1 Gewinn von 600 F auf Nr. 12 810.

6 Gewinne von 300 M auf Nr. 15 876. 25 695. 37 909. 40 979. 43 696. 76 111.

Die zehnte Mastvieh-Ausfstellung in Berlin und die mit derselben verbundene Auéstelung von Maschinen, Geräthen und Produkten für die Landwirthschaft und das Schläcbtergewerbe, ver- anstaltet vom Landwirthschaftlichhen Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und die Nieder-Lausiß und dcm Klub der Landwirthe zu Berkin, wurde auf dem Centralvichhof der Stadt Berlin heute Vormittags um 9 Uhr eröffnet. Das Arrangement der Äusftellung auf tcm Centralviehhofe war dasselbe wie in früheren Jahren; der Auéstellungsplay ist mit Guirlanden, preußisben und deutschen Fahnen reih ges{mückt und gewährt dem Beschauer cinen angenehmen Anblick. Von dem Haupteingang von der Stadt her (mit der Pferdcbahn Molkenmarkt-Viehhof) sind rechts von der Restauration das Rindvich, links die Schafe und Schweine, und bintec der Restauration die Maschinen ausgestelUt.

Preise find ausgeseßt: 1) von Sr. Majestät dem Kaiser und König die goldene Staatsmedaille als Züchter-Chrenpreis für die höchste Gesammtleistung ; (in Betreff dieser Medaille ist für dies Jahr eine Bestimmung getroffen, daß dieselbe demjenigen Aussteller zuerkannt werden soll, welher die höchste Summe an Preisen für felbstgezüchtete Thiere erhalten hat). 2) Von dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius find dem Comité 11000 Æ aus Staatêsmitteln für Geldpreise, sowie 7 Bronze - Statuetten, 1 Shorthom - Sticr, 1 Shorthom - Kuh, 1 Rambouillet-Bock, 1 Orfordshiredown-Bock, 1 Merino-Schaf, 1 Yorkshire-Eber, 1 Berkshire-Schwein zu Züchter-Ehrenpreisen in den betreffenden Kategorien überwiesen worden. 3) Die Stadt Berlin gewährt für fechs Ehrenpreise 3000 46 4) Der vom Aus- stellungs8- Comité zur Erinnerung an den verewigten Vorsitzenden des Comités und Begründer der deutshen Mastoieh-Ausft:llungen Her- mann von Nathusius8-Hundisburg gestiftete Nathusius-Preis, eine goldene Medaille. 5) Vom Klub der Landwirtbe-Berlin eine silberne Zucershale. 6) Von dem Hof-Schlächtermeister Bergmann-Berlin etne Bronzestatuette (Normal-Mastschwein). 7) Von dem Schäferei- renor Behmer in Berlin ein Gipsmedailloa (gehörnter Merino- Beo).

Die Ausstellung ist reih beschick*: es find 1357 Thiere au®sge- stellt, und zwar 498 Stück Rindvieh. 224 Schafe und 228 Schweine ; die Zahl der Ausfteller beträgt 193, Die Aussteller vertheilen sih folgendermaßen: Königreih Preußen: Provinz Branden- burg 48 Aussteller (156 St. Rindvich, 43 Schafe und 39 Schweine), Provinz Pommern 37 Aussteller (59 St. Rindvieh, 5 Schafe und 42 Sckweine); Provinz Swlesien 21 Aussteller (100 St. Rindvieh und 40 Schafe); Provinz Posen 17 Aussteller (93 St. Rindvtek und 13 Schafe); Provinz Hannover 9 Aussteller (9 St. Rindvieh); Provinz Westpreußen 9 Aussteller (26 St. Rindoteh. 30 Scafe und 15 Scroeine); Provinz Ostpreußen 6 Aussteller (22 Sk. Rindvieh und 11 Schafe); Provinz Sachsen 4 Aussteller (5 St. Rindvieh und 5 Schafe); Provinz Hessen-Nassau 1 Autfsteller (11 Schafe und

7 Schweine); Provinz Scleswig-Holstein 1 Aussteller (2 St. Rind- |

vieh); Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin 19 Aussteller (5 St. Rindvieh, 6 Schafe und 82 Schweine); Großherzogthum Mecklenburg-Streliy 12 Aussteller (1 St. Rindvieh, 43 Schafe und 43 Schweine); Herzogthum Braunschweig 3 Ausf:eller mit 12 St. Rindvieh; Großherzogthum Sachsen-Weimar 2 Ausesteller mit 4 St. Rindvieh; Großherzogthum Oldenburg 1 Ausstel- ler mit 4 St. Rindvieh; Fürstenthum Lippe 1 Ausfteller mit 5 Schafen; Königreih Sachsen 1 Aussteller mit 2 Schafen Königreich der Niederlande 1 Aussteller mit 10 Schafen. :

