1884 / 223 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Sep 1884 18:00:01 GMT) scan diff

ers{oll tausendstimmiger Jubel. An dem Festbanket in der Turnhalle nahmen 300 Gäste, darunter auch die Minister Graf Taaffe, Graf Falkenhayn und Baron Pino theil.

21. September. (W. T. B.) Unter den Hochrufen einer dihten Volksmenge fuhr heute früh der Kaiser auf dem Dampfer „Habsburg“ zum Besuch des Großherzogs und der Großherzogin von Baden nah der Jnsel Mainau. Die Fahrt war vom schönsten Wetter begünstigt; die Ankunft in Mainau erfolgte um 11 Uhr. Das Großherzogliche Paar erwartete den Kaiser am Landungsplaßze, begrüßte denselben auf das Herzlihste und geleitete ihn nah dem Schloß, von dessen Zinnen die Kaiserstandarte wehte. Wenige Minuten später trafen auf der „Germania“ auch der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Baden ein, die \ih ebenfalls sofort nach dem Schlosse begaben. Jm Schlosse Mainau wurde hierauf das Dejeuner eingenommen. Nach zweistündigem Aufenthalte begab sich det Kaiser, von sämmt- lichen Mitgliedern der Großherzoglihen Familie begleitet, nach dem Landungsplaße, und fuhr nach herzlichster Verab- s{hiedung unter den Klängen der österreihishen Volkshymne,

‘auf dem „Habsburg“ nach Friedrihshafen weiter. Auf dem

Molo von Friedrihshafen wurde er von dein gesammten würt- tembergishen Hofstaat empfangen und von der versammelten Volksmenge mit lebhasten Hochrufen begrüßt. Der König und die Königin von Württemberg bewillflommneten den Kaiser vor dem Schlosse auf das Herzlichste und begleiteten denselben in das Schloß. Ein halbe Stunde später wurde ein Cercle abgehalten, nah dessen Beendigung der Kaiser zum Landungsplate zurückehrte, wo sih der König von ihm ver- abschiedete, während die Königin ihm bis in die Nähe des Landungsplaßes das Geleite gab. Die Verabschiedung war eine außerordentlih herzlihe. Auf der Fahrt nah Lindau wurden dem Kaiser beim Pasfsiren des Schlosses Montfort, auf welchem die österreichische Flagge aufgehißt war, von der dort residirenden Prinzessin Luise von Preußen freundliche Grüße durch Wehen mit dem Taschentuche zugewinkt. Jn Lindau stattete der Kaiser der Prinzessin Ludwig von Bayern in ihrer Villa am See einen Besuh ab. Bei der Wiederein- schiffung wurde der Monarch von der in großer Anzahl ver- jammelten Bevölkerung mit lebhasten Zurufen begrüßt. Nach seinem Wiedereintreffen in Bregenz, welhes um 5 Uhr er- folgte, begab er sich unter \ympathishen Kundgebungen der Bevölkerung nah dem Hoflager. Die Häuser der Stadt waren auch heute wieder festlich ges{chmückt und die Straßen mit Fremden überfüllt. Abends wurde durch An- schlag an den Straßenecken ein Kaiserliches Schreiben ver- öffentlicht, in welhem der Kaiser den Statthalter beauftragt, der getreuen Bevölkerung von Tirol und Vorarlberg, in deren Mitte er stets gern weile, seinen wärmsten Dank für die erneuerten Kundgebungen der Liebe und angestammten Treue anläßlih des bedeutungsvollen Ereignisses der Eröffnung der Arlbergbahn auszudrücken, und die Versiherung seiner Kaiser- lihen Huld und unablässigen landesväterlihen Fürsorge be- kanntzugeben.

Abends 6 Uhr fand große Hosftafel statt, zu welcher 62 Einladungen ergangen waren, und an welther außer dem Minister-:Präfidenten, den Geheimen Räthen, den zu der Fest- feier geladenen Gästen und den Spigen der Behörden au der aus der Schweiz hier eingetroffene Herzog von Parma theilnahm. Nah dem Diner fand Cercle statt. Abends 81/2 trat der Kaiser unter stürmishen Hochrufen der Bevölke- rung auf der Arlbergbahn die Rückreise an.

Belgien. Brüssel, 22. September, früh. (W. T. B.) Der „Moniteur“ veröffentliht das vom König genehmigte, mit der Géegenzeihnung der Ministern des Jnnern und der Justiz versehene Shul gese. Dem Geseße ist das Reglement über die Ausführung desselben alsbald beigegeben. Ein an den Straßenecken angeshlagenen Erlaß des Bürger- meisters sagt, es sei die Pflicht eines jeden guten Bürgers, dem Schulgeseßze Folge zu leisten. Kund- gebungen in den Straßen würden den öffentlichen Frieden gefährden, und seien deshalb bis auf Weiteres untersagt. Die bevorstehenden Kommunalwahlen böten legale Waffen zur Bekämpfung des Geseßes, das den Unterricht gefährde. Die Bürger werden \{ließlich aufgefordert, die Ordnung aufrecht zu erhalten, alle größeren Menschenansammlungen, durch O die Ruhe gestört werden könnte, würden zerstreut werden.

Lüttich, 20, September. (W. T. B.) Das Journal „Meuse“ behauptet, die Chefs der Bürgergarde in den größeren Städten hätten eine Zusammenkunft gehabt und be- \hlossen, an dem Tage, wo die Publikation des Schulgeseßes im „Moniteur“ erfolge, die gesammte Bürgergarde zur Auf- rechterhaltung der Ruhe aufzubieten, dieselbe aber sofort zu- rückzuziehen, falls Militär requirirt werden sollte.

Großbritannien und Jrland. London, 19. Sep- tember. (Allg. Corr.) Die Rundreise des P remier- Ministers in Schottland nähert sih ihrem Ende. Gestern wurden demselben in Fettercairn mehrere Adressen über- reiht, was ihm Gelegenheit zu einer kurzen Ansprache an die verschiedenen Deputationen gab. Inzwischen is Sir Stafford Northcote auh nicht müßig, Propa- ganda für die konservative Partei zu machen. So empfing er gestern in Edinburg zwei weibliche Deputationen, denen er versprach, bei seiner Ansicht zu Gunsten des Frauen- Wahlrechts zu beharren, wenn der Gegenstand im Parlamente wiederum zur Sprache gebracht werde. Abends hielt er eine längere Ansprache in der Kornbörse zu Dalkeith. Er urgirte die Wichtigkeit, in Bezug auf die Abänderung der Konstitution des Landes nichts übereilt zu thun, und argumentirte daher, daß eine sorgfältige Erörterung der vollständigen Reformmaßregel unbedingt nöthig sei, ehe die Wahlreformvorlage angenommen werden könne. Zur auswärtigen Politik übergehend, bestriti Sir Stafford em- phatish die Aeußerung Gladstone's, daß die Politik der Re- gierung unter Lord Beaconsfield absichtlih den Krieg provozirt und für den Frieden Europas die größte Geringshäßung ge- zeigt habe. Dagegen griff er heftig die Politik des jeßigen Kabinets im Transvaal und in Egypten an.

