1905 / 65 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Leonhard, rede, Wurm, Prinz

Tann,

Fnama v. Sternegg, Infanterieregiment und Kellermann im 10. Infanterieregiment im 11. SInfanterieregiment von der l rhrn. v. Pehmann im 12. Inf. Regt. Prinz Arnulf, Fröhr, Engelen und Neumaier im 13. Inf. Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, Heiß und Lenz im 14. Inf. Regt. Hartmann, Daser und Bischoff im 15. Inf. Regt. König Georg von Sachsen, Frhrn. v. Luß, Ziegler, Haag und alfner im 16. Inf. Negt. Großherzog Ferdinand von Toskana, e A Ginand und G, im 17. Inf. Regt. Orff, Amberger und Meuth im 18. Inf. Regt. Prinz Ludwig Ferdinand, Steger und Blumröder im 19. Inf. Regt. König Viktor Emanuel Il. von Îtalien, Benzino, Damboer, Ostertag und Kamerknecht im 20. Inf. Regt, Funkler, Schäfer und Bezzel im 21. Inf. Regt., Bracker im 22. Inf. Regt., Klahr im 23. Inf. Negt., Urlichs im 2. Jägerbat, Frhrn. v. Gebsattel und Gr. v. Spreti im 1. Schweren Neiterregt. Mes Karl von Bayern, Schäffer vom 1. Ulan. Regt. Kaiser Wilhelm I1., König von Preußen, bei der Eskadr. Jäger zu Pferde des I. Armee- fory3s mit der Uniform des vorgenannten Negts, Weber im 2. Sthweren Reiterregt. Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich- Este, Wallner im 1. Ulan. Regt. Kaiser Wilhelm IL, König von Preußen, Kaufmann und Krieg im 2. Ulan. Neg. König, Zivpelius, Paraquin, leßteren mit dem Patent nach dem Fähnr. Strobl des Cisenbahnbats., und Frhrn. Kreß v. Kreßenstein im 1. Chev. Regt. Kaiser Nikolaus von Rußland, Meyn im 2. Chev. Regt. Taxis, Vogl und Mühe im 3. Chev. Regt. Herzog Karl Theodor, Renz, Frommel und v. Hartlieb gen. Walsporn im 4. Chev. Regt. König, Leythäuser im 5. Chev. Regt. Erzherzog Albrecht von Oesterrei, Gewinner und v. Huber-Liebenau im 6. Chevy. Regt. Prinz Albrecht von Preußen, Hartmann und Zenetti im 10. Feldart. Negt., A und Poeschel im 12. Feldart. Regt, Kaiser im 1. Fußart. Regt. vakant Bothmer, Sturm im 2. be Regt, Schmeßer des 1. Pion. Bats. und Strobl des Eisenbahnbats., beide im 1. Pion. Bat., Schnell und Drechsler im 2. Pion. Bat, Windisch im 3. Pion. Bat., Eberle im 1. Traïinbat. und Woerler vom 1. Trainbat. im 2. Trainbat., ferner überzählig die Fähnriche Frhrn. Schilling v. Canstadt im 1. Feldart. Regt Prinz-Regent Luitpold, Seither im 2. Feldart. Regt. Horn, Arendts im 3. Feldart. Negt. Königin-Mutter, Ritter u. Edlen v. Schallern im 6. Feldart. Regt. und Pottiez im 7. Feldart. Regt. Prinz-Ne ent Luitpold; zu charakterifieren: als Oberst den Oberstlt. Frhrn. v. è eizenstein, persönliher Adjutant Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Alfons von Bayern; Patente des Dienstgrades zu verleiten: den Majoren Keim (12), Adjutant bei der 1. Div., Riedl (13), Adjutant bei der 3. Div.,, Maunz (11), Adjutant beim Generalkommando III. Armee- korps, Jodl (2) und Burkhardt (5), Abteil. Kommandeure im 2. Feldart. Regt. Horn, Bauer (4), Abteil. Kommandeur im 10. Feldart. Regt.,, und Köhl (7) beim Stabe des 1. A art. Regts. vakant Bothmer, dem Hauptmann Veith, Komp. Chef im 3. Inf. Regt. Prinz Karl von Bayern; aus Anlaß der Feier Allerhöchstihres vor 70 Jahren erfolgten Ein- tritts in das 1. Feldart. Regt. : die Erlaubnis zu erteilen, neben der bisherigen Uniform jene des 1. Feldart. Negts. Prinz-Regent Luitpold zu tragen: dem Gen. der Inf. ¿. D. Keller v. Schleitheim, rhrn. v. u. zu Isenburg, den Gen. Lts. z. D. Ritter v. Schuh, heodor v. Bomhard und Ritter v. Keller; zu verleihen: dem Obersten a. D. v. Trentinti den Charakter als Gen. Major; aus Anlaß der Eröffnung des Armeemuseums: dem Rittm. Gr. zu Törring- Fettenbach à la suite der Armee, den Charakter als Major. b. im Sanitätskorys: im aktiven Heere: am 7. d. M. zu befördern: zu Oberärzten (überzählig) die Assist. Aerzte Grillmeier im 13. Inf. Reat. Kaiser Franz Ioseph von Oesterreich, Dr. Aurn- hammer im 16. Inf. Regt. Großherzog Ferdinand von Toskana, Dr. Sauer im 11. Feldart. Negt. und Peters im 2. Fußart. Regt. ; im Beurlaubtenstande: am 7. d. M. den Stabsarzt der Landw. 1. Aufgebots, Prof. Dr. Gustav Hauser (Erlangen) zum Ober- stabsarzt zu befördern.

sl und Häfner im 9. Ludwig, Saur Obermair und

Poel von Baden,

Aichtamítliches.

Preußen.

Stettin, 15. März. Der 32. Provinziallandtag von Pommern wurde heute dur den Königlichen Oberpräsidenten Dr. Freiherrn von Maltahn mit folgender Ansprache eröffnet:

„Hochgeehrte Herren! Indem ih den von Seiner Majestät dem Kaiser und König auf heute berufenen Provirziallandtag zu begrüßen die Ehre babe, teile ich Ihr Bedauern, daß Ihr langjähriger Vorsitzender, der Königlihe Wirklihe Geheime Rat von Köller durch eine, hoffentlich nur vorübergehende Erkrankung gezwungen ist, Shren Beratungen fern zu bleiben und daß Sie daher diesmal seine bewährte, aveiBiige und fördernde Leitung entbehren werden. :

Mit dem gesamten Vaterlande hat die Provinz Pommern, die [es langer Zeit gewohnt ist, die Erben der preußishen Krone'als ihr

esonde18 nbeltekeub anzusehen, die Nachricht der Verlobung Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen mit freudigster Teilnahme aufgenommen. Den Beschlüssen, die der Provinzialauss{chuß über eine bei der bevorstehenden Vermählung des hoben Paares im Namen der Provinz darzubringende Hoe legale gefaßt hat, werden Sie die vorbehaltene Genehmigung sicher nicht versagen.

