1884 / 148 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

MWirkstüblen und 318 Stucckmast#inen; beschäftigt waren 2660 Ar- beiter, daron 882 Mênner urd 1610 Weiber; die Produktion hatte einen Werth von 5085 700 Fl. Die Mascwinerstickerei fand in 6 Unternehmungen dcs Handelskammerkezirks Eger mit 2025 Ar- bcitern, davon 1423 Frauen, ftatt; die Produktion von 150 000 kg batte einen Werth von 750000 Fl. Die Fabrikation von Vor- bängen, Spißen und Tullanglais fand in 5 Unternehmungen der Handelskammerbezirke Wien und Brünn mit 6 Motoren von zuf. 122 Pferdefr., daron 2 Dampfmasch. mit 42 Pferdekr., ftatt; es waren 209 Werkêmascbinen vorandenz; beschäftigt waren 380 männl. und 467 weibl. Arbeiter; die Produktion hatte einen Werth von 1 204 6(0 Fl. Die Fabrikation von Posamentierwaaren, Schnüren, Börteln, Dochten und Gummiwebmaaren wurde in 44 Unter- nchmungea mit 29 Motoren von zuf. 487 Pferdekr., davon 14 Danpfmasch. mit 208 Pferdekr, betrieben; die Werks8vorricbtungen bestanden in 281 Hand- und 50 mechanischen Webstüblen, 122 Mühl- tühlen, 3301 Börtel- und 40 Kerzendrahtmascbinen; beschäftigt waren 1697 Arbeiter, davon 714 Männer und 946 Weiber; die Produktion batte cinen Werth von 2816 700 Fl. Tapezierer- waaren wurden in 16 Unternehmungen (Steuer-Minimum 42 Fl.) des Handelskuminccbezirkés Wien voa 270 Arbeitern verfertigt; die Produktion hatte cinen Werth von 1013 875 Fl.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Von dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm (fortgeseßt von Dr. Mouiz Heyne, Dr. Rudolf Hildebrand, Dr. Malthias Lerer und Dr. Ka!:l Weigand ; Leipzig, Verlag yon S. Hirzel) ist soeben des VIL. Bandes 5. Lieferung ausgeaeben worden. Diese ncueste Lieferung enthält

von dem Bucstaben N die Artikel „Niederkunft® bis „Nothwendigkeit“ und is von Dr. Lcxer bearbeitet Zunäwbst

wird darin die lange Reibe der wit „nieder“ zusammcngeseßten Worte fortgesetzt, welbe no beinabe 48 Spalten beanspruben. Dann folçen: nietli (eigentli Virlargen, Lust erweckend, angenehm), niedrig, Nie- mand, Niere und Komposita, niesin und nicßen, Niet, Nicte (ein im 18. Jahrhundert mit tem Lotteriespiel aus dem Holländischen niet, das Nichts, die Null, zu uns gekommenes Wort), nimmer und Zusammen- gesetzte, nippcn, Nippysache, nirgend, das intecessante alte Wort Nobis, noch (10 Spalten mit vielen poetishen und prosaiscben Citaten),

Nonne, Nord mit Verwantten, Notar, Note und endlich Noth retst den Zusammensctvrgen und Abgeleiteten bis Nothwendigkeit, nicht weniger als 56 Spalten umfassend.

Wie die Verlagsbucbhandlung mittheilt, sind von dem Grimmscben Deutscben Wörterbuch kis jetzt erschienen: erster Band (A., B.), be- arbeitet von I. Grimm, mit dem Porträt von I. u. W. Grimm, vollständig, Pr. 16 # Zweiter Band (B., D ), bearbeitet von F, u. W. Grimm, vollständig, Pr. 15 f Dritter Band (E.— Forsche), bearbeitet von J. Grimm u. K. Weigand, vollständig, Pr. 16 A Viecrtin Vantes I. Abtheilung 1. Hälfte (Forschel— Gefolgsmann), bearbeitet von K. Weigand u. R. Hildebrand, voll- ständig, Pr. 20 (; vierten Bandes T. Abtheilung 2 Hälfte, Lieferung 1 bis 5 iGefoppe— Gelust), bearbeitet von R. Hildebrand, Pr. je 2 4 ; vierten Bandes 11. Abttr eilung (H.—J.), bearbeitet von M. Hcyre, vollständig, Pr. 23 4 Fünfter Band, (K), bearbciiet voa R. Hildebrand, vollständig, Pr. 25 Æ# Sechsten Bandes Lieferung 1 bis 12 (L=—Mißlich), bearbeitet von M. Hcyne, Pr je 2 # Siektenten Bandes Lieferung 1 bis 5 (N.—Nothwendigkeit), bearbeitet von M. Lexer, Pr. je 2 A Des IV. Bandes T. Abtheilung 2. Hälfte 6 Lieferung (G. ), bcarkeitet von R. Hildebrand, des VI, Bandes 13. Lieferung (M.), bearbeitet von M. Heyne, und des VII. Bandes 6.Lieferung (N, O,), bearbeitet von M Lerer, befinden sich unter der Prcfse. Auf dem Umschlace i} der an dieser Stelle bereits mitgetheilte Aufruf zur Errichtung eines GSrimm-Denkmals in Hanau abgedruckt. Die Sammlungen für dasselbe ncbhmen übrigens erfreulichen Fort- gang, und erst neuerdings sind wieder mehrfache Kuntgebungen zu verz¿cichnen, welche de1 Beweis dafür liefern, eine wie sympathische Aufnahme der Gedanke im IÎIn- und Auslande findet. So haben beispielswcise die Holländer, eingedenk ihrer nationolen Ver- wandischaft mit dem germanishen Starme, die Sache des Grimm-Denkmals zu der ihrigen gemacht und einen Aufruf in bolländiichcr Spracke erlassen, der von den namhaftesten Ger- manisten, Historifern uud Jwisten Hollands unterzeichnet ist. Dacunter befindet sich auch Professor Symons in Groningen, welcher die grundlegende Bedeutung der Grimmscben Forschungen auch für die niederländische Sprachwissenschaft wiederholt darzethan hat. Auch aus der Schweiz sind dem Hanauer Comité ca. 1000 M. für das Denkmal zugegangen. Ebenso sind aus Oestereich, Italien, Frankreich und von jenseits tes ODzeans von deutscbcn Landsleuten zahlreicbe Beiträge eing:laufen. Von der Universität Marburg ist ein besonderer Aufruf an alle Universitäten deutscber Zunge versandt worden , in welchem u. a. auégcführt wird, daß vor Allem die Lehrer und Studenten der Universitäten deutscher Zunge dazu berufen seten, opferfreudig für das Grimm-Denfmal voranzugehen; ja, es sei zu hoffen, daf irgend ein bedcutender Theil des Denkmals rur aus akz- demischen Mitteln bestritten und gestiftet werde. Jeder deutsch- redenden Hochschule wird daher die duingende Bitte ans Herz gelegt, ein eigenes Grimm - Comité ¿u bilden und für ausreichende Samm- lurgen Sorge zu traz;en.

