1884 / 139 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 16 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für oll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für echnungswesen traten heute zu einer Sizung zusammen.

Der Schlußbericht über die vorgestrige Sißung des Reichstages befindet \sich in der Ersten bez. Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (33.) Sißung des Reichstages, welcher die Staats-Minister von Boettiher und Bronsart von Sellendorf sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bun- desrath und zahlreihe Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident den Eingang eines Geseßentwurfs, be- treffend die Abänderung des Zolltarifs vom 15. Juli 1879, und eines Gesegzentwurfs, betreffend die Besteuerung des Zudckers, mit. i

Der Abg. Richter (Hagen) benugtte diesen Anlaß, um den Präsidenten zu ersuchen, den Seniorenkonvent zu einer Be- sprehung darüber zu berufen: wie viel Zeit der Reichstag auf die Erledigung der restirenden Vorlagen noch verwenden fönne. Die Reihen des Hauses seien so gelichtet, daß die Mit- glieder kaum über die Berathung des Unfallversiherungs- geseßes hinaus zusammenzuhalten seien.

Der Präsident versprah, dem Wunsche des Abg. Richter Folge zu geben.

Darauf trat das Haus in die Tagesordnung ein , deren erster Gegenstand die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Reingewinn aus dem von dem Großen Generalstabe verfaßten Werke: „Der deutsh-französische Krieg 1870/71“ war.

Der Gesegentwurf wurde ohne Debatte unverändert nah den Beschlüssen zweiter Lesung genehmigt.

Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge- seßes, betreffend die Einziehung der mit dem Datum vom 11. Juli 1874 ausgefertigten Reichskassenscheine, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert ange- nommenen Vorlage.

Auch dieser Geseßentwurf gelangte ohne Debatte zur Annahme. :

Hierauf ging das Haus zur zweiten Berathung des Ent- wurfs eines Gesetzes über die Unfallversicherung der o, auf Grund des Berichts der VI1. Kommission,

er.

8, 1 lautet nah der Fassung der Kommission:

Alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Stein- brüchen, Gräbercien (Gruben), auf Werften und Bauböfen, sowie in Fabriken und Hütterwerken beschäftigten Arbeiter und Betriebs- beamte, leßtere sofern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Ge- halt zweitausend Mark nicht übersteigt, werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Unfälle nah Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes versichert.

Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb sich auf die Aus- führung von Maurex-, Zimmer-, Dachdecker-, Steinhauer- und Brunnenarbeciten erstreckt in diesem Betriebe beschäftigt werden.

Den im Absay 1 aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe glei, in welhen Dampfkc}sel oder durch elementare Kraft (Wind, Wasser, Damps, Gas, heiße Luft u. \. w.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommw.en, mit Ausnabme der land- und forstwirthsbaftlihen niht unter den Absaß 1 fallenden Neben- betriebe, sowie derjenigen Betriebe, für welhe nur vorübergehend eine niht zur Betriebsanlage gehörende Kraftmaschine benutzt wird.

Im Uebrigen gelten als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes insbesondere diejenigen Betriebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerb2mäfig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zwecke mindestens zehn Arbeiter regel- mäßig beschäftigt werden, fowie Betriebe, in welchen Erplostvstoffe oder explodirende Gegenstände gewerbêmäßig erzeugt werden,

Welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Ge A sind, entscheidet das Reichs-Versicherungsanit Auf gewerblice Anlagen, Fisenbahn- und Sciffahrtsketriebe,

welche wesentlide Bestandtheile eines der vorbezeichneten Betriebe sind, finden die Bestimmungen dieses Gesetzes ebenfalls An- wendung.

Für solbe unter die Vorschrift des § 1 fallende Betriebe, welche mit Unfallgefahr für die darin beschäftigten Personen nicht verknüpft sind, kann durch Bes{bluß des Bundesraths die Ver- sicherungspflicht ausgeschlossen werden.

Arbeiter und Betrieb8beamte in anderen, nicht unter Absatz 2 fallenden, auf die Ausführung von Bauarbeiten sh erstreckenden Betrieben können durch Beschluß des Bundesraths für versiche- rungspflichtig erklärt werden.

Hierzu beantragten 1) die Abgg. Bebel u. Gen. : Der Reichétag wolle beschließen : Den §, 1 zu fassen wie N

«9: 1.

Alle gewerblichen, gegen Lohn und für Rehnung Andercr be- shäftigten sowie alle forst- und landwirthschaftlichen, ebenso alle in Fabriken und jeder Art von industrielen Betrieben, auf Werften und bei der Schiffahrt und Fischerei beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen werden gegen die Folgen der bei dem Betriebe si ercignenden iInfälle nah Maßgabe der Bestimmungen dieses Ge- seßes versichert“; L

im Falle der Ablehnung dieses §8. 1 im §, 1 der Kommissions- porioe Absat 4 hinter den Worten „beschäftigt werden“ einzu-

alten:

„Oder in denen Maschinen, gleihviel ob Bewegungs- oder Arbeitsmaschinen, zur Verwendung gelangen“,

und im Absay 8 desselben Paragraphen an Stelle des Wortes » Bundesraths“ zu setzen:

„Reichs-Versicherungs8amts*.

2) die Abgg. Dr. Barlh u. Gen. : Der Reichstag wolle beschließen : I, A. 1) In §. 1 Absay 1 hinter dem Worte „Hütter. werke“ folgende Worte einzuschalten:

ebei der gewerb8mäßigen Besörverung von Personen und Gütern zu Lande over auf Binnengewässern“.

2) hinter diesen Wocten folgende Worte einzuschalten: eim Handwerke“,

3) hinter diesen Worter. folgende Worte einzuschaiten: „im Speicher- und Kellereibetriebe*,

4) hinter diesen Worten folgende Worte einzuschalten : „in der Land- und Forstwirthschaft“.

