{ieden wird, und da frage ich, bietet die Komposition der Schieds- gerihte und die Komposition des Versierungsamtes nit eine größere Gewähr für eine sachgemäße Entscheidung, als wie sie zu finden ist bei den ordentlichen Gericbten ? Ist es nicht praktischer, die Entscbeidung in dic Hand von Männern zu legen, die aus dem praktischen Leben hervorgegangen sind, die auf den Gebieten, um welche es si dabei handelt, aroß geworden sind? _Vertient es nit den Vorzug, diesen die Entscbeidung zu überlassen, — ihre Objektivität vorausgeseßt — anstatt die Entscheidung an die Gerichte zu überweisen, die in sehr vielen Fällen bei ihrer Entscheidung erst angewiesen sein würden auf das saverständige Gutachten von Männern aus der Praris ?
Meine Herren! Sie vergessen immer, daß es sib gar nicht um ein eigentli privatrechtlides Gebiet, sondern um eine öffentlid ret- lie Organisation handelt, Des civilistisben Charakters ift die Unfallversicerung nach diesem Gesetze vollständig entkleidet, und es ift darum infonsequent, wenn Sie verlangen, daß die Streitigkeiten, die auf diésem Geb:ete bestehen, den ordentlichen Gerichten überwiesen werden folen. 5
Und, meine Herren, was die Objektivität der ordentlichen Gerichte anlangt, ich alte Be in allen Ebren, ich bin selber Richter gewesen, aber id habe feinen Grund, die Objektivität einer der in der Vorlage vorgeschencn Instanzen anzuzweifeln, und sie auf cine tiefere Stufe zu stellen, als die der ordentlicben Geridte. Ich meine, diejenigen Instanzen, die wir jeßt schaffen wollen, au diese Instanzen werden aus solchen Elementen zusammengesetzt sein, die neben der gehörigen Portion von Sacbkunde au das nöthige Quantum von Objektivität befißen.
“Nun bat der Herr Vorredner gemeint, das Reibs-Versicherungs- amt sei gar nicht geeignet, die Gewähr dafür zu leiften, daß eine rasde Recbtsprecung erfolge, und cs sci im höchsten Grade unpraë- tis, das Reichs-Versicherungsamt mit der zweiten Instanz zu be- fafsen, weil es si häufig dabei um lokale Recherben, um lofale Untersu&ungen handeln wird, deren Vornahme vom Centrum aus manche Inkonvenienzen habe. Außerdem werde das Reichs-Versiche- rungéamt so belastet werden, daß eine rase íIudikatur nicht mög- li sei.
Dem gegenüber weise ih darauf hin, daß man das Reihs-Ver- siberungéamt gerade deshalb zur höchsten Instanz für diese Streitig- feiten gemacht hat, weil man es für sacdienlicch hält, eine Central- Instanz zu scbaffen, in der alle prinzipiellen Fragen, die bei der Ent- scbeidung der Streitigkeiten zwischen den Arbeitern und den Be- rufsgenossenscchafts-Vorständen entstehen können, concentrirt und cin- heitlich entsbieden werden. Diesen Gesichtspunkt würden Sie ganz außer Acht lassen und Sie würden den Nutzen, der darin liegt, daß die prinzipiellen Fragen in ciner Instanz entscbieden werden, preiëgeben, wenn Sie die Sache an die ordentlichen Gerichte verwiesen. Und wesbalb es nicht möglich sein sollte, im Reichs-Versicherungs8amte alle die Streitigkeiten, die dort anhängig werden, zu erledigen, das sehe ic au nit ab. Es handelt si dabei höchstens darum, daß man dem Reichs - Versicherung2amte die nöthige Anzahl von Qräfien giebt und wenn wir au in diejer Beztehung zunädbst mit sehr bescheidenen Ansprüchen an Sie herantreten werden, so ist nicht ausgeschlossen, daß man, wenn si unsere An- sprücbe als nit weit genug bemessen darstellen, sie erweitert und die nötbigen Kräfte erbittet, um eine schnelle und rasche Judikatur auf diesem Gebiete herbeizuführen.
Ich kann deshalb nur bitten, daß Sit bei diesem Paragraphen die Konstruktion der Vorlage aufrecht erhalten, daß Sie als Instanz über die \ciedêricterlichen Entscheidungen das Reichs-Versicherungé- amt hirstellen, daß Sie den ordentlihen Rechtsweg ausschließen. Ich zweifle gar niht, meine Herren, daß Sie damit den Interessen der Arbeiter ebenso sehr dienen, wie Sie überhaupt die Interessen einer gedeihlichen Entwidklung des Unfallversicherungswesens fördern werden. Daß der Arbeiter von vornherein mehr Vertrauen zu den ordentlichen Gerichten baben würde als wie zu einem Gerichtshof, der zum Theil aus Leus ten seines Gleichen besteht, das, mcine Herren, glaube ih Ihnen nit, und werde i erst die Stimmen aus den Arbeiterkreisen abwarten, ehe id mich zu den S(lußfolgerungen bekennen kann, die Sie aus Ihrer Hvpothese ziehen. : -
Der Abg. Dr. Frege führte aus, daß es sich hier um eine große prinzipielle Frage handle, von der seine Partei, die ja sonst wirkliche Verbesserungsanträge, welche von der linken Seite gestellt würden, annehme, nicht abgehen könne Man dürfe die Achtung vor den Schiedsgerihten niht gefährden, denen man das höchste Maß von Verantwortung habe zu- erkennen wollen. Gerade diese Schiedsgerichte würden in der Lage sein, den Arbeitern günstigere Entscheidungen als die Gerichte herbeizuführen und der Arbeiter werde durch sie billiger und besser zu seinem Recht gelangen.
Der Abg. Eberty crklärte, er könne das Reichs-Versiche- rungsamt schon um deswillen nicht für eine geeignete Nekurs- instanz halten, weil die Kompet?znz desselben eine allzuum- fassende und ausgedehnte sei; es liege demselben die Aufsicht über sämmtliche Berufsgenossenschaften, eine Unfsumme von administrativen Entscheidungen und schließlih die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche in leßter Fnstanz ob. ZU einer mit diesen Kompetenzen ausgestatteten, obenein bureau- kratish und centralistish organisirten Behörde könne der Ar- beiter unmöglich dasselbe Vertrauen haben, wie zu den unab- hängigen ordentlichen Gerichten,
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, daß zu den Umstän- den, welche die Ausschließung des Rechtsweg-:s als angezeigt erscheinen ließen, auch der Kostenpunkt komme. Man dürfe dem Arbeiter den Rekurs nicht zu theuer machen. Uebrigens könne man jederzeit auf den Rechtsweg zurücckommen, falls mit den Schiedsgerihten und der Rekursinstanz böse Erfah: rungen gemacht würden.
