1905 / 77 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 175. Sigung vom 29. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolfs Telegravhishem Bureau.)

Tagesordnung: Dritte Beratung des Reichs- haushaltsetats für 1905.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. Nach dem Abg. Dr. von Skarzynski (Pole) nimmi das Wort der

Abg. vonGers dorff (d. kons.): Die Ausführungen des Vorredners waren nicht von sachlihem Intercsse. Mit den Polen werden wir uns ja doch nit verständigen. Wenn die Polen ein selbstärdiges Staatsgebilde geblieben wären, so bätte fich dieser Aufs{wung faum in dem Maße vollzozen, wie es tatsählih geschehen ist. Ich bleibe dabei, daß {on 1863 der polnische Boykott geübt worden ist. Der polnischen Geschichtshreibung Eönnen wir in dieser

zeziebung keinen Wert beilegen. Wenn der Vorredner fih über meinen Ton beschwert hat, so sage ih: wie es in den Wald binein- sckallt, so shallt es heraus. Die scharfen Angriffe des Grafen von Mielzynski forderten eine Abwehr beraus. Der Marcinkowskishe Verein ist insofern volitish, als er sich die ausscchließlihe Unter- ftüßung der Polen zur Aufgabe gestellt hat; der Ostmarken- verein ift ja auch ein politisher Verein; aber er unterscheidet sch in der leßten Beziehung von dem Marcinkowskishen. Wenn wir die polnischen Angriffe, u. a. auch von Geistlichen hören, so kann man uns nit ver- denken, wenn wir fagen, daf die deutiche Mutter eine Schlange an ibrem Busen genährt hat. Wenn der Vorredner eine großpolnische Agitation verwirft, so muß er mit seinen Freunden auch allen Be- ftrebungen entgegentreten, die man als eine folhe Agitation auffassen kann. Gegenüber Angriffen, wie sie die Polen immer wieder vor- bringen, müssen wir aus unserer Reserve heraustreten. Wenn die Polen Frieden haben wollen, dann sollten sie die polnishe Frage aus der Diskussion lassen und nit solhe Neden halten

Abg. von Czarlinski (Pole): Herr von Gersdorff hat die Geschichte doch niht genau studiert. Die deutschen Besizer haber fich gegen die preußi!che, beziehung8weise brandenburgiie Herrschaft gewebrt. Es ift niht rihtig, daß die Polen shon 1863 den Boykott verbängt baben, Tatsache ift vielmehr, daß noch jeßt Polen deutsche Geschäfte besuhen. Wir würden gern \{weizen, wenn Sie (reckchts) die Vertretung unserer Interessen übernäßm?en. Wir können uns aber nidt der Pflicht entziehen, dem deutshen Volke die Augen zu öffnen. Der Marcinkowékishe Verein hat auch Deutsche unterstützt ; ih könnte Namen nennen, wenn es verlangt wird. Sollen wir etwa unsere Natio- nalität aufgeben ? Jn Jhrem Sinne existiert überbaupt keine großpelnishe Agitation. Wir wollen es dem lieben Gott überlassen, ein Polenreih zu erriht-en. Ob das geschieht, können wir doch gar niht wissen. Daß die Geschichte mit dem Geistlilßen sich so verbä!t, wie be- hauptet worden ift, bätte von den Angreifern bewiesen werden müssen.

Abg. von Tiedemann (Nv.): Der Vorredner wird zugeben müssen, daß, als Preußen die polnischen Landesteile annekiierte, Polen

aus Adel, Geistlichkeit und einem Volk bestar.d, das auf der niedrigsten Kulturstufe stand: es waren tatsählih Lasttiere. Was wäre aus den

e Polen geworden, wenn Preußen nicht Shulen eingeführt bätte, Wege geebnet und melioriert bätte! Ich bege die größte Berounderung für diese eigene Kraft, die nationalen Ziele, die unverwüstlihe Lebenskraft der Polen, aber wober haben sie die Vittel b:fommen, si in dieser Weise zu betätigen? Gewiß, der Marcinkowskishe Verein ist die Veranlassung, daß ein polnisher Mittelstand sch entwitckelt hat. Aber dieser Verein bätte doch unmöglih junge Leute zu Nechts- anwälten usw. werden laffen können, wenn die preußishe Verwaltung niht die Shulen dazu lieferte und auch die Miitel dazu und die anderen Mittel. Der Marcinkowékishe Verein vnd andere Mittel baben zur Folge g?habt, daß das Deutshtum ins Wanken geraten ist, fich bedrängt sah. Die Zahl der volnish:n Handwerker ift stets gewachsen in Orten, wo es vor 20 bis 30 Jahren überhaupt keine solhen gab. Ich weise z. B. auf Bromkerg hin. Namentlich in den 1880er Jahren trat die volnishe Mitt-lstandsbewegung mit großer Entschiedenheit in den Vordergrund. Die Polen * wollen durhaus Hammer sein, sie Fönnen aber doch nit verlangen, daß die Deutschen immer Amboß fein sollen. Wir kommen nur weiter, wenn die Polen ihre national:n Velleitäten aufgeben.

Abg. Dr. von Chlapowski (Pole): Wenn die Polen so boyfottierten, wie der „Halkatiftenderein" es behauptet, so müßten in den Städten zwei Driitel oder drei Viertel aller deutschen Kaufleute zu Grunde geben. Das tun aber die fe nit. Wenn der Vorredner bestreitet, daß die Deutschen oyfoiticren, so hat er nicht das „Posener Tageblatt“ ge- lesen, in dem direkt aufgefordert wurde, bei polnishen Firmen niht zu kaufen. Es werden sogar Listen von Polen verbreitet,

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worden waren, damit man sehen konnte, wie sich die Verbältniffe ent- wickelten. Jett besteht die Gefahr eines vertragslosen Zustandes. Gefreut hat es mich, daß der Abg. von Kardorff die Besteuerung der Staatseisenbahnen durch das Reih empfoblen hat. Er ift damit zum ersten Male für eine direkte Reichssteuer eingetreten. Hoffentlih wird er darin fortshreiten und sich überzeugen, daß es noch andere direkte Reichssteuern gibt, die sich zur Einführung empfeblen.. Ich hoffe, daß er in bezug auf das Wablreht im Süden aus einem Saulus ein Paulus werden wird.