5) dem Absatz 1 in §. 1 folgende Worte zuzufügen:

«Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten, welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbebetrieb ih auf die Ausführung von Bauarbeiten erstreckt, in diesem Betriebe beshäf- tigt werden, sowie von sonstigen bei der Ausführung von Bauter beschäftigten Arbeitern und Betriebsleamten, soweit diesclben nicht, ohne im Dienste eines Gewerbetreibenden der bezeihreten Art zu ftehen, lediglih einzelne Reparaturarbeiten ausführen“,

und folgegemäß:

a, in Vuf Absatz 2 zu streichen, |

b, in Absay 3 Zeile 5 die Worte „der land- und forstwoirth- elen, niht unter Absay 1 fallenden Nebenbetriebe, sowie“ zu reihen,

c. tin Aas 3 am Schlusse folgende Worte beizufügen ;

„ferner diejenigen Betriebe, in welhen Explosivstoffe gewerbs- mäßig rieugt oder verwendet werden“,

d, die Absâue 4, 5, 6, 7 und 8 zu streichen ;

B. éventuell :

1) in §. 1 Absaß 3 die Worté „der land- und forstwirth- lbaitivden, nicht unter Absatz 1 fallenden Nebenk etriebe, sowie* zu

reten,

2) in Absay 4 §. 1 nah den Worten „gewerbêmäßig erzeugt“ die Worte:

eOder verwendet“ einzuschalten.

3) die Abgg. Dr. Buhl u. Gen.:

Der Reichstag wolle bescbließen :

1) Für den Fall der Ablehnung des Antrages I Dr. Barth und Genofsen

in §. 1 Abs. 2 hinter „Brunnenarbeiten* einzuschalten :

„auf Eisenbahnbauten und auf Wasserbauten“,

dem Abs. 2 keizufügen: S :

E Gon den von Schornsteinfegern besckchäftigten Arbeitern“.

2) In §. 1:

a. den Eingang des Abs. 3 zu fassen, wie folgt:

Den im Absatz 1 aufgeführten gelten im Sinne dieses Gesetzes diejenigen Betriebe glei, in welchen Erxplosivstoffe oder cxplodi- rende Gegenstände gewerbsmäßig erzeugt werden, sowie Betriebe, in welchen Dampfkessel . . ._.;

b. Absay 4 zu streichen ;

c. Absatz 5 zu fassen, wie folgt:

Welche Betriebe als Fabriken im Sinne dieses Gesetus an- zusehen sind, entscheidet im Zweifelsfalle das Reichs - Versiche- rungsamt.

3) Im Falle der Ablehnung des Antrages 1I:

den zweiten Absaß des 8. 2 und den vicrten Absatz des §. 3 der Regierungsvorlage wiederherzustellen.

Der Berichterstatter Abg. Dr. Freiherr von Hertling seßte den Unterschied der Kommissionsvorlage gegznüber der Regierungsvorlage auseinander und bekämpste die ein- gebrahten Anträge, die zum größten Theil \{chon in der Kommission vorgelegen hätten und von ihr abgelehnt worden seien. Namentlih müsse er dem sozialdemskratischen Antrage widersprechen, der die äußersten Konsequenzen ziehe und alle Lohnarbeiter versicherungspflichtig machen wolle. Die Tragweite desselben könne man niht übersehen, und der Antrag passe nicht in die Vorlage hinein.

Der Abg. Kräcker vertheidigte den sozialdemokratischen Antrag. Mit großer Spannung sehe die gesammte Arbeiter- welt dem Resultat dieser Woche entgegen. Leider schließe die Voriíage einen großen Theil der Arbeiter von der Versicherung aus ; es sei aber kein Unterschied zwischen Handwerkern und Fabrikarbeitern. Der kleine Gewerbetreibende bedürfe eines besonderen Schußes, niht minder der Arbeiter auf den Schiffen und Rheden. Alle Gewerbe könnten der Maschinen ebensowenig ent- behren wie die Fabriken ; es seien also dieselben Unfallgefahren vorhanden. Wenn es dem Reichstage wirklih mit dem Wohle der Arbeiter Ernst sei, wenn ex die Sozialdemokratie wirksam bekämpfen wolle, so möge derselbe allen Arbeitern die Versiche- rung zu Theil werden lassen.

Der Abg. Dr. Barth wies zunächst darauf hin, daß die Komniission die bedenklihsten Shwächen des Gesetzes, z. B. die dreizehnwöchentliche Karenzzeit, den Aus\{luß der land- und forstwirthschaftlihen Arbeiter und vor Allem den Versiche- rungszwang aufrecht erhalten habe. Wenn er mit seinen Freunden diese Bestimmung amendiren wolle, so geschehe es nur, um aus der Zwangsversicherung bessere Konsequenzen zu ziehen, als es in der Vorlage geschehen sei. Man wolle nicht generell alle Arbeiter dem Geseyß unterstellen, sondern nur diejenigen, welhe wirkliÞh von Unfallgefahren bedroht seien. Es stehe nihts im Wege, daß in der Spezialisirunz der Gewerbebetriebe fortgefahren werde. Handwerker, Speicher- und Kellerarbeiter liefen dieselben Gefahren wie die Fabrikarbeiter. Ein Schmied, dem ein Metallsplitter ins Auge fliege, ein Arbeiter der eine jteile Treppe hinunter falle, sei von der Unfallversiherung ausgeschlossen, wenn erx nicht in einer Fabrik beschästigt sei. Das sei eine Anotnalie. Es gebe überhaupt kein Gewerbe, in dem kein Unfall möglich sei. Die Beschränkung der zu versichernden Betriebe entspringe nur der s{lechten Organisation der Berufsgenossenschaften, denen man noch weitere Aufgaben aufbürden wolle. Es hande!e sich hier gor niht um eigentlihe Berufsgenof enschaften, denn sie könnten aus den heterogensten Betriebsun:er- nehmern bestehen, die ih den Majoritätsbeschlüssen zu fügen hätten E sei der größte Fehler, die Privatversiherungen einfach zu beseitigen, Der Vorwurf, daß dieje Gesellshasten nur wegen hoher Dividenden besiänden, sei ungerechtfertigt. Er kenne vier Privatversicherungen, die mit Verlust arbeiteten. Die Privatgesellshaften seien aber hen deshalb den Zwangsversicheru1gen vorzuziehen, weil sie mehr individualisirten und eine bessere Gefahrenverhütung ge- währieisteten.

