1905 / 59 p. 19 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. von Brockhausen (konf.) : Die Frage der Treuhänder ist durÿ die Erklärungen des Finanzministers für die Zukunft erledigt. Daß das Genofseznshaftêwesen sh nur auf der Grundlage der Selbständigkeit und der eignen Verantwortlihkeit entwickeln kann, ift felbstverständlih. Die ländlihen Spar- und Darlehns- kassen batten 1883 12 Millionen Einlagen, 1898s 210 Millionen, 1901 680 Millionen und 1902 800 Millionen. Es handelt \sich beute nit mehr darum, wie das Geld zu beschaffen ift, fondern wie es am besten anzulegen ift. Mit Recht ist auf die Ver- dienste von Schulze-Delißsh als Genossenschafter hingewiesen, aber was sein eigentlihes Ziel war, bat er nit erreihen können, nämlich die Bildung von Produktivgenossenshaften. Der Genossenshafts- anwalt Dr. Crüger gilt wobl in seinem eigenen Kreise als Autorität, aber nicht in anderen genofsenshaftlihen Kreisen. Er follte einmal seine eigenen feblerbaîten Einrihtungen prüfen, anstatt immer gegen cas landwirtshafilihe Genossenshaftêwesen zu agitieren, wie es die Hauptaufgabe seines Organs ist. Wenn diese oder jene :and- wirt\chaftlide Genossenschaft fh nicht als lebensfähig erwiesen "at, fo bat do aub {on manche Stulze-Delißs{chs{he Genoffenschaft |chwere Zeiten durchgemacht. Es ift ein Vorwurf wegen der Lieferungen für das Militär dur die landwirtschaftlihen *enofsenshaften erhoben worden ; wir werden aber im Reichstage 1ahweisen, wie wenig die Heere8- verwaltung den landwirtschaftlihen «“enossensGaften dabei entgegen- fommt. Dur den Zufammens(luß der Landwirte in Genossenschaften ist gerade jede Unreellität unter den Lndwirten beseitigt worden. Die Händler haben aber vielfah die ländlihen Genossenschaften geradezu boykoitiect. Die Genossenschaften gehen ihrerseits nit darauf aus, die soliden, reellen Händler zu ruinieren. Durch die ländlihen Genofsenshaften wird unter den Landwirten der Sinn und das Verständnis für die Technik des Betriebs geweckt. Die länd- lihen Genossenschaften find nit zum Erwerb gegründet, sondern hie find gemeinnüßige Unternehmungen und sollen als solde an allen Woklfahrtseinrihtunzen mitwirken. Es ist erfreulih, daß die beiden großen Verbände, die sih bisber nicht besonders freundlih gegenüber- gestanden baben, si vereinigt haben. Das Genossenschzftswesen kann nur gewinnen, wenn auch die beiden Richtungen, durch Schulze» Delißsch und Raiffeisen repräsentiert werden, {ih nicht immer weiter bekämpfen. S i

Abg. B u \ ch (Zentr.): Den leßten Worten ftimme ich vollkommen zu, die beiden Richtungen werden dem Genossenshaftswesen am besten nüßen, wenn jede für sich arbeitet, ohne die andere zu bekämpfen. Die Idee der Dezentralisation hat sich als rihtig erwiesen. Aber ich freue mi, daß zwischen Neuwied und Offenbach die Verlobung statt- gefunden hat, und ih hoffe, daß es auch zur Vermäßlung kommen wird, um gemeinschaftliche Arbeit zu machen. S

Abg. Meven sein (konf.): Der Kampf der Genossenschaften ge- bört nit vor dieses Parlament, sondern muß draußen ausgefcchten werden. In der Vereinigung von Offenbach und Neuwied sehe ih noch keinen Frieden, sondern nur den erften Schritt zu einem er- \streben8werten Frieden. y | S

Abg.St u ll (Zentr.) weist darauf bin, daß er im vorigen Jahre die Einführung von Kursen über das Genossenshaft8wesen in Breslau an- geregt habe und zu seiner Freude mitteilen könne, daß dort bereits solche Borlesunaen stattfinden, und stimmt dem Abg. von Arnim in der Frage der Treuhänder bei. In dem Neuwieder Verband, in welchem der Abg. Mevenschein eine große Bedeutung habe, mögen vielleiht auch Herren sein, die die Vereinigung etwas andes auffafsen, aber es sei rihtig, daß diese Meinungsverschiedenheiten draußen erledigt werden müssen.

Damit {ließt die allgemeine Besprehun

Für den Direktor der Zentralgenossenshafts- kasse fordert der Etat eine niht pensionsfähige Stellenzulage von 3000 F :

Abg. Gyßling (fr. Volkëp.) erklärt sh gegen diese Mehbr- forderung, die mit Repräsentationspflihten begründet sei. Seine Partei fei überhaupt gegen eine Vermehrung der Repräsentations- fosten und namentlich auch gegen eine Untersheidung von Gehalt und Repräsfentationskoîten.

Die Mehrforderung wird gegen die Stimmen der Frei- sinnigen bewilligt. S

Im übrigen wird der Etat der Zentralgenossen- \chaftskasse ohne Debatte bewilligt.

Es folgt der Etat der indireften Steuern.

Bei der Einnahme aus der Zuckersteuer macht i

Abg. Wiersdorff (nl.) darauf aufmerksam, daß das Unfall-

eacses für die Beamten bezüglih der Steuerbeamten in Privat-

n vershieden auêgelegt werde, und bittet den Minister, eine

eidung darüber zu treffen, ob diése Beamten unter das erwähnte Gese fallen oder nit.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Die zugesagte Prüfung hat ftattgefunden und hat zu einem für die Betriebsunternebmer günstigen Ergebnis geführt. Wir baben anerkannt, daß auch bei Verunglückungen in einer Zucker- fabrik der Beamte dem Fürsorgegese8 unterstellt ist, also die Ent- schädigung seitens des Staats zu gewähren ist.

