1905 / 52 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Während in anderen Staaten die Uebermacht der Kartelle unter Führung der großen Kapitals8assoziationen immer erfennbarer hervortritt, wird man in Preußen und in Deutschland darauf be- dacht sein müssen, die Stellung der Staatsgewalt zum wirtschaftlichen Leben und gegenüber den großen Kapitaltassoziationen nach allen Richtungen zu stärken, und zwar niht nur dur vorbeugende Maß- regeln der Gesehgebung, sondern auch durch unmittelbares Eingreifen des Staats, durch Verstaatlihung derjenigen Privatmonopole, deren unbehinderte Ents- wickelung zur Ausbeutung des Volkes, zur Entkräftung des Staats und zur Herabdrückung des Königtums führen muß.

Sie wissen au, daß weite Kreise der bürgerlihen Parteien entgegen der ausgesprochenen Stellung der Königlich preußischen Staatsregierung jeßt hon die allgemeine Verstaatlihung des Bergbaues fordern ganz in Uebereinstimmung mit den Gedanken des Artikels, den ih soeben verlesen habe. Jch habe hier ferner folgende Aeußerung, die in einer öffentlichen Versammlung getan ist:

Die Einführung eines Schleppmonopols auf, den Kanälen genüge nicht, es müsse vielmehr der gesamte Schiffahrts- betrieb verstaatliht werden.

Meine Herrcn, cndli findet si hier eine Eingabe, die Gegen- stand der Erörterungen in ter Petitionékommission des hohen Hauses gewesen ist und worin es heißt: ,

Schädlich wirken für das Handwerk auch Warenhäufer, Kon- sumyereine, Basare, und einen großen Kr ebsshaden für daéselbe bedeuten auch die Aktiengesellschaften.

Hier geht man also son so weit, au gegen die Aktiengesellschaften an und für si zu kämpfen! Meine Herren, es ist mir nicht eingefallen, wie das mit einem Sch(lagwort in der Presse stand: „Graf Posa- dowéky, der Verteidiger der MWarcnhäusez“ mich als Vertreter der Warenbäuser hinzustellen! Jch habe abcr erklärt, daß gewiffe große Aufgabin sich nur durch die Affsoziation des Kapitals lösen lassen, und daß allerdings mit dieser Affsoziation unter Umständen auch große Shattenseiten verbunden sind. Menn man aber, wie ges{chchen, gegen die Kapitaltassoziation als solde vorgeht, ohne Berücksichtigung ihrer Zwecke und ihrer inneren Begründung, dann kann man nur den einen oder den anderen Weg gehen: entweder wir kommen in die Individualwirlschaft zurück und fönnen eine große Masse von Auf- gaben, die wir auf wirtsaftlihem und iadustriellem Gebiet durch die Kapitalsassoziation gelöst haten, in Zukunft nit mehr lösen, oder man nähert si bedenklih dem Kollekiivi3mus, der ja nichis weiter ift wie die allgemeine Verstaatlichung dec Privatunternehmungen.

Es liegt mir ein sehr intereanter Auë\schnitt aus der „Times" vor darüber, wie es mit diefer folleftivistisen Wirtschaft da steht, wo man in der Lage wäre, sie durchzuführen. Mr. Watson war bekanntli} kurze Zeit Premierminister der australisGen Commontoealth, des australisGen Gesamtstaats, und als dieser Herr, der Führer der \ozialistishen Arbeiter- partei in Australien iït, ins Amt fam, war man so liebenéwürdig, ibn zu fragen, wie es nun mit der Dur&führung seines Programms stehe, welches er fürzlih ih überseye hier in seinem Namen in dem Labour Journal, in der Arbeiterzeitung, veröffentliht hatte, und welches die Erklärung enthielt, daß der folleftivistishe Staat es heißt hier im Englishen „the cooperative commonwealth“ allein wert des gegenwärtigen Zeitalters der Wissenschaft und der Erfindungen wäre, und daß der Sozialismus die Welt umbilden würde. Was antwortete nun der Herr Minister Watson zu der Zeit, wo er an der Spitze des australischen Staates stand? Er erklärte:

In jedem Fall, wenn es schon zur Nationalisierung der großen Industrien komme, müsse man fehr vorsihtig mit der ganzen Frage umgehen und dieselbe von einein fommcerziellen Standpunkt aus behandeln, wenn man ih auf ein solches Unternehmen einlasse.

(Hört, hört!) Unser Programm wird davon abhängen, so fuhr er fort, ob wir tas nôtige Geld finden, und auf alle Fälle muß die finan- zielle Seite schr sorgfältig geprüft werden. Meine Herren, das hätte irgend ein Vertreter der bürgerlihen Par- teien auch erklären können; denn jedes große Unternehmen hängt da- von ab, ob man das nôtige Geld dazu findet, und muß vom finan- ziellen und kommerziellen Standpunkt geprüft werden. Tut man das aber, so wird die kolleftivishe Ausführung fih schr bald als unmögli herauéstellen.

Meine Herren, sehr interessant ist in dieser Beziehung auch eine Aeußerung, die der Herr Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vor kurzem in bezug auf die Assoziation des Kapitals getan hat. Er erklärte:

Kein freies Volk würde auf die Dauer dulden, daß eine ge- waltige Machtstellung, geschaffen durch eine gewaltige Kapitals- ansammlung, in einer gesellshaftlihen Form vereinigt sei, die nicht irgendwie in der Regierung basiert sei,

Fch gestehe zu, meine Herren, daß es auh einen Größenwahn der Kapitalsassoziation geben kann, der alles an ih ziehen will, der Feine selbständige Existenz, keinen selbständigen Betrieb neben \sich mehr dulden will, der nicht nur national sein will, fondern womöglich inter- national werden will, um die Produktion gewisser Zweige unseres wirt- schaftlichen Lebens über die ganze Welt in einer Hand zu monopoli- sieren, zu kontrollieren und in seiner Hand zu halten. Darin kann ih allerdings den Gegnern der Assoziation des Kapitals recht geben : wenn ih solche Zustände bei uns entwickeln sollten, wie sie ih in Amerika zum Teil entwickelt haben in der Form von Trusts, in Form von gewaltigen Ringen, dann allerdings würde meines Erachtens der Zeit- punkt gegeben sein, wo der Staat verpflihtet wäre, einzuschreiten, eventuell au im Wege der Geseßgebung. (Sehr wahr! rets.)

