1905 / 53 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

nit länger ihren Arbeitern solhe menshenunwürdigen Arbeitsräume, solhe Gisthöhlen zumuten. Der Ort Leverkusen, wo in der Bayer- hen Fabrik ein Streik ausbrach, wird von den Arbeitern „Jammer- kusen* genannt, so jämmerlih sind dort die Zustände. Aber die Unter- nehmer denken nit an Abhilfe; fie ziehen es vor, Minifter- oder gar Prinzenb: suche zu empfangen und vor diesen mit ibren Woblfahrts- einrihtungen_ zu paradieren, die für die Arbeiter Wohlfahrtsqualen bedeuten. Schaffen Sie Abhilfe, ehe es zu spät ist! Abg. Blell (fr. Volksp.): Ich beschränke mi darauf, die von mir in Gemeinschaft mit dem Kollegen Storz gestellte Resolution zu begründen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, der Reichs- gewerbeordnung einen § 44 b folgenden Inhalts einzufügen : „die Be- stimmungen der §§ 44 und 44a finden au auf Agenten im Sinne des HandelEgesegbuches A In diesen beiden Paragraphen wird das Rechtsverbältnis der aufmännishen Reisenden geregelt ; es ist da für diejznigen, welhe Warenbestellungen aufsuchen oder Waren ankaufen, die Ausstellung einer Legitimations- farte vorgeschrieben. Nachdem die Polizeibehörden vielfach, und zwar auf Grund ergangener riterliher Entscheidungen, dazu über- gegangen find, von dem Agenten die Lösung eines Hausiergewerbe- seines zu verlangen, bat si daraus eine Benachteiligung der Agenten ergeben, der schleunigit ein Ende gemacht werden muß. Die Unierstellung der Handelsagenten unter die Vorschriften der Gewerbe- ordnung, betreffend den Gewerbebetrieb im Umberziehen, hat für sie eine große Menge von Sherereien und Beeinträhtigunaen der Be- wegungésreiheit im Deutschen Reiche sowie ‘finanzielle Nachteile im Gefolge. Die Lgitimationskarte gilt für das Kalenderjahr und für den ganzen Umfang des Reichs; der Hausiergewerbeshein muß in jedem einzelnen Staal Lesonders nahgesucht werden. Es ist ein unwürdiger Zustand, wenn die Agenten si cine sol&e Behandlung von seiten der Polizeiorgzane gefallen laffen müssen. Besonders groß sind die Unzuträglichkeiten, die den Handelsagenten in ihrem Ge- shäftsbetricb in Berlin und seinen Vororten erwachsen. Es ift fraglich, ob die Entscheidung des Oberverwaltung8gerihts mit der Gewerbe- ordnung im Einklang stebt. Die Berechtigung der Forderung der Handelsagenten ift dur den preußishen Handelsminister wie durch den Staatssekretär des Innern schon früher anerkannt worden. Abg. Stor (d. Volksp.) : Erfreulicerweise sind die meisten Parteien im Haufe für un}eren Antrag eingetreten, und da auch die

Regierung das Bedürfnis ter Remedur anerfarnt hat, ist die Hoffnung berehtigt, daß die Gewerbeordnung entsprehend geändert wird. Der Abg. Wurm kat nahaewiesen, daß die mangelnde Nentilation die Ursache vieler Erkrankungen ter Fabrikarbeiter ist. Der Reichstag hat aber seine Legitimation, hier auf Wandel zu dringen, noch niht erbracht, denn er selbst erfreut sch in vielen Räumen noch gar keiner Ventilation, in manchen Zimmern und Sälen befindet sih mangels der Nentilation dié Luft in einem Zustande, der die Ar- beitsfreudigkeit der Reichsboten nicht erböben kann. Die Sozialdemo- fratie mat bier Angriffe auf das Zentrum und verbilft doch in Bayern derselben Partei zu einer Machtstellung, aus der sie auf ab- sebbare Zeit nicht vertrieben werden fann; das ist ein unlösbarer Widerspru. Herrn Erzberger kann ih in manten seiner Ausführungen zustimmen, aber was den Hausierhandel betrifft, muß ih meiner ab- weihenden Meinung Ausdruck geben. Er bat die Kontrolle des Kolportages- handels bemängelt und beanstandet, daß unsittlihe Schriften vertrieben werden. Sèine näheren Angaben erbrahten niht den Beweis für die Behauptung, daß die verbündeten Regierungen irgend ein Vorwurf trifft. Es ift ja eine vovulärez Sache, gegen den Hausierhandel zu sprechen. Wir baben aber kein Recht, einen arbeitsamen Stand, der in manchen Gegenden Nütßliches leistet, auszurotten. Es würde auch niht geliagen, den úberschüssig werdenden Hausierern Beschäftigung zu geben. Der Abg. Bruhn hat geftern die Warenhäuser {arf an- egriffen. Ich habe ja auch feine besondere Sympathie für die Warenbäu!er. Aber sie bestehen doch nun einmal, und man hat fie ja {arf zur Steuer herangezogen. Der Ton, in dem Herr Bruhn den Staatssekretär wegen der Ablehnung des Befähigungsnachweises angriff, hat im ganzen Hause peinliches Aufsehen gemacht. Ich glaube,

ein solcher Angriff war nit derge s liegt ein Antrag Müller- ¿tanz

Meiningen vor, den Herrn Reich ler zu ersudben, eine ein- gehende Untersuhung zu veranftalten über das Bestehen und den Umfang der Mißstände, wel&e durch die Bestehung von Angestellten dur Lieferanten zu Ungusten der Arbeitgeber im Gewerbeleben her- beigeführt werden, und bei der Vornahme ieser Enguete in erfter Linie die Angestellten und ibre Vertretung gutahtlich zu vernehmen. genannte Shmiergelderunwesen bedarf in der Tat der Unter- g. Allerdings ift es nit ganz leiht, der Sache bcizukommen. e ja sehr wünschen8wert, daß die Fabrikanten ih zusammen- m auf die Schmiergelder zu verzihten. Es ist niht zu Regelung der Sache, daß diejenigen, die die Gelder er, die Schlimmeren, die Angestellten als Verführte

limmen find.