Frankreich. Paris, 19. September. (Köln. Ztg.) Der Budgetausschuß der Deputirtenkammer beginnt feine Arbeiten bereits am 1. Oktober. Rouvier, der Präsident, hatte vor Einberufung des Ausschusses bei Ferry angefragt und die Antwort erhalten, die Einberufung des Parlaments bleibe zwischen dem 10. und 15. Oktober vorgesehen. Jm nächsten, am ‘Dienstag stattsindenden Ministerrath wird nicht allein der Tag, an welhem die Kammern zu- sammentreten, festgeseßt, sondern auch die Truppen- zahl bestimmt werden, welche man einerseits nah China und

andererseits nach Tongking sendet, wo General Brière de Is die Operationen gegen die Chinesen wieder aufnehmen soll, um ihnen die noch im Besiße derselben befindlichen festen Pläße von Tongkin ognehmen. Der Kriegs-Minister Campenon soll ents{chlo}fsen sein, keine weiteren einzelnen Truppenabtheilungen herzugeben, falls man fich nit ent- Lay ein Armee-Corps (wahrscheinlih das 15.) mobil zu machen.

20. September. (W. T. B.) Dem Journal „Paris“ zufolge hätte Admiral Courbet bei dem Marine-Minister Peyron angefragt, wie er sich den Neutralen gegenüber zu verhalten habe. Die hiesigen katholishen Missionen erhielten eine Depesche aus Hongkong, vom 13. d. M., worin es heißt, die Chinesen hätten die katholischen Kapellen in L Bie Canton zerstört, und gegen 6000 Christen seien ohne ah.

21. September. (W. T. B.) Jn dem Departe- ment“ der Ostpyrenäen kamen vorgestern und gestern je 4 Cholera: Todesfälle vor.

Spanien. Madrid, 21. September. (W. T. B) Jn den von der Cholera infizirten Ortschaften starben gestern im Ganzen 9 Personen.

Jtalien. Rom, 20. September. (W. T. B.) Dem Choleraberiht vom19, d. M. zufolge kamen vor : Jn Alexan- dria 2 Erkrankungen! und 2 Todesfälle, in Aquila 20 Erkranfkun- gen und 1 Todesfall, in Avellino 1 Erkrankungsfall, in Ber- gamo 13 Erkrankungen und 10 Todesfälle, in Bologna 2 Er- krankungen und 1 Todesfall , in Caserta 8 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Chieti 1 Erkrankungsfall und 1 Todesfall, in Cremona 7 Erkrankungen, in Cuneo 10 Erkrankungen und 9 Todesfälle, in Ferrara 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Genua 31 Erkrankungen und 16 Todesfälle, davon in Spezzia 20 Erkrankungen und 12 Todesfälle, in Massa 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Modena 1 Erxkrankungsfall und 1 Todes- fall, in Neapel 433 Erkrankungen und 251 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 385 Erkrankungen und 236 Todes- fälle, in Parma 8 Erkrankungen und 6 Todesfälle, und in Pisa 1 Erkrankungsfall. Am 20. d. M. kamen vor: Jn Aquila 7 Erkrankungen, in Avellino 3 Erkrankungen, 3 Todes- fälle, in Bergamo 14 Erkrankungen, „7 Todesfälle, in Bologna 2 Etkrankungen, 1 Todesfall, in Brescia 1 Erkrankung, in Campobasso 1 Erkrankung, in Cremona §3 Erkrankungen, 5 Todesfälle, in Cuneo 15 Erkrankungen, 10 Todes- fälle, in Genua 32 Erkrankungen, 18 Todesfälle, davon in Spezzia 19 Erkrankungen, 12 Todesfälle, in Massa 1 Erkrankung, 1 Todesfall, in Mailand 1 Erkrankung, 1 Todesfall, in Modena 1 Erkrankung, in Neapel 376 Exr- kranftungen, 146 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 303 Erkrankungen, 101 Todesfälle, in Parma 4 Erkrankungen, 3 Todesfälle, in Reggio nell’ Emilia 3 Erkrankugen, 2 Todes- fälle, in Rovigno 6 Erkrankungen, 2 Todesfälle und in Sa- lerno 1 Erkrankung.

Neapel, 20. September. (W. T. B.) Vom 18. d. M. Mitternachts bis zum 19, d. M. Mitternachts sind hier an der Cholera 382 Erkrankungen und 205 Todesfälle vorgekommen.

In den leßten 24 Stunden sind hierselbst 320 Per- sonen an der Cholera erkrankt und 194 gestorben, darunter 95 früher Erkrankte.

Afrika. Egypten. Kairo, 20. September. (W. T. B.) Der Mudir von Dongola hat hierher telegraphirt, nah einer vom General Gordon dort eingetroffenen Botschaft seien der Emir von Abu-Khanga und ein aus Kordofan gekommenes Heer Aufständisher vom General Gordon am 24. Zuli voll- ständig und mit großen Verlusten geshlagen worden. Jn exolge eines am 30. August stattgehabten weiteren Gefechtes sei die Belagerung von Khartum aufgehoben, der Scheik Sidi mit seinem Sohne und seinen Parteigängern seien getödtet. Diese Nachricht des Generals Gordon werde dur ein Schreiben von Khatem Bey bestätigt, der Halfayah mit egyptischen Truppen beseßt halte. Die Häuptlinge des Scheikiye-Stammes hätten ihre Unterwerfung angeboten und auf den Koran ge- shworen, dem falschen Propheten niht mehr folgen zu wollen. Gegen die Suspendirung der Amortisirung der öffentlichen Schuld durch die Verfügung Nubar Paschas sollen, wie es heißt, Proteste auswärtiger Vertreter erhoben werden. Der französische Vertreter habe bereits heute Morgen Verwahrungen

geëtend gemacht.

21. September. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reutershen Bureaus“ meldet: Seitens der Staats- schuldenkasse ist gestern ein Protest wegen der Suspen-

dirung des Tilgungsfonds erhoben worden.

Zeitungsfstimmen.

Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ wird aus Westpreußen geschrieben :

„Gs hat seinen guten Grund, . wenn die von freisinniger Seite angestellten Versuche, in unserer Provinz neue politische Eroberungen zu machen, ausfihtsloser denn je sind. Seit die wirthschaftlichen Interessen allenthalben in den Vordergrund getreten sind, wollen die wohlklingenden politischen Phrasen, mit welchen die Rickert und Ge- nossen um sib werfen, niht mehr zichen, und fragt die Mehrzahl der Wähler zunächst nach den Dingen, die ihnen direkt auf den Nägeln brennen, Was würden Landwirthschaft und Industrie von einem fort- \rittliben Wahlsiege zu erwarten haben und wie verhält das frei- finnige Programm fich zu den thatsählihen Bedürfnissen desjenigen Theils der Bevölkerung, der von Industrie und Landwirthschaft lebt ?

Verglichen mit der Lage, in welher unsere Industrie ih vor einigen Jahren befand, ist eine unzweifelhafte Besserung derselben zu verzeihnen. In Elbing, in den Kreisen von Pr. Stargard, Neu- stadt u. #. w. haben die Arbeitsgelegenheiten ih in erfreulicher Weise gemehrt, einzelne Unternehmungen glänzende, andere zum Mindesten erträglihe Resultate geliefert. Dazs erscheint um so be- merkenswerther, als der Gang des für die Verhältnisse der gesammten Provinz maßgebenden Danziger Handels nihts weniger als günstig ist, der allenthalben beobahtete Rückgang der Frachten ih auch bei uns fühlbar mat und gleichzeitig ein empfindliches Sinken der Zuckerpreise eingetreten ist. Jedermann weiß indessen, daß das Vorgänge sind, die mit der Zollgeseßgebung nichts zu thun’ haben, und daß diese leßtere auf die industrielle Thâtigkeit entschieden günstig eingewirkt hat. Der Gewerbsmann hat die Empfindung, bei gehöriger Anspannung seiner Kräfke vorwärts kom- men zu können, der städtische Arbeiter darf auf ausreichende Be- schäftigung rehnen. Wenn diesen Leuten vorgeredet wird, die Politik der Regierung habe ihre Interessen geschädigt, so mat das keinen Eindruck, weil sie erfahrungsmäßig wissen, daß ihre Erwerbsverhält- nisse ih gerade im Laufe der letzten Jahre gebessert haben, ohne daß von der vielbesprochenen „Vertheuerung der Lebensbedürfnisse“ etwas zu verspüren gewesen wäre.

Ganz anders liegen die Verhältnisse -der Landroirthschaft. Trotz der günstigen Ernteaussichten, deren auch wir uns erfreuen, \teckt die

Mehrzahl der Landwirthe in augerordentlich s{wierigen Verhältniffen und höôrt man immer wieder von gerichtlien Zwangsverfteigerungen und Bankerotten. Mir sind Fälle bekannt, in denen erst vor wenigen Jahren grtanite Güter troß erheblicher Preisherabsetungen unverkäuflig blieben bzw. von den Gläubigern übernommen werden mußten, weil sih keine Kaufliebhaber fanden. Die Landwirthschaft hört auf, ein

nur einigermaßen sicheres Geschäft zu sein, und Leute, die \ih der

Luxus eines nur 2 bis 24% abwerfenden Grundbesißes erlauben können, kommen nur in einzelnen Gegenden vor. Die Höhe der

Steuern und die Niedrigkeit der von Der ausländis@en Konkurren; |

herabgedrückten Preise entmuthigen den Landmann, der die auf seinen

Besiß lastenden Hypotheken mit 4/6 verzinsen muß, während er selbs E

kaum 29/6 heraus wirth\chaftet.

Welchen Eindruck muß es da machen, wenn das Programm der Ÿ

Freisinnigen nicht nur keine Berücksichtigung der von der Landwirth:

schaft empfundenen Nöthe verspricht, sondern im Magen teil qu ua F arleten f zu Gunsten der ländlichen Interessen gehegten Absichten fortschritt, f

stehen giebt, daß den von der Regierung und den übrigen licherseits werde entgegen getreten werden. Nah den Wohlthaten

welche der Nation von den freisinnigen Volksfreunden versprocen E werden, verlangt Niemand, diejenigen Dinge aber, welche der naq

Millionen zählenden ländlichen Bevölkerung zumeist am Herzen liegen finden bei dieser Partei kein Verständniß und keine Berücksichtigung

Die Herren werden es si selbst zuzuschreibeu haben, wenn wi :

fie auh uvrsererseits unberücksihtigt lassen !“

Die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung“ :

meldet: Der Jahresbericht der Handelskammer zu Flensburg konstatirt

daß troß ungünstiger Geschäftslage einiger Branhen der überwiegende S Das Gesammtergebniß | lautet dahin, daß die Industrie fich kräftig entwickelt habe und aug auf dem ausländischen Markt mit Erfolg in Konkurrenz trete, der E Export sih hebe. Jn einer Erweiterung des Eisenbahnnetes nah F dem Westen erblickt der Bericht das geeignete Mittel zur Hebung der als nit völlig befriedigend bezeihneten Geschästszweige unv zur L

Theil der Industrie gut prosperirt habe.

Befestigung bezw. Ausdehnung gesunder Handelsbeziehungen zu dem Hinterlande.

Die „Elsaß-Lothringische Zeitung“ theilt aus dem Jahresbericht der Handelskammer zu Straßburg i. E, (August 1883/84) Folgendes mit:

. Nach einer kurzen Bemerkung über den Gesetzentwurf,

betreffend die Börsen-(Geschäfts-)Steuer folgt eine Uebersicht über die Lage der bedeutendsten Industrien des Unterelsaß. Was die Baumwollenindustrie anlangt, so konnten die Spinnereien Dank den Scußzöllen und den bisher beständigen niedrigen Baumwollenpreisen, mit bescheidenem, jedoch ziemlich regelmäßigem Gewinn fortarbeiten; ebenso die Färberei; auch bezüglich der Kat- tune is eine kleine Besserung eingetreten, dagegen

Geschäftsgang der Webereien noch immer ein Die Wollenindustrie befindet sich in guten Verhältnissen.