Aber besonders die Frage ter Kartelle is so \{wierig, ist, so- weit Deutschland in Betracht kommt, eine so verwickelte, daß sie in der Tat der ernstesten Ueberlegung bedarf, bevor man irgend welche Entschlüsse faßt. Sie wissen, wir haben bisher eingehende Er- hebungen hierüber gemaht, und diese Erhebungen werden noch fort- geseßt. Aber wenn aus diesen Erhebungen irgend ein greif- barer Erfolg herautkommen soll, fo darf das niht ein Gesetz werden, nur damit etwas geschieht, sor.dern ein Gesetz, von dem man wirkli mit gutem Gewissen erwarten kann, daß es den \häd- lien Auswüchsen dieser Bestrebungen auch wirksam entgegentreten wird, ohne unsere wirtschaftliche Entwickelung selbs zu hemmen.

Was die Mittelstandsfrage im besonderen betrifft, fo find heute zwei Fragen derselben angeshnitten worden, erstens die Frage der

Sicherung der Bauforderungen und zweitens die Regelung des Befähigungsnachweises im Handwerk. i

Was die Frage der Sicherung der Bauforderungen anlangt, so liegt dem preußishen Staatsministerium bereits ein ausgearbeiteter Geseßentwurf vor, über den si noch heute das preußische Staats- ministerium \{lüssig machen wird. In welcher Richtung dieser Bes {luß ausfällt, kann ih zur Zeit nit absehen. Der Herr Abg. Pauli. Potédam wird aber daraus ersehen, daß scine Klagen nit ver- gessen sind.

Was die Frage des Befähigungsnachweises betrifft, so ergeben die Verhandlungen, die in diefer Frage bisher gepflogen find, ganz un- zweifelhaft, daß ein sehr großer Teil, ich fann wohl sagen, die Mehr- heit der Handwerker gegen die Einführung des allgemeinen Befähigungs- nachweises ist. (Widerspru rets. Sehr richtig! links.) Meine Herren, vielleiht erlauben Sie mir, tas Material, das mir hier vor- liegt, zu verlesen. Ih berichte nah einem Berichte aus der „Kölnischen Zeitung“. Dort beißt es:

Am 13. Februar 1905 hat auf Einladung der Gewerbekammer zu Hamburg in Erfurt eine von 27 Handwerks- und Gewerbe- fammern aus allen Teilen tes Reichs beshickte Konferenz statt- gefunden, die sich mit ter Frage des Befähigungënahweises befaßte. Sie ist einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, daß die Einführung des Befähigungënachweises nicht nur auésihtslos, sondern auch geradezu für das Handwerk \{ädlich ist.

(Hört, hört! links.)

Diese Kundgebung ist um so beatenswerter, als alle füd-

deutshen Kammern \ih ohne weiteres angeschlossen haben. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.)

Infolgedessen sind jeßt die meisten von den 71 deutschen Kammern Gegner des Befähigungsnachweises.

Weiter, meine Herren, sagt der Bericht:

Einige Tage nah der Erfurter Konferenz haben in Hildesheim die vom deutshen Kammertag zur Ausarbeitung eines Geseßz- entwurfs üker die Einführung des Befähigun asnachweises beauf- ‘tragten sieben Kammern getagt, um über zwei von dem Sekretär der Wiesbadener Kammer ausgearbeitete Gesetzentwürfe zu beraten. Von diesen beiden Geseßentwürfen fleht der eine die Abgrenzung ter Gewerbe vor, während der andere nur die Einführung der obli- gatorishen Meisterprüfung verlangt. Diesen lehteren hat der Führer des zünftlerischen Teils der Handwerkerschaft, der Zentrums- abgeordnete Euler, bereits fürzlih im Abgeordnetenhause als den allein avnehmbaren bezeihnet, und die Kommission hat {ih auf denselben Standpunkt gestellt.

Hiernah muß man doch annehmen, wenn dieser Bericht sachlich zutrifft, daß die Mehrheit der Handwerker gegen den Befähigungs- nacweis ist.

Also bitte, meine Herren, betrachten Sie diese Frage als eine akademishe! Ich kann Ihnen versichern, die verbündeten Regierungen, ih glaube, sind ausnahmelos der Ansicht, daß von einer Einführung des allgemeinen Befähigungsnahweises niht die Rede sein kann (Bravo! bei den Sozialdemokraten), und da der Bundesrat ganz die- selben geseßzlihen Rechte hat wie dieses hohe Haus, ist eine Einigung über diese Frage absolut ausgeschloffen. Man follte diese Sache alfo zu den Akten legen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Eine andere Frage, meine Herren, ist die Befähigung im Bau- gewerbe. (Zurufe.) Da find allerdings, das fann man nit leugnen, sehr bedenklihe Mißstände zutage getreten, und wenn wir eine Novelle zur Gewerbeordnung vorlegen, glaube ih, wird sie Be- stimmungen enthalten, die den Uebelständen, die sh beim Baugewerbe gezeigt haben, soweit es mit den wirtshaftlihen Interessen, überhaupt mit unserer gesamten Gesezgebung vereinbar ist, entgegenzutreten ver- suXen. In welcker Form das geschehen wird, darüber kann ih mich zur Zeit nicht äußern.

Schließlich, meine Herren, is] heutz die Frage der Regelung des Automobilverkehrs angeshnitten worden. Es ift bis jeßt eine Regelung noch nicht erfolgt. s ist aber beabsihtigt, cine Bundesratsver- ordnung zu erlassea, die den Fahrradverkehr, den Wagenverkehr und den Automobilverkehr für Deutschland einheitlich regeln foll, und ich hoffe, in nicht zu ferner Zeit werden übereinstimmende Beschlüsse der verbündet:n Regierungen in dieser Beziehung zu erzielen sein.