_ Abg. Lattmann (wirisch. Vgg.): Aus der Fülle des Materials will id nur vier Punkte herausbeben. Zunähst danke ih dem aatésekretär für die in Aussicht gestellte Novelle, betreffend

Befäh m 5 D Ar für E Baugewerbe. Die Schäden

z handels sind ja fehr groß, aber ih fann i

Verurteilung nicht anschließen, die der Abg. Erzberge a Baush und Bogen hat angedeihen laffen. s gibt auch

soliden wirtshaftlih berehtigten Hausierbandel. Die er Handelékammer beshwert sich mit Reht über den un- igten Hausierbandel der galizishen Hausierer, die dem seßhaften

[l eine große Konkurrenz machen. Aufgabe der Gesctg?-bung wird es sein, die Grenze ¡wischen berechtigtem und unberechtigtem Hausier- handel zu suhen. Man hat den Hausierbandel von der Bedürfnis- frage abhängig machen wollen; vielleiht erwägt man auch das. Dem

und 10

ein ähnliher Schuß geworden ist. Auf Grund einer Privatenquete kann man das Vorhandensein großer Mißstände bei den Hotels angestellten behaupten. 14-, 16-, 20 flündige Arbeitszeit kommt vor; das Gros, über 40/0, hat 17—18-, das Gr朌 der weiblihen Ans gestellten 16—17 stündige Arbeitzeit. Dabei haben die meisten diefer Leute nit einmal eregelte Arbeitépausen. Hinzu kommt, daß die Petetene sebr oft in ibrem S{laf gestört werden. Also über- ange Arbeitszeit und Lohnverhältnisse fläglihster Art, wobei von den Trinkgeldern Abgaben für die eigene Tasche der Hotelbesizer erhoben werden! Von 540 Hoteldienern mußten 231 Abgaben, und zwar bis ¡u einem Marimalsaße von monatlith 195 Æ leisten; einer mußte 30 9/6 des Trinkgeldes abgeben. Die Unterkunft der Leute ist ganz überwiegend eine abscheuliche: in feuhten Kellern ohne Licht, aber mit Ungeziefer, in Kabusen neben Klosett und Shweinestall, in dunklen Räumen unter der Treppe, 2 Mann in einem Beit usw. usw. Findet polizeiliche Kontrolle statt, so haben die Wirte meistens davon vorher eine Ahnung und improvisieren dann andere Sthlafgelegenheiten. Auch hier muß die Gewerbeinspektion eingreifen, solange nichts anderes vorgeschrieben ist. Hier sind alle Vorbedingungen gegeben, um im Wege der Bundetratsverordnung einzugreifen. Es muß ja für diese Leute ein ständiger Stahel sein, wenn sie sehen, welcher Bevorzugung si die Kellner erfreuen; dieser Stachel muß; ihnen entrifsen werden. Leuten, denen es so {let gebt, muß die Gesetzgebung zu Hilfe kommen. Um den Wirrwarr dieser Debatte niht ¿u vergrößern, füge ih nur noch hinzu, daß ih die Resolution desZentrum® wegen des Zebnstundentags mit Freuden begrüße. Wenn jemand sich 12 Stunden des Tags, die Pausen ausges{lofsen, in der Fabrik befindet, so kann er wabrlih verlangen, daß ibm nichts weiter auferlegt wird. In diesem Sinne halte ich den Antrag des Zentrums für eine Minünalforderung. In Bayern wird die Sozialdemokratie dafür sorgen, daß das Programm des Zehnstundentages, welhes dort au die Liberalen unterschrieben haben, durchgeführt wird: man muß jedenfalls solche erfreulichen Tat- sachen wie dieses Programm etwas an die große Glocke hängen. Wenn Graf von Posadowéfy vorher zum Lokomotivführer der deutschen Sozialpolitik erklärt worden ist, so möchte ih ihn bitten, den sozial- volitishen Bummelzug der leßten drei Jahre endlich in einen Schnellzug zu verwandeln. :

Abg. Krösell (Reformp.): Das Handwerk gibt den Befähigung®- nahweis nicht auf. Graf von Posfadoweky hat allerdings aus- gesprochen, daß für das Handwerk nah dieser Richtung nihis zu boffen ist. Um so nötiger ist es, die Agitation für die Forderung des Handwerks nicht erlabmen zu laffen; denn das Handreerk ist mit das Konservativste, was wir in Deutschland haben. Das Handwerk hat früber ein unbegrenztes Vertrauen zur Regierung gehabt, aber nichts erreiht. Was auf dem Wege der Selbsthilfe zu erreichen ist, haben wir ja an den Erfolgen des Bundes der Lande wirte gesehen. Aehnlich wird das Handwerk jeßt zur Selbst- bilfe greifen. Die Ansichten über den Befähigunasnahweis, die Zwangsinnung und andere Fragen sind ja in den Handwerker- kreisen geteilt. Die Abneigung gegen die I nun En lag vielleicht darin, daß das Wort abshreckte; bätte man sie „ge- \{lofsene Innung“ genannt, die Abneigung wäre nie eingetreten. Wir steben natürlih auf dem Boden der Zwangsinnung. Das Hand- werk wünscht au die Einführung der Alters- und Invalidenversiche- rung: man muß nur die Frage danach in der richtigen Weise an die Handwerker richten. Das Handwerk muß zur Durchführung dieser Politik zunächst in vers{iedene Gruppen gegliedert werden. Die Be- griffe Handwerk ‘und Fabrik gescßli zu definieren, soll uns sehr {wer sein; i möchte zu erwägen geben, ob die Unterscheidung nit darin ges funden werden kann, daß Handwerk der Betrieb ist, der vom Meister mit Gesellen und Lehrlingen geführt wird, wokei es auf die Frage, ob mascinelle Einrichtungen verwendet werden, gar nit anfommt. Die Altersgrenze für die Alteréversiherung der Arbeiter sollte terab- geseßt werden, vielleicht auf 60 Jahre; namentlich die Zustände im industriellen West-n nötigen dazu, diese Frage in ernstliche Erwägung zu nehmen. Vielleicht ift der große Unterschied in den Verhältniffen der Arbeiter des Mestzns und des Ostens die Ursache, weswegen man dieser dringlichen Frage ncch immer niht näber getretzn ift. Um diesem Unterschied Rehnung zu tragen, würde es sich emvfeblen, die Alterêgrenze auf 65 Jahre festzuseßen. tis

Abg. Gamp (Rv.): Es wird dem Abg. Krösell wie den übrigen Mitgliedern des Hauses bekannt sein, daß die Erfüllung dieses Wunsches immer ncch an der dira necessitas scheitert. Es {eint mir im Augenblick niht zweckmäßig zu sein, an diese Herabseßung der Alterêgrenze zu denken. (Zuruf des Abg. Krösell: Wann denn?) Wenn die Mittel da sind. Die Genofssen- schaften föônnen hon jegt die Kosten niht aufbringen. Hinsicht- lich der Ermäßigung der Kosten der Klebemarken möchte ih

ih bei der Lösung dieser shwierigen

Persönlich erwidert der Abg. von Gerla dem . Gam er sei heute niht so tôriht gewesen, jemand dan S nahe daß e Meinung zum Besseren geändert habe. . Erzberger (Zentr.) stellt feft, uli iht übe bie Queis Is fn Hauserdinbler als folher. E : T i f i fabrungen chne tg ee oa auf Grund seiner persönlichen @ __ Abg. Gamp: Die Antisemiten werden gewiß nicht der Meinun sein, daß Herr von Gerlach feine Meining e Gren Q ändert hat. : Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sißung: Donnerstag 1 Uhr (Petitionen, Rehnungsvorlagen und Fortseßung der Sh des Etats des Neichsamits des Jnnern.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

151. Sißung vom 1. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegravhishem Bureau.)

: Ueber den Beginn der Sigung is in der estrigey Nummer d. Bl. berichtet worden. S iei

Das Haus seßt die zweite Beratung des Staats haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1905 in Etat des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts und Medizinalangelegenheiten, und zwar im Kapit! „Kultus und Unterricht gemeinsam“, fort.