Abg. von Kardorff (Np.): Der Vorredner irrt, wenn er annimmt, daß ich mi früber gegen direkte Neihesteuern au3gesprohen habe. Ich habe eine Reichseiukommernsteuer immer für mögli gebalten, aber darauf hingewiesen, daß die Einzelstaaten sih dagegen sträuben, weil sie darin eine Mediatisierung exrblicken. Die Eisenbahn- abgabe, die ich empfoblen babe, ist aber keine direkte Neichsfteuer. Ich babe {on vor 30 Jahren ausgeführt, daß ein Auëgleih ¡wischen beiden Wahlsystemen stattfinden soll. Ich habe aber eigentlich nur das Wort ergriffen, um dem Abg. Bebel zu antworten. Auf den Streik gehe ih niht ein. Solange das Bergrecht preufkisch ift, gebört die ganze Streikfrage in den preußishen Landtag. Ich stehe vollständig auf dem Standpunkt dieser Frage gegenüber, den die Herren v. Zedlitz, v. Heydebrand und Hilbck vertreten haben. Wenn Herr Bebel sich auf das Bi2marcksch2 Wort bezogen hat, das Drei- klassenwahlsystem fei das elenteste aller Wablfysteme, so möchte ih daran erinnern, ‘daß Bismark in seinen Eriancrungen au gesagt hat, daß, wenn die meisten Reihstagêwaklkreise gewissen- losen Agitatoren zum Opfer fielen, wenn die fleißige, rubige, harm- lose Bevölkerung auf das ärzste belogen würde, das deutsche Volk stark genug sein würde, sich von diesem Wablgeseß zu befreien. Das it auch ein Wort des Fürsten Bismarck, das Herr Singer boffentiih für ebenso richtig finden wird, wie das vorber zitierte. Herr Bebel erklärt die Sozialdemokraten für die einzigen Kulturfreunde. Das ist doch eine merkæürdige Sache. Kultur bedeutet JIbnen, dem Volke jedes Gefübl der Pietät für Kire und Staat aus dem Herzen zu reißen. Der Ton der sozialdemokratischen Presse bringt nit den Eindruck hervor, daß diese Partei auf einer fehr hohen Stufe der Kultur flieht. Man wirft uns vor, die Verdummung der Nation zu wollen. Meine Fraktion bat gerade am energischsten die Verbesserung der Lehrergebälter und Verbesserung der Schulaufsiht verlangt. Wir wollen die Mittel für die Schule, auch für die Volksschule, so aut- giebig wie möglih gestalten. Die Hygiene spielt bei der Arbeiter- politik eine große Rolle; aber es gibt auch eine geistige Hygiene, die in Verwerfugg des Kontraktbruhs besieht; davon wollen Sie nichts

wissen. Das soziale n Herr Bebel au unter- stüßen. Wenn irgend ein Reich sozial gelcitet worden ift, so das

Deutsche, das für die arbeitenden Klassen in den Versicherungs- gesetzen Auferordentliches geleistet hat, um das uns das Auseland be- neidet. Jbre Unterstüßung würde dcch au an sehr starke Bedin- gungen geknüpft sein. Herr Bebel würde an Stelle des Grafen von Posadowsky zu treten haben; was3 aus dem deutshen Vaierlande dann werden würde, mag fich jeder ausmalen. Herr Bebel ist dann au auf Marckfo ¡u sprehen gekomzien. Er fragte, warum niht s{on vor einem Jahre für den Schuß der dortizen deutshen Fnteressen eingetreten worden sei. Das Abkommen ¿wischen Frankreih und England konnte bisber nit in allen Einzel- beiten übersehen werden. Wir wünschen die Politik der offenen Tür in Marokko aufrecht erbalten zu fehen; diesem Wunsch wird mit dem Besuch unseres Kaiserliden Herrn jeßt Ausdruck gegrben, und das liegt sehr im vaterländischen Interesse. Daß wir dort nach alldeutshem Muster Landbesfiß und Erwerbungen haben müßten, perborretziere ih. Herr Bebel hat dann bedauerliberweise au2gesprochen, daß wir erloren sind, wenn England und Frankreih zusammen gegen uns gehen. Gewiß sind tas sehr starke Nationen, aber das von vorn- herein von dieser Tribüne autzuiprehen, heißt doch die beiden auf- zufordern: verbündet euch doch und fallt über uns ber! Man foll fb doch darüber rilcht täuschen, daß in England zum -Teil eine anti- deutshe Strömung eristiert, und dieser neue Nahrung zu geben, ift für Deutschland {ä&lich. Wir Deutsche haben die Gewohnheit, unsere Gegner nit zu unters{ägen; so ohne weiteres werden wir Nieverlagen nit erleiden. Unjer Landheer is jedem Gegner ge- wasen, und unsere Verteidigungsstellung in Nord- und Ostsee wird aub jeden anderen Gegner 1wingen, sih feine Séritte recht gründlih ¡u überlegen. Ib boffe sc{ließlih, daß es dem Schaßsekretär gelingen möge, die geeigneten Mittel vorzushlagen, tiz das Reih aus der Finanzmisere berauszufübhren vermögen.

Reichskanzler Dr. Graf von Bülow:

Meine Herren! In der Oftmarkenfrage folge ih di:8mal dem Bei- spiel und dem Vorkild des Herra Abg. Gotheir, was ih nicht immer tue, und werde mih bemüben, mich über diese Frage fo kurz als möglich zu fassen.

die deutshe Namen tragen, damit die Deutschen gar nicht irre geben. Der Marcinkowskisde Verein verfolgt statutenmäßig nicht die Ziele, ie der Vorredner ibm unterleat. Ginge es nah der preußischen Neaierung, so gâbe es überhaupt keiren polnishen Mittelstand. Wir wären auch obne die vreußisdbe Regierung weitergekommen. Wenn au ein volnisher Geistlizr fb zu befiigen Aeußerungen hinreißen lasen sollte, wie der Abgeordnete von Gerédorff bebauptct bat, so muß berückichtiat werden, daß er provoziect sein konnte, wie es in vielen Fällen geschehen it. Die Polen werden ja aus Vereinen und trieb:n förmlih binau8gedrängt. Wir werden danach streben, Polen zu bleiben.