Auf einige weitere Bemerkungen des Abg. Wiersdorff über denselben Geaenstand erwidert der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: ie Verfügung ist am 18. Oktober ergangen, und ih würde

sein, wenn mir der spezielle Fall unterbreitet würde; ih kann

ih obne weiteres nicht beurteilen.

nahme aus der Zuckersteuer wird darauf bewilligt.

aus der Erbschaftssteuer referiert

raf von Prashma, daß die Regierung auf

Kommission erklärt babe, daß die Verhandlungen wegen schaftssteuer noch vollständig in der Schwebe seien.

von Heydebrand und der Lasa (klons.):

wird bereits der Entwurf eines Reichs-

ausgearbeitet. Meine Freunde haben die

tedenfen gegen den Weg, den damit die Reichëregierung

i Begriff zu sein \{heint. Wenn diefe Besteuerung

Erträge erzielen soll, so wird sie außerordentlich

und entgegen der bisberigen Annabme die

ff Außerdem würde die Reichserbschaft3-

ine unserer preußishen Steuer-

Soll nun die preußische

ieben der Reicksfteuer besteben bleiben, oter foll etwa

rbichaft8fteuer fortfallen? Auf jeden Fall wäre dieser

der Meinung meiner Freunde überaus bedenkliw. Das

eine Einnahmen aus den indirekten Steuern den

beiträgen decken. Es ift ¡war in der V-:rfafsung vorgesehen

direkte Neichésteuern erhoben werden können ; aber in

dcch die anderen Quellen in Betracht kommen.

t angefangen ift, direkte Steuern im Reich zu nebmen,

ritt immer weiter geben, und wir werden eine Reich8s und NReichsv:rmögensfteuer zu befürhten baben.

müßten wir vom preufishen Standpunkte au*s ent- schiederste bedauern und bekämvfen. Wir wünschen, daß unsere Ne- gierung im Bundeêrat dagegen Stellurg nimmt, es würde mir er- wüns@t sein, bier die Véieinung der Regierung zu bören. Eventuell bebalten wir uns für die dritte Lesung des Etats einen Antrog vor. Es foll uns nit nahgesagt werden, taß wir nit rechtzeitig das Wort gegen folhe Pläne ergriffen baten.

inanzminister Freiherr von Rheinbaben:

eir Daß der Misere der Reihéfinanzen abgeholfen werden muß, ih glaube, darüber werden wir alle einig sein. (Sehr rihtiga!)) Aber welcher Weg dafür zu wäblen ist, darüber sind die

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und

einkommensteuer

Meine Herren!

Verhandlungen noch in keiner Weise abges{chlofsen, felbst im Neichs- shaßamt noch riht, und noch weniger ijt eine Vorlage an das Staat®- ministerium oder gar“ an den Bundeêrat gelangt. Bei diefer rein präparatorishen Lage der ganzen Sache bin ih außer Stande, meiner- seits hier eine Erklärung abzugeben. Ih möFte nur betonen, daß meines Erahtens von einem Wegfall der preußishen Erbschafttsteuer gar keine Rede sein kann; denn ich wüßte nicht, wie die Bundes- staaten dazu fommen sollten, auf den Ertrag zu verzihten, den fie gegenwärtig haben. Es is für Preußen ein Objekt von 11 Millionen, auf das wir niemals verzihten können. Ebenso pflihte ich Herrn Abg. von Heydebrand darin bei, daß der Weg einer Neichseinkommenfsteuer für die Bundesstaaten vollkommen un- gangbar ift.

Auf diese wenigen Bemerkungen muß ich mih gegenwärtig be- \{ränken; ich würde fürchten müssen, sonst in die Verhandlungen ein- zugreifen, die gegenwärtig bei den Reichtinstanzen {weben.

Abg. von Eynern (nl.): Aus diesen Mitteilungen des Ministers geht hervor, daß das Projekt einer Reichserbschaftsfteuer tatsächlich besteht. Das Projekt hat große Beunruhigung sowohl in den Einzelstaaten wie in den Kreisen der Steuerzahler hervorgerufen. Jedenfalls kann der Plan nur in Verbindung mit einer Revision des Einkommensteuergesezes und namentlich des Ergänzungssteuergeseßes durhgeführt werden. Wir in Preußen sind darin bei weitem zurück- gesezt gegen die süddeutshen Staaten. Ih kann heute noh keine Sn Stellung zu dieser Sache einnehmen, die erst in ihren An- ängen ist.

: “Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Auch wir behalten uns die Stellungnahme bis zu dem in Ausficht gestellten Antrag bei der dritten Lesung vor. Unsere grundsäßlihe Stellung {ließt eine direkte Besteuerung auch für das Reich nicht aus, wir würden unter Um- ständen au für eine Reihsvermögenssteuer zu haben fein. Die Konsequenzen einer Neihéseinkommensteuer shrecken uns nicht, wir balten diese für befser als die indirekten Steuern, die stets nur die Schultern der wirtshaftliÞh Schwachen belasten. S :

Abg. Herold A: Auch wir baben noyh keine Stellung in dieser Frage genommen, haben aber große Bedenken gegen eine Neichserbschafts\teuer. Jedenfalls muß mindestens nah einem gerechten Maßstab für eine solche gesucht werden. Für die Betreffenden ist es ja glei, ob sie dem Reih oder ihrem Staat die Steuern® zahlen müssen. Aber die Festseßung der direkten Steuern sollte Sache der Einzelstaaten sein und bleiben. Für die Matrikularbeiträge muß noch ein anderer Maßstab gefunden werden als der der Kopfzahl; sie müfsen nah der Leistungsfähigkeit bemessen werden. Preußen könnte ohne neue Steuern noch s{chwerere Lasten tragen. i

Abg. Gamp (frkons.): Auch meine politishen Freunde können noch keine E:flärung für ihre Stellungnahme abgeben. Ich persönlich schließe mich den Bedenken des Abg. von Heydebrand an. Die Steuer für das Reih würde nicht viel Ertrag liefern, wenn die Erbschafts- steuer für Preußen bestehen bleibt; sollte die Neichserbschaf1ssteuer fo bo bemessen werden, daß fie genügend einträgt, und troßdem die preußishe Steuer fortdauern, so würde die Steuer zu hoch werden. Wenn Herr Wiemer {ih fo gegen die Erweiterung der indirekten Steuern ausspriht, fo möGte er doch einmal die Differenz in der Biersteuer zwischen Nord- und Süddeutschland bedenken,

Die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer und die übrigen Einnahmen werden bewilligt. S

Bei den Besoldungen für die Zoll: und Steuer- beamten befürwortet

Abg. Dr. Brandt (nl.) mit Rücksicht auf die Mehrarbeit in- folge des neuen Zolltarifs die Aufbefserung der Steueraufseher im Abfertigungsdienst.

Im übrigen wird der Etat der indirekten Steuern ohne Debatte bewilligt.

Es folgt der Etat der direkten Steuern.

Die Einnahme aus der Einkommensteuer ist auf 187 Millionen Mark veranschlagt, d. h. 8 Millionen Mark höher als im Vorjahre. i | 7 D

Hierzu liegt die vergleichende Uebersicht der Ergebnisse der Veranlagung zur Einkommensteuer für 1903 und 1904 vor.

