1884 / 150 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

jeßigen System deshalb nicht zutreffend, weil der Abg. Sonne- mann damals vollständig die Verwaltungskosten vergessen habe. Was dann die Karenzzeit betreffe, fo sei die Nende- rung in zweiter Lesung in dieser Frage keine unbedeutende. Es werde dadurch 20 000 {wer beschädiaten Arbeitern im Jahre diejenige Rente rah vier Wochen gewährt, die die Ma- jorität des Hauses sür eine genügende halte. Die Belastung der Krankenkaßen stehe für ihn erst in zweiter Linie; die Hauptsache sei, daß die beschädigten Arbeiter möglichst bald ihre entsprehenden Renten erhielten, und daß nicht alle be- scädigten Arbeiter volle 13 Wochen auf die kleinen Entschädigun- gen der Krankenkassen angewiesen seien. Seine Partei habe ferner das erwidere er dem Abg. Rickert das Gefeß nicht blos auf die Schornstcinfezer erweitert, sondern auch auf die über- wiegende Zahl der Bauhandwerker, d. i. um etwa 600 000 Versicherte der drittobersten Gefahrenklasse. Da der Abg. Rickert rorhin avf Hrn. von Bennigsen zurückgekommen sei, jo wolle er dem Hause noch kurz dessen Standpunkt in dieser

Sache mittheilen. Hr. von Bennigsen, wenn auch aus dem

aftiven parlamentarishen Leben ausgetreten, fei do der Freund seiner Partei geblieben. Hr. von Bennigsen jage: „Die erste Vorlage, die zweite ganz umgear-

breitete, die dritte wieder umgearbeitete, habe eine ganze An- zahl von Bedenken gefunden; und er sei überzeugt, wenn die Nationalliberalen jeßt dem Geseße zustimmen würden, dann würde manches darin enthalten jein, was ihren Wünschen im Einzelnen nicht ganz entspreche.“ Das sei au der Stand- punkt seiner Partei; aber im großen Ganzen glaube er, daß das Jnteresse der beschädigten Arbeiter durh dieses Gesctz wesentlich besser gefördert und geregelt werde, als es bisher der Fall gewesen sei, und deshalb werde er für das Gesetz stimmen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, er sei einigermaßen gespannt gewesen, wie der frühere Saulus, der Abg. Buhl, feine Bekehrung zum Paulus bei diesem Geseße rechtfertigen würde. Er hätte indeß doch mehr erwartet. Der Abg. Buhl habe wiederholt davon gesprochen, seine Partei sei gezwungen worden, auf einen anderen Standpunkt überzutreten. Aber wer habe sie denn gezwungen? Anstatt ihre Positionen bis zuleßt zu vertheidigen, hätten die Nationalliberalen in Heidel- berg und Berlin gleich nach der ersten Lesung erklärt, dieses Gese müsse zu Stande kommen. Damit hätten sie selbst einen Zwang ausgesprochen, welcher sie zur Aufgabe ihrer Positionen nöthige. Parlamentarish hätten sie zwar fort- gefahren zu erklären, sie behielten sich ihre Gesammt:

abstimmurg noch vor. Aber für Niemand sei es wehr ein Zweisel gewesen, daß fie zuleßt, wie

sich das heute bestätige, für das ganze Geseg stimmen würden. Der Abg. Buhl babe alsdann erklärt, daß die frei- sinnige Partei durch ihre Parteitage in der Pfalz den Angriff auf die nationalliberale Partei begonnen habe. Seine Partei hab: überall Parteitage abgehalten in Provinzen, wo sie An- bänger habe, also beispielsweise in Frankfurt, in Cassel und in Nürnberg. Schon vor dem Kaiserslauterer Parteitage sei das Heidelberger Programm erschienen, und von da datire die Schwenkung der Nationalliberalen. Der Abg. Buhk hebe her- vor, daß Hr. von Bennigsen sich nicht aus dem politischen Leben zurücgezogen habe, da derselbe doch zum Berliner Parteitag gekommen sei. Ob Jemand an der Parade theil- nehme, sei aber etwas anderes, als die Theilnahme am par- lamentarishen Kampf. Hr. von Bennigsen sei ein politischer Kavalier, der in guten Zeiten wieder zum Vorschein kommen werde. Aber den rihtigen Kämpfer für die Rechte und Frei- heiten des Volkes erkenne man daran, daß derselbe auch in den sür den Liberalismus ungünstigen Zeiten auf dem Plate bleibe, sih nicht hinter die Front zurückziehe und draußen an- dere Parteten angreife, indem er sih der parlamentarischen Bechtfertigung entziehe. Der Abg. Buhl finde in der Haltung feiner (des Redners) Partei zum Krankenkassengesez bestätigt, das sie den Zwang in wirthshaftlißen Dingen ablehne.

Derselbe wisse aber doch, daß bei diesem Geseg seine Partei sich nur dadurh von den Nationalliberalen

