1905 / 78 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 Mar 1905 18:00:01 GMT) scan diff

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Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt.

Der Durhshanittspreis wird aus den unabzerundeten Zablen berechnet.

Gin liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betrefende Preis nth vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den legten fech3 Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Dentscher Reichstag.

176. Sißung vom 30. März 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Tagesordnung: Fortseßung der dritten Beratung des Reichshaushaltsetats für 1905 bei dem Etat des Neichsamts des Jnnern.

Ueber den Anfang der Sißung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. : :

Nach dem Abg. von Massow (d. kons.) nimmt da Mort der

Abg. It schert (Zentr.): Herr Lipinski hat berichtigt, was ih gar nicht behauptet habe. ;

Abg. Wurm (Soz.): Ich stelle fest, daß der Abz. Gamp es für rihtig gehalten hat, daß eine Fabrik ibren Arbeitern den Zutritt zur Arbeiterorganisation verboten bat. Das war nit vernünftig, wie Herr Gamp sagte, sondern 1ücksihtslos gegen Arbeiter, die man wie

unde behandeln soll. Sie (rechts) werden ernten, was Sie gefät. ir danken Ihnen für diese Agitation für ursere Zwecke.

Aba. von Gerlach (fr. Vzg.) hält seine Behauptung aufrecht, daß der Abg. von Massow mit seinen Arbeitern Verträge abgeschlossen habe, in denen Hungerlöhne vereinbart waren. Diese elenden Zu- stände werde er immer wieder zur Sprache bringen. Die Geschichte mit dem Chamäleon fei so abzedroschen, daß die Herren doch ein- mal ihren Geift anstrengen sollten, um etwas Eigenes zu produzieren.

Damit schließt die Diskussion. Ju einer persönlichen Bemerkung gebraucht der

Abg. Bruhn (Reformp ) gegen den Abg. Stadtbagen den Aus- vruck „talmudische Verdrehung“. Vizepräsident Dr. Paasche erklärt diesen Ausdruck für unzulässig und ruft den Redner zur Ordnung, ebenso auch den Abg. Stadthagen (Soz) wegen dessen Er- widerung, er nehme an, Herr Bruhn wisse nit, was er sage.

Das Ordinarium und Extraordinarium der Ausgaben des Eiats des Reichsamts des Jnnern werden ohne weitere Debatte genehmigt.

Beim außerordentlihen Etat der Einnahmen ersucht der

Abg. Dr. Be cker- Cöln (Zentr.) die Reichsverwaltung, auch die gemeinnüßige Baugencssenshaft der Militärarbeiter der Si-gburger Militäretablifsements mit Beihilfen aus dem Fünfmillionenfonds zum Das Be Wohnungen für Arbeiter und Unterbeamte in Reichsbetrieben zu b: denken.

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky- Wehner:

Meine Herren! Das Sachverbältnis ist von dem Herrn Vorredner durchaus zutreffend dargestellt worden. Die Schwierigkeit, warum bisher derartige Darlehen an Baugenofsensckaften von Arbeitern aus der Militärverwaltung nicht gewährt werden konnten, liegt aber in der Teilung des gesamten deutschen Heeres in die vier Kontingente. Wenn aus gemeinschaftlichen Reihsfonds die gewünshten Darlehen gewährt werden würden, so müßten auf die verschiedenen Kontingente nicht nur die Zinsen, sondern au die Tilgungsraten der Darlehne ver- teilt werden. Dies wäre eine Abrehnung, die auszuführen kaum mögli ersheint. Wir gewähren allerdings auh an Baugenossenshasten von Pofibeamten aus dem allgemeinen Etatétitel derartige Darlehen, ob- gleich auch Postverwaltungen der Einzelstaaten bestehen; {on diese Abrechnung hat sih als eine -außerordentlich schwierige herauf gestellt.

Wenn* der Herr Vorredner darauf hinwies, daß nur die Berufs- genofsenshafien von Angestellten und Arbeitern der Militärver- waltung keine Baudarlehne aus dem allzgémeinen Reichsfonds bekämen, wohl aber die Baugenossenschaften der Marineverwaltung, fo ift das ebenfalls richtig. Aber bei der Marineverwaltung liegen die Schwierigkeiten eben nicht vor, wie bei der Militärverwaltung, wil «e nur eine MNReihsmarine gibt, und keine be- sonderen Kontingente der Marine, wie bei der Militär- verwaltung. Meine Herren, es läßt \sih bie vorhandene Schwierigkeit meines Erahtens nur dadurch Iôsen, daß man eventuell für die ver-

schiedenen Kontingente entsprechende Summen einstellt, vielleiht in

den Etat des Riihsamts des Innern, aber für die verschiedenen Kontingente begrenzt, und dann daraus Unterstüßungen an die Baugenofsenschaften der gering besoldeten Beamten und der Arbeiter in militärishen Anlagen gewährt. Auh dann wird die Abrechnung noch immer außerordentliG wverwickelt sein, weil ja befanntlich diese Baudarlehne aus dem außer- ordentlihen, d. h. dem Anleiheetat entnommen werden und dann wieder wegen der Verteilung der entstandenen Zinslast eine Verrehnung derselben auf die verschiedenen Kontingentéstaaten not- wendig wird. Ich kann aber darin mit dem Herrn Vorredner voll- kommen übereinstimmen: das sahlize Bedürfnis ift anzn- erkennen, und ih glaube, aus bureaufratishen oder finanziellen

Nechnungéshwierigkeiten kann ein anerkanntes \sahliches Bedürfnis auf die Länge nit unbefriedigt gelassen werden ; darin würde unzweifel- haft eine diéparitätishe Behandlung der Militärarbeiter gegenüber den Arbeitern in den übrigen Staattbetrieben liegen; ih boffe, es wird si bei der Aufstellung des nächsten Etats ein Weg finden lassen, um dieser Disparität abzuhelfen.