Bon den Landwirthen haben am meisten ausgestellt: Nud. Reh- feld-Goïizow (Prov. Brandenburg) 53 Nummern; dann Königl. Ober-Amtmann E. Preuf-Friedrichsaue bei Zechin (Proo. Branden- burg) 47 Nummern; Graf zu Eulenburg-Liebenberg bei Löwenberg (Marï Brandenburg) 45 Nummern; Rittergutspächter C. Satiig- Würchwitz bei Klopschen (Prov. Schlesien) 42 Nummern; A. W. Brauer-Hohenhausen bei Ostromeßko (Prov. Westpreußen) 29 Nummern; M. S{roeder-Neubrandenburg (Mecklenburg-Streliß) 25 Nummern ; Opitz von Boberfeld-Witoslaw bei Alt-Boven (Prov. Posen) 24 Nummern ; Scopper-Neuhaus bei Woldegk (Mellenburg- Strelit) 22 Nvmmwern; Geh. Kommerzienrath von Hansemann- Antonshof bei Poln.-Lifsa (Prov. Posen) 19 Nummern. :

Außerd?:m ist die Ausstellung von 97 Fabrikanten und Ir» dustriellen mit landwirthschaftlichen Maschinen, Geräthen und P-ro- dukten reich beschickt.

Die Ausstellung ist heute und morgen von Vormittags 9 Ubr bis Nachnittags 7 Uhr dem Publikum geöffnet; der Eintrittspreis beträgt morgen 50 -Z pro Person. Der Besuch derselben ift jedem Londwirthe, Schlächter und Freunde der Viehzucht zu empfehlen.

Der Berliner Zweigverein der Deutschen Meteoro- logishen Gesellschaft hiclt am Dienstag, den 6. Mai, seire 4, Versammlung ab. Der Vorsißende, Geheime Ober-Regierungs- Rath Dr. Lhiel, machte zunächst die Mittheilung, daß cin Mit- alied, Professor von Vogzuslawski, der Gesellschaft wenige Tage vor- her ckurch dea Tod entrissen worden sei. Hierauf nahin Hr, Dr, Frölih das Wort zu einem längeren Bertrage Über Messungen der Sonnenwärme. Der Vortragende erörterte, zunächst die vom Pro- fessor Langley vorgeschlagene Methode zur Messung der Sonnenwärme und führte aus, daß dieje Methode zwar seh: geeignet sei, die Ver- theilu«g dec Sonnenwärme nach den verschiezznen Wellenlängen der Strahlen ¿u erkennen, daß fie aber -— was Langley aller- dings auch niht beabsichtigt habe nicht ausreiche, eigent- lide Maßbestimmungen der gesammten Strahlungkêenergie der Sonne und ihrer Veränderungen zu liefern. Redner ging dann zu einer von ihm ausgebiideten und angewandten Methode über, welche darin bestcht, daf nich:, wie bei Langley, die Energie der Strahlungen nah den etazelnen Wellenlängen, fon- dern ein gewisser thermisher Gescmmteffeki gemessen wird. Um den absorbirenden Einfluß der Ervatmosptäre unschädlih zu mach-cn, werden die Mefsungen bei möglichst verschiedenen Höhen der So:ine ausgeführt. Der von Frölich benußte Apparat ift eine Therrao- säule, verbunden mit einem Galvanometer, mit welcher Einrichtung bekanntli sehr geringe Wärmeunterschiede gemessen werden könrien. Mittelst dieser Methode hat Dr. Frölich im Jahre 1883 einige Messungen der Sonnenwärme ausgeführt, aus welchen er den Sluß gezogen hat, daß die Sonne um die Mitte des August 1883, zur Zeit einer ver- miaderten Fleckenbildung, eine erheblih gesteigerte Strahlungskrcaft hatte. Hr. Dr. Hellinann erläuterte ein neues, nach seinen Angaben vom Mechaniker Fueß: konstruirtes Reisebarometer und referirte über cinige der wichtigsten neueren Publikatiouen aus dem Gebiete der Meteorologie und des Erdmagnetismus. Die Zahl der Mitglieder des Vereins beträgt bereits 83.

Der Berliner Bezirksverein der Deutschen Gesell- \chaft zur Rectung Schiffbrüchiger hielt gestern Abend im Saale der „Germania“, Leipziger Play 12, seine Geaeralversamm- lung ab. Dem hiex vorgelegten Geschäftsbericht zufolge hat sicz der Bezirksverein Berlin in den letzten Jahren einer besonders gürstigen Entwicklung zu erfreuen gehabt. Die Zahl der ordentlichen Miit- glieder betrug in dem Geschäftsjahre 1880/81 714 mit Jahres- beiträgen von 3104 4; das leßtverflossene Geschäftsjahr 1883/84