Eine ganz andere Frage ist die Haftipfliht der Automobilbesißer. Diese Frage liegt auf privatrehtlichem Gebiet und ist jeßt ebenfalls Gegenstand eingehender Erwägung?n innerhalb der Reichscegierung. Es fragt sh: sol die Haftpflicht feitens des einzelnen Automobil- besigers bleiben, wie sie ist, . oder soll fie verschärft werden, oder soll man vielleicht die Frage in der Weise regeln, daß man eine Zwangs- genossenschaft errihtet, der jeder Automobilbesißzer angehören muß und gegen welche etwaige Entschädigungsansprühe seitens der Ge- \chädigten erhoben werden können ? Ueber diese Frage ist noch nicht entshieden; sie wird aber in der nächsten Zeit unter Zuziehung von Interessenten und Sachverständigen beraten werden; in der einen oder anderen Weise wird eine Erledigung dieser Frage erfolgen müssen. (Bravo!)

Abg. Raab (wirth. Vgg.): Die Ausführungen des Staats- sekretärs über Privatwirtshaft und Kollektivismus schienen in ihrem erstcn Teil so geartet, als hätten fie den Widerspruch der Rechten herauéfordern müssen. Im leßten Teil aber hat er sich selbst dahin forrigiert, daß zwishen Individualismus und Kollektiviêèmus noch das Mitbestimmungsrecht des Staates und der Gesellschaft liegt. Wir find damit zufrieden, wenn der Staat gegen Ausschreitungen nah der einen oer anderen Seite einshreitet. Wenn Graf von Posadowsky seinë neulihe Aeußerung über die Affsoziation des Großkapitals als miß- verstanden erklärt, fo übersieht er, daß er jene Aeußerung im Anschluß an die Warenhäuser tat. Wir meinen noch heute, in der be- sonderen Erscheinung der Warenhäufer nicht bloß eine Kapitalsassoziatioh, fondern ein - besonderes Unwesen und eine Sinnlosigkeit des geshäft- lichen Betriebs erblicken zu sollen; gibt doch ein folches Warenhaus nicht weniger als 14 9/6 seines ganzen Kapitals für Inserate aus. Damit lasse ih für heute den Gegenstand auf sch beruhen. Er- freulich ist die Nachricht, daß die Absicht, die Gärtner der Gewerbe- ordnung zu unterstellen, der Verwirklihung nahe ift. Die pee und Fahlstuhlführer müssen ebenfalls geordnete Rechtsver ältnisse erlangen, vielleicht ebenfalls durch Unterstellung unter die Gewerbe- ordnung, Die Binnenschiffer petitionieren beim Neichstag um Sonntagsruhe; ihre Bitte is um fo bedeutsamer, als wir es hier mit Arbeitgebern zu tun haben, die mit ihren Arbeitern in diesem Wunsche durchaus übereinstimmen. Die Handlungsgehilfen find dem Reichstage dankbar für die Kaufmannsgerihte; aber vielfah haben die Verwaltungsorgane die rechtzeitige Durhführung in etner Anzahl

roßer Städte, darunter auch Berlin, niht zustande gebrast, an

at den Verdaht ausgesprochen, daß hinter diesen Vershleppungs- manövern etwas versteckte Abneigung gegen diese Gerichte steht.

Federcfalls sollte der Staatssekretär dafür sorgen, daß in den be- treffenden Kommunen die Institution shleun gst ins Leben tritt.

Unter Umständen kann der jeßt eingetretene Zwischenzustand direkt für den Einzelnen zu einer Nechtsverweigerung führen. Die Schup- bestimmungen im Interesse der Handelsangestellten müssen durch be- sondere Handelsinspektoren überwacht werden; die Polizei ist zu dieser Kontrolle gar nicht imstande. Anderseits ist die Selbsthilfe der Degen nach dieser Richtung nicht ungefährlich. Zahlreiche ehilfen fin weil fie auf Beachtung der Schußvorschriften hingewirkt eine Anzabl kaufmännischer Vereinigungen ‘haben ihren | die Entlassung sämtliher Angestellten, die dem Deutsch-nationalen Handlungsgehilfenverband angehören aus demselben Grunde empfohlen. Ich stelle dem Staatssekretär zwei entsprehende Ver- zeichnisse zur Verfügung- Die Bestrebungen nach erweiterter Sonn- tagsruhe find uns durchaus fompathis®. Die Versicherung der Privatbeamten ist ebenfalls eine hohbedeutsame fozialpolitische An- gelegenheit. Auch wir verurteilen das Sg ete aber die Schuld darf nit allein auf die Angestellten a größere Teil der Schuld liegt bei denen, üben. Bei der Beratung der Sache wird man hoffentlih auch Ver- treter der Angestellten vernehmen. Die Sozialreforim für die Seeleute ist segensreich gewesen; sie hatten es aber auch am meisten nötig, denn sie waren seit 30 Sahren vergessen worden.