Ein im vergangenen Jahre von Ihnen gefaßter Beschluß, zu den Kosten der Uferbefestigungen an der besonders gefährdeten Küsten- strecke bei Funkenhagen, Bornhagen und Sohrenbohm einen Beitrag zu leisten, hat ‘es ermögliht, die nur unter dieser a be- willigten Staatsgelder von mehr als 600 000 Æ für diesen Üfershuß flüssig zu machen. Der Bau hat begonnen, und die im vorigen Sommer ausgeführte Strecke der Anlage hat sich in den {weren Fluten dieses Winters bereits bewährt. An den benachbarten ungeschüßzten Streken dagegen und mehr noch an der Vorpommerschen Küste ist abermals dur die Fluten des vergangenen Dezember und Januar s{chwerer Schaden entstanden. Wenn dadurch auch in besonders hohem Maße solche Anlagen betroffen sind, für die der Staat oder leistungsfähige Kommunalverbände aufzu- fommen haben, so sind doch au eine nicht unerhebliche Anzahl von Angehörigen unserer Provinz in ihrem Nah- rungsstande derart gefährdet, da eine Unterstüßung aus öfentlihen Mitteln notwendig erscheint. Da nach den Ihnen bekannten Grundsäßen Staats3gelder für derartige Zwecke nur dann gegeben werden, wenn auch die engeren Kommunalverbände belfend eintreten, die Ermittelungen aber noch nicht zu Ende geführt sind, so wird der Provinzialaus\{chuß von Ihnen die Ermächtigung erbitten, die erforderlichen, voraussfichtlich niht sehr beträhtlihen Summen eintretendenfalls zur Verfü ang zu stellen.

Unter den was Swirticda tlihen Vorlagen, welhe den Landtag

der Monarchie seit Jahren beschäftigt haben, sind zwei E unsere

Provinz von besonderer Wichtigkeit. Steht nach mens{l aus\iht dem Zustandekommen der von der Hauptstadt der langersehnten, den heutigen Verhältnissen entsprechenden

cher Vor-

egen, so ist der Ausbau der pommershen Oderstrecke tettins bereits durch ein Geseg festgestellt, für diesen Zweck unter gewissen lionen Mark Staatsgelder innerhalb un werden follen.

erer Provinz

Verhandlungen hervorgerufen, die zu

rgend

afser- verbindung mit Berlin ein ernsthaftes Hemmnis jeßt nicht mehr ent- oberhalb nach dem edingungen fast 42 Mil-

j verbaut Die Hauptbedingung einer Einigung zwischen den Provinzen Brandenburg und Pommern über den von Ihnen zu über- nehmenden Anteil an den Baukosten hat langwierige und shwierige“ einem endgültigen Abschluß

rüfung in der Hoffnung, daß Ihr Beschluß die Ausführung eines Gerres mögli machen wird, das die {were und von Jahr zu Fahr zunehmeude Gefahr einer Vernichtung des alten Reichtums des Odertals zu beseitigen bestimmt und geeignet ist. S Diese und die übrigen Ihrer wartenden Aufgaben, von denen ih nur eine Vorlage über die Errichtung einer Stistung aus Anlaß der im Februar 1906 bevorstehenden Silberhochzeit SFhrer Majestäten und eine solche über die ssrsorge für Ihre Beamten und Angestellten, die dur Betriebsunfälle geschädigt werden, hervorheben möchte, werden Ste, wie ih wsiß, mit gewohnter Sorgfalt prüfen und erledigen. Sn der gewissen Hoffnung, daß unter Gottes Beistand au Ihre diesjährigen Beschlüsse zum Heile unserer geliebten Heimats- provinz gedeihen werden, erkläre ich auf Befehl Seiner Majestät den 32. Provinziallandtag der Provinz Pommern für eröffnet.“

Unter dem Vorsitz des Älterspräsidenten, Wirkliczen Geheimen Nats von Rexin brachte die Versammlung zunächst ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirklichen Geheimen Rat von Koeller- Kantreck zum Vorsitzenden und den Der Eer Geheimen Regierungsrat Haken zum Stellvertreter des Vorsißenden. Nach der Wahl der Schriftführer und Feststellung der anwesenden Mitglieder durch Namen3aufruf E die Bildung der Abteilungen, die Mitteilung des Vorfißenden über die vorliegenden Geschäfts]ahen und deren Verteilung an die Abtei- lungen. odann wurden Wahlprüfungen vorgenommen.

Deutscher Reichstag. 164. Sigung vom 15. März 1905, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tage3ordnung: Fortsezung der zweiten Beratung des Neichshaushaltsetats für 1905 bei dem Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei und den dazu gestellten, im Wortlaut bereits mitgeteilten sieben Nesolu- tionen.

Ueber den Anfanc Nummer d. Bl. berichtet. (Zentr.) nimmt das Wort der

Reichskanzler Dr. Graf von Bülow:

Fan Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Vorredners habe ih das Nalstehende zu erklären :

Das Skreben der reichsländishen Vertretung, Elsaß-Lothringen zu einem selbständigen Gliede des Deutschen Reiches zu machen und namentlich eine selbständige Vertretung im Bundesrat zu erlangen, bietet ven Beweis, wie schr das Bewußtsein der festen Zugehörigkeit Elsaß - Lothringens zum Reiche in der dortigen Bevölkerung Boden gefaßt hat. So sehr es den In- tentionen Seiner Majestät des Kaisers entspriht, und \o sehr ih selbst bestrebt bin, dieser erfreulihen Tatfsahe Rechnung zu tragen und den Wünschen der elsaß-lothringishen Bevölkerung Entgegen- kommen zu bezeigen, so handelt es sich doch bei dem in der vorliegenden Resolution gestellten Antrage um eine nach verschiedener Richtung hin überaus \{chwerwiegende politis@e Maßnahme, deren Durhführung erheblihen Schwierigkeiten und Bedenken begegnet. Es entsteht zunächst die Frage, durch welche Instanz die elsaß-lothringischen Bundesrats3- bevollmächtigten ernannt werden follen. Die Wahl derselben durch den Landesausshuß erscheint im Hinblick auf die die Organisation des Bundesrats regelnden Bestimmungen des Artikels 6 der Reichs- verfassung ausgesch!lossen- Ihre Ernennung durch den Kaiserlichen Statthalter würde dagegen dazu führen, den Einfluß Preußens im Bundesrate über die Absichten der Reichsverfassung hinaus zu mehren und damit das Verhältnis Preußens zu den anderen Bundesstaaten in etner für die letzteren ungünstigen Weise zu ver- schieben.