{loß ab mit einer Mitgliederzahl von 1814 und 8110 Jahreskeiträgen. Besonders reihlihe Einnahmen sind dem Bezirks- verein außerdem ars den Erträgen des Selbstschriften-Albums „Aus Sturm und Noth“ zugeflossen, welhe sich abzüglid aller Unkosten auf 22 966 M belaufen haben. Die werthvollen Originale der Zeich- nungen und Handschriften so vieler berühmter Fürsten, Staatêmänner, Gelehrter und Künstler befinden si no im Besiß des Bezirksvereins. Der Aus\{uß erachtete es niht für angängig, die Originale einzeln, etwa im Wege der Auktion zu veräußern, und wartet ein ausreichen- des Angebot auf das Gesammtwerk ab. Die Gesellshaft war, wie be- fannt, in besonders würdiger Weise auf der Hygiene-Ausftellung ver- treten und hat hier die allgemeinste Anerkennung gefunden, wie \ic denn auch durch Verleibung der goldenen Medaille ausgezeihnet wor- den ist. Der Aus\{uß hat bereits die nöthigen einleitenden Schritte gethan, damit die Gesellsshast auch in dem hier zu begründenden Hygiene - Museum Modelle ihrer Rettungs- apparate aus\tellt. Jn der im Vorjahre in Bremen abgehaltenen Delegirten-Konferenz der Gesellschaft ist der Ausshuß des Bezirks- vereins durch Abgeordnete vertreten gewesen, weltZe sich davon Üüber- zeugen konuten, daß die Gesammtverwaltung von einem vortrefflichen Geiste geleitet wird, und daß andauernd das Bcstreben herrsbt, durch möglihst volikfommene Ausrüstung der bestehenden Rettungs- stationen mit den besten Apparaten, durch Errichtung neuer Stationen an allen gefährdeten Punkten unserer Küste und durch musterhafte Organisation des Rettungédienstcs dem Verlust von Menschenleben bei Strandungen nah allen Kräften ent- gegenzuwirken. Die Gesammtzahl der durch die Stationen der Ge- fellshaft von dem Tode in den Wellen bewahrten Personen hatte denn auch Anfang dieses Jahres die Höhe von 1463 erreiht. Die Genecal- versammlung schritt sodann zur Neuwahl des Ausschusses.

Leipzig, 13, Mi. (V. 2. B) Prozey gegen von Kra8zewsfkfi und Hentsch. Am Schluß der heutigen Sizung wurde auf Beschluß des Reichsgerichts ein amtliches Schreiben verlesen, demzufolge bereits seit 1864 in Paris eine polnische Gesellschaft bestanden hat, deren Zweck die Wiederhersiellung Polens war ; dieselbe war in den Jahren 1866, 1870, 1873, 1877 und 1878 aktiv aufgetreten und hatte militäris-statisti]che Notizen aus ganz Europa gesammelt. Nach Auflösung des Bureaus der Gesellschaft wurden die Mitglieder der- selben von der französisben Regierung und namentlich von Gam- betta benußt, um ein Bureau für Nachrihten aus Deutschland, Oesterreich und Rußland zu organisiren. Der Mittelpunkt der Or- ganisation war Dresden, und von Kraszewski wurden die Zahlungen an die Mitglieder besorat. Kraszewski stellte dics im weiteren Ver- lauf der Vernehmung in Abrede.

14, Mai. (W. T. B.) Auf Antrag des Vertheidigers Rechtsanwalts Dr. Saul, wurde der Zeuge Paul telegraphisch vor- geladen. Der Angeklagte Hentsh gab zu, vie Mobilmachungé- instruktion und das Reglement füc die Pferdeaushcbung an Adler ge- liefert zu baben. Hierauf wurden Gutachten des General-Kommandos des III. Armee-Corps und des Kriegs-Ministeriums verlesen.

Im Neuen Friedrih-Wilhelmstädtishen Theater tritt heute in der Repertoire-Operette „Der Marquis von Rivoli“ Frl. Gusti Zimmermann zum ersten Male als Adrienne auf. Die jugendliche Künstlerin ift bis jetzt nur in der „Nacht in Venedig“ erschie- nen, und e3 dürfte dieses weitere Debut somit immerhin Interesse er- regen, Auf Freitag ist das Bencfiz sür Hrn. Karl Swoboda angeseßt. Der beliebte Künstler tritt an diesen Abend als Preton in der Operette „Der Marquis von Rivoli“ auf, deren {öner und an- dauernder Erfolg zu einem großen Theil auf der frishen und humor- reihen Darstellung der Titelrolle durch den Benefizianten be- ruht. Die Operette geht an diesem Abend in der anerkannt ausgezeichneten Originalbesezung: Wellhof, Swoboda, Szika, Damen Kob, Kollin in Scene. An demselben Tage wird auch der mit allein Komfert und nit ?lekirishem Licht ausgestattete pracht- volle Sommergarten des Theaters eröffnet, in welhem allabend- lih großes Doppelconcert von der Theaterkapelle, unter der Leitung des Concertmeisters Hrn.Stiemer, und von dem Trompeter-Corps des 2, Garde-Feld-Artillerie-Regiments, unter abwechselnder Leitung des Königlicben Musikdirektors Hrn. Lücke und des Stabstrompeters Hrn. Schinck, stattfinden. Diese Concerte beginnen an den Wochen- L 6, an den Sonntagen um 5 Uhr und dauern bis Atends

L.