Der Abg. Eysoldt erklärte, nach Maßgabe der mit den gewerblichen Schiedsgerichten, gegen deren Entscheidungen die Gewerbeordnung den Rechtsweg offen lasse, gemachten Erfah: rungen möchte er bitten, auch hier den Nechtsweg nicht abzu- schneiden. Bestelle man das Reichs - Versiherungsamt zur Rekursinstanz, so werde sih daseibst auf dem Gebiete der Be: weiswürdigung alsbald eine gewisse generalisirende Richtung geltend machen, während die ordentlihen Gerichte eine indi- viduelle Behandlung der einzelnen Fälle ungleich mehr ver- bürgten. Ob die Versiherung jeßt Sache des öffentlichen oder des Privatrechts sei, das sci den Arbeitern, die nur ihre Ent- shädigung verlangten, ganz gleich. §63 wurde nach Ablehnung des Antrag Barth unver- ändert nah dem Kommissionsvorshlag angenommen; desgl. SS. 64—68,
§. 69 lautet nah der Regierungsvorlage, welcher sich die Kommission angeschlossen hatte :
Die Auszahlung der auf Grund dieses Geseßtes zu leistenden Entschädigungen wird auf Anweisung des Genossenschaftsvorstandes vorschußweise dur die Postverwaltungen und zwar in der Regel durch dasjenige Postamt, in dessen Bezirk der Entschädigungs- berecbtigte zur Zeit des Unfalls seinen Wohnsiy hatte, bewirkt.
Verlegt der Entscbädigungéberechtigte seinen Wohnsiß, so hat er die Ueberweisung d.r Auszahlung der ihm zustehenden Entschädi- gung an das Postamt seines neuen Wohnorts bei dem Vorstande, von welchem die Zahlung2anweisung srlassen worden ift, zu bean- tragen.
Die Abgg. Dr. Barth und Gen. beantragten, den §8. 69 zu streichen.
Der Abg. Schrader bemerkte, bei der Aussichtslosigkeit, die Majoritätskoalition zu überzeugen, beschränke er sih auf
den Hinweis, daß in diesem Zahlungemodus ein sehr erheb: licher Zuschuß des Reihs an die Großindusiriellen enthalten sei. Es sei ja jeßt Sitte geworden, mit Millionen zu spielen; aber durch diese Art der Auszahlung werde doch dem Reiche eine sehr erhebliche Kostenlast aufgebürdet. Die Mitiel der Post müßten zu diesem ZweckE von Jahr zu Jahr verstärkt werden ; daß eine Vermehrung der Arbeit und der Arbeits- kräfte an der Centralstelle erwachse, sei bereits regierungs®- seitig zugestanden. Komme zudem der gewählte Zahlungs- modus für die Unfallversiherung in Anwendung, so werde derselbe für die Alters- und Jnvalidenversorgung ebenfalls beliebt werden. Die Auszahlung von Renten passe in die sonstigen Geschäfte der Postverwaltung absolut nicht hinein. Prinzipiell sei noch zu bedenken, daß die Auszahlung durch die Post die Arbeiter glauben machen könnte, daß die Zah: lungen direkt vom Reiche erfolgten, und dies möchte er im Interesse der Arbeitgeber niht wünschen.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, als Mitglied der Budgetkommission möchte er doch in der That darauf auf- merksam machen, wie hier ohne j:de Noth den Großindustriellen ein Zuschuß gegeben werden solle. Jn der Kommission sei konstatirt worden, daß das eben abgeschlossene Jahr ein Defizit von 1,99 Millionen gebracht habe und daß, während dem laufenden Jahr noch «in Uebershuß von 15 Millionen aus 1882/83 zu Gute komme, man im nächsten Jahre diese beiden Summen, also 16,9 Miltionen, anderweit, sei es durch Erhöhung der Matrikularbeiträge, sei es durch neue Steuern, zu decken habe. Die Annahme des §. 69 bedeute eine weitere Verschlehterung der Finanzen um eine Million Mark. Das Centrum habe doch bisher einige Rücksicht auf die Steuer- zahler genommen; und da es mözlih sei, auch ohne den 8. 69 das Geseg anzunehmen, so möhte er dem Centrum ganz besonders den Antrag Barth empfehlen. Die Annahme des Paragraphen bedeute die Aufnahme einer Anleihe bis zu 20 Millionen zum Besten der Großindustriellen auf Kosten der Steuerzahler im Reiche; und daß dieser Vorgang Nach- folge haben werde, habe schon der Vorredner richtig angeführt. Während bis jeßt das Bestreben dahin gegangen sei, alle Portobefreiungen und Portoermäßigungen aufzuheben, solle hier völlig umgekehrt die unentgeltlihe Bestellung in ganz unverhältnißmäßig weitem Umfange eingeführt werden.