Abg. Gothein (fr. Vagg.): Auch die Herren der polnischen Fraktion fönren niht bestreiten, daß die preußishe Regierung die Kultur gefördert hat; für diese Landesteile ist sogar mehr gegeben worden als für andere, um das Deutshtum zu stärken. Allerdings auf zwei Gebieten bat die Regierung wenig geleistet. Zunächst auf dem Gebiet der Schule. Nirgends lassen die Schulen îo vicl zu wünsche-n übria2, nirgends find die ShHulen fo überfüllt wie in den polnischen Landesteilen. Ih untershäte richt die G:fahcen ver arof- polnischen Agitation; aber es müssen auß Fehler von der Regierung und den Deutschen J iverden sein. Die preuß che Polenpolitik i ift bisher keine glüdiihe Fresen; sie war einz Politik der Nadelstiche | und bat nur zar Ve erung gefübrt. Herr von Tiedemann fragte

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die Polen, woher sie die Mittel genommen bätten. Diese Frage ist leiht zu beantworten. Die preußishe Aôstedlung2politik bat diefe Mittel gewährt; dern es sind den Pelen zu hobem Preise Süter ab- gekauft worden. Ist es denn unbedingt notwendig, daß der eine Teil den Hammer oder de i Ein friedliche

[even iît doch entsi i l i politik, möge sie geüb

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L L verden, von welcher Seiie es sei, vebinder verbitternde Politik aufgebzn. Der Ak ie Rede des Neichskanzlers irm Abgeordneten- i er Kanzler ift ei 3 i

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i d L l 4 îÎ 4 , g 4 6 E j die ne ien Nec nte « 4 - D) - « 2: der A beit eter. Jn Rußland find es jeßt gerade die Arbeitgeber ; 5) c T vorl ch1 r r? Nr lottornt 45 bi b Tes die Ausschüsse eTIangen int nit ibren Arbeitern verbhandel; | zu fônnen Sas den éfterreiLii hen Handelêvertrag betrifft, | fo wäre es vorîü§htiger geweien, wenn man deuticherseits mit j É s L N R C 4, L L Q E, ¿ A Ei Der Boriegung gewartet haite, bis die Wahlen in Ungarn beendet i

Ih kann dies um so eber tun, als die Ausführungen der drei Nedner von der polnischen Fraktion nach meiner Auffassung von den deutschen Herren so gründlih widerlegt oder, wenn ich mi eines Ausdrucks tes Herrn Lbg. Grafen Mielzyneki von neulich bedienen soll, so gründlih abgeführt - worden sind, daß ih tem faum etwas binzu- zufügen h

Der Herr Abg. Gotbein bat gemeint, das der Oftmarkenpolitik eußisden Regierung marcher Vorwurf zu machen wäre. Ich r berechtigtste, der ftäriste Vorwurf, der der Ostmarken-

vreußishen Regierung gemackt werden fönnte, wäre der Vorreurf cines Mangels an Kontinuität (sehr ricktig! rets), und deshalb wird die preußishe Negierung die O'tmarkenpclitik, die wir ‘etzt führen, auch mit Stetigkl-it fortseßen. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, der Herr Abg. Bebel hat im Eingang seiner

Ausfübrungen den bevorstehenden Besuh Seiner Majestät des Kaisers in Tanger in Verbindung mit der Marokko-Frage berübrt. Ich halte

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ge bend und im einzelnen

rihiig! reht3.)

es aub heute nit für opportun, mi einç

über die

Marokkc-Frage zu äußzzcrn. (Sehr Ih nehme aber, nachdem diese Frage nun einmal an- geschnitten worden ist, keinen Ansland zu sagen, daß ih mit den Auéfüzrungen meines Herrn Vorredne13, des Herrn Abg. von Kardorff, über diejen Punkt durchaus einverstanden bin. Seine Majestät der Kaiser bat gerade vor Jahresfrist Seiner

Majestät dem König von Spanien erklärt, Deutschland erstrebe in Marokko feine territorialen BVorteile. Nach dieser bestimmten Gr- es aussihtAo2, dem Besu§Ye Seiner Majestät in Tanger irgend welche selbstsühtigen, gegen die Integrität oder die Unab- bängigkzit von Marokko gerihteten Absnbten unterzushieben. Ein berechtigtes Motiv zur Beunrußigung kann olso aus diesem Besuche niemand berleiten, der felbf ie

Unabbängig von fue urd unabbängig von der Territorial- frage läuft aber die Frags, cob wir in Marokko deutshe wirtschaft- liche Interessen zu { baben wir allerdings. Wir baben in Marokko chenso wie in ( ein erhebliches Inter- esse an der Erhaltung der offenen Tür, d. h. der Gleichberechtigung aller bandeltreibenden Völker. rsstt Bismarck kat einmal gesagt, man könne es feinzin Staat verübeln, wenn er für nahweisbare Interessen eintritt. Verüb:ln könnte man nur dem, der sih wie Fürst Biémarck sih ausdrückt einmisht ohne rnahweiébare Interessen. Das ist nicht unfer Fall. Die deutihea wirctshaftliten Interessen in Marokko sind, wie be-

annt, recht erheblih, und wir haben dafür zu forgen, daß sie gleih-

aus Döswilligkeit in eine Sache |

Nun hat der Herr Abg. Bebel gemeint, unsere Politi ,

über Marokko sei eine andere geworden. Ih muß den ; Abg. Bebel zunächst darauf aufmerksam machen, daß si diz und die Haltung des Diplomaten und des Politikers nas Umständen rihten. Den Zeitpunkt, den ih für geeignet bali ih Wahrung unserer Interessen, wähle ih nach eigenem Grmef» In diesem Falle hat sich aber in der Tendenz der deutschen #4, nichts geändert. Wer ein fait nouveau fudt, wird es nid deutschen Politik finden. Sofern aber versucht wird, die vêlk, lihe Stellung von Marokko zu ändern oder bei der wirti{gi Gantwidckelung des Landes die ofene Tür zu kontrollieren, müß» auÿ in höherem Grade als früher darauf ahten, daß unser schaftlichen Interessen in Marokko ungefährdet bleiben. Wi ; uns deswegen zunächst mit dem Sultan von Maroïko in Verk,

Meine Herren, nun hat der Herr Abg. Bebel bei diesem I, cinen Angriff gegen den Herrn Abg. von Riepenhausez rihtet. Er hat gemeint, der Herr Abg. von Riepenky sei ein militärisher Draufgänger, und er hat sh ÿ hingestellt als den Friedensmann par excelience. Meine f nach meiner Empfindung ist der Herr Abg. von Niepenbause friedfertiger als der Herr Abg. Bebel. (Große Heiterkeit.) Js; von dem Herrn Abg. von Niepenbausen bisher noch niemals t und tadelnswerte Angriffe gegen befreundete oder benachbarte gehört ; ih habe bisber noch niemals vernommen, daß der Hen von Riepenhausen die ihm nabestehende Presse eine heftige, aggr eine geradezu triegerishe Sprache gegen unsere Nachbarländer j führen lassen. Jedenfalls boffe ih, daß der Herr Abg. Bey friedfertige Gesinnung, der er heute Auëdruck gegeben hat, i überall und bei jeder Gelegenbeit zeigen wird.