Der Abg. Dr. Buhl. bemerkte, daß er für die Zwangs- genosjenshaften der Vorlage keineswegs schwärme, aber wenn man einmal sih auf den Standpunkt der Zwangsversicherung stele, dann müsse man Denjenigen, welhe ander- wärts feine Versiherung finden könnten, das ultimura refugium in den Berufsgenossenshasten gewähren. Vor dieser Konsequenz sollten auch die Freunde des Vor- redners, welche sich auf den Boden der Zwangsversicherung stellten, niht zurückshrecken. Redner empfahl darauf die von ihm beantragten Amendements.

Bei Schluß des Blattes ergriff der Staats - Minister von Boetticher das Wort.

Ein Stoß gegen einen Anderen, welcher dadur in das daneben befindlihe Wasser fällt und so leiht hätte er- trinken können, ist nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1I. Strassenats, vom 8. April d. J, als qualifizirte Körperverlezung aus §. 223a des Str.-G.-B. (Verießung A. einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu be- trafen.

—- Der Staatsbauverwaltung ist durch Allerhöchste Ordre vom 4. Juni d. J. behufs Ausführung eines Dur- stihs der Oste bei Niederochtenhausen im Landdrostei- bezirk Stade das Enteignungsrecht zur Entziehung bezw. dauernden Beschränkung des Grundeigenthums bezüglich der erforderlihen Grundstücke verliehen worden.

Der bisherige Königlich shwedish-norwegishe Gesandte Baron von Bildt hat Berlin mit Urlaub verlassen. Für die Dauer dex Abwesenhei: desselben fungirt als interimisti- scher Geschäftsträger der Legations-Sekretär von Huitfeldt.

Dec General-Lieutenant Freiherr Pergler von Perglas, Commandeur der 26. Division (1. Königl. Württembgz.), welcher zur Abstattung persönlicher Meldungen auf 8 Tage hier anwesend war, hat sich in eine Garnison Stuttgart zurückbegeben. |

Als Nerzte haben sich niedergelassen die Herren :

Hülsmeyer, Dr, Rosenstein, Dr. Joseph, Dr. Trilling, Dr.

Margoniner, sämmtli in Berlin, Dr. Nitshmann in Erfurt und Dr. Hermann in Weißensee.

Der heutigen Nummer des „Reihs- und Staats- Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 5), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Baden. Karlsruhe, 14. Juni. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher der Landtag heute von dem Großherzog geshchlossen worden ist, weist auf die langen und mühevollen Arbeiten des Landtages und auf die treue und erfolgreihe Pflichterfüllung desselben hin, giebt der Be- friedigung über die Erfüllung der Erwartungen Ausdru, die bei der Eröffnung des Landtages in Bezug auf die Ausbildung der öffentlichen Einrichtungen und die Förderung der geistigen und materiellen Fnteressen des Volks ausgesprochen worden feien, und dankt den Ständen für ihre Einsicht, ihren patriotischen Sinn und ihre stete Bereitwilligkeit zum Zusammenwirken unter sih wie zum Zusammenwirken mit der Regierung. Fast alle dem Landtage gestellten Aufgaben hätten eine befriedigende Lösung gefunden, und den mannigfaltigen Bedürfnissen und Wünschen des Landes sei Rechnung getragen worden, ins- besondere in Betreff der erweiterten Ausgestaltung der Rechts- ordnung des Staatêwesens, der inneren Organisation und der Selbstverwaltung der großen Kommunalverbände. Die Be- rathungen über die landwir* ba Tidbe Enquête seien von großem Nugzen gewesen ; die Regierung werde die bezüglichen Vorschläge und Anregungen unter Mitwirkung sachkundiger Kräfte ciner abschließenden Behandlung entgegenführen. Eine gleiche Theilnahme und Fürsorge würden die Jnteressen des Kleingewerbes finden. Durch die Steuerreform auf dem Wege der Besteuerung des Einkommens sei die Grundlage für eine gerechte: e Vertheilung der Lasten gewonnen worden ; die Verhältnisse aller Staatsdiener hätten durch das Relikten- geseß eine befriedigende Lösung erfahren. Am Schlusse heißt es: der Großherzog begleite die Abgeordneten mit dankbarer Gesinnung und mit treuen Wünschen in ihre Heimath; er hoffe, daß zu den Früchten der andauernden Arbeit auch der Segen des Himmels trete, und daß eine reiche Ernte den Fleiß des Volkes belohne.

Braunschweig. Braunschweig, 14. Juni. (W.T. B.) Der außerordentliche Landtag ist nah Erledigung der Eisenbahnvorlage heute wieder ge\chlossen worden.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 15. Juni, (W. T. B.) Graf Ludwig Grünne ist heute Vormittag gestorben.

Pest, 15. Juni. (W. T. B.) Soweit bis jeßt bekannt, sind gewählt: 152 Liberale, 45 Kandidaten der gemäßigten Opposition, 44 Unabhängige, 9 Kandidaten der nationalen Me, 13 Antifemiten und 8 keiner bestimmten Partei An- gehörige.

Agram, 14. Juni. (Prag. Ztg) Jn der heutigen Sitzung des Landtages wurde die Spezialdebatte über den Antrag des Elfer-Ausschusses fortgesezt. Miskatovic legte dar, daß Kroatien nur durch ein ruhiges, leidenshaftsloses Vorgehen auf dem politishen Gebiete etwas erringen könne. Er erblice in dem Aushängen der inschriftslosen Schilder keine Ungeset- lihkeit. Anton Starcevic vertheidigte seine bekannten An- sichten, Stojnovic warf der Majorität vor: sie wolle Tisza und den ungarischen Reichstag von den Vorwürfen reinigen. Er warnte vor der Annohme des Antrags Kussevic. Tkalcic interpellirte, warum die Regierung den Bürgermeister nit in Disziplinaruntersuhung ziehe. Parcic interpellirte wegen der Einführung ver ungarischen Sprache in Fiume bei den Gerichten, in den Schulen und bei der Verwaltung und fragte : ob die Regierung Schritte dagegen gethan habe.

