1905 / 95 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Apr 1905 18:00:01 GMT) scan diff

S e E E S E I

Nach Zurüdcklegung einer 60 jährigen Dienstzeit ist er am 1. Mai 1899 in den Ruhestand getreten, hat aber über diesen “R hinaus noh einige Jahre das seit 1888 von ihm

efleidcte Nebenamt als Präsident des Disziplinarhofes für die nihtrihterlihen Beamten weiter verwaltet.

Der Heimgegangene hat in allen seinen Amtsverhältnissen, insbesondere in dem verantwortungsvollen Amte als Untec- staatssekretär stets mit unermüdlicher, selbstloser Hingabe seine hohe Begabung und sein gründliches Wissen bis in das höchste Alter in den Dienst des Staats gestellt und in reihem Maße Anerkennung seiner Tätigkeit gefunden. |

Das Andenken an diesen hervorragenden Beamten wird in hohen Ehren bleiben.

Der Königliche Gesandte in München, Wirkliche Geheime Rat Graf von Pourtalès hat einen ihm Allerhöchst be- willigten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit werden die Geschäfte der Königlichen Gesandtschaft von dem etatsmäßigen Legationssekretär, Legationsgrxat Freiherrn von Werthevrn geführt. i E

Laut Meldung des „W. T. B.“ geht S. M. S. „Fürst Bismarck“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders heute von Pg nah Tsingtau ab.

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M. S. „Hansa“ ist mit dem Zweiten Admiral des Kreuzergeschhwaders am 18. April in Tschifu eingetroffen und geht heute von dort nah Tschinwangtau in See.

S. M. S. „Th etis“ ist gestern in Swatau angekommen.

Der Transport der abgeló sten Besagung von S. M.S. „Falke“ ist mit dem Dampfer „Syria“ am 18. April in Port Limon (Costarica) eingetroffen und hat gestern die Heim- reise über Colon nah Cartagena (Columbien) fortgeseßt.

Jn der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reihs- und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichs- eisenbahnamt N tabellarishe Uebersiht der Be- triebsergebnisjse deutsher Eisenbahnen für den Monat März 1905 veröffentliht, auf die am Mittwoch an dieser Stelle auszüglih hingewiesen worden ist.

Deutsche Kolonien.

Nach einer Meldung des Genecralleutnants von Troth aus Kub in Deutsch-Südwestafrika mußte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Major von Estorff die Verfolgung der Witbois 45 km südöstlih von Kowise-Kolk wegen Wassermangels auf- geben. Er wird Awadaab am großen Nossob beseßt halten und vorläufig nah Gochas zurückgehen. Die Besaßung von Aminuis wird durch die 4. Kompagnie des Feldregiments Nr. 1 und eine halbe vierte Batterie aus Gobabis verstärkt werden.

Jn den Karasbergen wurde am 7. April südlich von Nurudas die Pferdewache der Kompagnie des Hauptmanns d’Arrest von einer zweihundert Mann starken Bande über- fallen. Die Kompagnie griff den Gegner an und stürmte nah \{hwerem, siebenstündigem Gefecht Tine Stellung. Dies- seits sind 7 Reiter gefallen und 3 verwundet.

Patrouillengefehte fanden bei Gamdau, 15 km nord- óstlih von Bethanien, und bei Thannarob südlich von Packriem statt. Die diesseitigen Verluste betragen: 1 Offizier, 1 Oberveterinär, 8 Unteroffiziere und Reiter gefallen, 5 Reiter verwundet.

Von den im Komashochland gemeldeten Herero- banden hat ein Teil die Eisenbahn zwishen Windhuk und Okahanckja überschritten und sich nach Nordosten gewandt. Er wird durch die in Otjihangwe stehende Kompagnie und durch starke Offizierpatrouillen aus Windhuk und Okfahandja aufgesuht. Ein anderer Teil unter dem Großmann Andreas ist im Tal des Kuisebflusses in die Gegend von Tantus ge- zogen. Jhm folgen von Norden her eine Etappeukompagnie und eine zusammengestellte Abteilung von 90 Mann mit einer Revolverkanone; von Rehoboth her ist eine Ersaßkompagnie Über Areb, nördlich von Nauchat, in Marsch gesetzt.

Ein Telegramm aus Windhuk meldet, daß der Leutnant Adolf Donner, geboren am 26. Juni 1875 zu Würzburg, früher im Königlich bayerischen 9. Jnfanterieregim nt, infolge der im Gefecht bei Groß:Nabas (2.—4. Januar) erlittenen Verwundung am 15. April im Lazarett zu Kub gestorben ist. An Typhus ist im Lazarett zu Windhuk am 16. April der Reiter Emil Danielowski, geboren am 27. Juni 1883 zu Mariannenhof, früher im Jnfanterieregiment Nr. 44, und am 17. April der Gefreite Klemens Bickert, geboren am 14. De- zember 1881 zu Dühnen, früher im Husarenregiment Nr. 1, gestorben.

Großbritannien und Frland.

Im Unterhause rihtete gestern, wie ,W. T. B.“ meldet, Emmott (Lib.) an den Unterstaatssekretär Earl Percy die Anfrage, ob er Auskunft geben könne über den gezenwärtigen Stand der Ver- handlungen bezüglich des internationalen Charafters der äthiopischen Cisenbahn und über den Bau des zweiten Teils der Linie. Earl Percy erwiderte, er fôönne keine Erklärung über die Verhandlungen abgeben. Der Ministerpräsident Balfour beantragte hierauf, day das Haus sich bis zum 2. Mai vertagen solle. Es er- folgte eine allgemeine Beratung darüber. Sir Henry Campbell Bannerman verlangte von der Regierung Aufklärung über die Lage in Somaliland und Afghanistan sowie über die Verträge mit Tibet und verurteilte die Hal:ung der Regierung in der Fiskalfrage. Der Premierminister Balfour erwiderte, die Regierung habe keine Kenntnis von den angeblichen Abänderungen des Vertrags mit Tibet. Der Vertrag mit dem Emir von Afghanistan erneuere das Abkommen, das England mit dessen Later getroffen habe. Es gebe in diesen Ver- Handlungen nihts, was rätselhaft oder dunfel sei, und er freue sich, daß sie zu einem erfolgreihen Abschluß gelangt seien. Der Premiecminister rehtfertigte schließlich die Haltung der Regierung in der Ficekalfrage. In \{hrijtliher Beantwortung einer von Hickman (Kons.) gestellten Anfrage, ‘welche Zugeständnisse die deutshe Regierung in ihrem neuen Generoltarif auf die von dem englishen Auswärtigen Amt erhobenen Vorstellungen bin gemacht habe, erklärte der üUnterstaatétsekretär des Aeußern Carl Percy: aus den bereits veröffentlihen Schriftstücken feien die Artikel erfihtlih, bezüglih deren die britishe Regierung Vor- stellungen erhoben habe, ebenso auch die Abänderungen des Tarifs,

die als Ergebnis der zwischen Deutshland und anderen Ländern des Kontinents gepflogenen Verhandlungen vorgenommen worden seien. Es sei unmöglich, festzustellen, in welhem Maße sich G etwa au von den A der britishen Negterung habe becinflussen lassen, als es diesen Abänderungen seine Zustimmung gegeben habe. Sodann vertagte \sich das Haus bis zum 2. Mai.