Im Krollschen Theater wurde vorgestern Boieldieus an- nuthige kleine Oper „Die weiße Dame“ zum ersten Male in dieser Saison aufgeführt. Das gefällige Tonwerk, welches bei unserem Publikum besonders beliebt ist, hatte das Haus um so mehr gefüllt, c.18 die Aufführung dur einige neu auftretende künstlerishe Kräfte aoch an Interesse gewann. Die Partie des „George Brown“ lag in den Händen des Hrn. José Ledérer vom Stadttheater in Frankfurt a. M. Da dem Kürstler ein guter Ruf voranging, crwartete man Bedeutenderes von ihm, als er in der That leisten kann. Zmar gebietet er über cine helle und klare Stimme, doch ist die Tonstärke nur eine mäßige, so daß der Künstler genöthigt ist, sehr \{onend mit seinem Organ umzugehen; sonst klingt es leiht vershleiert und, besonders in den Kraststellen, bis- weilen rauh. Auch was die dramatische Seite seines Könnens be- trifft, kommt Hr. Ledérer über einen gewissen Grad von Bühnen- gewandtheit nicht hinaus; es fehlt feinem Spiel an Unsprünglich- keit und an innerer, frei aus der Seele sich entwickelnder Empfindung. Als „Anna“ erfreute Fr. Baumann durch ihre frishe Stimme und ihren warmen Vortrag. Die Dame führte s in jeder Beziehung als eine gut geshulte Sängerin ein, welche ihren Hörern immer cine abgerundete und gefällige Leiftung darbieten wird, ohne gerade zündende Wirkungen hervorzubringen. Jedenfalls hat sie an diesem Abend ihre Aufgabe sehr angenehm gelöst und den all- seitigen Beifall, der ihr zu Theil wurde, wohl verdient. Lobend zu erwähnen ist noch Frl. Frieda (Margarethe), welche ihr „Spinn- lied* sicher und geschmackvoll zum Vortrage brachte, und Hr. Gill- meister, ivelher den „Galveston* schauspielerisch und gesanglih an- gemessen durchführte.

(Nat.-Ztg.) Das Philharmonische Orchester ist nunmehr fontrakftlich das Orchester der neuen Philharmonischeri Gefellschaft geworden, deren erste That es war, dem von der Wintercampagane überaus angestrengten Mußikkörper drei Wothen Ferie zu geben. Am 22. Mat endigt diese Rubhepause, und am selben Tage (Himmel- fahrtstag) beginnt das treffliche, durch neue Kräfte noch vervollkomm- nete Orchester seine Sommerconcerte in der Flora in Charlots- tenburg. Die Concerte in der Flora werden täglich stattfinden und bis zum 8. September dauern, Die Beliebtheit des Orchesters, seine interessanten Programme und der s{chöône Aufenthalt in der Flora werden den Concerien voraussihtlich einen bedeutenden Zuspruch sichern. Das Orchester steht unter Leitung seines neuen Dirigenten Hrn. Rauchenecker.

Im Zoologischen Garten haben gestern, Dienftag, die dies- jährigen großen Militär-Concerte begonnen. Dieselben finden, zum Besten der Pensions-Zuschußkasse für die Musikmeister des preußischen Heeres, dur die Infanterie-Musikcorps der hiesigen Garde-Regimenter an jedem Dienstag, und Sonnabend dur Kavallerie-Musikcorps statt. An den Donnerfstagen konzertiren abwechselnd die Musikcorps des & S aus Potsdam und des 4. Garde-Regiments aus

andau.

Redacteur: Riedel. Berlia:

Vier Beilagen (cinsHließlich Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 113. Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 14, Mai. Jm weiteren Ver-

Taufe der gestrigen (26) Sißung des Reichs-

tages wurde die dritte Berathung des Gesegentwurfs, be- treffend den Feingehalt der Gold- und Silber- waaren, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Komniissionsbeshlüsse mit der Diskussion des S. 7 fortgeseßt. :

8. 7 saulet nah den Beschlüssen in zweiter Lesung:

Mit Geldstrafe bis zu Eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu fechs Monaten wird bestraft : E

1) wer Gold- oder Silberwaaren, welche na diesem Gesetz mit einer Angabe des Feingehalts nicht versehen fcin dürfen, mit einer solchen Angabe versieht ; :

2) wer Gold- oder Silberwaaren, welhe nah diesem Geseß

mit einer Angabe des Feingehalts versehen sein dürfen, mit ciner t als der nach diesem Gesetz zulässigen Feingehaltsangabe verstcht ;

2 wer gold- oder silberähnlihe Waaren mit einem durch dieses Gesetz vorgesehenen Stempelzeiben oder mit einem Stempelzeichen versieht, welches nach diesem Gesetze als Feingehaltsbezeihnung für Gold- und Silberwaaren nit zulässig ift ; i

4) wer Waaren feilhält, welche mit einer gegen die Beftim-

mungen dieses Gesetzes verstoßenden Bezeichnung versehen sind.

Mit der Verurtheilung ist zugleih auf Vernichtung der geseßz-

widrigen Bezeichnung oder, wenn diese in anderer Weise nit möglich ist, auf Zerstörung der Waare zu erkennen.