Auhh abgeschen hiervon, ist die in Rede stehende Angelegenheit von so hoher politisher Bedeutung und so weittragender Verant- wortung, daß den maßgebenden Stellen das Recht vorbehalten bleiben muß, ihrerseits den Zeitpunkt zu bestimmen, zu welchem eine Aende- rung der verfassungsrechtlichen Stellung Elsaß-Lothringens zu erfolgen haben wird. Jedenfalls muß ih meinerseits von einem näheren Ein- gehen auf den Antrag absehen, bevor nit alle eins{chlagenden Fragen im Schoße des Bundesrats zur Erörterung gelangt sind und eine Uebereinstimmung der verbündeten Regierungen über dieselben erzielt ist.

Abg. von Vollmar (Soz.): Kürzlih ging dur die deutsche Presse die Nachricht, daß der Reichskanzler gegen eine weitere Indienststellung deutsher Handelsschiffe zu Zwecken der russischen Flotte sich ausgesprohen habe und daß diese dann unterblieben fei. Wir meinen, jede Art von Dienstleistung dieser Art is eine Ver- legung der Neutralität. Jch bitte daher um Auskunft, wie es Zes damit verhält. Die Auslieferungsverträge, die 1885 zwischen Preußen bezw. Bayern und Rußland abgeschlossen sind, fordern wegen ibres Inhalts, wie wegen der Gründe ihres Beschlusses, wie wegen der Art ihres Zustandekommen3 die Kritik heraus. Sie haben, soweit mir bekannt, nirgends Beifall gefunden. Diese Verträge \{lagen allen bisherigen völkferrechtlihen Grundsäßen ins Gesicht, indem sie im Gegensaß zu allen anderen Verträgen die politischen Delikte, und zwar auh die wörtlihen Beleidigungen des Staats- oberbaupts und jedes beliebigen Großfürsten dem gemeinen Ver- brechen gleichstellen und die Auslieferung darguf segen. Ganz formlos wird die Auslieferung in allen möglichen Fällen in Aussicht genommen, sodaß zwishen Verbrehen und Vergehen nirgends unterschieden wird, sondern es bleibt dem anderen Staat lediglih überlassen, ganz besondere Gründe zur Verweigerung der Auslieferung geltend zu machen. Solche Aisaten ind von Preußen und Bayern an ein Land gegeben worden, das fih Rußland nennt. Jch weiß nicht, ob der Reichskanzler geneigt ist, heute das Argument für den Beschluß anzuwenden, das 1885 in Bayern Herr von Crailsheim vorbrachte, nämlich, daß Rußland seit dem Strafgeseßbbuch von 1866 im großen und ganzen fo nats auf der pöhe der modernen Strafrehtéwissenshaft und Strafrehtsgeseßgebung stehe. Er sagte, daß in Rußland eine mehr oder weniger geordnete Rechtspflege bestehe, und daß darum nicht zu befürchten sei, daß die Auzsgelieferten in einer der Humanität widersprehenden Weise in Rußland behandelt würden. Es ist wohl möglich, daß man derartiges unseren Unterhändlern aufgebunden hat, wer sich aber von den Tatsachen überzeugen will, wird gten daß von jenen Behauptungen das gerade. Gegenteil der Fall ist. Es gibt in Nuß- land überhaupt fein einheitlihes Strafgeseß, gewisse Delikte sind unter keinen bestimmten Paragraphen untergebracht.

der Sißzung wurde in der gestrigen Nach dem Abg. Dr. Spahn

Neben den geschriebenen Gesetesvorschriften wird eine große Menge, zum großen Teil geheimer Ukase zur Anwendung gebracht. Gewisse Richter sind absezbar. Dem Justizminister steht es frei, für jeden einzelnen Fall ein besonderes Prozeßverfahren vorzuschreiben, E die Sache dem regelmäßigen Gericht entzogen werden kann. Seit Jahrzehnten ist ganz Rußland unter Belagerung8zustand gestellt. Dazu kommt, daß es der Regierung vollkommen freistebt, alle Dinge nah freiem Belieben auf administrativem D ¡u behandeln. So ift es er-

Worte : es fehlt jede Trennung zwischen Justiz und Verwaltung, Geseß und Verordnung. Wegen politischer Delifte kann in Nußland fo gur wie jeder angeklagt werden. Bismarck hat das selbst sehr gut erkannt. In bezug u die politischen Delikte ist so gut wie alles in die Willkür der Behörde gestellt. Einer solhen Regierung gegenüber kann das Mißtrauen der zivilisierten Staaten gar nicht grob genug sein. Deswegen kann jede Auslieferung zu einem Verbrehen werden. 1885 hatte man gar nicht den Mut, den Vertrag im Reichstage einer De- batte zu unterziehen, man zog es vor, ihn durch Preußen abzu- \hließen, während er bei anderen Bundesstaaten auf Widerstand ge- stoßen sein soll; man hat sich bei ihnen einen Korb geholt. Von Preußen hatte man nichts zu befürhten. In der bayerishen Abgeordnetenkammer herrschte zwar große Entrüstung, man hatte ogar den Antragangenommen, den Vertrag bald zu kündigen und ibn einer Revision zu unterziehen; das Herrenhaus in Bayern hat diesen Beschluß wirkungslos gemacht. Warum ließen sih Preußen und Bayern auf den Vertrag ein? In der Begründung wurde angeführt, um eine Grundlage gegen die anarchistishen Umtriebe zu finden. In Rußland wird |chon jede oppositionelle S als anarhistisch bezeihnet. Darin liegt ein System. reußen liebt es ja, den Anarchismus als Etikette gegebenenfalls zu benußen. Der aus\{laggebende Grund bei den Ver- trägen war rein politis. In den Motiven ist von den freundnacbar- lihen Beziehungen usw. die Rede. Der Abschluß der Verträge eschaß nah dem Anerkenntnis Bismarck3 aus Gefälligkeit gegen Nuß ua: der Zar interessierte fih persönlih dafür, und in Rußland sind die persönlichen Eindrücke des Zaren maßgebend für die Politik, Nicht gesagt hat aber Biêmarck, wie die Tatsachen eigentlich lagen. Seit 1875 hat der Wettlauf Deutschlands und Frankreihs um die Gunst Rußlands begonnen. In den Erinnerungen des württem- bergishen Ministers Mittnacht befinden g darüber interessante Mit- teilungen. Bismark fand, daß es sich um eine Frage der Un- abhängigkeit Deutschlands handele, es müsse ein Defenfivbündnis mit Oesterreih abgeschlossen werden. Wenn dies nit geschehe, dann würde er zurücktreten, aber es könne sein Nachfolger nur ein Mann sein, der dem Zaren genehm sei. Bekanntlich gab der Kaiser nach und es kam nicht zum Abgange Bismarcks. Als 1885 wieder einmal eine „gefährlihe Klippe“ für das Ver- bâältnis zu Rußland vorhanden war, das heißt, als unsere Regierung niht jede Forderung Rußlands erfüllen wollte, da hat sih Deutschland nicht etwa aufgerafft, sondern sich die fort- dauernde Gunst Rußlands durch den Tribut der Auslieferungs-