aben, und

Die neue Seemannsordnung bewährt sih im großen und ganzen. Die |

Seeberufsgenossenschaft sollte aber doh etwas mehr von ihrer bisg- herigen Selbstzufriedenheit ablassen und nicht in ihren Berichten ih immer wieder aufs hohe Pferd segen, au nit als Verdienst für ih in Anspruch nehmen, wozu sie die neue Seemannsordnung erft hat nötigen müssen. _ Nicht einmal 10 %%/ aller vorhandenen Sqiffe sind in einem einzigen Jahre übergeholt worden ; das scheint nur alle zehn Jahre den einzelnen Schiffen zu passieren. Es bleibt au sonst noch viel zu tun. Die l t i noch lange nicht überall erfolgt ; die „Lutetia“ ging mit 16 Mann unter, sie batte keine Ladelinie, soll allerdings au niht über- laden gewesen sein. Die versengende Hiße in den Kessel- und Heiz räumen der Schiffe muß nach Möglichkeit heruntergedrückt werden. Der große Dampfer „Magdeburg" hat keinerlei Ventilationsvorrihtung ; es herrshen im Kesselraum 45 Grad R. ; ein Mann, der dort zu tun hatte. ist über Bord gesprungen. der Ausrüstung der ) | l „Therese“, weil seine Ankerketiten lose und die Anker zu leiht waren. Das rasende Schnellfahren auf See bringt das Leben unserer See- leute in die größte Gefahr; kürzlih wurde der große Schnelldampfer „Deutschland* überführt, bei dickem Wetter seine Geschwindigkeit nicht ermäßigt und dadur ein englisches Schiff über den Haufen geraunt zu haben. Wird die betreffende Kaiserlihe Verordnung überall genügend beahtet? Zur Erfüllung der vorgeschriebenen Schußmaßzegeln muß unbedingt auch der Schiffsbesißer, nicht bloß die Schiffsleitung ver- antworilich gemacht werden und mit Strafen belegt werden können. Sn den letzten Jahren {eint man si fast nur auf die Verwarnungen deshränkt zu haben, obwohl die Syrüche der Seeämter vollwichtiges Material für das Zugreifen der Seeberufsgenossenshaft mit Straf- verfügungen geboten hätten. Heute klagen {hon die Schiffsoffiziere darüber, daß in der Seemannsordnung ihnen feine übergroßen Löhne zugestanden worden sind; sie beklagen fi ‘darüber, daß ihnen von den Needern auch cin Teil der faufmännishen Arbeiten aufgebürdet wird. Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser ; dort ist aber nur etwas zu erreihen, wenn wir über richtig vorgebildete Seemannschaften verfügen. Nun ist es heute sehr \{chwer, junge Leute dem secemännishen Beruf zuzuführen ; nur Kinder wohlhabender Familien können noch die Anforderungen erfüllen, welhe in Gestalt einer Vergütung von 300 & und darüber, einer guten Bekleidung und Ausrüstung usw. von thnen verlangt werden. Man sollte viellciht wieder auf Schiffsjungenschulen zurügreifen, damit dieses Menschenmaterial niht zum Gegenstande der Ausbeutung durch gë- wissenlose Spekulanten zu werden brauht. Die s{hweren Verluste unserer Fischdampferflotte müssen ja au _die Aufmerksamkeit der Regierung nach dieser Nichtung verschärft haben. Graf von Posadowsky meinte, die Handwerker seien niht allzu {wer dur die Sozialreform belastet. Ja, die notwendigen Lasten wollen wir tragen; aber wie steht es in der Praxis ? Ein kleiner Schmiede- meister wird von seiner Berufsgenossenschaft herangezogen zu einer Umlage, von der ein Viertel zu Entschädigungen, ein Viertel zu Ver- waltungékosten verwendet werden soll. Das heißt doch nußlos Gelder hinauswerfen. | : i

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgz.): Eine Debatte über die 20 Resolutionen gründlih zu führen, ‘ist eine \hwierige Aufgabe. Wir machen es dem Bundesrat zu leicht, diese Resolutionen zum großen Teil im apierkorb vers{chwinden zu lassen. Es wäre rihtiger, die wichtigsten herauszugreifen. Aber der modus pro- cedendi if nun einmal gewählt, und dem muß man Rechnung tragen. Gegen den Befähigungsnachweis hat fich, worden ift, der größte Teil der Handwerker ausgesprochen. Von den Zwangsinnungen, die man ebenfalls für notwendig hielt im Handwerk,

dat nur einleiner Teil der Handwerker Gebrauch gemaht. Ich habe |

mi über die Bestimmtheit gefreut, mit der beute Graf von Posa- dowsky fich gegen den Befäbigungsnachweis ausgesprochen hat. dürfen nun hoffen, daß die | einsehen und ihre Kräfte nicht für aussihtslose P zersplittern. Der Staatssekretär meinte, der Befähigungsnachweis wäre U das Baugewerbe notwendig. Entweder der Befähigungsnachweis ist für alle Gewerbe notwendig, oder für keines. Für das Baugewerbe wäre ein wirksamer Schuß ter Bauhandwerker besser als der Befähigungsnahweis. Hoffentlih bringt die in Aussicht gestellte Novelle zur Gewerbeordnung die Beseitigung der Doppelbesteuerung des Handwerks durch die Handelskammern und Handwerkerkammern. Der Abg. Erzberger brachte Klagen über die Kolportage vor. Man hat Großes von der Gewerbenovelle von 1896 erwartet. Nun hat fh herausgestellt, daß auch diese ein S(lag' ins Wasser war. Eine Vermehrung der Gewerbeinspektoren ift notwendig, um jeden Fabrik- betrieb wenigstens einmal im Jahre zu revidieren. Die Ueberwachung der betreffenden Geseßze müßte in einer Zentralinstanz geschebhen, gegen die sih leider das Zentrum sträubt. Das Bild, das der Abg. Wurm gestern von unseren sozialen Zuständen entwarf, war doch zu dunkel gefärbt. Er warf den Unternehmern Mangel an sozialem Verständnis vor. Es sind doch aber gerade mit Hilfe des Unternehmertums manche Fortschritte gemaht worden. Die YEELSue sind verbessert, die Arbeitszeit verkürzt worden. es urm sagte, die Arbeiter- bevölkerung verelende in hygienisher Beziehung. Auch das ist nicht ganz rihtig. In einer Statistik wird nachgewiesen, daß ein Rückgang der Sterblichkeit von Jahrfünft zu Jahrfünft bei Flecktyphus, Lungens{windsuht usw. stattfindet. Abg. Wurm behauptete, daß die Rekrutenziffer zurückgehe. Ih bedauere, daß man damit den Agrariern Waffen in die Hand liefert. Die Statistik zeigt, daß die nationale Wehrkraft unter der industriellen Entwickelung niht leidet. Die Verhältnisse haben ih eben geändert. Nicht allein die absolute, au die relative Wehrkraft macht Forschritte zu Gunsten der Stadtbevölkerung. Mit der Besserung des Wohlstandes und des Ernährungéstandes baben \sich die Verhältnisse in Deutschland und England gehoben. Die Idee der Sozialpolitik zwingt selbst wider- strebende Kommunalverwaltungen in ihrem Bann. Hoffentlich geschieht das au später ohne Uebereilung und ohne Säumnis. Der Ausbau des Koalitionsrehts is eine der wichtigsten Aufgaben. Der jeßi Nechtszustand ist jedenfalls unhaltbar. Eine Bestimmung, die die persönliche Haftbarkeit der Vereinsvorstände mit ihrem gesamten Ver- mögen ausspricht, ist wirklich nicht aufrecht zu erhalten. Die rechtsfähigen Vereine können zwar verklagt werden, aber nit selber klagen; das qoot doch nicht. Es ist eine Ungerechtigkeit, wenn sih Naiffeisensche enofsenshaften, Molkereigenossenshaften mit Zustimmung und Förde- rung des Landrats bilden können, aber wenn derselbe Landrat Schwie- rigkeiten maht, wenn ih Arbeitergenossenshaften bilden wollen. Die Trade-Unions in England erfahren von den Behörden alle mögliche Förderung und Wohlwollen. Bei uns if es {hon ein Ereignis, wenn einmal ein junger Geheimrat die Versammlung einer Gewerkschaft besucht.