beitragen kann, indem der Versandt der Stoffe behufs Färbung und Appretirung nach Gera in Sacsen überflüssig wird; diese Zuberei- tungen können von nun ab im Lande selbft geshehen. Bezüalich der Wollsockenfabrikation von Barr und Wasselnheim bemerkt der Bericht ; „ZUm ersten Male seit langen Jahren kann bezüglich der Lage dieser sonst so blühenden Industrie etwas Besserung gemeldet werden, nac-

dem zur Bekämpfung der drückenden Konkurrenz in den Vorjahren /

sih alle Fabrikanten zu einem Syndikat vereinigt haben.“

In der Eisenindustrie is der Geschäftsgang ein etwas flauer, Troßdem sind jedoch die Arbeiter noch fortwährend bei glei: gebliebenem Verdienst beschäftigt und die Beziehungen derselben zu den Arbeitgebern find au®gezeihnet. Während sh die Papier- fabrikation in guter Lage befindet, läßt die Situation der Stearin- fabrikation, der chemischen Produkte, der Pfeifen- und Stärkefabri- kation sowie der Lederindustrie und Gerberei viel zu wünschen übrig. In der Lage der Straßburger Bierbrauerei is eine Besse- rung eingetreten; die das Straßburger Syndikat bildenden Brauer haben 1883/84 gebraut: 529 149 bl (gegen 515 326 im Vorjahr, also + 183323), sie haben in Elsaß - Lothringen untergebrawt 295 228 hl (gegen 272175 im Vorjabr, also ++23 055), zurüdckge- gangen ist nur der Export von 243 653 bl auf 233 921 (also 9732 kl). Die lehtere Erscheinung is wesentlich auf den Aus- bruch der Cholera im südlihen Frankreih zurückzuführen, wohin unsere Großbrauercien sonst massenhaft exportirten. .

Statiftische Nachrichten. Das „Deutsche Grundeigenthum“ erörtert den Einfluß

der Eisenbahnen auf das Wachsthum der großen Städte, Jn D

dem betreffenden Artikel heißt es: Berlin war damals freilich bereits die Hauptstadt eines mächtigen Königreichs, es konnte jedo wegen der Schwierigkeit, eine große Bevölkerung in Mitten der wenig frudt- baren Mark genügend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, troy aller Bemühungen der preußischen Regenten, welche außerordent- lid große. Summen zur Vergrößerung und Verschönerung ihrer Hauptstadt ausgaben, zu feiner regelmäßigen Fort- entwickelung gelangen. Die Stadt zählte 1740 90000 Einw, 1755 126 700 Einw, 1758 (ohne Militär) 92400 Einw. 1762 98000 Einw. 1763 (mit Militär) 119 000 Einw, und 1786, beim Tode Friedrih des Großen, inkl. 34 000 Mann Militär 147 000 Einw. Im Jahre 1790 veranschlagte mana die Bevölkerung Berlins auf 120000 Civileinwohner und es wurde damals vielfach in kleineren und größeren Schriftwerken die Shwie- rigkeit erörtert, eine so große Stadt mit Nahrungsmitteln zu billigen Preisen zu versorgen, denn der märkishe Bauer, welcher mit einem Wispel Roggen nach Berlin fuhr und zur Hin- und Rüd fahrt auf den tiefen Landwegen einige Tage gebrauchte, ver- zehrte auf der Reise mehr als den halben Marktpreis seines Produkts. Zur Zeit als die Wirkung der Bahnen sich zuerst bemerklih machte, im Jahre 1843, hatte Berlin es auf 330 230 Cinw. gebraht. Dann ging es aber weit rascher, 1861 waren es bereits 547 000 Einw., 1871 826 000 Einw. und 1880 1 122 330 Einw. Während also im vorigen Jahrhundert die Bevölkerung in 50 Jahren, troß der am Ende dieser Periode kolossalen Besaßung, nur um ca. 60000 Einw. zunahm, wuchs sie in diesen 37 Fahren um ca. 800 000 Einw. Breslau stieg in dem lehteren Zeitraume von

103 000 auf 272911 Einw., Hamburg von 1858—1889) von 175 683 S

auf 289 859 Einw., Dresden von 117 750 auf 220 818 Einw. Vergleichen wir die Progression der Bevölkerungszahl der

deutschen Städte mit den englishen, fo finden wir, - daß in England,

wo die ausgedehnte Seeküste und das dichte Kanalnetz {on vor der Periode der Bahnen große Städte geschaffen hatte, die Entwickelung \pâter weit langsamere Fortschritte mahte als in Deutschland. Jn FSrankreich aber war die Vermehrung der Städtebevölkerung nod weit {wächer, wie denn ja dort au die Bevölkerungszunahme im Algemeinen sehr unbedeutend is, Wir lassen hier die betreffende Zu- fsammenstellung folgen : Deutschland.

1880

1 122330 289 859 272912 230 023

Durcch{schnittliche |

1852 Jahreszunahme Prozent 438 961 9,9 175 683 2 121 052 137 095 117 750 74 209 101 091 79 887 67 975 66 545

Berlin Hamburg Breslau . München Dresden . 220 818 Leipzig c E O, 144 772 Königsberg. . 140 909 rant M... 136819 (1858) tettin (mit Vororten) 129 000 (1855)

(1858)

(1858) (1858) (1852)

O H ck ck E J Va Ho O

S p D 05

_ist der [N \chlechter, T In Mül- [s haufen wurde ein Haus für Färberei und Zubereitung wollener Stoff: F gegründet, welches nur zum Aufs{wung der Wollenweberei im Elsaß |

E o ini Das

E E R R ar IE E M n R A E C a D S E “E E E R Ea 10927 22 D L: FOM ai

Großbritannien. 1881

1851 2362 246 375 955 329 097 232 841 388 490 172 270 135 310 258 369 160 302

3814571 552 508 511 532 400 774 517 689 309 119 284 508 249 602 228 190 Frankrei. 1881. 2 269 023 (1860) 347619 (1856) 269 340 (1856)

London . Liverpool Glasgow . . Birmingham . . . Manchester mit Salford Leeds. . E A Sheffield Dublin . Edinburg

-_—-

C D pi DO b bi D l O D

-

dund -_—

1525 535 292 721 A 250 000 „6 Bordeaux . 217990 (1856) 149 928 A Na q o 6 4/4 117555 (1856) 108 530 0,4 S@ließlih wollen wir noch, als charakteristish für den'Einfluß der Bahnen, auf die Bevölkerungszahl der Städte, anführen, daß Christiania, die einzige Stadt in Norwegen, welche der Knotenpunkt eines Bahnsystems ist, 1855 nur 38959 Einwohner, 1882 jedoch 122 036 Einwohner zählte und damit Bergen, früher die größte Stadt des Landes, weit hinter sich zurückgelassen hat, denn Christiania hatte jährlich eine durchs{nittlihe Zunahme von 8 9%,

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Ergänzungen und Erläuterungen des Allge- meinen Landrechts für die preußischen Staaten dur ch Geseßgebung und Wissenschaft. Unter Benutzung der Justiz- Ministerialakten und der Gesegrevisionsarbeiten. Siebente Ausgabe, neu bearbeitet von Dr. Ludwig von Rönne, Appellationsgerichts-Vize- Präsidenten a. D. Berlin 1884, R. von Dekers Verlag, Marquardt & Schenck. Erster Band. 3. Lieferung. Bogen 51—75. 40, ge- heftet 54 Die jüngst zur Ausgabe gelangte dritte Lieferung behan- delt die Schluß-Paragraphen des Titel 7, den Titel 8 und die erste Hälfte des Tikel 9 in bekannter vortrefflider Weise. Hervorheben wollen wir insbesondere die eingehende und dabei doch übersichtliche Kommentirung, welche die neueren Geseße, wie über die Ansiedelung, Fluchtlinien, Fischerei, Jagdpolizei, gefunden haben.

