1905 / 80 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Apr 1905 18:00:01 GMT) scan diff

für Kinderheilkunde nicht ein Zeichen der Sparsamkeit, sondern der Rüdlkständigkeit sei. Gegen . diesen Auédruck muß ih entschieden Ver- wahrung einlegen. Wir vertreten die Auffassung, daß es mit erheblihen Vorteilen verbunden ist, wenn tunlihst nur Haupt- Elinifen vorhanden find und Spezialkliniken nur in Ausnahmefällen. Trotz dieser grundfäßlihen Bedenken und der großen Kosten- aufwendungen haben wir eine Reibe von Spezialkliniken eingerichtet. Wir haben an vielen Universitäten Spéezialkliniken für Augen-, Ohren-, Hals-, Nafen-, Haut-, Nerven- und Kinderkrankheiten. Es ist fraglih, 9b wir niht s{on in dieser Beziehung zu weit ge- gangen find. Von finanzieller Nükständigkeit kann also keine Rede sein. i ,_ Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen: Die Erklärung des

Ministers über die Bekämpfung der Genistarre in Schlesien wird allseitig mit Bi friedigung aufgenommen sein. Mit der Anzeigepflicht ist es nicht allein getan. Die Genidstarre ist keine neue Krankheit, aber sie hatte seit einem Jahrhundert keine große Ausdehnung gewonnen, durch\chnitt- lih für Preußen 300—400 Totesfälle jährli. Ein gewissenhafter Arzt wird stets Anzeige auch bei Genickstarre erstatten. Jch gebe dem Minister anheim, zu bedenken, daß infolge der Verbindung bver- ichiedener Materien das Ausführungsgesey zum Reichsseuchengesetz bisber immer noch nicht zu stande gekommen ist. Man will nicht bloß die großen Volkskrankheiten , fondern auch eine _ Menge s{chädlicher und gefährlicher Krankheiten, die im Neichsgeseß nicht stehen. in das Gese einbeziehen. Dadurch ift die Gefahr großer Belästigung für das Publikum ent- standen, Und es sind AuEsführung®maßregeln erforderli, die sehr {wer durchzuführen sind. Jederzeit kann der beamtete Arzt in das Haus eindringen, wo er einen Kranken vermutet. Das ist ein weitgebender Eingriff in die perfönlihe Freiheit und das Hausreht. Die Kinder können auf Anordnung von den Eltern gewaltsam getrennt werden. Die Eltern fträuben si aus berechtigtem Gefühl da- gegen; keine Anstaltépflege kann auch die Pflege der Mutter ersetzen. Ich behalte mir manche Bedenken vor, bis das Geseß aus dcm Abgeordnetenhause an uns gelangt. Von seiten der Re- gierung is gesagt, n die Gemeinden die Polizeikosten der Bekämpfung der Seuchen {hon jt tragen. Das ist an sih rihtig; aber es sind in der Praxis noch gar keine folhe Zumutungen an die Gemeinden berangetreten. Die Kreile müssen von jeßt ab für leistung8unfähige Gemeinden eintreten. Die Kreisärzte verlangen ferner z. B., daß keine Jaudbe von der Düngergrube beim Transport auf die Strafe fließt, weil sie in die Brunnen geraten kann. Der Bauer geht mit diesem kostbaren Dung- toff {on fehr sparsam um; aber bei starkem Negen läßt sih ein Vebe! fließen nit vermeiden. Auch an die Schulbauten werden ganz unberehcnbare Anforderungen gestellt. Daber wâre es guf, wenn die Negierung das kommende Geseß nur auf die im Neichsgeseß genannten Seuchen beshräaken wollte Die Grundursachen der Seuchen liegen in den fozialen Verhältnissen. Wenn jede Familie eine - gesundé, große Wohnung bätte, wäre die Bekämpfung ter Krankheiten sehr Teicht.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Herr Dr. Freiherr von Lucius hat \ich bestimmt gefunden, zu einem Gesetzentwurf, der das bobe Haus noh nicht be- schäftigt und augenblicklich im Hause der Abgeordneten noch nicht ab- g?s{lossen ist, das Wort zu ergreifen, um eine Kritik daran zu üben, die als eine sehr ungünstige angesehen werden «muß. Wenn Herr Dr. Freiherr von Lucius ‘am Schlusse seiner Ausführungen au) betont hat, daß es ihn mit Genugtuung erfüllen würde, wenn das Geseß zustande käme, so haben seine heutigen Ausführungen eigen!lich gerade das Gegenteil davon in Aussicht gestellt. Meine Herren, ich beklage das auf das äußerste. JIch würde mir aber troßdem die Zurückhaltung auferlegen, in der Sache selbst niht das Wort zu ergreifen, wenn es sich nit darum handelte, jcßt {on einen wesentlichen Irrtum zu be- seitigen, den ich nachzuweisen bz2mübt sin werde und der an fich dazu beitragen könnte, in diesem hoben Hause die Meinung zu erw-cken, als ob das gesetgeberische Vorgehen, wie es in dem Entwurf eines Gesctzes über die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten vor- gesehen ist, ein gänzli verfehltes wäre. Meine Herren, der erste Irrtum besteht darin, daß die übertragbaren Krankheiten gegenüber den gemein- gefährlichen Krankbeiien zablenmäßig so gut wie gar feine Rolle spielen. Die Zahl der Todesfälle an gemeingefährlihen Krankheiten ist in den leßten Jahren innerhalb Preußens geradezu mirnim, und wenn man die Cholerajabre wenn ih nit irre von 1892, 1893 und 1824 mit einbegreift, so beträgt die Durchschnitt2zabl der Todes- fälle die ih annähernd im Gedächtnis babe als Folgen der gemeingefährlihen Krantheiten für das Fahr ungefähr 800, während die Zablen der Todeéfälle an denjenigen Krankheiten, die sonst das Regulativ von 1835 sowohl, wie der vorliegende Gesetzentwurf vor- sieat, ungefähr jährlich 120 (00 betragen. (Hört! bört!) So stellen sich diese Summen. Nimmt man die Chbolerazeit aus, so stellen si die Todesfälle an sonstigen gemeingefährlihen Krankheiten, die das Neichégeses von 1900 vorsieht, auf ungefähr 100 jährli in der preußiséen Morarhie. Ç gegenüber diesen Zablen ist toch die Berechtigung ter Aufgabe, im Wege der Gesetz- gebung der Medizinalverwaltung die Mittel zu einer wirksamen Hand- baburg ter Bekämpfung dieser Krankheiten an die Hand zu geben, wirflih unbestreitbar. Herren ,

u Meine Herren,

Nun, meine beruben die sonstigen Angriffe, die Dr. Freiberr von gegen den Geseßentwurf hat, im wesentlihen auf ter Unterstellung, daß mit jesegentwurf eine erheblihe Verschärfung ter polizeilichen eintreten würde. Gerade das Gegenteil ist der Fall.