_ Zu den Ausgaben von 225000 # „zu Unter stüßungen für Geistlihe aller Bekenntnisse“ liegt de Antrag des Abg. Gamp (freikons.) vor, die Regierung z ersuchen, im nächsten Etatsjahre eine erhebliche Erhöhung diese Fonds herbeizuführen.

Eine Petition des Rheinischen Pfarrervereins um Ge haltserhohung für die evangelischen Geistlicher Befreiung derselben von den Beiträgen zu den Nuhegehaltz und Hinterbliebenenka}jen sowie Verbesserung ihrer Pensio verhältnisse und ihrer Hinterbliebenenversorgung soll nach de Antrag der Budgetkommission der Regierung als Materid überwiesen werden; eine Petition des Pfarcers a. D. Cald: meyer in Heidelberg um Erhöhung des Ruhegehalts der v: dem 6. Márz 1892 1in den Ruhestand versezten Geistlich: will die Kommission der Regierung gleichfalls als Materig überweisen.

Abg. Ga my: Meine politischen Freunde bringen den Wünsd nah befserer Regelung der Pfarrergehälter die wärmste Sympatti entgegen. Lider bat die Regierung energischen Widerspruch erbobez Deshalb beschränke ih mich jeßt auf die Bitte, daß der Unt: stüßungsfonds für die Geistlichen im nächsten Etat erhebli erhöht wird. Die Wünshe der Pfarrer nach Gehaltsregelun werden aber nicht verstummen. In verschiedenen Fällen die Unterstüßung eincs Pfarrers von der Regierung abgelehnt werde müssen, weil die Mittel erschöpft waren; ein Pfarrer in Pommen hat infolgedefsen wegen besonderer Verkbältnifse dauernd m Sorgen zu kämpfen. Ein Teil des Fonds muß ferner den Konsistori zur selbständigen Verwendung überwiesen werden; denn es handelt fi oft um plöglih eintretende Bedürfnisse. Nath dem Pfarrerbesoldung gesez soll unter bestimmten Verhältnissen ein Zuschuß zum Gehal gegeben werden ; diese Bestimmung des Gesetzes ist bis beute überhau noch nit ausgeführt worden. 2 ein Antrag muß der Budgetkon mission überwiesen werden. Ich bitte die Kommission, ihn mit Woll wollen aufzunehmen. ; n

a Graf von Wartensleben (fkonf.): Wir erkennen an, dd in diefer Hinsicht ein Notstand besteht, wenn au im vorigen Fab die 850 000 M Reliktenbeiträge auf den Etat übernommen word siad. Für Krankheitsfälle und für die Erziehung der Kinder ird besondere das Studium eines Sohnes, reichen die Pfarrergebälter nid aus. Der Redner regt ferner an, die Beiträge zu den Ruhegehaltskafi auf die Staatskasse zu übernehmen. j

Ministerialdirektor vonCb appuis: Es kann zugegeben werdt

den Staatssekretär bitten,

Frage der Mitwirkung des Herrn Abg. Krösell zu versichern

selbst wenn es erhebliche finanzielle Opfer erfordern sollte. In | bezug auf unsere Stellung zum Handwerk brauhe ih nichts zu | sagen. Ih stimme dem Vorredner vollkommen darin bei, daß die Ausdehnung der Alters- und Invalidenversiherung auf das

Handwerk ein dringendes Bedürfnis ist. Zu den sozial- | politishen Anträgen der Herren vom Zentrum und der Sozial- demokratie braute i mich niht äußern; ich fann mi | bier auf die Ausführungen meiner Parteigenossen beziehen. | Mit dem Antraze Spahn auf Vorlegung einer Denkschrift über die Karielle und Syndikate sind wir einverstanden. Die daran geknüpften Erwartungen werden aber nit erfüllt werden, da kaum besondere Mißstände aufgedeckt werden dürften. Die Refolution der Herren Müller-Meiningen und Müller-Sagan halten wir für zweckentsprehend. Auch der Antrag Eickhoff scheint mir richtig zu sein; ebenso wie der | Antraa Hitze auf Einführung einer neunstündigen Arbeitszeit für

Antrage Gickhof bezüglich der Berechtigungen der Oberreals{ule zum Besuch des medizinischen Studiums stimme ih zu. Ein Gesetz bés reffend die Reichs- und Staatsangehörigfkeit zum befseren Schuß der m Auëlande, ift leider no& immer nit erlassen, obwohl | 0 Jabren darauf dringt, und Graf vo1 Posadowsky eine Frag: des Abg. Hasse eine Zusage erteilt hatte. [lerdings der Staatssekretär von Schwierigkeiten, troß- einen Entwurf für 1904 in Aussicht. Es scheint nun, | ierigfeiten behoben worden sind, sie seinen nur noch L n r inisterium und dzr Marineverwaltung wegen der Wehr- flicht zi ehen. ustände sind unhaltbar. Ein jung Mann, der nah Deutschland zurückfebrte, Vit tür vie Bitte aufnahme eine Stemvelgebühr von 59 Æ bezablen; er weigerte sh fie zu zablen, weil er nit fo viel Geld besaß. Der Betrag wurde dann auf 25 # ermäßigt. A E