Velgien. Antwerpen, 14. Juni. (W. T. B.) Das „Handelsblad“ meldet: das neue Ministerium sei nun- mehr gebildet, und die betreffenden Ernennungen sowie die Auflösung des Senats würden morgen von dem „Moniteur“ veröffentlicht werden.

__ Großgbritannien und Jrland. London, 14. Juni, (W. T. B.) Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind heute Nachmittag hier eingetroffen.

Frankreich. Paris, 14. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute das Amendement Lanessan zu dem Nekrutirungsgeseß, dessen Jnbetracht- nahme am 12, d. M. beschlossen wurde, mit 293 gegen 201 Stimmen abgelehnt. Der Kriegs-Minister Campenon hatte das Amendement energish bekämpft. Die Berathung des Rekrutirungsgeseßes wird am Montag fortgeseßt werden.

Spanien. Madrid, 14. Juni. (W. T. B.) Sieben Mitglieder der „Schwarzen Hand“ sind heute früh in Xeres hingerichtet worden.

Nuߧland und Polen. St. Petersburg, 14. Juni. (W. T. B.) Heute Nachmittag 2 Uhr hat der feierliche Einzug der Prinzessin Elisabeth von Hessen statt- gefunden. Die Großsfürstlihe Braut fuhr mit der Kaiserin in einer mit aht Pferden bespannten Galakutsche, welcher der Kaiser, der König von Griechenland, der (3roß- herzog von Hessen und die hier anwesenden Großfürsten zu Pferde, die Prinzessinnen Jrene und Alice von Hessen und die Großfürstinnen in Galakutschen folgten. Die Newsky- Perspektive, welche der Zug passirte, war überaus prächtig ge- \{chmüdckt ; Truppen bildeten Spalier und die zahlrei zusammen- geströômte Bevölkerung begrüßte die Braut, den Kaiser und die Kaiserin mit enthusiastishen Zurufen. i

von Rosenbach ist

Der General-Gouverneur heute in Taschkent eingetroffen.

156. Juni, Abends. (W. T. B.) Die Feier der Trauung des Großfürsten Sergei mit der Prin- zessin Elisabeth von Hessen ist programmmäßig ver- laufen. Die Auffahrt vor dem Winterpalais begann bald nah 12 Uhr Mittags. Der Trauungszug begab si feierli nach der Kathedrale des Palais, woselbst unter glänzendster Assistenz die Trauung vollzogen wurde. Der evangelisch: lutherishe Theil der Trauung wurde von dem Pastor Dalton verrichtet. Nah der Trauung begaben sich die Majestäten mit den Neuvermählten und den hohen Gästen in die inneren Gemächer. Nachmittags 5 Uhr fano im Nicolaisaale großes Diner statt, bei welchem die Neuvermählten ¿wi)chen dem Kaiser und der Kaisecin saßen. Nah dem Diner wurde in dem goldenen Salon der Thee eingenommen, worauf die Cour begann. Um 10/4 Uhr fuhren die Majestäten mit dem neuvermählten Paare in einem achtspännigen goldenen Wagen, von einem glänzenden Gefolge

begleitet, nah dem Palais des Großfürsten Sergei Alexan- drowitsh, wo das Familiensouper stattfand.

Afrika. Egypten. Kairo, 14. Juni, (W. T. V,) Der Gouverneur von Dongola meldet heute, daß Berber gefallen sei,

15. Juli, Abends. (W. T. B.) Offizielle Telegramme aus Wady Halfa melden, daß Khartum in Sicherheit sei. Trotz der Kapitulation von Berber besänden \ih in der Umgegend der Quellen von Murad keine Aufständischen, doh sei der nah der Wüste führende Weg blockirt. Es ist Befehl ertheilt worden, Maßregeln zu ergreifen, um den Rück- zug der Garnison von Dongola zu sihern. Die Nach- riht von der Uebergabe Berbe-cs hatte in Assuan große Erregung hervorgerufen, doch genügte die Anwesenheit von Kanonenbooten, um die Eingeborenen zu beruhigen.

Zeitungsf\timmen.

Die „Karlsruher Zeitung“ berihtet über die am 8. d. M. in Karlsruhe stattgehabte Landesversammlung der nationalen und liberalen Partei in Baden:

Die Versammlung war von hiesigen und auswärtigen Partei- genossen sehr zahlreich besuht, als Schätzungsziffer wurden 2000 ge- nannt. Landgerichts-Direktor Kiefer kommt in seiner Rede zunächst auf die Heidelberger und Berliner Kundgebungen zurück, die ganz dem ursprünglichen Programm der Partei entsprähen, wie es zuerst von Bennigsen aufgestellt habe. Redner bespricht dann die durch die Kaiserlidbe Botschaft inaugurirte Sozialreform, welche Frieden stiften wolle zwischen den verschiedenen Bevölkerungsklassen, ein Streben, das zu unterstüßen die nationalliberale Partei durchaus bereit sei; gelinge das Werk, so könne es si den im Kriege errun- genen Erfolgen gleihstellen. Dieses Bestreben der Partei rechtfertigt auf der anderen Seite auch die Ergreifung von Repressivmaßregeln, wie sie im Sozialistengeseß beschlossen seien. Ec rec{tfertigt darauf die Politik der Partei, keine Prinzipienreiterei zu treiben, sondern Kom- promisse zu \chliceßen, um die nationalen Interessen zu förd.rn, auf die gewaltige Per)önlichkeit des Kanzlers Nücksicht zu nehmen und si darin durch den Hohn der „Frankfurter Zeitung®* nit irre machen zu lassen. Wie in Baden die Katholiken volle Freiheit haben, so wolle man hier auch das Bemühen des Kanzlers unterstützen, dur die Verhandlungen mit der Kurie die Zustände der katholischen Kircze im übrigen Dcutscland befriedigend zu gestalten. Die Partci wolle das bisherige Budgetrecht des Reichstages, die geheime Äbstimmung auf- recht erhalten wissen. in diesen Punkten gäbe es keine Kompromisse. Die Partei habe eine große Zukunft vor sich, sie werde für den Ruhm, die Ehre und Gröfte des Reichs wirken und die foztalen Re- formen energisch unterstüßen. (Großer B'ifall.)