genüber dem Regulativ von 1835 und seinen sonstigen Ausführungs- bestimmungen bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf nit eine Ver- shärfung, sondern eine wesentlice Milderung, und wenn Herr Freiherr von Lucius behauptet, daß der Widerstand, der im Abgeordnetenhause den Gesegzentwurf geleisiet worden ift, Bedenken, die dort geltend gemacht wurden, sich der

die unberehtigten Eirgriffe in das

Medizinalpolizei rihten, so ift das

gerade diefe Vorschriften find beinahe einftimmig vom

ganzen Hause der Abgeordneten angenommen worden, sowobl in der Ï im Plenum. (Hört! hört!) Zch bitte aber, außer-

dem in Betracht zu ziehen, daß nur in zwei oder drei ganz unter- geordneten Fällen Abänderung8anträge zu dem wesentlichsten Teile des Sesetzes, in den §§ 1 bis 24, gestellt worden find, welche das Thema der Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten tur medizinalpolizeiliche Maßnahmen betreffen. Also es hat sich cine geradezu seltene Einmütigkeit für den Hauptteil des Gesezentwourfs im Hause der Abgeordneten ge- ¡eigt. Der Widerspruch und die Bedenken, die fich geltend gemacht haben, beziehen sih hauptsächlih auf ten Koftentitel, und ta if leiter biéher eine volle Uebereinstimmung noch nit erzielt worden, was ih umsomehr beklage, als scitens der Finanzverwaltung sehr erhebliche Opfer Schritt für Schriti in Aussicht gestellt worden find. Von diesen berühre ih nur das eine, daß fortan die Konfiatierung der erfien Fälle von übertragbaren Krankheiten nit mehr, wie nah dem Regulativ

C618 chUCius

gegen

von 1835, den Gemeinden zur Last fallen, sondern vom Staate übernommen werden soll. Das is ein enormer Fortschritt, der für den Staat ein erheblihes Opfer bedeutet, und auf der anderen Seite der Medizinalverwaltung freie Hand in der Handhabung der amtspolizei- lihen Befugnisse gibt bei Konstatierung der ersten Krankheitsfälle. Bisher stand die Medizinalverwaltung leider mit gebundenen Händen da, denn sie mußte es sich zehnmal überlegen, ob sie amtlich eingreifen sollte, weil die Kosten dieser Maß- nahmen vielfa leistungsschwahen Gemeinden zur Last fielen. Wenn in dieser Beziehung die Medizinalverwaltung dadurch freie Hand bekommt, daß nunmehr die Kosten der Feststellung der ersten Fälle auf den Staat übernommen werden ohne Berücksihtigung der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten, so bedeutet das einen Vorteil, der fehr erheblih ist. Jn leßterem Vorteile und in den weiteren Opfern und Beihilfen, die der Herr Finanzminister in Aussicht gestellt hat, namentli in Bezug auf die Granulose, wo er 6/7 auf die Staats- kasse übernehmen will, liegt eine solde Summe von Gewinn dem bis- herigenZustande gegenüber, daß, wie ih glaube, das Haus der Abgeordneten \{ließlich die Bedenken fallen lafsen wird, welche binsihtlih der Zu- ständigkeit der Behörden usw. im Kofstentitel vorgesehen sind. Der leßtere ist allerdings noch Gegenstand des Zweifels und Widerspruchs, aber ih hoffe, daß diese Bedenken si beseitigen lassen werden und es zu einer Uebereinstimmung kommen wird, und ich erlaube mir hon jeßt dem dringenden Wunsch in diesem hohen Hause Ausdruck zu geben, daß die Ausführungen des Freiherrn von Lucius als maßgebend für die Stellungnahme dieses hohen Hauses gegenüber dzm vorliegenden Geseßzentwurf nicht angesehen werden mögen. Ih würde es aufs äußerste beklagen, wenn die erbebliden Vorteile und finanziellen Opfer, die die Durführung des vorliegenden Gesetz- entwurfes in Aussicht stellt, vergeblichß gebracht sein sollten und wenn es nit gelingen sollte, da eine Uebereinstimmung zu erzielen, von der ich hoffe, daß sie dem Lande zum Segen gereiden wird. Ich möchte vor allen Dingen das Vorurteil beseitigen, als ob das Regulativ von 1835 in dieser Beziehung Erleichterungen und Latitüden vorsah, die dur den vorliegenden Geseßentwurf eingeshränkt werden sollen. Gerade das Gegenteil is der Fall ; es werden erheblie Erleichterungen gegen den biébherigen Zustand eintreten, und die Medizinalverwaltung wird nit mehr in der traurigen Lage fein, mit gebundenen Händen den Aufgaben gegenüberzustehen, die sid mit jedem Tage als wichtiger erweisen. Im übrigen habe ih, nas die Tätigkeit der Kreisärzte betrifft, {on im Hause der Abgeordneten erklärt, daß ih es durhaus miß- billigen müßte, wenn cine übertrieben kleinlihe und bureaukratishe Handhabung der Kreitärzte Platz greifen s\ollte. In dieser Be- ziehung kerubigen mich die Berichte der Provinzialbebörden, und dann bitte ih zu bedenken, daß, wenn etwa bier und da Mißgriffe eintreten follten, do auf der andern Seite der stetize Nückgang der Sterblich- Feitsziffer der Bevölkerung als ein wesentliher Gewinn für unsere gesamte Volfkswohlfahrt angesehen werden muß. An diesem Nück- gange der Sterblihkeitsziffer is wahrlich nitt in leßter Reibe die Tätigkeit unserer Medizinalorgane beteiligt.