Der Kreuzer „Venus“ ist gestern von Malta nah Kreta abgegangen. Der Kreuzer „Diana“ wird heute dorthin ab- gehen. Die Fahrt der beiden Schiffe steht im Zusammenhange mit den Unruhen auf Kreta. i

Frankreich.

_In der Deputiertenkammer stand gestern das vom Senat zurückgekommene Budget zur Beratung. Archedeacon und Graf Castellane (Nationalisten) besprahen, wie „W. T. B.* berichtet, das englisch-französishe Uebereinkommen, betreffend Ma- rokko, und gaben Befürhtungen wegen der Halturg Deutschlands Ausdruck. Jauròs führte aus, die Politik Delcassés in Marokko habe sehr bedeutende Schwierigkeiten berbeige{ührt. Der einzige Ausweg in dieser Lage _ in einer direkten Verständi- gung mit Deutschland zu erblicken; er sei überzeugt, daß beide Mächte den Frieden wollten, und warf i fe sein Schweigen vor, das die Lage vergifte. Warum es ablehnen, fih mit Deutschland zu verständigen? Der Verlust von Elsaß habe nicht die Größe Frank- reichs verkümmert. Der Minister des Aeußern Delcas unterbrach den Redner und sagte, Frankreih habe es nit abgelehnt, auf Er- klärungen zu erwidern. Jaurs s entgegnete, man hätte niht Erklärungen verlangen dürfen, sondern die Initiative ergreifen müssen. „Bestehen Sie niht auf Ihrer Unvorsichtigkeit, sie wird Sie allen Bündnissen ent- fremden. Die Lage erfordert es, daß Sie Verhandlungen mit allen Mächten anknüpfen, wenn Sie uns niht zu einem erntedrigenden Zurückweichen führen wollen. Wir wollen nicht, daß Frankreich die Folgen einer unheilvollen, verderblichen Politik zu tragen hat.“

aillant (Soz.) tadelte, daß der Minister Delcasss Deutschland niht von dem französish-englischen Abkommen in Kenntnis gesetzt habe, und fragte, ob. Delcassé alle Vorsihtsmaßregeln getroffen habe, damit die russishe Flotte im fernen Osten die Neutralität Frankreichs nicht kompromittiere. La Ferronays (kons.) legte die Gefahren der Kolonial- politik der Regierung dar und wünschte ein Einvernehmen mit Deutsch- land. Hierauf nahm der Minister Delca \\é das Wort und führte aus: „Man fragt mich, welche Veränderungen in der Lage in Marokko seit meinen leßten Erklärungen in der Kammer eingetreten sind. ch sagte damals, daß unser Gesandter in Fez in den leßten Tagen des März einen allgemeinen Entwurf unserer Vorschläge beendigt habe, die darauf hinzielten, \{chrittweise in Marokko mit der Ordnung und Sicherheit einen besseren Zustand der Dinge berzustellen, der zunächst der marokkanishen Bevölkerung und gleichzeitig aber auch allen Ausländern zu Nußen kommen sollte, die dort Geschäfte trieben, welher Nation sie au angehören möchten. Nachdem die marokkanische Regierung unsere Vorschläge, die ihr unterbreitet waren, erwogen hatte, teilte sie uns am 5. April mit, sie nehme diese im Prinzip an und sei entschlossen, über fie im einzelnen mit unserem Vertreter in Besprehungen zu treten. Diese begannen am 12. April und nahmen nah den leßten aus Fez eingegangenen Meldungen einen befriedigenden Ver- lauf, da unser Vertreter in Fez s vor allem des Mittels der Ueberredung bediente und besonders bestrebt war, die marokkanishe Regierung davon zu überzeugen, daß es ia ihrem Interesse liege, die vorgeschlagenen Reformen durchzuführen, und da andererseits die marofkffkanishe Regierung die Ueberzeugung von der Aufrichtigkeit unserer Freundschaft und der Bedeutung unserer Mit- wirkung gewann, die es ihr in der vergangenen Woche noch ermög- lichte, ihre Autorität in der Stadt Udja aufrehtzuerhalten, die von Rebellen bedroht war, die die Stadt angriffen. Was die in leßter Zeit lautgewordenen Besorgn'sse betrifft hinsichtlih einer möglichen Rückwirkung unserer marokkanischen Politik auf fremde Inter- essen, so habe ih selbst dem deutshen Botschafter in Paris exflärt und dem französisen Botschafter in Berlin zu wissen getan, daß, wenn ein Mißverständnis in dieser Hinsicht etwa bestehe, ih bereit sei, es zu zerstreuen; und da unsere marokkanishe Politik, so wie sie zehnmal ausgesprohene Gründe der Vorauésiht der Re- gierung vorgeschrieben haben, so wie sie in der Kammer dargelegt worden ist, wie sie sih bis zum heutigen Tage entwidckelt hat, wie sie

in der Zukunft abspielen muß, zur kundgegebenen Grund- lage nicht allein die Achtung der von anderen Mächten mit der marokkanishen Regierung abges{lossenen Verträge und Ueber- einkünfte hat, fondern auch die auf alle Nationen, welche sie auch seien, zu erstreckende Anwendung der in die von uns im lezten Jahre unterzeichneten Verträge \hriftliß aufgenommenen Aufrehthaltung tes Grundsayes der Handelsfreiheit und der Bürgschaften gegen jede Ungleichheit, fo ist in Wahrheit für uns nihts leichter, als uns in einer Art und Weise zu erklären, die alle Befürchtungen hinfälli werden läßt und die Interessen beruhigt. Jch kann nicht umhin, La eine Bemerkung in der Rede des Deputierten Jaurès zurückzukommen. Dieser hat mir den Vorwurf gemacht, daß ih auf gewisse Er- klärungen, die er vorgebraht, nit eingegangen sei, und hat meinem Schweigen eine Deutung gegeben, die bereits in mehrere ausländische Blätter übergegangen ist und die ih niht durchgehen lassen kann. Ich lege viel größeren Wert auf Taten wie auf Worte, und mir s{eint, daß ein Mann, der sieben Sciedsgerichtsverträge ab- ge\chlossen, der mit Italien, Spanien und England Uebereinkommen Puntten hat, dur das jedes beteiligte Land gegen Zugeständnisse in