(Sluß in der Zweiten Beilage.)

von ihren Prinzipalen gemafiregelt und S worden, | Mitgliedern

geladen werden, der F die die Bestehung aus- F

Einführung der Tiefladelinie ist MArbeiteraus\{chüfse haven allerdings jeßt eine geringe Wirksamkeit ;

Ebenso hapert cs auch mit g L Schiffe; hei Helgoland \trandete der Schoner

y Megel f Ermittelungen fehr erwünscht, um die geeigneten geseßlihen Schritte Tgesetzgebun

ih, wie nachgewiesen

Wir Führer das Aussichtslose ihrer Agitation

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(Sthluß aus der Ersten Beilage.) p d

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erufen können, daß si

SBebiete ist niht mehr an der Zeit. Der Staatssekretär spra

i einem Größenwahn der Kapitalassoziation. Was er ras nannte, ist vielfach {on Wirklichkeit. Das Wohl und Wehe von Tausenden hängt zulegt von dem Belieben weniger ab. Somit muß der Arbeiterschaft die Möglichkeit gegeben werden, ein Gegengewicht gegen diese ungeheuere Uebermacht in die Wagschale zu werfen. Die

Sarum ift eine Zusammenfassung in Verbänden . notwendig. i N ectsfähigkeit der Berufsvereine allein gerügt aber au ibt Die 88 152 und 153 der Gewerbeordnung müssen geändert und der Ta gteitöbereih der Organisationen muß auch auf die Negelung und Umgestaltung des gesamten Arbeitsvertrags ausgedehnt werden. Die Rege der Arbeitszeit muß von Gewerbe zu Gewerbe erfolgen. TSezüglih der Arbeitslosenversiherung wäre eine Beschleunigung der zu können. Die Vereinheitlihung der gesamten Versiherungs- rüdckt immer näher mit der Frage der Witt Und atfenversiherung. Das ganze Versicherungs8gebäude ist so unüber- ztlih, daß wenigstens eine Zusammenlegung der Kranken- und nbalidenversicherung nötig ist. Wenn wir sozialpolitisch vor- rtsgehen, so werden die anderen Staaten folgen. Es besteht foziales Abkommen zwishen Frankreih und Italien, und in den Ho ndelsverträgen hai Deutschland mit Italien und Oesterrei soztal- litische Vereinbarungen in Aussicht genommen. Weiter ist zu ver- Weisen auf die internationale Konferenz, die im Mai in Bern über tinzelne Fragen stattfinden soll. Das find ja nur Anfänge, aber wir j ürfen uns auch durch Mißerfolge niht abshrecken lassen. Die “Regierung kann den politishen Zweck, den sie verfolgt : das Ver- rauen der Arbeiter zur bürgerlichen Gesellshaft und zur Regierung u gewinnen, nit erreiden, wenn sie nit vorbildlich in ihren genen Betrieben wirkt. Nur wenn man die Bahn der Interessen- E ras karn es zu etner Besserung auf \ozialpolitishem Gebiet Abg. Bruhn (Réeformp.): Der Staatssekretär hat immer d ded), mißverstanden zu werden. Dann mag er sih deutlih:r Ie me era er nicht m ger anen E L hat damals wirkli esagt, unser ganzer Kulturfortshritt auf der Afffoziation des apitals beruht. Es ist nicht rihtig, daß die R ganz der wesentlih auf der Ve:kehrsentwickelung beruhen. Die Bequem- felt ift wobl der Hauptgrund, daß man bei Wertheim usw. kauft, azu kommen andere Kniffe, die Auszeihnung der Preise mit 3 usw. Herr Tieß macht jeßt die „weiße Woche“. Das Publikum [aubt, es bekomme da etwas geschenkt, und wenn es einmal drin Mt und sieht, was da aufgestapelt wird, so bekommt es au Luft zu Faufen. Die Warenhäuser sind nihts weiter als eine Spekulation uf die Dummkheit und die Beguemlichkeit der Massen. Die Ne- Mame, die da gemaht wird, ift geradezu sfkandalös. Vor Wett- eim halten Equipagen; ih habe sogar bei Wertheim Offiziere Uniform Schokolade trinken sehen. Von Intelligenz kann bei Wicsen Geschäften nit die Rede sein, oder gar von einem Kultur- ' prishritt. Diese Warenbäuser richten den foliden Handwerker- und dandelsstand zu Grunde. Graf von Posadowsky sprach von Urter- Muchungen über das Tischlereigewerbe. Auch hier hat er Pech gehabt. Ærc hat den einen Fall verallgemeine:t, er welltz beweifen, daß ein [her Tischlermeister nicht 4000, fondern 12 000 M Einkommen habe. it Recht haben sih die Tischlermeister dagegen gew?zndet, sie haben Ach bereit erklärt, eine schr genaue Untersuchung anzustellen. Sie be- reiten entschieden, paß die aufgestellte Nehnung richtig is. Graf pn As hat si heute au) {on etwas zurückgezogen. Bei r Bere&nunz des Einkommens von 4000 4 waren feinerzeit nicht Inmal die Ausfälle im Eeschäft in Betracht gezogen. (Nedner zitiert nen Fall des Rentiers Goldshmidt, der dur allerlei Praktiken einen ndwerker geshädigt haben soll ) Daß diese Leute zufällig Juden d, ist nicht unsere Shuld. Wir verlangen, daß man vor der aht des Kapitals keine Verbeugung macht, sondern ihm entschieden atgegentritt. Wir wünschen tine Einschränkung des Hausierhandels, ur den den Leuten \{lechte Ware anges{chmiert wird. Der aufierhandel foll auf die selbstverfertizten Artikel beschrärkt werden. der Abg. Erzberger sprach immer wieder von den Arbeitern. Wo eibt aber der Mittelstand und der Handwerkerstand? Das Gast- irt8sgewerbez steht beute {on unter einer sharfen Kontrolle, naments- H die kleinen Betriebe. Kommt ein österreihischer Jude und er- iet einen großen Betrieb, fo erhält er die Konzession bis 4 Uhr orgens, Die Musikmacherei in den großen Kabaretts ift cine Be- chteiligung der mittleren und kleinen Gastwirtsbetrieke. Die Be- uptung von der hohen Sterblichkeit und der Verelendung des Land- beiters, von der der Abg. Wurm gesprochen hat, muß ih als ch zurückwcisen. Auch freisirnige Stadtvertreter möchten gern für i Befäbigungênahweis stimmen; fie wogen es nur nicht, il es mit dem freisinnigen Programm nit übereinstimmt. Jm fähigungsnachtveis im Bauhandwerk würden wir einen sehr ecfreu- hen Anfang sehen; wir werden dann {on tceiter kommen. Je mehr se Frage ventiliert wird, um so einsihtiger werden au die Hand- er fein und dem Befähigungsnahweis niht widersprechen. Graf Posadow:ky bat sih im Laufe der Jahre immer mehr nah fs gewandelt, sowohl in der Frage des Mittelstands als au in Arbeiterfürsorge. Das bedauern wir. Wir hoffen, daß der aatéfekretär sih unseren Wünschen wieder mehr. nähern wird. Wie er auch seine Entscheidung fallen möge, wir werden stets für die echtigten Wünsche des Mittelstands eintreten.

