1905 / 75 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Haben fie für sich gehabt. Die Arbeitgeber waren sih weit über das eseßliche Maß binaus ihrer fozialen Pflichten bewußt, das zeigen die oblfahrtseinrihtungen, die die Bewunderung der ganzen Welt erregen. Bedenken wir, daß die Arbeitgeber eine halbe Million ein- gestellt haben, um jest die Not in den Kreisen der Arbeiter, also threr Gegner, zu lindern, so müssen wir die Hochachtung vor ihrer | all enge va: stets bewahren. Ich will niht auf all das unsinnige erede eingeben, z. B. darauf, daß ein hoher Geistlicher gesagt hat, die Arbeiter würden nur 40 Jahre alt und erblindeten vorher. Es wird mit. einer Leichtigkeit über die Tatsachen des Streiks hinweg- gegangen, und der Staat hat sein moralisdes Gewicht in einer Weise eingeseßt, daß eine Wiederaufnahme des Streiks sehr zu fürchten ist. Wenn es nôtiz war, jeßt mit einem Gese zu kommen, so sollte man do nicht Novelle auf Novelle in das Gesetz bineinschreiben, ndern das ganze E von Grund aus erneuern. Auch das ist ein chwerwiegendes Bedenken in bezug auf das Gesetz. Wir werden aber troßdem an einer sahlihen Prüfung des Geseßes uns beteiligen. Was das Nullen betrifft, so bin ich der Meinung, daß es doch besser ift als sein Ruf. Wir können nit leugnen, daß es verhaßt ist, weniger durch si selbst, als dadur, daß es zu Ungerechtigkeiten Ver- anlafjung geben kann. Im Interesse des sozialen Friedens geben wir es aber preis. Bezüglich des sanitären Maximalarbeitstages meint der Handels- minister, daß eine generelle Negelung niht mögli sei, und verweist uns auf den § 197 des Berggeseßzes. Wir müfsen diesen Punkt in der Kommission prüfen. Auch die Bestimmungen über die Ueber- chihten müssen in der Kommission eingehend geprüft werden. Die rbeiterausschüfse sind nit an der Hand der Praxis entstanden,

fondern aus* einer doktrinären Anschauung. I muß mi vor allem dagegen aussprechen , daß dur den Arbeiter- ausschuß ein gewisser Konstitutionalismus in den Arbeiter-

vertrag eingeführt werden foll. Der Auéschuß soll nur eine beratende Stimme haben, die Bestimmung selb#t muß allein bei dem Arbeit- geber bleiben, denn er ift allein für den Betrieb verantwortlih. Ich verspreche mir von den Arbeiteraus\{üfsen niht übermäßig viel, aber meine Freunde sind bereit, an diesem Gedanken mitzuarbeiten. Ih weiß aber noch niht, auf welchem Gebiet das Zusammenwirken der Arbeiteraus\{chü}se mit den Arbeitgebern herbeigeführt werden sol. Ein wichtiger Punkt ist, daß die Arbeiterausshüsse die Organisation staatsfeindlißer Tendenzen erleichtern. Nicht unbedenklich wäre für uns die geheime Wabl, sie würde der Agitation der Sozialdemokratie einen weiten Spielraum geben. Anderseits würden aber die Arbeiter sagen, daß bei öffentliher Wabl niht die Arbeiter gewählt werden fkönnter, die ihr Vertrauen haben. Wir werden aber für das aktive wie für das passive Wahl- recht das Alter herabdrücken müssen, denn es handelt fi bier ja nicht um eine politishe Wabl, es handelt sich darum, wirkli sachver- ftändige Elemente in die Arbeiteraus\{üse zu bringen. Meine irr baben das aufrihtige Bestreben, aus dieser Vorlage etwas utes zustande zu bringen. Wir werden sine ira an sie herantreten, wenn sie auh cum ira eingebraht ju sein s{eint. Wir stimmen auch für die Kommissionsberatung, wir wollen dem sozialen Frieden dienen. Die Interessen des Bergbaues und des Staates sind eng verbunden. Indem wir uns an einer Lösung dieser wihtigen Frage beteiligen, glauben wir im Interesse des Vaterlandes zu bandeln. Dr. Hir ch - Berlin (fr. Volksp.): Dieses Gesez wird ja von mancher Seite für übereilt, für ein Gelegenheitsgesez gehalten. ür uns kommt das Gese nit zu früh, sondern eher zu spät. Die taatsregierung holt nur ein Versäumnis nach, wenn sie es jeßt ein- bringt. Das Interesse einer Million Bergarbeiter bätte es erheischt, {on vor Jahren mit der Reform des Allgemeinen Berggesetzes vorzugehen. Wir haben die Neform des Gesezes hon vor Jahren verlangt, leider hat es nihts gefruhtet. Bei diesem Zögern der Negierung hat jedenfalls die Sorge für den Arbeitgeber eine Rolle gespielt. Man fagte sich, es ist zu schwer, eine Einigung zu erzielen, und darum müssen wir die Sate verschieben. Wir freuen uns, daß der große Streik dazu geführt hat, jeßt endlih Ernst zu machen. Inwieweit der Streik den Anstoß gegeben hat, das zu untersuchen ist müßig, die Regierurg beshäftigt {h ja mit der Frage seit Jahren. Die Re- sultate der ministeriellen ÜUntersuhungekommission sind durhaus noch nicht feststehend, man kann daraus keine Schlüsse dafür ziehen, daß diese Vorlagen niht notwendig sind. Die Arbeiter baben den Ein- druck, daß die Untersuhungen keineswegs gerichtlichen oder ftatisti- schen UntersuHungen gleihzustellen sind. Die Ungerecbtigkeiten und rten im Bergbau brauchten erst gar richt festgestellt zu werden. ie Unzufriedenheit bestand seit langem, und es ist notwendig , zu befeitigen. Es handelt sich bei diesem Geseze um ie einfahste Forderung einer gesunden Sozialpolitik. In den Organen und Publikationen der Grubenbesiger, namentlih des Berg- meisters Engel, ist gesagt worden, das Geseg müßte eine Koblen- verteuerung zur Folge baben. Es ist merkwürdig, daß gerade die Ritter des Syndikats das Publikum bange machen wollen, die {on früher die Kohlen verteuert haben. Auch die Furt vor dem Noten Gespenst schreckt uns niht. Der Ministervräsident bat mit Necht gesagt, daß dieser Geseßentwurf niht zu Gunsten, sondern zu Un- gunften der Sozialdemokratie ausfallen muß und wird. Das gilt namentli von den Arbeiteraus\{üfsen. Die Sozialdemokratie hat die Bergarbeiter nur zur Hälfte für si. Die intellektuelle Führung in der Arbeiterbewegung liegt tatsäklibd bei den ewerklihen und christlihen Arbeitern. Warum sollten denn die ergarbeiter abgeneigt sein gegen Tarifgewerkshaften? Sie sind nur niht zustande gekommen, weil die Grubenbesizer es nicht verstanden baben, \sich mit den Arbeitern auf einem rein mens{- lichen Boden zu vereinigen, weil sie sie zurüdgestoßen haken. So ist auch der leßte Streik zu erklären. Wir unsererseits baben ftets die Arbeitgeber und Arbeiter als gleibberechtigt anerkannt. Der Mahnung des Abg. von Heydebrand bedurfte es nach dieser Richtung also nidt. Seinen Antrag auf Kommisiorsberatung unterstüßen wir. | In der Kommission wird noch Zeit genug sein, auf die Details zurüukommen, ih mödhte aber davor warnen, die Vorlage ju ver- sbleppen. Hinter der Vorlage steht die feierli&e Zusage und Ver- pflihtung der Regierung. Die öffentlice Meinung, speziell die Arbeiter find fest überzeugt, daß die Regierung gut getan hat, die Voëtlage jet einzubringen. Wir werden allen Eifer anwenden, diese Gesetzgebung zu einem glüdlihen Ende zu führen. Die Verlage be- findet fih auf dem richtigen Wege, leider bleibt si: aber auf balbem | Wege stehen. Ein Gesetzentwurf, der niht zu Ende geda®t ist, muß ¿zu Unvollfommenheiten aller Art und zu dem fortgeseßten Verlangen nah Aenderungen führen. Ein Ausbau des Gesetzentwurfs ift also notwendig. Es kann nichts Unberechtigteres geben als die Strafe des Wagennullens, die den Arbeiter um seinen sauer erworbznen Lobn bringt. Auf manchen Gruben geschieht ja das Nullen rüdsihtélos, da werden Hunderte von Wagen genullt. Die Festsetzung einer Marximal- strafe, also die Beschränkung der Geldstrafe, wie sie die Vorlage vor- fieht, ist als durhaus berehtigt anzuerkennen. Vielleicht ist der