Hierauf entgegnete der Staats-Minister von Boetticher:
Ja, meine Herren, wenn man sich auf den Standpunkt des Hrn. Abg. Richter stellen will und einfach sagen, es wird hier eine Last dem Reiche aufgebürdet, die dem Reiche nicht zukommt, dann aller- dings fann man vielleicht bedenklih werden in der Annahme der Be- stimmung, die uns jeut hier beschäftigt. Aber, meine Herren, erstens beruht diese uns beschäftigende Bestimmung doch auf sehr gesunden praktischen Erwägungen, und zweitens frage ic: weshalb soll das Reich, das eine große sozialpolitische Maßregel unternimmt, weshalb soll das Reich nicht auch aus eigener Tasche zu dieser sozialpolitischen Maßregel um der guten Wickungen willen, die sie haben wird, etwas beitragen? Meine Herren, man sagt — ih lasse dahingestellt, für welchen Zeitpunkt diese Rechnung richtig ist, — daß es ein Beitrag jei im Betrage von 1 Million, den das Reich leisten solle zu Gunsten der Großindustriellen. Jb bestreite, daß dieser Beitrag zu Gunsten der Großinduftriellen geleistet wird, und ih bestreite, daß dieser Beitrag \con im ersten, ja auch in den folgenden Jahren 1 Million betragen wird; er wird vielmehr erst dann, wenn der Beharrungs8zustand ein- tritt, also nach Dezennien, so hoch beziffert werden können, Aber, meine Herren, handelt es sich denn hier um eine Maßregel, die blos die Großindustriellen angeht? Haben wir nicht auc eine ganze An- zahl von fleinen Betrieben, und werden wir niht in weiterer Aus- dehnung der Unfallversiherung auch bis auf die kleinsten Betriebe fommen, die Nutzen von dieser Maßregel ziehen? Wie kann man da behaupten, daß das ein Geschenk sei an die Gcoßindustriellen? Und, meine Ps auf der andern Seite ermägen Sie doc, daß durch die gesetzgeberishe Maßregel, die Sie jeßt bescließen wollen, sämmtliche Kommunen des Reichs in der Armenpflege erleichtert werden, daß die weiteren Armenverbände in ihrer Fürsorge für die Verunglücfien ent- lastet werden; und dafür cin Opfer zu bringen von Seiten des Reichs, und noch dazu ein Opfer, welhes sh ledig- lid in einem Zinsverlufte und in einer untergeordneten Belastung einiger Beamtenkräfte darstellt, das sollte wirkli zu viel sein? Und felbst wenn die Konsequenzen, was ich nimmermehr zugebe, dahin führen sollten, daß im Fortgange unserer sozialpolitischen Gesetzgebung alle Leistungen, die eiwa auf Grund der späteren Gesetze zu machen wmären, durch die Post vermittelt werden müßten, selbst went das Dee Gall . Ware wogegen wie Uns ja DoO immer noch wahren fönnen, wenn wir es für irrationell finden, so sage ih auch da: macht man cine große sozialpolitische Gesetzgebung, die den Frieden und das Heil des Reichs fördern foll, dann joll man aub dem Reibe zumuthen dü: fen, daß es einen Îlei- nen materiellen Beitrag zu dieser Gesetzgebung leistet. Und von diesem Gesichtspunkte aus, meine Herren, glaube ich, kann sich Jeder, der darüber mit zu votiren hat, beruhigen, wenn das Gesetz jeßt in Aussicht nimmt, daß die Zahlung dur die Post vermittelt wird.
Der Abg. Richter (Hagen) betonte, daß das Reich feine eigene Tasche habe, sondern in die Taschen der Steuerzahler greifen müsse. An Steuern habe man aber gerade genuz. Die Rechte wolle Zufriedenheit stiften, aber stifte Unzufrieden- heit durch fortgeseßzte Erhöhung der Steuern. Deutschland sei auf dem besten Wege zu einem finanziellen Krah. Dabei sei dieser Beitrag gar nicht nothwendig, derselbe hänge mit der Organisation dieses Geseßes gar nicht zusammen. Der Haupt- vortheil komme doch der Großindustrie zu Statten, denn sie würde sonst etwas mehr an Beiträgen für die Berufsgenossen- schaften zahlen müssen.
Der Referent Abg. Dr. Freiherr von Hertling sprah si gegen den Antrag Barth aus. Mit der einfahen Streichung des 8. 69 sei es nicht gethan, und anderweite positive Anträge seien nicht gestellt, in deren Berathung das Haus eintreten könnte. Die vorgebrachten Bedenken seien niht so \{chwer, und selbst das Bedenken, daß turch die Auszahlung Seitens der Post der Glaube erweckt werden könnte, als leiste das Neich felbst die Entschädigungen, könne bei der ganzen Organisation des Gesetzes nicht in Betracht kommen.
8. 69 wurde unverändert nah Ablehnung des Antrages Barth angenommen, ebenso wurden die S8. 70—86 ohne er- heblihe Debatte nah dem Kommissionsbe)chlusse genehmigt.
8. 87 lautet nah der Fassung der Kommission :
Die Genofsenscbaften unterliegen in Bezug auf die Befolgung dieses Gesetzes der Beaufsibtigung des Reichs - Versicherung8amts.
Das Reichs-Versiberung2amt hat scinen Sitz in Berlin. Es besteht aus mindestens drei ständigen Mitgliedern, einschließli des Vorsitzenden, und aus abt nictständigen Mitgliedern.
_ Der Vorsitzende und die übrigen ständigen Mitglieder werden auf Vorscblag des Bundesraths vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt. Von den nicbtständigen Mitaliedern werden vier vom Bundesrathe aus seiner Mitte, und je zwei mittelst \ch{riftliber Abstimmung von den Genossenscbaftsvorständen und von den Vertretern der ver- sicherten Arbeiter (8. 41) aus ihrer Mitte in getrennter Wahl- handlung unter Leitung des Reicbs-Versicherung8amts8 gewählt. Die Wahl erfolgt nah relativer Stimmenmehrheit; bei Stimmen- gleihheit entscheidet das Loos. Die Amtsdauer der nichtständigen Mitglieder währt vier Jahre. Das Stimmenverhältniß der ein- zelnen Wahlkörper bei der Wahl der nichtständigen Mitglieder be-
stimmt der Bundesrath unter Berücksihtizung der Zahl der ver- sicherten Personen.
Für jedes durch die Genossenschaf:8vorstänte sowie dur die Vertreter der Arbeiter gewählte Mitglied find ein erster und ein zweiter Stellvertreter zu wäblen, welche dasselbe in Bebinderungs- fällen zu vertreten haben. Scheidet ein folbes Mitglied während der Wablperiode aus, so baben für den Rest derselben die Stell- vertreter in der Reihenfolge ihrer Wabl als Mitglied einzutreten.
Die übrigen Beamten des Reits-Versiherungëamts werden vom Reichékanzler ernannt. « i: L
Der Uübg. Eberty mate darauf aufmerksam, daß die zahlreichen Befugnisse, welche das Reichs-Versicherungsamt ‘in fich vereinige, den besten Beweis lieferten, daß die Genossen- schaften keine freie Selbstverwaltung hätten, wie hier mehrfach gesagt worden sei. Ueberall, in der Bildung und Veränderung der Genossenschaften, hätte das Reichs-Versiherungsamt mitzu- sprechen. Dies Geseß sei nur der bescheidene Anfang der weiteren sozialpolitishen Geseßgebung. Was nachher aus dem Reichs-Versiherungsamte werden solle, könne man noh gar niht ermessen. Es lägen darin die Keime der Verstaat- lihung des gesammten Versicherungswesens. Man könne wohl sagen, daß die gesammten Fnteressen der Fndustrie ihm unterstellt sein würden. Es treffe in Bezug auf die Genossen- schaften alle endgültigen Entscheidungen und übe die allgemeine Aufsicht über dieselben aus. Außerdem habe es die leßte Judikatur in Bezug auf die Urtheile der Schiedsgerichte. Einen Antrag wolle er in dieser Beziehung nicht stellen und glaube er nur hier konstatiren zu müssen, welhen Charakter diese Behörde gegenüber der gesammten erwerbenden Thä!igkeit des Landes habe,
Demnächst nahm der Staats-Minister von Boetticher das Wort:
Ich theile vollständig das Bedauern des Herrn Vorredners, daß cr eine Rede gebalten hat, ohne damit eiacn Antraz zu verknüpf Hätte er einen Antrag vorgebraht, dann würde ih in der Lag wesen sein, mit ihm über diesen Antrag zu diskutiren, jet u mich darauf beschränken, ein Paar seiner Bemz:rkungen zu denen in der That eine etwas starke Farbe gegeben war.