Darauf wird Vertagung beschlossen.

Abg Dr. Müller - Sagan (fr. Volksp.) bittet den Präsiderten rgen einen „Schwerinstag" abzuhalten, um der S des niorenkonvents zu entsprechen.

Präsident Graf von Ballestrem weist darauf ‘hin, daß er in er Linie die Verpflichtung habe, für die Verabschiedung des Reichs- Shalts zu forgen. Im vorigen Jahre habe man zu den aus- enden Etatsteilen in zweiter und dritter Beratung 41 Tage ge- ut. Jett ständen bis zum Schluß des Etatsjahres nur noch Lage, eigentlich, 21 Tage, zur Verfügung, wern man die hwerinétage" abziehe. Er fühle sih verpflichtet, fih vor der tentlihkeit, richt nur vor den Vertrauensmännern des Reichs- 3, zu falvieren, daß er alles getan habe, um die Arbeiten des V8tags zu fördern.

4bg. Gröber (Zentr.) mat darauf aufmerksam, daß man beim

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Megierung hat 1895 und später si über diese Frage dilatorisch iußert, nun haben wir endlich die Zusage erhalten, daß der Geseßz- über die Nechtsfähigkeit der Berufsvereine kommen soll. Wäre cine festgefügte Organisation {en vorhanden gewesen, als der Kohlenstreik autbrach, dann hätten die Arbeitgeber fich nit darauf e mit der Sicbenerkommifsion nit verhandeln Tönnten. Arbeitgeber und Arbeiter müssen mit einander in Verhand- lungen treten können, um zu davernden Vereinbarungen zu gelangen.

Der Kollektivvertrag muß den Einzelvertrag immer mehr erseßen. Einzelne Behörden, namentlich in Süddeutschland, bevorzugen heute

on bei ihren Vergebungen die Unternehmer, die mit ihren Arbeitern

1 feften Lohnvereinbarungen stehen. Absolutismus auf diesem

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

_Berlin, Mittwoch, den 1. März -

straft werden, die ihre Jnitiativanträge nicht in die gebracht hätten.

der

abzuhalten. : Präsident Graf von Ballestrem gikt zu

lich e iv gr aue É _Abg. Dr. Müller -Sagan zieht darauf seinen Antrag zurück und behält 1 vor, am Schluß der Si v j ü einen „Schwerinstag“ a U tden N h Brett A Ie Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch 1 Uhr Mng der Beratung des Etats des Seidtani les

Preußischer Laudtag. Haus der Abgeordneten. 150. Sißung vom 28. Februar 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus seßt die zweite Beratung - haushaltsetats Lur das Rein ade 106E in Etat des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, und zwar im Kapitel „Elementarunterrihtswesen“ bei den Titeln der Ofst-- markenzulagen der Lehrer fort, zu denen der Antrag der Abgg. Ernst, Hobreht, von Staudy und Viereck vorliegt, die Ostmarkenzulage der Volksschullehrer und -lehrerinnen nah fünf Dienstjahren auf 300 6 zu erhöhen. _ Ueber den ersten Teil der Verhandlungen in dieser Sißgung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die Rede, die in Erwiderung auf die Ausführunge Arg: ect L (De der Minisier i Selle in