unkten untergeocdneter Art eine befriedigende Regelung seiner dauptiateressen erhielt, daß ein Mann, dessen erste Sorge war, \ih für die Beendigung des Krieges zwishen Spanien und den Ver- einigten Staaten einzuseßen, und dessen gute Dienste vor einigen Monaten nicht ohne Wirksamkeit gewesen sind, um einen Zwischenfall zu s{chlichten, der zwei der größten Mähte Europas zum Kampfe gegeneinander bringen konnte, es \cheint mir, sage i, daß die Handlungen dieses Mannes mehr Wert haben, seine Politik zu kennzeichnen, als seine Worte.“ (Ein Abgeordneter ruft dazwischen : Davon ift jeßt nicht die Rede; es handelt sich um Marokko.) Delcafsé fuhr fort: „Jh habe erklärt und erklären lassen, was Marokko betrifft, daß, wenn noch ein Mißverständnis bestehe, ih bereit sei, es zu zerstreuen. Vom Bewußtsein meiner Verantwortlichkeit er- füllt, kann ih den Erklärungen, die ih hier auf der Tribüne vorgebracht habe, nihts Zweckdienliches hinzufügen. Hat nicht der Minister des Aus- wärtigen das Privileg, hier ungestraft zu sprechen?“ FJaurès kon- ftatierte alsdann, at Delcassé nah wie vor stumm bleibe, und ver- langte, daß die Kammer sich unverzüglich vertage. Der Minister des Aeußern Delcasfs erwiderte, es gebe Dinge, die er in der Kammer nicht sagen fönne. Jaurès wiederbolte, daß man alsdann die Kammer vertagen müsse. Deschanel gab hierauf einen historishen Ueberblick über die Marokfofrage und sprah den Wunsch aus, daß alle französischen Beamten in Marokko unter die Autorität des Sultans gestellt würden. Der Redner erinnerte dann an die Neise de-s Deutschen Kaisers und riet, sih mit Deutschland zu verständigen; Frankreih müsse in guten Be- ziehungen zu Deutschland und England stehen und nicht eine Macht der anderen opfern. Er betonte alsdann die geschickte Politik Eng- lands, die darin bestanden habe, Tae die Verantwortlichkeit für das Eindringen in Marokko zu überlassen, und {loß mit der Bitte, daß die Rezierung klug und fest handeln möge. Der Ministerpräsident Rouvier erinnerte dann daran, daß das Parlament die aus- wärtige Politik Frankreihs gut geheißen habe, und fuhr fort: „Van wirft uns vor, Deutschland über das englis französische Abkommen nicht unterrihtet zu haben, aber dann hätte man sämtlize Mächte benachrihtigen müssen, wir haben mit Deutschland eine Aussprache begonnen. Es handelt sich heute darum, zu wissen, ob die Kammer einen W-chsel der Personen beabsichtige.“ (Verneinung auf der Linken und im Zentrum.) NRouvier {loß: „Deutschland verlangt von uns, daß wir seine Interessen respektieren. Wir verlangen nihts Besseres. Wünsht man etwas anderes von uns, so môge man es sagen, und wir werden die Frage prüfen. Was die Neutralität anbelangt, von der Vaillant ora, so tun

wir alles Erforderliche, um sie zu ac D Deutschland und die L aeA E forte Unterredungey

.wittagtsizung kritisierte Pressen (Soz) In der bh

Weise das Verbalten Delcassés gegenüber

Delcassé babe offenbar geglaubt, daß ganz En

stehe. Der Minister habe sih da einer Selbsttäushung

er habe nur die englishen Jingoisten für sich gehabt

habe Delcasss den Vereinigten Staaten gegenübcr Fehler, wie gegenüber Deutschland, begangen. Frank

in Fiieden mit Deutshland und müsse \sich mit einanderseßen, aber nicht widerwillig und mürrish,

habe den Interessen Frankreichs s{lecht gedient. Die Reif: Kaisers Wilbelm habe zweifellos den Maghzen ermutigt, und je d dessen sei das dur die Politik Delcassés angestifte Uebel 1". gut zu machen. Die Eiklärungen Delcassós seien auch he wieder unzureichend gewesen. Glülihherweise seien aber die Erklärun Ministerpräsidenten, der die ministerielle Solidarität geltenz z, L" de gewußt habe, beruhigend gewesen. Der Nationalist Tournade tq en die marokkanishe Politik Delcassés. Frankreich habe bereits cin ritt reihendes Kolonialreih, Marokko sei ein gefährliches Abenteu n bi noh große Opfer erfordern werde. Der Radikale et, du

man müsse anerkennen, daß Deutschland unzweifelhaft L sagte

in Marokko habe. Die deuts? Presse habe nicht erst nere | Zwischenfall abgewartet, um diese Interessen zu erkennen, fond j

rn dieg

sofort nah dem Bekanntwerden des französish-englischen Abkommey

getan. Man könne deshalb auch nit behaupten, daß sih h

deutshe Politik in der Frage geändert habe. Nj

das Interesse für auswärtige und Kolonialpolitik ein fo lebhaftes f beim deutshen Volke. Man müsse deéhalb in der maroffaniste, Angelegenheit zu einer Verständigung mit Deutschland gelangen 0 hoffe, daß es gelingen werde, die E Mißverständnisse ju be seitigen. Der konservative Delafos se äußerte, Marokko sei nur A Vorwand. Die eigentlihe Ursahe der geänderten Politik Deuts, lands seien die Besorgnisse, die einerseits das französis - englis Abkommen, andererseits die Schwähung des Dreibundeg | Deutschland hervorgerufen hätten. Frankreih dürfe weder nil

englische noch antideutshe Politik machen. Es würde gefährlih sein y |

glauben, daß das english-französishe Abkommen gegen Deut’

gerichtet sei. Nach diesen Erörterungen wurde in die Spezialdebath

über die vom Senat abgeänderten Artikel des P dgels eingegangen ä

und schließlich das Budget mit verschiedenen Abä genommen.