Der Bureaue-, Kassen- und Kalkulaturdienst bet Eisenbahn-Neubauten. Handbuch für Eisenbahnbeamte von H. u. G. Kosub. Berlin. Verlag von Franz Siemenroth. Kart. (3 M). Das Buch erthält eine gewissenhafte und vollständige Zu- sammenstellung aller für diesen Zweig des Eisenbahn-Verwaltungs- wesens in Preußen erlassenen Bestimmungen. Die Verfasser führen in der inftruktiven Form von Beispielen an cinzelnen Fällen in die Vorschriften des Dienstes ein und haben dabei insbesondere auf den Dank der zahlreicben aus der Privat- in die Staatsverwaltung Über- getretenen Eifenbahnbeamten Anspruch.

Die in Leipzig und Berlin den 28, d. M. erscheinende Nr. 2139 der „Illustrirten Zeitung“ enthält folgende Abbildungen: General v. Fakrice. Königl. söcbsisber Kriegs-Minister. Nach einer Photographie von Hanfstängl (Teich) in Dresden. Die Deputation der Transvaal-Nepublik in Berlin. 3 Porträts: 1) Präsident Krüger, 2) General Smit, 3) Unterrichts-Minister Dutoit. Torpedoscie- ßen im Kieler Hafen. Originalzeihnung von Hans Petersen. Die Feier der Grun! fteinlegung zu dem neuen deutschen Reichstagsgebäude in Berlin am 9. Juni. Originalzei£nung von H. Lüders. Zwei- seitig. Von der italieniscen Nationalausfstellung zu Turin. 9 Ab- bildungen: 1) Industric-Pavillon. 2) Landwirthscwafts-Pavillon. 3) Pavillon der \ck{snen Künste. 4) Concerthaus. 5) Haupteingang der Auéstellung. 6) Russisches Zelt. 7) Tewpel des geeiniaten Italiens. 8) Mittelalterlibe Burg. 9) Maurishces Thor. Der Vlumen Racte. Nach dem Gemälde von Gustav Wertheimer. Die Rhein- fabrt der Schlaraffia Colonia Agrippina. Originalzeihnung von Gustav Marx. Joh. Gustav Drovsen, } am 19. Juni.

Die Nr. 25 von „Sch orers Familienblatt* hat folgenden Jubalt : Der Gnadenlöhner. Novelle von E. Vely. (1. Fortseßung. Deutsche Reiselust. Von Fr. Pecht. Wann und wie soll der Klavierunterri&t teginnen? Von Dr. med. Fr. Dornblüth. -— Ein Gotte8urtheil. Von Elisabeth Werner. (11. Fortseßung) Die praktische Tragweite der Kochschen Pilzentdeckungen. Harzer Holz- waarenhändler. Von Th. Kutshmann. Mit Abbild. Aphoriémen. Sprewsaal. Briefkasten. Plauderecke: * Briefträger und Botenfrau. Sc{walben als Embleme. Aus dem Vortrage eines Geschichtélehrers. Der Talisman. Eine billige Reise. Ein kaiserlides Wort. Das größte Faß der Welt. Ein kostbarer Teppich. Gute Replik. Seltenes Alter. Kindermund. Unsere Bilder. Holzichnitte: Kindervogelschießen in Thüringen. Von W. Zimmer. Der Talisman. Von C. Becker. Harzer Holzwaarcnhändler. Von Paul Thumann. Beilage: Das Mägde- baus im Stadtbahnbogen „Börse“ in Berlin, Von Oskar Cordek. Mit Abbildung von A. Zimmermann. Silkbecnräthsel. S(erz- räthsel. Der Zauberer in der Familie: Cine Versezaufgabe. Humoristishes: Heimkehr vom Schüttenfeste. Silhouette von H.

Waltker Ihm ift wohl, doch mir ist wohlcr. Der zufriedene Greis. Bildniß des Geh. Rath Dr. Ko. 4