Meine Herren! Ich habe neulich {on hervorgehoben, daß rüdck- sichilich der Frage der Kompetenzen des Reichsversiherungsamts zu dem Zwcck, um jedes Bedenken zu beseitigen, daß es mit der Selbstverwaltung, die wir den Berufsgenofsenschaften beilegen, ernst gemeint sei, ih die Her- ren aufgefordert habe, Anträge auf Einschränkung der Befugnisse zu stellen, und ih habe Jhnen erklärt, wir werden jede Einschränkung acceptiren, die uns zuläisig erscheint mit Rücksicht darauf. daß der Zweck des Gesetzes durch eine ausreicende Kontrole sicher gestellt werden muß. Ich Tonstatire, daß bis heute nitt die Spur eines Versuchs unter- nommen ist, rücksi%tlich der Komp-:tenzbestimmungen eine Einscbrän- fung vorzunehmen, und daß man sich auf allgemeine Deklamationen darüber beschränkt hat, daß dieses Reihs-VerficherungS8amt eine fehr aefährlide Behörde um deswillen fei, weil es eine Ünsumme von Kompetenzen habe. Nun, meine Herren, wenn keine von diefen Kom- petenzen angegriffen wird, dann kann ih in der Thatsache, daß diese Kompetenzen in einer gewissen Fülle vorhanden find, noch feine Gefahr cbliden und ( cevare den Bewas, daß irgendeine der dem Versiwberung8amt beigelegten Kompetenzen die Gefahr in sich birgt, die der Herr Vorredner damit verbunden hat.
Wenn aber der Herr Vorredner meint, daß dur das Gesetz die Gesammtinteressen nicht blos der Groß-, fondern auc der Klein- industrie in die Hnd des Versiberungsamts gelegt seien, dann hat er tob von den Gesammtinteressen der Industrie einen sehr minimen Begriff ; jedenfalls gehen sie über den Kreis der Unfallversicherung und Unfallverhütung hinaus, und hier handelt es sib in der That nur um Unfallversiberung und ÜUnfallverhütung.
Wenn der Herr Vorredner weiter gemeint hat, die Institution des Reichs-Versicherungsamts sei gegen die Prioaterwerbs8thätigkeit auf dem Gebiete des Versicherungëwesens gerichtet und es werde si sehr bald herausstellen, daß es lediglich darauf abgesehen sei, dieser Privatthäthigkeit die Nahrung zu entziehen und das ganze Versiche- rungêwesen zu verstaatlichen, so ist das, meine Herren, eine fo hyper- bolis%ke Redensart, wie sie kaum erfunden werden kann, und ih zweifle nit, daß sie au außerhalb dieses Hauses als solcbe erkannt werden und ihren Zweck durchaus ve-fehlen wird. Wo sind denn in dieser Vorlage bei den BorsPrtslen Uber die Vkrga- nisation des Reichs - Versiherung8amts auh nur die ent- fernten Keime eives Versuß38 zu finden, das Versiche- rungswesen zu verstaatlihen? Man organisirt hier eine Behörde, die nothwendig i|stt, um das Unfallversicherung®- wesen in Kontrole zu nehmen und wenn die sozialpolitiswe Gesel gebung fortschreitet, so will ih das zugeben, daß man wahrseinli in die Hand dieses Versiwerungsamts auch diejenigen Funktioneu legen wird, die zur Sicherstellung der weiteren soztalpolitiswen Ziele, wenn diese cinen gesetzgeberishen Ausdru gefunden baben, noth- wendig sind, aber damit die Privaterwerbsttätigkeit auf dem Gebiete
es Privat-Versicherungéwesens unterbinden zu nollen, dafür aub nur
cinen Anhalt finden zu können, das geht in der That über mein Verständniß hinaus. So lange, wie gesagt, die Herren nicht den Versuch unternehmen, die Kompetenzen des Reichs-Versicherungsamts einzuschränken und Anträge zu bringen, die auf eine solche Ein- schränkung abzielen, solange muß ich annehmen, daß diese Komre- tenzen ricbtig gefunden und richtig abgegrenzt sind.
Der Abg. Schradzr bemerkte, er habe schon bei der ersten Provokation, daß die Linke Anträge stellen möchte, erklärt, daß seine Partei solche zu stellen gar nicht im Stande )et, weil bei der ganzen Organisation eine so ungeheuer weit- gehende Kompetenz des Reichs-Versiherungsamtes nothwendig sei. Wenn die Genossenschaften so gemaht werden sollten, wie si2 hier gemacht seien, dann könnten sie niht als freie Genossenschaften bestehen, sondern müßten der Aufsicht des Neichs-Versicherungsamtes unterstehen. Eine solche Verinishung der Funktionen der richterlichen, verwaltunzsrichterlihen und rein administrativen Befugnisse, wie sie bei dieser Behörde vorliege, sei noch niemals vorgekommen. Er möhte deshalb bitten, daß dem Hause Aufklärung gegeben werde, wie weit die Aufsiht des Reichskanzlers resp. des Reichsamts des Fnnern über diese Behörde gehe.