verträge erfauft. Deutschland hat s\sich vor Rußland tief erniedcigt. Frankreih hat sch ja auch vor Rußland er- niedrigt, aber einen folhen Schimpf hat es sich doc erspart.

Es hat viel kleinere Länder gegeben, die ihre Würde besser zu wahren gewußt haben als damals Preußen und Bayern. Einem Lande, in dem jeßt alles zusammengebrohen ist, sollte Deutschland, das auf seine Kultur und Zivilisation so stolz ist, nit mehr folche Schergen- dienste leisten, es sollte sich nicht in die Lage verseßen, gegen die edelsten Bestandteile des russishen Volkes der russishen Regierung als Büttel zu dienen. Der Reichskanzler hat im Dezember gemeint, die Sozialdemokratie wolle unser Verhältnis zu Rußland \chädigen und das Reih in Krieg mit der russischen Regierung ver- wideln. Ich habe damals s{chon das Unzutreffende diefer Auf- fassung betont; heute noch meine ich, wird der Kanzler die Stelle wegen des Krieges niht mehr wiederholen, denn nah der bocherfreu- lihen Gntwidcklung , welche die Dinge durch Japans Tüchtigkeit ge- nommen haben, wird sich kaum noch jemand durch die Furcht vor einem russishen Kriege schrecken lassen, am allerwenigsten aber das mächtige Deutsche Reih. Dazu kommt der große Umschwung, der in der Stimmung Frankreihs gegenüber Nußland eingetreten ist. Wir wollen nichts anderes, als daß Deutschland auch na außen seine oft gepriesene Qualität als Rechtsstaat zum Ausdruck bringt, und nicht mit absolutistishen Staaten absolutistishe Verträge \{liekt, sondern das zivilisatorische Interesse gebührend mitsprehen läßt. Die Kompetenzfrage haben wir niht weiter in unseren Antrag hinein- gezogen, um ihn niht zu komplizieren. Wir wollen, daß die Ver- träge durch Abmachungen erseßt werden, die nirgendwo den völker rechtlihen Grundsäßen widersprehen. Wir dürfen auG nah den Aeußerungen anderer Parteien hoffen, daß auf unseren Antrag \ih eine große Majorität vereinigen wird.

Reichskanzler Dr. Graf von Bülow:

Meine Herren! Ein Teil der Ausführungen des Herrn Vor- redners galt dem Zweck, in Form eines historishen Nückblicks der auê- wärtigen Politik des Fürsten Bismarck Mängel und Fehler vorzuwerfen, Ich glaube, die große Mehrheit dieses hohen Hauses wird wohl der Ansicht sein, daß einer der größten Meister gerade auf dem Gebiet der auswärtigen Politik über solher Kritik steht, wie sie der Herr Abg. von Vollmar foeben an dem ersten deutshen Reichskanzler geübt hat. (Na, na! bei den Sozialdemokraten.)

Wer über auswärtige Politik mitreden will, muß #ich von persönlichen Sympathien und Antipathien frei machen und darf die auswärtigen Dinge nit so sehr durch die Brille der Parteidoktrin ansehen, wie, das eben der Herr Abg. von Vollmar getan hat, muß seinem Tun und Denken lediglich das Interesse des eigenen Landes zu Grunde legen. Das hat Fürst Bismarck getan, und damit bat er \sich eine Stellung in der deutshen Ge-

Sturm läuft. (Lebhafte Zustimmung.)

Nun hat der Herr Abg. von Vollmar weiter davon gesprochen, daß das russishe Prestige in hohem Grade erschüttert wäre. ) aber selbst mit einer gewissen Bekümmernis zugeben müssen, daß die Französishe Republik die Allianz mit Rußland noch immer in der fsorgsamsten Weise pflegt. der die auswärtigen Vorgänge mit Aufmerksamkeit verfolgt, wird dod au nicht im Zweifel darüber sein, daß englische Liberale lebhaf!

einsihtigen Leute sind in allen Ländern mehr oder weniger der Aw sicht, daß die Großmachtstellung Rußlands wohl auch die Wesel fälle eines Krieges und die gegenwärtigen inneren Unruhen überdauern wird. (Na, na! bei den Sozialdemokraten. Abwarten! Großt Heiterkeit.)

Nun hat der Herr Abg. von Vollmar auch gemeint, ich würd! heute nit die Behauptung wiederholen, die Sozialdemokratie treit ¡um Kriege mit Rußland. Ih bedaure, fagen zu müssen, daß id beute mehr als je der Ansicht bin, daß die Sozialdemokratie eint folhen Konflikt gerne entfahen würde, um an diesem Brande ihr Parteisuppe zu kochen. (Sehr gut! rechts. Zuruf von den Sozial demokraten.) Ih habe hier einen Ausschnitt vor mir liegen a einem s\sozialdemokratishen Blatte, der „Schwäbischen Tagwacht“ in der es anläßlich der jüngsten Unruhen in Petersburg heißt:

Hätte die deutsche Arbeitershaft jenen Einfluß auf d Staat, den sie anstrebt, so würden morgen bewaffnete Heeressäulcs über die Grenze shreiten, um den russishen Brüdern Befreiung | bringen.

(Hört, hört!)

Herr von Vollmar wird mir selbst zugeben, daß das d nur den Sinn haben kann, daß, wenn Sie könnte wie Sie wollten, wenn Sie hier auf diesen Bänken äßt statt auf jenen Bänken mir gegenüber (Heiterkeit),

bis beute noch nicht geführt haben.