sondern ganz allgemein. Die S{ädigung der Gesundheit der Arbeiter wird nit allein durh die Temperatur bedingt, in welcher sie arbeiten. (s müfsen au andere gesundheitszefährdende Einribtungen berüd- sichtigt werden. Meine Freunde haben scit vielen Jahren auf den Mißbrauch der langen Arbeitszeit aufmerksam gemaht. Wern man die Berichte der Bergämter liest, daß der Gesundheit zustand der Berg- arbeiter gut ift, dann aber in der Stat:ftik findet, daß z. B. ein Betrieb von 17 000 Mann 8000 Kranke ¿ählt, so kann man nicht von einem guten Gesundheitszustande der Arbeiter sprechen. Um die Zabl der Erkrankungen zu vermindern, muß die Arbeitszeit verkürzt werden. Ueber- und Nekbtenschichten sind nicht zu billigen; der Bergmann hat genug getan, wenn er seine täglihe regelmäßige Arbeit getan hat. Was darüker ist, das ist vom Uebel. Den Arbeitern in übermäßig heißen Gruben muß jede Ueberarbeit verboten werden. Die Vorlage läßt aber für diese Arbeit Uebershichten in den anderen Betriebs3- abteilungen zu. Es is eine falsche Sozialpolitik, wenn man den Arbeitern gestattet, zuviel zu arbeiten, damit sie einen mögli hohen Lohn erarbeiten. Die Vorlage muß \o gestaltet werden, daß sie den berechtizten Wünschen der Arbeiter mözlihst weit entgegenkommt. Das wird bei den Arbeitern einen guten Eindruck machen und sie vor staatsfeindlihen Tendenzen bewahren. Meine Partei ist jedo weit davon entfernt, úur eine Vertreterin der Arbeiterinterefsen zu lei aber eine zufriedene Arbeiterschaft liegt au im Interesse der