unterscheide, daß sie die Einführung des Zwanges abhängig machen wollte von einem Kommunalbes{hluß, während die Nationalliberalen den Zwang gleih über die Köpfe der Kom- mune hinweg einführen wollten. Jn diesem Augenblick hätten diz Nationalliberalen wahrlih am wenigsten Veranlassung, von ihrer Abitimmung für das Krankenkassengesez zu sprechen, da sih Überall die größten praftishen Schwierigkeiten bei der Durchführung dieses Geseßes ergäben. Während der Ava. Buhl früher mit seiner (des Redners) Partei zusammen cinen äntrag eingebracht habe, der von jeder öffentlichen Versicherungsanstalt abgesehen habe, sei derselbe zuerst herabgeglitten auf die öffent- lie Anstalt in Konkurrenz mit Privatanstalten, dann auf die öffentliche Anstalt unter Konkurrenz von Privatanstalten nur bei Nückoersicherungen, hierauf endli jeßt auf die öffentlichen Anstalten ohne jede Konkurrenz von Privatanstalten unter bloßer Entschädigung derselben. Nunmehr sei der Abg, Buhl alfo vollständig auf dem Standpunkt des Abg. Windthorst ar gekommen. Früher habe der Abg. Buhl erklärt, ein Ver- nicherungsgescß nit staatlihem Zwangsmonopol sei ihm un- annehmbar. Nun rechtfertige derjelbe seine Zustimmung damit, daß das Monopol nicht ein Monopol des Staates, sondern nur staatlich organisirte Berufsgenossenschast sei. Über gerade der Abg. Oechelhäuser habe in der ersten Berathung dargethan, daß diese Genossenschaften keine jelbftändigen Wesen seien, sondern nur Figuren an den Strippen, die im Reichsversiherungsamt gezogen würden, dar- fteliten. Schließlih rechtfertige der Abg. Buhl die Zustim- mung der Nationalliberalen, weil das Gesegz im Großen und Ganzen ein Fortschritt sei. Das sei eben der unterscheidende Punkt seiner Partei gegenüber. Ein schädlicheres Geseg hätte auf diejem Gebiet kaum gemacht werden können, s{ädlich in Bezug auf die Regelung der Unfallversiherung und shädlih in Bezug auf die ganze Rihtung der Geseßzgebung. Der Abg. Buhl habe damals gerade hervorgehoben, wie fals es sein würde auf diesem Felde ins Blaue zu steigen, statt an vorhandene Einrihtungen der Privatgesellschaften anzuknüpfen. Heute thue derselbe diesen Schritt. Jndem derselbe den vor- handenen Privatgesellshaften es vershließe, Versicherungen für die Arbeiter anzunehmen, mache derselbe sie existenzunfähig und nehme ihnen die Möglichkeit, die Versicherung denjenigen zu gewähren, die nit unter dieses Gesetz fielen. Unter allen Umständen stehe, wenn dieses Gese eine Verbesserung für die Arveiter, die darunter fielen, wirklih enthalten solite, eine VersWlechterung derjenigen, die nicht darunter fielen, gegen- über. Viel wichtiger aber als die Unfallentshädigung sei

die Unfallverbütung, und gerade hier liege eine grote Verschlech- terung vor. Welchen Nußen habe die Fan:ilie, wenn der

Yann verunglücke und der Ecnährer der Familie verloren

sei? Die Privatgesellschasten wirkten den Unfällen entgegen durch die Art, wie sie die Gefahren individualisirten, wie sie durch niedrige Prämienbemessung in jedem einzelnen Falle eine Prämie auf Unfallverhütung schten. An die Stelle trete jetzt weiter nichts als die Berufsgenossens&aft, die nah der ganzen Natur ihrer Einrihtung nicht im Stande sei, in der Weise die einzelren Nisiken zu individualisiren. Un Stelle der kon- traftlihen Bedingungen zur Verminderung der Gefahr träten nach diesem Geseß die allaemcinen Polizeivorschriften der Be- rufsgenossenschaft, und aus technischen Gründen könnten gerade auf diescm Gebiete am wenigsten allgemeine Vorschriften gegen Unfallv2)hütung in ausreihender Weise gegeben werden. Was hier als Unfallsenishädigung gewährt werde, sei immer etwas KärgliGes; je mehr aber diese ganze Geseßgebung schablonisirt würde, um so mehr würden Arbeiter und Arbeit- geber aufhören, über das geseßlitze Minimnm hinaus frei- willig höbere Beträge zu versichern, wie es jeßt vielfah ge- shehe. Noch schädliher wirke das Gescß E seine allge- meine Richtung, wona die Versichzerungsfreiheit, der die deutsche Volkswirthschaft so viel verdanke, weichen folle der staatlichen Allgewalt. Auch das Centrum, son| gegen Staatsomnipotenz, begünstige dieselbe hier. Die Abwälzung der Kosten des Unfalles während der ersten 13 Wochen auf die Krankenkassen sei ein großer Fehler. Das Gleiche gelte von dem Umlageverfahren, das dann später Aenderungen sehr shwer ermöglihe. Die ganze Richtung des Gesetzes gehe dahin, die Staats3omnipotenz zu vermehren und die Ver- sicherungsfreiheit zu beshränken. Die Staaisomnipotenz werde bald für die Arbeitgeber zu fühlen sein, wenn es gegen ungerechte Tarifirung nur den Weg der Beschwerde geben werde. Die Berufsgenossenschaften würden bald zu Koalitionen der Arbeitgeber gegen Publikum und Arbeiter führen. Mit dem ganzen Geseze werde man den Arbeiter nicht zufrieden ftellen, man mache ihn zum Staatspensionär, dem man nur noch das geheime Waßlrecht zu nehmen brauche, um ihn

politisch ganz todt zu mahen. Daß die Regierung mit dem Unfallgeses politishe Hintergedanken habe, sei niht zu leugnen. Es sei der Anfang zu einer Jnteressenvertretung; wenn man so weiter fortfahre, werde

man bald zur Autokratie mit Scheinkonstitutionalismus kom- men. Die Nationalliberalen schieden sih durch die Annahme des Gesetzes durch eine tiefe Kluft von sciner Partei und dem Liberalismus. Der Wunschzettel der Herren auf der Rechten sei jeßt bald erfüllt, es stehe nur noch darauf: Neue Steuern. (Rufe rechts: Zur Sache!) Darüber könne man ja ein an- dercs Mal sprechen.

Die Generaldiskussion wurde geschlossen.

Der Abg. Sonnemann bemerkte persönlih, daß ihm, ob- wohl man ihn von zwei Seiten angegriffen habe, durch An- nahme des Schlußantrages die Gelegenheit zur Erwiderung abgeschnitten worden sei.

Das Haus trat nunmehr in die Spezialdebatte ein.