Von Paul Lehmanns Bucbhandlung und Antiquariat in Berlin (Französis%e Straße 33e) sind über das antiquarische Bücberlager vor Kurzcm 2 Kataloge, Nr. XRXR. u. XXXI , versendet worden. Nr. XXX. führt unter der Ueberschrift „Nationalökonomie und Staattwissenschaften" 1601 Schriften über die genannten Ma- terien unter folgenden Rubriken auf: Allgem. Staats- und Vöiker- recht, Diplomatie, Politik, Konsularwresen, Allgemeines; Deutsches Staatsredt und Politik; Preußishes Staatsrecht und Politik; Staatsrecht und Politik der deutshen Staaten außer Preußen, sowie Adel; Staatêrecht der auéländisben Staaten; Nationalökonomie im Allgemeinen und Soziale Frage; Statistik, Versicherungêwesen, Grund- cigenthum; Fiuanz-, Bank-, Zoll-, Mürz- und Steuerwesen ; Verwal- tung, Polizei, Armen-, Vereins- und Ger. ofsenshaftéwefen ; Handel und Indufirie, sowie Verkehrswesen (Eisenbahn, Post); Nacbtrag zu allen Abtheilungen. Nr. XXYXRI., „Rechtéwissenschaft“, enthält die Bi- bliotben des verstorbenen Landgerichts-Raths Striethorst, des Land- gerihts-Direktors Fulda u. A. und verzeichnet 2793 Schriften, die urter folgende Abtheilungen verthcilt sind: Literatur und Philosophie des Rechts, Vermischtes und Biographien ; Opera, Zeitschriften, Ent» \cbeidungen, Rechté fälle; Geschichte und Quellen des römischen Rechts mit Kommentar; Gesbichte und Quellen des deutsben Recbts, Gesetz- sammlungen, Provirzialrecht; Auéländishes Ret; Lehrbücher des Privatrechts ; Civilistise Monographien ; Familienrecht (Che-, Erb- und Vormundschaft), sowie Gesinderecht ; Obligationen, Verträge, Forde- rung und Cession, Kompensationz Besitz, Eigenthum, Verjährung ; Handels-, Wecbsel-, See- und Gewerberecht; Grundbuchwesen, Hypo- thekenredt, Lehnredt, Pfandrebt; Baurecht, Bergrecht, Patent-, Stempel- und Preßgesetzgebung, Urheberrech{t, Jagdrecht und andere kleine preußisbe und Reicb8geseße; Ge: ichtêverfafsung und Prozeß; Gerictspraxis, Freiwillige Gerichtsbarkeit, sowie Notariat; Strafrecht und Strafprozeß; Kirchenrecht; Nachtrag. In beiden Katalogen befindct sich cine Menge werthvoller Schriften, von dencn nicht wenige bereits vergriffen find.

Land- und Forstwirthschaft.

Im Verlage von Alfred Hölder (K. K. Hof- und Universität®k- bucbbändler) in Wien erschien soeben: „Generalberict über die Verhandlungen des IX internationalen Thiershuyß-Kon- are\ses in Wien (7.—12, September 1883), berausqegeben vom Wiener Thierschutverein, redigirt vom Eeneralsekretär des Kon- gresses, Gustav Ritter von Henriquez. Preis 1 ( Dieses von dem Generalsekretär des Kongresses redigirte Werk verdient nicht nur die Aufmcrksamkeit der Facbgenossen, sondern ist auch weiteren Krisen zur Lektüre zu empfehlen. In den 3 Sitzungen waren

folgende Referate zur Debatte gestellt: in der ersten Sizung (am 8. Septcmber) über Vogels#uß vom internationalen Standpunkte (Referent S. H. Woiff in Zürich); über die

Hinteranhaltung der Verwendung von Vögeln als Handelsæaare und zu Modezwccken (Referent R. J. Colam in London); über das Verbot des Taubenschießens zum Zwecke des Vergnügens oder der Scieß- übungen (Referent O. Hartmann-Cöln); über das Hegen von Bäumen urd Sträuctern als Brut- und Schutpläte für Vögel (Referent K. Sandsteiner- Wien): in der zweiten Sißung (am 9. September): über Präventivmaßregeln gegen wuthkranke Hunde, insbesondere mit Rücktsibt auf den Gebrauch der Leine und des Maulkorbes (Nefe- rent Dr. Schäfer-Darmstadt und A. Sondermann-München); über Transport der Haus- und Nuttbiere im internationalen Verkehr (Referent O. Hartmann-Cöln und A. von Secfeld-Hannover); in der dritten Situng (am 10. September): über Tranéport von Thieren auf Vieh- und Sclachthöfen (Referent Oekonomie-Rath Hausburg- Berlin), über Schblacbtungen nah verschiedenen Methoden (Referent C. Bauwerker-Kaisersloutern, J. Zeha in Wien, und A. Sonder- mann-Müncen); über Aenderung der Bestimmungen beim Postversandt lebender Thiere (Referent G. Schaefer-Dreéden). Aus diesen Referaten beten wir zwei hervor, die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung besonders erwähnt zu werden verdienen. Zuerst die Vorkehrungen gegen den Auébrucb der Hundswuth; nab längerer Debatte wurden fol- gende sech83 Punkte angenommen: 1) Die Thierscußvereine erkennen, daß die Hundesrage nur dur die möglichste Reduzirung der Hunde- zahl gelöst werden kann. 2) Dieses Ziel kann nur durch entspre end hobe Besteuerung der Hunde, insbesondere der Hündinnen erreicht werden. 3) Dur die Gesetgebung müssen die Hundebesißer für die dur ihre Thiere verursachten Beschädigungen zu Schadencrsaß ver- pflichtet und für dieselben verantwortlich gemacht werden. 4) Die Thierschutvereine sxreben sich gegen den Maulkorbzwang als algemein- stes Schutzmittel aus. In den Fällen, in welwen Maulkörbe getragen werden müssen, ist auf die Einfuhr erprobter Muster hinzuwirken. 5) Die NBouvcll\che Metbode des Abfeilens der Zähne erscheint für die Ver- hirderung des Beißens und dadurch dec Verbreitung ter Hundswuth, als ein wichtiges Mittel. Der Kongrcß fordert alle Thiersbutz- Vereine auf, entsprechende Versuche mit derselben anzustellen, und die Regierurgen der einzelnen Länder zu fsolcden zu veranlassen (mit 37 gegen 36 Stimmen angencmmen). 6) Das Führen von Hunden an der Leine bietet durchaus keine Sicherheit gegen Verbreitung der Hundewuth. Das zweite bemcrkenêwerthe Referat behandelte die Sclachtungen nach vershicdenen Methoden: Nohdem der Hof- thicrarzt Sondermann ausgeführt hatte, daß es unverzeihlich sei, daß man S(lachthäuser baue, die Millicnen kostcten, in denselben aber zum Hohn der Humanität und zur Förderung der rohen Sitten und NAbftumpfung des Gemüths eine Masse Leute blutzierig morden laffe, statt dieses Geschäft durch eigene, geübte, gevrüfte und tüchtige Leute vollziehen zu lassen, wurden nah längerer Debatte folgende Resolu- tionen angenommen: 1) Na dem heutigen Stande der Frage crklärt der Kongreß als obersten Grundsaß bci Vornahme der Tödtung der zur mens{chlichden Nahrurg dienenden (vierfüßigen) Thiere, daß in jedem Falle die Betäubung der eigentlichen Tödtung durch Blut- entziebung vorauszugehen hat. 2) Da die Tödtung der Sclactthiere selbst bei Wahrung dieses Grundsat:es cine besondere Fertigkeit und Körperkraft erfordert, so sollen hierzu nur wirklich befähigte Personen verwendet werden dürfen. 3) Bebufs allgemeiner Durbführung dieses Grundsatzes sollen dieselben zur Kenntniß der Regierungen und Thier- \chußtzvereine gebraht werden. Sämmtliche Referate veranschaulicen in gründlicber Weise den jetzigen Standpunkt der den Thierschutz be- trcffenden Fragen und bilden ein braudbares Material für ein zu- fünftiges internationales Thierschußzgeseß.