ngelegenheiten Dr. -

un e geleg r. Studt gehalten, hat folgen-

j Meine Herren! Es ist für einen Vertreter der Königlichen Staats- regierung immer eine undankbare Aufgabe, fortwährend den Herren Abgeordneten der polnishen Fraktion auf deren nnsubstantiierten oder auf hier unbekannten Vorgängen beruhende Klagën entgegen zu treten. Aus den Ausführungen der Herren Abgg. Dr. Mizeréki und Korfanty geht wieder dieses System hervor, welches die Regierung in die peinliche Lage verseßt, erklären zu müssen, daß sie derartigen allge- meinen Behauptungen und Anfeindungen gegenüber gar niht im- stande fei, die einzelnen Vorfälle aufzuklären und Mißverständnisse zu beseitigen. Außerdem klingt aus dem ganzen Tone der Angriffe der Herren polnishen Abgeordneten immer die Parole heraus: die deutshe Kultur und die deulshe Gesittung ist die minderwertige, die polnishe Kultur himmelhoch erhaben über der deutschen. (Zuruf bei den Polen: Habe ih nicht gesagt!) Ich habe nur ge- fagt, daß das hervorgeht, übrigens ist in der Tat das auch wörtlich wiederholt {on fo behauptet worden. Meine Herren, dem- gegenüber würde ih eine Unterlassung begehen, wenn ich nit auh im vorliegenden Falle diese Angriffe wieder auf ihren wahren Wert zurückführen wollte. Der Herr Abg. Korfanty hat heute betont, die Lehrer wären dank der Gutmütigkeit des polnishen Volks in den ehemals polnischéèn Landesteilen geradezu in einer idealen Lage. Meine Herren, das Um- gekehrte ist der Fall (sehr richtig! rechts und im Zentrum), und ih schreibe die abweichende Ansicht des Herrn Abgeordneten nur dem Um- stand zu, daß dieser erst seit zwei Jahren, wenn ih nicht irre, Mitglied dieses hohen Hauses ist und infolgedessen die Debatten nit kennt, in denen überzeugend nahgewiesen wurde, wie tatsählich die Lage der Lehrer in den Ostmarken zum Teil eine außerordentlih peinliche ist. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Als die Wogen der Bewegung aus Anlaß des Wreschener Falles fehr zu Unrecht auf polnisher Seite (Lachen bei den Polen) fehr zu Unrecht auf polnischer Seite (sehr richtig! rechts uxd im Zentrum) so hoh gingen, da fehlte es gegen die Lehrer nicht an Drohungen, an Todesdrohungen, die ih hier auch dem hohen Hause vorgeführt habe; cs fehlte nicht an den unbegründetsten Denunziationen, die zu schweren gerihtlihen Strafen der Denunzianten geführt haben (hört, bört! im Zentrum und rechts); es fehlte endlih nicht an cinem Boykott, der fogar so weit ging, daß einem Lehrer, ter ein Glas Milch im Dorfe haben wollte, geantwortet wurde: Milch haben wir nit, aber Mistjauhe haben wir! (Lebhaftes Hört, hört ! rets, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, das ist der Ton, in dem diese angeblih so himmel- hoh erhabene Bewegung, sich äußert. Nun aber, meine Herren, habe ih noch auf die gestrigen An- deutungen des Herrn Abg. Dr. Mizerski und ebenso auf die heutigen des Herrn Abg. Korfanty in einem besonderen Punkte zurückzukommen. Sie erinnern sch, daß ich wiederholt in diesem hohen Hause den Uebelstand beklagt habe, der für unseze nationalen Interessen und wirklich auch niht in leßter Reihe zu Ungunsten unserer nationalen Ehre darin besteht, daß systematisch ein großer Teil, ein großer Teil unserer deutschen Katholiken in den Ostmarken poloni- siert wird. Diese Polonisierung erstreckt s{ch zunächst in vielen Fällen, namentlich in national gemischten Ehen, darauf, daß tiz2 Kinder polnishe Vornamen bekommen, dann wird aber allmählih auc der deutshe Familienname pvpolonisiert. (Sehr uchtig! rechts und im Zentrum.) Hunderte und Tausende derartiger Fälle haben wir erlebt. Erst jeßt wird, Gott sei Dank, dur unsere Gesehgebung, betreffend die Zivilstandsregister, diesem Treiben ein Riegel vorgeschoben. Meine

V8amt des Innern ja über eine ganze Reihe von Nesfoluti 8 J iber j ionen handele, . die cigentlich Initiativanträge seien.

Abg. Dr. Müller - Sagan erwidert, es würden die Parteien ge-

Resolutionen zum Etat gebraht und so ihr Schäfchen i Ea

Abg. von Staudy (d. kons.) {ließt im Prinzi Wunsche des Abg. Müller-Sagan an, indem N fh A

räsident selbst versprochen habe, daß in ter nächsten Zeit ziemli regelmäßig „Schwerinétage" abgehalten würden ; jedoch würde es fich empfehlen, den nähsten „Schwerinstag*" am leßten Tage dieser Woche

daß er einen solche Wunsch ausgesprochen habe, zunächst sei es aber e en olen notwendigen Arbeiten des Hauses zu fördern, und das sei vor allen Dingen die Fertigstellurg des Reichshaushaltsetats. Ob der „Schwe- rinêtag“ morgen oder am Schluß der Woche stattfinde, komme \chlicß-

1905,

gehen betrieben wurde, der kann es nur als einen der traurigsten Vorgänge und als eines der betrübendsten Blätter in unserer natio- nalen Geshihte und Entwicktelung bezeihnen. Jch will nur einen Fall hier anführen. Jn :. :inem Kreise war ein ursprünglich deutscher Geistlicher. Dieser polonisierte seinen Namen und ftellte sih ganz auf die polnishe Seite, während seine Shweskér, welhe den Hauskalt leitete, den deutshen Namen beibehielt, kaum ein Wort Polnisch tig E g E Das... sind-doch charakteristische Bei- tele dafür, auf welcher Seite das R a6 Recht und das Unrecht besteht.