Die Einnahmen werden bewilligt.

Beim Militäretat erklärt der

Preußische Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler: s

Meine Herren! Bei der zweiten Lesung des Militäretats ist der Herr Abg. Müller-Meiningen auf den traurigen Fall des Leutnants Dietz in Mainz zurückzekommen, dessen Selbstmord in Verbindung gebracht wird mit dier. stlihen Gründen. Jch habe damals darauf erwidert, daß ih aus den Aeußerungen, die die Braut gemacht hat oder“gemackt haben soll, entnehmen zu können glaubte, daß dienstlihe Gründe nicht vorlägen, sondern dieser Selbstmord auf andere Motive zurückzuführen sei. Jch habe nun einen Brief von der-jungen Dame, mit der der Verstorbene verlobt war, bekommen, in dem sie mir schreibt, fie habe derartige Ausführungen, wie ih sie in der Reichêtagéesizung gemacht bätte, niemals getan, sondern sie habe vor dem Kriegs- gerihtsrat beim Ermittlungsverfabren auêëgesagt, daß sie in der Tat der Meinung sei, daß die Kritik des Kommandeurs und die vorber- gehenden Schikznen des Kommandeurs diesen Leutnant in den Tod getrieben haben. Sie appelliert an mich, nochmals eine Darlegung des Sachverhalts zu geben und ihre Aussage richtigzustellen. Meine Herren, ih bin also dadurch gezwungen, nochmals auf diesen Fall in der Oeffentlichkeit des näheren einzugehen.

Nach dem mir vorliegenden Bericht ist der Leutnant Dieß am 26. November Morgens gegen 6 Uhr von seinem Burschen tot im Zimmer liegend gefunden worden, mit dem Revolver in der Hand. Der Eskadronhef holte alsbald den Regiments- kfommandteur, der mit dem Regimentsarzt und einem Kriegsgerichtsrat alsbald zur Stelle war. Der Arzt stellte den Tod feft, der vor etwa ¡wei Stunden eingetreten war. Der Kommandeur öffnete im Beisein der genannten Herren einen auf dem Schreibtisch des Leutnants liegenden versiegelten Brief (hört, hört! links), in dem sich folgende Worte fanden :

Die vernichtende Kritik des Herrn Oberst über meine Ab- teilung C heute trieb mich zum Aeußersten. Solange er Kom- mandeur ist, behandelt er mich aus persönlicher Antipathie s{hlecht, seßt mi zurück und läßt kein gutes Haar an mir. Vier Jahre habe ih mich durhgekämpft und durchgebissen, doch heute bin ih am Ende meiner Kraft. Ó

(Hört, höôrt! links.) j Die heutige Kritik kann ih nit ertragen, Sonnabend bekomme ih sicher, egal, wie meine Abteilung ift, dieselbe Kritik. Nun, da könnte ich mi nit beberrsch:n; besser, ih {heide so aus dem Leben, als daß es noch vorher zum Eflat kommt.

Dieser {weren Anklage gegenüber hat der Kommandeur soglei in

einem längeren Bericht an seinen Vorgeseßten sh über diese Kritik selbst, sowie über scin ganzes dienstlihes und persönlihes Verhältnis zu dem Leutnant Diet geäußert. Er sagt in diesem Bericht :

Ich habe den Leutnant Dietz weder bei oder noch der Besichtigung am 24. d. M. allein gesprohen. Aber während der Besichtigung habe i die Abteilung tadeln müssen. Es geschah dies zur Abteilung ge- wandt, im Beisein aller zur Zeit dienstfreien Offiziere des Regiments. Fch habe gesagt, daß im vergangenen Jahre dieselbe Abteilung, mit fast denselben Pferden, dur einen Vizewachtmeister vorgestellt, die beste Abteilung im Regiment gewesen sei, und daß die Abteilung jetzt sehr \chlecht sei. Ich ging dann die einzelnen Lektionen dur und führte aus, wie die Hauptpunkte der Reitinstruktion, auf die es ganz besonders ankommt, vom Reitlehrer nit beachtet worden seien, und daß ih verlangte, die Abteilung bei näch}ter Gelegenheit ganz anders, au in bezug auf Haltung der Leute, zu sehen.

Er fügt dann einen Beriht des Majors beim Stabe bei, der

dahin ging :

Der Oberst sagte etwa folgendes: Die Abteilung hat mir gar nicht gefallen. Im vorigen Jahre, als éin Vizewachtmeister diese Abteilung, in der noch dieselben Pferde sind, reiten ließ, war es die beste Abteilung C des Regiments. Heute ist sie sehr {lecht. Sie haben die Hauptpunkte, auf die es bei der Dressur der Ab- teilung ankommt, und auf die der Brigadeklommandeur ganz be- sonderes Gewicht legt, außer acht gelassen. Sodann ging der

Herr Oberst die einzelnen Teile der Besichtigung durch und tadelte, was an den einzelnen Lektionen auszuseßen war. Die Schluß- worte, deren ih mich ganz genau entfinne, lauteten: „Jch erwarte bestimmt , daß die Abteilung, zu deren Ausbildung Sie ja noch viel Zeit haben, wenn ih sie wieder sehe, erheblich besser sein wird.“ Der Ton, in welhem Herr Oberst feine Kritik hielt, war rubig, aber sehr ern, wozu nah meiner Auffassung vollauf Ver- anlassung war.