Hierzu lag folgender Antrag des Abg. Lenzmann vor:

Der Reichstag wolle beschließen :

1) In §. 7 Nr. 4 an Stelle des Wortes „welche“ tie Worte:

„von denen er weiß, daß sie“ zu setzen. d) Dem 8. 7 als vorleßten Absatz die Worte einzufügen : „Wer aus Fahrlässigkeit Waaren feilhält, welche mit einer gegen die Bestimmungen dieses Geseßes verstoßenden Bezeichnung versehen sind, wird mit Geldstrafe bis zu 150 M bestraft.“

Der Ubg. Lenzmann befürwortete seinen Antrag. Der- selbe bezwecke eine juriftishe Unklarheit im §8. 7 zu beseitigen. “Wolle die Regierung auch die Fahrlässigkeit bestrafen, so müsse sie au eine Fahrlässigkeitsstrafe in das Geseß bringen, wie er es beantrage. Aber die Fahrlässigkeit müsse mit anderem Maße gemessen werden, als das dolose Handeln. Dies ent- spreche auch der analogen Geseßgebung über das Feilhalten verdorbener oder verfälschter Nahrungsmittel. Aus den be- theiligten Kreisen sei ihm und seinen politishen Freunden mitgetheilt worden, daß es in vielen Fällen ganz unmöglich sei, zu prüfen, ob das von dem Fabrikanten zum Verkauf ge- stellte Gold auch dem angegebenen Feingehalt entsprehe. Es gebe Leute, die gar nicht in der Lage seien, überhaupt eine Probe zu machen. Der Auktionskommissar z. B. könnte auch wegen Fahrlässigkeit besiraft werden. Es sei also nöthig, die Unterscheidung zwischen dolosem und fahrlässigem Handeln fiar und bestimmt hinzustellen und das leßtere einer nur mäßigen Strafe zu unterwerfen.

Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Bödiker entgegnete, wie in der zweiten Lesung, so bitte er auch heute den Antrag abzulehnen, da derselbe weder den Jnteressen der Betheiligten, noch den Anforderungen der Gerechtigkeit ent- spreche. Der Antrag beschränke die Wirkung des S. 7 außer- ordentlih und komme dem ausländishen Fabrikanten auf Kosten des inländischen zu Gute, Cine derartige Berück: sichtigung der Fahrlässigkeit habe bisher noch nicht stattgefunden. Jin Nahrungsmittelgesey handele es si theils um größere Strafen, die gleich mit Gefängniß und Zuchthaus begönnen, theils um den kleinen Marktverkehr, bei dem eine Fahrlässigkeit sehr leiht vorkommen könne. Aehnlih liege die Sache bei der Gewerbeordnung und beim Preßgeseß. Der Antrag entspreche ou nicht der Gerechtigkeit. Uebrigens werde ja der Richter slets in der Lage sein, nah Maßgabe der Schwere der Fälle die Strafe zu bemessen. Außerdem sei bei der Schwere der Fahrlässigkeit, bei dem hohen Werth der Gegenstände, um die es si hier handele, bei der Schwierigkeit der Unterscheidung des Ueberganges von der Fahrlässigkeit zum doius, eine Strafe von 150 6 entschieden viel zu niedrig gegriffen. Der 8. 7 bezwecke ja, den Händler anzutreiben, daß derselbe mit allcn ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Fabrikanten zwinge, vollgewihtige Waare zu liefern; eine so minimale Strafe aber gebe den nöthigen Antrieb weder sür den Händler, noch für den Fabrikanten. Damit komme er auf die Schädi- gung der inländischen Fabrikation zu Gunsten der ausländi- schen. Für den ausländishen Fabrikanten trete allein der Händler ein, und die Gesahr liege nahe, daß der ausländische Fabrikant dem inländischen Händler eventuell Strasfreiheit zu- gesichert habe, indem er für ihn die Strafe erlege. Dadurch könne in der That eine Verschiebung der Konkurrenzverhält- nisse zu Gunsten des Auslandes zu Stande kommen; also baa diesem Gesichtspunkte aus bitte er, den Antrag ab- zulehnen.

Der Abg. Lenzmann führte dem gegenüber aus, daß der Inländer, im Falle derselbe dolo malo handele, doch noch immer auf Grund der von ihm beantragten ersten abändern- den Bestimmung bestraft werden könne. E

Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Bödiker erwiderte, der Vorredner habe seine Ausführungen absolut nicht widerlegt. Es sei sehr shwierig, dem inländischen Händler nach: zuweisen, daß derselbe aus dem Auslande bezogene minder- werthige Waare absichtlih verkaufe. Die Deduktionen des Bor- redners könnten von ihm nicht als richtig anerkannt werden. Es gebe Fabrikbesißer, welche ihr Personal auf das Strengste ver- pflichtet hätten, die aber bei vorkommenden Prozessen denno be- straft würden, weil man sie für das, was ihre Werkmeister gethan hätten, verantwortlih mache. Diese Frage würde von den Gerichten fortwöhrend so gehandhabt, und seien in Folge dessen nach dieser Richtung schon vielfah Petitionen von Fabrikanten eingegangen. Er bitte daher nohmals den Antrag abzulehnen.