Gewerbe und Handel.

Dem Jahresbericht der Oberlausitzer Eisenbahn für das Jahr 1883 entnehmen wir Folgendes: Im Jahre 1883 ist der Betrieb auf der Hauptbahnstrecke Kohlfurt-Falkenberg vom 1. April an auf die Königliche Eisenbahn-Direktion zu Erfurt üktergegangen; der Be- trieb auf Zweigbahnstrecke Ruhland-Lauchhammer hingegen bei der Königlichen Cisenbahn-Direktion zu Berlin verblieben. Die Ge- sammtbetriebs-Cinnahme der Hauplstrecke Kohlfurt-Falkenberg und der Zweigbahn Ruhland - Lauchhammer haben 1883 betragen: 1473565 M, gegen in 1882 1031289 Æ, also in 1883 mehr 442 464 4 Die Einnahme vertheilte si: Im Ganzen wurden in 1883 befördert 306 182 Personen (1. Kl. 457, 2. Kl. 14 442, 3. Kl. 133 629, 4 Kl. 128 303; Militärbillets 8773); und dafür vereinnahmt 306 182 Æ;, Güter wurden befördert 281816 t 1000 kg), und dafür vereinnahmt 1 149 490 M4; sonstige Einnahmen 17 893 = zusammen 473565 Kz in 1882 wurden befördert 246 911 Personen und 243089 t Güter, und dafür vereinnahmt 267 902 # für

Personen, 729998 A für Güter, sonstige Einnahmen 33390 Æ, mat zusammen 1031299 # Die Betriebs- einnahme der Strecke Kohlfurt-Falkenberg betrug in 1883

1450394 M Nach §. 16 des Betriebsüberlassungt vertrags vom 21. Februar 1878 hat die Oberlausitzer Cisenbahngesellshaft von der 1 000 C09 überfteigenden Jahreseinnahme vier Zehntheile zu erhalten ; es berechnete si daher der Gewinnanthcil der Gesellschaft pro 1883 woie folgt: Die Gesammteinnahme bezifferte sih auf 1450394 A

61 S, nach Abzug von 10000009 Æ verblieb ein Ueberschuß von 450 394 61 S, wovon 4/10 betrager. 180157 Æ 84 „4. Das Ein- nahmeerträgniß auf der Zweigbahn Ruzland-Laucbhammer bezifferte sh pro 1883 auf 237104 45 S, erreihte demnach nit den Betrag von 24000 Æ, über welchen erst ein Gewinnantheil für die Oberlausiter Eisenbahn-Gesellschaft entfällt. Die Ausgaben der eigenen Ver- waltung der Kohlfurt-Falkenberger Bahn stellten sid auf 10681 4% Die Restshuld an den Erneuerungsfonds für die in den Jahren 1875—77 demselben zu wenig zugeführten und zunäbst aus dey Uebershüssen der Gewinnantheile der Oberlausißer Eisenbahn- Gesellschaft zu deckenden Beträge bezifferte sib ult. 1882 not auf 179 360 M Der Recbnungsabs{luß pro 1883 gestaltete sib demna folgendermaßen: Gewinnantheil der Ee Eisenbahn-Gesell- {aft pro 1883 180157 M, dazu Zinseneinnahme 331 K; matt 180489 Æ; die Auégabe betrug 10681 4, blieben 169 807 t, welche an den Erneuerungsfonds abgeführt worden sind. Die Rest- \{uld an den Erneuerungéfonds betrug ult. 1882 179 360 M; eg verblieb daher nach Zahlung von 169 807 #4, ult. 1883 eine Rest- \{uld von 9552 4 Am Stluß des Jahres 1883 war ein Bestand von 333 000 4# °/9 Prioritätê-Dbligationen vorhanden, wovon im Anfang des Jahres 1884 1500 # zur Deckung des Vorscbus}ses in Höhe von 936 # 14 - versilbert worden sind. Der Reservefonds hatte ult. Dezember 1883 einen Bestand von 93 732 M (gegen in 1882 88 918 A6), und der Erneuerungsfonds Ende 1883 einen Be- stand von 485 762 #4 (gegen in 1882 409 449 4). Die Regulirung des dur den Unfall auf Bahnhof Kohlfurt verursabten Swhadens steht noch aus, doch find dafür bereits 18 0C0 (in 1883 und in 1882 je 9000 M) abgeseßt, während dessen Höhe auf nur 15 809 4

geschäßt ift. : :

Königsberg i. Pr., 26. Juni. (W. T. B) Wollmarkt, Der hiesige Wollmarkt ist beendet. Die Zufuhren von circa 11000 bis 12000 Ctrn. sind bis auf einige Partien geräumt. Der Verkehr blieb, die feineren Wollen ausgenommen, bis zum S{luß \{leppend, die Preise durchweg nicdriger, insbesondere für verzücbtete oder \{lecht behandelte Wollen. Gutnaturige, ausgeglihene Wollen er- zielten bei guter Wäshe: Tucbwollen 53—57, Kammwollen 51—54, Stoffwollen 48—53, Kreuzungêwollen 40—45 Thlr. pr. Ctr., ver- einzelte Partien, außer bei Stoffwollen, etwas mehr. Shlet- giralGens Kreuzungswollen waren {wer verkäuflich und wesentli illiger.