Im Berlage von Franz Vahlen in Berlin erschien soeben „Das Unfallversiherungsgeseß“ für das Deutsche Reich vom 6. Juli 1884, Mit kurzen Erläuterungen, entnommen aus den Grundzügen, der Begründung, dem Berichte der Kommission des Reichstags und den Verhandlungen des letzteren selbst, nebst Aus- führungöbeftimmungen im Anhang. Herausgegeben von E. Grüne- wald, Landgerichts-Rath, und R. Haas, Landrichter in Met. Bei einer geseßgeberishen Schöpfung von der Tragweite in Eigenart des Unfallversicherungsgesetzes tritt, wie die Verfasser in einer Vorrede bemerken, an die Betheiligten, namentlih an die zur Mitwirkung bei dessen Ein- und Durchführung in erster Linie berufenen industriellen Kreise in erhöhtem Maße die Nothwendigkeit heran, ih mit Inhalt und Geist des Gefeßes möglichst rasch und eingehend vertraut zu machen. Die Verfasser hielten es daher für geboten, zunä&st eine Ausgabe dieses Gesetzes erscheinen zu lassen, welche hauptsä{licch die in den Motiven und den Verhandlungen der zur Berathung desselben im Reichêtage niedergesetzten Kommission, sowie in den Verhandlungen des leßteren selbft ausge|procenen leitenden Gesichtépunkte kurz, gedrängt und übersichtlih wiedergiebt. Nur von diesem Gesichtspunkt aus, nicht aber als Kommentar im eigentlichen Sinne des Wortes foll die vorliegende Arbeit beurtheilt werden. Das Inhaltsverzeibniß weist folgende Kapitel auf: I, Allgemeine Bestimmungen. 11. Bil- dung und Veränderung der Berufsgenossenschaften. 111. Mitglied- haft des cinzelnen Betriebs. Betriebs8veränderungen. I1V. Ver- tretung der Arbeiter. V. Schiedsgericht. VI. Feststellung und Aus- zahlung der Entschädigungen. VII. Unfallverhütung. Ueberwachung der Betriebe durch die Genossenschaften. VI1ILI, Das Netichs-Versiche- rung8amt, IX. S{luß- und Strafbestimmungen. Ein Anhang ent- hâlt fodann die Bekanntmachung betr. die Anmeldung der unfall- versicherungspflichtigen Betriebe, ferner ein Formular für das von den unteren Verwaltungsbehörden aufzustellende Verzeichniß der Be- triebe ihres Bezirks, sodann eine Nachweisung der Gruppen, Klassen, Ordnungen der Reichs-Berufs- (Gewerbe-) Statistik. Endlich cine Anweisung zur freiwilligen Bildung von Berufsgenossenshaften. Das sorgfältig gearbeitete Werk zeichnet sich dur Uebersichtlichkeit und Gründlichkeit aus. In leiht faßlichen kurzen Anmerkungen geben die Verfasser Erläuterungen zu den einzelnen Paragraphen, so daß das Verständniß derselben wesentlich erleichtert wird und au dem Laten die Möglichkeit gegeben ist, fich über dies wichtige Gesetz ge- nügend zu informiren. Der Preis des gehefteten Buches beträgt 1,80 M Derselbe Verlag veröffentlicht zuglei eine Tertausgabe des Unfallversicherungsgesetes8, welche mit Ausführungsbestimmungen im Anhang und mit einem Sachregister versehen sind. Der Preis des kartonnirten Ländchens beläuft fich auf 0,60

Henrik Steffens. Ein Lebensbild von Rich. Petersen, Pastor auf Secland. Aus dem Dänischen von Al. Michelsen. Mit Porträt. Gotha, Friedr. Andr. Perthes, 1884. Preis 6 (A Henrik Steffens, der Naturforscher, Philosoph und Belletrist, ver- dient gewiß nit der Vergessenheit anheimzufallen. Es ist daher dankenswerth, daß die von dem dänishen Pastor Richard Petersen verfaßte, von der Kopenhagener Gesellschaft für \{öne Künste preis- gekrönte, anscbaulibe und zuverlässige Biographie den deutschen Lesern dur ch die gewandte Ueberseßzung Michelsens zugänglich gemacht worden is. Steffens' Selbftbiographie (, Was ih erlebte“, Breslau 1840—1845) umfaßt bekanntlich 10 Theile, um fo ange- nehmer berührt die strafe Kürze und das rashe Fort- shreiten in Petersens Da:stelung, die nichts Wesentliches übergeht und doch durch den leihten Fluß der Nede die Lektüre zu einer genußreichen gestaltct. Steffens' Name ist mit dem Erwachen des neuen geistigen Lebens in Deutschland und mit den großen Er- eignifsen, unter denen dieser Umschwung {sich vollzog, unauflöslich verknüpft, Der Verfasser hat darum gut daran gethan, nicht blos Steffens’ persönliche Verhältnisse, sondern auch die Bewegungen jener unvergeßliben Zeit in großen Zügen zu schildern. Steffens eigentliche Bedeutung liegt in feiner mächtigen Persönlichkeit. Seine wissen- schaftlichen und scriftstellerishen Leistungen sind weit hinter dem zurückgeblieben, was ex selb war, Jn diesen Beziehungen hat er mehr anregend und bahnbrechend als aufbauend, mehr divinatorisch als fkonstruktiv gewirkt. Er war eine Natur voll Geist und Feuer, von unverwüstlicher Jugendlichkeit und daher von außergewöhnlthem Einfluß auf die Gemüther der Jugend, die er durch seine sprudelnden Ideen und seine flammende Beredtsamkeit um so mehr in Bewegung zu verseßen verstand, als er selbst in be- ständiger geistiger Bewegung war. Tief und nachhaltig war dieser Einfluß, denn Steffens wurde in all seinem Thun und Wirken von einer hohen religiösen Begeisterung getragen. Mit Interesse begleiten wir ihn na Halle, Breslau und Berlin, sowie auf seinen zahlreichen Reisen und Wanderungen, und verweilen mit besonderer Theilnahme bei seiner encrgishen Mitarbeit an Preußens Erhebung, für welche er bei der akademischen Jugend Breslaus den ersten Anstoß gegeben hat. Mit Recht sagt der Verfasser, daß solch ein Leben in liebreihem Andenken bewahrt werden müfse.