Zu 8§. 1 erklärte der Abg. Dr. Barth, daß seine Partei eine Neihe wichtiger prinzipieller Anträge nur deshalb nicht wieder eingebracht habe, weil nah den Ergebnissen zweiter Lesung ein solcher Versuch doch ausfichtslos scheine. Nicht der Versicherungszwang sei für die Deutsch-Freisinnigen der Grund für die Ablehnung des ganzen Gesetzes ; die wirklihen Gründe habe der Abg. Rickert ausführlich wiedergegeben.

8, 1 wurde darauf unverändert angenommen.

S. 2 lautet nah der Fassung der zweiten Lesung :

Durch sftatutarisde Bestimmung (88. 16 ff.) kann die Ver- siwerungspflidt auf Betriebsbeamnte mit cinem ¿zweitausend Mark übersteigenden Jahreéarbeitéverdienft etstreckt werden. In diesem Falle ist bei der Feststellung der Entschädigung der volle Iahres- arbeitéverdienst zu Grunde zu legen,

Die Abgg. Frhr. von Maltzahn-Güly und Gen. hatten hierzu beantragt:

Der Reichstag wolle beschließen :

Dem S. 2 folgenden Absay zuzufügen :

„Durch Statut kann ferner bestimmt werden, daß und unter welchen Bedingungen Unternehmer der na §. 1 versicherungspflih- tigen Betriebe berechtigi sind, sich selbft oder andere nach §. 1 nit versicberunaspvflichtige Personen geaen die Folgen von Betriebs- unfällen zu versichern,“

Nach kurzer Befürwortung dieses Antrages durhch den Antragsteller, wurde 8. 2 mit dem vom Abg. Frhrn. von Maltahn:-Gülß beantragten Zufaß angenommen ; ebenso un- verändert die SS. 3 und 4.

S. 5 lautet nach der Fassung in zweiter Lesung:

Gegenstand der Versicherung ift der nach Mafgabe der natb- folgenden Bcstimmungen zu bemessende Ersaß des Schadens, wel- cer durch Körperverlezung oder Tödtung entsteht.

Der Swadenserfaß soll im Falle der Verletzung befteben:

1) in den Kosten des Heilversahrens, welche vom Beginn der vierzehnten Wocve na Eintritt des Unfalls an entstehen ;

2) in einer dem Verletzten vo:n Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an für die Dauer der Erwerbsunfähig- feit zu gewährenden Rente.

Die Rente ist nad Maßgabe desjenigen Arbeitsverdienstes zu berccnen, den der Verletztte während des letzten Jahres seiner Be- scäftigung in dem Betriebe, in welchem der Unfall sich ereignete, an Gehalt oder Lobn dur{\cnittliÞh für den Arbeitstag bezogen hat (S. 3), wobei der vier Mark übersteigende Betrag nur mit einem Drittel zur Anrebnung kommt.

War der Verleßzte in dem Betriebe nit cin volles Jahr, von dem Unfalle zurückzerechnet, besbäftigt, so ist der Betrag zu Grunde zu legen, welden währcnd dieses Zeitraums Arbeiter derselben Art in demselben Betrieve oder in benacbartea gleichartigen Betrieben durBschnittlib bezogen haben,

Erreicht dieser Arbeitsverdienst (Absatz 3 und 4) den von der höbcren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörde für Erwachsene festgesezten ortsübliben Tagelohn gewöhnlicher Tagearbeiter (8. 8 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883) nicht, so ist der leßtere der Be- rewnung zu Grunde zu legen.

Die Mente beträgt: y

a. im Falle völliger Erwerb8unfähigkeit für die Dauer dersel- ben scch8undsech8zig zwei Drittel Prozent des Arbeitsverdienftes ; ___ b, im Falle theilweiser Erwerbéunfähigkeit für die Dauer der- selben einen Bruchtheil der Rente unter a, welher nach dem Maße der verbliebenen Erwerbsfähigkeit zu bemessen ist.

Den nach §. 1 zu versihernden Personen, welche ni&%&t na den Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, versichert sind, hat der Betriebsunternehmer die in den S8. 6 und 7 des genannten Gesctzes vorgesehenen Unterstützun- gen für die ersten dreizehn Wocben aus eigenen Mitteln zu leisten.

Dem Verletßten und seinen Hinterbliebenen fteht ein Anspruch nicht zu, wenn er den Betriebsunfall vorsäßlih herbeigeführt hat.

_ Die Berufêgenossenschaften (§. 9) sind befugt, der Kranken- kasse, welwer der Verletzte angebört, gegen Erstattung der ihr da- dur erwabsenden Kosten die Fürsorge für die Verletßten über den Beginn der vierzehnten Woche hinaus bis zur Beendigung des Heil-

vezfabrens zu übertragen. In diesem Falle gilt als Ersa der im 8. 6 Abs. 1 Nr. 1 des Geseyes, betreffend die Krankenversicerung

der Arbeiter, bezeibneten Leistungen die Hälfie des in jenem Gesetze bestimmten Mindestbetrages des Krankevngeldes. : Hierzu lagen folgende Anträge vor: 1) von den Abgg. Frhr. von Malgahn und Gen. : __ In §. 5 die lezten drei Absäße ¿u ersezen durch folgende Bes stimmungen: __ Dem Verleßten und seinen Hinterbliebenen steht ein Anspru nit zu, wenn er den Betriebéunfall vorsäglid herbeigeführt hat. _ Die Berufsgenofsenschaften (S. 9) sind befuat, der Kranken- kasse, welwer der Verletzte angebört, gegen Erstattung der ihr da- dur erwachsenden Kosten für die Fürforge für den Verleßten über den Beginn der vierzehnten Woche binaus bis zur Beendigung des Heilverfahrens zu übertragen. In diesem Falle gilt als Ersatz der im S. 6 Abf. 1 Ziffer 1 des Krankenversiberung#-Gesctzes bezeih- neten Leistungen die Hälfte des in jenem Gesetze bestimmten Mins- destbetrages des Krankengeldes, sofern niht böbere Aufwendungen nackewièsen werden.