Rußland.

Jn dem Vororte von Warshau Powonski haben m dem “,W. T. B.“ berichtet wird, die Polizei und Militär in Nacht zu gestern zweihundert Personen festgenommen. Bei hy Verhafteten wurden zahlreiche Revolver gefunden,

Jn fünfzig Dörfern der Kreise Kamenceßz-Podoli! und Proskurow macht sih eine gegen die Gutsbesißer richtete Bauernbewegung geltend. Nach den in Fragt kommenden Orten wurde Militär abgesandt. ;

Jtalien.

__ Die Deputiertenkammer nahm in der gestrigen Yy, mllagösipung, wie ,W. T. B.* meldet, die Beratung über ten seßentwurf, betreffend die Verstaatlihung der Eisenbahnen, wieder auf und ‘nahm die Artikel bis einschließlich ü gy, In der Nachmittagssißung beantwortete der Ministerpuüsidyt Fortis mehrere Anfragen wegea eines Vorfalls in Foggia, wel er erklärte, ter wiederholte Gebrau}ch der Waffe eitens di Militärs fei durchaus unvermeidlih gewesen, da dieses herab efordert worden sei und sih im Stande geseßliher Verteidigung by unden habe. Der Gebrauch der Waffe sei niht anbefohlen word, sondern durch Patrouillen erfolgt, die mit Knütteln und Schüsu angegriffen worden seien. Dabei sei ein Soldat tödlih verwundt drei der Manifestanten seten getötet und zwölf verwundet worde Es sei im Einvernehmen mit den richterlichen und militärisde Behörden eine Untersuhung angeordnet worden. Hierauf wut die Beratung der Vorlage, betreffend die Verstadb lihung der Eisenbahnen, wieder aufgenommen. Die sprehung des Artikels. 16, betreffend Errichtung eine! obligatorischen Schiedsgerihts, wurde ein\tweilen zuid gestellt. Artikel 17 gelangte mit großer Mehrheit zur Annhm.

In diesem heißt es, daß alle Angestellte der Eisenbahnen Stab |

beamte seien, und daß im Falle der Einstellung der Arbeit oder dit Störung des regelmäßigen Dienstes angenommen werde, daß sie iht Entlassung eingereiht hätten. Bei Artikel 19 der Vorlage, betreffe die Gehaltserhöhung für ältere Beamte, erklärte der Minister präsident Fortis auf eine Anfrage: die Regierung werde bei Ans dieses Artikels mit der größten Billigkeit vorgehen ; sie werde namentli die verdientesten alten Beamten berücksihtigen, die au, wi? & hoffe, durch ihre Autorität bi ihren Kameraden dem jeßigen beklazeb werten Zustand ein Ende machen würden. Hierauf wurden sämtlidt Artikel der Vorlage angenommen, darunter auch der Artikel 24, de festseßt, daß die Bestimmungen des Artikels 17 sich auch auf di im Betriebe von Privatunternehmungen stehenden Bahnen ersire sollen. Der Ministerpräsident Fort is erklärte hierzu, daß die Artikel 1! und 24 nah Maßgabe des gemeinen Rehts in Wirksamkeit zu trt hätten. Schließlich wurde das ganze Geseß in geheimer Abstiw mung mit 289 gegen 45 Stimmen angenommen. Alsdann erklüt Meardi, er glaube im Namen der Kammer zu sprechen, wett er vor der Vertagung dem Ministerpräsidenten Fortis und de Präsidenten der Kammer Marcora den Dank des Hauses ausspre{t Der Ministerpräsident {loß sich namens der Regierung der Kund gebung für Marcora an. Dieser spra seinen Dark und die Hof nung aus, daß Nuhe und Frieden bald wiederhergestellt sein und dic ausständigen Bahnbeamten zur Ueberzeugung kommen würden, die Kammer ihren berehtigten Ansprüchen gegenüber nicht taub sei. Marcora \{chloß mit einer begeistert aufgenommenen Huldigung für & König und die Königin. Sodann vertagte sich die Kammer zum 11. Mai. Schweiz,

Der Bundesrat hat, dem „W. T. B.“ zufolge, d \hweizerishe Delegierte der am 8. Mai in Bern beginnen internationalen Arbeiterschußkonferenz die folgents Herren bezeichnet: Bundesrat Dr. Deucher-Bern, Kaufmann, Abteilungschef beim shweizerishen Jnduft departement, Bern, Altbundesrat Emil Frey-Be den Präsidenten des Nationalrats Schokinger- Luz den Nationalrat Heinrich Scherer, Präsidenten # internationalen Vereinigung für geseßlichen Arbeiter St. Gallen, den Industriellen Jules Vautier- Grand Syz-Schin dler, Präsidenten des s{chweizerischen P rider Weber- und Zwirnervereins in Zürich, und den ph i Otto Lang, Präsidenten des schweizerischen Arbeiterbun ore Zürich. Den Delegierten werden s{weizerishe Fabrikinspekt als Sachverständige beigegeben.

Niederlande. ; Aus!

Der niederländish-deutshe Aus\chuy zul “Fy- hebung der Schwierigkeiten der gleihzei t fall: wendung der niederländischen und deutshen Ln versicherungsgescße wird, wie „W. T. B.“ erf ¿t 26. April im Haag togen. Die deutsche Regierun ärme- ihren Delegierten den Geheimen Oberregierungsrat Dr. sa ling und den Professor Dr. La ß vom Reichsversicherun idé ernannt, die niederländishe Regierung den Direktor Referendat versicherungsbank Dr. Macalester Loup und den Mf im Ministerium des Auswärtigen Dr. Rochussen. /

ute wiede

nderungen qy

j Gesundheitsstand und Gang der

Serbien.

elgrad meldet das Wiener „Telegr.-Korresp.-

u 2 verlaute daselbst, daß eine von einem serbischen But e 7 ebildete, aus einem Major, zwei Hauptleuten, vier ie nts, zwölf Unteroffizieren und sechzig Mann bestehende Leu «p am Sonntag von Belgrad nah Vranja abgegangen Ban m von dort in Alt-Serbien einzufallen. Der in N Zu jewag internierte Bandenchef Di gko habe versucht, nach AltSerbien zu flüchten, sei aber in Lapovo angehalten, nah

Fragujewabß zurückgebraht worden und solle unter strengere

Kontrolle gestellt worben sein.

Amerika.

i Staatsdepartement in Washington is, wie

On bebet davon in Kenntnis geseßt worden, daß raestern in Shanghai Verhandlungen wegen eines neuen utsh-chinesiscen Vertrages eingeleitet worden seien.