Die Ihnen hierüber gemachte Vorlage Ihres Provinzialaus\{u}ses empfehle ich Ihrer wohlwollenden

klärlih, daß religiöse Sektierer, politisch Unzufriedene auf unbestimmte Zeit vershickt, unter das Militär gesteckt werden können. Mit einem

Rußland den Krieg erklären, Sie deutshes Gut, deutsches Bl

\chichte geschaffen, gegen die der Herr Abg. von Vollmar vergeblidh : Er hat F Der Herr Abg. von Vollmar, st

gute Beziehungen ¿zwischen England und Rußland wünschen. Die f

opfern würden, um in Rußland eine Aenderung der Staatsordnung herbeizuführen. Und dabei wird mir noch von der Seite, die mir diesen Zeitungsausshnitt vorgelegt hat, gesagt, daß die „Schwäbische Tagwacht* ein relativ gemäßigtes fozialdemokratisches Blatt wäre, das dem Herrn Abg. Dieß nahestehe, der mir als einer der moderierten Herren von der Sozialdemokratie bezeihnet wird. Wie mag es da erst in anderen Köpfen aussehen. (Große Heiterkeit.)

Meine Herren, nun hat der Herr Abg. von Vollmar immer wieder gesprochen von einer Abhängigkeit Deutshlands von Rußland. Mich wundert es, daß der Herr Abg. von Vollmar diesen Vorwurf erhoben hat, nachdem ich so oft vor diesem hohen Hause ausgeführt habe, daß wir nicht von Rußland abhängig sind, daß wir auch Rußland niht nachlaufen, daß wir aber au gar feinen Anlaß haben, uns Rußland unangenehm zu machen, wie dies manche Leute gerne möhten. Im übrigen machen mir der- artige Angriffe, die gegen diese unsere angeblihe Abhängigkeit von Rußland gerichtet werden, nicht den mindesten Eindruck. Der Herr Abg. von Vollmar hat soeben erst daran erinnert, daß vor 20, vor 40 Jahren genau dieselben Angriffe mit den gleihen Argumenten und den -gleihen S{lagworten | gegen einen Größeren gerichtet wurden, gegen den Fürsten Bismarck. Damals war gerade so die Rede vom deutschen Rufsenkurs wie heute, von angeblichen deutshen Schergendiensten, die jedem Deutschen die Schamröte ins Gesicht treiben müßten. Damals führte Fürst Bismarck, wie ih mi genau erinnere, einmal in einer Debatte aus, daß er aus solhen unberechtigten Angriffen die Lehre entnehme, daß es gefährlich, daß es bedenklih wäre, über auswärtige Fragen zu sprehen, die man niht ganz genau kenne. Jch will nicht erörtern, ob das heute noch zutrifft, und auf wen es heute noch zutrifft. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abg. von Vollmar hat nun weiter die deutschen Schiffsverkäufe an die Kriegführenden zur SpraBe gebracht. Mährend des ganzen bisherigen Verlaufs des ostasiatishen Krieges haben beide fkriegführenden Parteien zahlreiße Handel8- \hife aus neutralem Privatbesiß meist durch Mittelspersonen fäuflich erworben. In englischen Zeitungen finden Sie ausführliche Statistiken darüber, in wie zahlreihen Fällen solhe Schiffe aus eng- lishem Privatbesiß in den Besitz der japanischen Regierung übergegangen sind. Andererseits ist bekannt geworden, daß auch mehrfach deutsche Schiffe von den Kriegführenden und zwar anscheinend in höherem Maße von den Rufsen als von den Japanern erworben worden sind. Insbesondere find neuerdings nach einer hierher gelangten amtlichen Mitteilung des Hamburger Senats eine Anzahl von Schiffen der Hamburg - Amerika - Linie durch Kauf in den Besitz iner russischen Privatfirma gelangt. Derartige Transaktionen find nah feststehendem Völkerrecht neutralen Privatpersonen nicht ver- wehrt. Es versteht sich von selbst, daß die von der russischen Firma gekauften Schiffe fortan nicht mehr die deutshe Flagge führen dürfen, und daß die bisherige Bemannung nicht genötigt ist, unter russischer Flagge weiter zu dienen.

Sie sehen also, meine Herren, daß auch in der Frage der Schiffékäufe unser Verhalten der korrekten Stellung entspricht, die wir überhaupt gegenüber dem ostasiatishen Kriege einnehmen.

Diese unanfehtbare Haltung hat es freilich niht verhindert, daß uns Vorwürfe gemaht werden. Von der einen Seite heißt es, daß wir zu Rußland neigten, und diese Tonart hat eben der Abg.

von Vollmar wieder vertreten. Andererseits habe ih erst in den leßten Tagen gelesen, wir wünshten die Schwächung bon Rußland und deshalb die längere Fortdauer des

Krieges. Das eine ist so unbegründet wie das andere. Und die beiden

} Regierungen , auf die es ankommt, wissen genau, woran sie mit uns

sind, Jnsbesondere weiß die japanishe Regierung, daß sie, ebenso wie die russishe, auf unsere strikte und loyale Neutralität ¡zählen kann, Ich nehme keinen Anstand, hier eine Depeshe vorzulesen, die vor mir liegt, die ih ganz vor kurzem aus Tokio erhalten habe,

Ì und in welcher der Kaiserlihe Gesandte mir meldet:

Die japanische Regierung habe niemals deutshfeindlihen Aus83- streuungen Glauben geschenkt, sie wisse, daß gegen uns Intriguen spielten.

Wen der japanisGe Minister des Aeußern im Auge hat, wenn er

| bon Leuten spricht, die Japan einreden möchten, daß wir ihm un-

freundlich gesinnt wären, das weiß -ich niht; aber vielleicht weiß es der Herr Abg. von Vollmar. Der japanische Herr Minister fuhr fort:

Die japanische Regierung habe keinen Grund, über uns zu klagen oder uns zu miftrauen; fie lege den größten Wert auf gute Beziehungen und sehe absolut keinen Grund zu einer Interessen- kollision. Auch bat er mich, zu melden, daß die japanische Negierung uns wie anderen Mächten gegenüber vollzogene Tatsachen und erworbene Rechte in Ostasien respektieren werde. E83 fei dies uiht allein der feste Entshluß der jeßigen Regierung, sondern bleibender, leitender Grundsaß der japanischen Politik.

Auf der anderen Seite weiß die russishe Regierung ebenso genau, daß wir die Schwierigkeiten, in welhe Rußland jeßt geraten ist, niht benußen werden, um Rußland Unbequemlichkeiten zu bereiten. Diese Beziehungen zu Rußland werden wir auch weiter in der bis- herigen Weise sorgsam pflegen, ohne uns zu Nußland in einen Gegensaß bringen zu lassen, für welchen keinerlei reelles deutsches Interesse vorhanden ist. (Lebhaftes Bravo !)