rbeitgeber. Beide Teile sind als Glieder eines allgemeinen Ganzen zu betraten, auf denen die Wohlfahrt des Ganzen beruht.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Der Streit, ob die Vorlage zur reten Zeit eingebracht sei, sollte beendet sein. Der Streik i durch die Vermittelung der Regierung beendet worden. Es kommt gar nit darauf an, ob die Untersuhungékommission erheblihe Mißstände zu Tage gefördert hat, wir stehen vor der Frage, ob die bestehende Ge}eßgebung den Arbeitern einen ausreihenden Schug für ihre Ge- sundheit gewährt. Meine Freunde bringen der Vorlage unsere Sym- patbie entgegen. Der Staat hat einzugreifen, um den Gesundheits- zustand der Arbeiter aufrecht zu erhalten. In dem Moment, wo man sich überzeugt hat, daß die bestehende Geseßgebung dazu niht aus- reiht, hat der Staat die Pflicht, ges eris vorzugehen. Meine Freunde spenden der Negierung deshalb Anerkennung. Das Mutungtsystem fann in seiner jeßigen Fassung nit bestehen bleiben ; warum sollen wir nicht wie Oesterrei dahin kommen, für die brabliegenden Berg- werksterrains Schurfsteuern zu erheben? Um alle Streitigkeiten zu vermeiden, würde ih empfehlen, die ahtstündige Arbeitsschiht allge- mein einzuführen. Der sanitäre Mearimalarbeitêtag der Vorlage würde {on 90 % aller Bergarbeiter zugute kommen. Aber es steht fest, daß auf die Dauer der Bergarbeiter eine so lange Arbeits- zeit niht verträgt. Ein Bergmann hat gesagt: wenn ih bon der Grube komme, bin ich so hundemüde? daß ich erst eine Stunde ausruben muß, ebe ih etwas essen kann. Und dieser Mann war erst 36 Jabre alt. Es ist zweifellos, daß bei kurzer Arbeitszeit die Arbeitskraft des einzelnen Arbeiters intensiver ausgenußt wird. Bei kürzerer Arbeitszeit gewinnt der Bergarbeiter Zeit, sein Besitztum zu bebauen; so wird dur seine Arbeit über der Erde die Beschränkung seiner Beschäftigung unter der Erde aus- gegiiczen werden. Im ganzen steht der Gesundheitszustand der Berg- arbeiter nah der Statistik zurück hinter demjenigen der Arbeiter über der Grde. Trotz aller befßeren technischen Einrihtungen nimmt die Arbeitsfähigkeit der Bergarbeiter ständig ab, sie ist in der leßten Zeit von 50 auf 467 Jahre zurückgeganaen. Die Krankheitsziffer bat im Jahre 1903 bei den übrigen Krankenkassen 30 9/9 betragen, bei den Bergarbeitern dagegen 50%, abgesehen von der Wurmkrankbeit. Bei den anderen als ten Steinkohlenbergwerken, z. B. beim Braun- foblenberawerk, find die Verkbältnisse nit so gefährlih, aber man fann als Grundfaß aufstellen, daß die ahtstündige Arbeitszeit für alle Arbeit unter der Erde angemessen ist. Die Kostenfrage darf niht entscheidend sein, wo es sich um die Erbaltung der Gesundbeit der Bergarbeiter handelt; aber die Zehen können die Kosten tragen. Für technische Verbesserungen müssen die Mittel vorhanden fein. Wenn wir aber die ahtstündige Arbeitezeit einführen wollen, müssen wir selbstverständlih Rüksidt nehmen auf die einzelnen Landesteile und namentli auf Schlesien. Die Uebershihten werden, wie uns Herr Hilbck in seiner Broschüre mitteilt, bisher in Westfalen freiwillig geleistet, sebr bedenklih ist es daber, daß die Vorlage unter gewissen Umständen die Arbeiter zu Ueberschihten verpflihtet. Wir wünschen vor allen Dingen eine Beschränkung der Sonntagsarbeit. Es wäre- richtig, die zulässige Gesamtzabl der Uebershihten im Jabre in dem Gesey festzustellen. Den obligatorischen Arbeiteraus\{uß balte ih als Vermittelungs- und Vertrauenëorgan zwischen Arbeitgebern und Ar- beitern für einen großen Drit, Die Unternehmer sind jeßt vielfach Aktiengesellshaften, die Arbeiter stehen nicht mehr der n ibres Arbeitgebers gegenüber, sondern dem Kapital, den anken, sie baben daher das Gefübl der Gleichberedtigung ibrer Arbeit inmitten des Betriebs und verlangen daber mit Recht die gleiche

Hause unterbreiteten Novellen zum Berggesegz in Aussicht ge stellt oder ofen gelaffen haben. Ih möchte weiter sazen, daß dex Ideenkreis, aus dem heraus der Herr Abg. von Heydebrand in eindringliher und in so beredter Weise für die Wahrung des Rechts, gefühls und der öffentlihen Ordnung im Staate eine getreten ist, men volles Verständnis findet und meinen vollen Beifall hat. (Bravo! rechts.) Um so größeren

lege ih darauf, daß die Verständigung, von der der Herr Abg. von Heydebrand gesprohen hat, auch wirkli erzielt wird, und Maßregeln, die ich für staatserhaltend, für konservativ im besten Sinne halte, mit Unterstüßung der konservativen Partei ¿ustande kommen. Jh will auch betonen, meine Herren, daß insbesondere die Novelle, betreffend die Bergarbeiterverhältnisse, nit den Charakter einer Gesetzgebung ab irato baben soll. Sie soll im wesentlichen nur diejenigen Forderungen erfüllen, welWe der KönigliYen Staatsregierung hon vor dem großen Streik im Nubrrevier als berehtigt erschienen. Die Frage, um die es sich jegt handelt mit vollem Reht hat das mein Herr Vorredner, der Herr Abg. Spahn, hervorgehoben —, ist einfa die: in- wieweit ersheinen die Wünsche und Forderungen der Arbeiter be. rechtigt, inwieweit sind fie niht berehtigt, inwieweit ist bat- dige geseßlihe Nemedur angezeigt ?

Meine Herren, die Novelle soll endlih auh niht den Stempe] einer Gelegenheitsgesezgebung tragen. Von einer gebundenen Mars{- route, von der der Herr Abg. von Heydebrand gesprochen hat, ift keine Nede. Wenn der Herr Abg. von Heydebrand auf einen angebli offiziósen Artikel hingewiesen hat, in welhem diesem Hohen Hause sogar die Tonart seiner Beratung der beiden vorliegenden No, vellen vorgeschrieben worden sein soll, fo kann i ihm die Versicherung geben, daß dieser Artikel von mir nit inspiriert, daß er von mir nit einmal gelesen worden ist.

Ich schließe mih durchaus dem an, was der Herr Abg. von Heyde, brand gesagt hat, daß wir weder einseitigen Arbeitgeber-, noch ein- seitigen Arbeitnehmerinteressen dienen wollen, sondern dem Gemein, wohl. Was aber notwendig ift, das muß gesehen, um solchen Lohn- kämpfen nah Möglichkeit vorzubeugen, und, wenn sie doh eintreten, ibnen mit gutem Gewissen entgegentreten zu können.

Nun, meine Herren, hat man der Regierung soeben den Vor- wurf der Swäche gemaht. Mih wundert, wie ein solcher Vor wurf erhoben werden kann, da ih do sogleich nach dem Ausbru§ des Streiks nicht den mindesten Zweifel darüber gelassen habe, weder bier noch im Reichstage, daß die Ordnung unter allen Um- ständen aufrecht erhalten werden würde, und da ih diese meine

Zusage vollständig eingelöst habe. Wer, meine Herren, die Sprahe und die Haltung der Sojialdemokratie während dieses Streiks verfolgt hat, die Reden, die damals vou

fozialdemokratisher Seite im Reichstag gegen die Regierung ge- halten wurden, die Artikel, die damals in der fozialdemokratishen Presse gegen die Regierung erschienen, die, ih kann wohl sagen Wut- ausbrüche, zu denen sich damals die Sozialdemokratie gegenüber der R& gierung hinreißen ließ, meine Herren, wer das alles verfolgt hat, der wird der Königlichen Staatsregierung den Vorwurf der Shwähe nicht mit Recht machen können. Und ih möchte auch daran erinnern, daß ich die Bergarbeiter des Ruhrreviers, als sie sich an mi wandten, aufgefordert habe, zunähst die Arbeit wieder aufzunehmen und dadurch das von ihnen durch die Niederlegung der Arbeit unter Kontraktbruch begangene Unrecht wieder gutzumachen.