Von Beginn der fünften Wocdbe na Eintritt des Unfalls bis zum Ablauf der dreizehnten Wocte ift das Krankengeld, welches den dur einen Betriebsunfall verletzten Personen auf Grund des Krankenverficherungs-Gescpes gewährt wird, auf mindestens zwei

ere

Drittel des bei der Snung deffelben zu Grunde ge- legten Arbeitélobnes zu bemessen. _ Die Differenz zwischen diesen zwei Dritteln und dem geseßlih oder statutengemäß

zu gewährenden niedrigeren Krankengelde is der bes theiligten Krankenkasse (Gemcinde-Krankenversiherung) von dem Unternehmer deSjenigen Betriebes zu erstatten, in wel@&em der Un- fall fi ereignet hat. Die zur Ausfübrung dieser Bestimmung erforderliden Vorschrifien erläßt das Reichs-Versicherungsamt. Den nach §. 1 versiterten Personen, weldbe nicht na den Bestimmungen des Krankenversiherung2-Gesctes uersibert sind, bat der Betrieb8unternehmer die in den 88. 6 urzd 7 des Krankenver- siderungs-Gesetzes vorgesehenen Unterstützungen einscließlih des aus dem vorbergehenden Absave sich ergebenden Mehrbetrages für die ersten dreizehn Wochen aus eigenen Mitteln zu leisten. Streitigkeiten, welbe aus Anlaß der in den beiden vorhber- gehenden Absätzen enthaltenen Bestimmungen unter den Betheilig- ten entstehen, werden nah Ma5ßgabe des §8. 58 Absay 1 des Krankenversiberung®-Gesetzes entschieden.

Der Abg. Frhr. von Wendt beantragte:

1) ain Swlufse des Absatz 3 hinzuzufügen:

„Streitigkeiten, welhe aus Anlaß dieser Bestimmung zwischen den Berufsgenofsensbaften und den Krankenkassen entstehen, werden nach Maßgabe des §. 58 Absaz 3 des . Krankenkassengesetes ent- schieden.“

2) Am S&tlufse hinzuzufügen:

„Und zwar in den Fällen des letztvorbergehenden Absayes von der für Orts-Krankenkassen des Beschäftigungsortes zuständigen Aufs ficbtébebörde“.

Zt Abgg. Dr, Barth und Genossen beantragten :

im Y. 9

A. 1) in Absaß 2 Nr. 1 folgende Worte „welhe vom Begirn der 14. Wowdbe na Eintritt des Unfalls an entstehen“ zu streichen.

2) in Absaz 2 Nr. 2 an Stelle der Worte „der vierzehnten Wocbe®" folgende Worte zu seßen:

„des dritten Tages“;

B. eventuell

3) in Absay 2 Nr. 1 das Wort „vierzehnten“ dur das Wort:

efünften“ zu ersetzen.

4) in Absag 2 Nr. 2 das Wort „vierzehnten* dur das Wort :

esUnften“ zu ersetzen.

Der Abg. Dr. Hirsch erklärte, seit aus der Tripleallianz dur den Hinzutritt der Nationalliberalen eine Quadrupel- allianz geworden sei, seien die Aussichten für die Anträge seiner Partei völlig geshwunden. Er nehme nur Gelegenheit bei diesem das Jnteresse der Arbeiter am Meisten berührenden Paragraphen fich in seinem Namen und dem des Abg. Löwe gegen die irrthümlihe und tendenzióse Auffassung zu ver- wahren, als ob ihrerseits die Arbeiter niht als Personen, sondern als Material für die Arbeitgeber betrahtet würden. Gegen die Karenzfrist von 13 Wochen müsse er sich nochmals erklären. Die Zahlung der Unfallentshädigung müsse erfol- gen, sobald der Unfall eintrete, also vom ersten Tage an. Außerdem lasse eine so lange Karenz eine große Schädigung und den \{ließlihen Ruin der Krankenkassen befürhten. Es sei gar niht wahr, daß bisher die Krankenkassen mit Aus- nahme der wenigen Haftpflichtfäle bei Unfällen die ersten 13 Wochen für die Verletßten eingetreten seien, für die mehr als 500 000 Arbeiter, welche freiwillig versichert seien, bestehe schon jeßt eine Belastung der Kassen niht mehr; erst das Ge- seß werde sie neu damit belasten. Die Thatsache, daß die Kommission zuerst selbst die Herabsezung auf vier Wochen genehmigt, nah dem Kongreß des Centralverbandes der Jn- dustriellen aber ihren Beschluß wieder umgestoßen habz, be- weise am besten, daß das Gesez niht für die Arbeiter, son- dern für die Arbeitgeber gemacht sei. :

Der Abg. Lohren erklärte, das Volk werde unzweifelhaft mit größcrem Vertrauen auf das Geseß blicken, wenn es nicht blos von Konservativen und dem Centrum in seinen einzelnen Bestimmungen gutgeheißen werde. Auf die Stimmen der Freisinnigen und der Sozialdemokraten komme es nicht an. Das würde sogar in seinen (des Redners) Kreisen eine gewisse Besorgniß erwecken, und aus diesem Grunde könne er es mit Freuden begrüßen, daß sih eine Alliance gebildet habe, durch welche es möglich sei, die in der Kaiserlihen Botschaft vom Jahre 1881 verhcißene Reform einzuführen. Damit werde ein neues großartiges System der Sozialwirthschaft gut- geheißen und die Bahn für weitere Geseze freigelegt. Er müsse sich aber doch fragen, warum gerade die national-

liberale Partei einen solhen Werth darauf lege, den §8. 5 so zu amendiren. Die Arbeiter würden dadurch direkt auf die Untersiüßung des Arbeitgeders angewiesen. Jhm sei unerfindlich, welches national-