Der Bundeskommissar, Direktor im Reihsamt des 7Fnnern, Bosse, entgegnete, auf die Polemik des Abg. Schrader wolle er nicht weiter eingehen, da von hier aus ja bereits festgestellt sei, daß von einer Verstaatlitung des gesammten Versiche- rungswesens hier nicht die Rede sei, Es sei kein Grund, den Verdocht, den der Abg. Schrader hier auêge- sprohen habe, zu widerlegen. Er habe es nur damit zu thun, dem Hause eine Antwort zu geben, auf die Frage, was unter Jnstanzentscheidungen zu verstehen sei und in welcher Weise die Aufsicht über das demnähstige Reichs-VersicherungS?- amt geregelt werden solle. Es sei von dem Abg. Schrader das Reics-Versiheiungsamt ganz richtig als cine gemischte Behörde bezeihnet worden. Es sei eine Behörde, die theils administrative, theils aber auch Aufgaben der Rechtsprehuu3 habe. Entsprechend dieser Vereinigung verschiedener Funkti0- nen, wie man sie auch bei anderen Selbstverwaltungsbehörden finde, die ebenfalls verwaltungsgerichtlihe Aufgaben neben administrativen hätten, werde sih auch demnächst die Aufsicht verschieden gestalten, und werde die Aufsicht üver das Reichs- Versicherungsamt einen verschiedenen Jnhalt haben, einen positiven nach der Seite der administrativen Aufgaben und
-ch
einen negativen nah der Seite der Aufgaben der Recht-
sprechung. Diese negative Aufgabe der Aufsihtsinstanz des Reichskanzlers oder des Reichsamtes des Jnnern werde darauf gerichtet sein, daß in Bezug auf die Rechtsprehung und auf die verwaltungsgerihtlihen Entscheidungen des Reichs-Ver- siherungsanits die Ausfsichtäinstanz dahin zu wirken habe, daß das Versicerungëzamt seine Rechtsprehung in verfassungsmäßizer Unabhängkeit auszuüben in der Lage und im Stande sein werde. Eine materielle Einwirkung auf die Art, wie die Rechtsprehung und die ver- waltungsgerichtlihe Thätigkeit des Reichs-Versicherungsamts geübt werde, werde Niemandem zustehen. Nun müsse er aber doch bemerken, daß die Rechtsprehung, die Judikatur des Neichs-Versicherungsamts keineswegs allein in der Entschei: dung auf Rekurse gegen die Eatscheidungen der Schiedsgerichte bestehe, wie vorhin der Abg. Eberty anzuführen geschienen habe, sondern es sei eine ganze Reihe derartiger verwaltungs- gerichtlicher Funktionen, die in den einzelnen Paragraphen erstreut, dem Nzichs-Versicherungsamte übertragen werden. — So habe es zu entscheiden über die Beschwerden in Betreff der Zugebörigkeit eines Betriebes zu einer bestimmten Ge- nossenschaft und über die Streitigkeiten, die („ch daran knüpfen fónnten; so habe es zu entscheiden über Beschwerden wegen Einschiebung der Betrieve in die Gefahrentarise; ferner über Beschwerden der Arbeiter wegen der ihnen zugebilligten Ent- shädigungen und der Betriebsunternehmer wegen der Höhe der ihnen von der Genossenschaft auferlegten Jahresbeiträge ; i.rner über Beschwerden gegen Entscheidungen der unteren Verwaltungsbehörden, durch welche die Entschädigungen für Unfälle, welche sih in nicht katastrisirten Betrieben ereigneten, abgeshätt würden, endlih über Beschwerden in Betreff der Person der Betriebsrevisoren, sowie über Beschwerden über die Auslegung von Kosten, im Falle selbstvershuldeter Revi- sionen. Kurz, es sei eine ganze Reihe von gerichtlichen Ent:- scheidungen, die dem Reichs-Versicherungsamt obliegen würden, und in dieser Beziehung werde Niemand Recht haven, in die Thätigkeit und Befugnisse des Reichs-Versicherungsamtes ein- zugreifen.
Der Abg. Eberty wies nohmals darauf hin, daß cs sich nah seiner Ueberzeugung hier um die Anfänge der Verstaat- lihung aller Versicherungen handle. Aus den Ausführungen des Negierungsvertreters folge in der That, daß das Reichs- Versicherungsamt kein Analogon habe, überall sei bei ähnlichen Institutionen der Rechtsweg vorbehalten; in Preußen habe man tas Ober-Verwaltungsgericht, vom Patentamt könne man shließlich an das Reichêger:cht refurriren.
Demnächst nahm wiederum der Staats - Minister von Boetticher das Wort:
Ich kann, da der Herr Vorredner immer wieder auf die Absicht der Verstaatlichung zurücgekommen ist. nur bitten, mir cinen Parg- graphen in der Konstruftion dieses Gesetcs zu bezeichnen, aus dem sich die Absicht der Verstaatlichung ableiten ließe. Jh verstehe unter „Verstaatlichung“ die Hineinbeziehung eines Betrieb8zweiges in die Leitung und Verwaltung des Staates.
Hier handelt es sib nit darum, daß der Staat das Unfall- versicherungswesen Übernimmt; sondern dec Staat übeweist das Un- fallversicherungéwesen an die ihrer eigenen Verwaltung überlassenen Berufsgenossenscha\ften; es kann also auf diese Organisation der Be- griff der „Verstaatlichung“ unter keinen Umständen angewendet wer- den, und weil er hier nit angewandt werden kann, so kann au daraus nicht die Besorgniß abgeleitet werden, daß nun auf dle}em Wege weitere Berstaatlihungen vorgenommen werdea würden; denn der Weg, den das Unfallversicherungsge]eß nimmt, führt eben nit zur Verstaalicbung.
Der Abg. Dr. Barth bemerkte, nach den früheren Aus- führungen des Staatssekretärs über die Stellung, welche die Vorlage zu den Privat - Versicherungêgesellschaften einnehme, glaube er, daß die übrigen Gebiete des Versiherungswesens mit derselben Leichtigkeit, wie hier die Unfallversicherung, ver- staatliht werden werde.