Berichterstatter Abg. Dr. Wiemer beribtet, daß sich aus dieser Uebersicht ergebe, daß die Woblhabenheit im allgemeinen zugenommen babe, auh auf dem Lande sei sie im allgemeinen nicht zurückgegangen. Es fei ein Geseg über die Einführung einer fafultativen Vershuldungs- grenze in Vorbereitung; es sei in der Kommission angeregt worden, dieses Gesetz niht nur auf bäuerlihe Verhältnisse, sondern auch auf den Großigrundbesiß und auf den städtishen Besiß in Anwendung zu bringen. Für die Revision des Einkommensieuergesezes sei eine Novelle für den Herbst von der Regierung in Ausficht gestellt worden.

Die Einnahme aus der Einkommensteuer wird bewilligt, desglcihen die Einnahme aus der Ergänzungssteuer mit 37 Mill. Mark (1,5 Mill. Mark mehr als im Vorjahre) und die übrigen Einnahmen. i

Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei den Be- foldungen der Beamten, wünscht i

Aba. Hofmann (nl.), daß die Finanzverwaltung dazu über- gehen möge, die Stellen der Kataftierbeanten, wie die der Rent- meister, öffentlih auszushreiben. Der Redner äußert sich ferner ein- gehend über die Organisaticn des Dienstes und der Bezüge der Katasterbeamten und verurteilt u. a. das überflüssige Schreibwerk.

Generaldirektor der direkten Steuern Wallach erwidert, daß in der letzten Zeit bereits Ausshreibungen von Stellen für Kataster- beamte vorgenommen seien. Die Erhöhung der Amtskostenentschädi- gung der Katastzrb-amten sei sehr schwierig; es sei ganz unvermeidlich, daß in manchen Fällen die Entschädigung die Unkosten nicht decke. Das könre nur von Fall zu Fall geprüft werden.

Akg. Kindler (fr. Volksp.) tritt für die Aufbesserung der Besoldung der Katasterzeichner ein. y

Abz. Hofmann erklärt sich durch die Antwort des Regierungs- kommissars nit für befriedigt. :

Abg. Kir \ch (Zentr.) unterstüßt den Wunsch des Abg. Kindler ; die Katasterzeihner müßten höheren Rang und höheres Gebalt be- fommen. Ferner müsse bei allen größeren Katasterämtern für einen Stellvertreter gesorgt werden, wenn der Katasterbeamte selbst ab- wesend sei; allerdings gebe es bestimmte Sprehstunden, wo der Beamte anwesend sei, aber die Leute auf dem Lande, die weit ber- kämen, wüßten tas nit und fämen vergebens nah dem Katastcramt.

Abg. Graf von Wartens8leben-NRogäsen (kons.) spricht den Wunsch aus, daß die Steuersekrztäre in der von Steuergeschäften freien Zeit bei den Landratéämtern beschäftigt würden; die Landräte müßten ein- für allemal das Recht erhalten, über die Steuersekretäre in dieser Hinsicht zu verfügen.

Generaldirektor der direkten Steuern Wallach{: Der Minister hat bereits in der Kommission mitgeteilt, daß die Steuersekcetäre an Stelle der beurlaubten Kreissekretäre zu den Geschäften des Landrats- amts herangezogen würden. Aber daß die Steuersekretäre nah Be- endigung des Veranlagung8zeshäfts niht beschäftigt sind, bildet nah meiner eigenen Kenntnis der Dinge nicht die Regel.

Die dauernden Ausgaben und ohne Debatte die einmaligen Ausgaben werden bewilligt. :

Die Uebersicht über die Ergebnisse der Einkommensteuer- veranlagung wird für erledigt erklärt.

Es folgt der Etat der Ansiedelungskommission in Verbindung mit der Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungsgeseßes für 1904.

Berichterstatter Abg. Wamho ff (nl) referiert, daß er im vorigen | Herbst eine Reise in das Ansiedelungêgebict gemacht und 14 Tage

lang über 30 Ansiedelungsgüter besichtigt habe. Auch die Budget, kommission habe becschlossen, cine Jnformationsreise in das An, siedelungszetiet im Mai zu unternehmen. Er habe die Ansiedelungen durchweg in gutem Zustande gefunden. Der Ankauf aus polnischem Besitz sei allerdings zurückgegangen, aber es komme nit fo sehr darauf an, daß aus polnischen Händen gekauft werde, sondern darauf, taß überhaupt deutscke Bauern angesiedelt würden. Der Durh- s{nittspreis habe pro Hektar 890 4 betragen. Im ganzen seien bisher 60 000 Köpfe ang'siedelt worden. Er habe vor seiner Reise Bedenken gehabt, ob er alles so vorfinden würde, wie man es gern erwartete; aber seine Bedenken seien vollständig zerstreut worden, und namentlih müsse er das Beamtenpersonal der Ansiedelungékom- missionen rühmen.

Abg. Aronsohn (fr. Volksp.): Die Bestimmung des An- siedelungsgesetzes, wona Polen der Landerwerb unmöglih gemadt wird, wird dazu führen, daß die Polen in die Städte gedrängt werden. Bisher bildeten die Städte das Bollwerk des Deutshtums im Often, dur diese geseßlihe Bestimmung wird aber das Deutshtum der Städte ruiniert werden. Bereits 1903 baben die Handelskammern Danzig, Bromberg, Graudenz, Thorn und Posen in Eingaben an die Arsiedelungskommission über die dadurch entstehende Schädigung der Kaufleute geklagt, aber bisher keine Antwort darauf erhalten. Wir kaben deshalb jum Schutze des Handels folgenden Antrag ein- gebradt, um dessen Annahme wir bitten: „die Regierung zu er- suchen, in den Etat der Ansiedelungskommission für Westpreußen und Posen für 1906 für zwei kaufmännisch vorgebildete Hilfékräfte mit Rang und Bezügen von Regierungéräten die erforderlichen Mittel einzustellen.“ Durch diefe Maßnahme könnten au die landwirtschaft- lien Produkte der noch nicht aufgeteilten Ansiedelungsgüter zweck- mäßiger verwertet werden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Podbielski:

Meine Herren! Jch muß leider dem Antrag, den der Herr Vor- redner dem hohen Hause gegenüber soeben warm befürwortet bat, doch entgegentreten. Meine Herren, wenn ich zunächst auf die Frage ein- geb», die ja zweifellos unausgeseßt die Staatsregierung beschäftigt hat, nämlih auf die Frage des Zurückgehens des Deutshiums oder, wie ih glaube, richtiger zu sagen, die Zunahme der polnishen Bevölkerung in den fleinen Städten, so glaube ich, meine Herren, es liegt hier ein Moment vor, welches zweifellos sehr zu bedauern ist. Aber, wie immer bei folden Gelegenheiten, sucht man die S(uld an anderen Orien, als da, wo sie tatsächlih liegt. Meine Herren, der Grund für diese bedauerliche Erscheinung liegt darin, daß infolge der Ge- werbefreibheit und infolge der Aenderung der Verfafsungen der Städte in der Provinz Posen allgemein eine erbeblihe Zuwanderung vom Lande nah den Städten stattgefunden hat, eine Zuwanderung, die in der früheren Zeit infolge der eigenarticen Lage der Verhältnisse in gleichem Maße nit stattfinden konnte. Daraus haben ih die wenig erfreus lien Verkbältnisse in den Städten entwidelt, und darauf ist die Zunabme des polnishen Elements in den Städten zurückzuführen, Meine Herren, ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Städten zeigen, in deren Nähe überhaupt niemals ein Ansiedelung8gut gekauft ist, und wo troßdem die polnishe Bevölkerung im Verhältnis zur deutschen bedeutend zugenommen hat. Der Grund für diese bedauerlihe Tatsache liegt aber nicht in der Tätigkeit der Ansiedelungsk ommission, son- dern er ist, wie ih {on erwähnte, darin zu suchen, daß infolge der Ge- werbefreißeit und infolge der Veränderung in den Städteverfassungen der polnischen Bevölkerung die Möglichkeit stärkerer Zuwanderung nach den Städten gegeben war. Was nun den Antrag des Herrn Vorredners an- betrifft, so wollen Sie erwägen, daß es bei dem großen Betriebe der An- sicdelungékommission unmöglih ist, bei denjenigen Gütern, die noh in der eigenen Verwaltung stehen, diese Verwaltung den Jnspektoren oder Gutsverwaltern, wie Sie sie nennen wollen, zu überlassen. Es muß, meine Herren dazu sind wir der Staatsverwaltung gegenüber verpflihtet —, eine ordentlihe Kontrolle stattfinden, d. b. es muß alles das wirklich, was zum Verkauf kommt, einmal erst an einer Stelle zur Ablieferung gelangen, damit nah jeder Richtung bin eine turchsichtige Verwaltung geführt wird. Würde, meine Herren, dieser Verkauf von jedem Verwalter nah der nähsten Stadt erfolgen, so, glaube id, meine Herren, würde sich schwer ein Land- wirt\chaft8minister finden, der die Verantwortung für diese Ver- waltung übernehmen wollte. (Sehr rihtig! rechts.) Die Sade ist gar nit anders durchzuführen, als daß man übe:haupt den einzelnen Gutsverwaltungen das Recht zum Verkauf nimmt und diesen Verkauf konzentriert. Meine Herren, Sie sacen und ih mêchte gegen den Aus\pruch Widerspruch erheben —, wir geben den Verkauf ciner Aktiengesellshaft. Jh sage nein. Denn zur Zeit ift das deutsche Lagerbaus in Posen keine Aktiengesellschaft, sondern eine Gesellschaft auf genossenschaftliher Grundlage, also "keine Erwerbsgesellschaft, sondern eine solche, die nur den Zweck hat, das Korn in den Verkehr überzuführen. Ih möchte auch in diesem Moment hervorheben, meine Herren: urterstüßen Sie mich, bitte, darin, diesen großen Koloß, Ansiedelungékommission genannt, nit noch zu vergrößern, noh mebr auszubreiten, was der Fall sein würde, wenn nunmehr bier wieder kaufmännishe Angestellte angestellt würden, die meiner Ansicht nach doch auh weiter nihts tun könnten, als den Verkauf irgend einer Firma in Posen zu übertragen. (Wider- spruch.) Ja, Herr Abg. Aronsohn, Sie werden es mir nit ver- argen, wenn ih sage: in Poscn. Denn, meine Herren, wir können garnicht anders eine Kontrolle üben, als wenn die Sache an einem Punkte konzentriert wird. Der Verkauf müßte also auch dann in Posen konzentrciert werden.

Nun möthte ih noch auf einen andern Punkt näher cingehen, über den ich bereits in der Budgetkommission mich zu äußern Ge- legenheit Latte; es ist das die Frage: sollen die einzelnen Ansiedler auf ihren Besitzungen frei hingestellt werden, oder ift es nit richtiger, diese Ansiedler, die vielfah die eigentümlihen Verbälinifse Posens und Westpreußens niht kennen, dadurch zu stärken, daß wir sie genofsenshaftlich ¡usammenführen. Meine Herren, unausgeseßt wird der Landwirtschaft immer vorgehalten, daß sie auf diesem Gebiete niht genug tâtig wäre. und ich muß sagen, ich bin ein unbes dingter Anhänger von gesunden Gerossenshaften, während ih freilih die ungesunden allerorten in der Landwirtschaft bekämpfe. Jch habe aber bis jeßt das muß ich anerkennen gerade bier unter den Ansiedlern nur fehr gesunde genossenscaftlihe Bil- dungen, wie das auch seitens des Herrn Referenten hervorgehoben worden ist, der selbst dorthin gereist war, um sch an Ort und Stelle zu orientieren, konstatieren fênnen. Jh wiederhole, meine Herren, ih erahte es als eine absolute Notwcndigkeit, daß die Ansiedler, damit der einzelne in den s{wierigen Verhältnissen niht zu Grunde geht, möglichst in den einzelnen Ortshasten genossenshafilih zusammen- geschlossen werden. Hierbei will ih bemerken: nit rihtig finde ih die großen Lagerhäuser. Diese großen Lagerhäuser verwerfe ih, ih bin

)

| auf einem anderen Boden erwachsen M auf dem cinen oder anderen Wege, E Deutshtum zu erhalten und zu ftärken; denn meiner Ansicht nah ift 4 es die selbstverständliße Pflit der preußishen Staatsverwaltung,

E in Posen und Wesipreußen an Fkeiner

M 2329, zufammen also in 10 621

Mim Jahre 1904 65 197 Berufungen

der zur Entschädigung verpflicteten MeidSversiherungsamt bearbeitet worden, ton denen 170 aus dem