8. 7 wurde nah Ablehnung des ersten Antrages Lenz- mann und nachdem leßterer seinen zweiten Antrag zurück- gezogen hatte, in der Fassung der Vorlage angenommen.

Ebenso der §. 8 und damit definitiv das ganze Gejeb.

Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge- seßes, betreffend die zur Erforschung der Cholera na h Egypten und Ostindien entsandte wissenschaft-

Berlin, Mittwoch, den 14. Mai

lihe Kommission, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage.

Der Abg. Dr. Virchow erklärte, er begrüße mit großem Vergnügen diese erste Gelegenheit, der Reichsregierung seine vollste Zustimmung aussprehen zu können. Die Reichs- regierung habe hier ein großes Verdienst in gebührender Weise anerkannt, dabei aber in sehr bescheidener Weise ihre eigenen Verdienste bei dieser Angelegenheit in den Hintergrund ge- schoben. Sie sei es aber çewesen, die mittcls des Reichs- Gesundheitsamtes die Jnitiative ergriffen habe. Der Reichstag habe die Pflicht, es auszusprehen, und anzuerkennen, daß es deutschem Fleiße und deutscher Opferfähigkeit vorbehalten ge- wesen sei, einen Sieg zu erfehten auf einen: Gebiete, das alle Völker berühre. Von rein wissenschaftlichem Standpunkte müsse er allerdings sagen, daß durch das bloße Experimentiren noch nicht festgestellt sei, daß das Vorhandensein des Bacillus den Ausbruch der Cholera bedinge. Die Reichsregierung anticipire da einen Erfolg, aber er folge ihr, er anticipire mit ihr denselben Erfolg. Es sei keine Epidemie vergangen, in welher niht solhe Erhebungen stattgefunden hätten. Deutschland aber sei allen Anderen zuvorgekcmmen, und es sei ein schöner Sieg, den Deutschland da auf friedlitem Gebiete erfohten habe. Jn hochherziger Weise habe Se. Majestät der Kaiser das anerkannt und in der Vorlage zum Ausdruck ge- bracht. Redner hob hervor, daß die fremdländishen Expedi- tionen nihts für die Einrichtung der ihnen aufgetragenen Aufgabe hätten leisten können, während die deutsche Expedition unter den ershwerendsten Umsiönden, getrieben durch den eigenen Forschungseifer, ein glänzendes Resultat erreicht habe. Redner warnte dabei aber vor der Annahme, daß mit der Erit- deckung dieser Bacillus fick nun cine vollständige Revolution in den bisherigen Mafnahmen gegen die Cholera vollziehen werde. Man kenne bereits feit langen Jahren die Bacillen vieler Kranfheiten, so z. B. den Bacillus der Pocken länger als 30 Jahre, ohne daß sich deshalb cine Abänderung des bisherigen Heilsystems als nothwendig herausgestellt hätte. So gehe denn auch die preußische Regierung bei ihren Vor- beugungsmaßregeln gegen die Cholera, namentlich, was die in den See- und Grenzorten angeordneten prophylaktishen Maß- regeln anlange, schon seit langer Zeit von der Annahme aus, daß ein derartiger Organismus die Ursache der Cholera bilde. Er möchte den Wunsch aussprechen, daß nicht immer von Neuem in Zweifel gezogen werde, was durch die Erfahrung besiätigt worden sei, wie es in leßter Zeit mehrfah vorgekommen sei. Dann sei aber auch mehrfah eine gewisse Sicherheit hervorgetreten, daß die Cholera sich nit fortpflanze. Gerade in diesem Augenblicke habe sich ein Fall ereignet, auf den er, falls es noch nothwendig sein sollte, die Aufmerksam- keit der Stactsregierung hinlenken möhte. Es sei wieder ein englisches Schiff, das „Crocodile“, das auf der Fahrt Cholera gehabt, von Calcutta dicett nah England gekommen, ohne daß die englishen Sanitätsbehörden auf den Borstationen ihre Schuldigkeit gethan, und das Schiff angehalten hätten, Für Europa hätte hieraus die größte Gefahr entstehen können, und wenn sie abgewendet sein follte, so werde es mehr ein Zufail sein, als ein Verdienst der englishen Sanitätsbeamten. Etwas ähnlihes werde, glaube er, niht mehr vorkommen fönne=, wenn man sich überzeugt habe, daß Cholera- keime sich unter den verschiedensten Dingen fort- pflanzen könnten, und daß die Gefahr niht er- loschen sei nach Ablauf eines bestimmten Termins. Dies sei die Beschränkung, die er hinzufügen möchte. Wenn sfi vielleiht in dem hohen Maße alle Erwartungen nicht unmittelbar besiätigen sollten, wenn es nicht gelingen sollte, sofort alle praktischen Maßregeln zu finden, welche die großen Seuchen und nanientlich die Cholera von dem deutschen Boden fernhielten, so wolle er gern darin mit der Regierung übereinstimmen, daß schon die Abwehrmaßregeln eine besondere Stärkung erfahren, und daß sie auf sichere und überzeugende Weise von Allen festgestellt werden könnten. Und somit danke er noch einma! der Reichsregierung dafür, daß sie Hrn. Koch entsendet habe, und daß sie, nahdem es ihm gelungen fei, seine Aufgabe zu lösen, ihm au den Dank des Vaterlandes darbringe. Bei dieser Gelegenheit habe man Anlaß daran zu denken, daf auch im deutshen Vaterland Seuchen anhaltend vorbanden seien, und daß die deutshen Aerzte mit ihnen fort- dauernd im Kriege lebten. Auch da liege ein s{chwerer Kampf vor; und er dürfe vielleicht sagen, daß in dem Augen- blick, wo eine so ungewöhnliche Belohnung von der Regierung verlangt werde, die einzelnen Regierungen sich bewußt werden möchten, was sie denjenigen Aerzten shuldeten, die im Dienst gegen die Seucen lebten. Nach dieser Richtung sei noch fast garnichts geschehen, und wenn sein Wort bei dieser Gelegenheit eine Wirkung ausüben sollte, so möchte es die sein, daß die Thränen mancher Wittwe gestillt, die Entwickelung manchen Kindes gefördert werde, indem man {ih erinnere, unter welchen Umständen der Vater sein Leben im Dienste der Menschheit eingebüßt habe. Zum Schluß mache er noch auf die ungewöhnliche Form dieser Vorlage aufmerksam. Sonst seien solhe Vorlagen stets als Nachtragsetats eingebraht. Er nehme an, daß zu dieser früheren Form künftig wieder zurü- gekehrt werde. :