(Während dieser Rede trat der Reichskanzler Bismarck in den Saal.) e -
8, 87 wurde in der Fassung der Kommi)sion angenom- men, ebenso wurden die §Z. 88—91b ohne Debatte unver- ändert angenommen. S
Als §. 91c hatten die Abgg. Leuschner (Eisleben) und Genossen beantragt, folgenden Paragraphen einzuschalten:
„Unternehmer von Betrieben, welche landesgeseßlich bestehen- den Knappschaftsverbänden angehören, fönnen auf Antrag der Bor- stände der leßteren nah Maßgabe dec L. 12 ff. vom Bundesrathe zu Knappschafsts-Berufsgenossenscaften vereinigt werden. _
i Die Knappschafts-Berufêgenofsenschaften fönnen dur Statut bestimmen: | - S r
a. daß die Entschädigungsbeträge au über fünfzig Prozent hinaus (8. 29) von denjenigen Sektionen zu tragen ind, in deren Bezirken die Unfälle eingetreten sind; L. : S
b. daß den Knappschafts Aeltesten die Funktionen der im §. 41 bezeibneten Vertreter der Arbeiter Übertr2gen werden;
“ ¿. daß Knappschafts-Aeltesto stimmberechtigte Mitglieder des Genossenscaftsvorstandes oder, sofern die Knappschafts-Berusé- «enosenschaft in Sektionen getheilt ist, der Sektionsvorstände ind ; “(4 daß die Auszahlung der Entschädigungen dur die Knapp» \caftsfassen bewirkt wird (8. 69). :
Der Abg. Leuschner wies auf den großen Nuten hin, welchen die Knappschaftskassen schon gestistet hätten, nament- lih in B:zug auf die Befestigung des sozialen Friedens und die Sicherung der Pensionen. Es set jedenfalls feine staats: erhaltende Politik, derartige bestehende und erprobte Einrich- tungen zu beseitigen. Es könne sich nur um die Frage han: deln, ob cs möglich sei, in den Rahmen des gegenwärtigen Gesezes auch die Knappsch:ftseinrichtungen hineinzubringen, ohne daß die Zwecke des Geseßes in irgend einer Weise alte- tirt würden. Das sei nach seiner Auffassung der Fall. Er
sei der Meinung, daß es empfehlenswerth sei, au in dem eseß von vornherein klar und bündig auszudrüden, in welcher Weise die Knappschaftsvereine denjengen Verpsflichtun- gen genügen fönnten, die das Gese für die Unfallversicherung vorshreibe. Dies sei nit blos billig, es Je aber auch gerecht. Die Knappschastsvereine im ganzen Deutschen Reich umfaßten ungefähr 350 000 Arbeiter, eher mchr als weniger. Die Knappschaftékassen hätten den Arbeitern schon seit Jahrhun- derten niht blos Unfallversicherungen gewährt, sie hätten ihnen auch Unterstüßung für die Jnvaliden der Arbeit zugetheilt, A stüßungen für die Wittwen und Waisen, „abgesehen von der Krankenunterstüßung. Was die Knappschastsver:1ne an Unter- stüßungen bei Unfällen gewährt hätten, bezissere i auf etwa 72 Proz. desjenigen, was das gegenwärlige Geseß [0rdere. Es sei gar keinem Zweifel unterworfen, daß das Plus ohne jede Schwierigkeiten ebenso gut dur Vermittelung A4 \haftsvereine aufgebraht werden könne, wie ohne diese en. Es sei ebenso wenig mit großen Schwierigkeiten „verbunden, daß diese Entschädigung nicht à Conto der Knappschaîtsfahen gewährt werde, sondern lediglih à Conto der Arbeitgeber. Unter diesen Umständen lägen auh nach diejer Richtung keine
Fürst von
Bedenken vor, hier im vorliegenden Fall die Knappschaftskassen zu benußen. Es sei ein ganz besonderer Vorzug, daß sie den soz'alen Frieden unter den Arbeitgebern und den Arbeit- nehmern zu befördern beigetragen hätten. Die Bedeutung der Knappschastskassen gehe aus den finanziellen Ergebnisser der in Preußen bestehenden Kassen hervor. Fn Preußen hätten im Jahre 1882 83 Knappschastsvereine mit 294 029 Mitgliezern, 13 021 mehr als im Jahre 1881, bestanden. Unterstüßt seien von denselben 23 722 Jnvaliden, 26 522 Wittwen und 48493 Waisen, zusammen 98 737 Personen. Die Gesammteinnahme bei den Knappschastsvereinen habe 14 750 926 f betragen; an Jnvaliden seien Unterstüßungen gezablt 4644448 (4, an Wittwen 2 663 064 #, an Waisen 1343006 # zusammen an Unterstüßungen aller Art 8650518 M; beiläufig bemerkt 358949 # mehr als 1881 oder 4,32 Proz, Es empfehle sih also, an der Organisation der Knappschaftskaïsen festzuhalten und fie u benuben Nerner gehe man Uber Kurz oder Lang einer weiteren Entwickelung der sozialen Geseß- gebung mit Sicherheit entgegen. Dann werde es si nicht blos um das handeln, was für den Unfall gewährt, sondern auch um das, was die JFnvaliden der Arbeit, die Wittwen und Waisen bekommen sollten. Es würde also un- praftish ersheinen, wenu man an diesem Verwaltungsorgan ohne Noth etwas ändern wollte. Die Knappschafstsvereine bâtten segensreih in jeder Beziehung gewirkt. Es sei gegen die Grundsäße einer staatserhaltenden Politif, das, was si bewährt habe, zu zerstören. Und wenn man aus den Knapp- schaftsvereinen diese Momente herausnehme, fo sei der erste Stein aus diesem Zusammenhange gelöst, und nah und nach müsse die ganze Sache zerbröck:ln. Er bitte daher, seinen An- trag anzunehmen.
Der Abg. Dr. Hirsch wies darauf hin, daß tie Knapp \haftsfa}sen allerdings niht nöthig hätten, ihren Mitgliedern die Pensionen zu verkürzen, weil ja die Arbeitgeber nur den betreffenden Mann aus der Arbeit zu entlassen brauchten, um ihn aller durch langjährige Kassenmitgliedschaft erworbenen Vortheile in Bezug auf die Pensionirung verlustig zu machen. Dem sozialen Frieden dienten die Knappschaftskassen auch nicht. Jn einzelnen Bezirken sei allerdings der Einfluß der Arbeitgeber und die Furht vor denselben fo groß, daß z. B. der Abg. Leuschner auch von den Mitgliedern der Knapp- \chaftskassen gewählt sei. Jn Sachsen dagegen seien es die Sozialdemokraten, welche die Knappschaftêmitglieder hauptfäch- lic verträten. Es würde beinahe eine Gewissenlkosigfkeit sein, wenn man diesen Antrag ohne jede nähere Fnformation an- nehmen wollte. Wenn man gegen die Gewerkoereine in dieser Weise verdäthtigend vorgehe, weil sie in ihrer Unerfahrenheit bei ihrer Gründung einen Fehler begangen hätten, dann sollte man auch die viel größeren Mißbräuche, die bei den Knapp- schaftskassen vorgekommen seien, rügen. Der Abg. Stößel habe ja leider erst heute auf diese Mißstände hingewiesen, namentlih darauf, daß die Vertreter der Arbeiter in den Vor- ständen der Knappschaftskassen nicht di: Arbeiter seien, sondern die Beauftragten der Arbeitgeber. S i