__ Bankdirektor Eckhard wirft zunächst cinen Rückblick auf die Eat- wicklung der öffentlichen Verhältnisse in Baden von dem Erlaß der Verfassung im Jahre 1818 an, kommt dann auf die Ereignisse von 1866 und 1870, um daran die Mahnung zu knüpfen, in der Ve- urtbeilung des Reichslanzlers mindestens mit der Billigkeit zu ver- fahren, die das Ausland übe, das ihm unbedingt rachrühme, was der Fürst NReickskanzler thue, geschehe allein im Interesse der Sicherheit, der Größe und dec Würde Deutschlands. Wie weit- blikend der Kanzler sei, habe die Samoa-Frage gezeigt, damals habe die Volksvertretung dem Kanzler mit der Forderung von einer Million abgcwiesen, jeßt dränge das deutsbe Volk, daß die Kolonisationsfrage energisch gelöst werde. In der Frage der Subvention der deutschen Postoampfschiffsverbindungen mit überseeishen Ländern müsse der Kanzler unterstüßt werden, denn er wolle die deutsche Flagge im Auélande zu Ansehen bringen. Man werfe dem Kanzler seine Ab- netgung gegen parlamentarishes Regiment mit Unrecht vor, denn der Kanzler babe keine Partei gehabt, auf die er sich mit Erfolg hätte stüßen können, aub die nationalliberale Partei habe zu Zeiten diese Stüße, weil sie zu sehr Nücksiht auf ihre Nachbarn genommen, nicht geboten. Das fei eine Mahnung, eine gemäßigte Haltung einzunehmen, wie es auch das Volk wünsche, bas mit der jeßigen parlamentarishen Situation nicht zufrieden sei. Speztell für Baden handle es sich darum, voll und ganz zu erhalten, was hier in Baden seit 1860 und im Deutschen Reiche seit 1871 ge- schaffen sei. Man dürfe den Ruf nicht mehr hören: Fort mit dem Reichskanzler, sondern müsse wünschen, daß er dem deutschen Volke noch ret lange erhalten bleibe. (Großer Beifall.) Redner bespricht dann das Heidelberger Programm bezüglich der Steuern. .

_Ohne sih für Schußzzoll oder Freihandel hier zu entscheiden, müsse er do die Behauptung für eine Lüge erklären, daß der Schutz- zöôllner reaktionär, der Freihändler liberal sein müsse. Zum Schluß ersuht Redner die Anwesenden, in größeren und in kleineren Kreisen sür die Partei zu wirken, sih nit durch kleinliche örtliche Zänkereien davon abhalten, sih nit von rechts oder links irre machen zu lassen, dann werde das shöne Ziel erreicht: das Deutsche Reich zu erhalten und unzes{wädt unsern Nachkommen zu hinterlassen. Mit diesem Gelöbniß müsse jeder die Versammlung verlassen. (Großer Beifall.) . .

Der Vorsitzende Lamey stellt die Frage, ob die Versamralung mit dem Heidelberger und Berliner Programm einverstanden sei, was cinstimmig bejaht wird. Mit einem Hoh auf Se. Majestät den Deutschen Kaiser und Se. Königliche Hoheit den Großherzog wird die Versammlung gesch{lo}sen.

Der „Schlesischen Zeitung“ wird vom ober- {lsishen Steinkohlenmarkte geschrieben :

Der Verkehr und der Absatz in Steinkohlen hat gegen die Vor- wocbe cine wesentlihe Aenderung nicht aufzuweisen, Wiewohl die Bezügc inländischer Konsumenten fortfahren, sich vorzuasweise auf die Abnahme ver kleineren Sortimente zu erstrecken und Würfel- wie Stüdcktkoglen zu vernachlässigen, so ist dennoch die Thätigkeit auf den Gruben eine sehr rege sowie die Stimmung eine zuversichtlicke, welche bie bisherigen Preise behaupten läßt. Dieselbe wird unterstüßt durh den sich mehrenden Aksaß von Steinkohlen aller Art cuf dem Wasserwege der Przemsa, durch be- dcutende Lieferungsabschlü}se ¿zur Versendung von Kohlen nah Rumänien, sowie durch das Ergebniß der Ver- handlungen über die Verfrabtung A Steinkohlen nab Stettin, aus welchen, wenn sie auch zunächst für eine Verbiiligung der Tarife ein negatives Resultat gehabt haben, doch soviel hervor- gegangen ift, daß die Kleinkohle obershlesisber Gruben an Heizkraft der englisten Smallsteam-Kohle turhaus überlegen und daher nicht nur leßtere, fondern selbst besseren englischen Kohlensorten Konkurrenz zu macben in der Lage sei. Koks und Kokereiprodukte stehen in guter Nachfrage; die Kokerei-Anlage der Heiniß-Grube is Seitens der Besißer der Julienhütte bei Bobreck in Pacht genommen worden, wodurch diese Grube in das unter den früheren Besitzverhältnissen ge- \haffene Absaßgebiet wiederum eintritt.

Der „Wochenschrift für Spinnerei und We- berei“ wird aus Chemniz, 10. Juni, berichtet : :

._ Der Gesc({sftsgang am hiesigen Plate ist, wenn auch nit als glänzend, so doch im Allgemeinen als zufriedenstellend zu betrachten. Der Maschinenbau hat entsprechend hinreichend Aufträge, in einigen

attuigen, z. B. im Turbinenbau, Webstuhlbau 2c., sogar über- reiblih. Nur der Werkzeugmascbinenbau hat sich noch nit voll- ständig wieder erholt und im Maschinenbau für Abfallspinnerei und im Strumpfmaswinenbau is eine Stagnation eingetreten; die Er- öéupung von Abfallgespinnsten hat den Konsum bedeutend überstiegen und im Strumpfstuhlbau sind so viel neue, wenn auch kleine Fabri- fen entstanden, daß es momentan zu viel geworden ist, zumal einige große Strumpffabriken ihre nah eigenen Patenten konstruirten Ma- schinen selbst bauen. Der Strickmaschinenbau hingegen geht lebhaft.