Michen

Wwerbe-,

nit ihr Freund, ih bin unauS8geseß8t bestrebt, sie zu beseitigen; sie bringen eiaerseits für die Landwirte feinen Nuten, bergen aber auf der andern Seite zweifellos einen \Grweren Schaden in sich für den Kaufmann und den Handelsstand in den leinen Südten. (Sebr rihtig! rechts.) Im übrigen glaube ic, Hzrr Aronfokbn wird es mir au zugeben, daß zweifellos für eine ganze Meibhe von Städten in Posen und West- preußen gerade der Kranz deutscher Ansiedelungen um diese Städte wesentlih dazu beigetragen bat, den fleineren. deutschen Handwerker und Kaufmann zu stärken unD ich fann rur diese Zunahme der polnisen Bevölkerung in den Städten aufrichtig bedauern. (Unruhe bei den Polen.) Ich bedaure €s seBbr und au die Staatsregierung bedauert es sehr, daß man von polnischer Seite über den deutschen Handwerker und Kaufmann einen Boykott verhängt hat. (Unruhe und Zurufe bei den Polen: UzrngekeHrt! ODho! rechts.) Meine Herren, ih darf doch wobl ohne Einfpruderbebung der Herren (zu den Polen) Sie haben jawohl nacHber Gelegenheit, mir zu antworten —, die Ueberzeugung konstatieren, von der die Staatsregierung dur- drungen ist, und für deren Micßtigkeit vielfahe Beweise vorliegen : Es wird doch aller Orten und zu jeder Zeit in polnishen Zeitungen hervorgeboben, unter keinen Umständen bei einem deutschen Kaufmann, hei einem deutschen Handwerker Bestellungen zu machen! (Sehr richtig! rechts.) Darum hat die deute landwirtshaftlihe Bevölkerung die Pflicht, in engem Konner mit den Städten zu leben. Ich befinde mih nah dieser Nihtung vollständig mit tem Herrn Abg. Aronsohn in Uebereinstimmung, aber id glaube nit, daß dieser Kaufmann, den Sie hier der Ansiedelungskommifsion anfügen wollen, dieses erwünschte Ziel uns erreichen lafsen würde. Man muß es sich vergegenwärtigen, daß diese bedenkliße Erscheinung für Die deutschen Städte des Ostens, die wahrlih Jahrhunderte lang Den Kampf mit Erfolg geführt haben, ist. Hoffentlih gelingt es aber aut in den kleinen Städten das

nah jeder Richtung bin darüber zu wadhen, daß das pvolnishe Element Stelle irgendwel{e Fortschritte zu verzeichnen bat. (Bravo!) :

Um 4!/4 Uhr vertagt Das Haus die weitere Beratung auf Dienstag 11 Uhr; außerdem jteHen der Etat der Lotteriever-

Ÿ waltung, kleinere Etats unD das Etats3gesey auf der Tages- M ordnung für Dienstag.

Statistik unD Volkswirtschaft.

Der dem NReichekanzler alljährlich einzureibende Geschäfts- beriht des NeichsversiherungSamts ift für das Jahr 1904 das 20. Geschäfisjabr des Amts erstattet worden und dem Neichstaae zugegangen. j

Nach dem Bericht waren auf Dem Gebiet der Unfallver- siherung mehr als 19 Millionen Wersiherte vorhanden.

Die Zaktl der angemeldeten Unfälle betrug nah einer vorläufigen Ermittelung 582 648, die der erstmalig cntschädigten Unfälle 138 562. Die gezablten Entschädigungen beliefen sch nah einer vorläufigen

Die Uebernahme des Heilverfabhren® innerhalb der ersten 13 Wochen nach dem Unfalle (S 76e des Franken versiherung8gefeßes) erfolgte im

M Ermittelung auf 126763163 #6

M Jahre 1903 seitens der gewerblichber WBerufêgenofsenshaften in 8292,

seitens der land- und forstwirts{aftlichen Berufsgenossenschaften in Fâllen.

Schiedsgerichte für Arbeiterverfierung (Kaiserlihe Verordnung vom 22. November 1900) bestanden am Sölusse des Berichtsjahres 123. Bei diefen sind aus dem Berziche vcr Unfallversiherungégesetze anbângig geworden gegenüber 375 696 Bescheiten der FeststellunoSsrgane. Außerdem wurden im Berichtsjahre bei den Scied8gerichten 10992 Anträge gemäß § 88 Absaß 3 des GewerbeunfallversiczerungLgeseßes und der entsvrehenden

WParagrapben der übrigen Unfallversicerungägefeße vom 30. Juni 1900

auf anderw:ite Fesistellung der Mente geftellt.

__ Gegen Schiedsgerichtsurteile, wel{e im Nekursverfahren der Zu- tandigkeit des NeicheversiherungSamt8 unterlagen, waren 23 665 Ne- urse zu bearbeiten, ron denen 7192 aus den Vorjahren übernommen wurden. Die neu eingelegten Ne kurse, 16473 gegen 15 625 im Jahre

1303, baben also im BerichtejaHre rvoiederum eine erbeblihe Steige- rung erfahren. MAlbsoß 1 und 2 und § 85 des GewerBeunfallversiherungsgefeßes und

Außerdem sind auf Grund des §8 73 Absatz 2, § 83

er einschlägigen Bestimmungen der ÜüBrigen Unfallversiherung3gesetze om 30. Juni 13900 im Berichtsjahre 430 Anträge auf Feststellung Versicherung8träger bei dem orjabre stammen. Durch Urteil wurden 14 967, durch Beschluß als nzulälsig, verspätet oder offenbar ungerechtfertigt und auf andere tirt (Zurücknahme, Vergleich usw) 1893, zusammen 16770 Rekurse ledigt. In 1140 Sitzungen baben 17 352 mündlihe Verhandlungen laitgefunden. Davon entfallen 864 Sigungen mit 13297 münd- Verhandlungen auf Nekurse aus dem Gebiete der Ge- Werbe, Bau- und Seeunfallversiherung, 276 Sihungen mit 4055 Verhandlungen auf MNekurse cus dem Gebiete der land- und

ritwirtschastlihen Unfallversicherung. Unter den 1140 Sitzungen

nd 2 tes „Erweiterten Senats“. Beweiserhebungen wurden in 4600 Fällen bes{lofsen. Unter 14 967 der Urteil erledigten Rekursen Mefanden si 4355, das find 29,1 2/9 (1903: 30,50°/o), durch welche

e Swhiedsgerichtsurteile völlig oder teilweise abgeändert wurden.

Wei den Nekursen der Versicherten betragen die entsprehenden Prozent- Mblen 22,3 (1903: 22,9 9/0),

Ja 1 bei denen der Berufegenossenschaften

1,6 (1903: 52,50 o).

_Nach Ueberwindung der hauvtsähzidtsten, mit der Einfübrung der nfallversicherungsgesetze vom 30. Iunt 1900 verbundenen Schwierig- iten batte sich die NRechtspretung des ReiLEversiherungéamts, wie von im Jahre 1903, auch im Beribtsjahr in erheblihem Umfange l neu auftaubenden Fragen grundfäglider Natur zu befassen. Die idtigeren Ertscheidungen bceziezen si inébesondere a-f die Frage, d ein Unfall bei dem Betriebe vorliegt, auf den ursäh- en Zusammenkanz zwishen dem festgestellten Leiden und t Unfaliverlezurg, die Wersicherungspflidt der Verlegten, n Umfang der Entschädigungen, die Becrehnung dcs der entenberehnung zu Grunde zu Legeuden Jahre8arbeit8verdienstes, die emcsung des Grades der Erwerbsunfähidfeit, die Veränderung der erbâltnisse, die Beteiligung mebcerer Versicherungsträger an der itidâdigung, das Verhältnis des FJnlands zum Auslande kei blung der Renten, die AuSlTeaung wichtiger statutarischer Be- mungen der Beruf8genofsens{aften, das formelle Verfahren in sallverfiherungsitreitsachen.