liberale Prinzip durch diese Bestimmung aufrechterhalten werden solle. Dadurh würden die Arbeiter in zwei Klassen getheilt, Ein Schmiedegeselle, dem ein Eisensplitter in das Auge fliege, solle aus der Ortskrankenkasse 33 Proz. mehr empfangen, als ein Maurergeselle, der von der Leiter falle und sih den Fuß brehe. Beide zahlten denselben Beitrag und beide sollten auch denselben Anspruch auf die Leistung der Kasse haben. Der Antrag Buhl und Gen. sei wentg geeignet, die liberale Sache in ihrem Ansehen zu fördern. Es wäre besser gewesen, wenn man einen Antrag eingebracht hâtte, welcher die unnöthige Polizei-Einmishung etwas zurück- s{raube. Das wäre eine wirkli liberale Forderung ge: wesen ! Die Freikonservativen hätten in der Koinmission einen solchen Antrag gestellt, die Regierung habe sich demselben entgegengestellt. Wäre derselbe von nationalliberaler Seite wiederholt worden, so hätte seine Partei sekundirt und die Regierung hätte wohl ihren Widerstand aufgegeben.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesratb, Staats-Minister von Boetticher das Wort: :

Meine Herren! Ih werde kaum noch nöthig haben, mi gegen- über dem Resultate der Abstimmung in der zweiten Lesung zu den Vorschlägen des Hrn. Abg. Dr. VLarth u. Gen. des Weiteren zu

äufcrn. Die Frage der Karenzzeit ist früber und namentli§ aue in der zweiten Lesung fo eingehend behandelt worden, daß e€ kaum mög- lid ift, ibr noch irgend etwas Neues abzugewinnen. I will nur betonen, daß die verbündeten Regierungen fch wie vor auf dem Standpunkte, der si bistoris% entwickelt bat, der dur das Kranken- fassengeseß gegeben und dur zahlreiche innere Gründe gestünt ift, stehen, wona die Fürsorge für die ersten 13 Wochen aut binsittlic eines dur Unfall Verlesten lediglib den Krankenkassen anbeimfällt. Es ift ein Theorem, wenn man heute behauptet, die KrankenkaFen dürfen nicht damit belastet werden. Sie sind einfa damit belastet, und wenn die Regierung die 13 wöhentliche Karenzzeit bier aufrebt erhält, so befindet fie fi auf dem Boden der bestehenden Geset- gebung, deren Abänderung fie nit will.

Was fodann den Antrag des Hry. Abg. Frhrn. von Wendt, Nr. 181 der Drucksachen, anlangt, so mte ih nur demn Antrag- teller gegenüber mir zu bemerken erlauben, daß sib darin ein Drut- fehler eingesckchlidben hat. Es muß nicht beißen in dem ersten Alinea unter T feines Antrags:

„in Nr. 1V am Swlusse des Absatzes 3 hinzuzufügen“, sondern es muß beißen: in Nr. 1V am S@luß des Absatzes 2 binzuzusügen.“ Im Absatz 3 ist eine Disposition getroffen, welche Streitigkeiten 3wiscen den Be- rufsgcnofsensbaften und den Krankenkafsen, für welche bier die ent- \ceidende Instanz dur den Antrag von Wendt vorgeschen wcrden soll, aar nicht zur Folge haben kann.

Nun habe id mi noch zu dem Absatz 3 aus dem Antrage der Herren von Malzabn-Gültz, von Wendt und Genossen (Nr. 172 der Drudfacben) zu wenden. ieses dritte Alinea ist meines Erachtens niht nüßlib und au nict rationell, so sehr i auch scine Arkbeiter- freundlicfeit anerkenne und so sebr ih aus diesem Grunde ihm zuzustim- men geneigt sein möhte. Was will der Absatz 3? Er will, daß dem ver- unglückten Arbeiter vom Beginn der fünften Wodhe ab während der von der Krankenkasse für ihn geleisteten Fürsorge ein Zuscuß zu dem geseßlid oder statutengemäß zu gewährenden Krankengelde ge- geben werden joll, und zwar auf Kosten des Arbeitgebers, in dessen Betrieb der Arbeiter verunglückt ist. Ih will darüber hinwegsehen, daß Sie mit diefer Diëposition einen neuen Faktor ix die Unfall- versicherung cinführen, der Theil zu nebmen hat an der Unfallsfürsorge. Biéher hatten Sie an der Unfallsfürsorge theilneßmen lasen eins mal die Krankenkasse und zweitens die Berufsgenofsenscbaft; jett fügen Sie einen dritten Faktor, den Arbeitgeber, ein, stellen also eine Privatperson in dieser Beziehung neben die auf Grund der Ge- seße organisirten Korporationen der Krankenkassen und der Unfall- genofsenschaften. Das, meine Herren, scheint mir nicht sehr erwünsckt zu sein; cs entspricht nicht den Prinzipien, auf denen das vorliegende Gesetz aufgebaut ist, ih halte es vielmehr für eine Abweichung von diesen Prinzipien.

Was mich aber nodb mebr bestimmt, gegen diesen Antrax mi zu erklären, das ist der Umstand, daß Sie kier eine Disparität in der Behandlung der erkrankten und der dur Unfall verletten Arbeiter einführen, die tnnerlih nicht berechtigt ift. Der Hr. Abg. Lobren hat bereits vorhin darauf hingewiesen, daß, wenn Sie diefen Vorschlag annehmen, der în einem Betrieve Verunglückte während dcs Krank- heit8prozesscs und während der Dauer der Fürsorge, die der Kranken- Tasse für ihn leistet, böber entschädigt wird, als wie die in demselben Betriebe von einer innerlihen Krankheit erfaßte Arbeiter. Es H o de Sal m O = W i eciumal sagen, in einer chemishen Fabrik der Arbeiter, der in Folge eigener Verschuldung, z. B. wegen Trunkenheit die Treppe verunterfällt, böber entschädigt wird als der Arbeiter, der in dem- selben Vetriebe an den Folgen der fortgesetzten Einathmung sck%ädlicber Gase, der er fb nidt entziehen Tann, innerlich erkrankt. Das, meine Herren, ift eine unterschiedlide Behandlung, für die ic die innere Berechtigung vermisse; sie kann böchstens darauf zurückaeführt werden, daß man sagt: ja, der Verunglüdckte ist eben ein unglüclicher Menseh; dem Kranken wird es wahrscheinlih nitt fe {let geben, er ist nit fo lange und vielleict nit dauernd verbindert im Gebrauce seiner Kraft, und aus diesem Grunde müssen wir mit dem verunglückten Manne mebr Mitleid baben. Aber, meine Herren, das ist ein Grund des Mitleids, der, wie gesagt, die Erwägung nicht er- seßen kann, daß wir obne Noth die Arbeiter, für die wir sorgen wollen, nit in verschiedene Kategorien weisen dürfen.