„__Die Kammgarnspinnerei hat {on seit mehreren Jahren eine günstige Pcriode und die Baumwollspinnerei behauptet einen nor-

malen ruhigen Gang, wenn au der Verdienst, wie das bei einem solchen Halbfabrikat und Massenartikel niht anders sein kann, nur ein bescheidener genannt werden muß. : .

Die Weberei, welche sich bei uns in der Hauptsache mit Erzeu- gung von Möbelstoffen, Geweben aus Jutegarnen_ und einigen an- deren Spezialitäten befaßt, ist ausreihcnd beschäftigt ; ebenso die Wirkeret. Die leßtere, welce si {on seit Jahren in zwei Abthei- lungen gespalten hat, Strumpffabrikation und Handschuhfabrikation, ist in ersterer Brancbe etwas weniger stark engagirt, in leßterer aber so gut beschäftigt, daß die Aufträge kaum zu bewältigen sind.

Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 27. Inhalt: Verfügungen: vom 9. Juni 1884. Postverbindungen na Norderney. Vom 9. Juni 1884. Anwendung des Eisenbahn: Poftgesetßes auf das ehemalige Posen-Kreuzburger Eisenbahnunternchmen.

Statiftische Nachrichten.

Das öffentlihe Fuhrwesen Berlins. (Stat. Corr.) Für die Entwickelung der modernen Großstädte ist die Gestaltung des öffentlihen Fuhrwesens von nicht geringer Bedeutung. Während man chedem fast ausnah:nslos selbst in den größten Städten die weitesten Entfernungen zu Fuß zurück zu legen pflegte und die Benutzung eines Fuhrwerks als Zeichen der Bequemlichkeit oder des Luxus galt, ist heute der Verkehr zu Wagen oder zu Schiff für die Bewohner von Groß- und selb von Mittelstädten unentbehrlich geworden. Haben ursprünglib die zunehmenden Entfernungen das öffentlihe Fuhrwesen in den Städten geschaffen und ausgebildet, fo ist neuerdings die stete Vervollkommnung dieses leßteren in richtiger Wechselwirkung wieder cine Ursache der progressiven Austehnung der Städte geworden. :

Die beruflihe Beförderung der Menschen in großen Städten ge- \cieht fortscbreitend durÞ Droschken (Miethswagen), Omnibus, Pferdeeisenbahnen, ober- oder unterirdishe Damypfeisenbaßnen und Dampfschiffe. In der deutschen Reichshauptstadt sind diese Verkehrs- arten sämmtlich, mit Ausnahwe der unterirdischen Eisenbahnen, ver- treten. Ein Kommunikationsmittel hat hierbei nicht das andece ver- drängt; alle haben sih vi:Ilmehr neben cinander entwickelt, wenn auch in Folge der wohlfeileren Beförderung durch Pferde- und Dampf- eisenbahnen im Droschkenf.1hrwesen eine bemerkenêwerthe Verschiebung eingetreten ift. S

Nach den Ermittelungen des Königlichen Polizeipräsidiums zu Berlin betrug nämlich

die Gesammtzahl der beförderten Personen : im Jahre im Omnibus mit Pferdebahn mit Stadt- und Ringbahn

1873 14 367 048 3783 130 é

1875 14 130 207 18 319 772

1877 13515 455 28 725 575

1879 12 076 973 40 088 906

1881 9 960 774 58 487 055 4

1882 13 696 560 65 218 792 9 420 000

1883 15 193 805 70 554 748 12 428 484.

Die Gesammtzahl aller durch den Omnibus, die Pferdcbabn und die Stadt- und Ringbahn beförderten Personen war 1883 also mehr als fünfmcl so groß als vor 10 Jahren, obwohl sich die Bevölkerung Berlins im gleichen Zeitraume nur um 37,5 % vermehrt hatte. Gegenwärtig ist die Pferdebahn bei Weitem am stärksten am Per- sonecntran8porte in Berlin betheiligt; sie hat 1883 beinahe fünfmal so viel Pecfonen als die Omnibusgeselischaft und fast sechsmal soviel als dice Stadt- und Ringbahn bejördert. Auf Grund dieser That- sache hat si die Gesammtzahl der Droshken vom 1. Januar 1874 bis dahin 1884 nur von 4167 auf 4292 vecmebrt, und zwar entfällt die Vermehrung aussc{hließlid auf die Droschken I. Klasse, während die Zahl der Droschken 11. Klasse wesentlich abgenommen hat, wie aus folgenden Angaben hervorgeht. Es betrug:

Drofcbk E Gepädck

roschken roschken epád-

am 1. Januar I. Klasse II. Klafse droshken

1874 831 3336 1876 103 3027 141 1878 1228 2931 184 1880 1508 3101 180 1882 1651 2810 170 1883 1466 2662 161 1884 1630 2510 152

Die Zahl der Droschken 11. Klasse hat sich demna im letzten Jahrzehnte um 33,7 9/6 verringert, während sich diejenige der Droschken I. Klasse verdoppelt hat, ein Zeichen, daß dem Lransportbedücfnisse der Bevölkerung Berlins durch die Erweiterung des Pferdebahnnetes, sowie durch Stadt- und Ringbahn weit zweckmäßiger enisprochen wird, als durch die Droschken 11. Klasse, während anderseits auf Grund des wachsenden Wohlstandes der Bevölkerung, sowie der An- forderungen, welche von internationaler Seite an die öffentliche Personenbesörderung der Hauptstadt des Deutschen Reiches gestellt werden, das bequemere und schnellere Transportmittel der Droschken I, Klasse fih fast stetig vermehrt hat. Die starke Abnahme ver Personenbcförderung durch Droschken Ik, Klasse ist deutlih in der Vermindecung der Zahl derjenigen Dcoschken ausgeprägt, welche auf den Berliner Bahnhöfen Fuhren erhielten, Diese Zahl betrug

auf dem Bahnhofe: 1873 1878 1883

Poisdamcr . e SCOOC 70 843 48 068

Dresdener 18 706

Anhalter . 122 082 96 003 97 245

Go. . 32 631 22 907 19 619

Niederschlesischen . 98 820 70 692 30 063

Ostbahnhofe 87 125 61 054

Stettiner . 105 663 85 017 82 784

amburger . 62 557 47 551 34 072 ehrter 62 229 57 534 18371 13 053

103 784

Alexanderplaß . . Friedrichstraße. . R J Zusammen . . 658444 5303070 447059.