Der Abg. Dr. Hammacher betonte, daß die Hauptschwierig- feiten dieses Geseßes in den Organisationsarbeiten lägen. Wenn nun hier durch den Antrag Leuschner vorgeschlagen werde, die für die 350 000 deutschen Bergarbeiter schon be- stehenden Organisationen auch im Jnteresse dieses Geseßes zu verbinden, so sollte ein solher Vorschlag mit Freuden b:- grüßt werden. Die Vorwürfe, w lhe der Abg. Hirsch in Bezug auf die Mißbräuche bei den Knappschaftskassen er- hoben habe, seien zum allergrößten Theil unbegründet. :
Der Abg. Schrader erklärte, daß er in der That über die Verhältnisse der Knappschaften nicht insormirt gewesen fei und auch glaube, daß nur wenige Mitglieder des Hauses genügende Kenntniß davon hätten, um sofort Über di-sen Antrag mit Sicherheit entscheiden zu können. 9 amentlich sie sich ien diese
L
-(
möchte er die Regierung um Auskunft bitten, wie e
dieser Frage gegenüberstelle. Jn der Kommission sei Anträge mit großer Mehrheit zurückgewiesen worden. (Während dieser Rede verließ der Reichska nzler den Saal.) : L 91e wurde nach dem Antrage Leuschner angenommen. Die 88, 92—96 wurden unverändert ohae Debatte ge- nehmigt. : L. 97 erhielt nah dem von Abg. Dr. Frege unterjtüß‘en Antrage der Abgg. Dr. Barth und Genossen folgende Fassung : Versicerungsanträge, welche von Unternehmern der unter L 1 ‘fallenden Betriebe oder von ten in folcen beschâftiaten Per- sonen gegen die Folgen der in diesem Geseße bezeichneten Unfälle über den Zeitpunkt des Infrafttretens des (Besetzes hinaus mit Versicerungsanstalten abg:\4lofsen sind, können sowobl voa den Rerfwerten als den Versicherung8gesellschaften mit der Maßzabe gekündigt werden, daß die Verträge mit dem Inkrafttreten des Ge- seßes, oder wenn die Kündigung nicht einen vollen Monat vor diesem Zeitrunkt erfolgt ist, einen vollen Monat na au: gesprochener Kündigung erlöschen. Ist für jolde Versicherungen die Prämie über den Kündigungstermin hinaus vorausbezahlt, so ist die Ver- sicerungsgesellscaft verpflictet, ticselbe für die noch nit abge- laufene Zeit antheilig zurüczuerstatten. - 5
Die Recbte und Pflichten aus solchen im ersten Absay ge- nannten Versicherungëverträgen, welde von keiner Seite gekündigt worden, gehen nab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes auf die Be- rufsgenossenshaft, welcher der Betrieb angebört, über, wenn die Vercherungs8unternehmer dieses bei dem Vorstande der Geno)jen- schaft beantragen. Die der Gencs\senschaft hieraus erwac]enden Zablungsverbindlihkeiten werden dur Umlage auf die Mitzglicder derselben (§8. 10, 28) gedeckt. Aub nab solchem Ueberzang der Verträge auf die Berufégenossenscaft seht sowohl diefer, wie der Béersicherungsgesellschaft das im ersten Absay festgesetzte Kündtgungs- recht zu.
Die weiteren Paragraphen des Gescyes wurden ohne Debatte unverändert angenommen; damit war die zweite Lesung des Unfallversiherungs-Ge eßes beendet.
Der Präsident {lug vor, die nächste Sizgung Montag, 11 Uhr, abzuhalten, und auf die Tagesordnung die zweite Lesung des Aktiengeseßes zu seßen. S
Der Aba. Richter (Hagen) bemerkte zur Geschäftsordnung : Er bitte, den zweiten Gegenstand von der Tagesordnung ab- zuseßen und andere Vorschläge zu machen, weil er glaube, daß die kurze Zeit, seit welher der Kommissionsbericht in den Händen des Hauses sei, niht genügend fei, sih in die Materie einzuarbeiten. Wenn sih bei Annahme seines Vorschlages der Abschluß dieser Materie noch bis zum nächsten Jahre ver- zögere, so sei doch durch die Zeit der Orientirung, welche jedem Einzelnen dadurch gegeben werde, dem vorgebeugt, daß gleih nah der Einführung des Gesehes wieder Beschwerde einlaufe. - ;
Der Abg. Frhr. von und zu Aufseß erklärte, nahdem das Gese dem Hause schon so lange vorgelegen habe, und nachdem
auch die Kommissionsberathungen zu Ende geführt seien, sei es
nah seiner Ansicht nicht rathsam, den Abschluß desselben noh weiter hinauszuschieben. Bedenke man doch auch nur, in w:[ch{ kurzer Zeit das jeßt gültige Gese gemacht sei. Dasselbe fei am 12. Mai 1870 vorgelegt und am 24. Mai fei es an- genommen.
Der Präsident bemerkte, daß der Kommissi-nsbericht seit Dienstag in den Händen der Abgeordneten sei.
Der Abg. Richter (Hagen) betonte, als das jeßt gültige Gesey gemacht sei, habe eine ähnlihe Stinimung wie jeßt gehercs{cht. Gerade die Erfahrungen von damals aber warnten ihn, eine Wiederholung jener Vorgänge gut zu heißen. Er möchte bezweifeln, daß außer den Kommissionsmitzliedern und einem geringen Theile des hohen Hauses alle Mitglieder artig mit der Materie vertraut seien, wie es nöthig sei, ein Urtheil in einer so wihtigen Sache abzugeben.
Der Abg. von Benda erklärte, wenn der Antrag des Abg. Richter den Zweck verfolge, daß das Gefeß überhaupt in dieser Session nicht m-:hr zu Stande kommen solle, so fonstatire er, daß in der Konferenz des Seniorenkonvents die Vertreter aller Parteien mit Auznahnme der des Ava. Richter mit Nücksih: auf die Arbeit der Kommission der Meinung gewesen seien, daß dies Geseh nicht unerledigt bleiben dürfe.