Abg. von Gerlach (fr. Vgg.): Ih möchte den Staatssekretär

Dos

ragen, wie es mit der Ausdehnung der Krankenversicherung auf die ländlichen Arbeiter und Dienstboten steht. Vor fast zwei Jahren wurde uns von der Einleitung einer Umfrage Mitteilung gemaht. Das betreffende Material muß nun doch inzwischen zu haben sein. Die bis- berige Regelung der Zulafsung dieser Ausdehnung durch Landesgesetz oder Orts- und Kreiéstatut reiht niht aus. Es ist au nichts ge- seben, um von dieser Befugnis Gebrauch zu mahen. Im Kreise Glogau hat 1888 der damalige Landrat cinen Anlauf genommen, um die Ver- sicherung durchzuführen, die Sache ist aber nimmer zur Ausführung gekommen, und auf Betreiben des jetigen Landrais sind die damaligen Beschlüfse einfah aufgehoben worden. Mein Heimatkreis bat die Krankenversiherung für Landarbeiter eingeführt, und die Einrichtung hat sich gut bewälst, auch die Arbeitgeber waren damit einverstanden. Wenn es im Kreise Woblau gelang, die Landarbeiter zu versichern warum hat man denn diese Wobltat den Dienstboten vorenthalten ? Die städtishen Maziftrate lebnen die Einbeziehung der Dienstboten in die Krankenkassen ab, eil angeblih die gefeßlide Regelung dieser Frage bevoritebe. Davon baben die Dienstbeten nichts. Wird an die Geschgebung appelliert, dann heißt es, das Material fei noch nit genügend gesihtet. Wann wird uns eine Vorlage oder das angekündigte Material zugehen? Die Verordnung zum Schuße der Gastwirtschaftsgebilfen hat die übrigen Angestellten der Gaiît-

alle Arbeiterinnen, die ein Hautwesen zu besorzen haben. Die Auédehnung der Krankenversiherung auf ländlihe Arbeiter und | Dienstboten ist an ih erftreben8wert , aber der landes8geselicen Regelung vorzubebalten. Selbst so ausgezeichnete Kenner ländlicher Verbältnisse wie die Abag. Gotbein und von Gerlach werden wissen wie verschieden die Verbältniffe auf dem Lande liegen, je nahdem ländliche oder induftriz-lle Arbeiter vorwiegen. Herr von Gerlach hat darauf hingewiesen, daß im Kreis Slogau die Anschauungen über die Krarken- versicherung der ländlihen Arbeiter gewechselt baben. Das kommt au bei Abgeordneten vor, daß fie ihre Meinungen fehr {nell | ändern. Sie, Herr von Gerlah, baben am wre: iasten -Grurd, \#ch | darüber aufzuhalten. Auf dem Bummelzug befinden wir uns in \oztalvolitisher Beziehung nicht. Deutshland marschiert auf diesem Wege durchaus voran. Es gibt kein Land der Welt, das auch nur annähernd so weit vorangegangen ist wie Deuts(land. Wie kann | man uns da NRükständigkeit vorwerfen? Ich kann den Staats- sekretär nur dringend bitten, nah dem Grundsag zu handeln: Erst wägen, dann wagen. ; :

Abg. von Strombeck (Zertr.): Zu meinem lebhaften Bedauern hat mein engerer Frafktionsgenosse Erzberger s{arfe Angriffe gegen den Hausiererstand geritet. Es gibt Gegeaden in Deutschland, wo die Hausierer s{lechtbin unentbebrlih find; Herr Erzberger scheint das übersehen zu baben. Man foll niht generalisieren, besonders wenn man die Verbältnifse nit im einzelnen übersiebt. In jedem Stande gibt es Elemente, deren Treiben man nit ganz billigen fann. Soll man deswegen etwa gegen den ganzen Beamtenstand Kaufmannsstand oder auch Hausiererstand angeben ? Man fann nit behaupten, daß der Haufiererstand in ganz Deutschland über- flüssig ist. Im Erigebirge 3. B. ift der Hausiererstand, wie mir von einer amtlichen Autorität versichert worden ist, unentbehrlih So ist es au in anderen Landeëteilen. Es berrscht ja heute das Bestreben, jede Konkurrenz zu beseitigen, das ist aber für manche Kreise, namentli die ärmeren, ein Unglück. Ich tenke da z. B. an das arme Eihéfeld. Tausende von Bewohnern find genötigt ge- wesen, si dem Hausiergewerbe zuzuwenden. Auch ich wünsche den Mittelstand zu kräftigen und zu heben, aber ich würde mir Vorwürfe machen, wenn ih ihm tadurh helfen würde, daß ih andere, ärmere Leute unglücklih matte. :

- at « R, E er e- - S Z2cn e . e wirte benaGteiligt: sie fühlen sich vernachlässigt, weil ihnen nicht

Darauf wird Vertagung beschlossen.

| dürfnissen abzuhelfen.

| wie weit dem

daß der Fonds für anges nicht ausreiht, um allen Bi t i ) er es ift zu beahten, daß dieses Bedürf in erster Reibe ein firchlihes ist. Wir werden aber gern prüfs Bedürfnis in weiterem Umfange Rechnung g 23 werden kann. fa RANE: ONA

9 : j ß S ais Abd, Dk, von Campe {nl.): Au wir glauben, daß der Stz si auf die Dauer nit der Verpflichtung entziehen kann, nohmd zu prüfen, ob die Gehälter der Geistliden ausreichen, oder ob- nid wenigstens das Mindestgehalt erhöht werden kann. Auch die A1 regung des Grafen Wartensleben, ob nicht die Beiträge zu d Ruhegehaltskafsen auf die Staatéfasse übernommen werden Töônrz bedarf der Pcúfung. Wenn der Staat die Reliktenbeiträge übe nommen hat, so war das fein Geschênk, sondern geschah in Aw erkennung der Verpflichtungen des Staates. Nachdem diese Fra prinzipiell entschieden ist, muß der Staat auch die Beiträge zu d! Nuhegehaltskaffen übernehmen. Dieser Standpunkt müßte auc d: Finanzminister gegenüber energisch vertreten werden. Es ist Unifum, daß die Geistlichen selbst Beiträge ¿zu den Ruhegehaltskaf zahlen müfsen. 7

_ Ministerialdirektor von Chappuis: Die Uebernahme der R liktenbeiträge ift nit in Anerkennung einer rechtlihen Berpvflichtu erfolgt, sondern als ein Aft der Liberalität. /

Abg. von Strombeck (Zentr.) tritt gleihf für eine

: on S nbedck (Zentr. gleihfalls für eine E böhung der Pfarrergebälter ein. Y

Abg. Heckenroth (kons.): Unter den Reli istii

Abg. He is.): Unter den Relikten der Geistiik berrsckt große Not, und der Minifter hat mit der Aufhebung è Reliïtenbeiträge ein gutes Werk getan. Wir hoffen, daß au einm die Stunte kommt, wo der Staat die Pensionsbeiträge übernimuni.

_ Der Antrag Gamp wird der Budgetkommission übe wiesen. Die Petitionen werden der Regierung als Mater! überwiesen. D E

Zu Unterstüßungen für Witwen und Waisen von v! dem 1. April 1895 verstorbenen Geistlichen sind 50000 - neu in den Etat eingestellt.