Der 13. Jahrgang des Saarbrücker Bergmanns- kalenders für das Jahr 1885 is soeben in Kommission bei Gebr.

ofer in Saarbrücken ershienen. Außer den Kalendernachriten ent» âlt er genealogiscbe Notizen von den Regentenfamilien ves Deutschen Reiches, ferner 5, dur 6 Bilder aus dem \{chönen Heuhler- hen Werke: „Der Bergmann in feinem Berufs- und Familienleben“ gezierte Bergmanns[kieder und Gedichte, dann zwei spannende Erzählungen aus der Feder Dr. Wilhelm j isbers und eine Auswahl nütlider Hausmittel, deutscher Sprüche, nekdoten, Räthsel u. #\, w. Das vollständige Verzeichniß aller bei dem Saarbrücker fiskalischen Bergbau wirkenden Staats- und Werks- beamten fehlt auh im 13. Jahrgange nicht, ebenso wenig wie die

Paris. Lyon . Marseille

E

statistishen Ergebnisse des Bergbaues im Deutschen Reiche und in Preußen für das Jahr 1883. Das Verzeichniß für die im Jahre 1885 stattfindenden Jahrmärkte in allen Regierungsbezirken der Rhein- provinz, in Elsaß-Lothringen, der bayerischen Pfalz und im Fürsten- thum Birkenfeld und der Lohntage auf den Saarbrücker Gruben bilden den Schluß. Der Preis beträgt bei Bezug von wenigstens 12 Eremplaren für das Stück 25 -, im Einzelnen 30 „g.

Gewerbe und Handel.

Die Jahresberichte der Fabrikinspektoren. XITI.

(N A. Zta.) Es erübrigt noch, aus den Berichten der Aufsichts- beamten der kleineren Staaten einige Mittheilungen zu machen, welche bezügli der dortigen industriellen Verhältnisse von besonderem Interesse erscheinen.

Sacsen-Meiningen umfaßt zwei Aufsichtsbezirke, von denen den einen die Kreise Saalfeld und Meiningen, den anderen Sonne- berg und Hildburghausen bilden. Für ersteren Bezirk wird berichtet, daß die Zahl der Anlagen und Fabriken auch in diesem Jahre zugenommen, cinige Etablissements erhebliße Erweite- rungen - erfahren, bei anderen solhe in Ausführung seien. Erzeugung und Absatz in der Porzellan- und Textilindustrie, ferner von Metallkurzwaaren, Messern, Drahtgeweben, Nähmascinen, Farben, Popier, Leder und Cigarren bewegten sich in aufsteigender Linie, während die von Roheisen und Stahl und zwar wesentli zurück- gingen. Aus den Mittheilungen über die Arbeiterverhältnisse ist die Abnahme der Kinder- (12—14 J.) Beschäftigung zu erwähnen z den auf Unfallverbütung gerichteten Anordnungen war willig nacgekom- men, 10 Unfälle, darunter 1 Todesfall, gelangten zur Kenntniß der Beamten. Für den Bezirk Sonneberg-Hildburghausen wird die geschäftliche Lage als gegen das Vorjahr niht wesentlich geändert be- zeichnet, in zahlreichen besu{ten Fabriken fei das ganze Jahr hindurch der Geschäftsgang zufriedenstellend gewesen, Klagen über Geschäftss stockung und Mangel an lohnender Arbeit hat der Beamte nirgents vernommen, doch wurde Seitens der Glasindustrie über gedrüdte Ld pie im Puppen- und Spielwaarengeshäft über große Konkurrenz geklagt.

In Sachsen-Altenburg blieb die Zahl der Anlagen unver- ändert, die Arbeiterzahl \tieg jedoch von 7825 auf 8411, oder um 8%/o, während sie im Vorjahr um 15% gestiegen war. Die Lage der Industrie sei allgemein in gemäßigtem Vorschreiten, bei der Porzellan- und Knopfindustrie kamen în Folge nachlassender Ausfuhr StoEckungen vor, die jedo bald wieder verschwanden. Die wirthschaftlice Lage der Arbeiter könne als im Allgemeinen gut bezeichnet werden, Arbeits- mangel so wenig als Arbeitermangel sei eingetreten. Der durc\cnitt- liche Arbeitéverdiens sei den Lebensmittelyreisen angemessen, dafür \spreche die Wahrnehmung, daß in den meisten Arbeiterkreisen eine freundliche zufriedene Stimmung herrsche; während von keiner Seite allgemeine Klagen über Nothstände bekannt geworden seien.

Ueber Coburg-Gotha berichtet der Beamte, die wichtigsten Industriezweige der Herzogthümer, Porzellan-, Glas-, Spielwaaren- und Maschinenfabriken, sowie Brauereien, hätten recht günstige Ge- \{äftsverhältnisse gehabt. Befriedigend war auch die wirthschaftlihe Lage der Arbeiter, besonders häiten die Waldorte regelmäßigen und ausreichenden Verdienst gehabt.

In Anhalt wirkten die Verhältnisse der Zuckerindustrie störend ein, ebenso litten die Kalifabriken in Leopoldshall unter der \chon Ende 1882 eingetretenen Stockung fort, während alle übrigen Be- triebe ausreichende Beschäftigung hatten und in unausgeseßter Thätig- keit waren. 42 Unfälle gelangten zur Anzeige, davon 2 tödliche, 29 ane:fannt {were ur.d 11 leichte Verletzungen. Nothstände unter der Arbeiterbevölkerung wurden nirgends bemerkt, doch macht der Beamte darauf aufmerksam, daß die öffentlichen Tanzluftbarkeiten sowohl, als das Vereinswesen mit seinen Stiftungs- und anderen Festlichkeiten die Arbeiter zu Geldausgaben verleite, \o daß Spar- einlagen an den Lohntagen mehr und mehr zu Ausnahmen wücden. _ Schwarzburg -Sondershausen hatte günstige Erfolge für seine Porzellan-, Glas- und Mineralwasserfabriken zu verzeichnen, da- gegen klagten Schuh- und Handschuhfabriken über \ch{lechtes über- seeishes Geschäft, welcher Umstand niht ohne Rückwirkung auf die Löhne blieb, doch wurden die hie und da eingetretenen Minderein- nahmen der betreffenden Arbeiter ausgeglihen durch billigere Lebens- mittelpreise, so daß nach dem Urtheile der Beamten die Löhne zu bescheidenem Auskommen ausreicten.