Der Abg. Frhr. von Unruhe (Bomst) {loß ih dem Dank, den der Abg. Dr. Virchow ausgesprochen habe, an, in- dem er seine Legitimation hierzu darin sehe, daß er Gelegen- heit gehabt habe, die ersten Anfänge des jeßt so hohbewähr- ten Mannes zu beobahten. Lange Jahre habe er mit dem jeßigen Geheimen Regierungs-Rath Dr. Koch in einer kleinen Kreisstadt in Holstein zusammengewirkt, dort habe derselbe die ersten Forshungen auf dem Gebiete der Untersuchung der Krankheitskeime gemaht. Das Gefühl der aufrichtigsten Freund: schaft sei zwischen ihnen entstanden, und so habe er, nachdem der Geheime Rath Dr. Koh von Deutschland geschieden, mit herz- lihster Freude die Fortschritte, die derselbe auf dem Wege zum Ruhme inzwischen gemacht habe, begleitet. Er habe nur zu den gewichtigen von der Freude über den ruhmreichen Erfolg der deutschen Wissenschaft getragenen Worten des Abg. Dr. Virchow vom Standpunkt des Laien seine bescheidene Aeußerung hin- zufügen wollen, um auszusprechen, daß nicht allein die deutsche Wissenschaft dem Hrn. Dr. Koch Anerkennung und Dank

1884,

zolle, sondern sich das ganze Deutsche Reih zu diesem Danke verpflichtet fühle.

Der Geseßertwurf wurde ohne weitere Debatte genehmigt.

Es folgte die erste eventuell zweite Berathung des Ent- wurfs eines Gesehes, betreffend die Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868.

Die Maß- und Gewichtsordnung von 1868 hatte als Ge- wichtseinheit das Kilogramm festgeseßt, daneben aber in An- lehnung an das frühere Gewichtésystem das Pfund als Gewichtsgröße fortbestehen lassen. Für das Uebergangsstadium schien das nóthig, hat aber jeßt nach vierzehnjährigem Bestehen der Maß- und Gewichtsordnung keinen Zweck; außerdem machen sich die Uebelstände der doppelten Gewichtsgrößen jeßt besonders empfindlih geltend, weswegen der vorliegende Geseß- entwurf das Lfundsystem ganz beseitigen, will und als Grund- lage des Maßes und Gewichtes das Meter seßt. Ferner sind in dem Geseßzentwurfe die deutschen Bezeihnurgen der Maße und Gewichte, wie „Stab“, „Neuzoll“, „Strich“, „Kette“, „Kanne“, „Schoppen“, „Faß“, „Neuloth“, niht wieder auf- genommen, da dieselben notorisch im Verkehr gar niht ge- braucht werden. Endlih soll der Entwurf den Zweck haben, die dringend nothwendige Neuredaktion der Aichordnung zu ermöglichen, welhe auf vielfah unsiherer Grundlage ent- standen, einer Ergänzung bedarf.