Nun bat sich der Herr Abg. Bebel gegen meine vorg: Ausführungen im preußishen Abgeordnetenhause über den éj im Ruhrrevier und über die Novellen zum Berggeseß

wendet. Wenn der Herr Abg. Bebel bei diesem laß das, was ich seinerzeit in diesem Hbohen Hause

den festen Entshluß der pvreußishen Regierung autführte, öfentligze Ordnung unter allen Umständen aufrecht zu halten, als eine „Provokatiecn®* der Arbeiter bezeichnet | so erwidere ich ihm: Solange wir eine Regierung in Pry und in Deutscland haben werden, die diesen Namen überhaupt wird sie es als ihre erste Pflicht betraten, zu verhindern, daß E und Ordnung verleßt werden. (Bravo! rets.) Weiter bat | Herr Abg. Bebel gesagt, daß in England oder Frankreich Minister h so gegenüber einem Streik bätte benehmen und g prechen können, wie ih bei dieser Gelegenheit. Ueber die Halt der Königlich preußishen Staaisregierung gegenüber dem Ey

im Ruhrrevier habe ich mich am vorigen Montag im

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geordnetenhause eingehend verbreitet. Ich habe dort gig daß nah meiner Ansiht kaum je gegenüber einer so em

so weitreihenden Arbeit8seinsiellung, wie es dieser Y stand im Ruhrrevier war, eine Regierung eine sahlihere und ruth Haltung beobachtet hat, wie in diesem Falle die Königlich pvreußü Staatsregierung.

Ich richte aber an den Herrn Abg. Bebel die Gegenfraze: haben sih denn bei ähnlihen Anläfen Politiker, die aus der Soj demokratie hervorgegangen find, verhalten? Wo sie dazu in der L waren, sind sie Streiks meistens manu militari entgegengetreten. & haben es in Frankreich Minister gehalten, die vorber der fozialisti\ Partei angehörten, fo bat es, wenn mein Gedächtnis mi nit täui der Genosse Wolls{läger in Basel gehalten bei dem Ma

ftreik (Abg. Bebel: Sebr rihtig!), und wenn das Herr Abg. Bebel bestreitet (Zuruf links) wenn

es nit bestreitet, so will ich, um ihn in dieser Arsidi besiärkcn (Heiterkeit), ihm verlesen, was er selbst tarüber gesact! auf dem Internationalen Sozialisterkoergreß in Amsterdam. —Z bemerke dabei aber auëdrüdcklich, daß dieser Zeitung?ausschniti niht von dem Herru Abg. Erzberger vorgelegt worden ist (Ht keit), der mir nie einen Zeitungéausscnitt oder eine Mitteilung bat kommen lassen. Was der „Vorwärts“ darüber bebauptet kat, 2 Schwindel. (Hört, bört!) Also auf dem Internationalen Kor: in Amsterdam sagte der Herr Abga. Bebel: Kein größerer Kampf in den leßten vier Jahren, nidt Lille, Roubairx, Marseille, Brest, Martinique und noch jünf der Normandie gegen streikende Glatarkbeiter, bei dem nit! t

Ministerium Waldeck-Rousseau-Millerand, das Miristerium Cor gegen die Arbeiter Militär aufgeboten kat. Im November die Pariser Polizei in fchamlosester gewalttätigster Weise in Pariser Arbeiterbörse eingebrchen und bat 70 Arbeiter verwur niedergknüppelt. Und da bat ein Teil unserer sozialistishen Frz! in der Kammer nicht für die Bestrafung des Polizeipräfekten | stimmt . . . Lebhafte Pfuirufe.

Diesen Pfuirufen des Amstertamcr Internationalen Sozialif kongresses schließe ih mich natürlich nit an. Jch verhalte immer objektiv gegenüber Vorgängen in fremden Ländern. Aber rihte die Frage an den Herrn Abg. Bebel, mit welhem Rei da gegen die preußishe Regierung zu Felde zieht, die gegenüber eut Ausstande von 200 009 Arbeitern richt einen einzigen Soldaten die Beine gebracht bat. (Sehr richtig! rechts.) Als ia der belgi! Kammer neulih der belgische Bergarbeiterstreik zur Debatte da baten die beiden sozialistischen Vertreter von Lüttich die belÜ Regierung, fie möge gegenüber dem belgischen Streik eine so ger und faGlihe Haltung einnehmen, wie die preußishe Megier! während des Bergarbeiterstreils im MRuhrrevier gege den preußishen und deuten Bergarbeitern. (Hört, kt rechts.) Gehen Sie, Herr Bebel, bei Ihren böelgiss Genossen in die Lehre, und brehen Sie endlih mit den verkaöge Anschauungen der Ausdruck ist ja erlaubt (Heiterkeit) —, mit ® verknöchertes Anschauungen, die Sie bisher auf diesem Gebiet den Tag legen.

Meine Herren, nun hat der Herr Abg. Beb:l auch die rfi Haltung unferer Arbeiter im Ruhrrevier hervorgehoben. Ich b2 wenn ih auh tie unter Kortraktbruch erfolgte Niederlegung * Arbeit als eine Urrech{tmäßigkeit habe {arf tadeln müssen, doch in? gern anerkannt, daß der Streik im Ruhrrevier im großen und 0a ruhig verlaufen ist. Daturch kakben sih die Arbeiter ia wi Kreisen Sympathie erworben. Mögen fie daraus erkennen, * sie ih und ibrer Sache nützen, wenn sie si in den Bahnen des Git und der Ordnuns kalten.

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bered@tigt mit denen aller anderen Mächte bleiben.

der Arbeiter stand aber von Anfang an

Im schreienden SBegensaß zu dieser HaltM und bis zu Ende À

Haltung der sozialdemefratishen Partei und der sozialdemofratishen Presse, bei welher von vornherein und immer wieder der politische, der revolutionäre Pferdefuß zum Vorschein kam. (Sehr richtig! rechis.) Die sozialdemokratische Presse war von Anfans an bemüht, Miß- trauen gegen die Regierung und gegen die Volésvertretung ¿u er- weden. Bevor die Novelle zum Berggesez angekündigt wurde, erflärte die fozialdemokratishe Presse, daß von der Regierung und von dem Parlament unter keinen Umständen irgend reelde geseßliche Remedur zu erwarten wäre. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Warten Sie doch ab! Als die Regierung dann im Interesse des sozialen Friedens mit Unparteilichkeit und Gerehtigkeit gegenüber den ftreitenden Teilen die Novelle ¡zum Beragesey in Aussicht stellte, da hat die sozialdemokratishe Presse alles getan, um den Arbeitern die Freude an diesem Eingreifen zu verekeln. Regierung und Parlament wurden aufgefordert, etwas für die Bergarbeiter zu tun, gleichzcitig aber wurde . dieselde Regierung und dasselbe Parlament als „Kapitaliftenregierung“, als „Kapitalistenparlament* mit Shmähungen &berkäuft. Im Gegensaß zu den Ausführungen des Herrn Abg.