Das Berliner öffentliche Fuhrwesen hatte am 1. Januar 1884 einen Pferdebestand von 11 220 Pferden aufzuweisen, 1160 Pferde mehr, als zu Beginn des Jahres 1874; derselbe vertheilte sich auf die einzelnen Zweige der öffentlichen Personenbeförderung in folgender Weise. Es waren vorhanden Pferde

am 1, Januar

1874 1884

bei den Dros(hken I. Klasse . . 1600 2360

« Droschken II. Klasse . . 6300 3990 Gepäckdroshken. ... 350 ¿ Ds... . 1800 1149 ¿ In. O OaU e der Pferdebahn . . .., 360 2841

Die Anzahl der Pferdebahn-Waggons stieg von 54 zu Beginn des Jahres 1874 auf 625 zu Anfang 1884, diejenige der Omnibus dagegen ging in derselben Zeit von 188 auf 135 zurück, obwohl leßz- tere im Jahre 1883 826 757 Personen mehr beförderten, als im Jahre 1873. Troß des weit in die Umgebung Berlins vorgedrungenen Pferdebahn-Betriebes ist die Gesammtzahl der Thorwagen in den leßten 10 Jahren von 257 auf 350 gewa{sen, wobei sich die Ein- \spänner nur von 82 auf 83, die Zweispänner dagegen von 175 auf 267 vermehrten.

Die Zahl der durch öffentliwe Fuhrwerke in Berlin herbei- geführten Unfälle, soweit dieselben zu polizeilicher Kenntniß gelangt sind, ift in den lehten 10 Jahren auf mehr als das Fünffache ge- stiegen; es wurden nämlich Personen J

im Jahre verleßt getödtet 1873 ¿1 2 1883 176 4

Während also 1873 die pal der Eetödteten 6,06 °/ aller V:.r- leßten betrug, war sie 10 Jahre später auf 2,22 9% herabgegangen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das Gese über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 is durch das Gese vom 1. Juni d. J. dur- greifend geändert worden; beispielsweise sind die 88. 9, 11, 14, 23 gänzlih aufgehoben, an Stelle anderer Paragraphen (z. B. 10, 12, 25, 26, 27, 33, 34) find reue getreten, und mehrere Davageenten (19 a—d, 35a) neu eingeschaltet worden. Um den Interessenten die Unbequemlichkeit zu ersparen, bei der Jnformiruna beide Gesetze zur Hand nehmen und mit einander vergleichen zu müssen, ist in der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin 8SW., Wil- belmstr. 32, eine sorgfältig redigirte Textausgabe des Gesetzes vom 7. April 1876 (mit Sa{hregister) erschienen, in welcher alle dur das neue Geseß bestimmten Aenderungen und Zusätze berücksihtigt sind, so daß diesck Ausgabe das Vergleichen beider Gesetze entbehrlich macht. Dieselbe is an der genannten Stelle zum Preise von 20,4 zu beziehen.

Im Verlage von I. J. Weber in Leipzig is erschienen : „Naturgemäße Gesundheitslehre auf physiologischer Grundlage" Siebzehn Vorträze, von Dr. Fr. Scholz, Di- rektor der Kranken- und Irrenanstalt zu Bremen, mit 7 in den Text gedruckten Abbildungen (20 Bogen gr. 8. Preis geh. 3 , geb. 4 4) Der Verfasser hat es versucht, in populärer, leicht faß- liber und, bei Vermeidung gelehrten Beiwerkes, doch möglich| er- \{öpfender Darstellung ein hygieinishes Haus- und Familienbuch für Jedermann zu s{hreiben, und dabei in erster Reibe an die Lehrerwelt gedacht, die dadurch in den Stand gesetzt werden soll, Unterricht in der Gesundheitslehre in Volksschulen zu ertheilen. Diesem Bedürf- niß entgegenzukommen ift das Buch ebenso bestimmt wiz überhaupt Sinn und Interesse für hygieinishe {Fragen in weiteren Kreisen zu wecken. Der Inhalt desselben ist: 1) Einleitung: Geschichtliche Skizze. 2) Aufgaben der Gesundheitslehre, 3) Luft, Licht, Wärme. 4) Boden und Wasser. 5) Klima. 6) Wohnung. 7) Nahrung. 8) Sterblichkeits- und Krankheitsziffer. 9) Von dem Wesen der Krankheiten, ihrem Verlauf und ihren Aus- gängen. 10) Von dea Krankheitsursahen. 11) Von den Seuchen. 12) Von der Körperpflege im Allgemeinen. 13) Pflege der Verdauungs-, Athmungs- und Cirkulationsorgane. 14) Hautpflege und Kleidung. 15) Pflege der Bewegungs- und Sinnesorgane. 16) Pflege des Kindes. 17) Zur Seelendiätetik.