Graf von Kos8poth: Ih mötte die Frage aufwerfen, warum an die Sdüler der humanistishen Gymnasien îin Schlefi-zn höbere Ansprüche gestellt werden als in anderen Landesteilen. Nach meinen Grfahrungen bei der Sulaufsiht kommen Schüler, die aus anderen Provinzen kommen mit guten Abganaszeugnissen, in derselben Klasse in Schlesien nicht fort. Dagegen kommen s{chwächere Schüler aus Swlefien, die nah andéren Provinzen gehen, dort immer fehr gut fort. Der Minister kann das als Erfahrung eines Laien ansehen ; aber ich berufe mib auf zwei Zeugnisse, das eine von dem früheren Oberpräsidenten Fürsten Haßfeldr, der in seiner Eigenschaft als Prä- sident des Provinzialshulkollegiums mir während feiner Amtszeit wiederholt erklärt hat, daß die Gymnasien in Schlesien zu bohe An- forderungen stellten, er habe deshalb seinen Sobn niht auf ein \hlesisches Gymnasium geshick. Das zweite Zeugnis ist noch s{werwiegender, nämlich das des jegigen Oberpräßidenten Grafen Zedliß, der früßer Oberpräsident in zwei anderen Provinzen war und einstmals selbst Kultusminister gewesen ist. Er hat mir im Provinziallandtag in Breélau vor wenigen Tagen be- stätigt, daß die s{lesishen Gymnasien viel böbere Anforderungen stellen im Verglei zu den westlihen Provinzen. Herr von Graß sagte gestern: wir Schlesier hätten es wabrscheinlich billiger, mehr zu lernen als die anderen. Der Unterschied kommt wohl daber es soll fein Angriff gegen den Minister, sondern gegen das System sein —, daß der Verwaltung der höberen Schulen ein ein- heitliher Guß fehlt, eine gewisse Uniformierung, wie sie in den Kadettenhäusern besteht. JIch will die bumanistishen Gymnafien nicht auf dieselbe Stufe stellen mit den Kadetten- bäusern, obwohl deren Leiter die Sale gerate anders ansehen. Denn wenn ein Quartaner vom Gymnasium in eine Kadettenanstalt kommt, wird er niht nah seinem Zeugnis einranziert, fondern ge- prüft, und kowmt dann immer cine Klasse ti:fer, als er auf dem Gymnasium saß. Die Kadettenanstalten haben den großen Vor- zug des einheitlißen Gusses. Bei den Gymnasien besteht da- gegen eine zu große Bewegungéfreiheit der einzelnen Provinzialschul- follegien und der einzelnen Lehrfollegien. Jeder sucht den anderen zu übertreffen, und daber entstehen Ungleihheiten. Was ein Direktor alles tun fann, sieht man an ein-m Beispiel in Schlesien, wofür ih die Namen dem Minister privatim gern mitteile. An einem lesien Svpmnafium fielen die Abiturienten dunch wegen Abschreibens. Meine Herren, alle, die ihr Examen gemacht haben, fkennen das. Nun hat der Direktor sie alle an besondere Tischez geseßt, sie haben siH aber doch verständigt. Dann ordnete ein Schul- rat an, daß sie so geseßt werden sollten, daß sie mit Ohren und Augen si gegenseitig niht erreihten. Jy hätte nihts dagegen, wenn jeder so abgeschlossen würde, wie es im Reichstag in den kleinen Abteilungen geshieht. Daß aber jeder Schulrat es macen fann, wie er will, ijt eine Ungleihheit; es fehlt bier am ein- beitlihen Guß bei der Shulverwaltung. So sind auch die großen Ferien in diesem Jzhre für Berlin vom 7. Juli bis zum 15. August bestimmt. Für die Schulen in der Provinz dagegen nur bis zum 8. August. Das wird zwar den Berlinern nachher bei den Michaelis- ferien wieder abgefknapst; aber wie kommen die Berliner dazu, es anders zu baben als z. B. die Breslauer? Eine große Ungerechtigkeit liegt auh im Versetßungstermin. Im allgemeinen haben die Gymnasien eine einjährige Versezung, manhe aber auch eine balbjährige. Z. B. ein notleitender Agrariec oder ein Königlicher Oberföcster das find jedenfalls Leute, die die Berechtigurg haben, ihre Jungen auf ein Gymnasium zu schickcn; es sind sonst viele aus Sesellshaftéklassen da, die eigentlich keine Berechtigung dazu haben hat jehr wenig Mittel, um seinem Sohn diese Ausbildung angedeihen zu lasen. Gr schickt ihn deshalb auf das Gymnafium der Nachbarstadt, wo er eine alte Tantz hat, oder es kann au etwas anderes sein. Dieses Gymnafium kat aber diz gan;jährige Verseßung. Der Junge wird nun weil er nicht Mathematik kann das fann ih z. B. auch nit —, nit nach Untersekunda versetzt, und muß ein garzes Fahr sitzen bleiben. Es bessert sich aber in seinem Kopfe nit, und in Unter- sekunda bleibt er wieder ein Jahr sigen, braucht also für Obertertia und Untersekunda 4 Jahre, während er bei halbjäbriger Versezung anderswo nur 3 Jahre gebraucht bâtte. Möge der Minister erreichen, raß in ter ganzen preußischen Monarchie die Schuluhr gleihmäßig tidi. Es wäre gar rät hade, wenn [e vielleiht auf Minuten und Sekunden divergierte, aber nicht, wie heute auf Stunden und

Tage. Ich bitte den Minister, sih der Sade warm Ich möchte jeßt noh auf eine für a a Sache eingehen, die Einteilung des Schulsemesters, und möchte zwei Bilter aufrollen, dzz éine {warz mit vielen Schatten, das andere in bunten s{önen Farben. Das jetzige Schulsemester fängt zu Ostern an. Junge kommt von den Ferien zurück. Jn den. ersten Tagen sieht er sich die neue Klasse, die neuen Bücher und die neuen Lehrer an, aber er lernt nichts. Zwischen Pfingsten und den großen Ferien lernt er etwas aber das verlernt er wieder in den großen Ferien. Er kommt so nah Haufe, wie er zu Ostern gegangen is Jch liebe das Sommersemester sehr; unsere Jungen lernen zwar nihts, aber sie erholen sih tüchtig, und ihr Körper erstarkt, und das nüt auch ihrem Geist. Nun kommt aber die s{hwierige Zeit bis Ostern, die Angst vor dem Examen. Der Junge kommt nicht zum Spazierengeben er sigt den geschlagenen Tag in einer überhißten Stube bei einer \{chlecht brennenden Fe Ich wünsche nun, daß bei dey Gymnasien mit Jahresverseßung der Schuls{luß vor den großen

Ferien und der Schulanfang nah diesen eintritt, und bei den Gym, nasien mit halbjähriger Verseßung die Teilung zu Weihnachten er

folgt. Körper und Geist de: Schulkinder werden bei dieser Einteilung

frischer sein als bei dem jeßigen Zustand. Man wird auf die Schwierig,

keiten wegen des Univecfitätsbesuhs hinweisen. Aber das Sommz, semester ist an sich kurz. Die jungen Studenten kommen. 14 Tay nach Anbruch des Semesters und hören 14 Tage vor Semesters{lu auf. Das ganze Sommersemester ist also nit recht vorhanden. F wünschte, ich hätte tausend Zungen und ‘die Beredsamkeit eines Demosthenes, um den Minister für meine Wünsche gefügig zu machn. Eines hoffe ich wenigstens, daß ih eine Fackel angezündet habe, die weithin einen großen Brand entflammen wird, und die Fachpresse si dieser Sache bemächtigen wird.