Bebel behaupte ih, daß der Ausstand - hon viel früber zu Ende gekommen wäre, ‘wenn die sozialdemokratis@e Presse

idt immerfort Oel ins Feuer gegofsen hätte. (Sehr richtig!) 2s it sogar in solchen Blättern anerkannt und hervorgehoben worden, die weder der Regierung besonders freundlih noch den Wünschen und Forderungen der Arbeiter irgendwie feindlich gege iüber- sehen. Ich habe bier einen Ausschnitt aus der „Frankfurter Zeitung“ or mir, die meinte,

daß ih in der Bergarbeiterangelegenheit der sozialdemokratische Parteivorstand und die sozialdemokratische Presse

es ijt die „Frankfurter Zeitung“, die fo spriht

geradezu täppisch benommen hätte. Mit ibrer abgebraudten Waschzettelphrafeologie hätte die Sozialdemokratie mal wieder eine große Dummßbeit gemacht. Gin anderes, den Forderurgen der Arbeiter gleihfalls sympaikbisch gegenüberstehendes Blait, die „Kölnishe Volkszeitung", wies während des Streiks darauf bin, daß der „Vocwärts“ den Kampf der Bergarbeiter aufs äußerste erschwere; sie wies auf die S&uld hin, welhe die sozialdemokratishe Presse an der unerwünshten Gestaltung des Bergarbeiterstreiks trage, und hob her- vor, daß, je mebr die Sozialdemokratie sich in den Vordergrund dränge, sie um so mehr andere Kreise zurückstoße, auf deren Sympathie und Unterstüßung die Arbeiteroraanisationen angewiesen seien. Indem die sozialdemokratishe Presse alles tat, um den Streik der Bergarbeiter niht zum Abschluß kommen zu lassen, bat sie be- wiesen, daß sie in ibrer Voreingenommenheit und Einseitigkeit für die wirklihen Azxbeiterinteressen kein Verständnis und kein Herz

hat. In einem schr - arbeiterfreundlihen Blatte habe ih ge- lesen, daß der Herr Abg. Bebel in der Rede, die ér damals während des Streiks in diesem hohen Hause

gehalten und auf die er eben Bezug genommen hat, fo gesprohen bätte, als ob er dem Bergbaulichen Verein habe zu Hilfe kommen wollen. Diese Auffassung, meine Herren, will ich mir ja nicht gerade zu eigen machen. Aber das erkläre ich allerdings, daß mir kaum jz ein Beweis ich muß wieder dasselbe Wort gebrauhen voa so ve:fnöcherter Parteianshauung vorgekommen ist, wie die damaligen Ausführungen des Herrn Abg. Bebel. Herr Bebel hätte wirkli nicht anders sprehen können, wenn es säne Absicht gewesen wäre, die arbeiterfrzeundlihen Bestrebungen der Regierung zu hbintertreiben und die bürgerlihe Gesellschaft irre zu maden in ihrer sozialpolitischen Tätigkeit. Und wenn „der Herr Abg. Gothein eben gefagt bat, ih

- bätte mi bemüht, im Abgeordnetenhause meiner Einführung der

beiden Novellen zum Berggesez cine schar\macterische Nuance, cinen sharfmacherisden Charakter zu geben, so bestreite ih das ganz ent- \hieden; das aber sage i: einer der wirfsamsten Helfer des sogenannten Sharfmachertums ist der Herr Abg. Bebel (lebhafte Zustimmung rehis); er liefert immer wieder Denjenigen Argumente, die sagen, daß die Erfüllung von Arbeiterforderungen rur dazu diene, vaterland8feindlihe, destruktive, revolutionäre Tendenzen zu stärken. (Sebr wahr !)

Nun, meine Herren, hat mir troßdem ber Herr Abg. Bekel heute zu meiner nicht geringen U-berrashung für gewisse Eventuali- täten seine und seiner Freunde BundeSgenossenshaft in Ausficht ge- fiellt (Heiterkeit rechts), unter der Vorauésezung, daß ih nah links rutshen soll, au unter der Vorautsezung, daß ih die Sicherheit des Undes kompromittieren soll, irdem ich niht mehr für die Aufrecht- erhaltung und Vervollständigung unserer Rüstung sorge.

Fa, meine Herren, es war mir chcarakteristisch, daß, als während der Rede des Herra Abgeordneten Bebel bei dem Passus, wo er von ciner möglichen Bunde2genosser saft ¡wis&en feiner Partei und den Herren von diefer Bank sprach, der Zwischenruf ertönte: „Auf wie lange?*, ih seiner eine gewisse Verlegenbeit bemätigte, die ih sonst an ihm nit gewohnt bin. (Heiterkeit) Au erinnere ih mich zu deutlih, daß der Abg. Beb-l bei versciedencn Selegen-

eiten und namentli in Amsterdam mit der Offenheit ih möchte das französische Wort gebrauchen : mit derjenigen candeur, die ihm ab und zu eigen ift, ausdrücklich gesagt hat, die So,ialtemcokratie aecbme alle Konzessionzn entgegen, die man ibr made: sie lasse si jede Bundesgenofsenschaft gefallen, sie halte aber immer fest an ibren leßten Zielen. frat Diese

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(Sehr wahr! bei dea Sozialdemokraten.)

lezten Ziele der Sozialdemokratie, die wären eben die Obnmacht des Landes nah außen und die Anarchie im Innecn! (Zurufe det den

Sozialdemokraten.)