Meine Herren, nun if getadelt worden, daß die alébaldige Einbringung der beiden Geseßentwürfe noch während des Streiks angekündigt worden ist. Nah meiner Ueberzeugung war dies Vorgehen der Königlihen Staatsregierung richtig und z¡weckentsprehend. Gs mag sein, daß Geldmangel die Ar- beiter \{ließlich doch gezwungen bätte, die Arbeit wieder auf- ¡unehmen, der Streik hätte aber ganz gut noch 8 oder 14 Tage oder 3 Woden länger dauern können, als er tatsählih gedauert bat.

Berechtigung ibrer Person. Wenn der Arbeiterauss{uß aber einen Erfolg haben soll, muß er aub mit entsprehenden Arbeiten betraut werden. Die Selischung der Aufgaben der Arbeiteraus\{chü}e darf deshalb nicht den Ärbeitsordnungen überlassen bleiben, sondern es müssen im Gesege selbst die Punkte bezeichnet werden, an welchen die Ausschüfe mitzuwirken baben. Vor allem müssen sie mitwirken an dem Erlaß oder einer Abänderung der Arbeitsordnungen. Die Arbeiterausshüsse werden nit in die Rette der Bergwerkseigentümer | eingreisen. Selbst in der freien Schweiz find die obligatorischen Arbeiteraus\chüsse eingeführt worden ‘und baben dort gute Grfabrungen gezeitigt. Wenn wir die Arbeiteraus/chüs}se bloß heranzieben wollen, | um Streitigkeiten ju beseitigen, so werden sie niht mehr ein Ver- trauensorgan, fondern ein Streikorgan sein. W233 die Frage betrifft, ob den Ausschüssen die Grubenaufsiht zu über- tragen sei, so steht doch nickchts dem entgegen, wenn die Grubenkontrolleure nur das Recht erhalten, gemeinsam mit den Bergrevierbeamten oder einem Werkbeamten die Grube zu prüfen. Was schadet es denn, wenn der Beamte auf Mißstände aufmerksam gemahi wird. Wenn es sich darum bandelt, die Beschwerden der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen, so muß die Presse möglichst aus- geschaltet werden, denn es ist nihis schlimmer, als die Verallgemeinerung von Uebelständen in der Prege. Sollte es denn den Bergwerks- unternehmungen nicht felbst erwünsht sein, einen Vertrauenêmann

der Arbeiter ¡u Haben, mit dem fie verhandeln können ? Bei der Wakl der Ausschußmitglieder empfehle ih durhaus die Verbältnis- wabl; denn nur fo ist es mögli, daß die einzelnen Arbeitershichten in dem Auéshuß vertreten find. Anstoß nehme ih an der Be- stimmung, daß in den Arbeiterausïchuß nur ole gewählt werden können, die in Wort und Schrift der deutshen Sprache mächtig sind. Das wird wieder als gegen die Katholiken gerichtet aufgefaßt werden. Diese Bestimmung muß gestriben werden. Man sollte lieber dafúr bestimmen, daß in gemishtsprachigen Geg-nden die Beamten

doppelte Tagelohn noch zu boch gegriffen. Die obligatorische Ein- führung der Arbeiterau8schüfe ist neben den Berufsvereinen eine danken2werte Ergänzung der Arbeitersel6stverwaltung. Warum sollen aber die Beleashaften unter 100 Arbeitern die Wobltaten eines | Arbeiteraus\chufses entbehren? Diez Zahl ift entschieden zu bo. Schon bei 50 Arbeitern kann der Arbeitgeber mit den einzelnen Arbeitern feine Füblung nehmen. Eine sehr wichtige Aufgabe würde es sein, die Arbeit-rauss{hüfse mit der Mitwirkung bei der Gruben- auffiht ¡u betrauen. Dabei bandelt es sch um Leben und Gesund- heit der Arbeiter, und in den Arbeiteraus\chüsen wird ein großes Maß von Satkenntnis und Erfahrung vorkanden sein Wir müssen die große Zahl der schrecklihen Unglüdsfälle zu verhindern suchen. Diese Aufgabe der Arbei:erauéschüsse fehlt leider in der Vorlage. Die Aufzaben der Auéschüfs- dücfen nicht allein den Arbeitéordnungen überlassen bleiben, fondern sollten obligatorisch gemaht werden. Das Wahlrecht muß so gestaltet werten, daß die Arbeiter wirkli Vertrauen zu den Aus- shúfsen baben fönnen, deshalb muß die Wahl gebeim sein. Auf den sanitären Marximalarbeitêtag will ib im einzelnen nit ein- geben, das ift Sache der Kommission, ich will nur erklären, | daß wir dafür sorgen müssen, daß diese Bestimmungen auch | wirflih durchgeführt werden, und zwar nicht bloß im Bergbau, |

| Tageêverdienstes erreichen dürfe. Das sind 10 4, und das ist immer

verpflichtet wären, die Sprache der Arbeiter zu lernen. Bedenken habe ih dagegen, daß die Geldstrafe im Monat den doppelten Betrag des

noch hoch. Man könnte vielleicht differenzieren und bei fleineren Ver- geben nur Gesamtstrafen im Betrage des einfachen Tagelobnes an- Jegen. EŒ8 sollte auch, um Meinungéverstiedenheiten über das Gedinge auszuschließen, die Schrifilihkeit über das Gedinge vorge- schrieben werden. Bedauerlih ift, daß die Knappshaftsnovelle erst im fommenden Herbste vorgelegt werden soll. Jch bin für die Ueber- weisung der Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern, damit die verschiedenen Landesëteile darin vertreten sein können. Möge die Kommi! sionsarbeit zum sozialen Frieden, zur Gesunderhaltung des Bergarbeiterstandes und zum Wohle des ganzen Vaterlandes gereichen.