Dem Vorredner ist es geglütt,

Herzog zu Trachenberg: die Aufmerksamkeit des Hauses in hohem Grade zu erregen; er hat

mi als Fahmann angerufen. Bis jeßt ist mir zwar von dieser meiner fahmännishen Eigenschaft nihts bewußt, wenn ich auch

Vorsigender eines Provinzialshulkollegiums eine Zeitlang gewesen Zedliß, auf den er sich au berufen hat, ist doch cin größerer Gewährsmann, denn er "war Kultusminister, wozu ih es M meinte, 5

bin. Graf

noh nicht habe bringen können. Der Vorredner au ich könnte ihm bezeugen, daß die Anforderungen in den s{lesis{hen Gymnasien höhere seien als in denen anderer Pro- vinzen. Im allgemeinen müßte id hierüber mein Zeugnis verweigern, weil die Tatsachen, auf denen siŸ mein Urteil aufbaut, mir in meiner amtlihen Eigenschaft bekannt geworden sind. Wir find ja noch nicht so parlamentarish regiert, daß wir über uns amtlich be- kannt gewordene Tafsahen in der Oeffentlichkeit sprechen. Aber alle Schüler in Schlesien und Schüler haben eine sehr feine Nase glauben, daß die reglementarishen Bestimmungen über die Examina in Schlesien besonders \treng innegehalten werden. Einen Irrtum des Vorredners muß ih aber berichtigen. Ih habe meinen

Sohn nit auf ein Gymnasium außerhalb Schlesiens geschickt; mein | zweiter Sohn hat das Abiturientenexamen in Sagan gemacht, und E

er hat, da er überaus fkurzsihtig ist, nicht einmal die Möglichkeit gehabt, bei den Eramensarbeiten abzuschreiben. Vor ging die merkwürdige Notiz durch die Zeitung, daß bon 28 Abiturienten eines Breslauer Gymnasiums §8 durchgefallen seien und die Prüfung von Morgens 8 Uhr bis Nachmittags 2 Uhr und von 4 Ubr bis 97 Ubr Abends gewährt habe. Das ist eine Tortur für Prüflinge und Prüfer. Jh weiß nicht, ob die Angabe den Tat- sahen entspriht. Js es aber der Fall, daß die Prüfung in der Mathematik erst Abends 28 Uhr begonnen hat, so ist es niht verwunderlih, wenn ein Teil der Schüler versagte. Der Vor- redner , hat sodann auch die Notwendigkeit einheitliter Swul- semester betont. Ja Oesterreich find sie bereits eingeführt. Vielleicht prüft der Kultusminister einmal diese Frage. Ueber die Lehrpläne auf unseren Gymnasien hat der Vorredner nit gesprochen. Es ift dies aber ein ungemein wichtiger Punkt. Freilich sind Hellas und Nom ncch immer die Grundlagen unserer modernen Kultur. Wie uns in Griechenland die einzelne Persönlichkeit in bobem Grade fesselt, so in Rom die Gesamthbeit charakterfester Männer, die den Staat zu höherer Vollkommenheit aufbauten. Daber wird niemals das Studium der alten Sprachen ganz entbehrt werden können. Unsere Lehrpläne sollten aber niemals den Charakter der Starrheit annehmen, fondern sich weiter entwickeln. Die Schule ist nit Selbstzweck, sondern Erziehunas- und Vorbereitungsanstalt für das ganze spätere Leben. Die Lehrpläne haben \ich unterzuordnen den Anforderungen der Zeit, in der wir leben. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht mußte in den Gymnasien der Turn- unterriht otligatorisch werden. Nach der Gründung des National, staates mußten die Muttersprache und die vaterländishe Geschichte in den Mittelpunkt des gesamten Unterrichts gestellt werden. Jetzt, wo wir in die Reihe der Weltpolitik treibenden Mächte eingetreten sind, bei unserer zunehmenden kommerziellen Entwicklung, bei der wachsenden Bedeutung, welche die wirtschaftlihen Interessen im Gegensatz zu dem, was man früher Politik Verkehr der Bölker miteinander nannte, haben, möchte ich meinen, daß die obligatorishe Ein- führung des Englischen in unsere Lehrpläne, welhes im Gegensaß zum Französishen der Sprache der Politik die Welthandels- sprache ist, auf die Dauer niht mehr entbehrt werden kann. Es mag sein, daß das Griechishe darunter leidet. Man mag dies bedauern, aber man wird es niht ändern können. Jch bitte den Minister, diesen Gegenständen seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Wirklicher Geheimer Oberregierungêrat Dr. Köpke: Von dem bier angeführten Vorfall bei der Abiturientenprüfung iu Breslau is uns bisher nihts bekannt. Wir werden einen Bericht einfordern und die Angelegenheit aufklären. Sollte der Zeitungsberiht den Vorgang richtig dargestellt haben, so würde eine falshe Interpretation der Beftimmungen der Prüfungs- ordnung und fogar ihre Nichtbeahtung vorliegen. Indessen möchte ih heute {hon annehmen, daß der Sachverhalt anders liegt, daß die Schüler gruppentwoeise geprüft worden sind, die einen Vormittags, die anderen Nachmittags. Daß so viele Schüler durchgefallen sind, wird ihren Grund wobl in anderen Umständen haben als in der zu langen Prüfung. Der Herr Vorredner hat unseren Lehrplänen Starrheit vorgeworfen. Diefer Vorwurf ist niht berechtigt. Den Lehrplänen eignet niht Starrheit, wohl aber den Eltern, die ihre Kinder, obwohl Realschulen vorhanden sind, niht auf diese shicken, troßdem sich ihre Söhne niht für das Gymnasium eignen. Die Allerhöchste Botschaft von 19C0 hat klar ausgesprohen, daß der Bildungê- wert der drei Anstalten gleich is. Jn der Praxis is dies aber noch niht der Fall. Die Gymnasien werden bevorzugt, ganz besonders in Schlesien. Von besonders hohen An- forderungen an die Schüler der Gymnasien in Sthlesien ist uns nidts bekannt. Wir werden aber Erhebungen anstellen und, wenn mögli, Abhilfe schaffen. Ich habe allerdings bei meinen Revisionen nichts gesehen, was anders ift als in anderen Provinzen. Auch in S(lesien wird mit Wasser gekocht. Herr Graf Kospoth verlangte einen einheitlihen Guß für unsere Schule. Dieses Verlangen steht im entschiedenen Widerspru mit allem, was in neuerer Zeit über Be- wegungsfreiheit gesagt worden ist, Sonst heißt es: Individuali- sieren, Bewegungsfreiheit! Hier wird einheitlißher Guß ver- [angt. Das entspricht nicht modernen pädagogishen Au- sihten. Ueber die Ferienfrage haben wir bereits Berge von Akten im Kultuêminist-rium. Eine einheitlihe Regelung dieses außerordentli Ii Gebiets ift nicht möglich. Es hängt dies mit der Ge- taltung des Schuljahres zusammen. Es war angeregt, gleichgültig wie die Ostern fallen, am 1. April zu shließen. Hiergegen hat sid erhebliher Widerspruch auch von kirhliher Seite geltend gemadt- Mit der Frage einer anderen Gestaltung des Schuljahres wird si die Zukunft beshäftigen müssen. Es ist dies eine Frage von sehr großer Wichtigkeit.