2 Budgetkommission, Berichterstatter Abg. Windckle: befürwortet die Bewilligung der Forderung.

Das Haus bewilligt die Forderung und überweist d Petitionen der Pfarrerwitwe Hartmann u. v. Gen. in Marbu! unt Erhöhung der Witwengelder der vor 1896 verwitweid Pfarrerfrauen und der Pfarrerwitwe Dehmel u. v. Gen. Hirschberg i. Schles. u. a. O. um Erhöhung des Witwengel? der älteren Witwen der Bethausgeistlihen der Regierung j Berücksichtigung. i

Der Rest des Kapitels wird ohne Debatte bewilligt.

(S{luß in der Dritten Beilage.)

M 53.

Dritte Veilage

Berlin, Donnerstag, den 2. März

zum Deutshen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen

Staatsanzeiger. 1905.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

* Es folgt das Kapitel der „Universitäten“, worüber das

Referat der Abg. Dr. von Savigny erstattet.

Abg. von Arnim (fons.): In Halle sind zur Errichtung und dauernden Unterhaltung einer Volkslesehalle von der Stadtverwaltung jährlich 3009 ausgeworfen; an die Spitze des Unternehmens wird ein Professor der Unive ität treten. An sich ist solche Einrihtung sehr nüßlich, weil sie zur Bildung und zum geistigen Genuß beiträgt. Es besteht aber die Absicht, in dieser Volkslesehalle au sozialdemokratische Zeitungen auszulegen. Gegen ein Privatunternehmen wäre nichts einzu- wenden ; der Regierungspräsident hatte aber mit Recht Bedenken, da hier eine Kommune 3090 beisteuerte, und ließ durch den Oberpräfidenten beim Kultusminister Vorstellungen dagegen erheben. Der Kultus- minister verwies die Sache an den Minister des Innern. Dieser hat aber zu meinem lebhaften Bedauern erklärt, daß sid dagegen nichts erinnern lasse. Man hat gesagt, es musse In der Lesehalle die Parität gewahrt werden. (Sehr richtig! links.) Dieses „Sehr richtig“ halte ih für sehr unrichtig. Die Sozialdemokratie als eine gleihberechtigte Partei zu behandeln, ist ein Febler in der Fundamentalanlagz des Gez- dankens, da sie die bestebende Gesellschaftsordnung vernihten will, und ih bedaure, daß die Universität Halle indirekt die Sozialdemokratie unterstüßt. Ferner hat in Bonn der Kurator der dortigen Univerhitat von Rottenburg am 7. Februar in der „Bonner Zeitung“ einen Aufcuf zur Samm- lung für die Familien der streikenden Bergarbeiter im Ruhrgebiet veröffentlicht. Es ist in dem Aufruf auf die Not der Arbeiter- familien hingewiesen und zum Liebeswerk der Linderung diefer Not aufs

efordert; außerdem ist in_dem Aufruf gesagt, daß die Verantwortung

für die Verlängerung des Streiks den Ar eitgebern infolge ibrer Haltung zuzuschreiben sei. habe zunächst das Bedenken, daß durch die Sammlung Stellung genommen wird în inem wirtschaftlichen Kamvf, ehz noch Klärung durch die entsandten Kommissionen der Re- gierung überhaupt eingeleitet war. Ein Mann von Rang und In- telligenz hat hier für eine Partei in diesem Kampfe nh erflärt, ehe die Frage von Schuld oder Nichtshuld entschieden war. Zweitens habe ih Bedenken, daß der Kurator den Arbeitgebern Vor- würfe macht, ehe die Kommission sih geaußerTt hatte. Der „Vor- wärts* {rieb am 8. Februar: Eine Sympathiekundgebung für die Streikenden sei es, daß der Kurator der Universität Bonn zu Samm- lungen für die Streikenden, auffordere. Ich muß annehmen, daß Herr von Rottenburg bei einem Interesse für soziale Fragen au die Literatur liest, und daß er daher auch den sozialdemokratishen Parteitag in Berlin gekannt hat. Dort ist eine Resolution ange- nommen worden, in welcher die Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Bergbau hingewiesen und gesagt wird, daß, wenn es zum Streik komme, die Schuld den Behörden und den Unterachmern zufalle. Da- na muß man annebmen,_ daß die Sozialdemokratie die Arbeiters schaft im Rukrrevier zum Streik aufgebegt hat, und deshalb mußte ein Königlicher Beamter wie Herr von Rottenburg vorsichtig sein und nit Stellung nehmen, ehe nit Sgtuld oder Unschuld unzweifelhaft festgeitellt war. Der Reichskanzler hat den ent- schiedenen Kampf gegen die Sozialdemokratie proklamiert ; ih freue mi darüber, aber ih vermisse manhmal bei den einzelnen Ministerien eine Befolgung dieser Politik. _ Der Miniiter des Innern müßte der Auslegung von sozialdemokratishen Zeitungen in der Leschalle in Halle entgegentreten, und der Kultusminister_ hätte das Auftreten des Herrn von Rottenburg verbindern müssen. In der Kommission haben wir feine genügende Auskunft von der Regierung bekommen, obwohl das Material damals son vollkommen vorlag. Auf das Vorgehen einzelner Professoren in der Umgegend von Berlin bei den leßten Wablen will ih heute nit eingehen; was ih ausführte, genügt, um nachjuweisen, daß in den einzelnen Ministerien die vom Reichskanzler prokflamierte Politik nicht immer befolgt wird. Die Sozialdemokratie ist der shärfste Feind unserer Staatsortnung, es lit nichts verfeblter, als von einer Parität der Sozialdemokraten mit den bürgerlichen Parteien ¡u sprechen.

Minister der geistlichen, Unterrihtis- und Medizinal- angelegenheiten Dr. Studt:

Menu ih mich zu dem von dem Herrn Abg. von Araim zuvörderst erwähnten Falle, betr. die Bolksbibliothek in Halle wende, so babe ich im Anschluß an die Darlegungen des Herrn Abgeordneten zunächst hervorzuheben, daß es ih hier um eine fommunale Angelegenheit handelt. (Sehr rihtig!) Sie ist in der Ministerialinstani bereits er.tihieden worden. Die Gesichtspunkte, die den Herrn Minifter des Innern zu seiner Entschließung bestimmt haben, find in der Budget- fommission dieses Hauses ja auch zu einer Erörterung gelangt; ih habe diesen Gesichtspunkten nichts weiter binzuzufügen. :

Was mein Ressort anbetrifft, so kommt die Person des Leiters dec in Halle begründeten Nolksbibliothek in Betracht. Nun, meine Herren, wenn in deren Leitung ein übrigens von der Unterrihts- verwaltung sehr geschäßter und allgemeines Ansehen genießender (bravo! bei- den Nationalliberalen) Professor der Universität mitwirckt, so ist dies von ibm nickt in amtlicher Weise gesehen, sondern nur in privater Beteiligung, in welhe einzugreifen die Unter- rihtsverwaltung zur Zeit keinen Grund und auch fein Necht hat. (Bravo! bei den Nationalliberalen.)