Der Esékadronchef des Leutnants Diet hat ihm nach dieser Be- sichtigung bezw. nah dieser Kritik mitgeteilt, daß er ihm die Ab- teilung ¿zwar belassen würde, daß er, der Eskadronchef, sie jedo für einige Zeit selbst reiten lassen werde, wobei Leutnant Dietz zugegen sein folle. Jch% möhte hierauf besonders hinweisen, weil in dem Bericht des Leutnants Diez steht: „Am nächsten Sonnabend bekomme ih sicher, egal, wie meine Abteilung ist, dieselbe Kritik.“ Von einer jn Besichtigung am nächsten Sonnabend ist nirgends die Rede gewesen.

Der Okerst {reibt in seinem Bericht weiter :

Ich habe keine persôönlihe Antipathie gegen Leutnant Diet besessen, babe ihn in Uebereinstimmung mit den Eskadronchefs für einen schr anständigen Menschen, aber dienstlich minderwertigen Offizier gehalten. Das [eztere habe ih ihm oft im Dienst sagen müssen. Im vorigen Herbst wäre Leutnant Dieß gern zur Reit- \{ule kommandiert gewesen, «aber er konnte wegen mangelhaftex Veranlagung nicht in Vo:\hlag gebracht werden, auch habe ich ihm im vergangenen Jahre seine Qualifikation dem Inhalt nach mit- geteilt, damit noch Besserung eintreten könne. Leutnant Diet ist vor Jahren s{chwer gestürzt und foll auf die Kameraden manchmal einen etwas seltsamen Eindruck gemacht haben, sodaß die Vermutung nabe liegt, er habe in geistiger Zerstörtheit Hand an Ach gelegt. Hierfür spriht auch der Umstand, daß er dem Ober- leutnant Krell, dem er gestern nahmittag auf der Straße begegnete, einen niht normalen Eindruck gemacht hat.

Gs folgt dann noch die Mitteilung des Obersten, daß der Leutnant Dieß ihm Meldung davon gemacht hakte, sich mit einer jungen Dame in Wiesbaden verloben zu wollen. Zu diefer jungen Dame hat der Regimentskommandeur nun einen Offizier gesandt, um ihr die Todesnachriht zu bringen. Es liegt mir hier der Bericht dieses Offiziers vor, von seiner Hand geschrieben, in Gestalt einer Meldung an das Regiment, worin er die Unterredung mit der jungen Dame schildert. Er schreibt:

Fräulein H. fagt, vom ersten Tage iHrer Bekanntschaft an habe Leutnant Diet einen melancholishen Gindruck auf sie gemacht, den er selbs auf seinen vor einigen Jahren erlittenen Sturz zurück- führte. Er klagte darüber, daß er besonders bei Witterungêswechsel diese melancholishen Anfälle bekäme und so sehr darunter zu leiden hätte, daß er sh hon oft in früherer Zeit am liebsten eine Kugel vor den Kopf geschossen hätte. Ueberhaupt sprach er sehr viel und gern vom Sterben und seinem Wunsch, einmal verbrannt zu werden. - Die Braut will oft ¡{on sehr unglücklich darüber gewesen sein, hat ihm auch oft den Kopf deëwegen zurehtgeseßt, und sei es ihr auch meistens gelungen, ihn umzustimmen. Leutnant Diet habe ihr oft gesagt, nur in ibrer Nähe fet er glücklich und vergäße die dummen Gedanken, die durch seinen Kopf gingen. Vor 14 Tagen hat Leutnant Diey an Fräulein H. einen Brief geschrieben, in welchem er einen entseßlihen Traum beschrieb, den er in dec leßten Naht gehabt habe. Er {reibt : „Ich träumte, ih saß vor meinem Schreibtisch, unter Tränen, die das Herz zerreißen, verbrannte ih Deine Briefe und alle kleine An- denken an Dich. Dann {oß ih mir eine Kugel vor den Kopf.° Sonntag den 20. war Leutnant Diez zum leyten Male bei seiner Braut fehr vergnügt. Er erzählte von einer Unterredung mit dem Herrn Oberst in betreff scines häufigen Verkehrs im Hause H. Er habe Herrn Oberft die Sachlage auseinandergeseßt, und nua stände ja der Verlobung nichts mehr im Wege. . Freitagmorgen, am Tage nah der Besichtigung von Abteilung C, kam der legte Brief, scheinbar in furhtbarer Erregung geschrieben, nur abgerissene Sätze : „Mir tft Shreckliches passiert, etne vernihtende Kcitik des Herrn Obersten bei einer Besiciigung, Ih weiß niht, was ih anfangen foll ; ih weiß nit, was ih gemacht habe. Jch zittre an alle Gliedern, ih finde meine Ruhe nicht und zum Schluß morgen ift Ab- \chiedsefsen von cinem Offizier, kann deswegen nicht kommen.“ Die junge Dame meint, sie könne unwöglih den Grund zu dem Selbft- morde in der lezten Kritik finden. Sein verschlossener Charakter,

daß er sich keinem Kameraden anvertraute und seinen Kummer und Leid in sih vergrub, habe ihn in den Tod getrieben.