(Fortsezung tin der Zweiten Beilage.)

und die mangelnden Heizvorrichtungen.

E E ekén wie B it. üs tgehalten werden.

. Die Lehrer müssen möglichst festgehal L

: geldfeben ift, D feiert jeßt das 25 jährige Jubiläum, leider

Zrtlihen Gewohnheiten anstalten l worden, wle

kurzem Ÿ |

.M¿ 80.

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.) 3 E23

; Luxus bei Schulbauter. auf dem Lande erc von Klin s E Fehler sind die viel zu großen Fenster Die l auf s

tter ausgeseßt. Sind die Fenster zu groß un siad LON) N \ der Unterricht bei großer Kälte auê- O L 18 tur lebten Winter bei mehreren neuen Schulbauten

H

ist manhmal übertr eben.

i Auszeichnung, wie es sehr angebraht gewesen wäre.

aud die Lehrer nit a ri M Teig ny J i  denanjta nde ¿. B. 1

uhe für 7 Son 4 Stunden für Mathemarik und 1 für Geometrie.

Wenn der Vere mit solcher Bildung auf das Land kommt, hat er

ü icht Lust, auf dem Larde zu bleiben. : E A oietior D. Schwarbkopff: Für die Schul-

2 en Normalpläne. Die Pläne sind im Abgeordnetenhause Sa O tine worden, daß man zu sehr |chablonifsiert. Deshalb hat der Minister can tis in s Les d Pre i inzi emati\ch verfahren, lon die Propluga le E sollen. Für die Präparanden- sind 1901 neue, einheitlihe Lehrpläne erlassen sie Me R A n aran e s aber keine übertriebenen nforderungen ar L ber Lehrer bezweckt. Die Beschwerden des Vorredners darüber kann die Regterung nicht als berechtigt anerkennen. Wir haben nu- eine einheitliche Ausbildung der Voltsshullehrer.

Graf von Oppersdorff: Wenn das rene Finanz- ministerium die billigste Art und Weise aus\sucht, wie die Kinderheil- Funde von der inneren Medizin getrennt werden fann, so ist das von feinem Standpunkt aus zu begrcifen. Wir sind darin einig, daß das neue Gese über die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten die Gemeinden möglihst wenig belasten foll, aber wir wollen das Gesetz wegen der geäußerten Bedenken niht a limins abweisen. Jn dec Frage der Trennung der Kinder von den Eltern kann man mit tem Appell an das Gefühl nicht den rihtigen Weg finden. Es fommen da hauptsächlih die Wohnungéverhältnisse der ärmeren Volksklassen in Betracht. Der Wunsch, das preußische Ausführungsgeseß nur auf die sechs im Reichëgeseß genannten Krankheiten zu beschränken, scheint mir sahlich niht berechtizgt. Wir haben das Reichsgeseß nur für die sech3 sogenannten Weltseuhen gemaht, weil sie Gott sei Dank Fremde und Ausländer sind und wir sie fernhalten müssen. ter die Lepra, das Kindbettfieber, die Diphtherie sind für uns viel gefährliher als jene Weltfeuhen. Weshalb sollten wir auf sach- gemäße Bekämpfung unserer inländischen «Seuchen verzihtea? Die bisherigen Vorschriften reihten aber nicht aus; wir brauchen vor allem einheitliche Bestimmungen. Man kann vielleicht noch akademisch darüber streiten, ob die Weltseuhen oder unfere inländischen Seuchen uns gefährlicher sind, aber in der Bekämpfung müssen sie untrenrbar

t werden. bar o n Manteuffel: Auch ich stehe auf tem Standpunkt,

a der ‘reußishe Geseßentwurf zum MNRelchéfeuhengesch

n über das Sie hinausschießt. Der Minister nannte die Aus- führungen des Herrn von Lucius Unterstellungen. Fch überlasse es diesem, sich über diese Liebenswürdigkeit des Ministers avs- einanderzuseßen. Ih glaube nicht, daß die Vorlage, wie sie im Abgeordnetenhaus gestaltet ist, hier im Herrenhaus zur An- nahme gelargen wird. Der Entwurf mildert allerdings das Ne- gulativ von 1835, aber dieses ift seit vielen, vielen Jahren hon nicht mehr angewendet worden. Ich fürchte, daß dur das neue Gefeß insbesondere die Gutsbeziike shlechter behandelt werden, als die Ge- meinten, das ist aber nun hon einmal Norm in der jeßigen Geseß- gebung. Wenn auch der Staat einen Teil der Kosten übernimmt, }o erfordern doch die damit im Zusammenhang ftehenden Maßnahmen weitere Kosten. Der Kostentitel allein wird aber für das Gese nicht aus'chlaggebend sein dürfen, jedoch follten wir in der Fassung des Gesetzes urs eine weise Mäßigung auferlegen.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Ich glaube den Ausführungen des Herrn Freiherrn von Manteuffel zu Beginn seiner Nede entnehmen zu müssen, daß er befonderen Anstoß genommen hat an einem Worte meiner Erwiderung gegen Freiherrn von Lucius, und ¿zwar an dem Worte „Unterstellung“. Eine nähere Interpretation seiner Kritik hat Freiherr von Mantcuffel nicht ge- geben; sollte ich aber annehmen müssen, daß hierin der Vorwurf liegt, als ob ich dem Freiherrn von Lucius eine absihtlihe Entstellung des wahren Sachverhal!8 zum Vorwurf meinerseits gemacht hätte, so kazn ih nur erklären, daß mir diese Absicht vollkommen ferngelegen hat. Sollte das Wort „Unterstellung* aber wirkli in der von Fret- herrn von Manteuffel vertretenen Weise ausgelegt werden, meine Herren, so nehme ich nicht Anstand, es zurückzuziehen und durch die Worte „irrtümlihe Annahme* zu ersetzen.