Was den Bonner Vorgang anbetrifft, so sehe ich nachdem die tatsächlichen Verhältnisse aufgeklärt sind; sie waren es in der Tat uoch nicht, als in der Budgetkommission die Sache zur Sprache fam feinen Anlaß ju einem Vorgehen gegen den Kurator von Bonn, Herrn von Rottenburg, und dies um fo weniger, als es si bei dem erwähnten Aufrufe doch wesentli um einen Akt der Menschen- freundli@feit (Unruhe rechts) und Mildtätigkeit gehandelt hat. (Unruhe rechts.) Das ist aus ciner Erklärung, die Herr von Notten- burg nachträglich noch in einem längeren Zeitunggartikel abgegeben hat, doch wohl ju entnehmen. Aus leßterem gebt ferner deutlih hervor, daß er von eirseitiger Parteinahme völlig fern ist. Fch darf im übrigen auch der Meinung Ausdruck geben, daß Herr von Rottenburg Ansyruch auf eine besondere Beurteilung und Würdigung wohl verdient vermöge der großen Verdiensie, die er sich um das Reich und Preußen in seiner langiährigen Nertrauenéstellung bei dem Fürsten Bismarck erworben hat (Unruhe und Lachen rets; Rufe: um so \{limmer!), wie er ch denn auch in feiner jeßigen Stellung großer und berechtigter Sympathien erfreut. Seine wihjen- \chafilihe Bedeutung hat übrigens auch der Herr Abg. von Arnim vorhin anerkannt.

Der Herr Abgeordnete ist zum Schluß seiner Ausführungen noch

auf die allgemeine Frage der Politik der Reichs- beziehungsweise Staatsregierung gegenüber der Sozialdemokratie zu sprechen gerommen.

gehoben, daß ich mit forscquenter Strenge vorgehe, soweit mein Ressort dabei in Betracht kommt. I brauche Sie nur an den Fall Arons erinnern; ferner daran, mit welhem Nachdruck ih in dem Falle des Berliner Schulkonflikts dagegen eingeshritten bin, daß fort- gesetzt seitens der Sozialdemokraten auf die Jugend durch Einrichtung von Iugendkursen im Turnunterriht Einfluß geübt wurde. Sie können also, was mein Ressort anlangt, in keinem Zweifel darüber sein, und ih habe dieser Erklärung nur noch die hinzuzufügen, daß ich in feinem Zweige der mir unterstellten Verwaltung Sozial- demokraten dulde und namentli deren Eindringen in die Shul- vèrwaltung entschiedenen und erfolgreichen Widerstand entgegengescßt babe. Dieses Verfabren entspriht durchaus den von dem Herrn Reichskanzler und Präsidenten des Königlichen Staat2minifieriums als maßgebend bingestellten Grundsäßen.

Abg. Eick(hoff (fr. Volkspy.): Freiherr von Zedliz meinte, die wissenschaftliche Freiheit sei ein Stück von der allgemeinen Volks freiheit. In der Rede des Herrn von Arnim habe ih des Geistes feinen Hauch verspürt. Ich habe die Angriffe zurückzuweisen, die von fonservativer Seite gegen Herrn von Rottenburg geschleudert wurden. Der Aufruf war überschrieben : „Zur Linderung der Not der Berg- arbeiter“. Untershrieben hatten außer Herrn von Rottenburg 17 Professoren und auch der Rektor. In dem Aufruf bieß es ausdrüdlih, daß zu Fragen des Streiks keine Stellung ges nommen werde, sondern daß eine Linderung der Not dazu beitragen könnte, den Streik zu beendigen. Die Herren baben also nur aus dem Mitgefühl gehandelt, wie es au im Reichstag von allen Parteien kundgegeben wurde. der Aufruf erschien, als die Arbeitgeber jeden Nermittelungsversuh \{chroff_ zurückwiesen, standen die Sympathien weiter Kreise, namentli der Gebildeten, auf seiten der Arbeiter. Die Erklärung des Ministers erfüllt mi mit außerordentlicher Genuúgtuung. Ich würde es für einen {weren Fehler gehalten baben, gegen die Professoren und Herrn von Rottenburg im Aufsicht8wege vorzugehen. Ob hier wirkli ein Gontraftbruch auf seiten der Arbeiter vorlag. darüber sind die Juristen sh noch uneinig. Diese Frage it über den status causae et Ccontroversiae noch nicht binau8gekommen. Herr von Rottenburg ist übrigenF kein pvolitisher Beamter, aver er ift ein hervorragender Sozialpolitiker. Er hat in der „National- zeitung* einen Artikel geshrieben, den ih wegen !einer Objefktivität der Aufmerksamkeit der Herren auf der Rechten empfeble. Mit vollem Recht spricht er fih für die volle Koalitionsfreibeit der Arbeiter aus. Ein Vorgehen gegen Herrn von Rottenburg seitens der Regierung wäre mit dem Standpunkt einer aufgeklärten Regierung nicht vereinbar gewesen. Die Angelegenheit des Leseinstituts in Halle könnte nur beim Ministerium des Innern behandelt werden. Im Reichstage baben wir s{chwere Kämpfe durchgeführt bei Beratung des Zolitarifs und der Handeléverträge. Da wurde es von Konservativen ]o dar- gestellt, als ob es ich jet nah Erledigung dieser aroßen wirtschaft- lihen Kämpfe um eine Sammlungspolitik gegen die Sozialdemokratie bandeln müße. Ich kann darauf hinweisen, daß der Abg. Mommsen namens aller freifinnigen Parteien eine Beteiligung an einer solchen Sammlungépolitif zurückgewiesen hat. Solche Scharfmacherreden wie die des Herrn von Arnim können nur das Gegenteil ihres Zweckes

erreichen. Abg. Dr. Krüger - Marienburg (fon): Gegen den Besuch zt sich an sh nichts ein-

unserer Universitäten dur Autländer [äßt 3 wenden, denn auch unsere Studenten genießen das Gastreht im Aus- lande, aber es müssen die minderwertigen auéländischen Elemente fern- gehalten werden, welde nicht das geistige Niveau unserer Studenten erreiht baben und sich nur unter uns aufhalten, um sozialistishe Propaganda zu treiben. 4 l # |

Abg. Posseldt (fr. Vag.) wünscht, daß das chemische Laboratorium der Universität Königsberg im nächsten Etat besser berüdsichtigt werde, ebenso müfe für die naturwissensaftlichen Studien b:fer gesorat werden. Es seien dort umfangreiche Studien des Vogelfluges gemaht worden, und von weit her seien Naturforscher dazu herbet- gekommen. : L