Prästdent des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. Graf von Bülow:

Meine Herren! Jch möchte zunächft meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß die Vertreter aller Parteien die Möglichkeit einer Verständigung zwishen der Königlichen Staats- regierung und diesem hohen Hause fiber die beiden diesem hoben

Die s{ädlichen, die überaus {ädlichen Folgen, welhe dieser Streik ohnebin für unser Erwerbs- und Wirtschaftéleben gehabt hat, bätten sih dann erst recht gezeigt. Ih glaube, meine Herren, daß ohne die au8gesprochene Geneigtheit der Königlichen Staatsregierung, bestimmten Beschwerden der Arbeiter abzuhelfen, die Masse der Bergarbeiter über den Rat der Siebener-Kommission, die Arbeit wieder aufzunehmen, geradeso hinweggegangen wäre, wie sie beim Ausbruch des Streiks troy dem Rate der Führer in den Streik eingetreten sind. (Widerspru bei den Nationalliberalen.) Jch weiß auch nit, ob ohne das Eingreifen der Staatsregierung ter Streik nit einen weit tumultarisheren Charakter angenommen bätte, als er zu unserer Genugtuung gehabt bat. Jch glaube nicht, daß, wenn der Streik nah anderen Rezepten behandelt worden wärz, er einen fo friedlihen Verlauf genommen, ein so rashes Ende gefunden bätte, und ih geftehe Ihnen, daß mir die damals, nach dem Ende des Streiks, vorgelegte Karikatur von dem Polizeiwahtmeister im Ruhr- revier, der während des Streiks an Langeweile gestorben sein foll, lieber ist, als wenn der Streik zu einer ncch größeren, zu einer wirkli großen Kalamität geführt baben würde.

Es ist weiter gesagt worden, die Einbringung der Gesetzentwürfe

| gerade in diesem Auzenblick bedeute eine unangebrahte Nachgiebig-

keit gegenüber einer irregeleitcten döffentlihen Meinung. Diesen Vorwurf der Uebereilung kann ih ebensowenig gelten lassen, wie den Vorwurf des Versäumnisses, den mir der Herr Abg. Hirs gemacht hai. Meine Herren, daß mir glei&zeitig Uebereilung und Versäumnis vor- geworfen wird, das erinnert mi an das Wort von Goethe, daß zwischen Uebereilung und Versäumnis unseres Lebens tief Geheimnis liege. Jedenfalls aber ift nach meiner Ueberzeugung der cine Vorwurf ss ungerechtfertigt wie der andere. Ich verw-ise nohmals darauf, daß der Gesezentwurf gegen das Stilllegen von Zechen {on lange vor dem Ausbruch des Streiks in Arbeit war. Was die Bestimmungen über die Arbeiterverhältnisse angeht, so waren auch sie von der Königlichen Staatsregierung vor längerer Zeit in Aussicht genommen, und schon in dem Gesegentwurf von 1892 waren die meisten der Bestimmungen vorgesehen, die jeßt Ihrer Beschlußfassung unterbreitet werden. Das kommt ja im Leben häufiger vor, daß man \sich mehr oder weniger lange mit einer Absicht trägt, und dann ein Ereignis ein- tritt, das zu einer beschleunigteren Durchführung dieser Absicht führt.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung hatte nah meinsc Auffaffung die Pflicht, in einem so entscheidenden Augenblick zu tun, was in ihren Kcäten ftand, um einer ernsteren Krisis vor- zubeugen, um den Streik bald zu Ende zu führen. Es läßt fich nicht verkennen, daß das Berggesey heute nit mehr so wirkt, wie

der Zeit, als 8 erlafsseck wurde. Mein Herr Nachbar, Handelsminister, hat ausgeführt, wie sich die all-

„inen Vorausseßungen geändert haben, daß an die Stelle Privateigentümer vielfah die unperfönlihe Kapitalmacht ge- ist. Gegenüber diesem Umshwung muß die Hand des

: (s gestärkt werden. Es soll aber auch die Kluft verringert

n, die sich vielfah zwischen den Besizern der Bergwerke und

Arbeitern gebildet hat. Die Fühlung zwischen den Arbeit-

ra und den Arbeitnehmern foll wieder hergestellt werden. Das

ein Hauptzweck der Arbeiterauësschüfe, welhe Ihnen in dieser

wlle vorgeschlagen werden. Wir bofen, daß sie ¿ur Milderung

Gegensäße beitragen und daß durch sie möglihst Streiks ver- erden.

Hy wenn mir der Herr Vertreter der nationalliberalen Partei „jell einen Vorwurf daraus gemacht hat, daß die Königliche

isregierung während des Streiks fih zu einem geseßgeberischen

gehen entschlofsen bat, so möhte ich ihn an die Worte erinnern, (e in dem Augenblick, als der Streik im Ruhrrevier seinen zepunkt erreiht hatte, ein Mitglied, ein sehr hervorragendes lied der nationalliberalen Partei im Reichstage, an die uatéregierung richtete, der Herr Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim. hhaftes Oho! bei den Nationalliberalen.) Gehört der Herr ,. Freiherr Heyl zu Herrnsheim ja oder nein zur vonalliberalen Partei? Da er der nationalliberalen Partei, mir zu meiner Freude der Abg. Friedberg bestätigt, hôrt, so werden Sie mir auch erlauben, mich auf sein Zeugnis berufen und Ihnen die Worte vorzulesen, welche Freiherr

¡u Herrnsheim in einem feierlihen Appell an die König- Staatsregierung und speziell an mich richtete :

Wir wollen den Reichskanzler und die verbündeten Regierungen daran erinnern, daß sie die Pflicht haben, in diesem ernsten Augenblick, da es sih um ein nationales Unglück handelt, nichts zu wrabläumen, was geeignet ist, durch eine Verbefserung der Gesetz- pdung bessere Zustände herbeizuführen.

&4 appelliere also von dem Abg. Schiffer an den Abg. Frei-

Hexl zu Herrnsheim und hoffe, daß es diesem gelingen wird,

3bg, Schiffer von der Unrichtigkeit eines Teils seiner Vorwürfe lberzeugen.

Meine Herren, von allen Seiten ist man auf unsere Hal-

gegenüber dem Streik im Rußhrrevier zurückgekommen. genüber diesem Sireik kat die Königliße Staatsregierung x Anfang bis zum Ende festgehalten an der ruhigen und sachlichen stung, die ih vor diesem hohen Hause, die ich vor dem Reichstage