Meine Herren, ich habe dieses hier mit großem Bedauern \o ein- hend vorgetragen, weil es si doch um eine sehr {were Anklage es Offiziers, der aus dem Leben geschieden ist, gegen seinen Kom- qndeur handelt, und weil sich die Mutter wie die Braut jeßt gegen ¿esen Oberft wenden und glauben bestätigen zu müssen, daß tatsählih ser den Anlaß zu dem Selbstmord gegeben habe. Die Akten habe y noch nicht bekommen, und ich weiß also nicht, ob dieser Bericht s Leutnants, welcher die Todesnachriht überbraht hatte, bereits uch das Ermitilungsverfahren vor Gericht gestellt worden ist. Mir liegt aber eine Depesche vor, worin dieser Offizier jedes Wort eses Berichts ausdrücklich aufrecht erhält. Wenn eine geridtlide Vernehmung des Offiziers über die Unterredung mit der jungen Dame H nicht stattgefunden hat, muß sie meines Erachtens selbst- ¡ständlih noch, nachgeholt werden.

Fch komme kurz, meine Herren, noch zu der Kritik zurü. a allem, was die beteiligten Offiziere ausgesagt haben, ist ; streng und ernst, aber sachlich und durchaus gereh!fertigt vesen. Der Oberst war verpflichtet, seine Ausstellungen, die : an der Abteilung zu machen hatte, gegenüber dem Offizier zur Syrache zu brirgen. Eine solche sahliche Kritik muß ih jeder Unter- bene, der kommandierende General bis herunter zum leßten Mann, (fallen lassen. Soweit ich die Sache jeßt übersehe, möchte ih auch vinen, daß, wenn diese Kritik au gewissermaßen der leßte Anlaß ewesen ist, um den Leutnant zu diesem Entschluß, zu dieser unglück- igen Tat zu bringen, die cigentlihen Ursachen des Selbstmordes oh tiefer liegen müssen. Man wird zugeben müfsen, daß ein ge- under Mensch einer solchen Kritik gegenüber nur Anlaß findet, «ne dienstlichen Pflichten besser zu erfüllen, und daß ur fkrankhafte Umstände infolge einer solchen Kritik dazu führen innen, einen Schritt zu tun, der nie wieder gut zu machen ift. eine Herren, die Akten werden mir zugehen, ih werde sie auf as gewissenhafteste prüfen und, wo noch dunkle Punkte sind, dahin teben, daß in jeder Beziehung die Wahrheit klargestellt wird.

Beifall rechts.) Abg. Dr. Müller - Meiningen (fr. Voksp.): Ich danke zunächst n Kciegsminister für seine loyale Grflärung in dieser ernsten An- legenheit. Ich halte mi aber verpflichtet, auf die dringende Bitte c Braut des Leutnants Dietz die Anklagen, die au heute noch von en Familienmitgliedern gegen den Oberst von Blumenthal erhoben erden, hier vorzubringen. Am 25. März hat mir die Mutter in em Brief u. a. folgendes geschrieben: „Die Erwiderung des Kriegs- riniftecs ertspriht durhaus niht den Tatsahen. Der einzige Grund, arum mein Sohn Hand an si legte, war die jahrelange auf jabrelange“ lege ib das Hauptgewicht un erehte Behandlung des Phersten von Blumenthal, die mein stets wahrheitéliebender Sohn au seinem lesten Schreiben angezeben hat. Da er in geordneten Ver- ltnissen lebte, war zu der unglüseligen Tat gar kein anderer Grund chtlih. Ferner ist sicher, daß die Kritik am 24. No- mber cine \harfe war. Di? Braut meines Sohnes ist empört, ihr Aussagen in den Mund gelegt werden, die direkt das Begenteil von dem enthalten, was fie zu Protofoll gegeben hat. je wird selbst darauf an den Kriegêminister s{reiben,“ as sie ja getan hat. Die Mutter littet mih am Schluß, für ihren Bohn hier einzutreten, der ihr nie im Leben Kummer bereitet habe, und ch einmal vom Standpunkt der Familie aus auf die Sache einzugehen. Fo also ift der Standpunkt der Mutter, deren einziger Sohn dieser lüdseligen Sale zum Opfer gefallen ist. Die Braut schreibt ir, einen Tag später als die Mutter: „Die Berichte über meine ussagen, die dem Kriegsminister zugestellt wurden, beruhen voll- ändig auf Nnwahrheit. Der Leutnant Dietz, der durch und dur Fhrenmann war darauf lege ih ein Hauptgewicht hätte niemals n Kommandeur als seinen Mörder angegeben, wenn ihn andere ßründe in den Tod getrieben hätten.“ Sie führt dann dasselbe aus {e die Mutter und fährt fort: „Wie sehr sh mein Bräutigam, der ch schon früher wiederholt über die fränkende Behandlunz seitens ines Kommandeurs beklagt hat, die legte Kritik zu Herzen nahm, ht aus scinem leßten Briefe an mich hecvor.*“ Dieser Brief folct un. Es beißt darin: „Gestern bei der Besichtigung“ ih hebe rver, daß Leutnant Dieß ih nicht in der ersten Aufregung etwa \hosjen, sondern noch 2 Tage gelebt und daß er fein Teftament vor- nicdergeschrieben hat „hat mich der Kommandeur in ciner Art nd Weise heruntergemaht, daß ih jet noch vor Aerger und Auf- gung zittere. Es war mir wie toll, ih bin bis jeßt wie verrüdckt mhergelaufen und ganz verzweifelt darüber. Ich gede mir die un- ndlihite Mühe und plage mi ab, was ich nur leisten fann, und mer pfeift mih der Kerl an und maht mi s{leckcht. Das kann ) nit länger ertragen. Mein Gemütszustand ist furchtbar. Mir ¡u shauderhaft zu Mute.“ Den ersten Teil des Testaments hat r Kriegsminister verlesen. Psychologi\h interessant ift aber der veite Teil. Wenn ein Mann unmittelbar vor dem Tode dur die jistole steht und seinen Vorgeseßten, den Oberslen, geradezu des Tang- umen, allmählihen Mordes bezihtägt, dann kann ich b-i einem 10 aben Menschèn, wie es Dicy nah Scwiiderung seiner Angehörigen Fenbar war, es mir einfa nicht erflären, daß er nicht innerlih hon durhdrungen gewesen sein sollte, daß er dur die jahrelangen Juälereien seines Obersten zu dieiem Schritt gedrängt wäre. ine andere Deuturg if nah dem Wortlaut des Testaments nicht dglih. Es heißt in diesem zweiten Teile des Testaments: „Die paar inen Rechnungen, welche noch zu bezahlen sind, liegen auf der nken Seite meines Schreibtisches. In der Kass2 habe ih 500 in Freund hat 800 M in Verwahrung. In meinem Portemonnaie d 250 M, es ist also mehr bares Geld vorhanden, als für die nungen erforderli is. Ich bestimme, daß Frl. H. alle Sachen oa mir, welche sie zu haben wünscht, befommt, dann wünsche ih, ß meine Leiche verbrannt wird.“ Alss in einer derartig ruhigen Peise bat der Leutnant noh einen Tag vor seinem Tode vêrsüzt, da war mit sciaer Aufregung do offenbar vorbeëi. Er war vollkommen big, er hat si die Folgen seines Schritts klar überclegt. nd deswegen messe ih dem ersten, vom Kriegsminister vorgelesenen aus des Testaments eine große p‘yhologishe Bedeutung bei. s Hauptgewicht lege ih im Gege:saß zu dem Kriegsminister darauf, ß niht etwa nur die s{chlechte Behandlung am 24. November den alûdseligen Offizier in den Tod getrieben hat, sondern nach der rstelung der Familie und seiner eigenen die jahrelange Malträ- rung seitens seiner Vorgeseßten. Das geht aus allen mir zur erfügung gestellten Schriftstücken, wie au aus dem T stament des glüdcklihen Offiziers vollständig hervor. Eizentümlich ist auch das Usireten des Obersten gegenüber diesem armen Manne. Der Kiiegs- nister hat selbst betont, daß der Obeift das vecstegelte Testament dfnet hat. Das ist schr merkwürdig, man könnte beinahe auf den danken fommn, daß der Oberst kein ganz gutes Gewisfen hatte. d das vez siegelte T-stament an eine bestimmte Adresse gerichtet ir, weiß ih nit, aber das weiß i, daß es niht an den Regiments- mmandeur gerihtet war. Wie der Schwager mitteilt, hat der iegórat den Obersten darauf aufmerksam gemacht, er dürfe dieses iegelte Testament nit öffnen. Darauf soll der Oberst vidert haben: „Was mag da drin steben? Ih muß doch schen, vielleicht bestimmt er etwas über seine Beerdigung. Der berst hatte unter keinen Umständen das Recht, dieses Testament zu nen. Jh lege deshalb ein solhes Gzwicht darauf, weil in der lge merkwürdige Nachrihten in die Preffe lanciert worden sind. abe einea ganzen Stoß derartiger Preßnachcichtea bei mir. Duia rd es so dargestellt: Leutnant Diey hätte sich ershes n w'gen einer belêi mit einer Frauensperson. Es wird auf intime Vorgänge