Abg. Freiberr von Zedliß und Neukirch (freikons.): Nachdem das Oberverwaltungsgerit in ständiger Rehtsprehung den Grundsaß festgehalten hat, daß jede Förderung der Sozialdemokratie mit den italen Interessen unseres Staates ih niht verträgt, muß der Be- {luß der Stadtverwaltung in Halle von der Kommunalaufsihts- behörde beanstandet und event. eine Entscheidung des Oberverwaltungs- gerichts herbeigeführt werden. Derr pon Rottenburg würde sih mit seiner heutigen Auffassung s2hc in Gegenjaß zu der seines früheren Herrn, des Fürsten Bismarck, seßen. Herr von Rottenburg ist als ein einseitiger, extremer Mann der Theorie bekannt. Er hat in seiner Kundgebung u. a. behauptet, die Bergeigeniümer hätten es abgelehnt, sich auf Verhandlungen wegen Beendigung des Streits einzulassen. Das ift niht rihtig. Die Bergherren haben nur eine fontradiftorishe Verbandlung mit der Siebenerkommission vor der Regierung abgelebnt, solange der Streik nicht beendet wäre, aber eine Vermittlung konnten sie nicht ablehnen, da eine folie ja gar nicht von der Regierung angeboten war. Der Reichskanzler hat die MWieder- aufnabme ter Arbeit zur Bedingung gemacht. Also Herr von Rotten- burg hat diesen Tatsacenbestand verdunkelt. Die Regierung muß ihm flar maten, daß sein Verhalten ungehörig war, wenngleich ih zum Disziplinarverfahren natürli niht raten will. Was nun die Freisinnige Nolkèpartei angeht, so it sie das Urbild politischer Nückständigkeit; sie vertritt, wa8 vor 30 Jahren vielleicht gültig war. Die staaterhaltenden Parteien werden es veishmerzen, wenn sie in der gemeinsamen Bekämpfung der Sozialdemokratie die Hilfe der Freisinnigen Volksépartei entbehren müssen. Die Hâlste der Herren dieer Partei ist ja auch mit Hilfe ter Sozialdemokraten ge- wäblt, oder weil mar sie von unserer Seite gegenüber der Sozial- demofratie als das fleinere Uebel ansah. Der Zeipunkt ist allerdings gefommen, unser preußisches Königtum und unjeren Staat zu hüten. Scharfmacher ist für ns ¿in Ebrentitel. Wir müssen der Sojîal- demokratie zeigen, daß wir die Herren im Hause sind und alle Be- sirebungen gegen Staat und Monarchie mit nachdrüklicher Gewalt niederschlagen werden. . Í

Abg. Dr. von Savignv (Zentr.) verurteilt ebenfalls die Haltung der Stadtverwaltung in Halle, 11t hingegen der Meinung, daß Profeffor von Rottenburg eine Reihe von bedeutenden Männern sich zur Seite sehe. Herr von Rottenburg hat sih auf einen Standpunkt gestellt, von dem man nit sagen tann, daß er Partei genommen habe. Die Zfentlihz Meinung, die erl den Streik für \chädlih hielt, {lug infolge des Verhaltens der Arbeitgeber vollkommen um und wande ibre Sympathien den Arbeitern zu. Den Aufruf hat Herr von Rotten- burg lediglih als Privatmann unterzeichnet, niht_in seiner Eigenschaft als Kurator einer Universität. Ueber unfere Stellung zur Sozial- demokratie brauche ih fein Wort zu verlieren. Gerade im Zentrum sieht die Sozialdemokratie ihren schärfsten Gegner. .

Aba. Rosenow (fr. Volksp.): Von Herrn vcn Zedliz sind {were Angriffe gegen die freisinnige Partei exfolgt, die auf das \chäârffte zurückgewiesen werden müssen. Das Auslegen der sozial- demokratishen Blätter ist die Sozialdemokratie

übertriebene Darstellung in den fojial-

die sozialdemckratishe Prefse nit läsen, könnten Sie das schleihende Gift in den Werk- _ Herr von Rottenburg hat ein Gebot sagt der Minister, das sollte jeder unter- s{reiben. Wictiger sind die Ausführungen der Herren von Arnim und von Zedliz gegen die Sozialdemokratie gewesen. Herr von Zedlitz will Gewalt anwenden. Haben Sie aus der Gesdihte no® nit gelernt, daß gerade die Gewalt, wie das Sozialistengeseß, die Sozial- demokratie erst ret so gestärkt hat, daß sie jeßt über 3 Millionen Stimmen verfügt ? fen i seren Zeitungen die Soiial-

Wenn Sie Sie gar niht wissen, wie stätten bekämpfen sollten. der Menschlichkeit erfüllt,

Mir bekämpfen in unjeren demofkratie, vermissen aber ret oft die Unterstützung von anderer Seite. Mir bilden das Bollwerk gegen die Sozialdemokratie. Die Liebe zum Raterlande ist bei uns gerade so vorbanden wie bei Ihnen (nach rechts), wir haben niemals staatsfeindlihe Tendenzen gefördert, wir haben aber immer nach zwei Fronten zu kfämvfen- Wenn wir von unserem Einfluß zurückgedrängt sind, so licgt das daran, daß die shle{chten Gesegze, die die Konservativen machen, uns aelegentlih zwingen, nein zu sagen. Im Reichstage ist ja die Partei des Herrn von Zedlitz au sebr zurückgegangen. Wir vertreten die Interessen des Staats mit Sachlichkeit und Würde. Lesen Sie, was die sozialdemokratishe Presse über uns denfi, daraus föanen Sie ent- nebmen, wie wir zur Sozialdemokratie stehen. Wenn aber der Kultusminister sagt, daß er Sozialdemokraten auch in der Shul- verwaltung nicht dulde, fo weiß ih niht, ob das der richtige Weg ist. Er hat ja in Berlin aud nur den Jugendabteilungen der Turnvereine die Turnhallen verboten, niét auch den Männern. Sodann wollte ih dea Kultusminister fragen, ob unsere Mediziner in der sozialen Geseßgebung und sozialen Hilfsarbeit nicht mebr ausgebildet werden fönnen. Es sollte ein Lehrstuhl für soziale Medizin gebildet werden, wo der Arzt über Arbeiterfürsorge, Arbeiter- folonien, Heimstätten, Armenpflege 2. unterrihtet wird. Ferner möchte ih fragen, ob es richtig ist, daß die medizinishe Fakultät das Verlangen gestellt bat, daß die von solchen, die Privatdozenten werden wollen, eingesandten Arbeiten nit mebr darauf hin geprüft werden, sondern daß nur auf Berufung eingesandte Arbeiten geprüft werden, d. h. also, daß nicht mehr eine Meldung von Privatdozenten, sondern nur noch eine Berufung nach dem Gutdünken der Fafultät erfolgen solle. Dur die Abweisung dieses Verlangens würde der Miniiter ih den Dank weiter Kreise erwerben.