St. Petersburg, 26. Juni. (W. T. B.) Der „Regic- rungs-Anzeiger®" veröffentlidt einen Kaiserlichen Ukas vom 17. (5.) Juni, durch welchen auf der Grundlage des bezüglichen Kai- ferlihen Ufases vom 23. (11.) Oktober 1876 der Umtausch der im Jahre 1884 zu amortisirenden Serien 200, 201, 202, 203 und 204 der Neihs-Schaßbillets gegen die unter den früheren Bedin- gungen neu zu emittirenden Serien 280, 281, 282, 283 und 284 à 3 Millionen Rubel angeordnet wird.

New-York, 2ò, Iuni. (W. T. B.) Die heutige Börse \{loß in Folge eines Gerüchts von Schwierigkeiten eines Bankhauses

shwach. Authentisches ist darüber nit bekannt. In den nächsten A “ais die weitere Einberufung von 3%igen Bonds erwartet. Verkehrs-Anstalten. Bremen, 25. Juni. (W. T. B) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Amerika“ ift gestern in Baltimore eingetroffen.

Bremen, 26. Juni. (W. T. B.) Der Damvfer des Nord- deutshen Lloyd „Nürnberg“ ift gestern Abend 11 Uhr in Southampton angekommen.

Hamburg, 26. Juni. (W. T. B.) Der Postdampfer „Rhenania“ der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt- Aktiengesellschaft ist, ron Westindien kommend, gestern in Havre angekommen.

Berlin, 26. Juni 1884.

Breslau, 26. Juni. (W. T. B) Nach nunmeßbriger Fest- stellung beträgt die Zahl der in der Grube „Deutschland“ ver- \cchütteten Bergleute 42.

London, 23, Iuni. (Allg. Corr.) Das Musikcorps des 7. Preußischen Kürassier-Regiments, welbes in der Oy- gienc-Ausftellung in Süd-Kensington mit gesteigertem Erfolge con- certirt, nabm am Sonnabend Nachmittag unter Führung des Kapell- meisters Musikdirektors Grünert die Sechenéwürdigkeiten der City in Augenschein. Im Mansion-House wurden die Kürasßiere, die in voller Uniform waren, von dem Lordmayor empfangen und bc wirthet. Letzterer leerte mit ihnen cin Glas auf das Wohl des Chefs ihres Regiments, des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha, dessen Geburtstag am Sonnabend war.

Nischny-Nowgorod, 25. Juni. (W. T. B,) Bei den am 19. (7.) d. M. hierselbst stattgehabten Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung sind 8 Personen ums Leben gekom- men und 9, darunter 5 lebentgefährlih, verwundet. Weitere Ruhe- \törungen find hier niht vorgekommen. Zur Untersuhung der Vor- fälle ist der Prokurator des Appellationsgerichtshofes zu Moëkau, Murawjeff, bier eingetroffen. Eine Publikation des Gouverneurs im heutigen Tageblait macht gegenüber den hier verbreiteten Ge- rüchten, daß in Kunawino wohnende Juden ein Christenmädchen gesblachtet hätten, bekannt, daß, wie die strenge Untersuchung über die Vorgänge am 19, (7.) d. M. ergeben habe, diese Gerüchte ledig- li auf Erfindung beruhten.

Im Neuen Friedrich-Wilhelmstädtishen Theater nähert sich das Gastspiel der Fr. Marie Geistinger seinem Ende, da die Gastin nur noch einmal als Rosalinde in der „Fledermaus“ und zweimal in Elmers Lebensbild „Therese Krones* auftreten wird, um dann für immer von den Berlinern Abschied zu nehmen, da Fk. Geiftinger \sich, wie verlautet, von der Bühne zurückziehen und dem Privatleben widmen wird. Die Aufnahme, welche die Künstlerin in Berlin gefunden hat, war fo günstig, wie es der ausgezeilnete Ruf derselben verdiente, und füllten si allabendlich die Räume des Theaters, um Fr. Geistinger 11 ihren besten Rollen bewundern zu können. Zu denselben gehört Un- streitig die Rosalinde in der allerliebsten Straußschen Operette Die Fledermaus“, Auch hier bewährt sich das Talent der Künstlerin mn der au8giebigsten Weise und führt ihr neue Verehrer zu. Das Spiel und die Bewegungen derselben legen Zeugniß ab von ter Fähigkeit rer Gastin, allen Rollen ihre besten Seiten abzulauschen und dieselben zu Musterleistungen zu gestalten. Eine gewisse Nebenbuhlerscha]! wird ihr in diesem Stück allerdings von Frl. Kollin gemacht, wel? die lustige Kammerzofe allerliebst zu spielen versteht, und in der Ver- fleidung beim Ball dcs russischen Prinzen eine gefällige, humorvol Grazie entwickelt, welche ihr äußerst gut ansteht, und verdienten Beisa einträgt. Hr. Swoboda spielt den Lebemann Eisenstein wie immer flott und gefällig, und erzielt zugleih mit Hrn. Binder, der den leihtsinnigen Gefängnißdirektor Frank ausgezeichnet wiedergiebt und t, den komischen Lagen seiner Rolle einen köstlihen Humor entwickelt, einen hübshen Grfolg; daselbe gilt von Hrn. Pauli als Gerichts- diener Frosch, welcher die allgemeine Heiterkeit ecregt.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Sch olz). Druck: W. Eléêner Fünf Beilagen (cinsck&licßlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 1A,

Berlin, Donnerstag, den 26. Juni

1884,

Deutsches Reich.

der Einnahme an Weselstempelsteuer im Deutschen Reiche

NaGweisung fur dîíe Zeit vom 1. April 1884 bis zum S{lusse des Monats Mai 1884.