.- Dann, meine Herren, muß ih aber im übrigen vollständig auf- recht erhalten, was ih in bezug auf den parlamentarischen Gang der Verhandlungen tes Abgeordnetenhauses hinsichtlih des Gesezentwurfs über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten gesagt habe. Gerade die Bestimmungen, die Freiherr von Lucius als besonders bedenklih bezeihnet hat, bilden den tehnisch-wissenschaftlihen, den Hauptinhalt des ganzen Gesetzes, und sie sind mit ganz geringfügigen Ausnahmen in bezug auf Nebenfragen vom Abgeordnetenhause beinahe einmütig akfzeptiert. Jch kann also nicht versehen, wie man aus diesem Vor- gange ein besonderes Bedenken gegen die Turhführbarkeit dieses Gesetzentwurfs entnehmen kann.

Wa3 den Kostentitel betrifft, meine Herren, so habe i bei meinen Darlegungen ausdrück, ih hervorgehoken, daß der wesentlihste Punkt der Differenz mit dem Abgeordnetenhause beseitigt worden ist dunh das weitgehende Entgegenkommen der Finanzverwaltung, welche ihrerseits fonzediert hat, daß dfe sämtlien Kosten der ersten amtéärztlichen Feststellung von übertragbaren Krank- heilen auf den Staat übernommen werden sollen ein enormer Fortschriti nach jeder Richtung hin, sowohl in wissen- caftliher Beziehung, wie für die Dur(führbarkeit der gesamten Maß- nahmen. Es bleibt in diesem Kostentitel nur noch eine meiner An- fiht nah verhältnismäßig untergeordnete Frage übrig, welche Leider einstweilen den Gegenstand einer noch bestehenden Meinungs- nh rig A der Staatsregierung und dem Abgeort neten- Tee fal G btere betrifft insbesondere die Frage der Gestaltung

er Kostenlast hinsichtlich ter Einrichtungen, die zu seuchenfreicr Zeit zu treffen sind. Aber auch in diefer Beziehung it seitens der Finanz- verwaltung das weitgehendste Entgegenkommen bewiesen worden dadurch, daß eine Verdoppelung des Dispositionsfonds der Medizinal-

s : Zweite Beilage B zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Sktaalsanzeiger.

Berlin, Montag, den 3. April

verwaltung in Aussicht gestellt ist. Außerdem sind Abmachungen im Gange mit der Gesellschaft des Roten Kreuzes, welche hoffentlih dazu führen werden, die Kosten der Herstellung von Baracken und ähnlichen Einrichtungen auf das Mindestmaß dadurch zu bes \{hränken, daß die Gesellschaft die Bereithaltung dieser Baracken über- nimmt, und es sih danach nur noch um geringfügige Abonnements- beträge und die Transportkosten handelt. Deshalb gebe ih die Hoffnung nicht auf, daß dieses Geseß in der von ter Regierung ver- tretenen und vom Abgeordnetenhause bereits im wesentlichen akzeptierten Weise zustande kommen wird. Ih hoffe au, daß das hohe Haus ein Entgegenkommen zeigen wird, welches endlih die Regierung instand seßt, eine so überaus wichtige geseßgeberishe Aufgabe in einer der Volkswohlfahrt und der Volk8gesundheit förderlihen Weise

zum Abschlusse zu bringen.

Dr. Freiherr Lucius von Ballhausen: Nach den Erkiäärungen des Herrn Ministers brauche ih auf die persönliche Seite der Sache niht mehr einzugehen. Vom Abgeordnetenhause liegen abschließende Beschlüsse noh gar niht vor, wohl aber liegen noch viele Anträge zur dritten Beratung vor, welche das Recht des Arztes zum Ein- dringen in die Wohnung und die Trennung der Kinder von den Eltern

beshränken sollen.

Oberbürgermeister Struckmann- Hildesheim: Wir sollten niht die Gleichmacherei in den Schulen unterstüßen. Ein französischer Unterrichtsminister war \tolz darauf, daß er ia jeder Stunde sagen konnte, was in dem Augenblick in jeder Schule in ganz Frankreich gelehrt werde. Ebensowenig kann ih für eine völlige Gleichlegung aller Ferien fein; dann fkönnten viele Leute überhaupt die Sommerfrishe niht besuchen, denn wo sollten alle Wirtschaftshäuser herkommen, um die Fremden zu beherbergen, wenn alle Sommefrishler zu derselben Zeit erschienen ? In das innerkirchlihe Leben hat der Staat nicht Ema, Wenn der Staat die Ruhegehaltskassen der Geistlihen übernähme, würde er sich auh eine gewisse Einwirkung vorbehalten. Die Kirchen- gemeinschaften täten gut daran, sich nicht in eine zu große finanztelle Abhängigkeit vom Staate zu begeben. Vergleihungen, wie die des Grafen Hohenthal zwischen den Aufwendungen für die katholische und die evangelische Kixche sind immer mißlih. Viele Aufwendungen für die katbolische Kirche beruhen auf der rehtlihen Verpflichtung des Staates. Der Staat hat seinerzeit die Kirhenvermögen dingezogen.

Professor Dr. Loenin g - Halle: Das ganze Haus wird dem Grafea Koëtpoth dankbar sein für seine humorvolle Darstellung der Verhältnisse auf den Gymnasien. Mit vielem war ih ein- verstanden, aber als Vertreter der Universitäten crhebe ih den entschiedensten Widerspru dagegen, daß unsere Gymnasien gleich gemaht werden wie die Kadettenhäuser. Die Gymnasien sind ein Feld der geistigen Freiheit, und ich meine, es wird noch viel zu viel reglementiert und shematifiert. Die Lehrer "lagen, daß ihnen die Freude an der Berufstätigkeit genommen werde, weil ihre Freiheit viel zu sehr beshränkt wird. Die Gymnasiallehrer müssen Gelehrte und Pädagogen sein ; um das zu können, muß ihnen Freiheit gelassen werden. ein Mißbrauch vorkommen kann, wie bei jeder P darf davon nicht abhalien. Wir werden ftolz sein können auf unsere Schulen, wenn sie niht durh Reglements eingeschnürt werden.