Au dagegen hat sich der Herr Abz. Bebel gewendet, daz i neuliH gesazt habe, ih würde, selange ih hier stände, die fulturfeindlihen und freibeitfeindliden Tendenzen und Bestrebungen ter Sozialdemcekratie bekämpfen. Der Herr Abg. von Kardorff bat soeben hon mit Recht auf den seltsauen Wider- \vruch hingewiesen zwischen einem sol&en Anspru au! Kultur und ¡wischen dem Tone, ich kann wohl sagen, dem oft setr rohen Tone der sozialdemokratishen Presse. Nah dem Abgeordneten Bebel soll meine Auffassung von der Freiheitfeindlihkeit und bon der Kulturfeinklichkeit der Sozialdemokratie hur von einem sehr kleinen Kreis meiner politis:zin oder per- i entschieden zurü. (Sehr wabr!) Ich bia im Gegenteil der fesien Yeberzeugung, daß die Mehrheit, die sehr große Mehrheit des deu schen Bolfes nit die mindeste Lust empfindet, unsere verfassung{ mäßigen Zustande zu ber-

tausYen mit der uns in Aussicht gestellten Diktatur des Proletar’ats (sehe richtig), mit der uns in Aursicht gesteliten Zuchtbau?ordrung

| gewisse Ländergier bemächtigt bat, kaufen si

(Widerfpruh bei den Sozialtemekraten) jawobl, Zuchthaus- ordnung, dabei bleibt es —; daß die große Mekbrheit unseres Volkes nicht tie mindeste Luft hat, alte und bewährte Kulturwerte zu ver- tauschen mit einer banausishen Gleihheitêémacherei (sehr richtig! rets); daß sie gar keine Lust empfindet, eine rub!ge, friedliche, geseb- mäßige Entwicklung einzutaushen mit einem Wirrwarr, der na aller geshihtlihen Erfahrung \{chließlich immer dur den Säbel durhhauen worten ift. (Lebhafter Beifall )

Abg. Sieg (nl. beginnt unter großer Unrube zu sprechen, der Präsident bittet um Ruhe.) Seit 40 Jabren kenne ich die polnische Bewegung. Das Aufhören des perfönlichen Verkehrs zwischen Polen und Deutschen, der Abschluß der Polen war der Anfang des Boykottes.

ie polnishen Töchter wurden nach Lemberg 2c. geschickt, damit sie ja nicht mit Deutshen in Berührung kämen. Was die Herren von der polnischen Frafkiion bier fagen, gilt den 2 olen draußen für viel zu zahm. Dort berrscht ein ganz anderer Ton. Uebrigens machen sich die Polen seit einiger Zeit selbst Konkurrenz dur die großen Vajare und Warenbäuser der Polen, die den Mittelstand allmählich auf- saugen. Die Sule ist keineêwegs mehr fo jammervoll, wie es Herr Gothein dargestellt hat. So is es gewesen. Freilih können wir auf diesem Gebiete nur schrittweise vorgeben, aber dec Staat tut das Möaliche, um den Kulturstand zu beben, und zwar nicht nur bei den Deutschen, sondern auch bei den Polen. Seitdem ih der Polen eine

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sie zu wahrhaft ruinösen reiten. Ih Îprede dem Kanzler den Dank aus, daß in der preußischen

Polenpolitik nihts geändert werden foll. Aba. Blumenthal (d. Volksp.): Wir haben in der zweiten Lesung ution argerommen, nah der Elsaß-Lotbringen als Mêit- eihes cire selbitändige Stellung im Bundesrat erbalten foll. Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchte ih auédrüdii be- tonen, daß die Vertretung des Reichslandes im Bundesrate nit die dringendste Reformforderung nah der Auffassung des Volkes ist. Glüdlicherweise; denn wenn diese Reform die nächste wäre und präjudiztal für die weitere Ausgestaltung der Verfassung, dann wäre wir sehr \chleckcht gestellt. Denn sowobl der Kanzler wie Herr Spahn i baben übereinstimmend erklärt, diese Regelung sei eine der |chwierigsten staatérehtlihen Fragen, und ih befürhte, daß in absetbarer Zeit feine Lösung zu erreihen wäre, weil erst Üebereinstimmurg im Bundesrat darüber herbeigeführt werden müsse. Alle reihéländischen Abgeordneten stimmen mit mir darin überein, daß der Einfluß Preußens im Bundesrat nicht gestärkt werden sollte, was ja geschehen de wenn die Stimmen des Reichslandes im Bundeérat von Preußen | instiuiert “würden. Es gibt andere Reformen, an deren Durh- | fibruna mas beranireten fôönnte, obne die Lösung jener unlösfaren Frage herbeigeführt zu haben: die Rcform der Volksvertretung in Elsaß-Lothringen. Die „südlie“ Bestrebung nach Eirführung | des geheimen, direkten Wablrechis ist in Elsaß - Lothringen von | jeker mit Begeisterung verfolgt worden. Herr Spahn hat s{on

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| hervorgehoben, daß die jeßigen Vertreter aus Wablen der Bezirks- tage und der Gemeinderäte berocrgeben, die für ganz andere Zwecke | bestimmt sind. Diesen Körpershaften sollte die Wahl abges | nommen werden, dann könnten sie sich obj-ktivere ibren eigent- i Lichen Aufgaben zuwenden, und die Genäblten würden von den eng:n lokalen Interessen in erwünshter We.se losgelöst werden. Es ist eine Anomalie für unser Land, daß auch Landesgesch2 den Reichstag passieren; aud unsere Verfassung ist durch den Reichstag erlaîen worden. Als nächste Stufe der Reform fordern wir die Autschalturg des Reich2tages bei der Lande2g-feßzebung. Der Neichs tag aber möge ß den Landesaus

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| dafür sorgen, daß wir wenigîtens für t

| {uß das direkte, geheime Wabirecht erhalten. Die Reic | in Verbindung mit dem Reichêtage war es, die dieses u | oder Zwitterding, dieses Kuriosum von Verfasjung etnes Lande | geschaffen haben, niht die el’aß-lothringishe Bevölferung. In d |

beutigen Debatte interessiert die Reih2länder ungemein dite Stellun der deutschen Regierung zur marokkanishen Frage. Die Gestaitun der deuish-französishen Beziebungea wird nicht unerheblih von diefe

Frage beeinflußt werden. Die Aeußerung, d2ß der Besuch Kaisers diese Beziebungen trüben könnte, tit “nicht ion franzock Blättern auêgegangen; im Gegenteil ift erklärt word-r, 72 feiter Franfreid&s fein Anlaß zu einem Vorwurf an Deutschla:.¿s Adre|

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Es steht aub nach dem Ergebnis der Dedaite nit z befürchten, daß diese Beziehungen durh die neuere Gestaltung getrüb werden.