Vie land- und forstwirtihafilihe Unfallstatistkk ncch den Er- unaen aus dem Jahre 1901 ift im Beriÿtsjabr abgestlossen und 2 Teilen (Amtliche Natrihten des NReichéversiherungéamts 1904 und 2. Beiheft) veröffentlicht. i &Ur 19 gewerblihe Berufëgencssenschaflen wurde ein neuer Ge- rentarif genehmigt. . L Von den landwirtshaftlicben Berufszenossenshaften ist einer rufszenossenshaft ein reuer Gefahrentaif und einer anderen tie ibehalturg des bisber geltenden Tarifs genehmigt worden.

Gefahrentarif-, Umlage-, Prämien- und Abtschäßungébeshwerden

Veber die Aufnahme von Betrieben in die Genofsenschaftskataster (Unternehmervexzeihnifse) war in 3041 Fällen eins{ließlich der 1004 aus dem Vorjahre stammenden Fälle zu ents{eiden. Hiervon wurden 2212 Sagen erledigt. An Straf- und sonstigen Beschwerden aller Art waren im Berichtsjahre 9563 darunter 2377 aus dem Vorjzhr anbängig, von denen 7343 ihre Erledigung fanden.

__ Arbeiterbilfsgesue sind im Berichtsjahre 2276 eingegangen ; diese Zakl ist um 53 kleiner als im Vorjabre.

9 gewerblichen Berufsgenossenshaften wurden im Berichtsjahre die abgeänderten oder ergänzten Unfallverhütungsvorschriften genehmigt. 2 dieser Vorschriften enthalten die Bestimmung, daß fremdsprachige Arbeiter nur eingestellt werden dürfen, wenn sie die deutshe Sprache forveit beberrichen, daß sie die mündlichen Anweisungen ihrer deutschen DBorge]eßten und Mitteilungen ihrer Mitarbeiter rihtig auffafsen und die in deutsher Sprache erlafsenen Unfallverbütungêvorschriften ver- steben. Für 7 weitere Berufsgenossenshaften sind die Ent- würfe teils neuer, teils abgeänderter oder von Nachträgen zu bereits bestehenden Vorschriften eingegangen und zur Genehmigung vorbereitet worden. Von der Seeberufsgenossen- schaft ist ein besonderer Nachtrag zu den Unfallverhütunas- vorschriften, der sich mit Schußmaßnahmen gegen die grofen Gefahren an Bord der Fishdampfer beschäftigt, beihlofsen. Ferner hat die Knappschaftsberufägenossenshaft, welche bisher keine Unfall- verbütung8vorschriften besaß. im Berichtsjahre beshlossen, für diz- jenigen Nebenbetriebe, welhe niht der Bergaufsihtsbehörde unter- steben, folWe Vorschriften zu erlassen. Die darauf bezüglihen Vor- arbeiten find bereits in Angriff genommen, fodaß zu erwarten stebt, daß demnächst fämtlide dem Neichsversiherungëamt aus{ch{ließlih unterstellten 61 gewerblihen Berufêgenofsenschaften Unfallyzrhütungs- vorschriftea besitzen.

Die von den land- und forftwirlschaftlißen Berufsgenossenschaften im Jahie 1902 zur Ausarbeitung von Normalunfallverhütungs- vorsriften gewäblte Kommission hat unter Zuziehung landwirtschaft- lier Sachverständiger und unter dem Beirat von Vertretern des NReichéversicherung8amts im Berichtsjahre Vorschriften für landwirt- schaftlide Nebenbetriebe gewerbliher Art ausgearbeitet. Bei ses landwirtschaftlihen Berufêgenossenschaften haben die Gencssenschafts- versammlungen bereits UÜnfallverhütungevorsHriften angenommen, die zur Zeit dem Reichsverficherungsamt zur Genehmi- gung vorliegen. Die meisten anderen dieser Genossenschaften

aben Entwürfe ausgearbeitet, die zur Zeit noch geprüft werden. Die oben erwähnte Kommission ist beauftragt worden, nunmehr Normalvorschriften für andere lande und forstwirtshaftlihe Betriebs- einrihtungen und Arbeitstätigkeiten zu entwerfen. __ Die Beachtung der für die Unfallverhütung erlassenen Vorschriften seitens der Betriebsunternehmer und Arbeiter lassen 59 gewerbliche Berufsgenofsen\sbaften durch 250 technische Aufsihtebeamte überwachen. Die Zahl dieser Beamten ist gegen das Vorjabr um 33 erböht worden. An dieser Vermehrung sind die Baugewerksberufêgenossenshaften mit 19 Neuanstellungen beteiligt.

Auf der Weltauéstellung in St. Louis bildeten die Vorführungen

des Reichsversiherung8amts und des Kaiserlichen Statistishen Amts eine besondere Ausêstellungs8abteilung „Die Arbeiterversiherung des Deutschen Re:ch8“. Das internationale Preisgeriht hat die Gesamt- ausstellung durch 15 große Preise und 15 goldene Medaillen aus- gezeihnet. Außerdem ist dem Präsidenten des Reichsversihexung8amts die in jeder Abteilung von der höheren Jury nur einmal verliebene große goldene Arbeitsmedaille zuerkannt, weil die Vorführungen als die beste, vollständiaste und am \{chönsten eingerihtete Ausstellung in der Abteilung „Sozialökonomie“ angesehen wurden. __ Dienstordnungen für Genofsenshhaftsbeamte sind im Berichtsjahre für 2 gewerblihe und 1 landwirtshaftliße Berufsgenossenschaft be- stätigt, sodaß nunmehr für fämtlihe Berufsgenossen!%aften, bei welden nicht Staats- oder Kommunalbeamte verwendet werden, Dienstordnungen bestehen. Mit einer Reihe von Berufsgenossen- schaften, die bisher die Verleihung von Pensionsrehten sowie Witwen- und Waisenversorgung nit vorgesehen batten, sind entsvrehende Ver- handlungen eingeleitet, die in einem Falle den angestrebten Zweck zur Folge batten. Mit 5 Berufsgenossenshaften sind diese Verhandlungen noch nicht zum Abschlusse gebracht.

Die bei der Feststellung der Ents{ädigungen besonders zu be- aŸtenden Gesichlspunkte sind in einem Nundschreiben neu zusammen: gestellt und in den Amtlichen Nahrichten des Reihsversiherungsamts veröffentliht worden. j

Weitere Rundschreiben betreffen das Ruhen der Rente, den Fort- bezug der Unfallrenten und die Gewährung des Ansprucks auf Hinter- bliebenenrente bei Ausländern und den Uebergang der Entshädigungs- ansprüche Unfallverleßgter gegen haftvflihtige Dritte auf die Berufs- genossenschaft.