angespie!lt, die man nur aus dem Regiment selbst beraus kennen kann. Es wäre mir interessant, wenn der Kriegêminister feststellen wollte, wie diese merkwürdigen und entstellenden Gerüchte in die Prfse lanciert wo1den sind. Der Mutter war die Hereinziehung in die O ffent- ! lichkeit im höchsten Grade unangenehm. Düi ß gehörte einer Familie an, die aufs engste mit ter preußishen Armee fkoalieit ist. Nach meinen Informationen war der Generalfeldmarshall Graf von Blumenthal der Vater dieses Obersten, und es ist aueges{lofsen, daß: in irgend welcher gehässigen Weise die Kriegsvei waltung oder der Oberst von dieser Familie angegriffen werden könnte. Aber sie ist felsenfest davon überzeugt, daß tat\ächlich der Oberft an diesem jungen, ursprünglich lebenslustigen Mann gefrevelt, daß die fortgeseßte Schikane ihn in den Tod getrieben hat. Der Schwager dieses Offiziers teilt mir mit, Diet sei ursprünglich ein lebenslustiger, frischer, heiterer, froher Mann gewesen, und alle die Züge, die der Kriegsminister hier mitgeteilt hat, sind erst in der legten Zeit ein- getieten, nahdem der junge Mann sich verlobt, und seiner Verlobten gegenüber sein Herz auss{hütten konnte. Der Kriegsminister hat Shnen erzählt von einem {weren Traum dieses armen Menschen. Man subt Beweise, um psyhologish die voll-ndet- Tatsache zu er- flären. Das Verhalten seiner Angehörigen läßt sih sehr wohl er- klären. Es handelte für die Familie fh vor allen Dingen darum,

diescm armen, unglücklichen Offizier tas lte militärishe Geleit zu geben. Da hat denn ein Angehöriger gesagt, der Mann wäre in der letzten Zeit niht mehr ganz ernst zu nehmen gewe!en. Auf weitere Einzelheiten gehe ih niht ein. Ih möchte nur auf eins der letzten Lebenszeichen des jungen Mannes, einen poetishen Erguß vom 24. No- vember 1904, binweisen, den er in sein Tagebuch {rieb und der zur psyholcgischen Beurteilung der ganzen Person von Wert ist. Er schrieb einen Tag vor seinem Tode u. a. . . . „Mensch, o rihte nit, du weißt nicht, wilhem Zwange, welchem Unglückstag solch ein Herz erlag !* Nur nah lang:n Qualen hat er selbst Hand an si gelegt, nah