Schwarzburg-Rudolstadt berichtet, die Arbeiterzabl sei

von 4432 auf 4547, also etwa um 3 % gestiegen, auc einige neue Fabriken seien entstanden. Auf die günstige Lage des Arbeiterstandes lasse sih aus erhebliher Vermehrung der Fleischereien, namentlich auf den Dörfern, ein Rückshluß machen, indem bei den günstigen Lohn- verhältnissen Fleishkost die Kartoffelnahrung verdränge. __ Die in Walde ck besonders entwickelte Cigarrenfabrikation zeigte eine Zunahme der Arbeit, besonders der Hausarbeit; die in früheren Jahren recht \{chwierig gewesene Lage der Cigarrenarbeiter habe ih gebessert, dieselben zeigten durchgehend zufriedenere Stimmung, und Personen, die 1882 sih noch über die vorangegangene Zeit beschwer- ten, erklärten, daß sie nun nicht mehr zu klagen hätten.

In R euß à. L. entstanden 11 neue Fabriken ; die Textilinduslrie hatte einen abermaligen größeren Aufschwung, die Zahl der mechani- hen Stüble stieg von 6345 auf 7102 oder um 10 9%, die der Strumpfstühle von 690 auf 729, so daß etwa 800 Weber und Wirker mehr in den Fabriken Arbeit fanden. Außerdem machten Porzellan- und Maschinenindustrie wesentliche Fortschritte. Die wirth\chaftliche Lage sparsamer Arbeiter sei eine gute zu nennen. Die Löhne der mechanischen Weber seien um 5 bis 10 % des Normaltarifs rück- gängig gewesen als Folge einer im Herbst eingetretenen Ueberproduk- tion, die Löhne der anderen Branchen blieben jedo konstant.

Die Arbeiterzahl in Reuß j. L. stieg uz etwa 129% von 9772 auf 10904; daran war die Textilindustrie am stärksten betheiligt. Beim Geraer Unfallversicherungsverein waren 4990 Arbeiter gegen 4441 im Vorjahre versichert (überhaupt von den 10 904 Arbeitern 8400), bei einer Lohnsumme von 2 905 782 #6 betrug die gesammte Prämienzahlung rur. 13836 #4 etwa = X0/6, 116 Unfälle waren mit 8724 M zu entschädigen, darunter nur 2 Haftpflichtfälle.

In Bremen trat eine wesentliche Veränderung der industriellen Verhältnisse im Vergleich zum Vorjahre nicht hervor. Den Cigarren- fabriken wurde eine größere Aufmerksamkeit gewidmet und eine größere Anzahl kleinerer Betriebe der Aufsicht unterstellt; dadur zeigt die Arbeiterzahl eine erhebliche Vermehrung, die also nur rehnungsmäßig wäre; jedoch wies die Fabrikation von Maschinen und Werkzeugen eine merkliche Zunahme um 400 Arbeitern auf. Jn der Cigarren- fabrikation zeigte sih eine unerfreulihe Zunahme der Kinderbeshäf- tigung. Unfälle wurden 19 gemeldet, davon 11 auf Werften und in Mascbinenfabriken, 8 Unfälle waren \chwerere.

Für Hamburg. Die Anzahl der Anlagen habe verhältnißmäßig wenig zugenommen, doch habe sih in den größeren Betrieben eine gewisse Stetigkeit des Geschäftsganges und als Folge davon eine Ver- mehrung der Arbeitskräfte beobachten lassen, Der Umstand, daß, während die Arbeiterzahl um 7°/9 stieg, die der Betriebe nur um 2% zunahm, läßt den Aufsichtst eamten auf guten Stand der Fabrik- industrie \{ließen. Vertragsbruh sei selten geworden, seitdem von ciner Kündigungsfrist abgesehen worden und man in vielen Fabriken ein oder zwei Tagelöhne bis zum ordnungêmäßigen Abgang einbehalte. Unfälle wurden 405 dèn Beamten bekannt, von denen 8 Todesfälle und 76 Arbeitsunfähigkeit von und über 13 Wochen zur Folge hatten.

Am Stwlusse der Berichte werden die in der Gesammtindustrie beschäftigten jugendlichen Arbeiter in einer Tabelle zusammengestellt ; darnach wurden Kinder (12 bis 14 Jahren) 18 395 gegen 14 600 in 1882, und jugendliche Arbeiter (14 bis 16 Jahren) 124275 gegen 108 943 im Vorjahre beschäftigt, wozu noch für Braunschweig 1135 Köpfe in beiden Kategorien kommen, so daß die Gesammt- zunahme der beschäftigten Kinder und jugendlichen Arbeiter 20 262 Köpfe betragen würde, wobei jedoch ausdrücklich hervorzuheben ift, daß diese erhebliche Zunahme méhr auf gründlichere Ermittelungen

dieser Beschäftigung als auf merklihe Zunahme derselben zurück- zuführen ift.

__ Der Einblick, welden die hier gegebenen Au3züge aus den Be- rihten der Aufsihtsbeamten in die Gejammtlage der industriellen und sozialen Verhältnisse im Jahre 1883 gewähren, ift gewiß kein un- erfreuliher. Diese Berichte, von Männern herrühbrend, deren amt- lie Stellung sie zu genauen Beobachtungen aller dieser Verhältnisse dauernd veranlaßt und die in täglihem Verkehr mit den werkthätigen Bevölkerungskreisen selbs stehen, haben für die Erkenntniß dieser Ver- bâltnifse hohen Werth; jedenfalls aber höheren, als die meist mehr die finanzielle Prosperität ins Auge fassenden Berichte der Mehrzahl der Handelskammern. Der Raum einer Zeitung mußte es natürlich verbieten, auch nur den Versuch zu maten, alles das Wissenswerthe dieser Berichte wiederzugeben, es mußten die Mittheilungen über Unfallsursaben, Unfallsverhütung8maßregeln, Schuß der Arbeiter gegen Gefahren, Scbuß der Nawbarn gegen Gefahren und manches Andere sehr eingeschränkt, ja fast unberüsihtigt gelassen werden und es den \ih dafür interessirenden Kreisen überlassen bleiben, sih in den nunmehr baldigst im Verlage von Fr. Kortkampf er- scheinenden Berichten darüber näher zu informiren. Der gegebene Veberblick aber über die vorliegenden Nawbrichten betreffs der industriellen Lage, der wirthschaftlichen Lage der Arbeiter, der fozialen Verhältnisse, zeigt, daß alle diese Dinge hinsihtlih des in den Vor- jahren beobahten Aufs{wungs im Jahre 1883 keineswegs zum Still- stande gekommen sind. Daß es in einigen Zweigen, ja felbst in wichtigen, an Stockungen nit gefehlt hat, eine in großen wirth- shaftlihen Gebieten wohl nie ganz ausbleibende Erscheinung, war {on vorher bekannt; jedoch bleibt selbs unter Berücksichtigung dieser Umstände die Gesammtlage eine stetig fortschreitende. Besonders er- freuli.ÿ ist die Beobachtnng, daß die gesunde wirths{aftlice Lage auf Me sozialen Zustände eine deutlich erkennbare günstige Wirkung auéUubte.