Der Kriegssekretär Taft hat sih entschlossen, nah der von ihm geplanten Reise nah den Philippinen in Tokio inen offiziellen Besu h abzustatten. Die Einzelheiten dieser Besuchsreise seien no nicht festgestellt.

Der Gouverneur des Staates New bh hat das Geseh, betreffend die Umsaßsteuer auf Aktien, unter- eichnet, das bereits von der geseßgebenden Körperschaft an- n mmen ist. Durch das Geseß, das am 1. Juni im Staate Si York in Kraft treten soll, wird eine Steuer von 2 Cents auf je 100 Dollars Nominalaktien festgeseßt. i

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Lima, dort sei vor- gestern ein allgemeiner Schied8gerihtsvertrag zwischen Ztalien und Peru unterzeihnet worden.

Asien.

Ein Telegramm des Generals Linewitsch vom 18. d. M. an den Kaiser meldet, dem „W. T, B.“ zufolge:

Am 14. d. M. Morgens nahm der Feind in der Richtung auf eihimao und auf dem Wege Sinminpao—Tachichotsu die fffensive wieder auf ; gegen Uhr Nachmittags beseßten die Japaner

Padiatse und begannen ein Gewehrfeuer mit unserer Kavallerie, die einen Engpaß beseyte. Der Angriff des Feindes kam alsdann zum Stillstand. Am 14. beseßten die Japaner auch das Dorf Nansanchentsse.

Jn Tokio ist amtlich bekanntgegeben worden: :

Fine japanische Streitmacht ist nah dem fünfzig Meilen östlich von Hsinghing gelegenen Tunghua vorgerückt und hat diesen Play am 15. d. M. beseyt. Der u hat sih in nördlicher Richtung jurück gezogen. Auf den anderen Teilen des Kriegsshauplaßes ist keine Ynderung eingetreten.

Das „Reutershe Bureau“ meldet aus Tokio: obglei dort keine direkten Nachrichten eingelaufen seien, nehme man an daß die baltishe Flotte noch in der Bucht von Kamran oder in einem anderen Hafen von Annam liege und dort die Vereinigung mit dem dritten Geshwader abwarte. Die Meldung, daß der Admiral Roschdjestwensky auf der Höhe von Kamranh kreuze und die neutrale Schiffahrt kontrolliere, erhöhe die Erregung gegen Frankreih, das dem Admiral erlaubt habe, den Hafen von Kamranh als Stüßpunkt für seine Operationen zu benußen. Dem „Daily Telegraph“ wird aus Tokio mitgeteilt, daß der fran- zösishen Regierung ein formeller Protest Japans übermittelt worden sei.

Aus Saigon vom heutigen Tage wird der „Agence Havas“ berichtet, daß das russishe Geshwader sich noch in der Kamranhbucht befinde. Der Admiral Jonquières habe alle Maßregeln getroffen, um die Neutralität Frankreichs siherzustellen.

Afrika.

Aus Tanger erfährt „W. T. B.“, daß Graf Tatten- bah auf seiner Reise nah Fez von dem Obersten von Schenck, dem Major Freiherrn von Senden und dem Haupt- mann von Kleist begleitet sein werde.

Nr. 16 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 19. April 1905 hat folgenden Inhalt : Volkskrankheiten. Zeitweilige

Maßregeln gegen Pest. Desgl. geg-n Cholera. Geseygebung usw. (Deutsches Reich.) Arzneitaxe Preußen.) Säuglingösterblichkeit. Eisenbahnbedienstete. Fleishbeschau. (Reg.-Bez. Marien- werder.) Schlachtvieh- und Fleishbeschau. (Berlin.) Eingeführtes leish. (Reg.-Bez. Posen.) Fleishbeschauer. (Reg.-Bez. ildesheim.) Schlachtvieh- und Fleishbeschau. (Neg.-Bez. Stade.) esgl. (Württemberg) Apotheken. Schußpockenimpfung. cck.) Todesursachen- 2c. Statistik. (Bremen.) Trichinen- schauer, (Hamburg ) Tierärzte. (Frankreih.) Arbeitershlafräume. (Belgien.) Tuberkulinprobe. (Südamerika.) Sanitätsübereinkunft. Tierseuhen in Rumänien, 4. Vierteljahr 1904. Zeitweilige Maß-

fegeln gegén Tierseuhen. (Preuß. Reg.-Bez. Sigmaringen ; Aegypten.)

Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften, Vereinen, Kon- gressen usw. (Preußen.) Staatshaushaltsetat für 1905. (Fort-

hung.) Abänderung des Berggeseßes. Uebertragbare Krank- eiten. - (Frank'eih.) 2. internationaler Kongreß sür Milchwirt-

h saft. Vermischtes. (China.) Gesundheitéstand in Schanghai,

govember und Dezember 1904. Geschenkliste. Wochentabelle per die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40 000 und mehr Ein- pohnecn, Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. Er- panfungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Desgleichen in gutlhen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Grundwasser- Ee und Bodenwärme in Berlin und München, März. Beilage : d tlihe Entscheidungen, betreffend den Verkehr mit Nahrungs- teln (Pferde 2c, Hunde, Hausgeflügel, Wild).

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Statistik und Volkswirtschaft.

Jur Geshichte der Statistik in Brandenburg-Preußen.

L, Das Königlich preußishe Statistishe Bureau kann demnächst auf

| éin hundertjähriges Bestehen zurückblicken; denn am 28. Mai 1805

Geecicidnete Friedrich Wilhelm 111. die Kabinettsorder an das du staidireltor um und den Staatsminister Grafen von Hoym, die

Histisches Bureau für den ganzen Bereich der Monarchie ins Leben Nationa re0t dur ein Buch von Leopold Krug über den preußischen seiner J eiBtum und durch den Staatsminister Freiherrn vom Stein in abrik uffassung bestärkt, befahl der König: „bei dem Commercial- lebende und Accise-Departement, wo es am zweckmäßigsten und ohne ann L Kosten nur mit einem geringen temporären Zuschuß gelan mentg n Bureau zu errihten, worin alle bei den vershiedenen Departe- minister Behörden des Generaldirektorii und des \hlesishen Finanz- Labelle A emgleihen bei den Spezialdepartements geführte Ad wai sollen * Q vereiniget und zu einem Ganzen bearbeitet weiden “Lange vor Friedrich Wilhelm 111. hat man in Preußen