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staatsminister Dr. Freiherr von Richthofen:

Ein großer Teil der Ausführungen des Herrn Abg. von Vollmar galt den beiden mit Rußland im Jahre 1885 geschlossenen Auslieferungs- verträgen. Der Herr Abg. von Vollmar hat schon hervorgehoben, daß diese Verträge abgeschlofsen worden sind von Preußen und von Bayern. Er hat dabei bemerkt, daß der preußishe Vertrag nur ges{lossen wäre, weil ein Reichsvertrag nicht zustande gekommen wäre. Chronologisch ist dies niht rihtig. Der preußishe Vertrag ist zuerst abgeschlossen und darauf versucht worden, einen gleihen Vertrag zwischen dem Reih und Rußland in Kraft zu seßen. Beide bestehenden Verträge sind also partikularstaatlihe Verträge. Der Abg. von Vollmar ift hierbei am Schluß seiner Rede sehr glatt über die Frage der Kom- petenz hinweggegangen. Gerade diese Frage ist aber hier ent- sheidennd. Das Reih kann eine Kündigung dieser Verträge so lange nicht herbeiführen, als nicht ein Aus[ieferungs- vertrag zwishen dem Deutschen Reih und Rußland besteht. Der Versuh, einen solhen Vertrag zustande zu bringen, ist im Jahre 1885 gemacht worden, aber nicht gelungen. Die

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Kündigung dieser Verträge liegt also bei Preußen und bei Bayern. Was Preußen angeht, so, glaube ih, haben die Verhandlungen, welche fürzlih im preußischen Landtage geführt worden find, dargelegt, daß bei der preußishen Regierung keine Neigung besteht, diesen Vertrag zu kündigen. Jch habe auch keinen Anlaß zu glauben, daß in Bayern eine abweihende Ansicht herrscht. Es läßt sih dies auh völlig er- klären ; denn die Verträge haben sich nach gewissen Richtungen hin unzweifelhaft bewährt. Einmal haben wir durch diese Verträge für Preußen und für Bayern die volle Gegenseitigkeit erlangt, und gerade wenn der Rechtszustand in Rußland so wäre, wie ihn der Abgeordnete von Vollmar dargestellt hat, so müßte er erfreut sein, daß Deutsche, die sih nah verübtem Verbrehen etwa nah Rußland flüchten, niht dur rufsishe Gerichte zur Aburteilung kommen, sondern daß ihnen dur diese Verträge gesichert ist, vor, rihtigen deutschen Gerichten abgeurteilt zu werden. (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten.) Dann aber ist was Ihnen vielleicht neu sein wird auf Grund dieser Berträge überhaupt no@ nie in den 20 Jahren feit ihrem Ab\{luß ete Ausliéferung wegen eines politischen Verbrechens erf olgt. Darin zeigt sih das Gute dieser Verträge: sie haben indirekt bewirkt, daß wir derartige Verbrecher überhaupt nicht nach Deutschland bekommen. Es ist also auf Grund dieser Auslieferungsverträge in keinem einzigen Fall ein Liebes- oder Schergendienst von der deutschen Regierung Rußland erzeigt worden. Wenn diese Verträge hiernah die Wirkung erzielt haben, uns solche, insbesondere anarchistishe, russishe Ver- brecher fernzubalten, so glaube i, daß der gröfite Teil des deutschen Volkes diese Verträge als einen Segen betrahten wird.

__ Abg. Dr. Müller - Meiningen (fr. Volksp.): Das deutsche Kunstgewerbe hat in den leßten Jahren den Ruhm des deutshen Ge- werbesleißes in die entfernte\ten Gaue der Erde getragen. Das Urheber- rech18abkommen vom 15. Januar 1892 bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Auslieferung unseres geistigen Eigentums an tie Amerikaner. Der Deutshe wird dort genau so \chlecht behandelt, als ob ein Reziprozitätsvertrag gar niht abgeschlossen wäre. Ein Roman von EGbers kostet in den Vereinigten Staaten 5 Zenis = 20 „, während er bei uns mit 10 bis 15 H bezahlt werden muß. Cin ganzes Werk von Wilhelm Busch, dazu sein Bildnis und eine Sammlung seiner Aussprüche, Kostenpreis bei uns 3 Æ#, wird einer amerikanischen Zeitung als Gratisbeilage mitgegeben ; die ganze Zeitung kostet 5 Cents = 20 deutshe Neichspfennige ! Was sind das für Zustände und worin sind fie begründet ? Busch hat allerdings felbst geantwortet: „teils dieserhalb, teils außerdem !“ Unser Kunstgewerbe seht in Gefahr, durch diese Urheberreht8geseßz- gebung nicht nur den nordamerikanishen, sondern auch den mittel- und südamerikanishen Markt vollständig zu verlieren. Nun stehen wir vor einer großzügigen Reform des Urheberrehtes; wir müssen darauf dringen, daß dieses vollständig unhaltbare Verhältnis zur Union völlig neu geregelt wird. Entweder treten die Vereinigten Staaten der Berner Konvention bei, oder es muß sonst dafür gesorgt werden, daß uns niht nur formaler, sondern auch materieller Nehts\{chuß gewährt wird. Auch hier muß das nobloss8 obligs Beachtung finden. Wie man in Rußland Leute, die die Grenze überschreiten, einfach nach dem Kriegs- scauplay verschickt, darüber find in leßter Zeit einige Fälle aus polnischen Blättern bekannt geworden und auch durch die deutsche Presse gegangen. Wir können unter keinen Umständen anerkennen, daß die deutsche Reichsregierung die Neutralität niht loyal gehalten bat, aber wir wollen au die volle Neutralität gewahrt haben gegen- über den inneren Feinden Rußlands, und da glauben wir, daß dies durch die Aus[lieferungóverträge niht geschieht. Wir haben uns ja {on im Januar, wo unsrerseits diese Kündigung verlangt wurde, darüber ausführlih unterhalten und diefe Auslieferungsverträge ver- urteilt. Die russishen rechtlosen Zustände habe ih damals schon eingehend geschildert und braude mich heute niht zu wiederholen. Der heutige fozialdemokratishe Antrag will in unsere neuliche Melodie ein accelerando hineinbringen; ob das praftisch it, weiß ih nicht. Der Reichstag hat im Januar verlangt, daß die Landesverträge gekündigt und hierfür nur Reichsverträge abgeschlossen werden sollen. Wir fragen den Kanzler, wie er sih zu jenem Beschluß ver- hält. Mit dem beutigen Antrage würde vielleiht das nur geschädigt werden, was wir im Januar bereits erreicht haben. Das beste Material für die Beseitigung dieses preußishen Vertrages hat die Regierung selbst mit der Erflärung gegeben, daß seit 20 Jahren keine Aus- lieferung auf Grund dieses Vertrages erfolgt ist. Es handelt ih aber hier hauptsählich um die Verquickung von Auslieferung und Aus- weisung. Mit einer gewissen Schadenfreude bat der Kanzler eine inter- essante Episode aus der Auslieferungspolitif Bismarck3 bekannt gegeben. Ich habe meinerseits auf den Fall von 1888 angespielt, um nah- zuweisen, daß Bismarck auch gelegentlich den Nussen die Zähne zeigte, aber diese Politik an sich habe ih immer verurteilt. Die reaftionäre Auslieferungspolitik war bereits eine altpreußishe und sollte in dem Entwurf des Reichsvertrages mit Rußland nur fort- gesezt werden. Jede Verweigerung der Auslieferung ist immer als eine politishe Unfreundlihkeit gegen Nußland angesehen worden. Der Staatssekretär des Auswärtigen hat sich 1881 zum Falle Mendelssohn dahin ausgelassen: Die Ausweisung Mendelssohns würde rechtlich zu- lässig sein, selbst wenn si? nur aus Gefälligkeit gegen Rußland ge- hähe. Herrn v. Vollmar ist heute diese Aeußerung entgangen, die am besten beweist, daß wir vor solchen Meme unsere deutsche Regierung retten müssen, indem wir die Delifte spezialisieren, indem wir von dem bisherigen Vertrage loskommen. Nicht nur die Not, fondern auch die völkerrechtliche Moral aller Kulturvölker hat gewisse