Aus diesen Gründen kann ich nur bitten, es bei der Vorlage resp, bei den Kommissionsbeschlüfsen zu belassen. Sie würden, wenn Sie decn Antrag von Maltahn annehmen, wie ic glaube, noth- wendigerweise dahin kommen, daß diejenigen Pfleglinge der Krankenkassen, wel%e an inneren Krankbeiten leiden, unzufrieden werden und daß diese Unzufriedenheit es dahin bringt, daß Sie bei der Krankenkassen-Gesetgebung demnähst darauf hingeführt werden, nun auch das Krankengeld für die nicht Verunglückten, jondern an inneren Krankheiten Leidenden so hob zu stellen, wie Sie bier das Krankengeld für die Verunglückten ftellen. Aus diesen Gründen kann ih Sie nur bitten, den Antrag niht anzunehmen. :

Ich habe übrigens zuglei Namens der verbündeten Regierungen, welhe sich auch mit diesem Antrage bescäftigt haben, zu erklären, daß sie sämmtli den Antrag für unerwünsct balten, daß Sie aber darum, wenn der Reichstag einen übermäßigen Werth darauf leat, daß diese Vorschrift in das Gefez hincingebrat wird, das Geseß niht in Frage stellen werden.

Der Abg. Oechelhäuser wies den Vorwurf zurück, den die Abgg. Richter und Rickert gegen Hrn. von Bennigfen er- hoben hâtten, daß derselbe hier auf dem Parteitage erschienen sei, im Kampfe aber sih hinter die Front zurückziehe. Ned- ner befürwortete dann den Antrag von Malgahn-Gülß. Di Disparität in der Behandlung der Arbeiter, die dur den- selben herbeigeführt werde, könne höhstens die wohlthätige Folge für den Arbeiter haben, daß auch die Krankenka})jen 2/, des Arbeitslohnes als Entschädigung bieten würde! Vor Allem sei bei diesem Geseß darnach zu fragen, was der Ar- beiter als Entshädigung erhalte und was derselbe dazu beîi- zutragen habe. S :

Die Anträge Barth und Genossen wurden abgelehnt, die des Abg. Frhrn. von Maltahn-Gülz mit den Amendements des Abg. Frhrn. von Wendt zu §. 5 angenommen, ebenso unverändert die §8. 6—16. :

S. 17 erhielt eine geringfügige redaktionelle Aenderung.

BU §. 18 (Bildung eines Reservefonds) bemerkte der Abg. Sonnemann gegen den Abg. Buhl, daß nah dem von dem- selben citirten Artikel der „Frankfurter Zeitung“ vom 24. Mai shon vier Tage später ein anderer Artikel erschienen fei, der erklärt habe, daß die bedingte Zustimmung zu einem Referve- fonds erfolgt sei, vor Kenntniß des ganzen Buÿlschen An- trages, und daß in diesem zweiten Artikel die Konstruktion des Reservefonds mit der Fakultät jederzeitiger Zwangsauf- nahme eine bö4sst gefährliche und unsolide sei. Gerade für diesen Theil des Gesetzes, welcher eine staatskommunistische Aera eröffne, sei die nationalliberale Partei in erster Linie verantwortlih zu machen.

Jm 8. 18 wurde der Absay 3 nah dem Antrage von Malzahn folgendermaßen gefaßt: A L ait E

„Na Ablauf der ersten elf Jahre sind die Zinsen des

Reservefonds dem letzteren so lange zuzus@lagen, bis dieser den doppelten Jahresbedarf erreict hat, * : 5 während die Vorlage die Zinsen überhaupt bis zum doppelten

Jahresbedarf zushlagen wollte. i

Die §8, 19—27 wurden ohne Debatte, F. 28 mit einer vom Abg. Frhrn. von Maltahn beantragten geringen Aen- derung angenommen. e L /

Ein Antrag des Abg. Windthorst, die Sizung bis heute Abend 71/2 Uhr zu vertagen, wurde abgelehnt.

Die 8. 29—41 wurden unverändert ohne Debatte an- genommen. i S. 42 lautet nah der Fassung in zweiter Lesung: 4 Die Wabl erfolgt dur die Vorstände derjenigen Octs- und Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen, sowie derjenizen Knaappfschafts- faffen, welde im Bezirke der Sektion bezw. der Genofens&aft ibren Siß baben und welchen mindeftens zehn in den Betrieben der Genofsenscaftz?mitglieder bescäftigte versiberte Personen ange- bôrea, unter Ausschluß der Vertreter der Arbeitgeber. Wählbar sind nur männliche, großjährige, auf Grund dieses Gesenes ver- siberungépflitige Kafsenmitglieder, welbe in Betrieben der Ge- noflenscaft8mitglieder und im Bezirke der Sektion bezw. der Ge- nofenschaft beschäftigt sind, sih im Besiße der bürgerlichen Ebren- rewte befinden und nit durch ri&terlive Anordnung in der Ver- fügung über ihr Vermögen beschränkt sind. Hierzu beantragte Abg. Dr. Hirsh und Genosen :- anstatt der Worte: „derjenigen“ bis „Krankenkafen* zu setzen: „Derjenigen Krankenkassen, bew. derjenizen örtlißen Verwal- tungéftellen von Krankenkassen“. ¿Ferner beantragten die Abgg, Frhr. von Malzahn-Gültz und Gen.: In § 42 die Anfangêworte bis zu dem Worte (Fabrik-) Krankenkassen“ zu erseßen duc die L

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7 7

Arp. -

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„Die Wahl erfolgt durch die Vorstände derjenigen Orts-, Betriebs- (Fabrik-) und Innungs-Krankenkaen, sowie“ u. #. w.