Aba. Dr. Stockmann (Rp.): Als Herr Jessen übcr schwere Besir2fung seines Unterredakteurs Siemensen Kiage fubrte, hatte ih darauf hingewiesen, daß dieser Herr Stipendien, welche für deut]cke Zwecke gegeben werden, genessen bätte und jegt in seiner Stellurg alies Deutsche gebässig verfclgte. Hztr Jessen meinte, er babe diese

Stipendien in der Schulzeit empfangen und bâtte nidt getat, daß ibm diese Stipentien später in dieser Weise vorgebalten würden. Der Redakteur Siemensen hat Stipendien aber niht als SLüler, sondern nach mein‘r Information als Student auf eigenen Antrag erbalten; er weiß au genau, um was es sih handelt, wenn er sid aus einer Stiftung tur Förderung des Deutshtums Stipendien verschafft. Herr Jeésen batte daber kein Recht, seinen Unterredatteur am „Flensborg Apvis* auf diese Weise zu entsuldigen.

Nba. Bebel (Soz.): Der Kanzler bat mih Ausführungen maten lassen, die ich nit gemacht habe. Ich babe mich dagegen gewandt, daß der Kaniler jene Drohung gegen Erxzeste in cinem Moment aus- svrac, wo gar keine Veranlaffung ta¡u vorlag. Diese Worte mußten den allerböfesten Gindruck machen. Dazu kam, daß gegen die Unter- zler einen Ton der Milde und Versöhnlichkeit ars{lug, der mit jener Drohung in direktem Gegensate stand. J habe in der Beraarbeiterangelzaenbeit nur am 3. Februar gesprochen; i ver- lanate {ließli Verstaatlihung der Bergwerke, habe ab2r kein Wort des Tadels gegen die vreußishe Regierung ausgesprochen. Einen Zwischenruf von meiner Seite hat er fo aufgefaßt, als wollte ih be- ¡iweifeln, daß das Verhalten der preußischen Negterung gerecht ci, und er verwies mich af meine Azuferung in Amsterdam. Ich bleibe dabei, der Kanzler fam in das Haus und bielt seine Nede gegen mi, obglei ich gar feine Veranlaffung dazu gegeben hatte. Fch habe aufs allerschârfsle getadelt, daß in der Schweiz unter Mit- wirkung meiner Parteigenossen gegen den Streik mit Mtilitär vorgegangen wurde. Die Notiz über den Abg. Erz:berger ist von einem meiner Partecifreunde in den ,Vorwärts* gekommen (Zwi)cenru?f des Abg. Erzberger : Die Fraltion!) In der Fraktion ift die ganze Satte gar nit zur Sprache gekommen. Die preußishe Regierung und mit ihr der Reichékanzler hâit ein infaries Wab / ) (Präsident Graf ven Ballestrem: Sie tüfen ein Wabirccht, das in einem Bur d-staat ailt, nicht infam nennen!) Die preußische Regterung hat keine Arbeiterfreundlihf-it und Gerechtigkeit gegen die Arbeiter bewiesen: das zeigt die Zuchthautvorlaze usw. Als der Streik aus- geb: ohen war, haben tvtr jelbftverständlich dIe Arbeiter 11 [l rem Kam e untersiükt, denn niemals war ein Streik berechtigter als di-ser. e reilih sagten wir uns felbst im Innern, taß diejer Streik rejultatlos ver- laufen würde. Aber in dem entscheitenden Momente konnten wir die Arbeiter nit im Stice lassen, wenn wir nit zum Verräter an ibnen werden roollten. Wir haben die Genugtuung gehabt, daß */s ter aufgebraten Summe für die streikende Arbeiterschaft von den deutschen Arbeitera gekoauen sind. Der Kanzler sagte, wir bätten den Arbeitern die Freude an dem Vorzeh?en der preußishen Regierung verekelt. Die Beraggaeszinovelle entsvrach eben nicht dem, was die Arbeiter erwarteien: sie entsprickt nit einmal dem, was der Abg. Hammacher 1889 für notwendig gehalten bat. Auch der Bergarbeiterkongreß tadelt diefe Novelle, und do resteht er nit aus Sozialdemotraten.

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Diese Novelle entspricht nicht einmal dem Minimum, was die Verg arbeiter verlangen fönnen. Das Reichsamt des Innern hat eine Vertreturg auf dem Kongreß abgelehnt, weil es sih um eine Landeê- sache handele, und das preußische Handelsminiïterium, weil es keine Zeit habe. Kann man fi eine größere Mißachtung denken? Würde man eine. sol&e Behandlung gegenüber den Unternehmern wagen? i Yan würde ein halbes Dußend Geheimräte dahin s{icken, auch wenn

es fch um eine unbedeutende Sache handelte. Höhnischer kann man den Arbeitern nicht antworten, als es das Handelsministerium getan bat. Das bat mehr böôses Blut als manche Bestimmungen in der Novelle errezt. MRevidieren Sie also einmal nah dieser Richtung hin Fhre „ve:knöcherten*“ Anschauungen! Der Kanzler hat gefraat, wie lange meine Unterstüßung, von der ih sprach, wohl dauern würde. Früher hien den Herren an unserer Unterstüßung mehr zu liegen, als der Konflikt mit England in Rede stand. Wo die Ziele der Regierung mit den unsrigen übereinstimmen, unterstüßen wir sie. Daß wir im übrigen unsere Selbständigkeit bewabren, uns nit mit Haut und Haaren der Regierung verkaufen, versteht sih von felbst. Der Kanzler sprach wieder von einem sozialdemokratishen Zukunftéstaat. Ich kann ihn berubigen: wenn das Gemeinwesen so austsehen sollte, wie er es au3- malt, fo würden wir nicht drei Tage an der Herrschaft bleiben. Aber so wird es eben nicht aussehen. Lafsen wir es do darauf an- fommen. Wo bestand denn eigentlih die banausishe Gleihbeits- macherei, die durch ein Säbelregiment beseitigt werden mußte, Herr Reichskanzler? Diese Kampfe8weise des Kanzlers wird unseren Sleg nicht bindern.