Soeken erschien eine Zeitschrift für deutsche Segler, unter dem Titel „Ahoi! “, von denen das erste und zweite Heft uns in einer eleganten und sehr geschmackvollen Ausftattung vorliegt. Der Herausgeber, G. von Glasenapp, gedenkt durch dieses Werk einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen, welches alle auf Segelsport bes zughabenden Verhältnisse einer eingehenden Betrachtung unterziehen wird, Der Inhalt des Doppelheftes is ein so reichaltiger und origineller, daß schon diese beiden ersten Nummern auf die Viel- seitigkeit und den Umfang des Unternehmens \{ließen lassen. Dasselbe hat sich die verscbiedenartigsten Aufgaben gestellt , deren Endzweke stets das Interesse des deutschen Seglerwesens bildet. Zunäcbst will der „Ahoi“ ein Organ für alle deutswen Segler sein, welches ihre gemeinsamen Interessen des Segelsports in der Praxis und Theorie vertritt, welbes den frischen, *röhlihen Seglergeist för- dert und zum unentbehrlichen Inventar der Kajüte jeder deutschen Yacht gehören soll. Wenngleih der „Ahoi* nicht den Interessen eines bestimmten Vercins angehören will, so wird erc trotzdem selbsts verstäadlich mit allen Kräften für eine Förderung der Vereinsthätigkeit im Segelsport eintreten, den Gedankenaustausch vermitteln und neue An- regung bieten; ebenso wird er den Prüfungen des Seglers und seines Materials, den Regatten, cine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. Den deutschen Sec-Dffizieren will der „Ahoi* ein Organ sein für alle ihre Interessen, außer den rein dienstlihen und militärischen. „Ahoi” betracbtet das See-Offizicrcorps als die gegebene Basis des deutschen Segelsports; er will diesen Sport und die Fischerei-Inter- essen in diesem Sinne vertreten und bescheiden mitarbeiten an der idealen Aufgabe des Segelsport der Stärkung unserer maritimen Wehr- und Handelskraft, Wie weit „Ahoi" der deutschen Handels- marine, den Rhedern, deutschen Kolonialinteressen dienstbar und nüt- lih scin kann und wird, läßt fi vorerst niht übersehen und muß von der geistigen Unterstüßung abhängen, welche ihm diese Kreise ange- deihen lassen, denen er sich hier gern zur Verfügung stellt. Der „Ahoi* beabsichtigt ferner, mit allen Kräften für das Rettungswerk an den Küsten einzutreten. Aber nicht allein das Segeln wird der „Ahoi“ als eine richtige Fachschrist für alles, was auf Wasser Bezug hat, behandeln, sondern auch das Rudern, ohne jedoch auf die Details des sich bei uns erfreulicherweise entwickelnden Sport8zweiges einzugehen, da er nur die Resultate des regen Vereinslebens, die Regatten u. \. w. des Jalandes und Auslandes in großen Zügen zur allgemeinen Drientirung zur Kenntniß seiner Leser bringen will. Sodann giebt er eine allgemeine Orientirung über die Gebiete der Fischzucht, des Angelu8, Schwimmens, des Eissports und der körperlichen Uebungen. Voc allen Dingen wird der „Ahoi“ alle Bestrebungen zur Hebung der deutschen Hochsee- und Küsten-Fischerei aufmerksam verfolgen und, soweit dies in seinen Kräften steht, fördern. Hieran mitzuarbeiten bält der „Ahoi* für sein ideales Ziel. Er erkennt, daß die deutsche Fischerei noc sehr darniederliegt im Vergleich zu derjenigen anderer Nationen, und daß diescs Gebiet der deutschen Volkswirthschaft und des Nationalwohlstandes bedzutender Verbesserung bedürftig ift. Er erkennt die Mittel zur Abhülfe in der Durbführung folgender drei Hæupipunkte: Staatliche Hülfe dur internationale Verträge, Schu der Fischerei durV Kricgsmarine, amtlihe Fischerei-Statistik, Staatsprämien, Fischershulen, meteorologishe Stationen, Eisen- bahnverbindurgen, Aufmunterung privater Bestrebungen u. dergl. m. Ferner durch Privathülfe, namentlich durch Interessirung des Binnen- landes, Heranziehung des Kapitals zu großen Fischerei - Unter- nehmungen, Einrichtung von Märkten u. \. w. Ferner dur Hebung der Fischer- und Küstenbevöll'erung in materieller und geistiger Be- ziehung, staatlihe und privare Prämien u. | w. In dem Wunsch, an der Auéführung dieses Programms an seinem Theile als Journal mitzuarbeiten, hat der „Ahoi“ die folgende Eintheilung seiner Spalter: getroffen: Segelsport, Fischerei, Rettungswesen, Kriegsmarine, Handels- marine, Kolonisation, Kleinerer Sport, und beabsichtigt, diese Ge- biete in oben näher dargelegter Weise zu behandeln. Die genauere Inhaltsangabe des Oktober - Novemberheftes 1884 weist folgende Kapitelüberschriften auf: Literatur, Bibliographie, Nautische Journalistik, Kleine Mittheilungen, Redaktion, Segeln, Fiscber-i, Rettungswesen , Kriegsmarine, Handelsmarine , _Sciffbcu, Nautik, Kolonisation , Dampfen, Angeln, Schwimmen, Eis\port, Hygtene, Industrie und Technik, Patentertheilungen, Ver- \chiedenes, Expedition, Correspondenz, Briefkasten. Das Doppelheft ist so reibhaltig, daf der Raum verbietet, alle die kleinen willkom- menen Beigaben einzeln aufzuführen, Erwährt seien nur noch acht fauber ausgeführte Croguis der hauptsächlihsten Segel-Regc:ttabahnen Deutschlands, welche den Lesern ermöglichen, die Berichte über die Regatten des Sommers verfolgen zu können. Ueber hundert sorg- fältig und geschmackvoll ausgeführte Illustrationen in Holzschnitt sowie ein Bildniß des Prinzen Adalbert in Lichtdruck tragen wesentlich dazu bei, den gefälligen Eindruck des Buches zu erhöhen. Das Unternehmen, welches in so vielversprehender Wise in die Welt tritt, verdient in jeder Weise angelegentlichß empfohlen zu werden. Nicht nur die Freunde des Wassersports, welche denselben lediglich zum Vergnügen betreiben, werden vielseitige Anregurg und hoffentlih volle Befriedigung finden, sondern auch den Seeleuten von Fach dürfte es Brie bereiten und eine angenehme belehrende Lektüre bieten. Dasselbe verdient überdies durch die ernsteren Ziele, welche es verfolgt, eine größere Verbreitung in weiteren Kreisen, welche sih für die in ihm behandelten woirthschaftliben und nationalen Kragen interessiren. Dec „Ahoi* erscheint am 1. jedes Monats. Redaktionelle Beiträge und Correspondenzen sind zuv. riWten an „Ahoi!“ Redaktion, Berlin W., Kurfürstenstr. 9, Der Abonnementspreis be- trägt 3 M pro Quartal im Wektpostverein. Abonnements und Jn- serate nimmt ferner an der Kommissionsverlag, die General-Agentur

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