Mrcel:gt habe. Unbekümmert um die Sozialdemokratie, die Oel ins

er zu gießen, die eine Verständigung zu ershweren suchte und dadur teitgeber und Arbeitnehmer gleihmäßig schädigte, hat die König- h Staatsregierung allerdings im Sinne des Friedens gewirkt. e hat die ôffentlihe Ordnung aufrecht erhalten , sie hat die dividuelle Freiheit beschütt; aber sie hat gleichzeitig gegenüber diefen bnfämpfen eine unparteiishe Haltung eingenommen. Wie unparteiis{ ie Haltung war, können Sie am besten daraus ersehen, daß sie beiden Seiten kritisiert worden ist. Aber unbekümmert die Kritik von der einen wie v der anderen Seite Kunst des Regierens besteht ja jeßt wirklich zum Teil darin, nit durch die Kritik treiben oder verblüffen zu laffen —, die Königlihe Staatsregierung lediglih die Pflicht im behalten, die ibr nach unserer Auffassung im Interesse der as publica, des Staatswohls oblag. Sie hat Kommissionen gesest, um die Beschwerden zu prüfen, sie hat demnächst die zte namhaft gemacht, wo eine Abstellung der Beschwerden der zubeiter möglih erschien. Ich glaube, ohne Ueberhebung sagen dürfen, daß gegenüber einem so großen, fo ernsthaften Ausftand im eine Regierung eine so sahliche Haltung beobachtet hat, wie diesem Streik im Ruhrrevier die Königlich vpreußische Regierung. Ih habe beim Beginn des Streiks gesagt, daß nah meiner Ueber- zung die Regierung gegenüber folchen Vorgängen eine doppelte Aufgabe Sie habe vor allem die Pflicht, unter allen Umständen die öffentliche nung aufrehtzuerhaltzn ; sie habe aber auch die Aufgabe, zu tun, in ibren Kräften stehe, um einen Ausgleih herbeizuführen. Im izgenden Falle war die Königliche Staatsregierung um so mehr Mihtet, ibr möglihstes für die Beendigung des Ausftandes zu tun, ‘2 ih um einen Streik handelte, der unser ganzes wirtschaftli&es in Mitleidenschaft zog. Niemals zuvor ift bei uns ein Streik ¿fommen, der einen fo gewaltigen Umfang nach der Zahl der ilenden aufwies. Die Zahl war, wie wir alle wissen, ncch größer dci dem großen Streik der Anthrazitkoblengräber in Penn- dznien, Bei diesem Streik ih glaube, er muß sich 1902 aktgespielt Pn waren nur 140 000 Bergarkeiter in den Ausstand getreten, mal an 200 009 oder sogar über 209 000. Wenn der Lobnausfall Akeiter sich nach Millionen bezifferte, wenn dadur die Lebens- uug der Arbeiter auf das empfindlichste geschädigt worden ist, fo t der Schaden vielleitt noch größer, den Handel und Industrie, Fabrifen und Handeléhäuser, den zablreihe Gewerbe durch diesen tit erlitten. Durch den Streik im Nuhrrevier ist der National- [siand um Hunderte von Millionen geshädigt worden. Wir en die Pflicht, einer weiteren Auébreitung eines solhen national- lhaftlißen Notstandes vorzubeugen. Es handelte sich niht um (twöhnlihe Arbeitseinstellung, sondern um weitverzweigte Inter-

n, die den Weltmarkt und das deutshe Erwerbsleben tief be- tien, Gewiß war die Stellung der Arbeitgekter eine günstigere, waren in der Lage abzuwarten. Wenn sich aber der Streik et länger binau8zog, so lag die Gefahr vor, daß die deutshe In- {ie einen Teil ihres Absatzgebietes auf dem Weltmarkte an ihre Éurrenten verloren bätte. Ob wir das dann später wieder er- t hätten, das war do nit ganz sier, und wenn wir gar ge- É gewesen wären, unseren einheimishen Bedarf an Koble und % aus dem Auslande zu deen, so wäre die Schädigung des ‘lonalbermögens noch gesteigert worden. Es lagen also auch für Lbeitgeber troß der anscheinend für sie günfligen Konjunkturen

*rwiegende Gründe vor, das Ende des Streiks herbeizuführen.

aber die Arbeiter angeht, so litten sie schon jeßt unter dem l der Löhne, sie litten unter teuren Preisen, und vor allem

‘en fie das gleihe Interesse wie die Arbeitgeber an der Erkaltung j

nationalen Wohlstandes. Beide Teile, Arbeitnehmer und Arbeit-

t, hatten also dasselbe Interesse an einer s{leunigen Bei-

1g des Streiks im Interesse unseres gesamten Erwerbélebens, das

L shwere GrsHütterungen niht ohne ernste Gefährdung er- ann.

Nun, meine Herren, babe ich \{lielich in den lchten Tagen vielfach gehört und gelesen, daß durch Vorschläge, wie fie diese beiden Gesegzentwürfe enthalten, die Arbeiter doch nicht zufrieden gestellt wünden. Die Sozialdemokratie verhöhne solhe Vorschläge, die hristlihen Gewerkshaften fänden die von uns gemachten Ver- befserungen niht genügend. Ja, meine Herren, eine Regelung der Arbeiterverbältnisse, der Bergarbeiterverhältnifse nah allen Wünschen der Belegschaften is überhaupt ausgeschlossen. Damit werden wir immer rechnen müfsen, daß Parteien, daß Erwerbs- und wirtschaftliche Gruppen immer noch weitergehende Forderungen aufstellen, immer noch weitergehende Wünsche begen, als fie vom Standpunkte des Gemeinwohls aus befriedigt werden können. Das, meine Herren, war so während der Handelsverträge, das war \o in der Kanalfrage. Ich weiß nit, ob der Herr Abg. Diederich Hahn auf seinem Plate ift. (Heiterkeit.) Wenn er auf seinem Plate wäre, würde ih ihn fragen, oder ich frage die ihm besonders nahestehenden Herren, ob fie durch die sieben neuen Handelsverträge vollständig faturiert find. (Heiterkeit.) Wenn Herr Hahn hier wäre, würde sicherlich ein deutlihes „Nein“ die Antwort sein. Ich frage auf der anderen Seite ich weiß nicht, ob der Herr Abg. Gothein bier ist (Heiterkeit und Rufe: Ist gar niht mehr Mitglied!) Dann wende ih mich an den Herrn Abg. Wiemer, der zu meiner Freude ja immer lebhaft für die Kanalvorlage eingetreten ist. Jch frage den Herrn Abg. Wiemer, ob alles Wasser der wasserwirtshaftlihen Vorlage seinen Durst nach Kanälen vollständig gestillt hat. (Heiterkeit.) Ich glaube, auch er ist nicht ganz zufrieden. So liegt es auh bei den Berg- arbeitern. Reine Freude ift nicht auf dieser Welt, und nicht in der Politik.