Statistik getrieben. Es ist das Verdienst ‘eines kürzli er- [hienenen, gehaltvollen Buches ‘von Otto Behre, die Be- E der älteren Zeit eingehend nachgewiesen zu haben. *) Im ersten Abschnitt beschäftigt sih der Verfasser mit der ältesten eit, ausgehend von den germanishen Stämmen zwishen Elbe und

cihfel, der slavishen Eroberung, der deutshen Wiedereroberung und Kolonisation und dem ersten Bestande des märkishen Staats- wesens bis zum Ausgange des luxemburgishen Hauses. Der zweite Abschnitt umfaßt die Periode vom Eintritt der Hohenzollern in die Mark Brandenburg bis zum 30jährigen Kriege. Der dritte, nah ano und Inhalt bedeutendste Abschnitt behandelt die Zeit vom 30jährigen Kriege bis zum Frieden von Tilsit. Dem Königlichen Statistishen Bureau und seiner Gründung ist der vierte Abschnitt gewidmet, und ein Rückblick und Vorblick {ließt das glänzend aus- gestattete Werk ab.

Für die ältere Zeit fließen die Quellen niht allzu reihli%, man ist da vielfah auf Zusammenstellung einzelner Mitteilungen ange- wiesen. Doch {on für das 14. Jahrhundert finden \ich wertvolle amtlihe Statistiken, wie das Landbuch der Neumark, das Markgraf Ludwig der Aeltere aus dem bayerishen Hause während seiner Regierung der Mark Brandenburg im Jahre 1337 hat auf- nehmen lassen und das den Anhalt zu etner zablenmäßigen Feststellung der Bevölkerung auf märkishem Boden ge- währt nach ihm würde für die Neumark ohne die Städte i. J. 1337 eine Bevölkerung von 60 000 Seelen ergeben, und es würden 250 Köpfe auf die Quadratmeile, 4,5 auf 1 gkm ent- fallen —, und das Landbuch Kaiser Karls 1V. von 1375, das einen vortrefflihen Ueberblick über den Umfang und die Einteilung, die Steuerkraft und die Vershuldung- der Mark Brandenburg gewährt.

Alsbald nach dem Eintritt der Hohenzollern in die Mark Brandenburg traten zwei Momente des Staatslebens s{harf in den Vordergrund: die Militärfrage und die Finanzen. Zwei Matrikeln über die Kriegsstärke des Deutschen Reichs lassen den Anteil Branden- burgs daran erkennen; er betrug noch im 16. Jahrhundert nur 18 v. H. Den Finanzen war eine rasche und erfreulihe Ent- widckelung beshieden. Die unter tätiger Mitwirkung Friedrichs I. angebahnte Reichssteuerreform \{eiterte zwar an der allgemeinen Opposition der Stände; aber die Aufgabe, zu deren Lösung \ih das Reich als unfähig erwiesen hatte, löste der Einzelstaat. Markgraf Albreht Achilles war der erste Landesherr, der, den Grund zu einer modernen Finanzstatistik legend, eine Art von Voranschlägen und Wirt- schaftsübersichten anfertigen ließ sowie eine auf direkt für den Landesherrn erhobenen Abgaben beruhende geordnete Finanzverfassung besaß. Seinem Finanzminister ist ein Grundkataster der Mittelmark zu verdanken, das durch sein Alter nihts an Wert eingebüßt hat. Die Verwendung statistisher Nachweisungen zur Begründung von Steuervorlagen tritt zum ersien Male während der E Ioachims Il. hervor. Der Kurfürstlihe Nat Thomas Matthias bediente sich ihrer auf dem wichtigen Landtage von 1563, um die Notwendigkeit einer anderweiten Steuerverteilung zwischen Stadt und Land und einer stärkeren Heranziehung des beweglihen Vermögens, des Luxus und Verkehrs zu den Steuern zu erweisen. Eine Shäßzung des Wertes des Immobiliar- und Mobiliarvermögens, abgesehen von dem der Ritter- haft und der Kirche, ergab 94 Millionen Gulden, von denen 5 Millionen auf die Städte entfielen. Von nun an bedingten das Finanzinteresse und andere wirtshaftlihe Probleme immer regel- mäßiger wiederkehrende Aufnahmen, die auch der 30 jährige Krieg nur vorübergehend zu unterbrehen vermochte.

Auf die Entwickelung der Statistik in Brandenburg war der zu Münster ges{hlossene Religionsfrieden von weit- gehendem Einflusse. Mit dem Uebergange der Vorherrschaft im nördlihen und protestantishen Deutschland von Sachsen auf Brandenburg strömten viele Talente deutsher Kunst und Wissen- haft dem brandenburgishen Staate zu, darunter Männer, die als Bahnbrecher der Statistik zu bezeichnen sind. Neben Kurt Bertram von Phul, der als erster seinem Landesherrn den Plan einer aus- führlihen Verwaltungsstatistik vorlegte, ragt Veit Ludwig von Secken- do1ffff hervor, der erste Kanzler der Universität Halle. In einem seiner Zeit weit verbreiteten Buche unternahm er (1670) zum ersten Male in Deutshland den Versuh, die „Beschreibung eines Landes und Fürstentums insgemein und nah seiner sihtbaren und äußerlihen Beschaffenheit" zu geben und den Wert statistischer Tabellen für die Staatsverwaltung zu beweisen. Seckendorff vertrat das System einer staatlichen fege der Volksvermehrung; da er auch in seinen Ansichten über den Nußen der Akziseeinrichtung, wie er sie in den hochentwidckelten Niederlanden studiert hatte, mit dem Kurfürsten Sriedrich Wilhelm übereinstimmte, werden vermutlich seine Lehren auf die sih entwickelnde, mit den Steuereinrihtungen eng verbundene Beyslkerungéstatistik Q ehabt haben. Bestimmt wissen wir dies von dem großen Philo bbn Leibniz, der aus etnem Feinde zu einem Bewunderer des aufstrebenden brandenburgisen Staats und ständiger Gast am Berliner Hofe geworden war. Er wußte die Be- deutung der Statistik für die Staatsökonomie so klar zu er- weisen, daß es nur êtnes Fürsten bedurfte, der bereit war, Leibnizens Theorien in die Praxis zu überführen. _ Ueberzeugt, daß die Volkswirtschaftslehre die wichtigste unter den Grundwisen;