Der Abg. Dr. Hirsch befürwortete kurz seinen Antrag.

Hierauf nahm der Staats-Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren! Für diejenigen, die bei der Unruhe im Hause die Rede des Hrn. Abg. Dr. Hirs nit gehört baben sollten, be- merke i, daß der Hc. Abg. Dr. Hirs wünscht, daz bei der Wahl der Arbeltervertreter auch die fceien Kasseir Letbeiligt werden mögen. Das ift nun etwas, w2s nah der ganzen Konstruftion des Gesetzes und nach der Natur der freien Kassen nit möglich ist. E

Der Antrag, wie er jeßt vorliegt, unterscheidet sich zwar von dem Petitum in der zweiten Lesung dadur, daß jeßt nicht aus- [ließlich die freien Hülfskassen zur Wabl der Arbcitervertreter zu- gezogen, sondera daß auch die öôrtlihen Verwaltungëéstellen betbeiligt werden sollen, und damit ift allerdings scheinbar dem Einwande dbe- gegnet, daß, da die freien Hülfsfkafsen sid Über das ganze Reich ver-

breiten, sie unmögli wirksam Arbeitervertreteer für die einzelnen Vezirke bestellen können, aber aub nur scheinbar, denn die freien Hülféfassen brauen gar nit sörtlide Ver-

waltungéstellen zu haben und fie baben au niht alle örtlice Ver- waltungéstellen, sodaß also eine lokale Vertretung dur die Vorstände der ôrtlihen Verwaltunga2stellen nit beshaft werden kann. Vor allen Dingen aber und das ist das Hauptmoment die freien Hülfskafsen baben gar nit die Bestandfäbigkeit, die die öffentlichen Kassen des Kiuankenkassengeseßes haben müssen; sie können sich alle Tage auflösen, kein Mensh kann das bindern, und aus diesem Grunde passen sie hier nicht berein, und ich bitte die Herren, den Antrag abzulehnen.

Was den Antrag des Hrn. Abg. Frhrn. von Maltahn anlangt, so kann ich mi damit nur einverstanden erflären, daß Sie diesem Antrage zustimmen. Nacbdem wir die Baubetriebe in §. 1 des Ge- seßes eingesblofsen baben, ift es allerdings auc ribtig und noth- wendig, daß die Innungékrankenkafsen bei diesen Wahlen betheiligt werden.

Der Antrag Hirsch wurde abgelehnt, das Amendement von Maltzahn angen ommen.

Die 8, 43 bis 89 wurden mit unwesentlißen Aende- rungen angenommen.

Nach §. 90, welcher von dem Geschäftsgang des Reichs- versiherungzamtes handelt, soll die Beschlußfassung dieser Behörde in Anwesenheit von mindestens 5 Mitgliedern ge- schehen, unter Anderem, wenn es sich um Entscheidung ver- mögensrechtliher Streitigkeiten oder um Entscheidung auf Re- kurse gegen die Schiedsgerichte handelt.

Diejer Bestimmung wurde heute nach dem Antrage von Malgahn hinzugefügt, daß die Beschlußfassung in diesen Fällen unter Zuzichung von ¿zwei richterlihen Beamten zu ge- schehen habe.

Diesem Antrage entsprehend wurde §8. 91b verändert, und ohne Debatte unverändert nach der zweitcn Lesung der ganze Rest des Gesetzes angenommen.

Als Ueberschrift des Geseßes wurde nach dem Antrage von Malzahn anfatt „Geseg über die Unfallversicherung der Arbeiter“ bestimmt: „Unfallversicherungsgeseßz“. E

Mit Zustimmung des Hauses wurde gegen die Geschäfts- ordnung, wonach die in dritter Lesung beschlossenen Abände- rungen erst gedruckt vorliegen sollten, die Abstimmung über das Geseß im Ganzen sofort vorgenommen und dasselbe de- finitiv genehmigt.

Die eingegangenen Petitionen wurden durch Annahme des Gesctes für erledigt erklärt. : i

Der Abg. Dr. Windthorst hatte folgende Resolution be- antragt :

den Bundesrath zu ersuen, in Erwägung zu ztehen, auf welche Weise die dur den geseßlihen Aus\{bluß der privaten Unfallversiwerungs-Gesellshaften in ihrem Erwerbe beeinträchtigten Bediensteten jener Geseliswaften zu entschädigen scien.

Diese Resolution wurde ohne wesentlihe Debatte ange- nommen.

Es folgte die erste Verathung des zweiten Nachtragsetats pro 1884/85, betreffend das Reihs-Versicherungsamt.

Die Vorlage des zweiten Nachtrags: Etats für 1884/85 balanzirt mit 153965 s, welhe in Höhe von 152625 M aus Matrifularbeiträgen, im Uebrigen aus den im Laufe des Jahres bereits eingehenden Wittwen- und Waisengeldveiträgen aufgebracht werden sollen, Diese Gelder sollen dazu dienen, die Ausgaben des Neichs-Versicherungsamtes, und zwar im Ordinarium zu Beamtenbefoldungen 2c. 118 965 M, im Extra - ordinarium zur Beschaffung des Jnventars und einer Bibliothek 35 000 M, zu bestreiten.