1 2, 4 4. 5. 6, Einnabme : i Einnahme in dem- C. 108 A i b: E ierzu Einnahme s ven Zeitr In 1584 Ober-Post-Direktions-Bezirke. iss A u den E Zusammen. E e a E (Spalte 4). F Ey M. p a M Á M F Æ 14 I. Im Reihs-Postgebiete.

1) Königsberg 1198 | 6( 0486 91 685 | 95 659 | 7 3 974 | 70 2) Gumbinnen 13 691 S0 1 258 40 “5 941 20 5 508 A 4 N 436 20 3) Danzig . 10591 80 10570 8 91162 60 23 883 | 40 | 2720 | 80 G. , 70130 60 62 756 | 132886 60 133 961 | 80 | 1075 | 20 D Pola 2884 | 90. 3708 | 70 6593 60 b 885 | 10 | + 708 | 50 6) Frankfurt a./O. . 5 704 | 80 5 895 2 11600 10 117488 | Dl e : 1E lle 7) Stettin 6343 10 6 881 | 30 13 224 | 40 450601 1302| 50 8) Köslin . 1525 | 20 1566 | 80 3092 | 2900 | 20 | + 191 | 80 9) Posen 4092 10 4655 | 90 8748 | 7532 | 20 | + 1215 | 80 10) Bromberg . 3654 | 80 3134 | 10 6788 90 6041 I + 71D 11) Breslau 4 208 | 80 13 365 | 60 27 574 | 40 26 309 | 90 | + 1264 | 50 12) Liegniß . 6916 90 7020 | 20 14 637 | 10 S 302110 13) Oppeln . 4311 | 20 4877 | 90 9189 | 10 9114 40 | + 74 70 14) Magdeburg 14 693 | 50 12475 | 27168 | 50 24224 201 + 2834 | 15) Halle a./S. 7604 50 6 795 | 90 14400 | 40 12424 | 50 | + 1975 90 16) Erfurt : 10513 | 80 10 304 | 40 20 818 | 20 210533 | 234 | 80 17) Kiel , 6401 90 6792 | 80 13194 | 70 19162 201 607 | 50 18) Hannover . 9 345 | 20 9 905 | 30 10 850 | 50 10091 | 90 | 7 259 | 19) Münster 1515 60 2 174 | 90 3690 | 50 3246 201+ 4490 20) Minden 3879 609 4924 | 30 8 803 90 8308 (90) M0 =— 21) Arnsberg 15 898 | 20 7103 | 30 33 001 | 50 32140 | 90} + 860 | 60 22) Cassel 4639 60 3943 | 70 8583 | 30 1802 1901 040 23) Frankfurt a./M. 29 478 | 10 26 722 | 10 56 200 | 20 55417 | 40 | + 782 | 80 24) Cöln : 1X0 O05 | 9 15 788 | 25 30793 | 55 209499 | 10 + 2294 | 45 25) Aachen . 6233 6 588 | 50 12821 | 50 12727 | 70 | + 93 80 26) Coblenz 3111 | 60 3268 | 70 . 6380 | 30 0920 O O 27) Düsseldorf . 34689 10 36 526 | 50 71215 | 60 68614 | 10 | + 2601 50 28) Trier 1983 20 2411 | 80 4395 | 4607| 10) 21210 29) Dresden 12/002 | 30 11580 | 23 582 | 30 24687 | 40 | 1105 | 10 00) Lg . 37 037 | 20 oc2H | O 74 248 | 90 75175 | 50 | 926 | 69 31) Karlêrube . 17 267 | 20 16 708 | 70 3890 | 90 0620| O 2297 | 80 32) Konstanz 5 508 | 10 4705 | 50 10 213 | 60 10170 40 | + 4s | 20 33) Darmstadt ; 11453 | 10 10432 | 60 21889 | (0 22360 | 60 | 474 | 90 35) Oldenburg 3972 90 4068 | 40 8041 30 8217 | 5350| 176% 36) Braunschweig 4 465 | 90 3924 | 10 8 390 | 9258 | 70 | 868 | 70 37) Bremen | 16 672 | d 18 053 | 90 34726 40 39830 | 2 S 60 38) Hamburg . 61099 40 57 629 | 40 118 728 80 127 294 | 15 | 8565 | 35 39) Straßburg i./E. 14978 | 60 16 341 | 3 31319 | 90 39 224 | 70 | 7904 | 80 40) Mey : E 3554 | 10 3 345 | 30 6 899 | 40 8302 | 90 | 1403 | 50 Summe I. 494 752 | 0 487 419 85 982 172 | 35 996 953 | 95 | 14781 | 60 n Saen .A 47467 20 42395 70 89 862 | 90 89455 | 40 | +— 407 |50 I Dics e, 22529 80 20 839 | 50 43 369 | 30 39 404 | 80 | 4+ 83964 | 50 Ueberhaupt 564749 60 | 000650 f 1115401 55 112814 | 15 | 10409 | 60

Berlin, im Juni 1884,

Haupt-Buchhalterei des Reihs-Schaßzamts. Biester.

Nichtamfkliches.

Preußen. Berlin, 26. Juni. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (41) Sißung des Reichstages wurde die dritte Berathung des von den Abgg. Ackermann und Gen. eingebrahten Geseßentwurfs wegen Ergänzung des 8, 100 e des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Ge- werbeordnung vom 18, Juli 1881, auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenommenen Antrages, fortgeseßt. :