jabr:langer, {hicchter Behandlurg durch seinen Vorgeseuten. Solche

Fâlle, wie dieser, sind nur das Glied einer Ke!te, das sich vom Vor-

geseßten bis zum Soldaten erstreckt. Schließlih werden dann au

die Soldaten mißhandelt. Dethalb muß man ein ganz besonderes Gewicht auf derartige Fälle legen, weil sie im Kornex stehen mit der Mißbandlung oder s{chlechten Behandlung der Untergebenen. Ich möchte den Kriegsminister dringend bitten, nicht nur im Juteresse der Ehrenrettung dieses armen Offiziers, niht nur im Interesse der Braut und der armen Mutter, sondern auch vor allem im Interesse des ganzen Offizie:korps, der ganzen Armee und der Rechtésicherheit, die ganze Frage noch einmal auf das allergründlihste zu prüfen. Möge er auch seine Ermittelungen dahin erstrecken, ob nicht in diesem

usarenregiment ein auffallend großer Wechsel stattgefunden - hat. Ich babe ein großes Material zur Hand. Noch cins. Der Offizier hat cin besonders empfindlihes Ehrgefühl. Diess Ehrgefühl sollte aber vor allen Dingen auch der Vorgesetzte selbfi achten. Das NRüffeln vor der Front untergräbt dies Ehrgefühl und treibt den Offizier sogar unter Umständen in den Tod. Wenn sich dieser Fall so verhält, wie ih ihn dargestellt habe und wie ihn die Angehörigen dargelegt baben, dann kann er gar niht {arf genug gebrandmarkt werden, dann muß der Kriegsminister mit der allergrößten Schärfe vorgehen und eine Wiederholung zu vermeiden suchen.

Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler:

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat damit ges{lofsen: „wenn diese Sache so ist“. Das is ganz selbstyerständlih, daß dann auch gegen den Oberst vorgegangen werden muß, aber ih möchte doch glauben, der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen) if in seiner Beurteilung des Falles etwas weiter gegangen, als wie ih es getan habe. Er hat ja schon beinahe den Schluß gezogen auf ctwas, was noch gar nit bewiesen ist. Ich habe das Charakterbild des Betreffenden gezeichnet nach den Aeußerungen der Braut, die sie nah dem Tode einem Offizier des Regiments gegenüber gema&#t hat. Ob fie richtig sind, meine Herren, ob sie niht richtig sind, ob sie rihtig verstanden sind oder nit, ih lafse das alles dahingestellt sein, die Untersuhung wird ja das Nähere ergeben. Aber ih möchte doch glauben, man soll in einem Falle, der so wenig aufgeklärt ist, troy des Teftamentes, doch niht schon fast mit Bestimmtheit annehmen, es ist so, wie die Mutter und die Braut ncchher behauptet haben. Im übrigen, meine Herren, bat ch8 mich gefreut, daß ter Herr Abg. Dr. Müller (Mäiningen) ausgeführt hat, die Hereinziehung in die Oeffentlichkeit se der Mutter sehr unangenehm. Ih habe in verschiedenen Blättern gelesen, daß die Mutter der Prefse das Material zur Verfügung gestellt habe. Das würde mit dem, was der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen} ausgeführt hat, nicht über- einstimmen. Aber au das wird ja bei der Untersuchung aufgeklärt

nit sachlihen, sondern in ciner persönlihen Weise sck@ikanlert und miserabel behandelt, möchte ich bestreiten. Wenn selbft der Offizier sh das gefallen lasen sollte, so würde doch das gesamte Offizierko1ps dagegen Front machen. Es siand außerdem dem Offizier der Weg der Beschwerde frei. Ich have es häufig erlebt, daß dieser Weg beschritten worden ist Kritiken gegen- über, durch die man si verleßt fühlte, und die man für ungerecht bielt. Der alte Kaiser Wilhelm 1. sagte, eine Kritik foll belehrend sein, ohne zu verlegen. Verwahren muß ich mi gegen den Aus- \pruch, daß generell die {chlechte Behandlung eines Vorgefeßten weiter geg-ben wird in Gestalt der Scbikane der Unter- gebenen. Da kennt denn doch Herr Dr. Müller: Meiningen nicht das Gefühl eines Offiziers und eines getadelten O fiziers. Nur in bedauerlihen Auënahmefällen wird die Ni:primande durhch folhe Stikanen dec Untergebenen wett gemaht. J wiederhole den Ausdruck des Vertrauens, daß die Sache nah beiden Seiten beleuchtet werden wird. :

Abg. von Treuenfels (d. konf.) erklärt, durch seine Aus8- führungen über die Fclddienstübungen des 9. Jägerbataillons den betreffenden Jagt pächter nicht irgendwie häbén dängreifen zu wollen.