Ministerialdireftor Dr. Althoff erwidert auf die leßte Fr daß der Unterrihtéverwaltung von einem soïhen Beschluss medizinishen Fakultät nihts bekannt sei. Das Ziel der 193 volitishen Medizin sei gewiß beahtenswert, aber es könnte ih bôcbitens um dieselbe Einrichtung handeln, wie wir sie in der gerichtlichen Medizin haben. Wir können nit alle Mediiiner dazu zwingen, aber wir werden die angeregtz Frage gern in Erwägung ziehen. Für die Universität Königsberg, über welhe Herr Pofsseldt Klage führte, ist binreihend gesorgt worden, der Zushuß ist gestiegen ; auch für Phrsik und Chemie sind genügende Summen in den Etat eingestellt. Die Zulaffung von Ausländern an unserea Universitäten ift ein nobile officiam, das alle zivilisierten Staaten anerkennen. Prinzipiell wollen wir gar nit die Ausländer abweisen, es sind aber son Maßnahmen in Norbereitung, welhe das Studium der Ausländer regeln. In _ den lezten Jahren hat übrigens eine Zu- nabme der ausländishen Studenten nicht stattgefunden. An unseren Universitäten fstudieren ießt 991 Ruffen, 359 Oesterreicher, 163 Amerikaner, 143 Schweizer. An unseren vier preußischen tehnishen Ho{sculen studieren 627 Ausländer, an den außers preußischen technischen Hocbschulen find_ es 1875. Für Fälle miß- liebigen Verbaltens von Nuéländern find genügende Vorkehrungen getroffen. Man könnte bödbstens erwägen, ob die Immatrikulationss gebühr für die Ausländer erhöht werden soll; prinzipiell steht dem nidts entgegen, wenn es an allen deutshen HoWhschulen geschieht. Was die weiblichen Studenten betrifft, so studieren in Berlin {hon 657 Damen. Wenn wir die Frauen zur Fmmatrikulation zuließen, wie es Baden und Bayern getan baben, so wäre das feine Erweite- rung, sondern eine Beschränkung, denn dann würden weit größere Ans forderungen gestellt.

Abg. Sch mieding (nl.): Die Kritik des Herrn von Arnim richtete fih nit gegen den Akt der Menschlichkeit, sondern gegen die Art, wie Herr von Nottenburg eingriff, und namentlich gegen den ungeeigneten Zeitpunkt seines Eingreifens. Der Aft der Menschlichkeit war in diesem Augenblick nicht geeignet, die Leidenszeit der Berg- arbeiter abzukfürzen, sondern eher zu verlängern. Gerade aus feiner Nergangenheit hatte Herr von Rottenburg die Pflicht besonders \carfer Selbstkritik und hätte voribtiger sein sollen. Das NBer- lezende des Aufrufs haben wir darin sehen müssen, daz Herr von Rottenburg in dem Aufrufe sagte: „Außer Zweifel steht die Tatsache, daß die Arbeitgeber durch ihr Verhalten gegenüber dem Nermittelung3- versuch der Regierung die Verantwortung für den Streik tragen“, daß er also ohne Kenntnis und eingehende Prüfung der Verhältnisse obne weiteres den Arbeitgebern die Shuld zushob. Das beißt: ih fenne zwar die Nerbältnisse niht, aber die Arbeitgeber baben unbe- dingt unrecht. Rerantwortlih ist tatsählich derjenige, der unter Bru des Arbeitsvertrags in den Streik eintrat. Die laxz Auslegung des Herrn Eickhoff ist nicht geeignet, das Re(tsbewukßtsein in den Massen zu stärken. Dieses zu stärken, bat aber die Partei des Herrn Eickhoff alle Veranlassung. Die ¿fentlihe Meinung nimmt sih gewöhnlich des wirtshaftlih Schwäteren an, aber das fann für einen Ab- geordneten nicht maßgebend sein. Die Siebener-Kommission war keine berechtigte Vertretung der Arbeiter, daher ‘die Ablehnung der Ver- handlungen. In dieser Kommission waren die sozialdemokratishe und die volnishe Partei 2c. vertreten, und mit volitishen Vertretungen zu unterhandeln, [ebnten die Arbeitgeber mit Recht av. Es durften nur wirtschaftlihe Interessen maßgebend sein.

Abg. Dr. Keil (nl.): Ih muß als J [ griffe auf unsere Stadtverwaltung entschieden zurückweisen. Nerein „Volf8wohl“ wirkt dort seit Jahren segensreich und hat die Sozialdemokratie immer bekämpft. Wenn er in der von ihm ge- gründeten Lesehalle nun au ¡wei sozialdemokratishe Blätter ausl[egen ließ, so geshah das zur Bekämpfung derselben. Hätte man die Blätter auëges{lossen, |o bätten die Sozialdemokraten die Lesehalle bovfottiert und bei deren scharfer Disziplin die Arbeiter die Lesehalle überhaupt nicht benußt. Wir wollen aber, daß die Arbeiter dorihin gehen und niht nur diese Blätter, sondern auch andere lesen. Wollen die Arbeiter sozialdemokratische Blätter lesen, so brauchen sie nicht erst in die Leseballe zu gehen.

Abg. Dr. Hei1ig (Zentr.): Man kann darüber auch anderer Meinung sein. Man muß bedenken, taß au unreife Glemente die Lesehallen benußen werden, und von dexen wäre das Gift der fozial- demokratishen Lektüre lieber fern zu halten. Im landwirtschaftlichen Museum in Berlin fehlt es an Motoren, die für den landwirtschaft- lihen Betrieb so wichtig sind. Das Studium der landwirtscaftlichen Betriebsmittel muß gefördert werden. :

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wenn eine Meinungéäußerung dem Minifter niht verschlossen ist, so ift do, was dem Ninister recht ist, dem Universitätskurator gewiß billig, und wenn diefer in eîner Frage, tie das Volk lebbaft beschäftigt, seine Meinung ausdrückt, so lieat darin feine Veranlassung, thn zu rektifizieren. Es tut wentg zur Sache, ob Herr von Rottenburg als Berwaltungébeamter oder in seiner Stellung an der Universität aufgefaßt wird. Man kann den Kurator ledigli als Beauftragten des Ministeriums bei der

Rertreter von Halle die An-

Der

s noch nicht geeignet, der Absicht.

Meine Herren, ih hab? bei wiederholten Gelegenheiten s{chon bervors

zu fördern; gerade die demokratishen Blättern erreiht das Gegenteil

Universität „zum Zwelke der Beaufsichtigung, aber auch als