chaften sei, bezeihnete er als volk8swirtshaftlißhe Grundwifsen- schaft die Statistik, da sie dem Fürsten in kurzer Zeit einen Ueberblick über alle Staatskräfte zu geben imstande sei. Tatsächlich sind die von Leibniz ausgedahten „Finanzbüchlein“ mit ihren Rechnungs- abshlüssen der Staats- und Provinztalkassen, ihren Zahlen über Stand, Bewegung und Beruf der Bevölkerung, ihren Angaben über den Viehstand u. a. m. sämtlichen preußischen Königen bis auf Friedrich Wilhelm 111. ein Ratgeber bei ihren Besichtigungsreisen im Lande gewesen. Eine besondere Sorgfalt widmete Leibniz in setner Schrift „Anti-Jakobit“ der Landwirtschaft, die von ihm als Basis der Nation bezeihnet wird, ähnlih wie Wurzel und Stamm die Basis des Baumes seien. Der Getreidebau war in Ostpreußen und Pommern der weitaus wichtigste Produktionszweig, und auch den übrigen Provinzen bot der Getreidehandel fast das einzige Mittel, Geld ins Land zu ziehen. Gleihwohl bekämpfte Leibniz die von dem englishen Nationalökonomen William Petty vertretene Ansicht, daß aller materielle Neihtum seine Entstehung allein dem Grund und Boden verdanke, als einseitig und vertrat den Standpunkt, daß Aer- bau, Gewerbe und Handel gleihwertig seien. Aus alledem erklärt fi, daß zwei anscheinend so verschiedene Naturen, wie der große Philosoph und der „größte innere König“, auf volkswirtshaftlihem und besonders statistishem Gebiete geistesverwandt waren. Mit dem JInstinkte des praktischen Genies ergriff der König das, was Thomasius, Leibniz, was die ersten Juristen und Kameralisten der Zeit lehrten, um es weiter auszubilden und praktisch durchzuführen. In alle Einzelheiten der Verwaltung, in alle Preis- und Wirtschaftsverhältnisse eingeweiht, eßte Friedrih Wilhelm 1. nicht nur jene Umwälzung der inneren erwaltung, als deren carafkteristishes Merkmal eine |\trenge Zentra- lisation und eine gutgegliederte Verwaltungsstatistik hervortritt, sondern au eine von neuen Gesichtspunkten beherrshte, systematisch Ee Ns durch. - i Zur Verwirklichung dieses Programms war in erster Linie eine starke Staatsgewalt auf der Grundlage einer tüchtigen Armee und einer geordneten inneren Verwaltung erforderlih; beides aber war niht ohne eine blühende Haushaltung und viel Geld zu erzielen, und dies seßte wiederum eine Entwickelung und Steigerung der inneren Produktivkräfte, der menschlihen Arbeit und des Binnenverkehrs, voraus. Durch Ueberführung aller Truppen, auch der Kavallerie, nah den Städten, bei gleichzeitiger Verwandlung der bisherigen Naturalverpflegung in eîne Geldzahlung, suhte der König die städtishen Steuerkassen zu füllen, und durch eine gesunde Ge- treidepolitik, durch Hochhaltung der „protia rerum“ sorgte er dafür, daß die Domänenpächter und Bauern zahlungsfähig blieben.

*) Geschichte der Statistik in Brandenburg-Preußen bis zur Gründung des Königlichen Statistishen Bureaus. Bon Otto Behre. XVT1 und 468 Seiten. Berlin, Karl Heymanns Verlag. Preis 20 M :

„Wenn daneben A Pitren, hauptsächlich für U und Wollen- waren überall mit Erfolg eingerihtet werden“, {rieb er an den Thronfolger, „alsdann werdet Jhr sehen, wie Eure Revenüen zu- nehmen werden und Eure Lande in florissante Stande kommen. Früher shickten wir das Geld außer Landes und ißo kommt aus anderen Ländern Geld im Lande. Ergo Manufakturen ein recht Bergwerk geheißen werden kann und ein rechter norvus rerum No ist. Ein Land sonder Manufakturen is ein mens{licher

örper sonder Leben, ergo ein totes Land, das beständig power und elendig ist und nicht zum Flor (duen Tage nicht gelangen kann.“ Auch der Vermehrung der Untertanen seines Staates und damit der Bevölkerungs- statistik widmete der König besondere Sorgfalt. Entgegen der An- siht des großen Halleshen Juristen J. P. Ludewig (1670—1743), der durchaus nicht für Bevölkerungsdichtigkeit chwärmte und es als eine „mächtige Beshwerung" bezeichnete, wenn ein Land mit über- flüssigen Menschen angefüllt sei, bekannte sich der König zu der volks= wirtschaftlihen Ansicht Christian Wolfs, die Ee der Volks vermehrung darin zu suchen, daß jeder Mann frühzeitig in den Stand komme, Weib und Kinder zu ernähren, und durch Einrichtung guter Anstalten im Lande Fremde anzulocken. Darum verlangte der König an der Hand einer Prozeßstatistik, daß jedermann sein Recht gleich- mäßig und so {nell wie möglich erlange; darum räumte er alles aus dem Wege, was die Menschen am Heiraten hindern könnte, ordnete durch Gesez an, daß die Landleute mit 25 Jahren heiraten sollten, und zog dur Zusicherung der Freiheit von Steuern, Krieg8diensten und Einguartierung, der Abzugsfreiheit oder der un- entgeltlihen Aufnahme in Bürger- und Zunftrehte Fremde ins Land. Auch entsprach es der Stellung des Königs als Hauptes der preußischen Protestanten, daß er alle um ihres. Glaubens willen Bedrängten zur Uebersiedelung in seine Staaten einlud. Ueber den Erfolg aller dieser ebenso weisen wie hochherzigen Maßnahmen liegen seit dem Fahre 1723 s\tatistis@e Angaben vor.