Abg. Bebel (Soz.): Auch unter den Offizieren gibt es Elemente mit niedrigen Cbaraftereigenshaften, und die generelle Verwahrung des Abg. von Oldenburg, daß kein Offizier seinen Aerger über eine Kritik an seinen Untergebenen auélassen würde, trifft nicht zu. Bei der vorjährigen Beratung des Militäretats habe ih erwähnt, daß den Berliner, niht aktiven Offizieren eine Kaiferlide Verordnung verlesen worden sei, niht Kritikea üb?zr militäciih2 Ein- rihtungen in die Oi ffentlichkeit gelangen zu lassen. Diese Behauptung wurde vom Kriegéminister bestritten; einen Herrn voi Guhl, den Ver- fasser des Buches „Sins ira et studio“, erflâite er nit zu ennen. Der Name ist, wie ih j-8t weiß, eia Pseudonym, der Herr ift der Oberstleutnant a. D. von Wartenberg, der zahlreiche militärische Artikel geschrieben hat. Als er mit seinem wahren Namen fi zur Verfafsser- \haft bekannte, ist sofort gegen ihn das ehrengerihtlich2 Verfahreneingel-itet worden. Die Auéstoßung aus dem Offuiers'tande ist allerdings nicht rehts- fräftig geworden, weil der oberste Kriegsherr sie nicht besiätigte, aber er ist für nicht mehr würdig er2chtet worden, die Uniform zu trazen. Herr von Wartenberg hat mit großer Offenheit alles gesagt, was er über militärische Einrichtungen auf dem H.rzen hatte; aber in keinem Artikel ist die Form irgendwie beleidigend. Ia dem Augcnblicke, wo die Mitglieder des Ehrengerichts ein Urt: il fällen, das oben nicht ge- nehm ift, müssen sie selbst auf unliebsame Wirkungen für ihre Person h gefaßt machen ; si-he den Prozeß Bilse. Dabei mußten sie wobl oder übel zu ihrem Uiteil fommen. Die inaktiven Offiziere stehen also \{chlehter da als jeder andere Staatébürger; daß die Militär- verwaltung ihre Mat benußt, um die Kritik von diefer Seite un- möglih zu machen, dagegen muß ganz besonders scharf der N ichitag sih wenden. Ferner babe ih shon vor Jahren die Proselytenmacherei in der Armee verurteilt. Unser Reich üt kein chriitlih2s Reich, der Staat kein criftliher Staat. Auf junge Soldaten, die vor dem Eintriit in die Armœee keinem religiösen * ekenntnis angehörten, wird ein Zwang ausgeübt, sh irgend einer religiösen Richtung anzu- ließen. Man hat fie unterrihten und bearbeiten laffen, um sie für irgend eine Religionégemeinshaft einzufangen. In Hamburg ist ein solher Fall fonstatiert worden, wo neun Mann, die zum Teil weder getauft noch konfirmiert waren, sih beim Miltär- pfarrer Religionsunterriht eiteilen lassen mußten. Drei Mann wollten ih ton ihrer feßerishen Gesinnung nicht befreien laffen, sie wurden nochmals gründlich vorgenommen und ermahnt, doch ihre Seele niht dem Teufel in die Klauen zu liefern. Die drei sind aber fest geblieben. Wo is} die Bestimmung, daß ein Offizier das Recht hat, auf feine Untergebenen einen solhen moralischen Druck aus- zuüben? Der oberste Kciegsherr hat ja allerdings den Grundsay auf- gestellt, nur ein guter Christ fönne ein guter Soldat sein. Wir haben im letzten November von derselben Stelle zu bôren befommen, ohne Gott sei kein guter Soldat möglich. Das . ist eine Ansicht des obersten Kriegsberrn, die die Armeeleituang nicht zur Beeinflussung der Gewi} nsfreibeit der Rekruten benußen darf. Auh hat doch der oberste Kriegtherr dem General Nogi den Pour le mérite-Dibcn verliehen, er hat den Japanern auch für ihre Tapfeikeit überhaupt cin greßes Lob gezollt. Nun sind abec die Japaner Heiden, und es wird aljo künftig auch wohl crlaubt sein, in der Armee als Heide zu leben, obne derartig belästigt zu weiden. Ich bitte den Kriegsminister dringend, sich hierüber aus;ulaffen.

Damit schließt die Diskussion; eine Reihe von Ausgabe- kapiteln wird genehmigt.

Bei den Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen bittet der

Abg. Dr. Ruegenber g (Zentr.) im Interesse der außgleichenden Gerechtigkeit um Berück ichtigung der Wünsche des Sanitätsoffizierkorps, speziell der Oberärzte, in der Richtung der Verbesscrung igrer Be- foldungs- und Avancementsverhältnifse.

werden. Wie gesagt, ich kainn nur wiederholen, es wird auf alle diese Dinge eingegangen werden, denn wir müssen, \oweit irgend möglich, Licht in diese Ang:legenßeit bringen.

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen) bat nun auh Betrachtungen daran geknüpft, daß dur derartige Kritiken und derartige Behandlungen nah unten weiter gewizkt würde, und {ließ- lih babei die Mißkandlungen zutage träten. Ich habe aber niemals davox gehört, daß der Leutnant Dich jemals wegen Mißhandlung in Untersuchung geftanden hätte.

Was nun das Oeffnen des Briefes betrifft, ‘so bin ih darüber aicht orientiert ; ich weiß nit, was auf diesem sogenannten Testament ge- standen hat, und ob der Obeest berechtigt gewesen i, den Brief zu öffnen

oder nit. Auch das wird festgestellt werden. Jh möchte aber kon-

ftatieren, daß alle diese Dinge, die vielleicht von der rihtigen Spur bâtten atbringen sollen, wie z. B. die Mitteilung, die in der Presse geftanden haben soll, daß Liebeleien mit einer Frauensperson den Leutnant zu diesem Shritt veranlaßt bättea, in dem Material, das mir zur Verfügung steht, nirgends irgendwie zum Ausdruck gelangt sind; hier find bloß ruhige, sachliche und nackte Latsachen erwähnt

worden. Ich glaube, daß es nicht zutreffend ist, wenn der Herr |

Abg. Dr. Müker (Meiningen) fagt, daß die melancholishe Stimmung, das sonderbare Verhalten des Leutnants erst in legter Zeit eingetreten sei. Nein, meine Herren, nah den vershi:denen Aeußerungen, die ih bier habe, ift es eingetreten nah dem Sturze. Was ih bei der Sache

bedauerlih finde, ist, daß dieser junge Mann im Offizierkorps |

niemanden gefunden hat oder gefunden zu baben scheint, dem er sih

anvertraut hätte und der ihm auh ia dieser schweren Zeit hätte zur |

Seite stehen können. (Lebhafte Zustimmung.) Das, meine ih, wäre vielleiht die kameradscaftlihe Pflict gewesen, wenn er so geartet war, wie er dargestellt ist, auf ihn mehr in dieser kameradschaftlichen Richtung zu achten. (Sehr richtig! rets.)