Was dann das Denunziantentum anbetrifft, meine Herren, fo muß ich mich mit voller Bestimmtheit dagegen verwahren, daß unsere Lehrer systematisch zu Denunzianten herangezogen werden. Wie fteht es aber auf der andern Seite? Lesen Sie polnische Zeitungen, fo finden Sie kaum eine Nummer, in der nicht irgend eine Denunziation von irgendwelcher Seite aus dem Publikum heraus enthalten ist. (Sehr richtig!) Und wenn die polnishen Abgeordneten nachher in i den Landtag gehen, dann wird ihnen in den polnischen Vlättern immer der gute Rat gegeben, sie follen von allen möglichen Seiten Material sammeln, gleichgültig, ob es {on irgend eine Behörde beschäftigt hat oder nicht, um es hier in einer Weise zur Sprache zu bringen, die die Verwaltung diskreditiert, wie ih behaupte, ohne ausreihende Veranlassung. Dieses Denunziantentum ist \o ausgebildet, daß ein verehrtes Publikum dann in den polnishen Zeitungen darauf aufmerksam gemaht wird: die Herren Abgeordneten gehen jeßt nah Berlin, nun {ickt ihnen doch recht viel Material! (Zurufe bei den Polen: Gewiß! Sehr richtig !) Das ift an si vollständig in Ordnung, meine Herren, es kommt E E e n an, in der die Sache betriebzn wird, und

e dies geschieht, davon erleben i i ägli i i S iat , Sie beinahe täglih hier ein

Ich wollte wich dann nur noch gegen den vom Herrn Mizerski sowohl wie namentlih heute von dem Herrn A E gegen die Unterrichtsverwaltung ges{leuderten Vorwurf richten, als ob die Schulkinder in den gemishtsprahigen Gebieten in besonderem Maße Mißhandlungen ausgeseßt wären. Meine Herren, auß in dieser Beziehung ist gerade das Gegenteil der Falle. Jch habe hon ih muß die Zahlen hier noch einmal anführen vor einigen Tagen die Ehre gehabt, dem hohen Hause mitzuteilen daß in den gemistsprachigen Landesteilen einschließlich des Re- gierungébezirks Oppeln im ganzen 14 326 Volfks\{ullehrer angestellt sind ; von diesen sind im Laufe von fünf Jahren 39 wegen Ueber- screitung des Zücktigungsrehts bestraft. (Zuruf bei den Polen: Hat nihts zu fagen!) Ja, meine Herren, ist da der Vorwurf nur einiger- maßen begründet, daß die Lehrer systematisch das Züchtigungsrecht überschreiten und die Kinder mißhandeln?! Wollen Sie mir ge- statten, Ihnen noch einmal aus der Verfügurg, die ih am 12. Juli 1902 an die sämtlichen beteiligten Bezirksregierungen des gemischten Sprachgebiets erlassen habe, mitzuteilen, in welchem Sinne ih als verantwozrtliher Nefsorthef die Saße gehandhabt wissen will:

Die Königliche Regierung wird darauf zu halten haben, daß die Lehrer die Anwendung von Züchtigungen wegen mangelhafter sprahliher Leistungen inébesondere auch den Kindern gegenüber deren Muttersprahe nicht das Deutsche ist, durhaus verineiden, Ebenso ift nicht jedes Widerstreben der Kinder, \ich einer körpers- liGen Züchtigung zu unterwerfen, obne weiteres als Unbotmäßigkeit zu betrachten und zu bestrafen. Es wird vielmehr in jedem Falle zu prüfen fein, ob eine natürlihe Scheu der Kinder vor körperlihen Strafen sih geltend maht oder ob troßiger Widerstand vorliegt. Auch wird sih empfehlen, die Lehrer in geeigneter Weise durch die Schulinspektoren persönlich aufs neue auf die Gefährlichkeit des Züchtigens auf die Hände hinzuweisen.

Meine Herren, das ift die Weisung, die ih den Lehrern habe geben lassen, und die, wie ih glaube, Ihren au zahlenmäßig nahgewiesen zu haben, auch ihre guten Früchte getragen hat. Demgegenüber lege ih nochmals gegen den Vorwurf, als ob die Kinder in den gemisht- \sprahigen Landesteilen als ein besonderes Versuchsobjekt für die Züchtigung seitens der Lehrer dienten, hiermit ents{hiedenen Wider- spruch ein. Meine Herren, ih {ließe mit der Bitte, die ih {hon wiederholt ausgesprochen habe, daß, wenn die Herren polnishen Abgeordneten irgendwelhe Beschwerden vorzubringen baben, fie diese niht immer von vornheroin dem Lande verkünden mögen, fondern daß sie fich zunächst an die instanzmäßige Berufungsbehörde wenden. Die Ver- antwortlihkeit der einzelnen Behörden wird jedenfalls dadurh ge- stärkt, wenn ihnen derartige Beshwerden auf instanzmäßigem Wege zugehen; aber hier das hohe Haus zu einem Arecpag für diese ganz allgemeinen Angriffe zu machen, das scheint mir nit der rihtige Weg zu sein. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.) Abg. von Heyking (kons.): efi i hältnisse dieselben wie S Bals zuf E aler i will nie den Antrag stellen, die Ostmarkenzulagen auf Oberschlesien aus- zudehnen, weil er aussihtslos wäre. Die Grundsäße, nah denen die Remunerationen in Oberschlesien gewährt werden, werden aber wohl E C S n ais e, müßten allen Lehrern füulden ommen afen i 2 ionaler Beziehung nichts haben zu _ Geheimer NRegierungsra oßsch: Die Nemunerationen unter- scheiden sich von der Of L 2 ) i detdienstoo ll Leistungen gegeben sie werden nur für besonders g. D. Hackenberg (nl.): 0 ie Aufmerksamkei die Farberung des etn Tir E n Ea eras e L sind für die höheren Mätchenschulen nur 390 000 M4 auégeworfen also 14 Millionen weniger als für die höhere Knabenbildung. Setzen wir hypothetisch den Fall, daß ein ernster Forsher in der Zukunft diesen Etat durchblättert, so würde er über die Behandlung der höheren MädBenshulen in demselben erstaunt sein. Er würde erwarten, daß. die Regierung zur Hebung dieses Mangels einmal 30 Millionen eingesezt haben würde, aber bisher ist das nicht ge- \hehen. Hingegen würde er aus der Presse unferer Zeit erfahren daß die Unterrichtésverwaltung gestattet, daß Gedichte in den Lese-

Herren, wer es als Landrat, wie ih, in der Provinz Posen gesehen hat, in welcher Weise auf volnisher Seite systematisch dieses Vor-

büchern der Mädchenschulen verstümmelt und verballhornisiert werden.

| In einem Lesebuch ift die Rede von einer Frau, die ihr Kind liebt,