Oberbürgermeister F u ß - Kiel: Jh muß den Greafen Kospoth in Schuß rehmen gegen die Vorwürfe der leßten Vorredner. Der Graf will auch nur eine Einheitlichkeit in dem äußeren Verwaltungs- apparat. Eine Durcharbeitung aus enem Guß will er auch für die Lehrpîäne. Die notwendige Individualisierung soll nicht aus unserem Schulwesen verbannt werden. Die Rede des Grafen Kos8poth war mit einem außerordentli erfrishenden Humor durch- tränkt, sodaß wir uns alle gefreut haben. Jh muß ihm aber darin widersprechen, daß er ein besonderes Anretht für die Söhne der Agrarier, Pustoren und Oberförster auf Gymnasialbesuh in Anspruch nahm, denn ich glaube, es kommt vor allem auf die Befähigung der Kinder an. Bis zu meinem leßten Augenblick muß ih aber dagegen pirotestieren, daß das Griehishe aus den bumanistishen Gymnasien ausgeschaltet wird. Die Erfrishung mit dem Tau dirser köstlisten Sprache muß unserer Jugend erhalten werden. Auch nicht dem Englischen zuliebe darf das Griechische beseitigt werden. Jch will nun kefonde!:8 noch dem Kultusministerium danken für die Aufwendungen für die Kieler Universität. Unsere Gemäldegalerie is aber heute noch in einer Scheune unter- gebracht, wte es im Volksmunde heißt. Wie ih gebört habe, chweben auch Verhandlungen über diefen Gegenstand. Weiter wünsche ih eine ethnographishe Prof ur für unsere Universität Kiel. Der Landwirtschaftèkammer ist im Abgeordnetenhause der Vorwurf der Interesselosigkcit gegenüber dem Landwirtschaftlihen Institut unserer Univaufität getnadt worden. Aber das zu Unreht. Es ist für dieses Institut eize Prof: fsur für Tierzuht und Betriebslehre außerordentlich notwendig. Ich hoffe, daß die Staatsregierung unseren Wünschen gegenüber sih niht ablehnend verhalten wird.

Geheimer Regierungsrat Kl \ch: Die Unterrichtéverwaltung hat

gehofft, Mittel für die Ausgestaltung d-s Landwirtschaftlichen Instituts in Kiel in diesen Etat einstellen zu können; die Vorarbeiten konnten aber niht zum Abschluß gebrabt werden. Deshalb GEIEn wir auf den nächsten Etat verweisen. Wir werden bemüht sein, alle Wünsche Kiels nah Möglichkeit zu erfüllen, damit seine Universität noch weiter blüht. R von Klißing: Mit der Vorbildung der Lebrer sind wird auf dem Lande im Gegenfatze zu den Ausführungen des Ministerioldirektors niht zufrieden. Woher kommt denn der Lehrermargel ? Durch die Anforderungen in den Präparandenanstalten werden viele abgeshreckt. Wir müssen die Sache auf eine andere Weise anfassen, als S die Ne- gierung bisher getan hat. i:

Ministerialdirektor D. S.chwarhkop ff: Der Grund für den Lehrermangel liegt in der großen Bevölkerungsvermehrung und in der verlängerten militärischen Dienstzeit der Lehrer von 6 Wochen auf ein Jahr. Durh Schaffung neuer Präparandenanstalten hoffen wir den Lehrermangel zu beseitigen. Nach 4 Jahren haben wir die Zahl der Prâparanden von 11 000 auf 17 000 gesteigert. Wir werden in 5 Jahren des Lehrermangels Herr werden. : O

GrafvonHohenthal- Dölkau: Jch gebe Herrn Struckmann zu, daß folche Berechnungen, wie ih sie vorführte, nicht M sind, aber ih habe die Séfularisation {hon berüdsihtigt. Der Kultus- minister Goßler hat gesagt: „Die katholische Kirche erhält, obwohl sie nur halb so viele Bekenner hat, das Doppelte an Dotationen vom Staat wte die evangelische. ; ; |

Oberbürgermeister F u n ck - Elberfeld : Ich möchte den Minister nah dem Grundsaß fragen, nah welchem die Zuschüsse für die höheren Lehranstalten gegeben werden. Ministertaldirektor Althoff hat etnen Wunsch der Stadt Elberfeld nah Erhöhung des Zuschusses kurz abgclehnt. Ich habe vergeblich zu erforschen gesuht, nah welchen Sra sthin verfahren wird. Jedenfalls muß dabei ausgleihende Gerechtigkeit walten. Am s\chlechtesten kommen nach meinen Untersuchungen die Städte weg, welche die höchsten Schullasten und die höchsten Steuer- leistungen haben. Die Städte in Preußen geben 36 Millionen für die böberen Schulen aus, der Prozentlag pro Kopf {wankt zwischen

2,69 und 0,57 A Am niedrigsten ist der Detag in Altona, am höchsten in Frankfurt a. M. Die Städte Dortmund, Elberfeld, Barmen

1905.

und Crefeld haben keine staatlihen Anstalten; nur Dortmund wird jeßt das Glück haben, eine staatlihe Anstalt zu erhalten. Die Staatszushüsse sind in den einzelnen Städten ganz verschieden; es scheint lediglih die Bevölkerungsziffer zu Grunde gelegt zu werden. Man wird nihts dagegen einwenden, wenn die kleineren Städte verhältnismäßig mehr bekommen ; aber am s{Glechtesten kommen die Städte Barmen mit 10 000 ( Staatëzushuß, Crefeld mit 13! 00 und Elberfeld mit 19000 A weg. Da hätte wohl auf die Eingabe von Elberfeld eine andere als die kurze Antwort geç eben werden können, „daß zu einer Erhöhung eine ausreihende Ver- anlassung nicht vorliegt“. Elberfeld steht auß.r ‘mit seiner großen Kommunalsteuerlast dur seine Schullasten besonders {lecht da. Elberfeld hat 147 Volksshüler auf 1000 Einwohner, Königsberg nur 75, Berlin 112, Danzig 105, Breslau 123. Elberfeld gibt 2 170 000 A für seine Volkss{hulen aus. Die Stadt wird dem- gon den Ant:ag auf Errihtung einer neuen staatlihen Anstalt stellen.