In dem Maße, wie die Ansicht immer allgemeinere Geltung erlangte, „daß Volkémenge das erste und unentbehrlihste Datum von jedes Landes Statistik sei und daß der Fürst über seine Bürger, als über scin teuerstes Kapital, Jahr aus Jahr ein Buh und Rechnung führen müsse“, wuchs die Zahl der Tabellen und die Genauigkeit, mit der sie angefertigt wurden. Wenn troß der Fülle der über städtische und [ländliche Verhältnisse erhobenen Nachrichten so wenige Nach- weisungen erhalten sind, so ist dies nur aus dem Umstande zu erklären, daß handschriftlihes Aktenmaterial aus jener Zeit massenhaft vern:chtet worden i, einer allgemeinen Ver- breitung s\tatistisWer Nachrichten durch den Druck aber die damals beobachtete Scheu vor der Oeffentlichkeit entgegenstand. Bezeichnend hierfür ist die Tatsache, daß 1713 und 1714 auf Grund eines König- lichen Verbots in Berlin keine Zeitungen gedruckt worden sind. Bei derartigen Anschauungen moŸhte eine zu des Königs Ohren kommende Beschwerde über unzulässiges Eindringen in e O genügen, um die seit Jahren geübte Veröffentlihung der Na weisung der in der Kurmark getrauten, geborenen und gestorbenen Personen in den Intelligenzblättern zu untersagen und damit zugleich die Aufstellung dieser wichtigen Tabellen von 1732 bis 1747 zu unterbrehen. Bis zum Jahre 1775, in dem Sw&lözer begann, staatliche Tatsachen in einer in vielen Tausenden von Exemplaren ge- [esenen Zei1schrift zu veröffentlichen, lag ein allgemeiner Geist der Vershwiegenheit über allen öfentlihen Angelegenheiten Preußens, der ein Bekanntwerden der dur die Statistik ermittelten Fortschritte auf dem Gebiete des Staats- und Volkslebens verhinderte. So vollzog sich das wirtschaftlihe Gedeihen des aufstrebenden Staates gleihsam hinter einem Schleier und offenbarte \sich nur dem Kundigen. Während Friedrich Wilhelm 1. die große Aufgabe lôste, ein üppiges Volk sparsam, einen verschuldeten Staat reich zu maten und jenes Heer zu schaffen, dessen beide Grundpfeiler ein nie {wankender, auf ritterliher Ehre berubender Charafkier des Offiziers und ein unershütterliher Gehorsam des ge- meinen Mannes waren, kannte Europa nur des Königs Vorliebe für große Soldaten, hielt ihn für geizig, weil er Geld in den Schaß LRE und blickte mit Geringshäßung auf das preußische Land und

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(Ein ¿weiter Artikel wird der Geschichte der Statistik in Preußen vom Beginne der Regierung Friedrihs des Großen an gewidmet sein.)

Zur Arbeiterbewegung.

Die Brauereiaus\perrung in Cöln (vergl. Nr. 89 d. Bl.) droht nah der „Frkf. Ztg." einen großen Umfang anzunehmen. Während einerseits die christlihen Organisationen erklärten, sich dem Boykott niht anzuschließen, fordert das Duisburger Gewer k|schaftskartell die Fünferkommission auf, alsbald eine Beschlußfassung herbeizuführen, ob nicht die Aussperrung der organisierten Arbeiter, die Kündigung resp. die sofortige Arbeits- niederlegung aller von der Aussperrung noch nicht betroffenen Brauereiarbeiter herbeizuführen sei. Die Verhandlungen mit dem Boykottverband der rheinish - westfälishen Brauereien beginnen sofort. Es sollen keinerlei Konzessionen gemaht werden. Der Ausstand der Maler und Anstreicher sowie der Schneider- gehilfen in Cöln (vgl. Nr. 70 u. 80 d. Bl.) s{heint demselben Blatte zufolge mit einem Siege der Ausständigen zu enden. Bei den Anstreihern haben 102 Unternehmer den 520 Gehilfen die Forderungen bewilligt. 390 Gehilfen sind abgereist, nur 160 befinden sih noch im Ausstande. Bei den streikenden Schneidern be- willigten 70 Geschäfte und Meister mit etwa 500 Gehilfen die Forderungen. 200 sind abgereist, im Ausstand befinden si noch etwa 250 Gehilfen. ( :

In Düsseldorf sind, wie die „Rh.-Westf. Ztg.“ mitteilt, gestern morgen die Brauereiarbeiter in sämtlihen dortigen Großbrauereten in den Ausftand getreten. i

Zur Lohnbewegung der Schneider in Aachen erfährt das- selbe Blatt, daß dort am Dienstag eine gemeinsame Sißung der Lohnkommission der Arbeitgeber und Arbeitnehmer fstatt- gefunden hat. Der von den Gehilfen geforderte Tarif wurde von den anwesenden Arbeitgebern gutgeheißen und ist {hon von einer Anzahl Arbeitgebern unterzeihnet worden. Die Gehilfen fordern in der Hauptsache einen Wochenlohn von 27 #4 bei zehnstündiger Arbeitszeit, für junge Gehilfen ein Jahr nah beendeter Lehrzeit 15 4; für Stüdarbeit 50 § Stundenlohn. :

In Hamburg sind, der „Frkf. 3g zufolge, gegenwärtig etwa 10000 Arbeiter in einer ohnbewegung : begriffen. Es handelt \sich vorläufig um die Transportarbeiter ver- schiedener Art, wie Schauerleute, Kutscher usw. (vgl. Nr. 91 d. Bl.), ferner Tischler und Holzarbeiter, Bädckergesellen, Gießerei- arbeiter, Landshaftsgärtner und Marmorarbeiter. Im Streik befinden fsich bisher nur. die Landschaftsgärtner. Jn den anderen Arbeitszweigen dauern die Unterhandlungen fort. N

In Dresden haben nah der „Köln. Ztg.“ die Bäcker- gesellen in einer am Dienstag abgehaltenen Versammlung den Beschluß gefaßt, sofort in den Ausstand zu treten. Eine am Montag vor dem Gewerbegeriht in der Lohnfrage versuchte Einigung war nit zustande gekommen.

Die Unruhen, die gelegentlich des Ausstandes der Porzellan- arbeiter in Limoges Rattfanden, haben sih bisher niht wieder- holt. Bei dem Begräbnis des am Montag getöteten Arbeiters folgten, wie ,W. T. B.“ meldet, etwa 15000 Personen dem Leichenwagen. Der Bürgermeister, die Munizipalräte und mehrere Deputierte gingen mit der Familie des Toten im Trauerzuge (vgl. Nr. 94 d. Bl.).

Zum Ausstand der Eisenbahnangestellten in Jtalien (vgl. Nr. 94 d. Bl.) erfährt ,W. T. B.“, daß Nahrihten aus ver- schiedenen Provinzen übereinstimmend berihten, daß die Verkehrsver- hältnisse sich allenthalben bessern, auf einzelnen Strecken fogar schon völlig normal sind. Die Blätter stellen fest, daß der Autstand vollständig mißglückt ist, und heben hervor,* daß dies die Folge der entshlossenen

Haltung der Regierung, der Besonnenheit der Kammer und der all- emeinen Mißbilligung des Ausstandes durch die Bevölkerung fei Die Eisenbahngesellshaften Haben auf allen Bahnhöfen