Der Abg. Walter bemerkte, die Annahme des Antrages Ackermann würde eine Umkehr der jeßigen Verhältnisse be- deuten. Es sei jet kein Zweifel mehr, daß dieser Antrag eine Etappe zu den obligatorishen Jnnungen bilde. Der Abg. Acktermann habe in der ersten Lesung als Zweck seines Antrages Stärkung des Handwerkerstandes, Schuß gegen das Ueberwuhern des Großkapitals bezeihnet. Die Lohren, von Kleist und Windthorst forderten aber hinterher obligatorishe Jnnungen, sonst würde das Handwerk nicht prosperiren. Er müsse nun bekennen, daß die Art und Weise, wie das Großkapital mitunter beurtheilt werde, ihm geradezu unverständlich sei. Ein Mann, der mit Anstrengung und Sparsamkeit sih ein Vermögen er- worben habe, habe doch kein Verbrechen begangen. Er habe immer den Eindruck, daß die Herren über den Einfluß des Großkapitals auf das Handwerk nur eine dunkle Vorstellung hätten. Dasselbe gelte vom Lehrlingswesen. Die Rechte thue

so, als ob die Liberalen unversöhnliche Feinde de Innungen seien. Die Linke sei nur gegen die Zwangsinnungen. Versprehe die Rechte den Handwerkern nicht zu viel, Wenn die Handwerker nur ihre _wirklichen Interessen | wahrten, mit Energie vorwärts strebten, würden fie

weiter fommen, als wenn sie auf goldene Berge bauten. ‘Der Abg. Lohren meine, nur der Handwerker dürfte in diefen Dingen ein Urtheil abgeben. Wisse derselbe denn nicht, daß der Abg. Ackermann kein Handwerker sei? Auch er wünsche, daß der Lehrling durch eine tüchtige und strenge Lehre gehe. Derselbe müsse arbeiten und entbehren lernen. Das set jebt ebenso gut möglich, wie früher, ja er behaupte, die Lehrlinge würden jeßt besser gehalten, wie früher, wo sie meist zu Diensten in der Familie verwendet seien und meist nihts gelernt hätten, Erst auf der Wanderung hätten sie etwas Tüchtiges gelernt. Jett heiße es nicht mehr, wo habe der Lehrling gelernt, sondern was könne er leisten, und darum sei es ganz gleihgültig, ob der Lehrling bei einem Jnnungsmeister oder bei einem anderen Meister gelernt habe. Die Rechte wolle nur Hoffnungen erwecken, die hte nachher nicht ersüllen könne. Die Rechte beunruhige fortwährend das Handwerk, das fürchten müsse, eine heute angenommen® Ge- seßesbestimmung könne in zwei Jahren wieder umgestoßen werden. Er bitte, gegen den Antrag Ackermann zu stimmen,

denn derselbe bringe nichts Gutes. e

Abgg. |

Der Abg. Günther (Sachsen) erklärte, er wolle nur einige JFrrthümer berichtigen. Die Bestimmung des Antrages Aker-

mann gelte keineswegs für alle Jnnungen, sondern es könne dies

nur in einzelnen Fällen dur die Verwaltungsbehörden fest- geseßt werden, und zwar wenn sich Fnnungen auf dem Gebiete des Lehrlingswesens bewährt hätten. Er bedauere, daß dur die gegnerishe Presse der Sinn des Antrages so entstellt worden jei. . Der Vorwurf des Abg. Bamberger, daß die freikonservative Partei früher gegen den Antrag und jeßt für denselben gestimmt habe, treffe niht zu, da dieselbe hierbei niemals geschlossen gestimmt habe. Von einem Fraktionszwange könne bei feiner Partei keine Rede fein, sondern nux von einer freien Meinungëäußerung. Seine Partci stimme dem Antrage Ackermann zu, weil sie der Meinung sei, daß sie das korporative Leben der Handwerker lebensfähig machen wolle und dazu halte seine Partei die Innungen für nothwendig. Er glaube aber, daß die Jnnungen viht genügten, wenn ihnen nicht gewisse Nechte eingeräumt wür- den, und das sei es, was der Antrag Ackermann wesentlich her- siellen wolle. Die Theilung der Arbeit stehe vem Antrage nicht entgegen. Je mehr die Theilung der Arbeit die Ein- zelnen von einander treibe, desto nothwendiger sei, daß die Jnnung sie wieder vereinige. Dann sei hervorgehoben wor- den, daß der Antrag eine ernste Schädigung des Handwerks herbeiführen werde. Diese Schädigung könne er nicht zugeben. Ferner sei gesagt worden, daß alle Diejenigen, welche für den An- trag Ackermann stimmen würden, auch Anhänger der Zwangs: innungen seien. Das sei cin Frrthum, seine Partei halte die Zwangsinnungen für in hohem Grade bedenklih und sei der Meinunga, daß durch dieselben große Konflikte ganz unver- meidlih sein würden. Er glaube, daß die Zwangsinnungen schwierig, ja fast unmöglih ausführbar seien. Wenn man den Jnnungen gewisse Nechte einräume, wenn man sie be- gehrenswerth mache, so werde das korporative Leben im Hand- werkerstande genügend gehoben. Auch er wolle das laisser travailler des Abg. Bamberger, wenn das Haus das aber wolle, dann s{hüße es auch die Arbeit des Handwerkers und stimme dem Antrage Ackermann zu.

Die Generaldiskussion wurde geschlossen.

Jn der Specialdiskussion bemerkte der Abg. Köhl, er seße voraus, daß die Antragsteller mit ihrem Antrage nicht etwa Wahlagitation oder Stimmenfang bei den Handwerkern trei- ben wollten, sondern daß es ihnen ernst dant sci, das Lehr- lingswesen auf eine vollklommenere Stufe zu bringen. Als prafktisher Geschäftsmann müße er erklären, daß dieses Ziel mit dem Antrage niht erreiht werden würde, Wenn man zudem einen direkten Zwang niht ausüben wolle, wenn die obligatorishe Jnnung durh diesen Antrag nicht wie durch ein Hinterthürhen eingeführt werden solle, dann sei der Antrag völlig unnütz. Die besten Handwerksmeister ver- s{hmähten es, sich dem Jnnungszwange zu unterwerfen, und hätte man in die Berufsstatistik die Frage aufgenommen,

welche Handwerksmeister ihr Handwerk auch wirkli gelernt hätten, es wäre eine verhältnißmäßig recht geringe Zahl herausaefommen. Er bitte, der er selbst mitten im Gewerb8- leben stehe, das Geseß zu verwerfen.