Es kommt dazu, meine Herren und das ift ein wichtiger Punkt —, daß der alte Bergarbeiterverband bestrebt ift, die hrist- lien Gewerkschaften aufzusaugen. Die christlitzen Gewerkschaften repräsentieren, wie Sie wissen, vor allem die alteingesefsenen Berg- arbeiterfamilien im Rubrrevier. Daher wurden sie au vom Bergarbeiter- verbande als gleihberechtigt behandelt, es fiel ihnen sogar in der Siebener- Kommission die Führung zu. Ershweren wir nun dieses Bestreben der Sozialdemokratie, die chzistlihen Gewerkschaften aufzusaugen, er- \chweren wix das, indem wir die für die Bergarbeiter vorgeschlagenen Verbesserungen ablehnen? Ich bin überzeugt, daß, wenn die Hoff- nung der Bergarbeiter auf die in diesen Gesezentwürfen enthaltenen Reformen nicht in Erfüllung geht, dann manches Mitglied der chrift- lihen Gewerkschaften zu der Sozialdemokratie übertreten wird.

Sehr charaktetiftish war mir in dieser Beziehung eine Aeußerung, die ein sozialdemokratisher Agitator vor einiger Zeit in Dortmund gemacht hat. „Ich freue mih“, sagte der betreffende Herr, „wenn aus der bevorstehenden Novelle nihts wird. Unsere Bergleute werden um fo eher Sozialdemokraten“. (Hört, bört! im Zentrum.)

Ih möchte die Aufmerksamkeit auch auf einen Artikel lenken, den der Vorsitzende der Siebener-Kommission, Herr Effert, in der Zeitschrift „Der Deutsche“ unlängst veröffentliht hat, und der mit den Worten {ließt :

Treffen Regierung und Landtag baldigst gesetzgeberishe Maß- nahmen zum Schuße der Bergarbeiter, so bleibt nicht nur das Vertrauen des größten Teils der Bergarbeiterschaft erhalten, sondern Tausende, die jeßt noch zweifeln und sozialdemokratishen Utopien nachlaufen, werden neuen Mut fafsen und zu Stützen der monarchischen Ordnung werden.

Meine Herren, sei dem wie ihm wolle, mag es auch rihtig sein, sh vor übertriebenem Optimismus zu büten: für den Staat und für die Regierung ist es Pflicht, das zu tun, was sahlich geboten ist, und nah unserer Ueberzeugung sind die wesentlihen Bestimmungen der beiden Ihnen unterbreiteten Gesetzentwürfe sachlich gerechtfertigt. (Beifall.)

Darauf vertagt gegen 5 Uhr das Haus die weitere Be- ratung auf Dienstag 11 Uhr.

Nr. 12 der „Versffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 22. März 1905 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Desgl. gegen Gelbfieber. Desgl. gegen

oden. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Apotheker.

Diphtheriebeilserum. Viehseuhen. Arzneitaxe. (Preußen.) Aerzilihe Ehrengerihte. Rindertuberkulose. Studierende. Müllereiprodukte. Aerzte und Krankenkassen. Petroleumarbeiter.

(Reg.-Bez. Liegnitz.) Gemeingefäbrlihe Krankheiten. e (Kreis Norden Keuchhusten. (Bayern.) Schweineseuchen. A Oeffentlihe Impfungen. Todesursacenstatistik. (Württemberg. Irrenbhausordnung. (Hessen.) Militärpfliktige. Arzneien. (Mecklenburg-Schwerin.) Todesursachenstatistik. Mükllereiprodukte. (Grceßherzogtum Sachsen.) Schlachtvieh- und Fleishbeïhau. (Sachsen-Meiningen.) Tierische Ansteckungéstoffe. Kunstweinbezreitung. (Anhalt.) Viehwagen. {Schwarzburg Rudolstadt.) Tetanusserum 2. Tierishe Ansteckungsstofe. (Reuß j. L.) Arzneitaxe. (Nieder- ländisch-Indien.) Pestverordnung. Tierseulden im Deutschen Reiche,

15. März. Desgl. in Bosnien und der Herzegowina, 4. Viertel- jahr 1904. Desgl. in Schweden. Verhandlungen von geseß-

gebenden Körperschaften, Vereinen, Kongrefsen usw. (Deuisches Reich.) Etat des Gesundheitsamts 2c, 1905. (Jtalien.) 5. internationaler Kongreß für Psychologie Vermischtes. (Deutsches Reich) Aus- saß, 1904. Prüfungen in der Gesundheitépflege, 1904. (Preußen.) Sanitätébericht des Oberschlesishen Knappshaftsvereins, 1902. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutsh:n Orten mit 40 000 und mehr Einwobnern. Desgleichen in größeren Städten

des Auélagdes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Groß- städte. Desgleichen in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gerichtilihe Entscheidungen auf dem Gebiet

der öffentlihen Gesundheitspflege (Kurpfusher, Kurpfuscherei).

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregelu.

Schweden.

Nach einer Bekanntmachung des Königlich s{chwedischen Kommerze kollegiums vom 16. d. M. ist das Großterzogtum Mecklenburg- Schwerin als von böôsartiger Lungenkrankheit (pneumonia interlobularis contagiosa vel pleuropneumonia boum eon- tagosia) befallen erklärt worden. :

Zur Zeit gelten ferner folgende deutshe Gebietsteile als von ansteckenden Vichkrankheiten befallen: /

von Roß oder Springwurm (mallous humidus rel farciminosus): Preußen, das Königreih Sachsen, Bayern, Württem- berg, das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin ;

von ansteckender Maul- und Klauenseuche (aphtha epizootica): das Deutsche Reich;

von Kräße unter den Schafen (scabies ovis): die preußishe Provinz Hessen-Nassau, der preußishe Regierungsbezirk Düsseldorf, der Kreis Pinneberg der preußischen Provinz Schleëwig- Holstein, das Königreih Sachsen, Württemberg, Baden, das Groß- Siemon Mecklenburg - Schwerin, die Stadt Hamburg mit deren

ebiet;

von Wasferschheu (rabies): die preußishen Provinzen Weft- preußen, Poien und Schlesien, der preußische Regierungsbezirk Köslin, das Königreich Sachsen; i

von der Shweinepefst(diphtheritis suum, swWine-difteritis, Schweinepest, Schweinecholera, pneumo-intérite infectieuss, Swinefever, hogcholera): das Deutsche Reich.

Handel und Getwoerbe.