Geheimer Negierungsrat Tilmann: Aus den statistischen Zahlen allein kann man nit zu den rihtigen Ergebnissen kommen, in welhem Maße der Staat Zuschüsse gibt und die Städte {ih an den Kosten der Schulen beteiligen. Die 'Staatszusbüsse für die höheren Lehr- anstalten haben sich historisch entwickelt. Der Staat hat z. B. bei der Einverleibung der neuen Landesteile bestimmte Verpflihtungen über- nommen und hat auch bedeutende Schulfonds übernommen. Es ist des- halb s{chwieig, aus dem gegenwärtigen Zustande Schlüsse zu ziehen. Es sind auch die Bedürfnitzushüsse gegeben worden, um bestimmte Leistungen, z. B. die Ausführung des Normaletats, die Durhführung der Neliktenveisorgung, zu erreihen. Manche Stadt war besonders [leistung8unfähig, oder der Staat hatte ein politishes Interesse an der Unterstüßung einer Stadt. Bisher hat Elberfeld keine weiteren Zu- schüsse gefordert. Bei den Eingaben der Städte um Erhöhung der Zuschüsse wird geprüft, ob die Stadt in der Lage ift, den erforder- lichen Aufwand selbst aufzubringen. Bei Elberfeld bat die Pcüfung ergeben, daß die Stadt die Mittel selöst aufbringen kann. Wenn der Antrag auf Errichtung einer staatlichen Anstalt gestellt wird, wird die Bedürfnisfrage geprüft werden.

Oberbürgermeister Funck: Es muß der Stadt Elberfeld zur Ghre angerechnet werden, wenn fie aus eigenen Kräften das Er- forderliche getan hat. Es dürfen doch nicht gerade die am meisten bekommen, die am lautesten schreien.

Oberbürgermeister Dr. Ni ß mülle r - Osnabrück : Die höheren Mädchenschulen sind den Anforderungen niht mehr cewachsen, die dur die neue Zeit an die Ausbildung der Frauen gestellt werden. Es besteht in unserem höheren Mädchenshulwesen Unklarheit auf dem Gebiete des Lehrplans, der staatlihen Aufsiht und der Lehrer- besoldung. Der Lehrplan sollte in dec Weise reformiert werden, daß bestimmte Kategorien von Mädchenschulen bestehen; die voll ent- widelten Mädchenshulen follte man endlih als höhere Schulen an- sehen; im Etat stehen sie noch immer unter den Elementarschulen. Cin Teil der höheren Mädchenschulen untersteht der Aufsicht des Provinztalschulkollegiums, cia anderer Teil der Aufsicht der König- lihen Regierung. Die Lehrergehälter an diefen Schulen find geseßliÞß noch gar nicht geregelt. Wenn das Geschz über die Sculunterhaltungspfliht gemaht wird, wird es wahrscheinlih auhch zu einer geseßlichen Regelung der Besoldung der Mittelschul- [lehrer kommen, und dann bleiben nur noch die Lehrer der Mädchenschulen übrig; das kann zur Zufriedenheit nicht beitragen. Für 213 höhere Mädchenshhulen gibt der Staat nur einen Zuschuß von 68000 /# Für die 46 Lehrerinnenseminare gibt der Staat allerdings 50 0C0 4; aber davon sollen au die Schülerinnen und die betreffenden Städte unterstüßt werden, sodaß für die Seminare felbst 20 000 4 Zuschuß bleiben. Wegen der geringen Befoldung sind akademish gebildete Lehrer für die höheren Mädchenschulen fast gar nicht zu bekommen. Der Staat glaubt, die Lehrerbesoldung nit regeln zu können, weil die höheren Mädchenshulen unter si ver- schieden sind. Nun, dann fange man doch mit der Regelung für die Schulen, die den Lehrplan von 1894 durchgeführt haben, eiumal an; das andere wird dann von selbst nachkommen können.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Ich glaube mich auf wenice Bemerkungen bes shränken zu können. Ich erkenne ohne weiteres an, daß in den inneren und äußeren Verhältnissen unseres Mädchenshulwesens ih erhebliche Uebelstände im Laufe der Zeit herausgebildet haben. Sie liegen zunächst in der Verschiedenartigkeit des Zustandes der einzelnen Schulen sowie ferner in ihrem eigenartigem Entwicklungs- gange. Ih daf darauf hinweisen, daß das Mädchenshul- wesen von jeher im preußischem Staate überwiegend der Privatinitiative bezw. der Fürsorge der Kemmunalverbände überlassen war und von Staats wegen nur einige wenige Musteranstalten ge- schaffen worden sind. Daraus erklärt sich die große Verschieden- artigkeit der Verhältnisse, welhe cine einheitlihe Negelung bisher ver- hindert haben. Leßtere wird sih vielleiht im Laufe der Zeit herbei- führen lassen, wenn es gelingt, einen einheitlichen Organisationsplan für das höhere Mädchenshulwesen zur Durchführung zu bringen. In Anerkennung dieser Sachlage, meine Herren, habe ih es mir bald nah Uebernahme meines Amts zur Aufgabe gestellt, obwohl der Lehrplan und der Organisationéplan für das Mädchenshulwesen erst aus dem Jahre 1894 datiert, in eine umfassende einheitliße Regulierung dieser Materie einzutreten. Es is jeßt endli nach jahrelangen Be- mühungen gelungen, einen Organisfationsplan aufzustellen, der noch einer fachverständigen Begutahtung und Erörterung nah vielen Seiten bedarf. Vielleiht wird es möglich sein, in naher Zeit diesem Organisationsplan eine feste Gestalt zu geben und dann zur Durchführung zu bringen, daß dabei große Vorsicht geboten ist, ist selbstverständlich. Die Anforderungen sind sehr weitgehend, die Auffassungen in bezug auf die Erfüllung dieser Aufgabe sehr vershiedenartig, und es wird notwendig sein, in die sorgfältigste Prüfung dieser verschiedeaartigsten Gesichtspunkte einzutreten. Diese Aufgabe ift, wie ich schon hervor- gehoben habe, noch nit ganz abgeschloffen. Nach threr Erledigung wird der Zeitpunkt gekommen sein, auch die materiellen Ver- hältnisse des höheren Schulwesens tunlich\# einheitlich. zu ordnen. Gegenwärtig is der Staat niht ia der Lage, weiter- gehenden Anforderungen und Wünschen, die auf diesem Gebiete an sie herangetreten find, nur einigermaßen zu entsprechen. Das staatliche Interesse ist im übrigen nit in so erheblihem Maße bei dem höheren Mädchenshulwesen beteiligt wie bei den höheren Knabenshulen, uud zwar aus dem Grunde, weil in ten leßteren eine größere Bedeutung für das öffentlihe Leben beruht. Jch brauche nur daran zu erinnern, daß nur die höheren Knabenshulen mit der Berechtigung für Ergreifung bestimmter Berufsarten ausgestattet sind; {on hieraus ergibt #\ch ein