Der Abg. Lipke bemerkte, er gehöre ebenfalls zur Kom- nission, habe aber gegen die meisten Beschlüsse derjelben ge- stimmt und sei der Meinung, daß es kein Unglück wäre, wenn das Geseß jeßt noch niht zu Stande käme.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, wenn der Prä-
sident niht darum ersuLt bätte, in den öffentlihen Verhand- lungzn in keiner Weise auf die Konferenz des Senioren-Kon- vents Bezug zu nehmen, so würde er da auch noch manches sagen können. Die Erklärung, die er heute abzegeben habe, habe er sih vorbehalten. Der Vize-Präsident Frhr. von und zu Franckenstein kon- statirte, daß der Präsident von Levezow im Seniorenkonvent niht gesagt habe, man solle Verhandlungen niht im Plenum, sondern man solle sie niht in der Presse veröffentlichen,
Der Abg. Dr, Windthorst erklärte, wenn er nicht wüßte, daß die große Majorität durchaus das Geseß j bt fertig machen wolle, so würde er meinen, daß diese wihtige Materie nicht noch in den leßten Tagen der Session berath:n werden follte, folhe Geseße dücsten niht übereilt werden, es handele sich um wichtige juristische Fragen, er meine in Bezug auf das Geseß: nonum prematur in annum! Es sei ein großer Fehler, wenn der Präsident das Aktiengesey zwischen die zweite und dritte Berathung des Unfallgeseßes schiebe. Er wolle nicht erzählen, wie viel Hüte ex draußen heute gezählt habe. Glaube man denn, daß, wenn man das Haus in der nächsten Woche noh zwei bis drei Tage mit juristishen Spigfindigkeiten über das
man dann noG eimn S L
Aftiengeseß unterhalten : e dritte Berathung des Unfall- gesetzes haven werde?
S
habe , beshlußfähiges Haus für die Od Er meine, daß diese Methode das Un-
fallgeseß gefährde, und daß es besser wäre, d.s Aktiengeseß erst nach der dritten Berathung des Unfallgeseßes zu berathen.
Der Abg. Dr. Bamberger glaubte, daß die Annahme des G.seßes nach der gründlihen Berathung in der Kommission wahrscheinli eine solhe en bloc sein werde. Für die o \hnelle Erledigung der Angelegenheit wolle er aber schon jeßt die Verantwortlichkeit von sich abwälzen.
Das Haus beschloß dem Vorschlag des Präsidenten ge- mäß, die zweite Lesung des Aktiengescßes auf die Tageéord- nung für Montag zu seßen.
Hierauf verta:te sih das Montag 11 Uhr.
Literarische Neuigkeiten und periodishe Schriften.
Monats\schrift für deutshe Beamte. 6. Heft. — In- Angelegenheiten des Vereins: Bekanntmacbungen der Dirck-
Pceußishen Beamten-Vere!ns. — Rewtsverhältnisse der
Beamten: A. Gesetzgebung; Verordnunzen; Erkenntnisse. B. Ab-
handlunzen und Nachribten über Fragen des Beamtenthums:
Beamten-Spar- und Darlehns-Verein zu Hannover. — Uecker die
Verantwortlichkeit und Regreßpflicvt der Beamten. — Der Normal-
arbeitstag im Siaatsdienst. — Schnipsel aus Parlamentspapieren.
Wohlfabrtseinribtungen (Stiftungen 2c.) für Beamte und deren
Hinterbliebene. Das Joachimsthailsde Gy nnasium. — Di
\chule in Ilfeld. — U-berführung der Kassen von der
tung. — Beschäftigung der Regierungsreferendare. —
Be:eicbrung der portopfl. Dienstbriefe, — Abbandlungea
sätze allgemeinen Inhalts: Ein nachgelassenes Werk Ladwig
— Mas ift ein Geseß? Von C. Parey. — Sciller als
beamter. (S{luß.) — Parzival. Von Meyer-Markau.
misbtes. — Sprechsaal. — Bücherschau. — Inhalt der Beilag
Vafkanzenliste. — Inserate.
Mr eute Berwaltung Bla M Inhalt! Theilnahme von Magistratsdeputirten an Kommissiontfitzungen der Stadtverordnetenversammlung — Grundsäye für Berechnung der Reise- und Umzugskosten der Reicbs- und preußischen Staatsbeamten. — Zuständigkeit der Behörde des Wohnorts eines Gewerbetreibenden quf Einleitung des Konzesstonsentziehungsverfaßhrens. — Mec betr. Pflicht zur Entrichtung öffentlicher Abgaben. Ansprüce den Fiskus wegen ungerecbtfertigter Erhebung von Rei bs Stempel abgaben ; Zulässigkeit des Rechtéweges, — Vertraalicbe Verpflichtun des Pferdebahnunternchmers zur Unterhaltung des Straßenkörpers keine Verpflichtung zur Unterhaltung der Brücken. — Verpflegung Gefangenen în ciner ftädliswen Kranfkenanstalt. — Kollision |
1 -
Statuten mit Privatrehten, insonderheit Verhältniß Weideordnungen für städtische Feldmarken zu den Retet thümer von Sondergrundstück:a auf der Feldmark, Boedeuti sog. falvatoriscen Klausel in landeéherrlichen Bestätigungéakten voi Localstatuten. — Alimentationsvflicht der Geschwiiter thren erwervs- unfähigen Gescwwistern gegenüber. — Verhältniß der Kirbengemeindes vertretung zu den Staats- und höheren Kirchenbehörden. Prozeß führung der Kircbengemeinden. — Kirtenbaulast des Patrons bei Verwandlung einer Stadtgemeiiude în eine Landgemeinde. — Ber» bütung gesundbeitsschädlider Ablagerungen und Ausdünstungen sowie Reinbaltung der Luft in Gebäuden und deren näbster Umgebung. — Ursprunzéatteste für den Verkehr von Vieh auf städtishem Viehhofe. Geittalblait fc augemaine Orfunoeire ea e 6. Heft. — Juhalt: Kurze Anleitung zur Züchtung, Konservirung und Verwendung animaler Wmphe. Von M. Piza. — Ueber die gesetzlid-en Bestimmungen fremder Staaten, betreffend die in Privat- wohnungen verpfl:gten Geisteskranken. Von Kelp. — Nacbwetsung über Krankenaufnahme und Bestand in den Krankenbäusern aus 54 Städten der Prov:nzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Naîtau pro Monat April 1884. — Sterblichkeitsstatistik von 57 Städten der Provinzen Westfalen, Rheinland und Hessen-Nassau pro Monat April 1884. — Kleinere Mittheilungen. — Literaturbericbte. l Delikatessen- Zeitung. Nr. 6. — Inhalt: Die Berliner Marfkthallen. — Ueber Kuvfergehalt französischer Konserven. — Ueber Fleisb-Extrakte. 1l. — Eisenbahnwagen zum Tranê®pott von Fischen. — Bemerkungen über die vortheilhafte Verwerthung des Vbdites zu Dörrprodukten. Von W. Brückner. — Wein 2c. im Zolllager. — Verwendung giftiger Farben. — Engros-Preife abge]chnittener Blumen in Wien in der Charwoche. — Ostseefisherei. — Vas Lacb8- Böhmen. — Markt-
uen U au
1
halt :
tion des
verpackungs-Sescbâäft in Oregon, — Lathézucht in Bo berichte.