__ Essen, 22. September. (W. T B.) Na dem Dortmunder Bericht der „Rheinish-Westfälishen Zeitung“ is die Physicgnomie des Eisenge schäfts eine ruhige geblieben. In Eisenerzen stagnirt der Markt, doch haben Preise keine Abshwähung erfahren. Jm Roheisenmarkt is noch keine Besserung zu bemerken, au ist an Preissteigerung {on deshalb nicht zu denken, weil mit den vor- handenen Hochofenwerken die Produktion noch bedeutend gesteigert werden könnte und dadurch der Preissteigerung wieder der Boden entzogen würde. In Walzwerkfabrikaten dauert regelmäßiger Verkehr fort, Walzdraht nah wie vor ruhig. In Schienen ift vorhandenes Arbeitsquantum ziemli belangreich. Internationales Scbienenkartell bleibt bis Mitte 1886 in Kraft und die Verkaufsgrundpreise sind troß Unterbietens französisher Konkurrenz unverändert geblieben. Maschinenfabriken und Eisengießereien wie auch Kesselshmiede sind dagegen recht gut engagirt.

Gotha, 22. September. (W. T. B.) Die Vertrauens- kommission der Gothaer Grund kredit- Bank ift heute Morgen zur Berathung, eventuell zur Antragstellung an den ebenfalls ver- sammelten Aussihtsrath zusammengetreten. Die Sitzung dauert zur Zeit noch fort.

Glasgow, 20. September. (W.T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 584 200 Tons, gegen 586 400 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hocböfen 94 gegen 115 im vorigen Jahre.

Paris, 20. September. (W. T. B.) Na einer Meldung aus Panama vom 19 d. ist der Kontrakt über die leßten 30 Millionen Kubikmeter für Herstellung des Bettes des Panama- kanals mit der amerikanischen Unternehmerfirma Dredging u. Co. in New-York zum Preise von 1,45 per Kubikmeter unterzeichnet worden. Die bezüglihen Arbeiten sollen im Jahre 1887 voll- endet sein.

New-York, 21. September. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr der vergangenen Woche betrug 7 100 000 Doll, davon 2 400 000 Doll. für Manufakturwaaren.

Verkehrs-Anftalten.

Hamburg, 22. September. (W. T. B.) Der Posft- dampfer „Wieland“ der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft ist, von New-York kommend, gestern Vormittag 11 Uhr in Plymouth, der Dampfer „Hungaria“ Nachts 12 Uhr auf der Elbe eingetroffen.

Triest, 21. September. (W. T. B.) Der Lloyddampfer «„Acbille“ ist mit der ostindish-cinesishen Ueberlantpost aus Alexandrien heute Vormittag hier eingetroffen.

New-York, 20. September. (W. T. B.) Der Damvfer „Spain“ von der National-Dampfschifffs-Compagnie (C. Messing- \he Linie) ift hier eingetroffen.

Berlin, 22, September 1884.

Robert Julius Kramm {.

Am 20. September, Abends, verstarb nah längerem Leiden der Wirkliche Geheime Ober-Postrath No bert Julius Kramm.

Am 16. Mai 1822 in Shwiebus geboren, trat der Heim- gegangene nah Absolvirung des Pädagogiums zu Züllichau am 4. Mai 1840 in den preußischen Postdienst ein. Nachdem er in verschiedenen Stellen des Provinzial-Postdienstes sowohl, als während längerer Zeit bei der Central-Postbehörde mit Erfolg thätig gewesen war und die Prüfung zu den höheren Dienststellen der Verwaltung bestanden hatte, wurde er im Jahre 1854 zum Postrath ernannt und vier Jahre später als Hülfsarbeiter zur obersten Postbehörde einberufen. Jm Jahre 1862 wurde Kramm die Stelle eines Mitgliedes der Tele- graphen-Direktion übertragen. 1863 erfolgte sodann seine Ernennung zum Geheimen Postrath und vortragenden Rath im General-Postamt, 1867 zum Geheimen Ober - Postrath. 1875 wurde ihm der Rothe Adler-Orden 2. Klasse mit Eichen- laub und im September 1883 der Charakter als Wirklicher Geheimer Ober-Postrath mit dem Range der Räthe erster Klasse verliehen.

Mit hervorragenden Fähigkeiten und vorzüglichen Dienst- kenntnissen ausgestattet, hat Kramm seine ausgezeichnete Arbeitskraft während einer langjährigen Thätigkeit unermüd- lih mit voller Hingevung und bestem Erfolge dem Dienste gewidmet.

Die Reichs-Postverwaltung hat durch sein Hinscheiden einen jchmerzlihen Verlust erlitten. Ein Muster echten Be- amtenthums, hat er sih dur sein biederes, gerades Wesen, durch seine seltene Gewissenhaftigkeit, sowie durch seine ehren- hafte, humane Gesinnung allgemeine Liebe und Werthschäßung, weit über seinen Berufskreis hinaus, erworben.

(A. Woldts wissenschaftliche Correspondenz.) Der Führer der deutschen Expedition in Südamerika sendet soeben folgende Nachricht die wohl für längere Zeit die leßte sein wird nah der Heimath: Wir sind endlich, {reibt Dr. von den Steinen, am leßten Punkte angelangt, von dem aus si noch mit der übrigen Welt verkehren läßt. Wir befinden uns jeßt in Aldea dos Bacairis am Rio Paranatinga. Ein nahe wohnender Fagendero wird in kurzer Zeit Vieh nach Diamantino transportiren und unsere Correspondenz mitnehmen. Die Rcise hat sich durch einige Schwierigkeiten unerfreu- lien Charakters erheblich verzögert. Nachdem wir am 26. Mai Cuyabá verlassen hatten, am 2. Juni in Rofario eingetrof- fen und dort cinige Tage zur Vervollständigung des Pro-