__ OHirsich!lih der Rentenauszablung und der Abrehnung der Ver- siherungêträger mit den Zentralpostbehörden haben zwishen deni Reichsversicherungsa1:.t, dem Neichspostamt und den Versicherungs- trägern Verhandlungen stattgefunden, die im Berichtsjahre aber noh nicht zum Abschlusse gebracht sind. i

___ Die genossenschaftliche Vermögen8verwaltung wurde im Berichts- jahie in 68 Fällen durch das Reichéversicherung8amt geprüft. Ferner wurden in Ausöbung +der Aufsihiébefugnis 125 Absatz 4 des Gewerbeunfallversiherungsgeseß-s vom 39. Juni 1900) im Jahre 1904 vom Reichsversicherungéamt 6 Unfallkrankenhäuser, welhe sich zwar als private Unternehmungen einzelner Aerzte oder einer Ver- einigung von YAerzten darstellen, aber sih ausschließlich oder fast aus- {ließlich mit der Behandlung von Unfallverleßten befassen, einer Revision unterzogen worden.

__ Von den Vorschriften des Neichsversicherungsamts, durch welche die Uebertragung von Verwaltungsgeshäften auf die Geschäftsführer geregelt ist, haben 41 Genoffen\hafts- und 122 Sektionsvorstände Gebrauch gemacht. i __ Neue Anträge auf Schaffung von Haftpflihtversiherungsein- ribtungen sind im Berichtsjahre bei-n Reichsversicherunzëamt nit gestellt worden. Die früher gestellten Anträge sind dem Bundesrat jämtl:ch übermittelt.

R die im Jahre 1903 ausgeschiedenen nihtständigen Mitglieder des Neiihsversiherungsamts haben im Berichtsjahre Nahwahlen statt- gefunden. Das Wakhlergebnis ist veröffentlicht.

Auf dem Gebiete der Invalidenversicher ung waren bis zum SYlusse des Jahres 1904 inégesamt 1639 924 Invaliden-, Kranken- und Alterêrenten anerfannt, von denen am 1. Januar 1905 noch 897 428 weiter zu zahlen waren. Von den Ansprüchzn auf Beitrags- erstattungen find bis zum Schlusse des Berichtsjahrs 1 469 218 anerkannt worden. An die NRentenempfänger usw. wurden im Berichtsjahte uan Ener vorläufigen Feststellung ctwa 150 Millionen Mark ver- auêgabt.

Bei den Sciet8gerihten wurden im Berichtsjahre 27 584 Be- rufungen anbängig, während die Versicherungsanstalten usw. in dem- selben Zeitraume 400 371 berufungsfähige Bescheide in Jnvaliden- und Altersrentensachen erlassen haben.

_Gegen Schiedsgerichtsurteile wurden 4661 Revisionen in Jn- validenrenten-, 137 Revisionen in Altersrentensahen, zusammen 4798 Revisionen eingelegt. Zu bearbeiten waren, ein\{ließlih der aus dem Vorjahre unerledigt übernommenen, 6300 Invalidenrenten- und 196 Alterêrentensahen, zusammen also 6496 Sachen. Hiervon wurden erledigt durch Urteil 4327, auf andere Weise (Zurücknahme, Verglei usw.) 470, zusammen also 4797 Revisionen. In 321 Sißungen haben in 4401 Sachen mündlihe Veihandlungen stattgefunden. Davon sind vor dem „Erweiterten Senat“ in 1 Sigung 5 Sach:n, vor dem „Verstärkten Senat“ in 8 Sitzungen 38 Sachen und vor dem „Engeren Senat“ in 312 S zungen 4358 Sacben verhandelt worden. Vor dem ,Ver- stärkten Senat“ erging außerdem in 2 Streitsahen aus § 113 Absay 2 aid und in 1 Streitsahe aus §§ 75, 110 Absay 1 Ziffer 1 Ent-

eidung.

Von den 4327 durch Urteil erledigten Revisionen wurde das Schiedsgerichtsurteil in 3417 Fällen bestätigt und in 187 Fällen völlig

rden im Berichtsjahre 2155 behandelt, von denen 557 aus dem tjahr übernommen waren. Erledizt wurden 1731.

oder teilweise abgeändert. In 723 Fällen wurde die Sache an das Stiedsgeriht oder an den Vorstand zurückverwiesen. In 5 Fällen,

in denen der zunächst mit der Sache befaßte Senat von einer früheren Entscheidung abweihen wollte, hattz der „Erweiterte Senat“ zu entscheiden j i: j s Bon der im den Boriständen der Versiherungsansta B°e s. f Streitfällen über die E 15pflit iber s e treit iber die Versichezungspflicht siherungsberehtigung bestimmter Persoren die Entscheidung des Neichsversiherungsamts herbeizuführen, haben die Vorstände im Berichtsjahre wiederum vielfah Gebrau gemat. E In zahlreihen Fällen wurden an das Reihsversiherungsamt au im Beritejahre wieder Anfragen über Gegenstände der Ver- sih?rung gerichtet, auf welche vielfa eine fahlide Antwort nicht er- teilt werden konnte, da für die Uuskunftserteilung in Invalidensachen in erster Linie die unteren Verwaltungsbebörden zuständig sind. Arbeiterbilfsgefuhe usw. find im Berichtsjabre 1252 eingegangen. E Die Ablehnung oder Auëübung des Heilverfahrens seitens der Versicherungsanstalten hat den Versicherten usw. in zablreihen Fällen Anlaß gegeben, sih beschwerdeführend an das Neichsversiherungsamt zu winden. Eine sabliche Prüfung dieser Eingaben konnte in der Negel nicht stattfinden, da die Anstalten darüber, ob und in welcher Weise sie die Heilbehandlung übernehmen wollen, selbständig zu ent- schziden haben. Dagegen hat das Amt zu der Frage der Angebörigen- unterstüßung und des Ersaßanspcuch8s der eine Heilbebandlung ge- währenden Versiherungsanstalt gegenüber den Krankenkassen mehrfach grundsäßlich Stellung genommen. : __ Vie mit dem Jahre 1897 beginnen ist bis eins{lieflich 1993 ergänzt woe 184 049 Personen, deren Behandlung 43 517 840 A erforderte. __ Die auf die Bekämpfung des Alkobolmißbrauchs gerihteten Be- sirebungen sind durch Empfehlung einschlägiger Schriften, sowie dur besondere Ancegung einer Aenderung der Freibiergewährung in den Brauereibetrieben unterstüßt worden. j