Im Auslande hergestellte goldene oder silberne Doublé - bijouteriewaren, desgleihen silber- und goldplattierte Waren (plaqué) konnten bisher nah Frankrei ckuch dann un- gehindert eingeführt werden, wenn sie die vom französishen Gese für dergleichen einheimische Erzeugnisse geforderten Stempel, nämlich den Stempel des Fabrikanten und den Stempel“ „douBßlé“, noch nit trugen. Es genügte, daß der Empfänger der Ware diese Stempel darauf seßen ließ, bevor er die Gegenstände auf französishem Boden in Handel und Verkehr brachte. Dasselbe galt bisher binsichtlih des Fabrikanten- stempels für die vergoldeten und versilberten ausländischen Waren. Durch einen Runderlaß des französishen Eereralzolldirektors an die Zollämter vom 21. Januar d. J. ist dieser Zustand geändert worden. Danach müssen alle Waren der bezeihneten Art bei Vermeidung des Ausshlufses von: der Einfuhr nah Frankreich schon bei der Zoll- abfertigung den Fabrikantenstempel gemäß den französishen Vor- schriften, und die goldenen oder silbernen Doublébijouteriewaren sowie die filber- und goldplattierten Waren (plaqué) daneben auch noch den Stempel „doublé“ tragen. S

Diese Vorschrift tritt mit dem 1. April d. I. in Kraft. Hervor- ¡ubeben ist, daß auch die plattierten Waren den Stempel „Joublé“ und nit etwa einen Stempel „plaqué* zu tragen baben. Bei ver- silberten und vergoldeten Waren wird einstweilen nur der Fabrikanten- stempel verlangt, doch wird wahrseinlih in Bälde ein Runderlaß ergehen, wonach diese Waren ebenfalls den Stempel „doublé“ tragen müssen. E i E

Eine Angabe des Gehalts an Gold oder Silber wird bei keiner der in Rede stehenden Warengattungen verlangt.

Der Fabrikantenftempel hat in einem vollkommenen Quadrat zu bestehen, welches die Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens des

abrikanten und das von ihm als Marke angenommene Zeichen oder ymbol einscließt.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.

Der Viebhandel Oesterreih-Ungarns im Jahre 1904.

Der Schlachtvieher vort der österreichish-ungarischen Monarchie ift im abgelaufenen Jahre um 89 096 Stü im Werte von 18 421 699 Kronen zurückgegangen und umfaßte 290 028 Stück im Werte von 96 083 024 Kronen. Bei Ochsen beträgt dec Nüdckgang 3115 Stück im Werte von 3 133 860 Kronen, bei Stieren 632 Stük im Werte von 390 790 Kronen, bei Kühen 28725 Stük im Werte von 11330065 Kronen, bei Jungvieh 9015 Stück im Werte von 1 903 591 Kronen, bei Kälbern 6236 Stück im Werte von 467 700 Kronen, bei Schafen 48 845 Stück im Werte von 991 807 Kronen, bei Ziegen 209 Stück im Werte von 2926 Kronen, bei Kißen 391 Stück im Werte von 3128 Kronen, bei Schweinen 2513 Stück im Werte von 204 480 Kronen ; eine Zunahme bei Lämmern, und zwar 63 Stück im Werte von 372 Kronen, bei Spanferkeln 523 Stück im Werte von 6276 Kronen. Mehr als die Hälfte der Auefuhr ging nach Deutschland, der Rest verteilt sfich hauptsählich auf die Schweiz, Jtalien, Frankrei, Belgien und Rumänien. : E

In der Einfuhr hat sih gegen das Vorjahr kne wesentliche Aenderung ergeben; fie umfaßte 288953 S1ück im Berte von 37 988 691 Kronen. Die zollbegünstigte Einfuhr von Ochsen aus Serbien hat sih um 17 800 Stück vermindert, dagegen ist der Im- port von Schafen um 8000 Stück gestiegen, und zwar hauptfächlih durh größere Bezüge aus Serbien und Montenegro. Die Schweine- einfuhr aus Serbien vermehrte sich um 12000 Stü.

Der Export von Fleish, sowobl von frishem als von zu- bereitetem, weist eine mäßige Abnabme auf, der von Wild blieb ziemli stationär. Der Geflügelexport hat um 1,2 Millionen Stück im Werte von 600 (00 Kronen zugenommen. (Aus der amtlichen Wiener Zeitung.)

Goldproduktion Australiens im Jahré 1904.

Die Ecträge des Goldbergbau:s und der Goldwäscherei Australiens waren nah vorläufigen Erm ittelungen im Jahre 1904 im Vergleih zu 1903 in den einzelnen Staaten die folceaden :

1903 1904

in Feinunzen Neusüdwales 954 260 269 817 Bictoria . 764 822 771 298 Queensland . 658 176 624 917 Mestauftralien 2 064 801 1 983 231 Südaustralien . 22 269 17 913 Bamanien :. 59 891 60 090

Australischer Bund 3 824219 3727 176. : (Nah The Journal of Commerce, Melbourne.)

Konkurse im Auslande. Serbien. Salomon Meschulan, Kaufmann in Belgrad. Anmelde- termin: 1./14. April 1905. Verhbandlungstermin: 4/17. April 19065.

Zwangs8versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgeriht 1 Berlin stand das Grundstück Oudenarder Straße 1, dem Kaufmann G. Lehmann gehörig, zur Versteigerung. 8,08 a. Nußungêwert 12500 « Mit dem Gebot von 230 000 Æ bar blieb Wwe. Auguste Scbulte in Schöneberg Meistbietende. Ferner Jägerstraße 68, Beer u. Reimann gehörig. 6,21 a. Nußungswert 17800 « Mit dem Gebot von 541 000 M blieb Kaufmaun Ed. Wendt in Charlotten- burg, Kantstraße 30, Meistbietender. S

Beim Köntglihen Amtsgericht 1! Berlin. In Sachen Hüselig in Schönerlinde wurde das Verfahren eingestellt.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks s A ber Rubr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 27. d. M. gestellt 18 267, nit reckt- zeitig geftellt keine Wogen.

Veber die Lage und Entwickelung des persishen Ge- \chäftes in Konstantinopel sind den Aeltesten der Kaufmann- chaft von Berlin vertraulide Mitteilungen zugegangen. Näheres ist im Verkehrsbureau der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin und in dem der Handeltkammer zu Berlin zu erfahren.

Der „Rheinish- Westfälischen Zeitung“ zufolge beschkoß der Stahlwerksverband in seiner am 23. d. M. abgchaltenen Sigzung, infolge Eingehens zahlreicher Aufträge die Beteiligungsziffern sämtliher Vetbandswerke um 5 %/ zu erhöhen.

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