Neichskanzler Dr. Graf von Bülow:

Meine Herren! Die Mehrheit dieses hohen Hauscs wird wobl mit mir der Ansicht sein, daß die Kanonade, diewit eben hört haben, ein Rükzugs- gefecht darstellte. (Heiterkeit.) Den fliehenden Feind soll man nicht mit zu sharfen Waffen verfolgen, sondern ihm goldene Brücken bauen. Deshalb gebe ih auch nicht auf die kleinen perfönlihen Malicen ein, mit denen der Herr Abg. Bebel seine Rede durhfloYten hat, zumal die- selben weder besonders neu noch übertrieben geistvoll waren. (Sehr wahr!) Ich will in aller Kürze nur nahstehende Punkte feststellen. Fh wiederhole noch einmal, was ih beim Beginn des Streiks ge- sagt habe über die Notwendigkeit, die öffentlihe Ord- nung und die bffentlide Rube aufrecht zu erbalten. Das war keine Drobung, sondern die Feststellung eines Grundsaßzes, der in jedem geordneten Staat8wesen gilt. Vorläufig leben wir in Deutsch- land und in Preußen noch in der Monarchie und nit in der An- arhie, und in der Monarchie wird die Ordnung aufrecht erhalten. Der Herr Abg. Bebel stellt es so dar, als ob ich mich in meinen Ausführungen in diesem hoben Hause und im preußishen Abgeordneten- baus in einer für die Unternehmer, die Zechenbesfizer im Rußrrevier, wie er sich ausdrüdckte, zärtlihen Weise ausgesprohen hätte. Ein Blick in diejenigen Blätter, die mebr oder weniger als das Sprachrohr des Bergbaulichen Vereins gelten, beispielêweise in die Nheinisch-West- fälishe Zeitung, müßte den Herrn Abgeordneten eher vom Gegenteil berzeugen. Gewiß, meine Herren, ih befleißige mich der Gerechtig- feit, und deshalb verkenne ih nicht, daß die Unternehmer im Ruhr- revier Männer sind, die durch rastlosen Fleiß, große geschäftlihe Tüchtigkeit, hohe Intelligenz, die hie und da dur Genialität in allererster Linie der deutshen Sndustrie ibren Weltruf erworben und ibre Weltstellung erobert haben. Aber ebenso ofen, wie ih das an- erfenne und würdige, habe ih in den vérshiedenen Debatten, die über den Nubritreik und die Novellen zum Berggesetß stattgefunden haben, die Punkte namhaft gemaht, wo nah meiner Ansicht die Unternehmer nit richtig operiert baben. Ich habe gesagt, daß ihre Haltung gegen- über dem leßten Streik politish und auch taktisch niht gerechtfertigt war, und ih wiederhole au bei diesem Anlaß, daß ich die Opposition, die nah meiner Ansiht viel zu heftige und leidenshaftli@e Opposition, welhe die Zechenbesizer gegen die Novelle zum Berggeseß machen

bedauere und beklage. Der Herr Abg. Bebel hat behauptet, ih hätte ihn Aeußerungen in den Mund gelegt, die er nicht

getan habe. Er môze doch damit anfangen, mir nit Aeußerungen in den Mund zu legen, die mir niemals eingefallen sind. Ich habe niemals gesagt, daß der Herr Abg. Bebel behauptet hätte, der Herr Abg. Erzberger hätte mir Zeitungs- ausshnitte geliefert. Ih habe nur gesagt, daß ein sozialdemo- fratishes Blait, das führende sozialdemokratische Organ, diese Be- hauptung aufgestellt hat, die ih nohmals als einen albernen Shwindel charakterisiere. (Sebr gut! rechts.)

Ferner, meine Herren, soll ih, wie der Herr Abg. Bebel glaubt, die Hilfe unterschätzen, die eventuell die Sozialdemokratie der Regierung bieten könnte. Darauf erwidere ih ihm: wenn die Regieruna seine oder seiner Freunde Unterstüßung und Hilfe irgendwie in Betrachtung ziehen soll, dann müssen sie ch nicht nur mausern, sie müssen si eine ganz andere Haut anschaffen! (Heiterkeit und Beifall rechts, in ter Mitte und bei den Nationalliberalen. Zu- rufe von den Sozialdemokraten.)

Dann, meine Herren, hat der Herr Abg. Bebel mir vorgehalten, daß ich mir öfters erlaubt habe, an ihn die Frage zu rihten, wie er sich eigentlih die Organisation seines Zukunftsstaates denke, daß ih darauf hingewiesen babe, daß cin großer Abstand bestehe zwischen den ués{weifenden Hoffnungen, welhe die Sozialdemokratie in dieser Richtung erweckt, und den \pärlihen, so kärglihen und dürftigen Mit- teilungen, die wir über den realen Inhalt dieses Wolkenkuckuccksheims zu bôren bekommen. Als- er si soeben anschickte, dieses Thema, diese Frage anzusSneiden, da sagte ih mir: Nun kommt es endli! (Heiterkeit), nun wird er endlih, durh mich gereizt, urs alles enthüllen. Es war aber wieder nihts; der Zu-

funftsstaat fommt niemals aus dem Futteral heraus! (Große Heiterkeit.) Ich muß also wiederholen, daß es niht nur unlogish,

daß es ein Unreht gegen die Arbeiter ist, immerfort Möglichkeiten an die Wand zu malen, über die Sie absolut nichts Tatsächliches und Konkretes vor diesem hohen Hause mitzuteilen vermögen.

Sgließlih hat der Herr Abz. Bebel mir mit großem Pathcs erklärt, daß ec das Verhalten derjenigen seiner Parteigenossen miß- billige, die bei Streiks garz andere Mittel angewandt haben, wie sie im Ruhrgebiet die Königlich preußische Stlaatsregierung*angewandt hat. Daß er dies Verbalten seiner Parteigenossen von seinem Standpunkt aus mißbilligt, das begreife ich ja. Aber wenn seine Parteigenosseu, sobald fie vor das reale Problem des Streiks gestellt werden, sich fo verhalten, wie ih das vorher ausgeführt und nachgewiesen habe, dann sollte der Herr Abg. Bebel auch nicht ein derartiges Geschrei erheben über Splitter im Auge der Regierung, wenn er und feine Freunde so faustdie Balken im Auge tragen. Der? Herr Abg. Bebel hat ja selbsi und mit großem Recht in Amsterdam auf dem Inter- nationalen fozialdemokratishen Parteitag gesagt und das möôckte ih Sie, meine Herren von der Sozialdemok:atie, bitten, sich ins Stammbuch zu schreiben —: „Die Republik ist niht so gut, wie wir fie machen, und die Monarchie is nit so \{lecht, wie wir fie nahen!" (Lebhafter Beifall. Unruhe bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Kul erski (Pole): Wir haben nie einen Mangel an Kontinuität gemerkt in dem Verhalten der preußischen Regierung, coweit das Endztiel, die Vernichtung der polnischen Nationalität, în Frage fam; nur waren die gewählten Mittel bald schärfer, bald etwas weniger \scharf. Die Posaunenstöße des Kanzlers übertönen, die

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