__ Anträge auf Zulassung besonderer Leistungen im Interesse der der

Versicherungsanstalt angehörenden Rentenempfänger, Versicherten sowie ibrer Angehörigen aus den Uebershüssen des. Sondervermögens der Versicherungsanstalten 45 des Inbralidenversicherung8gesetzes) sind au im Berichtsjahre mebrfach gestellt und vom Bundesrat genehmigt worden. _ Die Errichtung von Invalidenhäusern hat insofern einige Fort- schritte gemacht, als eine Versierungs8anstalt ihr Invalidenbaus er- weitert und eine befondere Kassenecinrihtung ein neues Invalidenheim erritet und den Bau zweier weiterer Invalidenbeime in Aussicht ge- nommen hat. Von ¿wei Versicherungsanstalten ist die Errichtung néuer Invalidenheime gleihfalls geplant. Außerdem werden von ein- zelnen Versicherungsanstalten auß Rentenewvfängec an Anstalten, die von Dritten unterbalten werden, überwiesen.

j Die Geschäftsführung wurde durch das Reich2versiherungsamt bei 10 Versicherungsanstalten geprüft, womit gleihzeitig eine Be- sichtigung der von den einzelnen Versicherungs8anstalten für die Ver- sicherten geschafenen besonderen Einrichtungen, insbesondere der Krankenhäuser, Lungenheilftätten usw. verbunden war.

Für 6 Versicherung8anstalien wurden SaßungLänderungen ge- nehmigt. __ Die Berichterstattung der Versicherungs8anstalten über die Kontroll- tâtigkeit bezüglih der Beitragsleistung hat ergeben, daß durch diese Kontrollen soweit sie in größerem Umfange geübt werden, bedeutende Erfolge zu erzielen sind. Die für fünf Versiterungsan stalten seither nur auf ein Jahr genehmigten Kontrolluors{riften sind nunmehr ohne Beschränkung der Gültigkeitsdauer genehmigt worden.

__Zu gemeinnüßigen Zwecken warèn aus den Vermögens- beständen der Versicherungs8anstalten und der zugelassenen besonderen Kasseneinrihtungen bis zum 31. Dezember 1904 leihweise hergegeben :

1) für den Bau von Arbeiterwohnungen . 133 191 510 M ___ 2) zur Befriedigung des landwirtschaftlichen Kreditbedürfnisses E

3) für den Bau von Kranken- und Genesungs-

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§ 155 Absatz enversiherung8zefeßes

1 C 2 L DES 21 l Fr

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de Statistik der Heilbehandlung

orden und umfaßt nunmehr E (

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73 452 931 ,„

häusern usw. sowie für andere Wohlfahrt8einri{tungen 178 304 006 ,

j zusammen 334 948 447 M __ Für die Errichtung eigener Kranken-, Genesungs-, Invaliden- häuser usw. hatten die Anstalten bis zum Schlusse des Berichtsjahres 33 021 005 M verausçabt.

_Veber Beschwerden gegen die Kostenverteilung der Schiedsgerihts- vorsizenden (nah den hierfür vom Reichsversiherung?amt im Jahre 1902 erlaffenen Bestimmungen) war im Berichtsjahre in 33 Fällen zu entscheiden.

Bei der Nechnungsstelle des Reihsversiherung8amts gingen im Berichtsjahr über bewilligte Renten 167 903 Zählkarten ein, von denen 988 wegen ungenügender Angaben beanstandet werden mußten.

Eine Statistik? über die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit ist im Berichtsjahr als 2. Beihbeft zu den Amtlichen Nachrichten des Reichs- versiherungëamts für 1903 veröffentlicht worden.

In den „Amtlihen Nachrichten" d:s ReichsversiBerungsamts wurden im Berichtsjahre aus dem Gebiete der Unfallversicherung 46 Rekursentscheidungen und Verwaltungsbescheide, aus dem Gebiete der Invalidenversiwerung 79 NRevisioneentsheidungen, Entscheidungen aus § 155, § 75, § 110 Absay 1 Ziffer 1 und 3 und § 113 Absay 6 des Fnvalidenversicherungs8gesezes und Verwaltungsbescheide veröffent- lit. Aerztlide Obergutachten gelangten mit Zustimmung der Ver- fasser 11 zum Abdruck.

Die Gesamtzab!l der bearbeiteten Nekurse, Revisionen und Be- {werden betrug, abgesehen von den Arbeiten der Rechnungsstelle, 42 964, von denen 11 028 unerledigt geblieben find.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Lohnbewegung der Korbmacher und Hilfsarbeiter in der Gebr. Neichiteinschen Kinderwagenfabrik in Branden- burg a. H. (vgl. Nr. 56 d. Bl.) hat, wie die „Voss. Ztg.“ erfährt, zum Ausstand geführt. Wie {hon mitgeteilt, fordern sie Erhöhung der Löhne für Akkordarkeit, ferner Verkürzung der Arbeitszeit. Ohbs- wohl ein Teil der Forderungen bewilligt war, führten die Differenzen noch am Sonnabendabend dazu, daß 146 Mann in den Ausstand traten oder von der Fabrikleitung entlassen wurden.

Aus Winterthur wird der „Frkf. Ztg.“ telegraphiert, daß die dort tagende Delegiertenversammlung des \chweizerischen Textil- arbeiterverbandes sih für den Zusammenschluß zu einem großen \chweizerishen Terxtilarbeiterverband entschied.

Der Grubenarbeiterverband des Kohlenbeckens von Charleroi hat, wie ,W. T. B.* meldet, in seiner gestrigen Dele- giertensizung die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen. Damit ist, nachdem hintereinander in dem Becken von Lüttich, dem Mittel- beden und dem Borinage die Arbeit wicder aufgenommen worden ist, die Ausstandsbewegung der belgishen Gruben- arbeiter beendet. (Vgl. Nr. 54 d. Bl.)

Hand?el und Gewerbe.

(Aus den im Neichsamt des Innern ¡usammengestellten

eNachrichten für Handel und Jndustrie“). Französisch-Guinea. _ Zolltarifent wurf. Wie die Revue du Commerce Extórieur erfährt, ist ein von dem Gouverneur von Französish-Guinea dem Generalrat vorgelegter Zolltarifentwurf, der sowohl in den Ver- waltungs8gebieten des eigentlihen Guinea wie des Senegal Anwendung finden soll, bereits von dem Genecralrat angenommen und wird dem- nächst dem Conseil d’État zur Genehmigung unterbreitet werden. In dem neuen Tarif, dessen Inkrafttreten vor dem Monat Juli d. J. nit zu erwarten sei, soll für alle niht französisGen Waren ein Zoll- zuschlag vorgesehen fein.