Leitsäße aufgestellt, die bei unseren Verträgen unter allen Umständen innegehalten werden müssen; dazu gehört auch das

politische Asylrecht, und dieses ist unzweifelhaft in den beiden Ver- trägen verleßt. Das muß uns in den Augen aller Kulturvölker shaden. In diesem Sinne möchte ich den Kanzler bitten, bald- möglichst an die Lösung des für Deutschland tatsählich unwürdigen Auslieferung2verhältnisses zu Nußland heranzutreten.

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Der Herr Vorredner ist auf den Schuß des literarischen und künst- lerishen Eigentums in den Vereinigten Staaten von Amerika zu sprechen gekommen. Ih habe mich über diese Frage in früheren Jahren bei vershiedenen Gelegenheiten während der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern sehr eingehend geäußert. Bekanntlich müssen literarische und fünstlerishe Erzeugnisse, die den Schutz des amerikanischen Urbeberrechts genießen sollen, soweit es si{ch um Bücher, Photo- graphien, Lithographien oder Chromos handelt, nah der bekannten Manufactury clause in zwei Eremplaren in den Vereinigten Staaten bergestellt sein.

Als wir die Verhandlung wegen der Beschickung der Ausstellung in St. Louis mit der Regierung der Vereinigten Staaten führten, haben wir auch Unterhandlungen über die Bestimmungen des amerikanishen Urheberrechts gepflogen und es durchgeseßt, daß wenigstens für jene literarishen und fünstlerishen Erzeugnisse, die in St. Louis zur Ausstellung gelangten, ein vorübergehender, aus8nahmsweiser Schuß, abgesehen von den allgemeinen Bestimmungen des amerikanishen Urheberrechts, gewährt würde. Wir haben bei diesen Verhandlungen aber auch erfahren, wie außerordentlich \{chwierig diese Frage den Vereinigten Staaten gegenüber liegt. Wenn toir

mit den Vereinigten Staaten von Amerika in Verhandlungen

treten sollten wegen Abschlusses cines neuen Handelsabkommens, wird jedenfalls auch die Frage eines erhöhten und den deutshen Ver- hältnifsen und den Vorschriften der Berner Konvention entsprehenden Schußes der literarischen und künstleris&en Erzeugnisse Gegenstand eingehender Erwägungen sein, und wir hoffen, daß, wenn wir diese Verhandlungen führen, der Herr Abg. Dr. Müller - Meiningen uns in allen Stadien derselben publizistisch und parlamentarisch unter- stüßen wird.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor im Auswärtigen Amt von Frantzius erklärt, daß die vom Abg. Müller aus dec polnischen Presse zitiecten Fälle der Behandlung von Deutschen in Rußland unglaubwürdig seien und si nit in der in der Presse geshilderten Weise abgespielt haben.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (d. konf.): Wir sind darauf angewiesen, gute Beziehungen zu einem mäthtigen Staate wie Nufß- land zu pflegen, wie es unter dem Fürsten von Bismarck geschehen ist. Die Angriffe gegen die Auslieferungsverträge sind nicht berehtigt. Wenn auch der Reichstag fich für die Kündigung der Verträge ausgesprochen hat, o imponiert mir das nicht. Als die Verträge 1885 abges{lossen wurden, stand die deutsche Politik in Europa auf der Höhe ihrer Slärke, und unsere Beziehungen zu Rußland waren nach der vorübergehenden Verstimmung von 1879 sehr gut. Die Verträge sind im allgemeinen Interesse abges{lo}en worden und richteten sich gegen die internationale evolution und gegen die Anarchisten. Wir haben mit Nußland ein gemeinshaftlihes Interesse, dagegen vorzugehen. Denn wir müssen verhindern, daß die russische Revolution auf unsere Grenzen übergreift. JIch boffe, daß das auch in Zukunft nit der Fall sein wird. Der Fürst von Bismarck hat diese Stellung Deutschlands gegenüber Nußland immer zu pflegen verstanden, und ih hoffe, daß dics au ferner geshehen wird. Herr von Vollmar meint, wir hätten keinen Anlaß, besorgt zu fein, weil Rußland zusammenbrähe. Nach dem Krimkriege sprah die Presse in Bezug auf Rußland auch von einem Koloß mit tönernen Füßen, und diefer Koloß ist stark geblieben und wird es bleiben. Es kann uns also nichts daran liegen, zu Rußland in \{chlechte Beziehungen zu geraten. Jch kann nur die Regierung auffordern, auch w2enn sie mit der Majorität des Reichstages nicht übereinstimmt, an ibrem Stand- punkt festzuhalten.