Die Debatte wurde vom Staats-Minister von Boet- tiher mit folgenden Worten eingeleitet:

Meine Herren! Sie werden den vorliegenden Etat gegenüber den Aufgaben des Reichs-Versicherungsamts ret bescheiden bemessen fin- den, wir haben aber selbst, da cs uns an jedem Anhalt für die Be- stimmung des Umfangs der Geschäfte des Neichs-Versiberungëamts fehlt, uns darauf beschränken zu müssen geglaubt, diejenigen Kräfte und ibre Dotirung von Ihnen zu begehren, die unter allen Umständen nach Maßgabe des Gesetzes bei der Zusammenseßung des Reichs- Versicberungsamts bescbafff1 werden müßen.

Wir haben, was die Mitglieder dieses Amts anlangt, außer den- jenigen Mitgliedern, die dur den Bundesrath hinein gewählt wer- den, einen Vorsitzenden und zwei ständige Mitglieder auf den Etat gebract, und haben dagegen einen größeren Betrag für Hülfêarbeiter zu fordern uns erlaubt, um bei Ausführung „des Gesetzes nit in Verlegenheit zu kommen, wenn diejenigen Kräfte, die wir auf den Etat gebraht baben, {on während des laufenden Etatsjahres sib als unzureichend erweisen möchten. Es liegt nit in unserer Absicht, diesen hohen Fonds für Hülfsarteiter, den roir auf die drei Viertel- jahre vom 1. Juli bis 1. April nächsten Jahres auf 30 000 4 bee ziert baben, jür die Dauer beizubehalten. Wir werden vielmchr na& Mafgabe der über den Gescäftsumfang gesammelten Erfah- rungen in den künftigen Etats und viellciht swon îin dem des näâch- | sten Jahres die Kräfte, die wir dauernd brautten, ganz bestimmt bee

L g zeihnen können, und danah wird \ih dann entspré&end der Hülfss arbeiterfonds ermcüigen.

I bin darauf aufmerksam germatht worden. daß es interessant sein würde, zu erfahren, wie fi der vorliege Entwurf fiellt, wenn man den ganzen Jahre: bedarf für ein Jak rin aufgenommen bâtte, während er jeßt blos den Bedarf für drei Vierteljahre, bis zu Beginn tes nächsten Jahres, entbält; und id kann da sagen, das die Scblußzziffer, also für da2 ganze Jahr, 158620 4 beträgt, während wir für die auf dieses Etatëjahr fallenden drei Viertelj25re 118 965 M an dauernden Ausgaben aufgeführt baben. J fann, wie gesagt, da wir bescheiden gewesen find und diese Vescheidenbeit au ferner festhalten werden und nicht böber in unseren Anforderungen geten wollen, als es durch die Sacbe geboten ist, ich kann Sie nur bitten, diesem Entwurf Jbre Zustimmung zu ertbeilen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, er finde die geforderte Summe durchaus nicht bescheiden. Es handele fih hier um einen Nachtrags-Etat von 160000 # Da alle die kleinen Unfälle auf die Krankenkafsen abgewälzt seien, fo feien nur

etwa 4000 Unfälle von den Berufêgenofsen\haften zu be- arbeiten. Es fkoste also jeder Unfall 40 Æ blos für Staats- aufstt.

Der Abg. Dr. Windthorst sprah die Hoffnung aus, daß, wenn Beamte entbehrlih werden follten, die Regierung nicht zögern werde, die etatsmäßigen Stellen zu vermindern. Uebrigens dürfe man nit vergessen, daß fi die Thätiakeit der Berufsgenossenshaften später auh noch auf weitere Dinge erstrecken werde, die ebenfalls der Aufsizt der NReihsbetörden unterstellt werden müßten. Die Unfallversiherung sci ja nur ein Anfang, an welche sich Weiteres anknüpfe.

Der Staats-Minister von Boetticher entgegnete:

Meine Herren! ich mögtte nur, um die Besorgniß des Hrn. Abg. Dr. Windthorst bezügli einer zu lururiöfen Ausstattung des Vers

c

siberunaSsamtes in Bezug auf das Personal, zu zerstreuen, bemerken, daß, was erstens die Mitglieder des Versiberungsamts anlangt, wir in der Zahl nicht böber gegriffen haben, als es durch S. 87 des

seßes absolut erforderli ist. Danach müssen nämli 3 ständige Mitglieder drin sein, das ift also der eine Prâsident und zwei Mit-

glieder. Es fkônne urs also bôchstens ein Vorwurf gemacht werden in Bezug auf einem Büreauvorst-her und 4 Büreau- beamte, 3 Kanzleisekretäre und 4 Kanzleidiener. In Bes zug auf diese Beamtenkategorie kann ib erklären, daß es in der Absicht liegt, nibt mehr Beamte anzustellen als wie sib durch

den Dienst erforderlich machen, und fie nit fcüber anzustellen, als bis sie sih erforderli machen. Wir sind niht der Meinung, daß es nüBßlich sei, unbeshäftigte Beamte zu ernähren; wir balten viel- mehr dafür, daß es vielleicht besser ist, wenig Beamte und gut bes shâftigte zu haben.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, jegt sollten also auf der Grundlage der Unfallversicherung die Keime erwachsen für eine weitere Verstaatlihung des Versicherungswesens, Er habe das Haus vor der Annahme des Geseßcs gewarnt, und jeßt würden vielleiht viele der Herren, welhe für das Gesetz gestimmt hätten, erkennen, daß seine Warnung begründet gewesen sei. Es sei ihm nicht bekannt, daß Stellen, die einmal bewilligt worden seien unter den Ausgaben, als ent- behrli) eingezogen seien, Er glaube, daß ganz gut die Stellen im Reichs-Versicherungsamt im Nebenamt von dem Personal des Reichs:Eisenbahnamts wahrgenommen werden könnten. Denn noch Niemand habe ergründet, was die Herren im Reichs-Eifsenbahnamt eigentlich thäten.

Der Nachtragsetat wurde in allen seinen Titeln in erster und zweiter Lesung unverändert genehmigt.

Hierauf vertaate sih das Haus um 53/4, Sonnabend 10 Uhr.

Uhr auf

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