_ Abg. von Oldenburg (d. konf.): Wir stehen alle unter dem Eindruck dieses tieftraurigen Falles und sind Gerechtigkeit s{uidig den Manen des Verstorbenen, aber aub dem Vorgeseßten des Ver- storbenen. Mit dem Abg. Dr. Müller Meiningen wünschen auch wir den Fall durch auêgiebige Untersuchung flargesteüt zu sehen, und wtr ver- trauen durchaus, taß der Kriegéminister eine vollständig gründliche Untersuchung stattfinden lassen wird. Ich kann mir sehr wohl denken,

daß ein Offizier dunch eine scharfe Kritik außerordentli erregt und |

verleßt werden kann; anderseits kann es ohne Kritik und obne strenge

Kritik nicht abgehen, wenn der Dienst nit leiden sol. Daß es aber | denkbar ist, daß ein Kommandeur einen Oisfizter jahrelang in einer !

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; Abg. Dr. Be ck e r - Hessen (nl.) schließt sich dieser Bitte an, deren i Erfüllung nach der Aufb sserung der Oberstleutnants taisächlih nur j einem Gebote der Gerechtigkeit ent¡präche.

¡ Bei den Ausgaben für Pferdebeschaffung bemerkt der Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Der Abg. von Treuenfels hat

Letzteres ift eine eigentümlihe Sache, auf die ich um so weniger eing: he, als wir den Herrn Kollegen doch reckcht selten in unserex: Mitie haben. Ih war neulich -niht zugegen, we.l ih nach einer ! Mitteilurg, die mir übermittelt worden war, Grund hatte zu der | Annabme, er würde auf die Sache niht wieder zurückkommen. | Im Wahlkampf 1903 hatte ih ausgeführt, daß die Nemonte- | anfaufzfommission den großen Züchtern mehr abtkzufe als den | Eleinen. Nun sollte ich gesagt haben, „ein gutes Frühstück bei | Standesgenofsen sei eine nicht zu untershäßende Sache“. Daruw, | ob dieser Saß gesprochen ist oder nicht, dreht sich der Streit, | mit dem Herr von Treuenfels das Haus s{hoa im zweiten Jahr hes» belligt. Ohne Beziehung auf die Remontekommission wäre der Say sehr harmlos uud sehr richtig, mit dieser Beziehung aber sehc bedenklich. Der Vorwurf, diefen Say ausgesproh-n zu haben, ift ! nit etwa im Laufe des Wahlkampfes erhoben worden. Der Bricf- | schreiber, d-r den Saß wiedergibt, war in der Versammlung an» | wesend. Er redet sehr viel, hat aber niemals davon etwas erwähnt; | in keiner Z-itung, in keinem Flugblatt trat mir diefer Vorwurf ent- i gegen. Fast ein Jahr später kommt Herr von T'euenf.ls mit einear | rivatbrief, der diese Behauptung enthält. Ich habe sie fofort als | j

m E A E I En

objeftiv unwahr bezeibnet; ih habe in derselben Z-itung, wo Hero von Treuenfels seine Erklärung veröffentlicht bat, zv.i Tage später meine Erklärung publiziert, die thm bekannt ist. Vor einigen Tagen aber sagte Herr voa Treuenfels bier, ih möhte meine Aeußerunzx außerhalb des Hauses wied:riolen und zur gerihtiiden F-\- stellung Gelegenheit geben. Nan habe ih diese Erklärung abgegeben, Hecr von Treuenfels kennt sie und tcitt deanoch so auf. Mit iolhen | Gegnern ift s{chwer zu diékutieren. Jn dieser meiner E klärung | habe ich genau außeinandergesett, was wahr und was falsch, was richtig und was mißverständlih ist. Die eigenen Parteifreunde des Herrn von Treuenfels, so der Vorsigende jener Versammluag, bezeugen mir, daß sie sih niht im geringsten einer solchen Aeußerung von mir entsinnen, auf die mir sofort zu dienen gewiß cenügend s{lagfertige Männer anwesend gewesen seien. Eine Reihe weiterer Zeugnisse von Herren, die aus den benabbarten

| Ortschaften erschienen waren, lauten gleihermaßen. (Der Redner verliest | einige und zeigt eine weitere Anzahl vor.) Wenn hier geklagt | werden follte, würde doch die Militärverwaltung die b:rufene Klägerin

sein, denn sie wäre verleßt. Sie hat aber nah La1e der Sache es

| versländigerweise urt-rlafsen. Zur Austragung von Waklstceitigkeiten gibt es do noch ein anderes Foruin als das Gericht, namentli die öffentlihe Meinung, und diess habe ih angerufe1. Die vsychologische Begründung für di:se Arshauung ist sehr leiht; im Laufe eines Jahres ve:schiebt sich die Anschauung und die Erinnerung im Ge-

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mich neulih angegriffen und dabei über zwei Fälle B:schwerde geführt.

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