Abg. Graf ¡zu Neventlow (wirt. Vgg.): Jch habe vor nicht langer Zeit ¡um Mißtrauen gegen die Regierung aufgefordert im Hinblick auf die handelspolitisch- Entwicklung; ih fügte hinzu, wir würden den Moment mit Freuden ergreifen, wo wir erklären könnten, wir seien zu weit gegangen. Dieser Moment ist gekommen; wir können wieder mit erbeblich gesteigertem Vertrauen auf die Ne- gierung blicken und in unseren Staatsmännern berufene Führer auf dem Pfade der Wirtschaftsvolitik erkennen. Wir hofen, daß wir

diese Versicherung auch bei der weiteren Ordnung unseres Ver- bâltnisses zu Argentinien, Nordamerika und England werden

abgeben fönnen. Was die Deutschen im Auslande anbetrifft, fo muß ih auh heute wieder mancherlei Beschwerden an das Ohr des Kanzlers bringen. In allen kolonialpolitisch denkenten Kreisen in Deutschland ist auch der Schmerz um den Verlust Marokkos noch jeßt nach einem Jahre nicht verwunden. Ich glaube nicht, daß ein nüchtern denkender Mensch verlangen wird, daß wir um Marokkos wegen in Krieg geraten sollen ; aber niemand weiß besser als der Kanzler, daß es in der Diplomatie auch eine große Reihe anderer, unter Umständen fehr wirksamer Mittel gibt, mit denen man dem Ziele näher kommen kann. Es fehlt auch hier an dem nötigen Nachdruck bezüglich des Schutzes der dort lebenden Deutschen. Man hat noch nit vernommen, daß Schritte zur Sühne getan worden sind; will man einfa zur Tagesordnung übergehen? Hat man Schritte getan zur Sühne für die Ermordung der Besaßung eines deutshea Schiffes ? Das amerikanishe Beispiel hätte doch zur Nachahmung veranlassen müssen. Die Herbeiführung eines guten Verhältnisses zum Auslande sollte doch niht {wer sein. Für alle hat die Erde Raum; aber auf englisher Seite cheint man diese Auffassung niht ganz zu teilen. Wenn England uns den Durhzug durh die Walfi!ch-Bai verweigert, so ist das eine unfreundlihe Handlungsweise und ein verhängnisvolles Aufgeben der Nafsensolidarität. Der Kanzler sollte auf die Beseitigung solcher Unfreundlichkeiten hinwirken, oder aber dafür sorgen, daß wir Gleiches mit Gleichem vergelten. Die Beschwerden und Ent- schädigungsansprüche der Deutshen in Südwestafrika gegen England aus Anlaß des Transvaalkrieges sind noch immer nicht erledigt. Der im vorigen Jahre erwähnte Tiehl hat das Auswärtige Amt angerufen, aber noch keine Antwort erhalten. (Det Redner führt noch einige weitere Fâlle an.) Wann liegt Aussicht vor, daß die Entschädigungen ge- zahlt und die deutshen Ansprüche berücksichtigt werden, und wie steht es mit der venezolanischen Entschädigung? Bei der nord- amerikanischen Weltausstellung haben unsere Kommissare unsere Be- fürhtung gerechtfertigt, daß deutshes Empfinden, deutsh:s National- gefühl vielleiht nicht ganz bei thnen auf der Höhe stehen würden. Spéeziell Herr Lehmann hat sich in einer öffentlichen Nede zu einem Kosmopolitismus hinreißen lassen, der ganz und gar nicht mit der ihm anvertrauten Vertretung deutscher Interessen harmonierte. Die Entstehung einer s{warz-weißen Mischlingsrasse in unseren Kolonien müßte mit Feuer und Schwert verhindert werden (Gelächter links); es müßte jeder ges{lechtlißhe Verkehr zwischen Schwarzen und Weißen unter Strafe gestellt werden. (Ecneutes Gelächter bei den Sozialdemokraten.) Für Sie (zu den Sozial- demokraten) wäre die Nasse allerdings gut genug. Wir müssen aufs tiefste beklagen, daß man sich nicht gesheut hat, Neger ins deutshe Heer aufzunehmen. Es ist für einen deutshen Soldaten unmöglih, in einem Neger seinen Kameraden zu sehen. Das gleiche gilt bezüglih der mongolishen Rasse. Wir können nicht billigen, daß in das deutshe Heer chinesishe Offiziere zur Ausbildung aufgenommen werden ; oder haben wir gegründete Veranlassung, auf ein Bündnis mit China zu hoffen? Wir halten es au für die deutschen Offiziere für entwürdigend, sih mit chine- Men Offizieren in ein kameradschaftliches Verhältnis zu stellen. Auch kann ich nicht billigen, wenn ein Deutscher, der in die mongolishe Rasse hineingeheiratet hat, noch Neichsbeamter bleibt.

(Wiederholtes Gelähter bei den Sozialdemokraten.) Weine Vei, Gle find o Vier Weder n Urvald, Nod auf den Bäumen! Das viele Festefeiern sfollte endlih ein

Ende nehmen. Jch denke dabei an das internationale Automobil- fahren und an die Kieler Wohe. Wer sich dieses Unwesen einmal ansehen will, muß sagen, daß in Kiel jeder, der nicht selbst eine große Rennjacht hat, {wer unter tieser Veranstaltung zu leiden hat. Wenn diese Art des Sportbetriebs sih so weit entwickelt, daß man über einige ertrunfene Matrosen hinwegfährt, ohne auch nur halbmast zu flaggen, so muß das Mißstimmung hervorrufen. War es nötig, nur zur Dekorierung des Kaiser-Wilhelm-Kanals an beiden Seiten eine Division aufzustellen? Für Zuschauer war ja {hon dadurh ge- sorgt, daß das ganze Ministerium aus Berlin zugegen war. Wir wünschen endlich, tal der Reichskanzler und seine Kollegen in der Behandlung der äußersten Linken eine andere Methode an- wendet. Es berührt eigentümlih, daß, sobald ein Herr der äußersten Linken eine Kritik ausübt, dann die Bundesratsvertreter selten vereinzelt, meist vereint sih zur Antwort erheben. Das muß das schon sehr gar vorhandene Selbstgefühl dieser Stat noch steigern. Es wird höchstens im Lande der Eindruck hervorgebracht, der in einem fozialdemokratischen Blatte ausgedrückt war: „Wenn unser August Bebel spricht, fo zittern die Minister!* Man sollte die Herren etwas weniger, ih will sagen beahten. Das beste Mittel gegen die Sozialdemokratie ist, daß man ihr das Wasser abgräbt dur eine entshiedene Agrarpolitik und eine fühne und in großem Stile getriebene Weltpolitik. Vielleiht gent dem Neichskanzler die Bildung einer großen nationalen Partei în Deutschland: die Elemente dafür sind bis in die Linke hinein vor- handen. Eine gesunde Heimat- und Sozialpolitik würde den Grund einer Weltpolitik bieten und zugleih zu einer Con des

ane gdi es in Deutschland führen. Darin würden wir dem Reichs- anzler gern folgen.