Der Abg. von Kleist-Reßow erklärte, es sei eine merk- würdige und lehrreihe Erscheinung, daß bei der heutigen Dis- kussion die Abgg. Bamberger und Bebel aus demselben Ton geblasen hätten. Die beiden Herren ständen zu einander wie Ursache und Wirkung. Die Grundsäße des Abg. Bamberger hätten Zustände herbeigeführt, die die Auflösung des ganzen Handwerkerstandes und die Unzufriedenheit in demselben herbeiführen würden. Beide gingen von der Hoffnungslosigkeit der jeßigen Zustände aus, der eine von der Hoffnungs- losigkeit der gesammten Zuslände, der andere von der Hoffnungslosigkeit des Gewerbes als folchen. Seine Partei theile diese Hoffnungslosigkeit nicht, sie nehme an, daß in Folge der Errichtung des Deutschen Reiches neues Blut und neues Leben in diesem Körper fließen werde, auch die einzelnen Glieder, wenn sie treu am Körper hängen würden, blühen und gedeihen müßten. Wer die Hoffnungslosigkeit nicht theile, müsse mit seiner Partei für den Antrag stimmen, wer sie aber

theile, mie gegen Wn immen SDœ Mag sel von Bedeutung, weil derselbe die Auflösung alles kor- porativen Lebens und aller korporativen Verbände ver-

hindere. Der Abg. Bamberger habe von dem Unterschied des laisser aller und lhaisser travailler gesprohen. Jawohl, aber travailler für das Großfapital. Der Abg. Bamberger meine, er (Nedner) lasse beim Marchand tailleur arbeiten; im Gegen- theil, er habe für sein s{chlichtes Gewand einen ehrlichen deutschen Meister. Der Abg. Bamberger frage ferner: was würde man in Frankreih sagen? Seine Partei wolle 10 WrcOen, wle «S dem deuten Pax- lamente entsprehe, wie es das FJnteresse des deutschen Handwerkerstandes fordere. Der Vbg. Bebel sage, er sei eigentlih für den Antrag, stimme aber dagegen. Der Abg. Bebel habe so viel politishe Voraussicht, daß derselbe für Alles stimme, was seiner Partei fromme und gegen Alles, was ihr Abbruch thue. Darum sei der Abg. Bebel auch

gegen diesen Antrag. Der zerfahrene Boden sei das gün- stiaste Dperationsfeld für die Sozialdemokratie. Lasse man sich nicht durch die Spezialitäten s{chrecken, die der Abg. Bebel vorgebraht habe, Die Spezialisirung des Handwerks sei aus einem doppelten Gesichtspunkt

zu beurtheilen. Wenn ein Handwerk früher verschiedene Be- triebe umfaßt habe, warum solle es sich denn jeßt nicht theilen ? Wenn aber diese Spezialisirung das Handwerk in seine Theile zerreiße, dann führe sie zum Tode und zur Versumpfung des Handwerks; dann werde dem Handwerk seine Fndividualität geraubt. Das sei ja eben die Freude des Handwerkers, daß derselbe ein ganzes Werk mache. Der Abg. Baumbach fasse die ganze ZukunstsaUfgabe des Handwerks in das Wort

Kunsthandwerk zusammen, Das müsse allerdings das Dio a ê e 5 a «Ï c , ?

Ziel des Handwerkers sein, derselbe sole ja seine Zndividualität zur Kunst ausbilden, darum aber brauche derselbe noch fein Künstler zu sein. Die s\{hönsten

Vorbilder für das Kunstgewerbe stammten aus dem Mittel- alter; Meister und Gesellen zeichneten heute nach, was da- mals entworfen und hergestellt worden sei. Dem Handwerker- stand wolle seine Partei lebendige Korporationen geben. Das größte Lob, das dieser Geseßgebung zu Theil werden könne, sei der Ausspruch Bebel2, daß nah Annahme des Antrags alle Meister der Fnnung beitreten müßten. Wer Sinn und Herz für das Handwerk habe, der nehme den Antrag Acker- mann an.

Ein Antrag auf Schluß der Debatte gelangte zur An- nahme, woranf die Abgg. Dr. Meyer (Jena) und Eberty erklärten, daß ste durh den Schluß der Diskussion verhindert worden seien, auf die gegnerishen Ausführungen sachlih zu erwidern. gn namentlicher Abstimmung wurde der einzige Artikel des Gesegentwurss mit 159 gegen 156 Stimmen angenommen.

Nachdem Einleitung und Ueberschrift ohne besondere Ab- stimmung genehmigt waren, erfolgte die Gesammtabstimmung über das ganze Gesey durch Zählung, welche die Annahme desselben mit 154 gegen 150 Stimmen ergab.

Es folgte die dritte Berathung des von dem Abg. Dr. Windthorst eingebrahten Geseßzentwurfs, betreffend die Auf- hebung des Geseßes über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern vom 4, Ma1 1874 auf Grund des in zweiter Berathung unver- ändert angenommenen Antrages.

Derselbe lautet:

8, 1. Das Gesetz, betreffend die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874 wird aufgehoben.

S. 2, Die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verfügungen von Landespolizeibehörden verlieren ihre Gültigkeit.

8, 3. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft.

Zur Generaldisfkfussion wurde das Wort nicht verlangt, ebenso nicht in der Spezialdiskussion bei §. 1.

Die Abstimmung über diesen Paragraphen war eine namentlihe. S. 1 wurde mit 246 gegen 34 Stimmen ange- nommen, ebenso die §8. 2 und 3 sowie das Geseg im Ganzen. Damit war die Tagesordnung erledigt.

Der Präsident {lug vor, die Prüfung der beiden Wahlen der Abag., Kutshbach und von Sczaniecki auf die Tagesordnung für morgen zu seßen.

Der Abg. Kayser wollte alle noch restirenden (10) Wahl- prüfungen morgen erledigen.

Der Antrag wurde vom Hause abgelehnt.

Hierauf vertagte sich das Haus um 3, Uhr auf Donnerstag 11 Uhr.