Der Abg. Karsten erklärte, die Vorlage habe den Zwed, Unklarheiten aus der Konstruktion der bisherigen Maß- und Gewichtsordnung zu beseitigen; man habe früher noch ein gewisses Bedenken gehabt, fremdartige Ausdrücke allein für die Maßbestimmung anzuwenden, und die Dezimaltheilung allein einzuführen. Deshalb seien in der praktischen Aus- führung viel mehr Schwierigkeiten entstanden, als man habe vorausjehen können. Die Vorlage solle nun diese Schwer- fälligkeiten der älteren Redaktion beseitigen, und das reine Dezimalsystem einführen. Nur eine Ungleichmäßigkeit sei noch stehen geblieben: man habe nämlih noch festgehalten an 1/4 Hektoliter und !/4 Liter. Vom Standpunkt des Fach- mannes würde er sich hiergegen entschieden ertlären müsen, denn diese Ungleihmäßigkeit könne zu Verwechselungen füh- ren, und dur(hbreche das System. Es scheine indessen, daß lokale Wünsche die Konservirung dieser beiden Maße veranlaßt hätten, und so wolle er gern diese kleine Unbequemlichkeit mit in den Kauf nehmen, ura das Gesetz als solches zu erhalten. Das Gesctz beabsichtige ferner die Beseitigung bisher bestande- ner Rechtzunsicherheiten. Nach der alten VMaß- und Gewihts- ordnung sollten gewisse Stückelungen von Maßgrößen ange- wendet werden. Danach habe die Normalaichungskommission es zugegeben, daß früher cinmal benußte Maße noch weiter benußt würden, weil fie in der Größe paßten. Es sei aber dabei die geseßliche Nothwendigkeit eines gleichartigen Stem- pels für das Reich übersehen worden, und deshaib seien zahl- reiche gerich:lihe Konfiskationen wegen ungültiger Stempel vorgekommen, obwohl man materiell garnichts dagegen habe einwenden fönnen. Dadurch seien viele Vermögensbeschädi- gungen veranlaßt worden; und derartige Härten wolle das Geseß nunmehr beseitigen. Er möchte ferner noh eine An- frage an die Negierungen richten. Jn Bayern und ähnlich in Elsaß-Lothringen bestehe bekanntlich insofern ein anderes System, als im übrigen Deutschland, als in Bayern zur Aufrechterhaltung eines guten Zustandes der Maße und Gewichte verlangt werde, daß beide regelmößig nachgeaicht würden. Jn Folge dessen, um keine großen Kosten zu ver- anlassen, sei der Tarif dort ein sehr niedriger. Fm übrigen Deutschland überlasse man es dagegen jedem, für die Richtig- keit seiner Maße zu sorgen, dieselben also einfah zur Derich- tigung an die Aichämter zu bringen. Das könnten dann sehr viel längere Perioden scin; und deshalb seien die Tarife höher. Es wäre vortheilhaft, hier eine Einheit herbeizuführen, indem entweder das übrige Deutschland das bayerische System adoptire, oder Bayern das deutsche, Die periodishe Nach- aihung scheine ihm persönlih das Richtigere zu sein, da das Publikum vielfach zu träge sei, um auf die rechte Aufrecht- erhaltung der Maße und Gewichte den nöthigen Werth zu legen. Er bitte die verbündeten Regierungen, das ihrige zu thun, damit man auch hier recht bald eine einheitlihe Ver- waltung für ganz Deutschlar.d erhalte.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath

| Weymann erklärte, dieser von dem Vorredner hervorgehobene

Umstand habe die verbündeten Regierungen bereits beschäftigt, urd dieselben hätten auch den Mangel einer periodischen Nachaichung anerkannt, würden auch auf Abhülfe desselben Bedacht nehmen. Dagegen erachteten dieselben gegenwärtig den Zeitpunkt für allgemeine Einführung einer so durchgrei- fenden Maßregel noh nicht sür gekommen.

Der Abg. Ruppert bat, den süddeutshen Verhältnissen mehr Rechnung zu tragen, Der jegige Zustand sei doch ein ganz guter. Die Beseitigung von „Centner“: und „Pfund“ - Bezeichnungen ätresffe den Kleinhandel sehr empfindlih. Das Nebeneinanderbestehen der behördlihen Ein- rihtungen und des Gebrauchs im Volke sei ganz gut möglich. Deshalb werde er .in zweiter Lesung beantragen, die An- wendung von Centner und Pfund auch weiter für zulässig zu erklären.

Das Wort wurde weiter nicht verlangt; das Haus trat sofort in die zweite Becathung des Geseßentwurfes, und ge: nehmigte die Aenderungen zu Artikel 1 und 3.

Artikel 6 seßt für Theile und Vielfahe der Gewichts- einheit die Bezeihnungen Gramm, Milligramm und Tonne fest.

Der Abg. Ruppert stellte den Antrag, die Anwendung von Centner und Pfund auch weiter für zulässig zu erklären, undd motivirte denselben.

Der Abg. Frhr. von Ow bekämpfte den Antrag Ruppert, indem ex sein Bedauern ausdrückte, in dieser Frage seinen süddeutschen Kollegen entgegen treten zu müssen. Das durch den Anirag bewirkte Nebeneinander der Rehnung nah der Pfund- und nah der Grammreihe, in Verbindung mit der Benugzung der Dezimal- und Centesimalwaagen, werde zu oielen Unordnungen und Jrrungen führen. Namentlich werde ver Verkehr mit den Nachbarländern dadurh feyr ershwert.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) erklärte, er bitte dem Antrage Ruppert zuzustimmen. So weit er sih um: